IM RHYTHMUS DER SCHILDKRÖTE
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I m Rhyt h m u s d e r Sc h ildk rö te www.iam.ch 1
2 DIE PERFORMANCE DER UNABHÄNGIGKEIT
Im R hy th m u s d er Immer mehr, immer schneller. Die Suche nach dem grösstmöglichen Gewinn in kürzester Zeit ist eine der Ursachen für die Überhitzung und den abrupten Absturz Sc h i l d k r ö te des Finanzsystems im Jahr 2008. Schuldenberge und un- durchschaubare Finanzprodukte waren die Werkzeuge einer hemmungslosen Gier, die schliesslich immense Ver- mögenswerte zerstörte. Vor 2008 war der Unterschied zwischen Investition und Spekulation weitgehend in Vergessenheit geraten. Bei der Spekulation werden Finanzwerte nur in der Hoffnung gehalten, dass ihr Preis und die Zahl der möglichen Ab- nehmer steigen. Bei diesem Ansatz spielen die Psycho- logie und das Gruppenverhalten der Finanzakteure eine Rolle. Solange der Preis steigt, sind alle zufrieden. Doch sobald der Kurs sinkt, kann dieselbe Dynamik, die der Hausse zugrunde lag, den Absturz herbeiführen. Bei einer Investition geht es hingegen darum, die Ren- tabilität der Titel unabhängig von der Meinung anderer zu prüfen. Im Falle von Aktien muss man sich mit dem zugrun- de liegende Unternehmen auseinandersetzen. Ein Kauf ist dann gerechtfertigt, wenn der Preis tiefer ist als der erwartete Mehrwert, den das Unternehmen voraussicht- lich zugunsten der Aktionäre erwirtschaften kann. Die für Aktionäre greifbarste Form dieser Wertschöpfung sind die Dividenden. Bei diesem Ansatz führen tiefe Kurse nicht zu übereilten Verkäufen, sondern im Gegenteil zu Zukäufen. Spekulative Anleger bewegen sich in einem Zeitho- rizont von wenigen Sekunden bis wenigen Monaten. Da sie auf dem Markt stärker vertreten und aktiver sind, sind sie es, welche die kurzfristigen Marktbewegungen beein- flussen. So wechseln Schweizer Aktien gemäss Statistiken der Schweizer Börse alle sechs Monate den Besitzer. Investoren rechnen hingegen in Jahren, in den Zeiträu- men, die Unternehmen brauchen, um ihre Strategien um- zusetzen und die Früchte ihrer Arbeit zu ernten. «Kurzfris- tig ist die Börse eine Abstimmungsmaschine, langfristig ist sie eine Waage», sagte der berühmte Investor Benjamin Graham ( The intelligent Investor, 1949 ). Gerade Krisen bringen an den Tag, dass Wertschöpfung und Vermögens- Marco Longo bildung letzten Endes schwerer wiegen als die Stimme der Direktor bei IAM Spekulanten. www.iam.ch 3
Mehrere wissenschaftliche Studien bestätigen, dass Keynes fest, dass es unserem Ruf erfahrungsgemäss zu- bei einem genügend langen Zeithorizont der Value-An- träglicher sei, «konventionell zu scheitern, als unkonventi- satz sinnvoll ist. Dieser Zeitraum muss mindestens einen onell Erfolg zu haben». vollständigen Wirtschaftszyklus umfassen. In den USA ha- ben die Ökonomen Fama und French ausgerechnet, dass eine Value-Strategie, die von 1929 bis 1997 angewendet wurde, die von spekulativen Anlegern bevorzugte Wachs- [Erfahrungsgemäss ist es] unserem Ruf tumsstrategie sehr deutlich überperformt. Über mehrere zuträglicher, «konventionell zu scheitern, Jahre kapitalisiert wird der Unterschied beträchtlich. als unkonventionell Erfolg zu haben». Die Krise, in der sich die Wirtschaft seit 2008 befin- det, ist eine Gelegenheit, die Vorteile vernünftiger Investi- Eine weitere Eigenschaft scheint also für ein gesundes tionen an den Finanzmärkten (wieder) zu entdecken und Investment entscheidend zu sein: in Erinnerung zu rufen, welche Eigenschaften dafür nötig sind: Unabhängigkeit. Es geht dabei um die Fähigkeit, dem Druck der Aktionäre, die sich um die kurzfristigen Urteilsvermögen, denn man muss die