Impfquoten bei Erwachsenen in Deutschland - Aktuelles aus der KV-Impfsurveillance
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Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 3 Impfquoten bei Erwachsenen in Deutschland – Aktuelles aus der KV-Impfsurveillance 1. Zusammenfassung wird aber weiterhin verfehlt. Auch die Influenza- Mit der Verfügbarkeit neuer Impfstoffe, die einen Impfquoten bei Erwachsenen mit impfrelevanten Schutz vor im Erwachsenenalter auftretenden Er- Grunderkrankungen sowie bei Schwangeren liegen krankungen bieten, gewinnen Impfungen auch in immer noch auf einem zu niedrigen Niveau. Die be- dieser Altersgruppe zunehmend an Bedeutung. stehenden Impflücken erhöhen das Risiko für Auch die Datenlage zur Krankheitslast impfver- schwere Krankheitsverläufe und Hospitalisierun- meidbarer Erkrankungen im Erwachsenenalter hat gen, die insbesondere unter Pandemiebedingungen sich im letzten Jahrzehnt durch epidemiologische auch zu einer zusätzlichen Belastung der Gesund- Studien und neue Meldepflichten verbessert. Das heitsversorgungssysteme führen können. Dasselbe Konzept des lebensbegleitenden Impfens ist mitt- trifft auf die Impfquoten der Pneumokokken-Imp- lerweile in einer Resolution der Europäischen fung zu: Auch sie erreichen trotz eines zu verzeich- Union (EU) und in der regionalen bzw. globalen nenden Anstiegs weiterhin kein zufriedenstellendes Impfagenda 2030 der Weltgesundheitsorganisa Niveau. tion (WHO) verankert. Die Impfquoten der Herpes-zoster-Impfung liegen Wir berichten zur Inanspruchnahme von Routine im zweiten Jahr nach der STIKO-Empfehlung noch impfungen bei Erwachsenen in Deutschland und weiterhin im einstelligen Prozentbereich. Dabei zeigen die Trends der letzten Jahre auf. Im Ver- stand der Umsetzung der Impfempfehlung zu- gleich zu den Vorjahren haben sich 2020, dem ers- nächst die eingeschränkte Verfügbarkeit des emp- ten Jahr der Coronavirus Disease 2019-(COVID-19-) fohlenen Impfstoffs entgegen. In den kommenden Pandemie, die Impfquoten mehrerer von der Stän- Analysen wird sich zeigen, ob mit zunehmender digen Impfkommission (STIKO) für Erwachsene Impfstoffverfügbarkeit auch die Inanspruchnahme empfohlenen Impfungen erhöht. Insbesondere bei dieser Impfung ansteigt. Impfungen gegen respiratorische Erreger ist die er- höhte Inanspruchnahme zu beobachten. Insgesamt Nur zirka die Hälfte der Erwachsenen lässt ihren erscheint die Nutzung von Impfstoffen im Erwach- Impfstatus gegen Tetanus und Diphtherie empfeh- senenalter jedoch weiterhin verbesserungswürdig. lungsgemäß alle 10 Jahre auffrischen. Dieser Wert Die hier präsentierten Ergebnisse bieten ein räum- hat sich in den vergangenen Jahren nicht verändert. lich und zeitlich umfassendes und aktuelles Bild der Dagegen ist die Inanspruchnahme der Pertussis- Impfinanspruchnahme in Deutschland. Zum einen Impfung in den vergangenen Jahren zwar kontinu- machen sie positive Entwicklungen des Impfge- ierlich auf mittlerweile über 40 % gestiegen, ohne schehens in Deutschland mit zuletzt gestiegenen jedoch die Werte der Tetanus- und Diphtherie-Imp- Influenza-, Pneumokokken- und Masern-Impfquo- fung (Td-Impfung) zu erreichen. Die seit mehr als ten sichtbar; zum anderen identifizieren sie Defizite 10 Jahren bestehende Empfehlung, die nächstfällige und zeigen Handlungspotenziale auf. Td-Impfung auch zur einmaligen Pertussis-Imp- fung zu nutzen, wird damit nur unzureichend um- So hat sich der bereits in der Saison 2018/19 gezeig- gesetzt. te Anstieg der Influenza-Impfquote in allen unter- suchten Alters- und Indikationsgruppen auch Im Jahr 2020 hatten nach 1970 geborene Erwach- 2020/21 fortgesetzt. Damit steigt die Inanspruch- sene die höchste jährliche Inanspruchnahme der nahme die dritte Saison in Folge. Das Ziel einer Masern-Impfung seit Aussprechen der Impfemp- Impfquote von 75 % bei Seniorinnen und Senioren fehlung für diese Gruppe. Diese Entwicklung steht
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 4 in einem zeitlichen Zusammenhang zum Inkraft- pen aufzeigen und Maßnahmen zur Schließung der treten des Masernschutzgesetzes. Impflücken zielgerichtet planen zu können. Ältere Menschen haben bei einer Frühsommer- meningoenzephalitis-(FSME-)Infektion ein deutlich 3. Ergebnisse höheres Risiko als Kinder, schwer zu erkranken und Eine Übersicht zu den Ergebnissen der Impfinan- bleibende Komplikationen zu erleiden. Dennoch spruchnahme zum jeweils aktuellsten Datenstand sind die FSME-Impfquoten bei Erwachsenen in den auf Ebene der KV-Regionen und bundesweit ist in ausgewiesenen Risikogebieten in allen Altersgrup- Tabelle 1 aufgeführt. pen eher gering und unterliegen zudem regionalen Variationen. 3.1 Impfung gegen Influenza 3.1.1 Influenza-Standardimpfung bei ≥ 60-Jährigen Die STIKO empfiehlt allen Personen ab einem Alter 2. Hintergrund und Ziel von 60 Jahren, sich jährlich im Herbst gegen die Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet jährlich saisonale Influenza impfen zu lassen.4 In Abbil- über aktuelle Impfquoten bei Kindern und bei dung 1 sind die Impfquoten der Saisons 2008/09 Erwachsenen.1,2 In der vorliegenden Ausgabe veröf- bis 2020/21 für eine Influenza-Impfung bei Perso- fentlichen wir Untersuchungsergebnisse zur Inan- nen im Alter von mindestens 60 Jahren unabhän- spruchnahme von Routineimpfungen im Erwachse- gig von möglicherweise bestehenden impfrelevan- nenalter, die von der STIKO empfohlen werden: Das ten Grundkrankheiten aufgeführt. sind die Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis, die Influenza- und Pneumokokken-Imp- In den Saisons 2008/09 