Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 - Migration und Flucht | Positionen
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Migration und Flucht | Positionen | 2013 Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 Diakonie für Menschen März 2013 Berlin
2 Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 Von den neu zu wählenden Mitgliedern des Bundestages 1. Zugang zu Bildung und Arbeit schaffen und der Bundesregierung erwarten wir, dass sie sich für rechtliche Besserstellungen von Unionsbürgern, Flüchtlin- Benachteiligung in Schule und Ausbildung beenden gen, Geduldeten und Menschen ohne Aufenthaltspapiere Das deutsche Schulsystem trägt dazu bei, sozial bedingte einsetzen, für die fiskalische Absicherung von Integrations- Chancenungleichheiten zu verstärken. Kinder und Jugend- maßnahmen und die Stärkung des Schutzes vor Diskrimi- liche mit Migrationshintergrund sind davon besonders be- nierung. Wir erwarten, dass sie unsere Anliegen auch im troffen. Auch gemessen am Sozialstatus sind sie an Förder- EU-Ministerrat vertreten. Die Forderungen sind im Einzel- schulen und Hauptschulen deutlich überrepräsentiert, sie nen: gehen mit durchschnittlich schlechteren Abschlüssen und häufiger ganz ohne Abschluss von der Schule ab. Auch bei gleicher Eignung haben sie es nachweislich deut- lich schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden. Die Diakonie fordert ein durchlässiges, inklusives und indi- vidualisiertes Schulsystem, das Vielfalt bejaht und jedem Kind reale Teilhabechancen eröffnet. Den vergleichsweise höheren Leistungsanforderungen bei nichtdeutschen Mut- tersprachen insbesondere in den ersten Schuljahren muss Rechnung getragen und eine angemessene Sprachförde- rung flächendeckend umgesetzt werden. Eine angemessene Mittelausstattung und Förderung der Schulen muss gerade in Stadtteilen mit besonderen Funktionen für die Integration gewährleistet werden. Wir halten es für unumgänglich, das Bund-Länder-Koope- rationsverbot im Bereich Schule zurückzunehmen, damit das Bildungssystem seine zentrale Rolle für eine inklusive Einwanderungsgesellschaft wahrnehmen kann. Beschäftigungschancen erhöhen Seit Jahrzehnten ist die Arbeitslosenquote bei Personen mit Migrationshintergrund wesentlich höher als in der Gesamt- bevölkerung. Sie leiden vor allem unter unzureichender An- erkennung mitgebrachter Qualifikationen und stehen vor vielfältigen ausländerrechtlichen Hürden. Zum Teil sehen sie sich aber auch Vorurteilen und ausgrenzenden Mechanis- men bei Arbeitgebern und in der Arbeitsverwaltung ausge- setzt. Menschen mit Migrationshintergrund müssen entsprechend ihres Anteils an Weiterbildungs- und Eingliederungsmaß- nahmen der Arbeitsverwaltung partizipieren. Auch die Dienste und Angebote zur Verbesserung der Arbeitsmarkt- integration müssen deutlich stärker als bisher interkulturell geöffnet werden.
Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 3 Wir fordern Ausbildungsförderung nach SGB III und ist als Kriterium nicht der Bezug zum Arbeitsmarkt erfor- BAföG für alle in Deutschland legal lebenden Ausländer/ derlich, sondern allein der Wohnsitz mit einer Aussicht auf innen (auch Geduldete) von Anfang an. dauerhaften Aufenthalt. Die ausländerrechtliche Notwendigkeit, den eigenen Wir erwarten die Streichung der Regelung des § 7 SGB II Lebensunterhalt zu verdienen, ist während der Teilnahme wegen der Kollision mit höherrangigem Europarecht. Die an Ausbildung, Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnah- Verordnung zur Koordinierung von Sozialleistungen ist men auszusetzen. auf das SGB II anwendbar und soll bei allen Unionsbür- gerinnen und Unionsbürgern angewendet werden. Wir fordern, die Residenzpflicht und die Arbeitsverbote für Asylsuchende und Geduldete abzuschaffen. Gedul- Wir fordern die Rücknahme des im Dezember 2011 dete müssen für die Zeit einer Ausbildung eine Aufent- erklärten Vorbehalts der Bundesregierung gegen das haltserlaubnis erhalten. Insbesondere die unzureichende Europäische Fürsorgeabkommen in Bezug auf das Mitwirkung bei der eigenen Abschiebung mit einem SGB II. Arbeitsverbot zu sanktionieren (§ 11 BeschVerfV) ist nicht sachgerecht. Die Abschaffung des Asylbewerberleistungsge- Zudem sollten Personen mit einer Duldung oder einer setzes bleibt erforderlich Aufenthaltsgestattung schon während ihres Asylverfah- Inzwischen erhalten rund 130.000 Menschen in Deutschland rens Zugang zu Integrationskursen haben, um frühzeitig Leistungen nach dem AsylbLG. Wir begrüßen das Urteil des mit der deutschen Sprache in Kontakt zu kommen und Bundesverfassungsgerichts, welches bekräftigt hat, dass sie erlernen zu können. das sozio-kulturelle Existenzminimum auch für Leistungs- berechtigte nach dem AsylbLG gilt und eine sofortige und Wir erwarten eine flächendeckende, gut erreichbare zum Teil rückwirkende Anhebung der Regelsätze analog Beratungsstruktur unter Einbeziehung der Migrationsbe- SGB II / XII in etwa auf das Niveau der dortigen Beträge ratungsstellen, damit der Zugang zur Anerkennung von angeordnet hat. Die Anhebung der Leistungen allein reicht aus dem Ausland mitgebrachten Abschlüssen nach dem jedoch nicht, um Asylsuchenden in Deutschland ein men- Berufsqualifikationsförderungsgesetz (BQFG) erleichtert schenwürdiges Leben zu garantieren. Vor allem die Gewäh- wird. Passgenaue Maßnahmen (Praktika, Schulungen et rung von Sachleistungen in Form von Essenspaketen und cetera) sind für die Menschen anzubieten, die eine Teila- Gutscheinen entspricht nicht dem Bedarf der Menschen nerkennung ihres Berufsabschlusses vervollständigen und wirkt sich leistungskürzend aus. Außerdem ist eine wollen. Während der Maßnahme muss ihre Existenz gesi- zeitnahe dezentrale Unterbringung der Menschen nach der chert sein. Erstaufnahme wichtig für das Recht auf Privat- und Famili- enleben. Gleichbehandlungsgebot für Unionsbürger und Menschen, die unter das AsylbLG fallen, benötigen zudem Unionsbürgerinnen auch bei Sozialleistungen eine vollumfängliche und zeitnahe Gesundheitsversorgung, Die Diakonie hält eine sozialpolitische Debatte, die über da die eingeschränkte Versorgung nach dem AsylbLG im- den Umgang mit Eingewanderten geführt werden soll, mer wieder zu einer Verschleppung und Verschlimmerung für dringend erforderlich. Ebenso vertritt die Diakonie die von Krankheiten führt. Rechts-auffassung, dass Sozialleistungen für die nachge- wiesene Arbeitssuche spätestens