Unterneh- Gewinne der Vermögensverwaltungsgesellschaft sorgen, men, die langfristig Mehrwert schaffen, von denjenigen standzuhalten – oder etwas unverblümter ausgedrückt: unterscheiden, die nur beim Spekulationspoker mitspielen. sich den Luxus zu leisten, Kunden, die den verlockenden, aber falschen Versprechen der Spekulanten folgen, zu ver- Geduld, denn echte Wertschöpfung geschieht lieren. Dieser Grundsatz erklärt, warum nur wenige Ver- nicht von einem Tag auf den andern. mögensverwalter echte Investitionen tätigen. Der berühm- teste unter ihnen, Warren Buffett von Berkshire Hathaway, Disziplin, denn die grosse Masse der Spekulan- ist eine ganz spezielle Ausnahme. IAM verfolgt in der ten kann Illusionen lange aufrechterhalten, etwa wenn ein Schweiz, wenn auch in bescheidenem Rahmen, dieselben Aufwärtstrend nur durch Modeerscheinungen angetrieben Ansätze. oder aufrechterhalten wird. Der Wille und die Fähigkeit des Vermögensverwal- ters, eine wahrhaft langfristige Investitionspolitik zu ver- Kurzfristig ist die Börse eine folgen, sind wichtige Voraussetzungen, die alleine aber nicht ausreichen, um sich der Spekulation zu entziehen. Abstimmungsmaschine, langfristig ist Ebenso wichtig ist, dass die Kunden überzeugt sind, dass sie eine Waage. ein langfristiger Ansatz, der auf die Vermögensbildung B.Graham «The intelligent Investor» abzielt, der richtige Weg ist. Sie sollten daran denken, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, und komplexen Pro- dukten und Strategien, die sie nicht verstehen, mit Miss- In anderen Worten: Ein Vermögensverwalter muss fä- trauen begegnen. Das heisst, man sollte sein Geld nur in hig sein, über längere Zeit eigene Wege zu gehen und in Produkte anlegen, die man versteht. den Augen der meisten anderen Finanzakteure –und oft sogar seiner eigenen Kunden – im Unrecht zu sein. Das Eine langfristige Anlagestrategie setzt eine gewisse Risiko, diese Kunden zu verlieren, bringt denn auch den Toleranz voraus, wenn die Performance des Vermögens- Grossteil der Vermögensverwalter dazu, sich den aktuel- verwalters vom Referenzindex abweicht: Um sich von der len Trends anzupassen, von der Internetblase über den Tyrannei der «Benchmark» zu lösen, muss der Vermögens- Subprime-Rausch bis zum gegenwärtige Run auf Staats- verwalter über einen genügend weiten Zeithorizont ver- anleihen. Schon in den 1930er-Jahren stellte der Ökonom fügen. 4 DIE PERFORMANCE DER UNABHÄNGIGKEIT
Zurzeit sanktionieren viele institutionelle Anleger ihre IAM von seinen Erfahrungen: «Anfang 2003 teilten uns Vermögensverwalter, wenn diese drei Jahre in Folge un- die Aufsichtsbehörden in einem Schreiben mit, dass unser terperformen. In einigen Fällen wird der Verwalter schon Deckungsgrad es nicht mehr zulasse, unsere Aktiven risi- nach zwei Jahren verwarnt. Mit einem derart kurzen kobehaftet anzulegen. Wir waren also «vernünftig» und Zeithorizont sind den Vermögensverwaltern praktisch die reduzierten unser Aktienexposure. Sechs Monate später Hände gebunden. Die vierjährige Phase des Aktienauf- stiegen die Aktien um 50% und wir konnten den in den schwungs von 2003 bis 2007 bot beispielsweise ein sehr günstiges Umfeld für einen Wachstumsansatz, die Konsoli- dierungsphase von 2008 bis 2009 war dagegen günstig Es ist eine falsche Reflexreaktion, alle für einen konservativeren Ansatz. So erzielt ein während neuen Verschlechterungen vermeiden zu der Hausse beauftragter Vermögensverwalter möglicher- weise sehr schlechte Ergebnisse während der Baisse und wollen, indem man den Anteil der «risi- umgekehrt. Doch was zählt, ist seine Performance über kobehafteten» Anlagen, namentlich der den gesamten