und 2009/10 waren bun- fung, die Herpes-zoster-Impfung, die Masern-Imp- desweit knapp die Hälfte der mindestens 60-Jähri- fung sowie die in ausgewiesenen Risikogebieten gen gegen Influenza geimpft (s. Abb. 1). Nachfol- empfohlene Impfung gegen FSME. Die Inanspruch- gend zeigten die Impfquoten zunächst einen klar nahme der COVID-19-Impfung ist nicht Teil der hier rückläufigen Trend auf. Mit der Saison 2012/13 vorgestellten Ergebnisse und kann an dieser Stelle stagnierten die Impfquoten zunächst auf einem Ni- nicht bewertet werden. Bei den untersuchten Imp- veau, bei dem gut ein Drittel aller Personen ab ei- fungen wird unterschieden zwischen Impfungen, nem Alter von 60 Jahren gegen die saisonale Influ- die allen Menschen in der jeweiligen Altersgruppe enza geimpft war. Ab Saison 2018/19 ist ein leichter angeboten werden sollen (Standardimpfungen) und Anstieg zu beobachten, der sich bis zur letzten Impfungen, die aufgrund eines individuell erhöhten Saison 2020/21 fortgesetzt hat. Bundesweit wurde Risikos, beispielsweise bei Vorliegen einer Grund 2020/21 eine Impfquote von 47,3 % erreicht (s. erkrankung oder einer besonderen beruflichen Tä- Tab. 1). Generell liegt die Impfquote in den östlichen tigkeit, empfohlen sind (Indikationsimpfungen). Bundesländern (ÖBL) (Brandenburg, Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) Die in diesem Artikel dargestellten Ergebnisse zur weit über der Impfquote westlicher KV-Regionen Inanspruchnahme von Impfungern basieren auf bzw. Bundesländer einschließlich Berlin (WBL) (s. Auswertungen von Abrechnungsdaten der Kassen Abb. 1 und Tab. 1). In Saison 2020/21 beträgt der ärztlichen Vereinigungen (KVen) in der RKI-Impf Wert in den WBL 44,0 % (Spannweite der KV-Regio surveillance. nen: 30,4 – 58,0 %), in den ÖBL 62,3 % (Spannweite 58,9 – 67,5 %) (s. Abb. 1 und Tab. 1). Ziel der Analysen ist die Evaluation der Umsetzung der von der STIKO empfohlenen Impfungen für Er- Die Impfquoten steigen in allen untersuchten Bun- wachsene in Deutschland. Die Identifizierung und desländern mit dem Alter an (s. Abb. 2). Zwischen Darstellung von Impflücken in einzelnen Regionen, den Altersgruppen 60 – 69 und 70 – 79 Jahre sind Altersgruppen und Indikationsgruppen ist eine die Unterschiede besonders ausgeprägt. Der An- wichtige Voraussetzung, um den Bedarf für eine stieg in den Saisons 2018/19 bis 2020/21 ist in allen Steigerung von Impfquoten in bestimmten Zielgrup- Altergruppen zu beobachten. In Saison 2020/21
Gesamt Impfung Bevölkerungsgruppe Datenstand BW BY BE BB HB HH HE MV NI NO RP SL SN ST SH TH WL (alle untersuchten KV-Regionen) Standardimpfung: ≥60-Jährige 30,4 36,6 58,0 65,1 50,3 46,9 46,1 62,6 54,9 46,4 48,0 48,7 59,5 67,5 53,6 58,9 44,8 47,3 Indikationsimpfung: ≥18-Jährige mit Influenzasaison Influenza 25,6 30,5 48,3 56,4 41,0 37,8 37,1 53,7 44,3 37,6 38,4 42,5 51,9 59,2 44,2 50,3 37,3 39,3 impfrelevanten Grunderkrankungen 2020/2021 Impfung bei Schwangeren 18,8 18,6 34,4 24,1 29,8 24,9 23,2 29,0 NAb 24,3 19,9 25,9 28,2 33,9 24,5 21,3 24,9 23,2 Epidemiologisches Bulletin ab einem Alter Standardimpfung: 60 – 73-Jährigea ohne von 60 Jahren 12,6 14,8 33,1 41,1 20,0 21,8 20,5 40,4 23,7 20,7 18,1 16,6 35,9 41,7 24,0 35,0 NAc 22,5 impfrelevante Grunderkrankungen bis I/2021 Pneumo- kokken innerhalb der Indikationsimpfung: ≥18-Jährige mit letzten 6 Jahre 10,5 11,9 25,7 26,8 17,4 18,0 15,6 26,9 19,5 16,9 14,7 15,5 25,1 27,4 20,5 24,9 NAc 17,6 50 | 2021 impfrelevanten Grunderkrankungen bis I/2021 1. Impfung 4,1 6,7 7,3 4,9 4,4 3,9 5,4 5,0 3,6 7,6 7,7 6,0 6,2 7,0 3,1 5,0 4,7 5,0 Herpes Standardimpfung: I/2019 – I/2021 zoster ≥60 Jahre 2. Impfung 2,8 4,0 4,7 3,3 2,7 2,3 3,6 3,2 2,5 5,1 4,7 4,1 4,1 4,6 2,0 3,5 3,1 3,3 Diphtherie Standardimpfung: ≥18 Jahre 42,5 48,3 55,1 69,4 52,5 45,7 51,2 69,6 55,0 48,0 46,3 71,6 69,2 51,3 69,0 46,4 50,7 52,7 innerhalb der Tetanus Standardimpfung: ≥18 Jahre letzten 10 Jahre 44,3 50,2 56,1 69,4 54,0 47,4 53,8 69,7 56,1 49,4 48,3 72,3 69,6 52,4 69,3 48,1 51,8 53,9 bis 2020 Pertussis Standardimpfung: ≥18 Jahre 32,5 37,5 47,5 62,1 38,8 34,9 39,0 64,1 42,8 35,7 34,5 66,2 62,1 41,5 60,6 35,9 39,7 43,7 16. Dezember 2021 Impfinzidenz Masern ≥18 Jahre, nach 1970 geboren 1,5 2,1 2,1 1,4 2,3 1,9 2,2 1,2 2,1 2,1 1,8 1,8 1,3 1,5 2,2 1,2 2,2 1,9 2020 ≥18 Jahre und aktueller Impfstatus (grundimmunsiert und ggf. zeitgerechte FSME 2019 16,4 20,4 – – – – 16,6 – 9,8 – 13,1 8,8 17,1 – – 30,2 – 18,4 Auffrischimpfung), in ausgewiesenen Risikogebietend der KV-Regionen Tab. 1 | Inanspruchnahme von für Erwachsene empfohlenen Standard- und Indikationsimpfungen nach Saison, Jahr bzw. Quartal in allen 17 Regionen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) (in %). Gesamtzahl untersuchter Personen: Influenza-Standardimpfung: n = 18.135.158; Influenza-Indikationsimpfung mit impfrelevanten Grunderkrankungen: n = 19.186.688; Influenza- Impfung bei Schwangeren: n = 543.071; Pneumokokken-Standardimpfung: n = 6.683.789; Pneumokokken-Indikationsimpfung mit impfrelevanten Grunderkrankungen: n = 15.971.650; Her- pes-zoster-Impfung: n = 17.898.056; Diphtherie-, Tetanus-, Pertussis-Impfung: n = 56.181.535; Masern-Impfung: n = 28.465.280; FSME-Impfung: n = 13.644.859. BW = Baden-Württemberg | BY = Bayern | BE = Berlin | BB = Brandenburg | HB = Bremen | HH = Hamburg | HE = Hessen | MV = Mecklenburg-Vorpommern | NI = Niedersachsen | NO = Nordrhein | RP = Rheinland-Pfalz | SL = Saarland | SN = Sachsen | ST = Sachsen-Anhalt | SH = Schleswig-Holstein | TH = Thüringen | WL= Westfalen-Lippe a Der untersuchbare Altersbereich ergibt sich aus dem für die Längsschnittanalyse zur Verfügung stehenden Spanne der Datenfortschreibung (s. 3. Ergebnisse). b Für Niedersachsen lagen keine Daten zur Identifizierung Schwangerer vor. c In Westfalen-Lippe hatte sich 2016 das Pseudonymisierungsverfahren geändert. Da für die Impfquote patientenbezogene Längsschnitte von 13 Jahren (Pneumokokken-Standardimpfung) bzw. 6 Jahren (Pneumokokken-Indikationsimpfung) nötig sind, kann keine Impfquote ausgewiesen werden. 5 d ausgewiesene Risikogebiete nach RKI3
