IM ORT GEBRAUT, GEMEINSAM GETRUNKEN - Ein kurzer Blick in die lange Geschichte der Eberstädter Brauereien - Dotter ...

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IM ORT GEBRAUT, GEMEINSAM GETRUNKEN - Ein kurzer Blick in die lange Geschichte der Eberstädter Brauereien - Dotter ...
IM ORT GEBRAUT,
GEMEINSAM GETRUNKEN
          –
Ein kurzer Blick in die lange Geschichte
      der Eberstädter Brauereien
          Von Sabine und Boris Halva

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           StadtteilHistoriker Brauereien Halva
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Impressum:

                                 Sabine und Boris Halva:
                       „Im Ort gebraut, gemeinsam getrunken -
         ein kurzer Blick in die lange Geschichte der Eberstädter Brauereien
                                  Drucklegung: 08/2020

                Die vorliegende Arbeit ist im Zuge der ersten Staffel der
                      Eberstädter StadtteilHistoriker entstanden.
                „StadtteilHistoriker – Bürger, die Geschichte schreiben“
 ist ein Projekt der Hans Erich und Marie Elfriede Dotter-Stiftung in Zusammenarbeit
mit der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main und dem Darmstädter
                                     Echo 2018-2019

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Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung                                                             4

  2. Die Quellenlage – Ein Überblick                                        6
     2.1. Gedrucktes                                                        7
     2.2. Fassaden, Hinterhöfe und Ackerfunde                               9

  3. Alles fließt – Wein, Wasser und Bier                                   10
     3.1. Der Wein                                                          10
     3.2. Das Wasser                                                        12
     3.3. Das Bier                                                          13

  4. Ehrenwerte Häuser –
     Eberstadts Brauereien im 18., 19. und 20. Jahrhundert                  16
     4.1. Ein Haus steht an der Ecke – Zum Deutschen Hof                     16
     4.2. Hilß bleibt Hilsz – Das Brauhaus mit Gaststube „Zur Güldenen Cron“ 17
     4.3. Letzte Rast vorm Tal – Die Brauerei zum Mühltal                    19
     4.4. Brauerei mit Wirtsgarten – das Gasthaus „Zum Schützenhof“          20
     4.5. Der Saal der Wahl – das Gasthaus „Zum Schwanen“                    22
     4.6. Jacob, Jakob, Diefenbach? – das Haus in der Oberstraße 16          23
         4.5.1. Ein Schiff wird kühlen – das Kühlhaus im Hinterhof           25
         4.6.2. Und noch ein Name? – die Dörner-Diefenbach’sche Brauerei 27

  5. Hopfen und Malz verloren? –
     Das Ende der Brauereien in Eberstadt                                   28

  6. Literatur und Quellenangaben                                           30

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1. Einleitung

Seit einigen Jahren wird vielerorts über neu gegründete Mikrobrauereien berichtet, die
sich auf alte Werte und Herstellungsverfahren berufen. Dabei es ist gerade einmal 100
Jahre her, da gehörten kleine Brauereien in Eberstadt zum Stadtbild wie heute
Restaurants, Bäckereien und Metzgereien. Und Hinweise, dass es in Eberstadt einst
mehrere kleine Brauereien gegeben haben muss, finden sich beim Gang durchs Städtchen
gewissermaßen im Vorbeigehen: Etwa im Hof hinter dem Haus der Vereine in der
Oberstraße, wo bis heute ein Brauhaus mitsamt Kühlhaus steht, unter dem man in ein
Gewölbe hinabsteigen kann, in dem einst Bier gelagert worden sein soll. Und gäbe es die
Gaststube der Brauerei Hilsz (oder auch: Hilß) am einstigen „Hilße-Eck“ noch, so wäre
diese sicher auch heutzutage ein gern besuchter Ort – und das nicht nur, weil sie an der
Ecke Pfungstädter Straße und Heidelberger Landstraße so zentral gelegen wäre.
All diese Geschichten und Gebäude hatten unsere Neugier schon geweckt, als die
Stipendien für die erste Staffel der „Eberstädter StadtteilHistoriker“ ausgeschrieben
wurden. Also bewarben wir uns mit der Idee, die Geschichte der Eberstädter Brauereien
unter kundiger Begleitung aufzuarbeiten, um eines der Stipendien.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es zunächst, die Informationen zur Geschichte der
Eberstädter Brauereien, die über die verschiedenen vorliegenden Publikationen verstreut
vorlagen, zu bündeln. Es sollte aber nicht nur das Niedergeschriebene zu einzelnen
Brauereien hinsichtlich der Dauer ihres Bestehens und ihrer Größe zusammengetragen,
sondern auch der Versuch unternommen werden, etwas über den Charakter des
jeweiligen Betriebes – heute würde man wohl Markencharakter sagen – herauszufinden.
Es bestand darüber hinaus die Hoffnung, in den Archiven nicht nur Verweise auf die
damaligen Gaststätten und deren Betreiber (deren persönliche Geschichten ja wiederum
auch ein Stück Stadtgeschichte wären) zu entdecken, sondern möglicherweise auch
Rezepte. Doch zu letztgenanntem Punkt war weder in den Archiven der Gemeinde oder
den historischen Gewerbeamtsverzeichnissen noch den anderen, im Hessischen
Staatsarchiv hinterlegten Dokumenten etwas zu finden. Es gibt zwar noch vereinzelt alte
Krüge, Bügelflaschen oder Bierdeckel, aber eben keine Eberstädterinnen oder Eberstädter
mehr, die sich aus eigenem Erleben an die Brauereien erinnern können. Zwei Geschichten,
erzählt von den Nachfahren der alteingesessenen Familien Dächert und Pfeiffer, konnten
wir im Zuge der Recherchen für diese Arbeit aufschnappen: So soll es an der Wartehalle
eine kleine Brauerei mit Wirtshaus gegeben haben. Und im Hirtengrund, etwa dort, wo
heute die Sporthalle steht, soll nahe der Modau ein Biergarten gewesen sein, der von der
Brauerei „Zum Mühltal“ bewirtet wurde.
Abgesehen von diesen mündlichen Überlieferungen bleibt als einzig realer Verweis auf
lokale Bier-Besonderheiten ein Zitat aus einer Publikation von Georg Wilhelm Justin
Wagner, der im Jahr 1829 schrieb, in Eberstadt werde „vieles und vorzügliches Bier,

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darunter eine Art Porterbier gebraut“ 1. Ein Porter ist meist ein eher dunkles Bier und
zeichnet sich dadurch aus, dass es stark gehopft wird und dementsprechend herb ist.
Porterbiere wurden in Großbritannien bereits im 18. Jahrhundert gebraut und waren vor
allem bei Lastträgern beliebt. Da diese im Englischen Porter heißen, geht Martin Cornell
in seinem Buch „Beer. The Story of the Pint“ 2 davon aus, dass sich der Name daher
ableitet.
Im 19. Jahrhundert breitete sich das Porter von London aufs europäische Festland aus,
vor allem in den Ländern rund um die Ostsee werden bis heute traditionell Porterbiere
gebraut. Dass es Wagner zufolge auch in Eberstadt ein Porter gegeben haben soll, könnte
damit zusammenhängen, dass der Ort bis zur Anbindung an die Eisenbahn Mitte des 19.
Jahrhunderts ein ideal gelegener Rastpunkt auf der Handelsroute Frankfurt-Heidelberg
war und hier entsprechend viele Fuhrleute Station machten.
Aber die vorliegende Arbeit sollte nicht nur eine theoretische Abhandlung über Namen,
Jahreszahlen und Schwarzweiß-Fotografien werden, sondern im besten Falle auch
Geschichten aus früheren Tagen erzählen. Und möglicherweise einen Impuls geben
(vielleicht sogar eine Grundlage bilden), eine verlorengegangene Tradition aufleben zu
lassen und in Eberstadt wieder Bier zu brauen. So könnte Stadtteilgeschichte in Form eines
lokal gebrauten Bieres auch sinnlich erfahrbar gemacht werden.
Ähnlich den Weingärtnern, die in Kooperation mit einem professionellen Winzer aus am
Ortsrand gewachsenen Trauben ihren eigenen Tafelwein herstellen, wäre es doch
vorstellbar, auf geeignetem Boden in und um Eberstadt herum Hopfen und Gerste
anzubauen, um damit unter Anleitung eines Braumeisters oder einer Braumeisterin ein
Bier herzustellen, das auf Stadtfesten ausgeschenkt werden könnte. Eine denkbare Form
wäre eine Art Genossenschaft. Als solche ließe sich bestimmt eine Kooperation mit einer
etablierten Brauerei ins Leben rufen. Und die kleine Eberstädter Brauerei könnte mit der
Zeit zu einer Art belebtem Museum werden – ist es doch ziemlich wahrscheinlich, dass in
so manchem Keller oder auf so manchem Dachboden in Eberstadt noch alte Flaschen,
Untersetzer oder auch Postkarten und Werbebroschüren gefunden und dann
vorbeigebracht werden 3.
Soweit der Traum vom Schaum. Doch zunächst betrachten wir, was Schwarz auf Weiß
über die Brauereien geschrieben steht in den Publikationen zur Eberstädter Geschichte.