nach drei Monaten an alle Wir fordern die Bundespolitik auf, das AsylbLG umge- Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zu leisten sind. Dieser hend aufzuheben, mindestens jedoch eine umfassende Anspruch wird nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkom- gesundheitliche Versorgung sicher zu stellen und die men (EFA) hergeleitet, sondern aus der Verordnung zur Ko- Abschaffung des Sachleistungsprinzips durchzusetzen. ordinierung von Sozialleistungen VO 883/2004, die vorrangig vor den Bundesgesetzen und völkerrechtlichen Verträgen wie das EFA anzuwenden ist. Eine EU-„Verordnung“ hat in- nerhalb der EU Gesetzescharakter mit unmittelbarer Wirkung und geht dem nationalen Recht vor. Bei der VO 883/2004
4 Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 Instrumente zur Integration 2. Das Zuwanderungsgesetz von 2005 Nach wie vor sind besondere Angebote wie Migrationsfach- fortentwickeln dienste und Gemeinwesenangebote notwendig, mit denen auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer Zielgruppen zum Ziele Als Diakonie vertreten wir migrationspolitisch den Ansatz ihrer Gleichstellung einzugehen ist. der Inklusion: jeder Mensch, der in Deutschland lebt, soll in seiner Individualität akzeptiert werden und die Möglich- Im Nationalen Aktionsplan Integration (NAP-I) bekennt keit haben, in vollem Umfang an der Gesellschaft und ihren sich die Bundesregierung zur Verbesserung der Willkom- Einrichtungen teilzuhaben. Wo Teilhaberechte nicht ver- menskultur für Einwandernde. Wir erwarten, dass sich wirklicht werden, gilt es, Diskriminierung zu benennen und dieser Anspruch in den Haushaltsverhandlungen über Barrieren abzubauen. Wir treten dafür ein, dass Menschen die Ausstattung der Migrationsberatung für erwachsene mit Migrationsgeschichte nicht fortgesetzt als „Andere“ be- Zuwanderer, der Jugendmigrationsdienste und der trachtet werden, insbesondere dann, wenn sie ihre Rechte gemeinwesenorientierten Projekte erkennbar nieder- als Bürger und Bürgerinnen beanspruchen. schlägt. Dabei ist der Haushaltstitel zur Migrationsbera- tung für erwachsene Zuwanderer deutlich zu erhöhen, Die Diakonie wandte sich von Beginn an gegen die im um die chronisch andauernde strukturelle Unterausstat- Zuwanderungsgesetz enthaltene Zweckbestimmung der Be- tung dieses eigenständigen und zu den Integrations- grenzung von Zuwanderung. In ergänzender Gesetzgebung kursen komplementären Integrationsangebotes zu über- sind die Instrumente zur Einbeziehung Eingewanderter in die winden. Gesellschaft zu verankern. Dabei sollte eher von Partizipati- on die Rede sein als von Integration, und es sollte ein inklu- siver Ansatz zugrundeliegen. Zu berücksichtigen ist, dass die meisten Aufgaben bei der migrationspolitischen Inklusi- on zumindest im Bereich der Umsetzung bei den Ländern liegen. Ein Partizipationsgesetz soll auf die Veränderungen und Verbesserungen der strukturellen Rahmenbedingungen abheben und so wenig als möglich Sonderstandards für Eingewanderte zementieren. Grundsätzlich ist die Gestaltung des Aufenthaltsrechts daran auszurichten, dass Migration sehr oft mehrfach und wiederholt abläuft. Anwerbestrategien, mit denen das Schrumpfen des deutschen Erwerbspersonenpotenzials ausgeglichen werden soll, dürfen nicht zu Lasten der Her- kunftsländer gehen. Die Zwecksetzung der Begrenzung von Zuwanderung sollte entfallen. Wiederholte und dauerhafte Aufenthalte sollten erleichtert und eine Willkommenshaltung des Gesetzgebers zur Zuwanderung damit zum Ausdruck gebracht werden.
Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 5 3. Zugang zu Aufenthalt und Staatsange- Nach wie vor sind die Übermittlungspflichten der Behörden hörigkeit schaffen bei Kenntnisnahme des fehlenden Aufenthaltsrechts trotz Verbesserungen in der Praxis ein Hindernis, dass Menschen Bleiberecht: Ein dauerhafter Duldungsstatus ist in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität ihre Grundrechte rechtsstaatlich und humanitär nicht zu verantwor- verwirklichen können. Dies betrifft medizinische Leistun- ten gen, den Zugang zu Bildung, aber auch die Ausstellung von Mehr als 53.000 Menschen leben schon mindestens sechs Geburtsurkunden durch die Standesämter. Aus Angst vor Jahre im Duldungsstatus in Deutschland. Bisherige Bleibe- Entdeckung gehen sie trotz ansteckender Krankheiten nicht rechtsregelungen konnten dieses Problem nicht lösen. zum Arzt. Dadurch chronifizieren und verschlimmern sich Die Erfahrungen aus der Beratungspraxis zeigen, dass die Krankheiten. Vor allem bei der Geburt eines Kindes müssen Integrationsanforderungen stärker an den realen Möglich- Mütter professionelle Unterstützung ohne Risiko erhalten keiten der Betroffenen ausgerichtet werden müssen. Daher können, damit es zu keiner Gefahr für Leib und Leben der sollte im Regelfall die überwiegende Lebensunterhaltssiche- Mutter und des Kindes kommen kann. Ohne Geburts- rung bzw. eine entsprechende Prognose ausreichend sein. urkunde sind die Kinder weder in Deutschland noch im Auch Menschen, die zum Beispiel aus gesundheitlichen Herkunftsland ihrer Eltern staatlich gesehen nicht existent. oder Altersgründen Integrationskriterien wie die Lebensun- Daher müssen auch die Standesämter von der Übermitt- terhaltssicherung nicht erfüllen können, sollten ein Aufent- lungspflicht entbunden werden. haltsrecht erhalten können. Bei vollständiger Erfüllung der Mindestanforderungen sollte ein Anspruch auf ein Aufent- Wir fordern einen Vorrang des verlängerten Geheimnis- haltsrecht bestehen. Zudem wäre es sinnvoll, im Rahmen schutzes bei medizinischer Behandlung gegenüber den einer Gesamtschau weitere Integrationsbemühungen positiv Übermittlungspflichten an die Ausländerbehörden. Die zu würdigen und ein Aufenthaltsrecht auch dann zu gewäh- Übermittlungspflichten sollten nicht für soziale Einrichtun- ren, wenn einzelne Mindestanforderungen unterschritten gen, sondern wenn überhaupt, dann nur noch für die werden. So könnte eine bundeseinheitliche Anwendung Sicherheitsorgane gelten. sichergestellt, aber auch dem Einzelfall Rechnung getragen werden. Für Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität erwarten wir, dass der Zugang zu Leistungen nach SGB Die Diakonie fordert eine stichtagsfreie, gesetzliche Blei- VIII gewährt wird. So sind sie beispielweise beim Anspruch berechtsregelung nach einem fünfjährigen ununterbroche- auf einen Kindergartenplatz und von den Hilfen zur Erzie- nen Aufenthalt. Die an ein Bleiberecht geknüpften Voraus- hung ausgeschlossen, da hierzu mindestens eine Duldung setzungen dürfen nicht allein „Integrationserfolge und vorliegen muss (§ 6 iVm mit §§ 24 bzw. 27ff KJHG). -bemühungen“ zur Bedingung machen, sondern müssen auch humanitäre Kriterien einschließen. Neuansiedlung von Flüchtlingen ermöglichen und Wir erwarten eine dezentrale Unterbringung von Asylsu- ausbauen chenden und Geduldeten in einem Integration und Teil- In Kooperation mit dem UNHCR bieten staatliche Resettle- habe ermöglichenden Umfeld sowie die Abschaffung der ment-Progamme Flüchtlingen, die an ihrem ersten Zu- Aufenthaltsbeschränkungen („Residenzpflicht“). fluchtsort keine Integrationschance haben, die Möglichkeit, an einem anderen Ort neu angesiedelt zu werden. Die In- nenminister und -senatoren des Bundes und der Länder ha- Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität ben auf ihrer Herbstkonferenz im Dezember 2011 entschie- haben Menschenrechte den, in den nächsten drei Jahren jeweils 300 Flüchtlinge zur Ein ungeklärter oder versagter Aufenthaltsstatus stellt Neuansiedlung aufzunehmen. Damit ist Deutschland in ein Grund- und Menschenrechte in Frage und führt zu extre- regelmäßiges Resettlementprogramm eingestiegen. Jedoch men Armutssituationen. Volksvertreter stehen daher in der ist das Angebot von 300 Plätzen angesichts des Bedarfs Verantwortung, langjährig in Deutschland Lebenden eine und der Möglichkeiten Deutschlands zu niedrig. Chance zu verschaffen, ihren Aufenthalt zu legalisieren.