Zyklus. Aktien, reduziert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Falle der prozy- Vorjahren erlittenen Verlust nicht mehr wettmachen. Wir klischen Anlagestrategien. Bei einem plötzlichen Börsen- haben uns gefügt, aber vernünftig war das nicht »! einbruch wie 2008 schmelzen die Anlagen der Vorsor- geeinrichtungen dahin. Ihre Passiven steigen, während Es ist natürlich heikel, eine Übergewichtung von Akti- gleichzeitig die Zinssätze sinken. Das Zusammentreffen en zu unterstützten, wenn eine Vorsorgeeinrichtung eine dieser beiden Effekte, die sich negativ auf den Deckungs- deutliche Unterdeckung aufweist, wenn die Konjunktur grad auswirken, hat zur Folge, dass die Vorsorgeeinrich- lahmt und die Börsen von Tag zu Tag weiter zurückfal- tungen nicht mehr über ausreichend Aktiven verfügen, um len. Eine antizyklische Anlagestrategie muss mit Bedacht die Verpflichtungen gegenüber ihren Versicherten wahr- und schrittweise umgesetzt werden. Wichtig ist es, die zunehmen. Es ist eine falsche Reflexreaktion, alle neuen positive Dynamik von Risiken zu nutzen: Eingegangene Risiken wirken sich langfristig in höheren Renditen aus, die wiederum die Tragfähigkeit von zusätzlichen Risiken Um sich von der Tyrannei der «Bench- erhöhen. mark» zu lösen, muss der Vermögens- Idealerweise bauen Vorsorgeeinrichtungen in den verwalter über einen genügend weiten Hausse-Phasen genügend Schwankungsreserven auf. So Zeithorizont verfügen. sind sie auch am unteren Ende des Zyklus noch zahlungs- kräftig. Vor den letzten Krisen von 2002 und 2008hat Verschlechterungen vermeiden zu wollen, indem man den eine lange Folge von guten Börsenjahren die Verant- Anteil der «risikobehafteten» Anlagen, namentlich der wortlichen von Vorsorgeeinrichtungen zu übertriebener Aktien, reduziert. Leider wird dieses Verhalten von den Grosszügigkeit verleitet: Sie haben teilweise zweistellige Aufsichtsbehörden oft noch unterstützt und von Beratern Renditen den individuellen Konten ihrer Versicherten gut- empfohlen. geschrieben, statt Sicherheitspolster für ihre Institution zu bilden. Auch dieses Verhalten wird durch die Gesetzge- Diese Empfehlung erfolgt meistens dann, wenn es bung erzwungen. Es begünstigt die ältere Generation der hohe Probabilitäten gibt, dass die Anlagen unterbewertet Arbeitnehmer auf Kosten der jüngeren Generation: Es ist sind und über kurz oder lang wieder zulegen werden. prozyklisch. Bis zu einem Deckungsgrad von 130% wäre Das heisst also genau zu einem Zeitpunkt, zu dem man es ratsamer gewesen, den individuellen Konten nur das mehr Risiko ins Portfolio aufnehmen müsste. Ein Mitglied gesetzliche Minimum gutzuschreiben. In anderen Worten: eines Anlageausschusses einer Pensionskasse berichtete Diese bisher als sehr hoch geltende Deckung sollte als www.iam.ch 5
Bullen- und Bärenmärkte in der Schweiz seit 1925 (Quelle: IAM Research, Datastream) 400% Bull Markets (LS) 100'000 Bear Markets (LS) 350% Swiss stocks TR (GFSF before 1987) = 7.43% 318.1% 53 Months 300% 10'000 250% 240.1% 198 Months 210.6% 40 Months 200% 172.3% 176.5% 50 Months 63 Months 150% 124.4% 36 Months 1'000 103.5% 31 Months 134.8% 100% 30 Months 72.2% 69.8% 63.4% 55.7% 69.1% 57 Months 23 Months 45 Months 51.8% 31 Months 13 Months 21 Months 47% 50% 26 Months 100 0% -26.3% -24.7% -20.4% -30.9% -23.2% -38.7% -23.3% 9 Months 33 Months 14 Months 24 Months 13 Months 3 Months -55.2% 22 Months -49.5% -36.7% -50% -61.2% -45 Months 56 Months -52.2% -30.2% 6 Months 2 Months -55.2% 31 Months 28 Months 31 Months -100% 10 1925 1930 1935 1940 1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 neuer Komfortbereich für Vorsorgeeinrichtungen gelten. der