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 6 Influenza-Impfquote in % 80 80 Bundesweit Bundesweit WBL WBL ÖBL ÖBL 70 70 60 60 Influenza‐Impfquote in % 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 2008/09 2008/09 2010/11 2009/10 2009/10 2010/11 2011/12 2011/12 2012/13 2012/13 2013/14 2013/14 2014/152014/15 2015/162016/17 2015/16 2016/17 2017/18 2017/18 2018/19 2018/19 2019/20 2019/20 2020/21 2020/21 Saison Saison Abb. 1 | Impfquote für eine Influenza-Impfung bei Personen im Alter von mindestens 60 Jahren nach Influenzasaison, 2008/09 – 2020/21 (in %), bundesweit, westliche (WBL) und östliche Bundesländer (ÖBL). etrug die Impfquote in den Altergruppen 60 – 69, b impfung empfohlen.4 Hierzu zählen chronische Er- 70 – 79 und 80 Jahre und älter 39,8 %, 52,7 % und krankungen der Atmungsorgane, chronische Herz- 54,1 %. Kreislauf-, Leber- und Nierenerkrankungen, Diabe- tes mellitus und andere Stoffwechselerkrankungen, 3.1.2 Influenza-Impfung bei Erwachsenen mit chronische neurologische Erkrankungen, eine an- impfrelevanten Grunderkrankungen geborene oder erworbene Immundefizienz bzw. Allen Personen mit bestimmten Grunderkrankun- Immunsuppression sowie eine HIV-Infektion. gen wird – unabhängig vom Alter – die Influenza Influenza-Impfquote in % 60 50 40 30 20 10 0 60 – 69 70 – 79 80 + 60 – 69 70 – 79 80 + 60 – 69 70 – 79 80 + 60 – 69 70 – 79 80 + 60 – 69 70 – 79 80 + 60 – 69 70 – 79 80 + 60 – 69 70 – 79 80 + 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19 2019/20 2020/21 Altersgruppe und Saison Abb. 2 | Impfquoten für die Influenza-Impfung nach Altersgruppe und Influenzasaison bei Personen im Alter von mindestens 60 Jahren, unabhängig vom Bestehen einer zusätzlichen Indikation aufgrund impfrelevanter Grunderkrankungen, bundesweit.
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 7 Der zeitliche Verlauf der Influenza-Impfquote bei 3.1.3 Influenza-Impfung bei Schwangeren Erwachsenen mit Impfindikation ähnelt dem der Schwangerschaft ist ein wesentlicher Risikofaktor Impfquote der Standardimpfung bei Personen ab für schwere oder tödliche Krankheitsverläufe bei ei- 60 Jahren, liegt allerdings auf einem niedrigeren ner Influenzavirus-Infektion. Seit 2010 empfiehlt Niveau. Von Saison 2014/15 bis 2019/20 wurden die STIKO für alle Schwangeren, die während der bundesweit jeweils knapp ein Drittel der Personen Influenzasaison schwanger sind, die Impfung ge- im Alter ab 18 Jahren mit impfrelevanten Grund gen saisonale Influenza.5 Gesunde Schwangere sol- erkrankungen gegen Influenza geimpft (s. Abb. 3). len die Impfung vorzugsweise ab dem 2. Trimenon Nach dem leichten Anstieg der Inanspruchnahme erhalten. Für Schwangere mit einer chronischen ab der Saison 2018/19 war ein stärkerer Anstieg in Grunderkrankung, die unabhängig von der Schwan- der letzten Saison 2020/21 erkennbar, der zu einer gerschaft eine Indikation für die Influenza-Impfung Impfquote von 39,3 % führte. Die Werte in den ÖBL darstellt, wird die Impfung bereits ab dem 1. Trime- liegen stets weit über den Werten der WBL (s. Abb. 3 non empfohlen. und Tab. 1). und belaufen sich in Saison 2020/21 auf eine Impfquote von 54,1 % (ÖBL; Spannweite 50,3 – In der Influenzasaison 2020/21 wurden bundesweit 59,2 %) und 36,2 % (WBL; Spannweite 25,6 – 48,3 %) 23,2 % aller zur Impfsaison Schwangeren gegen (s. Tab. 1). saisonale Influenza geimpft (s. Tab. 1). Berlin wies mit 34,4 % die höchste Impfquote auf, gefolgt von Die Impfquoten der Influenza-Indikationsimpfung Sachsen-Anhalt (33,9 %) und Bremen (29,8 %). Am steigen mit dem Alter an (s. Abb. 4). In allen unter- wenigsten häufig wurden Schwangere in Bayern suchten Saisons erreichen allerdings erst die Alters und Baden-Württemberg geimpft (18,6 % bzw. bereiche ab 60 Jahren eine Impfquote von 30 % und 18,8 %). Abbildung 5 zeigt die Entwicklung der mehr. Der Anstieg der Impfquote in den Saisons Impfquote bundesweit und nach KV-Region von 2018/19 und 2019/20, insbesondere aber in 2020/21, Saison 2014/15 bis Saison 2020/21. Seit Saison zeigt sich in allen Altergruppen. In Saison 2020/21 2017/18 und insbesondere in Saison 2020/21 ist betrug die Impfquote nach Altergruppen 12,6 % bundesweit sowie in allen KV-Regionen ein deutli- (18 – 29 Jahre), 16,1 % (30 – 39 Jahre), 21,6 % (40 – 49 cher Anstieg der Impfquote zu beobachten. In die- Jahre), 28,9 % (50 – 59), 44,3 % (60 – 69), 55,2 % sem Zeitraum betrug der Zuwachs im Vergleich zur (70 – 79) und 56,0 % (80 Jahre und älter) (s. Abb. 4). Vorsaison jeweils rund 2 %-Punkte in den Saisons Influenza-Impfquote in % 80 80 Bundesweit Bundesweit WBL WBL ÖBL ÖBL 70 70 60 60 Influenza‐Impfquote in % 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 2014/152008/09 2009/10 2010/11 2015/16 2011/12 2012/13 2016/17 2013/14 2014/15 2017/18 2015/162018/19 2016/17 2017/182019/20 2018/19 2019/20 2020/21 2020/21 Saison Saison Abb. 3 | Impfquoten für die Influenza-Impfung bei Personen im Alter von mindestens 18 Jahren und einer Indikation aufgrund bestehender Grunderkrankungen nach Influenzasaison, bundesweit, westliche (WBL) und östliche Bundesländer (ÖBL).
