Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 - Migration und Flucht | Positionen

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Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 - Migration und Flucht | Positionen
Migration und Flucht | Positionen | 2013

Migrationspolitische
Positionen
zur Bundestagswahl 2013

Diakonie für Menschen   März 2013
                        Berlin
2   Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013

Von den neu zu wählenden Mitgliedern des Bundestages           1. Zugang zu Bildung und Arbeit schaffen
und der Bundesregierung erwarten wir, dass sie sich für
rechtliche Besserstellungen von Unionsbürgern, Flüchtlin-      Benachteiligung in Schule und Ausbildung beenden
gen, Geduldeten und Menschen ohne Aufenthaltspapiere           Das deutsche Schulsystem trägt dazu bei, sozial bedingte
einsetzen, für die fiskalische Absicherung von Integrations-   Chancenungleichheiten zu verstärken. Kinder und Jugend-
maßnahmen und die Stärkung des Schutzes vor Diskrimi-          liche mit Migrationshintergrund sind davon besonders be-
nierung. Wir erwarten, dass sie unsere Anliegen auch im        troffen. Auch gemessen am Sozialstatus sind sie an Förder-
EU-Ministerrat vertreten. Die Forderungen sind im Einzel-      schulen und Hauptschulen deutlich überrepräsentiert, sie
nen:                                                           gehen mit durchschnittlich schlechteren Abschlüssen und
                                                               häufiger ganz ohne Abschluss von der Schule ab.

                                                               Auch bei gleicher Eignung haben sie es nachweislich deut-
                                                               lich schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden.

                                                               Die Diakonie fordert ein durchlässiges, inklusives und indi-
                                                               vidualisiertes Schulsystem, das Vielfalt bejaht und jedem
                                                               Kind reale Teilhabechancen eröffnet. Den vergleichsweise
                                                               höheren Leistungsanforderungen bei nichtdeutschen Mut-
                                                               tersprachen insbesondere in den ersten Schuljahren muss
                                                               Rechnung getragen und eine angemessene Sprachförde-
                                                               rung flächendeckend umgesetzt werden. Eine angemessene
                                                               Mittelausstattung und Förderung der Schulen muss gerade
                                                               in Stadtteilen mit besonderen Funktionen für die Integration
                                                               gewährleistet werden.

                                                                 Wir halten es für unumgänglich, das Bund-Länder-Koope-
                                                                 rationsverbot im Bereich Schule zurückzunehmen, damit
                                                                 das Bildungssystem seine zentrale Rolle für eine inklusive
                                                                 Einwanderungsgesellschaft wahrnehmen kann.

                                                               Beschäftigungschancen erhöhen
                                                               Seit Jahrzehnten ist die Arbeitslosenquote bei Personen mit
                                                               Migrationshintergrund wesentlich höher als in der Gesamt-
                                                               bevölkerung. Sie leiden vor allem unter unzureichender An-
                                                               erkennung mitgebrachter Qualifikationen und stehen vor
                                                               vielfältigen ausländerrechtlichen Hürden. Zum Teil sehen sie
                                                               sich aber auch Vorurteilen und ausgrenzenden Mechanis-
                                                               men bei Arbeitgebern und in der Arbeitsverwaltung ausge-
                                                               setzt.

                                                               Menschen mit Migrationshintergrund müssen entsprechend
                                                               ihres Anteils an Weiterbildungs- und Eingliederungsmaß-
                                                               nahmen der Arbeitsverwaltung partizipieren. Auch die
                                                               Dienste und Angebote zur Verbesserung der Arbeitsmarkt-
                                                               integration müssen deutlich stärker als bisher interkulturell
                                                               geöffnet werden.
Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013     3

  Wir fordern Ausbildungsförderung nach SGB III und            ist als Kriterium nicht der Bezug zum Arbeitsmarkt erfor-
  BAföG für alle in Deutschland legal lebenden Ausländer/      derlich, sondern allein der Wohnsitz mit einer Aussicht auf
  innen (auch Geduldete) von Anfang an.                        dauerhaften Aufenthalt.