1
  Franz, Eckhart G.: „Eberstädter Wasser“ und „Eberstädter Wägelchen“, erschienen am 21. August 1982 im
Darmstädter Echo, S. 6-7. Für seinen Artikel hat Franz unter anderem die 1982 neu aufgelegten Eberstädter
Geschichten von Wolfgang Weißgerber durchforstet, das Porter-Zitat stammt Franz zufolge aus der
Publikation „Statistisch-topografisch historische Beschreibung des Großherzogtums Hessen“ des
Geometers Georg Wilhelm Justin Wagner von 1829.
2
  Cornell, Martin: Beer. The Story of the Pint. Headline Publishing, London 2004.
3
  Den auf der Titelseite abgebildeten Porzellanverschluss der Brauerei Hilsz hat der gebürtige Eberstädter
Thomas Listmann Anfang der 1980er Jahre auf einem Acker nahe dem heutigen Kao-Gelände gefunden. Als
er davon hörte, dass sich diese Arbeit mit der Brauerei-Geschichte Eberstadts befasst, nahm Herr Listmann
Kontakt auf und brachte seinen Fund vorbei.
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2. Die Quellenlage – Ein Überblick

Eberstadts 1200-jährige Geschichte ist erstaunlich gut dokumentiert, und gerade in den
vergangenen 100 Jahren haben einige Eberstädter die alten Kirchenbücher und das Archiv
der Frankensteins akribisch durchgearbeitet. Manche dieser Recherchen wurden zu
Büchern, andere erschienen als Zeitungsartikel, von denen aus der Zeit zwischen 1950 bis
heute etliche im Hessischen Staatsarchiv am Karolinenplatz in Darmstadt dokumentiert
sind. Sucht man mit dem Stichwort „Brauereien“ nach historischen Dokumenten,
bekommt man im Staatsarchiv einen backsteindicken Sammelordner im DIN A4-Format
gereicht, der etwa zwei Dutzend Zeitungsausschnitte, ältere Stadtmagazine und Kopien
aus Kirchenarchiven enthält. Doch nur wenige davon befassen sich explizit mit Eberstadts
Braugeschichte. Schnell zeigt sich, dass es zur Geschichte der Darmstädter Brauer deutlich
mehr Material gibt als zu den Brautätigkeiten in Eberstadt. Zudem sind viele der
Zeitungsartikel entweder leicht bearbeitete Auszüge aus der Eberstädter Dorfordnung
oder Berichte von Wanderungen durch die Eberstädter Gemarkung, in deren Verlauf
kundige Mitglieder des Eberstädter Bürgervereins oder des Geschichtsvereins
Eberstadt/Frankenstein an einzelnen Stationen über das Dorfleben früherer Zeiten samt
Ackerbau und Wasserwirtschaft erzählten. Wenngleich mit Blick auf die Brauereien hier
und da einige Zahlen voneinander abweichen, so ergeben die Beiträge aus Büchern,
Zeitungen und Vereinsschriften, auf die nun näher eingegangen werden soll, insgesamt
doch ein schlüssiges Bild der Eberstädter Brau-Geschichte.

2.1. Gedrucktes

Für die vorliegende Arbeit erwiesen sich von dem knappen Dutzend Büchern über
Eberstadts Geschichte vor allem diese fünf Titel als ergiebig: Wolfgang Weißgerbers
„Eberstädter Geschichten aus zwölf Jahrhunderten“, die 1975 erschienen und 1982 in
einer gründlich überarbeiteten Ausgabe zum 1200. Geburtstag Eberstadts herausgegeben
wurden; dann die „Ökonomischen Anmerkungen“ des Pfarrers Johannes May von 1791
sowie Friedrich Kirschners Schrift über „Alte Gasthöfe, Wirtschaften und Kneipen von
1630 bis 1995“, und schließlich der Bildband „Eberstadt – Wie es früher war“ von Friedrich
Wilhelm Kniess sowie die aktuellste Publikation, das „Lesebuch zur Eberstädter
Geschichte“, das von Dr. Erich Kraft ediert und 2017 vom Geschichtsverein
Eberstadt/Frankenstein herausgegeben wurde.
Was die Zeitungsartikel betrifft, die für diese Arbeit infrage kamen, ist eines
bemerkenswert: So stammen einige aus der Feder Wolfgang Weißgerbers, der von 1929
bis 1968 Pfarrer in Eberstadt war und einen großen Teil der Kirchenbücher
ortsgeschichtlich auswertete und damit allen Eberstädterinnen und Eberstädtern
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zugänglich machte. Weißgerber veröffentlichte bereits 1970 erste Artikel im Darmstädter
Echo, in denen er sich etwa mit der Dorfordnung von 1557 befasste 4. Diese Artikel
könnten eine Art Vorbereitung für seine 1975 erschienenen „Eberstädter Geschichten“
gewesen sein. Als dann 1982, zwei Jahre vor Weißgerbers Tod, die Jubiläumsausgabe der
„Eberstädter Geschichten“ herausgegeben wurde, druckte das Darmstädter Echo eine
Folge von Artikeln, deren Verfasser wiederum Geschichten aus Weißgerbers Geschichten-
Buch erzählten 5.
Ebenso aufschlussreich war es, sich mit Friedrich Kirschners Heimatheften über Eberstadt
zu befassen. Sowohl sein Büchlein, in dem er Eberstadts Geschichte von 782 bis 1998
„kurz“ zusammenfasst 6, als auch das Heimatheft über die alten Gasthöfe und Wirtshäuser
in Eberstadt enthalten den ein oder anderen Absatz über Eberstadts Brauereien. Und
obgleich es zu manchen Häusern nicht viel zu erzählen gibt, so verfasste Kirschner doch
zu sämtlichen Bildern und Fotos der Häuser wenigstens ein paar Zeilen über deren
Erbauer sowie folgende Besitzer oder Pächter, sodass sich hieraus nicht nur so mancher
Besitzerwechsel nachvollziehen lässt 7, sondern auch ein wenig über Vereine oder Lieder-
Kränze zu erfahren ist, deren Mitglieder sich in dem ein oder anderen Gasthaus bei Wein,
Bier und Gesang versammelten.
Denn was das Gast- und Brauerei-Gewerbe früherer Jahrhunderte angeht, so finden sich
zwar hier und da ein paar Zeilen oder auch Zahlen, aber wirklich atmosphärisch berichtet
tatsächlich nur Pfarrer Johannes May in seinem Büchlein, das 1791 erschien, und 1979
von Wolfgang Weißgerber erneut herausgegeben wurde. Auf Mays Aufzeichnungen
beziehen wir uns ebenfalls im Kapitel 4, in dem es um die Geschichte der einzelnen
Brauereien geht 8. Zunächst aber noch ein paar Zeilen zu den baulichen Belegen des
Eberstädter Brauwesens.

