Impfen gegen das Coronavirus bei Psoriasis
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
FORSCHUNG & PRAXIS Impfen gegen das Coronavirus bei Psoriasis chen Schaden anrichten können. Beispie- le für Totimpfstoffe sind solche gegen Grippe (Influenza), Cholera, Beulenpest, Hepatitis A oder Hepatitis B. Ein optima- ler Immunschutz durch Totimpfstoffe be- nötigt in der Regel mehrere Injektionen Erst seit gut einem Jahr ist das Virus in einer Grundimmunisierung, hält meist nur einige Jahre an und muss daher ge- SARS-CoV-2 bekannt, aber die Entwicklung gebenenfalls in Abständen aufgefrischt eines Impfstoffes ist durch intensive Arbeit von werden. Forscherinnen und Forscher in der ganzen Lebendimpfstoffe Welt schon weit fortgeschritten, bis Ein Lebendimpfstoff besteht im Gegen- November 2020 weltweit in mehr satz zum Totimpfstoff aus minimalen als 220 Projekten. Mengen vermehrungsfähiger Erreger, denen die krank machenden Eigenschaf- ten abgezüchtet wurden. Fachleute be- B zeichnen sie als „attenuierte“ Erreger. Die Keime können sich zwar noch ver- ald könnten erste Impfstoffe mehren, aber die Krankheit selbst nicht auch in Deutschland verfügbar mehr auslösen. Attenuierte Viren gehen sein. Zwei Anträge auf Zulas- stoffe und Lebendimpfstoffe. Mit den mit dem geringen Restrisiko einher, dass sungsverfahren für den europäischen Corona-Impfstoffen kommt eine neue, die Impfung in seltenen Fällen ähnliche Markt waren bei Redaktionsschluss des dritte Gruppe dazu: die Gen-Impfstoffe. Beschwerden wie die Krankheit selbst PSO Magazins bereits eingereicht. hervorruft. Doch die Symptome fallen Insgesamt basiert das Impfen auf dem Totimpfstoffe meist sehr schwach aus und dauern nur Grundprinzip, dem Immunsystem Teile Totimpfstoffe enthalten vollständige, wenige Tage an. Lebendimpfstoffe wer- eines Virus oder Bakteriums zu präsen- aber inaktivierte oder abgetötete Viren den eingesetzt gegen Masern, Mumps, tieren, so dass der Körper eine Immuni- oder Bakterien oder Bestandteile von ih- Röteln (MMR), Varizellen, Gelbfieber so- tät gegenüber dem Erreger aufbauen nen oder abgeschwächte Giftstoffe von wie gegen Typhus und Cholera. Sie be- kann. Dabei wurden bisher zwei Arten Bakterien, die sich alle im Körper nicht wirken meist einen lebenslangen Impf- von Impfstoffen unterschieden: Totimpf- mehr weiter vermehren oder wesentli- schutz. PSO Magazin 1-2021 11
FORSCHUNG & PRAXIS Genbasierte Impfstoffe Bei Lebend- und Totimpfstoffen werden dem Körper die abgeschwächten oder abgetöteten Erreger oder Erregerantige- ne zugeführt. Bei genbasierten Impfstof- fen müssen menschliche Körperzellen hingegen ein Antigen selbst herstellen, nachdem dem Impfling die entsprechen- de Erbinformation des Erregers verab- reicht wurde. Verschiedene Verfahren genbasierter Impfstoffe sind Vektorvi- ren-, RNA- und DNA-Impfstoffe. Bei Vektorviren-Impfstoffen wird im La- Was ist was? bor ein Gen, d.h. Teile der Erbinformation des betreffenden Erregers in ein harmlo- Coronaviren ses Virus gegeben. Dieses dringt dann Familie von Viren, die Menschen oder Tiere befallen. Zu ihr in menschliche Zellen ein und vermehrt gehören die Erreger des klassischen SARS aus den Jahren sich dort, aber es macht nicht krank. Die 2002/2003, MERS, mehreren Erkältungsformen und natürlich befallenen Zellen produzieren daraufhin das aktuell grassierende Virus SARS-CoV-2. eine Zeit lang auf Basis des Gens das Erre- gerantigen, was zur Immunreaktion beim SARS-CoV-2 Geimpften führt. Das Erbgut der befalle- Im Februar 2020 vergebener Name des Erregers der aktuellen nen menschlichen Zellen, die DNA, wird Pandemie. Häufig wird er einfach „neuartiges Coronavirus“ dabei nicht verändert. Derzeit verfügbar genannt. Die Abkürzung steht für Severe Acute Respiratory und zugelassene sind Vektorviren-Impf- Syndrome-Coronavirus-2. stoffe gegen Ebola und Dengue-Fieber. Es wird auch an Impfungen gegen SARS- CoV2 mit diesem Verfahren geforscht. COVID-19 Das zweite Verfahren von genbasierten Zum Glück erkrankt nicht jede Person, die sich mit SARS- Impfstoffen ist die sogenannte mRNA- CoV-2 ansteckt. Diejenigen, die nach einer Ansteckung mit Technologie (messenger Ribonuklein- dem neuen Erreger Symptome zeigen, leiden unter der Atem- säure). Die mRNA-Technologie ermög- wegserkrankung COVID-19. Die Bezeichnung leitet sich von „Coronavirus-Disease“ und dem Jahr des ersten Auftretens, 2019 ab. Patientenleitlinie zur Behandlung der licht die schnelle und vergleichsweise weißes, hier des sog. Spike-Proteins der Psoriasis der Haut