6 Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 Im Rahmen einer dauerhaften Neuansiedlung sollte Flücht- Das Prinzip der „freien Wahl eines Mitgliedstaates“ (Free lingen anstelle des bisher gewährten befristeten humanitä- One Choice), der innerhalb der EU für den Asylsuchenden ren Aufenthaltstitels nach § 23 Abs.2 AufenthG der allge- zuständig sein soll, sollte verbunden werden mit einem meine Flüchtlingsstatus gewährt werden. europäischen Ausgleichfonds, der auf solidarischen und gerechten Grundsätzen beruht. Der Bund sollte das jährliche Kontingent zur Neuansied- lung im Rahmen des Resettlement-Programms von derzeit Auf das Zuständigkeitskriterium der „illegalen Einreise“ in 300 Personen deutlich erhöhen. Zusammen mit der Kirch- der Dublin-III-Verordnung ist zu verzichten. lichen Kommission für Migranten in Europa (CCME) for- dern wir eine gemeinsame europaweite Aufnahme von Asylsuchende – auch diejenigen, die unter die Dublin-III- jährlich mindestens 20.000 Resettlementflüchtlingen bis Verordnung fallen – gehören nicht in Abschiebungshaft. zum Jahr 2020. Familiennachzug erleichtern Gerechte und solidarische Verantwortungsteilung Der Schutz der Einheit der Familie ist ein zentrales Anlie- bei der Flüchtlingsaufnahme innerhalb der Europä- gen der Diakonie. Die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes ischen Union über den Aufenthalt aus familiären Gründen müssen diesem Die zurückliegenden Jahre haben die tiefgreifende Krise des Grundsatz stärker Rechnung tragen. Systems der Flüchtlingsaufnahme in Europa zutage beför- dert: Viele Asylsuchende bleiben nach der Einreise in die EU Der Erwerb der deutschen Sprache gelingt am besten in schutzlos, sind aber gezwungen in dem für sie zuständigen Deutschland. Sie zwingend schon vor der Einreise erwerben Land zu verbleiben bzw. dorthin zurückzukehren. Die jüngs- zu müssen, ist familienfeindlich, integrationspolitisch nicht ten Reformen durch die sogenannte Dublin-III-Verordnung zielführend und mit dem europäischen Recht nicht verein- führen nicht aus dieser Krise. Sie halten am bestehenden bar. System fest, insbesondere an der Zuständigkeitszuweisung an den Einreisestaat. Derjenige Staat sollte für ein Asyl- Wir erwarten die Abschaffung der europarechtswidrigen verfahren zuständig sein, in dem der Asylsuchende seinen Verpflichtung zum Nachweis deutscher Sprachkenntnisse Antrag stellen möchte und nicht aufgrund seiner möglicher- vor der Einreise beim Ehegattennachzug. weise illegalen Einreise gezwungen wird, einen Asylantrag zu stellen. Humanitäre, familiäre, sprachliche und kulturelle Wir fordern eine verbesserte Familienzusammenführung Bezüge zum Mitgliedstaat können so Berücksichtigung für Mitglieder der Familie, die nicht – im ausländerrechtli- finden und die Integration erleichtern. chen Sinne – zur Kernfamilie gehören. Hier ist eine sinn- volle Erweiterung des Familienbegriffs erforderlich. Min- Anstatt europaweit Asylsuchende zwangsweise hin und her derjährige Kinder müssen grundsätzlich zu ihren in zu schieben oder irreguläre Binnenmigration zu fördern, Deutschland lebenden Eltern ziehen können, wenn dies könnten entstehende Ungleichgewichte durch Finanzmit- dem Kindeswohl entspricht Wenn nur ein Elternteil im Bun- tel über einen europäischen Ausgleichsfond ausgeglichen desgebiet lebt, ist diesem das alleinige Sorgerecht zu werden. Weiterhin ist eine volle Freizügigkeit für anerkannte übertragen. Flüchtlinge mit einem Flüchtlings- oder