4
  Weißgerber, Wolfgang: „Pferdehirten, Weinläder und fremde Wandererleute“, Darmstädter Echo vom 21.
Oktober 1970, Seite 10; sowie „Leben im sechzehnten Jahrhundert“, Darmstädter Echo vom 14. Dezember
1970, Seite N.N. Es ist durchaus möglich, dass Weißgerber schon früher Artikel für Darmstadts Zeitungen
geschrieben hat, aber die zitierten Artikel sind jene, die unter dem Stichwort Ortsgeschichte respektive
Brauereien geführt werden.
5
  Franz, Eckhart G.: „Eberstädter Wasser“ und „Eberstädter Wägelchen“, Darmstädter Echo vom 21. August
1982, Seite 6.
6
  Kirschner, Friedrich: Eberstadts Geschichte kurz gefasst von 782 bis 1998. Eberstädter Heimathefte Nr. 21,
1998.
7
  Kirschner, Friedrich: Alte Gasthöfe, Wirtschaften und Kneipen von 1630 bis 1995. Eberstädter Heimathefte
1995 (Hinweis: die laufende Nr. war zunächst nicht zu ermitteln, weil jeweils nur PDFs ohne Titelseite
vorlage). Im 4. Kapitel über die einzelnen Brauereien in Eberstadt stammen daher die meisten Namen und
Jahreszahlen aus Kirschners Heimatheften.
8
  Unter den Dokumenten im Hessischen Staatsarchiv findet sich zudem ein recht kurioses: Auf drei kopierten
Seiten berichtet ein unbekannter Verfasser von seinem Streifzug durchs Darmstädter und Eberstädter
Kneipen auf der Suche nach Hinweisen zur lokalen Biergeschichte. Auf den losen Seiten ist leider kein
Verweis vermerkt, aus welcher Publikation der Text entnommen wurde, aber von Ton und Aufmachung her
dürfte es ein Mitte der 1990er Jahre entstandener Beitrag aus einem Stadtmagazin im Stile von „Wo die
Nacht den Doppelkorn umarmt“ sein.
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2.2. Fassaden, Hinterhöfe und Ackerfunde

In Eberstadt gibt es bis heute einige Häuser, auf deren Fassade noch zu erkennen ist, dass
hier einst ein Wirtshaus, eine Lederfabrik oder eine Apotheke war. Auf dem Gebäude in
der Odenwaldstraße 23, in dem bis Mitte der 1990er Jahre die Wirtschaft „Zum Bismarck“
betrieben worden war, ist bis heute der Schriftzug zu erkennen. Nicht weit davon, in der
Eberstädter Kirchgasse, war einmal die „Zentralapotheke“ direkt an der Modau. Und im
Haus in der Ringstraße 94 war bis 1990 der „Eberstädter Hof“ untergebracht, dessen
Biergarten vor allem im Sommer gut besucht gewesen sein soll 9.
Die anschaulichsten Belege für Brautätigkeiten in Eberstadt sind aber das alte Brauhaus
und das Kühlhaus im Hof hinter dem Haus der Vereine in der Oberstraße. Das Gebäude
vorn an der Straße stammt aus dem Jahr 1783 und wird als barockes Breithaus bezeichnet.
An der Rückseite des Fachwerkhauses ist das ehemalige Brauhaus angebaut. Um die
Brandgefahr zu minimieren, wurde es aus Naturstein gemauert. Heute ist im ehemaligen
Brauraum, dessen Decke von einem kunstvollen und doch schlichten Kreuzgewölbe
gestützt wird, ein kleiner Veranstaltungsraum.
Ob das Kühlhaus, das etwas weiter hinten im Hof steht, auch im Jahr 1783 errichtet wurde,
lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Es könnte auch sein, dass das Bier zunächst im
Hauptgebäude gebraut und gelagert wurde und das Kühlhaus erst später errichtet wurde.
Unter der Fachwerkkonstruktion, deren Grundfläche etwa fünf Mal zehn Meter beträgt,
befindet sich ein etwa fünf mal sechs Meter großes Kellergewölbe, das zum Kühlen des
hier gebrauten Bieres gedient haben soll. In etwa 2,20 Meter Höhe ist direkt unter dem
Dach eine etwa vier mal sechs Meter große Eisenwanne montiert, ein sogenanntes
Kühlschiff, in das die Würze zum Abkühlen gepumpt wurde, bevor im nächsten Schritt die
Gärung eingeleitet werden konnte. Vermutlich floss die Würze über ein Rohr in das
Kühlschiff.

                   Porzellanverschlüsse der Brauerei J. Hilsz. Ackerfund von Thomas Listmann
                    aus den 1980er Jahren, Fundort nahe dem heutigen Kao-Areal. Foto: Halva

9
 Kirschner, Friedrich: Alte Gasthöfe, Wirtschaften und Kneipen von 1630 bis 1995, S. 15/S. 24. Neben der
Eingangstür hing noch bis vor wenigen Jahren der kleine Glaskasten, in dem einst die Schankkarte
ausgehängt wurde.
                                                   9
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Neben Bauwerken finden sich aber auch kleinere Belege der Eberstädter Braugeschichte.
So haben Sammler Postkarten, alte Krüge und Untersetzer aufbewahrt 10, und auch im
Boden rings um Eberstadt finden sich hin und wieder Porzellanverschlüsse oder sogar
ganze Bügelflaschen. Ein paar Objekte können hoffentlich präsentiert werden, wenn diese
Arbeit zum Auftakt der nächsten Staffel der „StadtteilHistoriker“ vorgelegt wird.

3. Alles fließt – Wein, Wasser und Bier

3.1. Der Wein

Obwohl es in der vorliegenden Arbeit um Brauereien und Bier geht, kann doch der Wein
nicht unerwähnt bleiben. Denn der Weinbau rund um Eberstadt lässt sich gesichert bis ins
Mittelalter zurückverfolgen, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind Weingärten
am östlichen Ortsrand und ein Anbaugebiet im Norden Richtung Darmstadt
dokumentiert. Angesichts der Ausdehnung verwundert es nicht, wenn Friedel Kirschner
in seinem Eberstädter Heimatheft über „Alte Gasthöfe, Wirtschaften und Kneipen von
1630 bis 1995“ schreibt, dass „in früheren Jahrhunderten aber nicht das Bier, sondern
vielmehr der Wein die dominierende Rolle“ 11 in Eberstadt gespielt hat. Nicht nur die
Grafen von Katzenelnbogen, deren Stammsitz in St. Goar am Rhein war, auch die
Frankensteiner waren darauf bedacht, dass ihre Weinlagen rund um Eberstadt gut
gepflegt wurden, auf dass sie stets Ertrag brachten. Das ging so bis etwa Mitte des 17.
Jahrhunderts, dann kam der Dreißigjährige Krieg, in dessen Verlauf viele Weinberge
zerstört wurden 12. Und weil darüber hinaus Pflege und Bewachung der Rebstöcke sehr
aufwändig waren, blieb von der Weinanbaufläche, die im Jahr 1655 noch rund 560
Morgen (also rund 140 Hektar 13) betragen hatte, knappe zweihundert Jahre später nur
etwas mehr als ein Zehntel übrig: Im Grundbuch von 1841 sind Kirschner zufolge nur noch

10
   Hier sind bereits Kontakte geknüpft, allerdings ergab sich bisher kein Termin für eine Sichtung der
Postkarten- oder auch Flaschensammlungen.
11
   Kirschner, 1995: S. 5
12
   Während des zweiten der sogenannten Schlesischen Kriege im Jahr 1745, also gut ein Jahrhundert später,
wurden bei der Sichtung der Flurschäden auf Eberstädter Gemarkung rund 50.000 zerbrochene oder
verbrannte Weinreben gezählt. Diese Zahl bezeuge den Umfang des damaligen Weibaus in Eberstadt, wie
Eckhart G. Franz am 21. August 1982 im Darmstädter Echo schreibt.
13
    Davon ausgehend, dass ein Hektar (also 10.000 Quadratmeter) knapp vier preußischen Morgen
entspricht, der laut Wikipedia im 19. Jahrhundert als Standardmaß festgelegt wurde. Zuvor war ein Morgen
von Region zu Region unterschiedlich groß, zwischen 2000 und 5000 Quadratmetern.
                                                  10
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59,9 Morgen, also etwa 15 Hektar verzeichnet 14. Zum Vergleich: Entlang der hessischen
Bergstraße werden heute auf rund 420 Hektar Wein angebaut 15. Rund um Eberstadt
wurde also auf einer Fläche Wein angebaut, die ziemlich genau einem Drittel der heutigen
Weinanbaufläche der Bergstraße entspricht.