Dauerberieselung durch die Medien ausgesetzt, wo Allfällige Überschussbeteiligungen sollten zudem nicht kurzfristiges Denken im Vordergrund steht. Sobald sich alle auf einmal in erfolgreichen Jahren, sondern gestaffelt in wirtschaftlich guten Zeiten die positiven Nachrichten ausbezahlt werden. und Rekordmeldungen wiederholen, tauchen unsinnige Theorien wie «New Economy» oder das «Ende der Wirt- Davon profitieren letztlich alle, denn eine gut kapitali- schaftszyklen» auf. Die Flut von schlechten Nachrichten sierte Vorsorgeeinrichtung ist eher in der Lage, besonnene in Krisenzeiten führt hingegen zu Ideen wie dem «Ende Anlageentscheidungen zu treffen und so gute Renditen der Aktien» oder dem «tendenziellen Rückgang der Rendi- zu erzielen. Dies sind die ersten Massnahmen, mit denen ten». Die Realität ist oft weniger extrem: Auf positive Pha- Vorsorgeeinrichtungen der Herausforderung begegnen sen folgen negative Phasen usw. Zur Freude der Anleger können, vor welche sie die steigende Lebenserwartung sind die Haussen im Durchschnitt länger und ausgepräg- der Versicherten stellt. Vermutlich sind auch weitere Mass- ter als die Baissen. nahmen, wie die Verlängerung der Erwerbszeit, nicht zu umgehen. Wir können nicht immer länger leben und da- bei gleich lange arbeiten wie bisher. Bis zu einem Deckungsgrad von 130% wäre Wie die übrige Bevölkerung sind auch die Investoren es ratsamer gewesen, den individuellen Konten und die Entscheidungsträger von Vorsorgeeinrichtungen nur das gesetzliche Minimum gutzuschreiben. 6 DIE PERFORMANCE DER UNABHÄNGIGKEIT
Langfristig haben Finanzanlagen, insbesondere Akti- en, attraktive Renditen generiert. Doch die Finanzmärk- Allfällige Überschussbeteiligungen sollten te verhalten sich nicht linear: Die schlechten Ergebnisse, zudem nicht alle auf einmal in erfolgreichen welche die Aktien seit mehr als 15 Jahren verzeichnen, Jahren, sondern gestaffelt ausbezahlt werden. haben das Vertrauen der Anleger geschwächt. Gleichzei- tig haben die Unternehmensgewinne stark zugenommen. Dieser Gegensatz bringt uns zu der Annahme, dass Akti- Seit 1925 erlebten die Schweizer Aktien 15 Bären- en sehr attraktiv geworden sind. Auf Situationen wie die- Märkte, d. h. Baissen, bei denen der Markt 20% unter se, die zwar selten, aber nicht ungewöhnlich sind, folgt den letzten Höchststand einbrach. Es wurden auch meh- in der Regel eine Phase, in der die Aktien kräftig an Wert rere Einbrüche von mehr als 50% beobachtet, bei denen zulegen. die Stimmung der Investoren zu Recht am Boden lag. Die Bullen-Märkte, d. h. Haussen, bei denen der Markt mehr Es gibt also allen Grund zu der Annahme, dass Fi- als 20% über den letzten Tiefstand hinauswuchs, verzeich- nanzanlagen in Zukunft wieder ordentliche Renditen nen hingegen häufig eine Steigerung von über 150%. abwerfen. Das Schweizer Vorsorgesystem im Kapital- Über den sehr langen Zeitraum seit 1925 erweisen sich deckungsverfahren könnte davon voll profitieren, wenn es Aktien als volatil, aber insgesamt gewinnbringend: 100 die richtigen Strategien umsetzt und auf Kurs bleibt. Franken, die man im Jahr 1925 angelegt hätte, wären bis 2011 zu 51 000 Franken geworden. Das entspricht einem Wertzuwachs von durchschnittlich 7,5% pro Jahr – und dies trotz Grosser Depression und einem Weltkrieg. IAM, Mai 2012 S&P 500 seit 1871 (Quelle: Princeton University) 40'960 40'960 20'480 20'480 S&P 500 (real) 10'240 S&P 500 (nominal) 10'240 5'120 5'120 2'560 2'560 1'280 1'280 640 640 320 320 160 160 80 80 40 40 20 20 1871 1881 1891 1901 1911 1921 1931 1941 1951 1961 1971 1981 1991 2001 2011 www.iam.ch 7
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