  Die ausländerrechtliche Notwendigkeit, den eigenen             Wir erwarten die Streichung der Regelung des § 7 SGB II
  Lebensunterhalt zu verdienen, ist während der Teilnahme        wegen der Kollision mit höherrangigem Europarecht. Die
  an Ausbildung, Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnah-        Verordnung zur Koordinierung von Sozialleistungen ist
  men auszusetzen.                                               auf das SGB II anwendbar und soll bei allen Unionsbür-
                                                                 gerinnen und Unionsbürgern angewendet werden.
  Wir fordern, die Residenzpflicht und die Arbeitsverbote
  für Asylsuchende und Geduldete abzuschaffen. Gedul-            Wir fordern die Rücknahme des im Dezember 2011
  dete müssen für die Zeit einer Ausbildung eine Aufent-         erklärten Vorbehalts der Bundesregierung gegen das
  haltserlaubnis erhalten. Insbesondere die unzureichende        Europäische Fürsorgeabkommen in Bezug auf das
  Mitwirkung bei der eigenen Abschiebung mit einem               SGB II.
  Arbeitsverbot zu sanktionieren (§ 11 BeschVerfV) ist nicht
  sachgerecht.
                                                               Die Abschaffung des Asylbewerberleistungsge-
  Zudem sollten Personen mit einer Duldung oder einer          setzes bleibt erforderlich
  Aufenthaltsgestattung schon während ihres Asylverfah-        Inzwischen erhalten rund 130.000 Menschen in Deutschland
  rens Zugang zu Integrationskursen haben, um frühzeitig       Leistungen nach dem AsylbLG. Wir begrüßen das Urteil des
  mit der deutschen Sprache in Kontakt zu kommen und           Bundesverfassungsgerichts, welches bekräftigt hat, dass
  sie erlernen zu können.                                      das sozio-kulturelle Existenzminimum auch für Leistungs-
                                                               berechtigte nach dem AsylbLG gilt und eine sofortige und
  Wir erwarten eine flächendeckende, gut erreichbare           zum Teil rückwirkende Anhebung der Regelsätze analog
  Beratungsstruktur unter Einbeziehung der Migrationsbe-       SGB II / XII in etwa auf das Niveau der dortigen Beträge
  ratungsstellen, damit der Zugang zur Anerkennung von         angeordnet hat. Die Anhebung der Leistungen allein reicht
  aus dem Ausland mitgebrachten Abschlüssen nach dem           jedoch nicht, um Asylsuchenden in Deutschland ein men-
  Berufsqualifikationsförderungsgesetz (BQFG) erleichtert      schenwürdiges Leben zu garantieren. Vor allem die Gewäh-
  wird. Passgenaue Maßnahmen (Praktika, Schulungen et          rung von Sachleistungen in Form von Essenspaketen und
  cetera) sind für die Menschen anzubieten, die eine Teila-    Gutscheinen entspricht nicht dem Bedarf der Menschen
  nerkennung ihres Berufsabschlusses vervollständigen          und wirkt sich leistungskürzend aus. Außerdem ist eine
  wollen. Während der Maßnahme muss ihre Existenz gesi-        zeitnahe dezentrale Unterbringung der Menschen nach der
  chert sein.                                                  Erstaufnahme wichtig für das Recht auf Privat- und Famili-
                                                               enleben.

Gleichbehandlungsgebot für Unionsbürger und                    Menschen, die unter das AsylbLG fallen, benötigen zudem
Unionsbürgerinnen auch bei Sozialleistungen                    eine vollumfängliche und zeitnahe Gesundheitsversorgung,
Die Diakonie hält eine sozialpolitische Debatte, die über      da die eingeschränkte Versorgung nach dem AsylbLG im-
den Umgang mit Eingewanderten geführt werden soll,             mer wieder zu einer Verschleppung und Verschlimmerung
für dringend erforderlich. Ebenso vertritt die Diakonie die    von Krankheiten führt.
Rechts-auffassung, dass Sozialleistungen für die nachge-
wiesene Arbeitssuche spätestens nach drei Monaten an alle        Wir fordern die Bundespolitik auf, das AsylbLG umge-
Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zu leisten sind. Dieser       hend aufzuheben, mindestens jedoch eine umfassende
Anspruch wird nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkom-          gesundheitliche Versorgung sicher zu stellen und die
men (EFA) hergeleitet, sondern aus der Verordnung zur Ko-        Abschaffung des Sachleistungsprinzips durchzusetzen.
ordinierung von Sozialleistungen VO 883/2004, die vorrangig
vor den Bundesgesetzen und völkerrechtlichen Verträgen
wie das EFA anzuwenden ist. Eine EU-„Verordnung“ hat in-
nerhalb der EU Gesetzescharakter mit unmittelbarer Wirkung
und geht dem nationalen Recht vor. Bei der VO 883/2004
4   Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013