                                                     Quelle: Kirschner 1995, S. 9

Pfarrer Johannes May schreibt in seinen Anmerkungen von 1791, dass „im starken Felde“
rund um Eberstadt nicht nur die Kartoffel ausgezeichnet gedieh, sondern auch Weizen
und Gerste angebaut wurden. Anders als beim Weinstock, dessen frische Triebe in
früheren Zeiten das Wild aus dem Wald gelockt hatten, wurden die Gerstenähren vom
„Hirsche“ eher verschmäht, „weil die Kronen so rauh“ 16 waren. So begann mit dem
„allmählichen Niedergang der Weingärten (…) der unaufhaltsame Vormarsch des Bieres,
es war ja auch billiger als Wein und Schnaps“. Friedel Kirschner bezeichnet es daher „als

14
   Kirschner, 1995: S. 7/8
15
   Den Angaben der Bergsträßer Winzer zufolge (www.bergstraesser-wein.de) wird entlang der Bergstraße
auf 441 Hektar Wein angebaut, im Ertrag davon sollen rund 422 Hektar sein. Die Bergstraße ist damit das
kleinste der 13 deutschen Weinbaugebiete.
16
   May, 1791: S. 8
                                                 11
                                StadtteilHistoriker Brauereien Halva
logische Folge“, dass in Eberstadt „mehrere Bierbrauer- und Schnapsbrennereien“ 17
eröffneten. Waren es Anfang 1777 noch drei Brauereien 18, so wurden Ende des 19.
Jahrhunderts in Eberstadt sechs größere Brauereien gezählt. Diese werden im Kapitel 4
im Einzelnen beschrieben 19. Wo allerdings die insgesamt „9 Brauereien“ gewesen sein
sollen, die Kirschner für das Jahr 1914 in Eberstadt verortet, ist eine Frage, die später noch
einmal aufgegriffen wird, aber nicht abschließend beantwortet werden kann 20.

3.2. Das Wasser

In Eberstadt sind heute eigentlich nur noch zwei Quellen bekannt: Der Melitta-Brunnen
unterhalb des Prinzenberges und die Quelle am Parkplatz im Steigertsweg. Beide
sprudeln, wenngleich wohl nicht so „munther“ wie in vorigen Jahrhunderten; an beiden
füllen Menschen ihre Kanister und Flaschen; zu beiden gehen die Meinungen über
Qualität und Trinkbarkeit des Wassers auseinander – die einen preisen es, die anderen
gießen lieber nur die Pflanzen damit. Sicher ist: In früheren Zeiten waren die Quellen
ringsum so wichtig für die Stadtentwicklung wie die Modau für die Mühlen im Tal
zwischen dem Kühlen Grund und der Eschollmühle am einstmals westlichen Rand von
Eberstadt.
Welche Bedeutung das Quellwasser in früheren Jahrhunderten für die Menschen im Ort
hatte, darüber informierte der Bürgerverein Eberstadt in den 1980er und 1990er Jahren
auf seinen Wanderungen zu den Quellen rund um Eberstadt. Bei diesen jährlich
angebotenen Veranstaltungen erzählten ortskundige Vereinsmitglieder von früheren
Zeiten. Und es war auch immer ein Reporter des Darmstädter Echos oder des Tagblatts
dabei. So erschien im Darmstädter Tagblatt am 20. Juni 1983 21 ein Artikel, in dem vom
„Hetterbachwasser“ als erstklassigem Trinkwasser die Rede ist, „einst begehrt von den
Eberstädter Brauereien“. Das Wasser wurde mit Holzröhren in den Ort geleitet, zunächst

17
   Kirschner, 1995: S. 8.
18
   Kirschner, 1998: S. 17.
19
   An dieser Stelle soll kurz erwähnt werden, dass es doch ein wenig verwundert, dass Kirschner in seinem
Text nicht nach Gründen fragt, warum es im 18. Jahrhundert offenbar mehr Brauereien gegeben hat als
Ende des 19. Jahrhunderts. Auch auf die Gründe des Brauerei-Sterbens in den 1920er Jahren geht er nicht
näher ein. Während seiner umfangreichen Recherchen hätte ihm doch auffallen können, dass nicht erst der
Erste Weltkrieg, sondern schon die Anbindung Eberstadt an die Eisenbahn Frankfurt-Heidelberg den
Niedergang der Brauereien einläutete. Mehr dazu in Kapitel 5.
20
   Kirschner, 1998: S. 30.
21
   Darmstädter Tagblatt, 20. Juni 1983, „Wo einst Darmstadts Brauer ihr Wasser zapften“, Verfasser: gwü;
archiviert im Staatsarchiv Darmstadt unter DT i-6112. Anmerkung: Die Überschrift ist – nüchtern betrachtet
– falsch. Es mag sein, dass so mancher Brocken Eis, der im Winter auf Eberstädter Wiesen gebrochen wurde,
in einen Darmstädter Kühlkeller kam, das Wasser der Eberstädter Quellen jedoch nutzten ziemlich sicher
nur die hiesigen Brauer.
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nur zu einigen Brunnen sowie den Brauereien 22, bis im Jahr 1893 schließlich damit
begonnen wurde, von einem „Woog“ genannten Flurstück am Steckenbornweg in der
Nähe des Melittabrunnens eine Wasserleitung zu installieren, an die auch erste
Privathäuser angeschlossen wurden.

       Links der Steckenbornweg, rechts geht es ins einstige Hetterbachtal, auch „Woog“ genannt. Foto: Halva

Da der Hetterbach immer wieder erwähnt wird, dürfte er für die Eberstädter Trink- und
Brauwasserversorgung über viele Jahrzehnte (wenn nicht Jahrhunderte) die wichtigste
Quelle gewesen sein.

3.3. Das Bier

Im Jahr 1857 gab es Pfarrer J. Carl Friedrich Kißner zufolge sechs Brauereien in Eberstadt,
die offenbar auch für „Essig- und Liqueurfabrication“ ausgestattet waren 23. Diese Zahl
bleibt konstant bis ins Jahr 1880. Zu den größeren Betrieben gehören zu dieser Zeit die
Brauerei Hilsz 24 an der Heidelberger Straße 1 und die von den Brüdern Bauer geführte
„Brauerei zum Mühltal“ in der Mühltalstraße 1. Im damaligen Gewerbeverzeichnis der
Stadt Darmstadt sind zudem die Brauereien Harnischfeger, Neidert, Herpel und Weyland
eingetragen. Doch es ist zu vermuten, dass auch noch einige Wirtsleute im Städtchen ihr

22
   Weißgerber, Wolfgang: Eberstädter Geschichten aus zwölf Jahrhunderten, 1982, Eduard-Roether-Verlag
Darmstadt; S. 282
23
   Kraft, Dr. Erich: Lesebuch zur Eberstädter Geschichte, 2017; S. 101.
24
   Zur Brauerei Hilsz kursieren zwei Schreibweisen: Hilsz und Hilß. Letztere ist zwar noch im heute als solchen
bezeichneten Hilße-Eck enthalten, weil die Brauerei aber auf ihre Porzellanverschlüsse den Namen Hilsz
druckte, verwenden wir in dieser Arbeit diese Schreibweise.
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eigenes Gebräu ausschenkten, ohne ein Gewerbe angemeldet zu haben. Und ganz
bestimmt gab es in Eberstadt auch hin und wieder Querelen, weil die Betreiber der
größeren Anlagen es nicht so gerne sahen, wenn privat gebrautes Bier auf den Tisch kam.