subsidiären Schutz- status nach Abschluss des Asylverfahrens einzuführen. Wir fordern den Bund auf, die rechtlichen Bestimmungen, wie sie hinsichtlich der Familienzusammenführung von Wir fordern vom zukünftigen Bundestag und der Bundes- anerkannten Flüchtlingen gelten, auch bei den subsidiär regierung, sich im Europäischen Rat für folgende Ziele Geschützten anzuwenden. Auch sie können auf absehbare einzusetzen – besonders im Hinblick auf die 2014 anstehen- Zeit nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren. de Evaluation der Dublin-III-Verordnung durch die EU-Kom- mission:
Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 7 Einbürgerung erleichtern – Optionspflicht ab- 4. Freiheit von Diskriminierung gewähr- schaffen leisten Um mehr Einbürgerungen zu erreichen, ist es wichtig, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in dem Einbürgerung Rassismus muss beim Namen genannt werden. Antidiskri- als wünschenswert betrachtet und zusehends erleichtert minierungsstellen müssen ihre Arbeit in gesicherten Rah- wird. Hierzu ist die Abschaffung der Optionspflicht eine erste menbedingungen leisten können. Auch in den Ländern und Voraussetzung. Die erzwungene Entscheidung zwischen der auf regionaler Ebene sollten die institutionellen Strukturen deutschen Staatsbürgerschaft und der der Eltern sendet ein des Diskriminierungsschutzes gestärkt werden. Signal des Misstrauens und benachteiligt in unangemessener Weise junge Erwachsene mit einer zweiten nicht-EU-Staats- Die Programme von Bund und Ländern für Vielfalt und bürgerschaft gegenüber EU-Mehrstaatern oder Doppelstaa- gegen Diskriminierung sollten mindestens im bisherigen tern mit einem deutschen Elternteil. Umfang fortgeführt werden. Erfolgreiche und bewährte Projekte gilt es zu verstetigen, um nachhaltig zu wirken. Wir fordern vom neugewählten Bundestag, § 29 StAG so Maßnahmen gegen Alltagsrassismus sollten in den För- abzuändern, dass die Optionspflicht entfällt. derkatalog ausdrücklich aufgenommen werden. Die Gesetzesänderung soll flankiert werden von Maßnah- Wir erwarten eine Erhöhung des Budgets der Antidiskrimi- men der Bundesregierung zur Information und Aufklärung nierungsstelle des Bundes Die Antidiskriminierungsbera- der Bevölkerung über ihre Sinnhaftigkeit für das demokra- tung sollte ausgebaut werden. tische Gemeinwesen. Einbürgerungsberechtigte sollen stärker als bisher über die Vorteile und Bedingungen einer Menschenrechtsbildung und antirassistische Trainings Einbürgerung informiert und beraten werden. benötigen feste Plätze in den Lehrplänen. Sie sollten Ein- gang in die Konzepte und Maßnahmen der schulischen und außerschulischen Bildung finden. Wir fordern, die statistische Erfassung von Diskriminie- rungsbeschwerden und rassistischen Straftaten (Anzeigen, Ermittlungen und Verurteilungen) zu verbessern. Indikato- ren zum Erfolg bzw. Misserfolg der Integrationspolitik soll- ten auch die strukturelle Diskriminierung von Menschen anderer Herkunft und anderer Hautfarbe abbilden. Maria Loheide Vorstand Sozialpolitik Diakonie Deutschland — Evangelischer Bundesverband
8 Migrationspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2013 Kontakt und Information Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V. Caroline-Michaelis-Straße 1 10115 Berlin Johannes Brandstäter Telefon: +49 30 652 11-1641 Telefax: +49 30 652 11-3641 johannes.brandstaeter@diakonie.de www.diakonie.de
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