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 8 Influenza-Impfquote in % 60 18 – 29 30 – 39 50 40 – 49 50 – 59 40 60 – 69 70 – 79 30 80 + 20 10 0 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19 2019/20 2020/21 Saison Abb. 4 | Impfquoten für die Influenza-Impfung bei bestehender Indikation aufgrund impfrelevanter Grundkrankheiten nach Altersgruppe bei Personen im Alter von mindestens 18 Jahren nach Influenzasaison, bundesweit. Influenza-Impfquote in % 45 2014/2015 2015/2016 2016/2017 2017/2018 2018/2019 2019/2020 2020/2021 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Bund Baden- Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg- Vorpommern Nordrhein Rheinland- Pfalz Saarland Sachsen Sachsen- Anhalt Schleswig- Holstein Thüringen Westfalen- Lippe Abb. 5 | Impfquote gegen saisonale Influenza bei Schwangeren mit Impfindikation nach KV-Bereich für die Saisons 2014/15 bis 2020/21. Von der KV Hamburg waren erst ab Saison 2017/18, von der KV Saarland erst ab Saison 2015/16 und von der KV- Westfalen-Lippe ab Saison 2016/17 die notwendigen Daten für diese Analyse verfügbar. Von der KV Niedersachsen lagen bis zum Zeitpunkt der Datenanalyse keine verwendbaren Daten vor. 2017/18 bis 2019/20 und 6,6 %-Punkte in Saison 35 – < 40 Jahre: 26,7 %; 40+ Jahre: 25,6 %), bei den 2020/21. Die Impfquote variiert mit dem Alter der unter 30-jährigen Schwangeren lag die Impfquote Schwangeren. In Saison 2020/21 waren rund ein bei bis zu 20 % (< 20 Jahre: 18,1 %; 20 – < 25 Jahre: Viertel der Schwangeren im Alter ab 30 Jahren ge- 18,2 %; 25 – < 30 Jahre: 20,0 %). gen Influenza geimpft (30 – < 35 Jahre: 24,7 %;
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 9 3.2 Impfung gegen Pneumokokken dem Jahr 2008 verfügbar sind. Für eine vollständige 3.2.1 Pneumokokken-Standardimpfung Berechnung der Impfquote ist eine B eobachtung bei ≥ 60-Jährigen ohne impfrelevante Grund- ab dem Alter von 60 Jahren erforderlich. Die 60-jäh- erkrankungen rigen Personen des Jahres 2008 und damit ältesten Die STIKO empfiehlt allen Personen ab einem Alter Vertreter der hier betrachteten Altersspanne sind von 60 Jahren die einmalige Impfung gegen Pneu- zum ersten hier dargestellten Berichtszeitpunkt mokokken als Standardimpfung. Im Gegensatz (Quartal 1/2015) daher 67 Jahre alt. Mit jedem weite- dazu soll bei impfrelevanten Grunderkrankungen ren Kalenderjahr der Analyse kann die betrachtete die Impfung alle 6 Jahre wiederholt werden.6 Aus Altersgruppe dann um jeweils ein Altersjahr weiter- der Unterschiedlichkeit dieser Empfehlungen erge- geführt werden (d. h. bis zum Alter von 73 Jahren für ben sich auch unterschiedliche Definitionen für ei- den Berichtszeitpunkt Quartal I/2021). In Fällen, in nen vollständigen Impfstatus. Daher werden die denen über alle Berichtszeitpunkte Quartal I/2015 – Impfquoten für beide Gruppen separat voneinander I/2021 verglichen wird, beschränken wir uns bei der berechnet und berichtet. In der folgenden Auswer- Darstellung der Impfquoten jedoch auf die Alters- tung sind die Impfquoten der Standardimpfung für gruppe 60 – 67 Jahre (s. Abb. 6). Personen ab dem Alter von 60 Jahren auf solche Per- sonen beschränkt, bei denen im jeweils letzten Jahr Die Impfquoten der Altersgruppe der 60 – 67-Jähri- unserer Datenanalyse keine impfrelevanten Grund gen weisen in den ÖBL einen über die Zeit steigen- erkrankungen identifiziert wurden. Die Auswertun- den Trend auf, der sich in den WBL zunächst nicht gen für die Impfquoten ab Quartal I/2015 konnten zeigt (s. Abb. 6). Zwischen I/2019 und I/2021 ist für die Altersgruppe 60 bis mindestens 67 Jahren dann ein vergleichsweise starker Zuwachs sowohl durchgeführt werden. Die Altersbeschränkung er- in den ÖBL (um 5,9 Prozentpunkte auf 31,2 %) als gibt sich aus der Tatsache, dass in der Datenbank der auch den WBL (um 5,5 Prozentpunkte auf 14,1 %) zu KV-Impfsurveillance die Bildung von Auswertungs- beobachten, der bundesweit in einer Impfquote von kohorten für Längsschnittanalysen anhand von Arzt- 17,3 % resultiert. Die Impfquote steigt mit dem Alter Patienten-Kontakten erfolgt, die allerdings erst seit an (s. Abb. 7). Der Zuwachs der Impfquote zum Pneumokokken-Impfquote in % 50 80 Bundesweit Bundesweit WBL WBL ÖBL ÖBL 45 70 40 60 Influenza‐Impfquote in % 35 50 30 40 25 30 20 15 20 10 10 5 0 0 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19 2019/20 2020/21 I/2015 I/2016 I/2017 I/2018Saison I/2019 I/2020 I/2021 Quartal Abb. 6 | Impfquoten für die Pneumokokken-Impfung ohne Vorliegen einer Indikation aufgrund bestehender Grunderkrankungen bei Personen im Alter von 60 – 67 Jahren jeweils zum Ende des I. Quartals 2015 bis 2021, bundesweit, westliche (WBL) und östliche Bundesländer (ÖBL).