Instrumente zur Integration                                     2. Das Zuwanderungsgesetz von 2005
Nach wie vor sind besondere Angebote wie Migrationsfach-           fortentwickeln
dienste und Gemeinwesenangebote notwendig, mit denen
auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer Zielgruppen zum Ziele    Als Diakonie vertreten wir migrationspolitisch den Ansatz
ihrer Gleichstellung einzugehen ist.                            der Inklusion: jeder Mensch, der in Deutschland lebt, soll
                                                                in seiner Individualität akzeptiert werden und die Möglich-
    Im Nationalen Aktionsplan Integration (NAP-I) bekennt       keit haben, in vollem Umfang an der Gesellschaft und ihren
    sich die Bundesregierung zur Verbesserung der Willkom-      Einrichtungen teilzuhaben. Wo Teilhaberechte nicht ver-
    menskultur für Einwandernde. Wir erwarten, dass sich        wirklicht werden, gilt es, Diskriminierung zu benennen und
    dieser Anspruch in den Haushaltsverhandlungen über          Barrieren abzubauen. Wir treten dafür ein, dass Menschen
    die Ausstattung der Migrationsberatung für erwachsene       mit Migrationsgeschichte nicht fortgesetzt als „Andere“ be-
    Zuwanderer, der Jugendmigrationsdienste und der             trachtet werden, insbesondere dann, wenn sie ihre Rechte
    gemeinwesenorientierten Projekte erkennbar nieder-          als Bürger und Bürgerinnen beanspruchen.
    schlägt. Dabei ist der Haushaltstitel zur Migrationsbera-
    tung für erwachsene Zuwanderer deutlich zu erhöhen,         Die Diakonie wandte sich von Beginn an gegen die im
    um die chronisch andauernde strukturelle Unterausstat-      Zuwanderungsgesetz enthaltene Zweckbestimmung der Be-
    tung dieses eigenständigen und zu den Integrations-         grenzung von Zuwanderung. In ergänzender Gesetzgebung
    kursen komplementären Integrationsangebotes zu über-        sind die Instrumente zur Einbeziehung Eingewanderter in die
    winden.                                                     Gesellschaft zu verankern. Dabei sollte eher von Partizipati-
                                                                on die Rede sein als von Integration, und es sollte ein inklu-
                                                                siver Ansatz zugrundeliegen. Zu berücksichtigen ist, dass
                                                                die meisten Aufgaben bei der migrationspolitischen Inklusi-
                                                                on zumindest im Bereich der Umsetzung bei den Ländern
                                                                liegen. Ein Partizipationsgesetz soll auf die Veränderungen
                                                                und Verbesserungen der strukturellen Rahmenbedingungen
                                                                abheben und so wenig als möglich Sonderstandards für
                                                                Eingewanderte zementieren.

                                                                Grundsätzlich ist die Gestaltung des Aufenthaltsrechts
                                                                daran auszurichten, dass Migration sehr oft mehrfach
                                                                und wiederholt abläuft. Anwerbestrategien, mit denen das
                                                                Schrumpfen des deutschen Erwerbspersonenpotenzials
                                                                ausgeglichen werden soll, dürfen nicht zu Lasten der Her-
                                                                kunftsländer gehen.

                                                                  Die Zwecksetzung der Begrenzung von Zuwanderung
                                                                  sollte entfallen. Wiederholte und dauerhafte Aufenthalte
                                                                  sollten erleichtert und eine Willkommenshaltung des
                                                                  Gesetzgebers zur Zuwanderung damit zum Ausdruck
                                                                  gebracht werden.
Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013    5