                                                        Quelle: Weißgerber 1982, Seite 286.

Dass es solche Konflikte nicht erst im 19. Jahrhundert gab, zeigt auch ein Blick auf das
Darmstädter Brauwesen. Dessen Geschichte dürfte weit ins Mittelalter zurückreichen,
aber erst im Jahr 1575 wurden Brautätigkeiten auch offiziell dokumentiert. In einer
Abhandlung über „Die Geschichte des älteren Darmstädter Brauwesens“, die im
Staatsarchiv in Darmstadt eingesehen werden kann und die 1997 aktualisiert wurde, ist
zu lesen, dass der damalige Landgraf Georg I. im Jahr 1573 die Einrichtung einer
Hofbrauerei in Auftrag gab. Zwei Jahre später setzten die Hofbrauer die erste Würze an.
Nicht überliefert ist, ob es Georgs Untertanen sauer aufstieß, dass ihr Regent wohl nicht
viel von der lokalen Braukunst hielt und für die Arbeit an den fürstlichen Kesseln lieber
einen Gesellen aus Braunschweig herbeikutschieren ließ, statt die besten der hiesigen
Brauer einzustellen.
In den folgenden sieben Jahrzehnten wurde also emsig nebeneinanderher gebraut, bis
sich schließlich vier Darmstädter Bierbrauer im Februar 1647 an den nun regierenden
Landgrafen Georg II. wandten und diesen darum baten, eine Zunftordnung zu erlassen.
Diese Ordnung sollte helfen, die privaten Brauer zurückzudrängen, „die in großer Zahl Bier
brauten und außer Haus verkauften“. Das wurde abgelehnt, fürs Erste jedenfalls. Denn
1715 ist dann doch von einer Bierbrauerzunft die Rede, die zunächst wohl noch ohne
Zunftordnung bestand. Und im Jahr 1770 werden dann auch erstmals offiziell die
Eberstädter Bierbrauer erwähnt. Wie der Abhandlung über „Die Geschichte des älteren
Darmstädter Brauwesens“ zu entnehmen ist, erhielten in eben diesem Jahr die
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Darmstädter Küfer und Bierbrauer eine Zunftordnung – und ebendieser Zunft gehörten
auch die Eberstädter Braumeister an. Allerdings, wie viele es waren und wie sie hießen,
ist in den für diese Abhandlung herangezogenen Quellen nicht vermerkt.
Zu jener Zeit, als die Brauer vom Landgrafen ihre Zunftordnung erhielten, war in Eberstadt
der bereits in Kapitel 2 erwähnte Johannes May als Pfarrer angestellt. Der aus Hähnlein
stammende May hatte 1751 das Pfarrhaus in Eberstadt bezogen und im Rückblick auf die
ersten Jahre inmitten seiner Schäfchen ein eher düsteres Bild des Städtchens gezeichnet.
Häuser und Felder, schreibt May, seien in üblem Zustand gewesen, die Weinäcker
niedergebrannt. Das Beschriebene waren zum einen die Nachwehen der Schlesischen
Kriege, zum anderen trugen die beim Landgrafen und seinem Tross beliebten Parforce-
Jagden zu den Schäden bei. Und die Eberstädter? Hatten sich angesichts der Verwüstung
„dem Leichtsinn, Müßiggang und Trunk ergeben“, wie May in seinem Büchlein schreibt,
das 1791 unter einem etwas sperrigen, aber große Sorgfalt andeutenden Titel erschienen
ist: „Ökonomische, auf Erfahrung und Augenschein gegründete, Anmerkungen über die
Ab- und Zunahme des Nahrungsstandes der Unterthanen in Eberstadt, bei Darmstadt“
heißt das Büchlein, in dem der Pfarrer seine Eindrücke aus vier Jahrzehnten Lebens in
Eberstadt schildert. Mit liebevollem Blick und zunehmend euphorisch begleitet er den
Wandel Eberstadts vom einstigen Dorf im Nachkriegs-Notstand zu einer prosperierenden
Siedlung. Einem Ort, an dem die Menschen mit Zuversicht und Schaffenskraft den
sandigen Hügeln ringsum immer reichere Ernten abtrotzten und mit einigem Geschick
dafür sorgten, dass auch etwas von dem Wohlstand, der sich entlang der Handelsroute
Frankfurt-Heidelberg beständig vermehrte, im Ort blieb.
Im Kapitel über die „Wasserbenutzung“ in Eberstadt und deren „unbeschreiblichen,
vortheilhaften Einfluß auf den Wohlstand der Unterthanen“ berichtet Pfarrer May über
die drei Quellen „vom besten Bergwasser, welche durch Röhren ins Ort geleitet werden“.
Zwei dieser Quellen „springen theils in unsern 3 großen nahrhaften Brauhäusern, so hoch
man will, erleichtern das Braugeschäfte und bringen uns das von undenklichen Jahren im
ganzen Bezirk um uns bekannte gute Eberstädter Bier“. Wenn wir Pfarrer May glauben
dürfen, dann gab es also schon Ende des 18. Jahrhunderts drei große Brauhäuser in
Eberstadt, deren Gebrautes nicht nur von den Menschen im Ort, sondern auch von den
Handelsreisenden und den Menschen im Umland geschätzt und getrunken wurde.
Darüber hinaus sicherte Bier nicht nur Brauern und Wirtsleuten ein Auskommen. Im
Winter etwa brachen Maurer und Zimmerer das Eis auf den Wiesen am aufgestauten
Hetterbach nahe dem Prinzenberg (der früher Hetterberg hieß 25) und brachten es zu den
Brauereien, damit diese ihre Keller kühl halten konnten.

25
  So steht es in dem Bericht über eine von Georg Kirschner geführte Wanderung zu den Brunnen und
Teichen Eberstadts, der am 20. Juni 1983 im Darmstädter Tagblatt erschien.
                                                15
                               StadtteilHistoriker Brauereien Halva
4. Ehrenwerte Häuser –
Eberstadts Brauereien im 18., 19. und 20. Jahrhundert

4.1. Ein Haus steht an der Ecke – Zum Deutschen Hof

Einer der Brauer, die an der Blütezeit des Eberstädter Geschäfts- und Handelslebens
teilhaben sollten, dürfte Jacob Darmstädter gewesen sein. Der Genannte wurde 1763 als
Sohn des damaligen Schultheißen Johann Georg Darmstädter geboren – und zwar im Haus
an der Heidelberger Landstraße 218, dem heute auch als „grünes Haus“ bezeichneten
Anwesen in der Oberstraße 2 - 6. In den darauffolgenden Jahrzehnten lebten und brauten
noch einige Herren mit dem Namen Darmstädter in diesem Haus, bevor Georg
Harnischfeger im Jahr 1861 die Brauerei samt Grundstück übernahm. Von 1883 an soll
Harnischfeger dort auch eine Gastwirtschaft betrieben haben 26, bis das Anwesen
schließlich 1888 von Gustav Neidert, einem Brauer aus Bamberg, gekauft wurde.

                                                                    Quelle: Dr. Erich Kraft

Laut dem heutigen Besitzer des Hauses, der sich ebenfalls im Zuge der Stadtteilhistoriker
2019 mit der Geschichte des Anwesens befasst hat, wurde dort bis 1894 gebraut. Im
Gewerbeverzeichnis der Stadt Darmstadt wird Gustav Neidert indes bis 1898 als
Brauereibesitzer geführt. Und Friedrich Kirschner nennt noch einmal andere Zahlen:
Neidert soll von 1892 bis 1910 Brauereibesitzer und Wirt des Gasthauses „Zum Deutschen
Hof“ gewesen sein 27. Die Geschichte dieses Hauses am westlichen Ende der Oberstraße,

26
     Diese Daten hat Elke Riemann zusammengetragen.
27
     Kirschner 1995, S. 50.
                                                  16
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in der es allein im 17. Jahrhundert mindestens sieben Brauereien gegeben haben soll,
reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Das Eckhaus wurde 1575 erbaut und war einst das
Wohnhaus der jüngeren Linie der Familie Frankenstein. Im Eckhaus wohnte von 1585 bis
1622 Anna von Frankenstein als Herrin in Eberstadt 28.