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 10 Pneumokokken-Impfquote in % 50 60 61 45 62 40 63 35 64 65 30 66 25 67 20 68 15 69 70 10 71 5 72 0 73 I/2015 I/2016 I/2017 I/2018 I/2019 I/2020 I/2021 Quartal Abb. 7 | Impfquoten für die Pneumokokken-Impfung ohne Vorliegen einer Indikation aufgrund bestehender Grunderkrankungen bei Personen im Alter von 60 bis max. 73 Jahren jeweils zum Ende des ersten Quartals von I/2015 bis I/2021, bundesweit Stand I/2021 ist mit Ausnahme der 60-Jährigen in I/2020 an (s. Abb. 8) und sinkt in I/2021 auf 17,6 % allen übrigen Altersjahren zu beobachten; mit In den ÖBL liegt die Impfquote generell wesentlich 60 Jahren liegen die Impfquoten bundesweit bei höher als in den WBL und beträgt in I/2021 26,1 % 3,5 %, mit 73 Jahren betragen sie 39,7 % und in der (ÖBL; Spannweite 24,9 – 27,4 %) bzw. 15,6 % (WBL; Gesamtgruppe der 60 – 73-Jährigen 22,5 % (Spann- Spannweite 10,5 – 25,7 %) (s. Abb. 8 und Tab. 1). Ein weite der Bundesländer: 12,6 – 41,7 %) (s. Tab. 1). Anstieg ist auch mit dem Alter zu beobachten (s. Abb. 9). Dabei erreichen die Impfquoten bis zur Al- 3.2.2 Pneumokokken-Indikationsimpfung tersgruppe von 50 – 59 Jahren jedoch nicht mehr als bei Erwachsenen mit impfrelevanten Grund 10 %. Die Gruppe der 70 – 79-Jährigen weist stets erkrankungen den höchsten Wert auf, er beläuft sich in I/2021 auf Wie die Influenza-Impfung wird allen Personen mit eine bundesweite Impfquote von 28,8 %. bestimmten Vorerkrankungen unabhängig vom Alter die Pneumokokken-Impfung empfohlen.6 Die 3.3 Impfung gegen Herpes zoster für eine Indikation relevanten Vorerkrankungen Seit Dezember 2018 empfiehlt die STIKO allen Per- sind mit denen für eine aus gesundheitlichen Grün- sonen ab einem Alter von 60 Jahren die Impfung mit den indizierte Influenza-Impfung beinahe iden- dem adjuvantierten Herpes-zoster-subunit-(HZ/su-) tisch. Die Indikationsimpfung sollte mit einem Totimpfstoff (Shingrix) mit 2 Impfstoffdosen im Ab- Mindestabstand von 6 Jahren aufgefrischt werden. stand von mindestens 2 bis maximal 6 Monaten zur Entsprechend beschreiben die Impfquoten den An- Verhütung von Herpes zoster, seinen Komplikatio- teil der Personen mit bestehenden impfrelevanten nen und Spätfolgen.7 Aufgrund des erhöhten Risi- Grunderkrankungen, der innerhalb der letzten kos für immunsupprimierte Personen und Perso- 6 Jahre die Impfung in Anspruch genommen hat. nen mit anderen relevanten Grunderkrankungen, an Herpes zoster und deren Komplikationen zu er- Bundesweit steigt die Impfquote der Erwachsenen kranken, empfiehlt die STIKO für Personen ab ei- über die Jahre zunächst kontinuierlich auf 19,0 % in nem Alter von 50 Jahren mit erhöhter gesundheitli-
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 11 Pneumokokken-Impfquote in % 50 80 Bundesweit Bundesweit WBL WBL ÖBL ÖBL 45 70 40 60 Influenza‐Impfquote in % 35 50 30 40 25 20 30 15 20 10 10 5 0 0 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19 2019/20 2020/21 I/2015 I/2016 I/2017 Saison I/2018 I/2019 I/2020 I/2021 Quartal Abb. 8 | Impfquoten für die Pneumokokken-Impfung innerhalb der letzten 6 Jahre bei Vorliegen einer Indikation aufgrund bestehender Grunderkrankungen bei Personen im Alter von mindestens 18 Jahren jeweils zum Ende des ersten Quartals von 2015 bis 2021, bundesweit, westliche (WBL) und östliche Bundesländer (ÖBL). Pneumokokken-Impfquote in % 50 18 – 29 45 30 – 39 40 40 – 49 50 – 59 35 60 – 69 30 70 – 79 25 80 + 20 15 10 5 0 I/2015 I/2016 I/2017 I/2018 I/2019 I/2020 I/2021 Quartal Abb. 9 | Bundesweite Impfquoten für die Pneumokokken-Impfung innerhalb der letzten 6 Jahre bei Vorliegen einer Indikation aufgrund bestehender Grunderkrankungen nach Altersgruppe bei Personen im Alter von mindestens 18 Jahren jeweils zum Ende des ersten Quartals von 2015 bis 2021. cher Gefährdung infolge einer Grunderkrankungen Krankenkassen erklärt. In der vorliegenden Arbeit die Impfung mit dem HZ/su-Totimpfstoff als Indi- wurde vorerst nur die ab dem Jahr 2019 beginnende kationsimpfung. Im März 2019 hat der Gemein Inanspruchnahme der als Standardimpfung emp- same Bundesausschuss die Standard- und Indika fohlenen Impfung bei Personen ab einem Alter von tionsimpfung zur Pflichtleistung der Gesetzlichen 60 Jahren untersucht.