3. Zugang zu Aufenthalt und Staatsange-                         Nach wie vor sind die Übermittlungspflichten der Behörden
hörigkeit schaffen                                              bei Kenntnisnahme des fehlenden Aufenthaltsrechts trotz
                                                                Verbesserungen in der Praxis ein Hindernis, dass Menschen
Bleiberecht: Ein dauerhafter Duldungsstatus ist                 in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität ihre Grundrechte
rechtsstaatlich und humanitär nicht zu verantwor-               verwirklichen können. Dies betrifft medizinische Leistun-
ten                                                             gen, den Zugang zu Bildung, aber auch die Ausstellung von
Mehr als 53.000 Menschen leben schon mindestens sechs           Geburtsurkunden durch die Standesämter. Aus Angst vor
Jahre im Duldungsstatus in Deutschland. Bisherige Bleibe-       Entdeckung gehen sie trotz ansteckender Krankheiten nicht
rechtsregelungen konnten dieses Problem nicht lösen.            zum Arzt. Dadurch chronifizieren und verschlimmern sich
Die Erfahrungen aus der Beratungspraxis zeigen, dass die        Krankheiten. Vor allem bei der Geburt eines Kindes müssen
Integrationsanforderungen stärker an den realen Möglich-        Mütter professionelle Unterstützung ohne Risiko erhalten
keiten der Betroffenen ausgerichtet werden müssen. Daher        können, damit es zu keiner Gefahr für Leib und Leben der
sollte im Regelfall die überwiegende Lebensunterhaltssiche-     Mutter und des Kindes kommen kann. Ohne Geburts-
rung bzw. eine entsprechende Prognose ausreichend sein.         urkunde sind die Kinder weder in Deutschland noch im
Auch Menschen, die zum Beispiel aus gesundheitlichen            Herkunftsland ihrer Eltern staatlich gesehen nicht existent.
oder Altersgründen Integrationskriterien wie die Lebensun-      Daher müssen auch die Standesämter von der Übermitt-
terhaltssicherung nicht erfüllen können, sollten ein Aufent-    lungspflicht entbunden werden.
haltsrecht erhalten können. Bei vollständiger Erfüllung der
Mindestanforderungen sollte ein Anspruch auf ein Aufent-          Wir fordern einen Vorrang des verlängerten Geheimnis-
haltsrecht bestehen. Zudem wäre es sinnvoll, im Rahmen            schutzes bei medizinischer Behandlung gegenüber den
einer Gesamtschau weitere Integrationsbemühungen positiv          Übermittlungspflichten an die Ausländerbehörden. Die
zu würdigen und ein Aufenthaltsrecht auch dann zu gewäh-          Übermittlungspflichten sollten nicht für soziale Einrichtun-
ren, wenn einzelne Mindestanforderungen unterschritten            gen, sondern wenn überhaupt, dann nur noch für die
werden. So könnte eine bundeseinheitliche Anwendung               Sicherheitsorgane gelten.
sichergestellt, aber auch dem Einzelfall Rechnung getragen
werden.                                                           Für Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität
                                                                  erwarten wir, dass der Zugang zu Leistungen nach SGB
  Die Diakonie fordert eine stichtagsfreie, gesetzliche Blei-     VIII gewährt wird. So sind sie beispielweise beim Anspruch
  berechtsregelung nach einem fünfjährigen ununterbroche-         auf einen Kindergartenplatz und von den Hilfen zur Erzie-
  nen Aufenthalt. Die an ein Bleiberecht geknüpften Voraus-       hung ausgeschlossen, da hierzu mindestens eine Duldung
  setzungen dürfen nicht allein „Integrationserfolge und          vorliegen muss (§ 6 iVm mit §§ 24 bzw. 27ff KJHG).
  -bemühungen“ zur Bedingung machen, sondern müssen
  auch humanitäre Kriterien einschließen.
                                                                Neuansiedlung von Flüchtlingen ermöglichen und
  Wir erwarten eine dezentrale Unterbringung von Asylsu-        ausbauen
  chenden und Geduldeten in einem Integration und Teil-         In Kooperation mit dem UNHCR bieten staatliche Resettle-
  habe ermöglichenden Umfeld sowie die Abschaffung der          ment-Progamme Flüchtlingen, die an ihrem ersten Zu-
  Aufenthaltsbeschränkungen („Residenzpflicht“).                fluchtsort keine Integrationschance haben, die Möglichkeit,
                                                                an einem anderen Ort neu angesiedelt zu werden. Die In-
                                                                nenminister und -senatoren des Bundes und der Länder ha-
Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität              ben auf ihrer Herbstkonferenz im Dezember 2011 entschie-
haben Menschenrechte                                            den, in den nächsten drei Jahren jeweils 300 Flüchtlinge zur
Ein ungeklärter oder versagter Aufenthaltsstatus stellt         Neuansiedlung aufzunehmen. Damit ist Deutschland in ein
Grund- und Menschenrechte in Frage und führt zu extre-          regelmäßiges Resettlementprogramm eingestiegen. Jedoch
men Armutssituationen. Volksvertreter stehen daher in der       ist das Angebot von 300 Plätzen angesichts des Bedarfs
Verantwortung, langjährig in Deutschland Lebenden eine          und der Möglichkeiten Deutschlands zu niedrig.
Chance zu verschaffen, ihren Aufenthalt zu legalisieren.
6   Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013