kostengünstige Möglichkeit der Herstel- Virusaußenhülle. Nach Injektion der Als Broschüre kostenlos bestellen lung großer Mengen von Impfdosen. Mit mRNA nutzt der menschliche Körper die in der DPB-Geschäftsstelle unter diesem Verfahren arbeitet z.B. die Firma mRNA als Vorlage, um die Virusproteine Telefon: 040 223399-0 oder Biontech aus Mainz, die in Kooperation selbst zu produzieren. Weil aber nur ein mit dem Pharmakonzern Pfizer aus den bestimmter Bestandteil des Virus gebil- Mail: info@psoriasis-bund.de n USA als erstes Unternehmen Phase-III- det wird, ist ausgeschlossen, dass auf die- Studien für einen Impfstoff gegen das sem Weg komplette vermehrungsfähige neuartige Coronavirus abgeschlossen Viren entstehen. Zum Ausbilden eines und die Zulassung für das Medikament in möglichst hohen Impfschutzes sind in den USA und in Europa beantragt haben. der Regel zwei Injektionen erforderlich. Die mRNA ist ein kurzes Segment des ge- DNA-Impfstoffe ähneln den mRNA- netischen Materials des Virus. Das ist im Impfstoffen, enthalten jedoch das be- Falle des Corona-Impfstoffs ein kleiner treffende Erregergen in Form der Erb- Teil der Erbinformation von SARS-CoV-2. substanz DNA. Bislang gibt es noch keine Diese enthält den Bauplan eines Virusei- zugelassenen DNA-Impfstoffe, doch 12 PSO Magazin 1-2021
FORSCHUNG & PRAXIS auch mit dieser Technologie laufen zur- eingesetzt werden. Bei einer Impfung zeit Entwicklungen für Impfungen gegen mit Lebendimpfstoffen sollte die Psoria- Rechtliches zu das SARS-CoV2-Virus. sis-Therapie je nach Medikament vorher Injektionen für eine gewisse Zeit abgesetzt werden. Eine Injektion ist das Ein- Für Menschen mit Psoriasis Auf jeden Fall sollte bei Notwendigkeit geeignet ? bringen einer Substanz einer Impfung mit Lebendimpfstoffen in einen Organismus Menschen mit einer mittelschweren bis im Vorfeld mit der Dermatologin/dem über eine Kanüle mit schweren chronischen immun-vermittel- Dermatologen und der Impfärztin/dem Hilfe einer Sprit- ten Erkrankung wie Psoriasis oder Psori- Impfarzt gesprochen werden. ze. Jede Form asis-Arthritis erhalten meist innerliche Das PSO Magazin hat bei den Firmen von Injektion ist (systemische) Arzneimittel zur Behand- Biontech und Pfizer angefragt, ob eine ein Eingriff in die lung. Diese therapeutischen Absätze Impfung mit dem mRNA-Impfstoff für körperliche Unver- zur Besserung der Psoriasis haben einen Menschen mit Psoriasis geeignet ist, die sehrtheit und damit nach §§ 223 bis dämpfenden Einfluss auf Teile des kör- eine innerliche (systemische) Behand- 230 StGB (Strafgesetzbuch) strafbar, pereigenen Immunsystems, das bei der lung erhalten. Beide Unternehmen kön- weshalb vor einer Injektion die Ein- Psoriasis an dieser Stelle überaktiv ist. nen zurzeit zu dieser Frage keine Antwort willigung des Patienten eingeholt In Abhängigkeit vom Ausmaß eines ein- geben. werden muss. Damit einher geht gesetzten Arzneimittels kann das Risiko Die Einschätzung von Prof. Dr. Michael die Aufklärungspflicht des behan- steigen, neben der behandlungsbedürf- Sticherling, Dermatologe, stellvertre- delnden Arztes. tigen Erkrankung weitere Krankheiten zu tender Klinikdirektor und leitendender Wirtschaftsmagazin für den Hautarzt entwickeln. Häufig kommen beispiels- Oberarzt an der Hautklinik des Univer- weise Erkältungsinfekte vor. Um dies zu sitätsklinikums Erlangen, und Prof. Dr. vermeiden, gelten für Menschen unter Christian Bogdan, Mikrobiologe der werten sind. Immunisierungen sollten einer Therapie mit Arzneimitteln, die in Friedrich-Alexander Universität Erlan- vor Einleitung einer medikamentösen Im- die Immunität eingreifen (Immunmodu- gen-Nürnberg und Mitglied der Stän- munsuppression erfolgen. Eine dringend lation), nicht nur besondere Vorsichts- digen Impfkommission (STIKO), geben nötige Immunsuppression/Immunmodu- maßnahmen im Alltag, sondern auch die zusammen die Einschätzung, dass die lation kann wegen einer Impfung nicht die generelle Empfehlung, sich impfen zu mRNA-Impfstoffe hinsichtlich ihrer An- immer aufgeschoben oder unterbrochen lassen. wendung bei chronisch-entzündlichen werden. In diesem Fall sind Totimpfungen Dabei stellen Totimpfstoffe unter Einsatz Erkrankungen und einer Behandlung mit zwar ungefährlich, die Schutzwirkung ist von systemischen Psoriasis-Therapeutika Immunsuppressiva/Immunmodulatoren dann aber unsicher. Sie muss gegebenen- kein Problem dar. Sie können jederzeit prinzipiell wie andere Totimpfstoffe zu falls in Kauf genommen werden. n PSO Magazin 1-2021 13
Sie können auch lesen