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 12 Bis zum Ende des ersten Quartals 2021 betrug die Impfung Erwachsener soll die Krankheitslast durch bundesweite Impfquote für die erste Impfstoffdosis Pertussis primär bei Erwachsenen und indirekt bei 5,0%, für die zweite 3,3%. Auch auf Ebene der KVen ihren ungeschützten Kontakten, insbesondere bei ist die bisherige Inanspruchnahme sehr gering und Säuglingen, reduzieren. Die Impfempfehlung wur- zeigt zwischen den Regionen relativ wenig Variation de Anfang 2010 in die Schutzimpfungsrichtlinie (Spannweite der Impfquote erste Dosis: 3,1 – 7,7 %: aufgenommen; damit besteht eine generelle Kos- zweite Dosis: 2,0 – 5,1 %). Bundesweit haben 75 % tenübernahme durch die gesetzlichen Krankenver- derjengen, die bis Oktober 2020 die 1. Impfung er- sicherungen.9 halten haben, bis spätestens März 2021 die Impf serie mit der 2. Impfung vervollständigt. Die Inanspruchnahme der Td-Impfungen jeweils innerhalb des 10-Jahresintervalls erfuhr in den Jah- 3.4 Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und ren 2016 – 2020 wenig Änderung. Die Impfquoten Pertussis belaufen sich bundesweit auf 52 – 54 % (Tetanus) Allen Personen ab 18 Jahren wird eine Tetanus(T)- und 51 – 53 %. (Diphtherie), zeigen aber über die Zeit und Diphtherie(d)-Auffrischungsimpfung in einem Anstiege auf sehr kleinem Niveau (s. Abb. 10). Die 10-Jahresintervall empfohlen. Seit 2009 gilt zudem Inanspruchnahme der Pertussis-Impfung ist in den die Empfehlung, bei der nächstfälligen 10-jährli- vergangenen Jahren hingegen deutlich gestiegen, chen Td-Impfung einmalig einen Impfstoff mit zu- die Impfquoten sind jedoch niedriger als die der sätzlicher azellulärer Pertussis-Komponente zu ver- Td-Impfung. Während bis zum Jahr 2016 bundes- wenden.8 Die Impfung kann als Td-Pertussis(Tdap)- weit noch 32,6 % der Erwachsenen innerhalb der Kombinationsimpfung oder bei entsprechender In- vergangenen 10 Jahre eine Pertussis-Impfung erhal- dikation auch als Kombinationsimpfung mit zusätz- ten hatten, betrug die Impfquote 2020 bereits licher Komponente gegen Kinderlähmung (Tdap- 43,7 %. In den WBL sind die Td-Impfquoten im Poliomyelitis) verabreicht werden. Die Pertussis- Zeitraum 2016 – 2020 wesentlich geringer als in Impfquote in % 80 2016 2017 70 2018 60 2019 50 2020 40 30 20 10 0 Tetamis Diphtherie Pertussis Tetamis Diphtherie Pertussis Tetamis Diphtherie Pertussis Bundesweit WBL ÖBL Abb. 10 | Inanspruchnahme von Tetanus-, Diphtherie- und Pertussis-Impfungen innerhalb der vergangenen 10 Jahre bei Personen, die zu Beginn dieses Zeitintervalls mindestens 18 Jahre alt waren, jeweils bundesweit, westliche (WBL) und östliche Bundesländer (ÖBL), 2016 – 2020.
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 13 den ÖBL (WBL: Tetanus 49 – 51 %, Diphtherie 47 – unabhängig vom jeweils bereits bestehenden Impf- 49 %; ÖBL: Tetanus 68 – 70 %, Diphtherie 67 – status und beschreibt den Anteil von nach 1970 ge- 70 %). Auch die Inanspruchnahme der Pertussis- borenen ≥ 18-jährigen Personen, der im jeweiligen Impfung ist in den ÖBL höher. Sie ist zwischen Jahr eine Masern-Impfung in Anspruch genommen 2016 und 2020 aber in beiden Regionen gestiegen hat. Daher erfolgte bei den Bezugspopulationen (WBL: von 27,7 auf 39,5 %; ÖBL: von 50,7 % auf auch kein Abzug der in einem Berichtsjahr geimpf- 64,4 %). ten Personen von den Versichertenzahlen der Folge- jahre. 3.5 Masern-Impfung bei nach 1970 geborenen Erwachsenen Bisherige Auswertungen der KV-Impfsurveillance Die STIKO empfiehlt allen nach 1970 geborenen belegten bereits eine bundesweite Masern-Impfinzi- ≥ 18-Jährigen eine einmalige Impfung gegen Ma- denz von 0,4 % im Zeitraum 2009/10, einen Anstieg sern, wenn sie bisher nicht oder nur einmal in der auf zirka 0,8 % in den ersten Jahren nach Ausspre- Kindheit gegen Masern geimpft wurden oder ihr chen der Impfempfehlung und für die Jahre 2013, Masern-Impfstatus unklar ist.10 Die Empfehlung 2014 und 2016 einen Wert von 1,0 % (s. Abb. 11).12 wurde Ende 2010 in die Schutzimpfungsrichtlinie Im Jahr 2015 lag die Masern-Impfinzidenz bei 1,5 %, aufgenommen und damit Teil des Leistungsum- was auf mehrere Masern-Ausbruchsgeschehen in fangs aller gesetzlichen Krankenkassen.11 Da in der Deutschland zurückzuführen ist. Die Impfinzidenz KV-Impfsurveillance Impfungen nur anhand der liegt in den ÖBL stets unterhalb der Werte der WBL. seit dem Jahr 2004 vorliegenden abgerechneten Die aktuellen Auswertungen zeigen einen Rückgang Impfleistungsdaten identifiziert werden können, der Masern-Impfinzidenz auf 0,8 % im Jahr 2018 und daher Impfungen vor der Implementierung des und einen Anstieg zum Jahr 2019 auf 1,1 %, der sich Systems nicht erfasst werden, berichten wir an die- in 2020 auf einen Wert von 1,9 % fortsetzt. Auch ser Stelle keine Masern-Impfquoten sondern Ma- 2020 liegt die Masern-Impfinzidenz in den WBL mit sern-Impfinzidenzen. Die Masern-Impfinzidenz ist Masern-Impfinzidenz in % 2,5 80 Bundesweit Bundesweit WBL WBL ÖBL ÖBL 70 2,0 60 Influenza‐Impfquote in % 50 1,5 40 1,0 30 20 0,5 10 0 0,0 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19 2019/20 2020/21 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Saison 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Jahr Abb. 11 | Jährliche Masern-Impfinzidenz (Anteil mit einer im jeweiligen Jahr in Anspruch genommenen Masern-Impfung, unabhängig vom Masern-Impfstatus) der nach 1970 geborenen ≥ 18-Jährigen, bundesweit, westliche (WBL) und östliche Bundesländer (ÖBL), 2009 bis 2020.
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 14 2,0 % (Spannweite 1,5 – 2,3 %) über dem Wert in den der nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) gemeldeten ÖBL (1,3 %; Spannweite 1,2 – 1,5 %) (s. Tab. 1). und dem RKI übermittelten FSME-Erkrankungen jährlich neu eingeschätzt.13 Die Mehrzahl (97 %) der 3.6 Impfung gegen FSME bei 2020 gemeldeten FSME-Erkrankten war gar nicht Erwachsenen in Risikogebieten oder unzureichend geimpft.14 Ein hoher Anteil der Die Impfung gegen FSME wird von der STIKO al- auftretenden FSME-Erkrankungen könnte also len Personen in FSME-Risikogebieten empfohlen. durch eine Steigerung der Impfquoten insbesonde- Als FSME-Risikogebiete werden Endemiegebiete re in Risikogebieten mit hoher FSME-Inzidenz ver- der FSME deklariert, in denen ein Erkrankungsrisi- hindert werden. Für die Bewertung der Impfquoten ko für Personen mit Zeckenexposition besteht, das wurden vollständige Impfserien zugrunde gelegt. nach einer Übereinkunft von Fachleuten präventive Die Grundimmunisierung gegen FSME erfolgt mit Maßnahmen begründet. Das FSME-Erkrankungs 3 Impfstoffdosen. Auffrischungsimpfungen sind al- risiko wird anhand der kreisbezogenen Inzidenz tersabhängig in der Regel nach 3 bzw. 5 Jahren fällig. 90,0 – 100,0 80,0 – 89,9 70,0 – 79,9 60,0 – 69,9 50,0 – 59,9 40,0 – 49,9 30,0 – 39,9 20,0 – 29,9 10,0 – 19,9 0,0 – 9,9 kein Risikogebiet Abb. 12 | FSME-Impfquoten von Personen ab einem Alter von 18 Jahren aus FSME-Risikogebieten nach Kreisregion, 2019. Dargestellt sind die Bundesländer, für die im Jahr 2019 Risikogebiete ausgewiesen waren (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Thüringen). Impfquoten in Prozent.