    Im Rahmen einer dauerhaften Neuansiedlung sollte Flücht-       Das Prinzip der „freien Wahl eines Mitgliedstaates“ (Free
    lingen anstelle des bisher gewährten befristeten humanitä-     One Choice), der innerhalb der EU für den Asylsuchenden
    ren Aufenthaltstitels nach § 23 Abs.2 AufenthG der allge-      zuständig sein soll, sollte verbunden werden mit einem
    meine Flüchtlingsstatus gewährt werden.                        europäischen Ausgleichfonds, der auf solidarischen und
                                                                   gerechten Grundsätzen beruht.
    Der Bund sollte das jährliche Kontingent zur Neuansied-
    lung im Rahmen des Resettlement-Programms von derzeit          Auf das Zuständigkeitskriterium der „illegalen Einreise“ in
    300 Personen deutlich erhöhen. Zusammen mit der Kirch-         der Dublin-III-Verordnung ist zu verzichten.
    lichen Kommission für Migranten in Europa (CCME) for-
    dern wir eine gemeinsame europaweite Aufnahme von              Asylsuchende – auch diejenigen, die unter die Dublin-III-
    jährlich mindestens 20.000 Resettlementflüchtlingen bis        Verordnung fallen – gehören nicht in Abschiebungshaft.
    zum Jahr 2020.

                                                                 Familiennachzug erleichtern
Gerechte und solidarische Verantwortungsteilung                  Der Schutz der Einheit der Familie ist ein zentrales Anlie-
bei der Flüchtlingsaufnahme innerhalb der Europä-                gen der Diakonie. Die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes
ischen Union                                                     über den Aufenthalt aus familiären Gründen müssen diesem
Die zurückliegenden Jahre haben die tiefgreifende Krise des      Grundsatz stärker Rechnung tragen.
Systems der Flüchtlingsaufnahme in Europa zutage beför-
dert: Viele Asylsuchende bleiben nach der Einreise in die EU     Der Erwerb der deutschen Sprache gelingt am besten in
schutzlos, sind aber gezwungen in dem für sie zuständigen        Deutschland. Sie zwingend schon vor der Einreise erwerben
Land zu verbleiben bzw. dorthin zurückzukehren. Die jüngs-       zu müssen, ist familienfeindlich, integrationspolitisch nicht
ten Reformen durch die sogenannte Dublin-III-Verordnung          zielführend und mit dem europäischen Recht nicht verein-
führen nicht aus dieser Krise. Sie halten am bestehenden         bar.
System fest, insbesondere an der Zuständigkeitszuweisung
an den Einreisestaat. Derjenige Staat sollte für ein Asyl-         Wir erwarten die Abschaffung der europarechtswidrigen
verfahren zuständig sein, in dem der Asylsuchende seinen           Verpflichtung zum Nachweis deutscher Sprachkenntnisse
Antrag stellen möchte und nicht aufgrund seiner möglicher-         vor der Einreise beim Ehegattennachzug.
weise illegalen Einreise gezwungen wird, einen Asylantrag
zu stellen. Humanitäre, familiäre, sprachliche und kulturelle      Wir fordern eine verbesserte Familienzusammenführung
Bezüge zum Mitgliedstaat können so Berücksichtigung                für Mitglieder der Familie, die nicht – im ausländerrechtli-
finden und die Integration erleichtern.                            chen Sinne – zur Kernfamilie gehören. Hier ist eine sinn-
                                                                   volle Erweiterung des Familienbegriffs erforderlich. Min-
Anstatt europaweit Asylsuchende zwangsweise hin und her            derjährige Kinder müssen grundsätzlich zu ihren in
zu schieben oder irreguläre Binnenmigration zu fördern,            Deutschland lebenden Eltern ziehen können, wenn dies
könnten entstehende Ungleichgewichte durch Finanzmit-              dem Kindeswohl entspricht Wenn nur ein Elternteil im Bun-
tel über einen europäischen Ausgleichsfond ausgeglichen            desgebiet lebt, ist diesem das alleinige Sorgerecht zu
werden. Weiterhin ist eine volle Freizügigkeit für anerkannte      übertragen.
Flüchtlinge mit einem Flüchtlings- oder subsidiären Schutz-
status nach Abschluss des Asylverfahrens einzuführen.              Wir fordern den Bund auf, die rechtlichen Bestimmungen,
                                                                   wie sie hinsichtlich der Familienzusammenführung von
Wir fordern vom zukünftigen Bundestag und der Bundes-              anerkannten Flüchtlingen gelten, auch bei den subsidiär
regierung, sich im Europäischen Rat für folgende Ziele             Geschützten anzuwenden. Auch sie können auf absehbare
einzusetzen – besonders im Hinblick auf die 2014 anstehen-         Zeit nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren.
de Evaluation der Dublin-III-Verordnung durch die EU-Kom-
mission:
Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013      7