             Im heute so genannten „Grünen Haus“ an der Ecke Oberstraße/Heidelberger Landstraße
                          betrieb unter anderem Gustav Neidert eine Brauerei. Foto: Halva

Der Name Harnischfeger taucht noch in einem anderen Zusammenhang auf: Und zwar
berichtet Friedrich Kirschner in seinem Büchlein über die Eberstädter Gasthöfe von
einem Heinrich Harnischfeger, der von 1883 bis 1920 das Gasthaus „Zum Grünen Baum“
geführt haben soll, aber es gibt keinen Verweis auf eine mögliche Verwandtschaft des
Wirtes und des Brauers Harnischfeger 29. In dem Haus an der Heidelberger Landstraße
235, wo einst der „Grüne Baum“ gewesen war, ist bis heute das Modehaus Herling.

4.2. Hilß bleibt Hilsz – Brauerei und Gasthaus „Zur Güldenen Cron“

Wenn heute manchmal in Eberstadt vom „Hilße Eck“ gesprochen wird, ist damit der Platz
an der Kreuzung von Heidelberger Landstraße und Pfungstädter Straße gemeint. Hier
stand bis 1959 ein großer Gasthof mit angeschlossener Brauerei, die allerdings schon 1920

28
   Ende 2018 hat Dr. Erich Kraft im Ernst-Ludwig-Saal einen Vortrag über Anna von Frankenstein gehalten,
dazu ist auch eine Broschüre erschienen. Herrn Kraft zufolge gehörte das gesamte Areal einschließlich
Optiker Beutel und der Neubauten zur frankenstein‘schen Wirtschaftsverwaltung, auch „Kellerei“
genannt.
29
   Kirschner 1995, S. 69.
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ihren Betrieb einstellen musste. Die „Güldene Cron“ wird erstmals 1604 in Eberstädter
Dokumenten erwähnt. Ende des 17. Jahrhunderts war die Cron einer von zwei großen
Einstellhöfen in Eberstadt gewesen, bis zu 80 Pferde konnten hier untergestellt werden.
Und auch für Personal und Fahrgäste war Platz genug. Das Gasthaus hatte die Familie Hilsz
im Jahr 1800 übernommen und zur Brauerei ausgebaut.

           Markant umrankt: Das „Hilße-Ecke“ um 1910. In den Kellern der einstigen Brauerei sollen
             noch in den 1950er Jahren Champignons gezüchtet worden sein. Quelle: Kniess, S. 26

Das Eckhaus wurde nach Schließung der Brauerei samt Gaststätte anderweitig genutzt,
bis zum Abriss im Jahr 1959 sollen sich darin mehrere Mietwohnungen befunden haben.
Der Platz wurde nicht mehr bebaut, stattdessen wurde die Straße verbreitert. Obgleich
ältere Eberstädterinnen und Eberstädter noch vom Hilße-Eck sprechen, so wird das Areal
an der Ecke Heidelberger Landstraße und Pfungstädter Straße heute eher zur
Modaubrücke gezählt.

               Kein Verkehr, menschenleer: Das einstige Hilße-Eck im Februar 2020. Foto: Halva

                                                 18
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4.3. Letzte Rast vorm Tal – die Brauerei „Zum Mühltal“

Die Brauerei und Malzfabrik „Zum Mühltal“ war von den Dreißigerjahren des 19.
Jahrhunderts an bis zu ihrem Ende im Jahr 1920 in Besitz der Familie Bauer und gehört
damit zu den eher beständigen Betrieben in Eberstadt. Das Gasthaus „Zum Mühltal“ war
Friedel Kirschner zufolge Mitte des 19. Jahrhunderts die einzige Wirtschaft im Mühltal und
daher wohl – vor allem an Wochenenden – gut besucht 30.

                            Der Gasthof mit Brauerei „Zum Mühltal“ im Jahr 1891. Quelle: Kirschner 1995, S. 54

Christoph Bauer (*1810) soll das Grundstück im Jahr 1836 von seinem Schwiegervater
gekauft oder geerbt und das Haus um 1840 herum zum Gasthaus ausgebaut haben 31. Die
Brauerei kam offenbar erst später dazu, so wird Christoph Bauer in offiziellen Büchern von
1865 an 32 als Inhaber geführt. Von 1881 bis 1909 sind dann im Gewerbeverzeichnis die
„Gebrüder Bauer“ als Besitzer eingetragen, hier dürfte aber schon die nächste Generation
nach Christoph Bauer am Werk gewesen sein. Von 1909 an bis 1920 gilt Philipp Bauer II.
als Inhaber der „Brauerei zum Mühltal Gebr. Bauer“ 33.

30
   Kirschner 1995, S 54.
31
   Diese Ergänzung stammt von Elke Riemann.
32
   Zuvor soll hier ebenfalls ein Bauer, Peter Bauer I., eine Wirtschaft geführt haben. Ob dieser Peter Bauer
I. schon brauen ließ, ist nicht bekannt.
33
   Kirschner 1995, S. 55.
                                                    19
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Die Gebrüder Bauer gehörten zu den wenigen Brauern in Eberstadt, die ihr Geschäft ins 20. Jahrhundert
          retten konnten. Aber 1920 mussten auch sie ihre Brauerei in der Mühltalstraße 1 aufgeben. Foto: Halva

Auf einem Foto des Hauses in der Mühltalstraße 1, das 1891 aufgenommen wurde, ist im
Hintergrund noch der Schlot der Brauerei zu sehen. Während also unten im Ort hinter
dem Gasthaus gebraut wurde, kam das Bier vermutlich am oberen Ende der
Mühltalstraße in den Keller zum Kühlen. Laut Kirschner leitet sich der Name der späteren
Gastwirtschaft „Zum Felsenkeller“ daher ab, dass die Brüder Bauer dort schon 1870 „für
die Brauereizwecke“ einen Keller in den Felsen hauen ließen 34.

4.4. Brauerei mit Wirtsgarten – das Gasthaus „Zum Schützenhof“

Das ehemalige Gasthaus „Zum Schützenhof“ existiert leider nicht mehr. Im Jahr 1969 fiel
der Beschluss der Stadt Darmstadt, das „marode und nicht mehr erhaltenswerte
Gebäude“ abzureißen 35. Die weiter unten abgebildete Aufnahme von 1910 zeigt ein
stattliches Gebäude, an das sich ein üppig eingewachsener Wirtsgarten anschließt.
Zu diesem Haus gehen die Informationen bezüglich der Brautätigkeiten und der
Besitzverhältnisse etwas auseinander: Während Friedrich Wilhelm Kniess in seinem
Bildband schreibt, dass ein Brauer namens Peter Herpel das Haus im Jahr 1879 erbauen
ließ, nennt Elke Riemann ganz andere Eckdaten: Ihren Recherchen nach kaufte Peter
Herpel das Haus bereits im Jahr 1854 von einem Branntweinbrenner und richtete dort
eine Bierbrauerei und die Gastwirtschaft „Zum Schützenhof“ ein. Nach seinem Tod
übernahm sein Sohn Ludwig Herpel im Jahr 1879 die Gaststätte mit Brauerei und

34
     Kirschner 1995, S. 62.
35
     Kniess 2001, S. 53
                                                       20
                                      StadtteilHistoriker Brauereien Halva
Wirtsgarten. Ludwig Herpels Witwe wiederum heiratete im Jahr 1890 den
Brauereigehilfen Jacob Weyland, unter dessen Name Brauerei und Gastwirtschaft bis
1911 weitergeführt wurden 36.

                 Der „Schützenhof“ (Aufnahme um 1910) an der Ecke Oberstraße/Marktstraße.
                 Hinter den Büschen befand sich der Wirtshausgarten. Quelle: Kniess 2001, S. 53

Nach dem Abriss des Schützenhofs wurde an der Straße ein eher funktionales Ensemble
errichtet, in dem bis Anfang der 2000er Jahre eine Postfiliale untergebracht war. Heute
gibt es dort einen großen Parkplatz, einen Blumenladen und eine Apotheke, die oberen
Geschosse sind privat oder an Kanzleien vermietet. Allerdings sind weder die Mauer übers
Eck noch der Bewuchs annähernd so prächtig wie vor 100 Jahren.