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 15 FSME-Impfquote in % 50 2013 2014 45 2015 40 2016 35 2017 2018 30 2019 25 20 15 10 5 0 Baden- Württemberg Bayern Hessen Nieder- sachsen Rheinland- Pfalz Saarland Sachsen Thüringen Abb. 13 | FSME-Impfquoten von Personen ab einem Alter von 18 Jahren aus FSME-Risikogebieten nach Bundesland, 2013 – 2019. Ab dem Jahr 2014 erstes deklariertes Risikogebiet in Sachsen, ab dem Jahr 2019 erstes Risikogebiet in Niedersachsen. FSME-Impfquote in % 50 Thüringen 45 Bayern 40 Baden-Württemberg 35 übrige Bundesländer mit Risikogebieten 30 25 20 15 10 5 0 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 + Alter in Jahren Abb. 14 | FSME-Impfquoten von Personen ab einem Alter von 18 Jahren aus FSME-Risikogebieten nach Alter und Bundesland, teilweise zusammengefasst (zusammengefasste Bundesländer: Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen), 2019.
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 16 Die Daten der KV-Impfsurveillance weisen die FSME- 4. Diskussion Impfquoten der Bundesländer jeweils beschränkt Im vorliegenden Beitrag werden die bisher berich- auf die als Risikogebiet eingestuften Kreisregionen teten Daten zur Inanspruchnahme aller für Erwach- aus. Insgesamt bestehen zwischen den 161 Risikoge- sene empfohlenen Routineimpfungen weiter fort- bieten des Jahres 2019 große Unterschiede bezüg- geschrieben. Diese Auswertungen mithilfe der KV- lich der Impfquoten, die bei Personen ab einem Al- Abrechnungsdaten bieten damit ein umfassendes ter von 18 Jahren zwischen 7,7 % und 38,6 % liegen und aktuelles Bild des Impfgeschehenes in der Er- (s. Abb. 12). In den Jahren 2013 – 2019 ist die FSME- wachsenenbevölkerung in Deutschland. Impfquote in den Bundesländern entweder recht konstant geblieben (Baden-Württemberg: 15 – 16 %; Die Impfquoten der Influenza-Standardimpfung Rheinland-Pfalz: 13 %), leicht gefallen (Bayern: von waren lange Zeit rückläufig oder stagnierten. In den 22 % auf 20 %; Thüringen: von 33 % auf 30 %) oder jüngeren Saisons ist die Inanspruchnahme nun etwas gestiegen (Hessen: von 15 % auf 17 %; Saar- wieder angestiegen. Gleichwohl wird die Impfung land: von 5 % auf 9 %) (s. Abb. 13). Für Sachsen wur- von Personen ab einem Alter von 60 Jahren noch de erstmals 2014 ein Risikogebiet ausgewiesen, in immer unzureichend in Anspruch genommen. Die dem die Impfquote zunächst 13 % betrug und bis EU hat in einer Resolution das Ziel definiert, dass 2017 auf 23 % anstieg. Im Jahr 2018 kamen 3 weite- bereits bis zum Jahr 2015 in allen Mitgliedstaaten re Risikogebiete in Sachsen hinzu, und die Impf- unter älteren Personen eine Influenza-Impfquote quote für alle Risikogebiete Sachsens zusammen von mindestens 75 % erreicht werden soll.15 Diese war niedriger als die des bisherigen einzelnen säch- Zielvorgabe ist auch im Nationalen Impfplan für sischen Kreises (2019: 17 %). In Niedersachsen wur- Deutschland entsprechend übernommen.16 Doch de erstmalig 2019 eine Region als FSME-Risikoge- nach wie vor werden diese Zielvorgaben in Deutsch- biet deklariert; hier beträgt die Impfquote zunächst land bisher von keinem Bundesland und in keiner 10 %. Altersgruppe der älteren Erwachsenen erreicht. Der beobachtete Anstieg zur Saison 2018/19 hat sich In Abbildung 14 sind die Impfquoten der FSME- auch 2019/20 und insbesondere 2020/21 fortge- Risikogebiete im Altersquerschnitt für die beiden setzt – und zwar sowohl bei der Standardimpfung Bundesländer mit dem Großteil der Risikogebiete als auch bei den Indikationsimpfungen. Zum einen (Bayern, Baden-Württemberg) sowie für Thüringen hatte vermutlich die STIKO-Empfehlung für einen (einziges Bundesland mit ausgeprägtem steigen- quadrivalenten Impfstoff, die erstmals in Saison dem Trend) jeweils separat dargestellt und für alle 2018/19 zum Tragen kam, zu einer verstärkten Auf- übrigen Bundesländer, für die Risikogebiete dekla- merksamkeit und Nachfrage geführt.17 Zum ande- riert sind, zusammengefasst. In nahezu allen Bun- ren war die vorherige Saison 2017/18 eine unge- desländern ist die Impfquote bei den sehr jungen wöhnlich schwere Influenzasaison,18 so dass die Ak- Erwachsenen am höchsten (Ausnahme Thüringen zeptanz für die Impfung in der Folgesaison höher mit noch höheren Werten bei den Senioren). Bis war und damit die Inanspruchnahme stieg. Das zum Alter von rund 30 Jahren ist ein Abfallen der Impfgeschehen für die Influenzasaison 2020/21 Impfquote zu beobachten, bevor sie bis zum Alter hatte seinen Beginn im Herbst und verlief damit im von mindestens 40 Jahren zunächst erneut ansteigt. Zeitraum der COVID-19-Pandemie in Deutschland. In Thüringen zeigt sich dabei ein starker Anstieg bis Die erhöhte Inanspruchnahme ist womöglich auf ins hohe Alter. Mit 60 Jahren fällt in allen Bundes- eine erhöhte Sensibilität für einen Impfschutz auch ländern die Impfquote über einen Bereich von we- vor nicht-pandemiebedingten respiratorischen In- nigen Altersjahren ab. Dies ist auf die Anwendung fektionserkrankungen zurückzuführen. Obwohl die des kürzeren Auffrischungsintervalls in den Auswer- Influenza-Impfung für Personen im Alter ab 60 Jah- tungsdefinitionen für ausreichend geimpft (3 statt ren empfohlen ist, wird ein großer Zuwachs der 5 Jahre ab einem Alter von 60 Jahren) zurückzufüh- Impfquote erst von der Altersgruppe der 60 – 69- ren. Bei über 60-Jährigen zeigt sich ein weiterer An- Jährigen hin zu 70 – 79-Jährigen beobachtet. Zwar stieg der Impfquote, die in sehr hohem Alter dann könnte der große Unterschied zwischen diesen bei- in allen Bundesländern wieder rückläufig ist. den Altersgruppen auch darin begründet sein, dass