Einbürgerung erleichtern – Optionspflicht ab-                    4. Freiheit von Diskriminierung gewähr-
schaffen                                                            leisten
Um mehr Einbürgerungen zu erreichen, ist es wichtig, ein
gesellschaftliches Klima zu schaffen, in dem Einbürgerung        Rassismus muss beim Namen genannt werden. Antidiskri-
als wünschenswert betrachtet und zusehends erleichtert           minierungsstellen müssen ihre Arbeit in gesicherten Rah-
wird. Hierzu ist die Abschaffung der Optionspflicht eine erste   menbedingungen leisten können. Auch in den Ländern und
Voraussetzung. Die erzwungene Entscheidung zwischen der          auf regionaler Ebene sollten die institutionellen Strukturen
deutschen Staatsbürgerschaft und der der Eltern sendet ein       des Diskriminierungsschutzes gestärkt werden.
Signal des Misstrauens und benachteiligt in unangemessener
Weise junge Erwachsene mit einer zweiten nicht-EU-Staats-          Die Programme von Bund und Ländern für Vielfalt und
bürgerschaft gegenüber EU-Mehrstaatern oder Doppelstaa-            gegen Diskriminierung sollten mindestens im bisherigen
tern mit einem deutschen Elternteil.                               Umfang fortgeführt werden. Erfolgreiche und bewährte
                                                                   Projekte gilt es zu verstetigen, um nachhaltig zu wirken.
  Wir fordern vom neugewählten Bundestag, § 29 StAG so             Maßnahmen gegen Alltagsrassismus sollten in den För-
  abzuändern, dass die Optionspflicht entfällt.                    derkatalog ausdrücklich aufgenommen werden.

  Die Gesetzesänderung soll flankiert werden von Maßnah-           Wir erwarten eine Erhöhung des Budgets der Antidiskrimi-
  men der Bundesregierung zur Information und Aufklärung           nierungsstelle des Bundes Die Antidiskriminierungsbera-
  der Bevölkerung über ihre Sinnhaftigkeit für das demokra-        tung sollte ausgebaut werden.
  tische Gemeinwesen. Einbürgerungsberechtigte sollen
  stärker als bisher über die Vorteile und Bedingungen einer       Menschenrechtsbildung und antirassistische Trainings
  Einbürgerung informiert und beraten werden.                      benötigen feste Plätze in den Lehrplänen. Sie sollten Ein-
                                                                   gang in die Konzepte und Maßnahmen der schulischen
                                                                   und außerschulischen Bildung finden.

                                                                   Wir fordern, die statistische Erfassung von Diskriminie-
                                                                   rungsbeschwerden und rassistischen Straftaten (Anzeigen,
                                                                   Ermittlungen und Verurteilungen) zu verbessern. Indikato-
                                                                   ren zum Erfolg bzw. Misserfolg der Integrationspolitik soll-
                                                                   ten auch die strukturelle Diskriminierung von Menschen
                                                                   anderer Herkunft und anderer Hautfarbe abbilden.

                                                                 Maria Loheide
                                                                 Vorstand Sozialpolitik
                                                                 Diakonie Deutschland — Evangelischer Bundesverband
8   Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013

Kontakt und Information
Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband
Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.
Caroline-Michaelis-Straße 1
10115 Berlin

Johannes Brandstäter
Telefon: +49 30 652 11-1641
Telefax: +49 30 652 11-3641
johannes.brandstaeter@diakonie.de

www.diakonie.de
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