                  Das Haus an der Ecke Oberstraße/Marktstraße im Frühjahr 2020. Foto: Halva

36
   Peter Herpel ist in früheren Gewerbeverzeichnissen lediglich für die Jahre 1870 bis 1872 geführt. In
selbigem Verzeichnis wiederum ist von 1908 an Jakob Weyland als Betreiber des Schützenhofs eingetragen.
Die Familie Herpel könnte also etwas mehr als vier Jahrzehnte dort gebraut und ausgeschenkt haben.
Ludwig Herpel ist jedenfalls unter der Nummer 3373b von 1882 bis 1892 als Inhaber einer Brauerei
eingetragen. Siehe Anhang 1
                                                   21
                                  StadtteilHistoriker Brauereien Halva
4.5. Der Saal der Wahl – Das Gasthaus „Zum Schwanen“

Das Gasthaus „Zum Schwanen“ wurde ebenfalls von einer Wirtsfamilie betrieben, die das
Bier, das sie ausschenkte, selbst braute. Zum Haus in der damaligen Neuen Darmstädter
Straße 15 (heute Heidelberger Landstraße 202), das laut Kirschner um 1810 herum
eröffnet haben soll, gehörte später auch der Ernst-Ludwig-Saal, ebenfalls bekannt als
Schwanensaal, nach dem vermutlich die Schwanenstraße benannt ist. Jakob Neusel, der
von 1784 bis 1839 lebte, ist im Stadtarchiv Darmstadt zu dieser Zeit als Gastwirt und
Bierbrauer eingetragen.
Von 1875 bis etwa zur Jahrhundertwende soll ein gewisser Ludwig Grimm die Gaststätte
mit Brauerei bewirtschaftet haben. Die Brauerei allerdings soll bereits um 1900 herum
aufgegeben worden sein, die Keller der Brauerei, so berichtet Kirschner, dienten den
Eberstädtern im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzkeller 37. Einen großen Saal soll es dort
schon um 1870 herum gegeben haben, der allerdings Anfang des 20. Jahrhunderts
zugunsten des bis heute bestehenden Saales abgerissen wurde. Der neue Saal wurde 1906
in nur einem halben Jahr errichtet und erhielt den Namen „Ernst-Ludwig-Saal“ 38.

                      Das Gasthaus „Zum Schwanen“ im Jahr 1900. Quelle: Kirschner 1995, S. 71

Das Gasthaus wurde 1985 abgerissen, in dem neu errichteten Eckhaus ist bis heute die
Volksbank untergebracht, in den oberen Etagen sind Wohn- und Büroräume. Der Ernst-
Ludwig-Saal wurde 1990 renoviert und wird bis heute als Veranstaltungs- und
Versammlungssaal genutzt.

37
  Kirschner, 1995: S. 72/73; in Kirschners Heimatheft von 1998 wird dies auf S. 72 ausgeführt.
38
  Von diesem neuen Saal sind nach Auskunft von Dr. Erich Kraft sowohl die Ausschreibung als auch die
Baupläne vollständig erhalten. Nachdem die Familie Grimm ihr Gewerbe aufgegeben hatte, wurden Saal
und Gaststätte vermutlich um das Jahr 1910 herum an die Pfungstädter Brauerei Hildebrandt verkauft, die
wiederum das Anwesen 1983 an die Stadt Darmstadt verkaufte.
                                                   22
                                  StadtteilHistoriker Brauereien Halva
4.6. Jakob, Jacob, Diefenbach? – Das Haus in der Oberstraße 16:

Es fängt schon bei der Schreibweise an: War im heutigen Haus der Vereine in der
Oberstraße 16 einstmals die Weinwirtschaft Jacob-Jacob? Oder nicht doch die Brauerei
Jakob Jakob? Beide Schreibweisen finden sich in den verschiedenen Publikationen über
Eberstadt, und Friedel Kirschner verwendet in seinem Heimatheft von 1995 sogar beide
Schreibweisen in einem Text. Doch: Abgesehen von den namentlichen Unschärfen scheint
die Geschichte des 1783 erbauten Breithauses an der Straßenfront recht lückenlos
dokumentiert zu sein.

                                                                             Quelle: Kniess 2001, S. 52

Als erster Brauer ist in den Eberstädter Geschichtsbüchern ein gewisser Bernhard Dichter
vermerkt, und zwar in den Aufzeichnungen des Jahres 1716. Auf Dichter folgte dann der
Schultheiß 39 Johann Paul Heß 40. Laut Elke Riemanns Nachforschungen muss es einige
Jahrzehnte später im Hause Heß Streit ums Erbe gegeben haben, sodass dann Johannes

39
   Als Schultheiß bezeichnete man früher jenen Beamten oder auch Gemeindevorsteher, der sich in einer
Ortschaft darum kümmerte, dass die Gesetze des Landesherren befolgt und die entsprechenden Steuern
entrichtet werden. Der Schultheiß erfüllte bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts hinein die Funktion,
die später dann die Bürgermeister übernahmen.
40
   Riemann, Elke: Die Geschichte des Eberstädter Rathauses, S. 61.
                                                  23
                                 StadtteilHistoriker Brauereien Halva
Dörner mit seiner Familie die Brauerei übernahm. Dörners Frau soll 1818 den Bierbrauer
Johannes Diefenbach geheiratet haben. Dieser Diefenbach war der Sohn von Johann
Tobias Diefenbach, der im Dezember 1783 mit Elisabeth Magdalene Geibel den Bund der
Ehe schloss. Dem Namen Geibel nach zu urteilen könnte es sein, dass die Braut jener
Familie entstammte, die im Nachbarhaus, der heute sogenannten Geibel‘schen Schmiede,
gelebt hat. Die Geibelsche Schmiede hieß vermutlich erst ab 1737 so, da zu dieser Zeit die
Familie Geibel das Anwesen kaufte. Zuvor soll dort auch eine Brauerei existiert haben 41.
Johannes Diefenbach war aber nicht nur Brauer und Wirt des Gasthauses, das hinter dem
barocken Breithaus errichtet worden war, er war auch Küfer. Diefenbach fuhr zweigleisig:
Im Brauhaus samt Kühlhaus, das bis heute im Hinterhof des Hauses der Vereine steht,
braute er Bier, und nebenher betrieb er seine Weinwirtschaft. Während Kirschner Anfang
der Neunzigerjahre noch notiert, dass auf dem Anwesen laut Adressbuch von 1883 eine
Weinwirtschaft mit dem Namen „Jacob Jacob“ eingetragen ist, hat nun Elke Riemann
herausgefunden, dass eben jener Jacob Jacob die Brauerei samt Gast- und Weinwirtschaft
schon im Jahr 1875 gekauft hat. Die Weinwirtschaft, die Kirschner zufolge „wegen ihres
guten Weines jahrzehntelang“ bekannt gewesen sei, wird in Originaldokumenten im
Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt unter dem Namen „Jacob – Jacob“ geführt 42.

             Das Gemälde von Franz Best zeigt den Innenhof der ehemaligen Dörner-Diefenbach’schen
                  Brauerei, heute „Haus der Vereine“. Das Kühlhaus steht noch. Quelle: Dr. Erich Kraft

41
   Diese Information hat ebenfalls Elke Riemann während ihrer Recherchen zur Geschichte des Eberstädter
Rathauses gefunden. Der Aufsatz aus der ersten Staffel der StadtteilHistoriker liegt seit Frühjahr 2020 vor.
Elke Riemann trägt derzeit für die zweite Staffel die Informationen zur Geschichte der Oberstraße
zusammen und hat mit den bereits gesammelten Daten einen wichtigen Teil zur hier vorliegenden Arbeit
beigetragen.
42
   Anmerkung von Elke Riemann zu dieser Arbeit.
                                                    24
                                   StadtteilHistoriker Brauereien Halva
4.6.1. Ein Schiff wird kühlen – Das Kühlhaus in der Oberstraße

Auf den ersten Blick sieht das Kühlhaus hinter dem Haus der Vereine aus, als wäre es nicht
fertiggestellt worden. Es hat keine Seitenwände – und wozu bitte braucht man diese
Wanne aus Eisen? Ein Blick in die Brauereigeschichte zeigt: Dieses Gebäude war einmal
state of the art, man könnte auch sagen: ein absolutes Profiwerkzeug. In die Eisenwanne,
das sogenannte Kühlschiff, wird heiße Würze – also die Bierbasis bestehend aus Malz, das
mit Wasser vermaischt wurde – eingeleitet. Aufgrund der großen Oberfläche kühlt die
Würze schon innerhalb einer Stunde recht schnell herunter. Dabei setzen sich die
Schwebstoffe ab, der sogenannte Heißtrub.

           Das Kühlhaus mit Kühlschiff im Hof hinterm Haus der Vereine in der Oberstraße. Foto: Halva

                                       Detailansicht Kühlschiff. Foto: Halva

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Ob die Würze nach dem Seihen über eine direkte Leitung vom Brauhaus ins Kühlschiff
gefüllt oder mit Eimern oder Fässern umgetragen wurde, ist heute nicht mehr zu
erkennen. Es liegt aber nahe, dass das Bier nach abgeschlossenem Gärprozess im Gewölbe
unter dem Kühlhaus eingelagert wurde.

                                 Treppenabgang zum Gewölbe unter
                                      dem Kühlhaus. Foto: Halva

Auf dem zuvor abgebildeten Gemälde von Franz Best ist zu sehen, dass der Abgang zum
Kühlkeller hinter einem mannshohen, zweiflügeligen Holztor lag. Heute ist der gemauerte
Abgang abgetragen und durch eine Art „Hügelgrab“ mit Stahltor ersetzt worden.

              Nördliche Wand des Gewölbes unter dem Brauhaus, der Schacht rechts könnte
                                eine Ladeluke gewesen sein. Foto: Halva

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4.6.2 Und noch ein Name? – Die Dörner-Diefenbach’sche Brauerei

Der Name Diefenbach ist inzwischen eingeführt, so bleibt noch die Frage: Was hat es mit
dem Namen Dörner auf sich? Wolfgang Weißgerber erwähnt in seinen Eberstädter
Geschichten in einem Bildtext die Dörner-Diefenbach’sche Brauerei 43, der Name Dörner
allerdings taucht in keinem anderen Text der verfügbaren Quellen auf. Einzig im
Gewerbeverzeichnis der Stadt werden die Gebrüder Dörner von 1876 bis 1892 als Inhaber
einer Brauerei geführt, die dann zunächst von Jacob Jacob übernommen wurde, bevor
dieser 1908 an Jakob Weyland übergab. Weyland wiederum wird zu dieser Zeit als Inhaber
der Brauerei „Zum Schützenhof“ ausgewiesen, die er – wie in Kapitel 4.4 beschrieben –
übernommen hatte, als er 1890 die Witwe von Ludwig Herpel heiratete.

                                                       Quelle: Weißgerber 1982, S. 286

Das undatierte Foto zeigt den Innenhof des Hauses in der Oberstraße 16. Das Gebäude
direkt an der Straße steht heute noch, rechter Hand grenzt direkt die Geibel‘sche
Schmiede an. Die auf dem Foto abgebildete Scheune wurde offenbar schon Ende des 19.
Jahrhunderts abgerissen, sie ist zumindest in keiner weiteren Publikation erwähnt oder
abgebildet. Ganz verschwunden ist das Ensemble im Hof des heutigen Hauses der Vereine
aber nicht: So ist die metallene Pergola in ihren Abmessungen an die einstige Bebauung
angelehnt 44. Das heißt auch: Das Vergangene ist nicht ganz verschwunden – und vielleicht
auch deshalb nicht ganz verloren. Ein Gedanke, der nun im letzten Kapitel noch einmal
aufgegriffen werden soll.

43
  Weißgerber 1982, S. 218.
44
  Dr. Erich Kraft hat in seinen Anmerkungen zu dieser Arbeit nicht nur auf die Konzeption der Pergola
hingewiesen. Er hat auch die Abbildung des Gemäldes von Franz Best beigesteuert, das den Innenhof des
Hauses in der Oberstraße 16 gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeigen dürfte. Siehe Abbildung S. 24. Wo sich
das Gemälde heute befindet, müsste Herrn Dr. Kraft zufolge im Stadtarchiv zu erfragen sein.
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5. Hopfen und Malz verloren? –
Das Ende der Brauereien in Eberstadt

Ob Eberstädter Brauer wie Gustav Neidert nun vier Jahre früher oder später aufgegeben
haben – das erscheint eher unbedeutend angesichts der damals bevorstehenden
Jahrhundertwende, die sich für die Eberstädter Brauereien als nicht zu meisternde Hürde
erweisen sollte. Hatten bereits 1892 die Brauerei Georg Harnischfeger und die Brauerei
Ludwig Herpel den Betrieb eingestellt, so gab schließlich Jakob Weyland im Jahr 1908
seine „Brauerei zum Schützenhof“ auf. Sowohl die Brauerei Hilsz als auch die „Brauerei
zum Mühltal“ retteten sich zwar noch über das Ende des Ersten Weltkriegs, aber für beide
kam im Jahr 1920 infolge des Rohstoffmangels und der überall herrschenden Armut das
endgültige Aus.
Aber: Musste es so kommen? Und was war geschehen? – Im Falle der Brauereien Hilsz
und Bauer mag der Erste Weltkrieg als Ursache nahe liegen, doch warum mussten in den
Jahren zuvor bereits die anderen Eberstädter Brauereien aufgeben? Weshalb gelang es
keiner der kleinen Brauereien, sich über die Zeit zu retten? Und warum schreibt Friedrich
Kirschner, im Jahre 1914 habe es in Eberstadt noch „9 Brauereien“ gegeben? 45
Wie bereits in Kapitel 4 angedeutet hing das langsame Sterben der hiesigen Brauereien
mit zweierlei zusammen: Auf der einen Seite die Konzentration auf dem Markt – so wuchs
etwa im nahen Pfungstadt die Brauerei Hildebrandt beständig und begann vermutlich
irgendwann, auch in Eberstadt die Brauer abzuwerben –, auf der anderen Seite zeigte sich
nun immer deutlicher, dass die Anbindung Eberstadts an die Eisenbahnlinie Frankfurt-
Heidelberg im Jahre 1846 eher Fluch als Segen war. Zumindest für die lokale Wirtschaft.
Zwar hatte der Pfarrer J. Carl Friedrich Kißner die Freude der Eberstädter an der
Gemeinschaft (oder vielmehr: dem gemeinschaftlichen Rausch) mit einiger Skepsis
betrachtet und wohl deshalb im Jahre 1857 in der Pfarrchronik vermerkt: „Wirtschaften
hat man hier viele (Man möchte sagen: zu viele)“; und noch im Jahr 1875 äußerte der
Pfarrer in der Ortschronik seinen Unmut darüber, dass die Eberstädter am
Sonntagmorgen offenbar lieber ins Wirtshaus gingen als in die Kirche. Aber in den zehn
Jahren seit 1846, nachdem die Eisenbahn zwischen Heidelberg und Frankfurt auch Halt in
Eberstadt machte, waren viele Gasthäuser und Schankstuben „eingegangen“, wie Kißner
schrieb. Denn die Eisenbahn machte auch in Eberstadt die Arbeit vieler Straßenfuhrleute
und anderweitig aufs Transport- und Reisegeschäft Angewiesener überflüssig. Bis zur
Inbetriebnahme der Eisenbahn war Eberstadt auf der Handelsroute Frankfurt-Heidelberg
ein beliebter und gut frequentierter Rastpunkt gewesen; die Fuhrleute konnten hier

45
     Kirschner, 1998: S. 30.
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