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 17 betriebliche Impfleistungen nicht in den Abrech- me zudem mit dem Alter der Schwangeren, die mit nungsdaten der KVen erfasst werden und somit der 30 Jahren und älter höhere Impfquoten aufweisen Altersbereich bis ca. 65 Jahren einer Untererfassung im Vergleich zu jüngeren Schwangeren. von Influenza-Impfungen unterliegt. Dem steht je- doch entgegen, dass bei Betrachtung der Impfquo- Die Impfquoten der Pneumokokken-Standard- ten für einzelne Altersjahre statt Altersgruppen kein impfung fallen im Vergleich zur Influenza-Imp- Sprung im Anstieg der Impfquote im Bereich um fung wesentlich niedriger aus, wie ein Vergleich das Renteneintrittsalter zu verzeichnen ist (Daten der analysierten Altersgruppen der 60 – 67-Jähri- nicht gezeigt). gen (Pneumokokken) und 60 – 69-Jährigen (In- fluenza) zeigt. Die Inanspruchnahme der Pneu- In den korrespondierenden Altersgruppen der Per- mokokken-Impfung ist in den ersten Altersjah- sonen mit einer Indikation für eine Influenza-Imp- ren des empfohlenen Impfalters vergleichsweise fung aufgrund bestehender Grunderkrankungen gering. Erst mit 70 Jahren steigen die Werte deut- sind die Impfquoten höher als bei allen ≥ 60-jähri- lich an auf 25 % und mehr. Auch die Impfquoten gen Personen, die eine Influenza-Impfung erhalten der Pneumokokken-Indikationsimpfung sind we- haben. Dennoch erreicht selbst in der Saison sentlich geringer als die Werte der Influenza-Indi- 2020/21, die die höchste Impfquote seit 7 Jahren kationsimpfung. Sie liegen bei den ≥ 18-Jährigen je verzeichnet, die Influenza-Indikationsimpfung in nach Saison um das zwei- bis dreifache unter den keiner Altersgruppe Werte, die sich der 75 %-Ziel- Werten der Influenza-Indikationsimpfung. Der vorgabe der EU annähern. Insgesamt sind in allen Sprung der Impfquote von der Gruppe der 50 – 59- untersuchten Saisons weniger als die Hälfte der Jährigen zu den 60 – 69-Jährigen ist besonders aus- ≥ 18-Jährigen mit gesundheitlicher Impfindikation geprägt und liegt beim ca. Dreifachen. Offenbar ist gegen die saisonale Influenza geimpft. Ein wesent- auch dieser Unterschied in der dann vorliegenden licher Sprung der Impfquote ist hier zur Altersgrup- doppelten Indikation für eine Pneumokokken-Imp- pe der 60 – 69- sowie dann zur Gruppe der 70 – 79- fung begründet. In den Altersgruppen ab 80 Jahren Jährigen zu beobachten. Sehr wahrscheinlich be- sinkt die Impfquote dann wieder. Da die im vorlie- ruht dies auf dem Vorliegen der doppelten Impfindi- genden Beitrag berechnete Impfquote der Indika- kation aus sowohl gesundheitlichen als auch alters tions-Impfung die Inanspruchnahme innerhalb der bedingten Gründen. Ein bundesweiter Survey zur jeweils vergangenen 6 Jahre beschreibt, ist zu ver- Untersuchung von Impfquoten bei Erwachsenen muten, dass in vielen Fällen der Eintritt in den für mit impfrelevanten Grunderkrankungen identifi- die Standardimpfung empfohlenen Altersbereich zierte ebenfalls wesentlich geringere Impfquoten in Anlass zur Pneumokokken-Impfung ist, die emp- der Gruppe der 18 – 59-Jährigen im Vergleich zu Per- fohlenen Wiederholungsimpfungen dann aber oft- sonen ab einem Alter von 60 Jahren.19 In dem Sur- mals nicht mehr wahrgenommen werden. vey konnten die individuelle Wahrnehmung von Impfeffektivität und Schwere einer Influenza- Auch die Impfquoten der Pneumokokken-Impfung Erkrankung sowie das wahrgenommene Risiko, an sind in jüngerer Zeit angestiegen, die der Indika einer Influenza mit schwerem Verlauf zu erkranken, tionsimpfung bereits ab Quartal I/2017. Der Anstieg als mit der Entscheidung für oder gegen eine Imp- der Inanspruchnahme der Pneumokokken-Imp- fung assoziierte Hauptfaktoren identifiziert werden. fung in Quartal I/2019 in allen Altersgruppen setzte sich auch in Quartal I/2020 mit einer deutlichen Die seit Saison 2017/18 beobachtete flächendecken- Erhöhung fort. Insbesondere in Quartal I/2020 gab de Zunahme der Impfquote bei Frauen mit Impfin- es aufgrund der COVID-19-Pandemie eine verstärk- dikation Schwangerschaft setzte sich auch in der te Nachfrage nach Pneumokokken-Impfstoffen, um jüngsten Saison 2020/21 fort und zeigt, dass diese Ko-Infektionen mit SARS-CoV-2 und einer Überlas- Empfehlung weiter in die öffentliche Wahrneh- tung der Krankenhäuser durch Patientinnen und mung rückt. Trotzdem bleibt die Inanspruchnahme Patienten mit schweren Atemwegsinfektionen vor- insgesamt unzureichend. Neben beträchtlichen re- zubeugen. Dies hatte schließlich zu einer Impfstoff- gionalen Unterschieden variiert die Inanspruchnah- verknappung geführt.20 Die STIKO verweist in ihren
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 18 Handlungshinweisen zum Impfen bei einge- dieselben jährlichen Hauptmonate der Inanspruch- schränkter Verfügbarkeit von Impfstoffen auf eine nahme beider Impfungen konnten mit den Daten mögliche Priorisierung von zu impfenden Perso- der KV-Impfsurveillance belegt werden (Daten nengruppen mit dem höchsten Risiko für schwere nicht gezeigt). Die höhere Inanspruchnahme der Verläufe einer Pneumokokken-Infektion.21 Die Ver- Influenza-Impfung in den Saisons 2018/19 und fügbarkeit des überwiegend empfohlenen Impfstof- 2019/20 wirkte sich damit offenbar auch positiv auf fes war bis August 2021 eingeschränkt. Während bis die Inanspruchnahme der zu diesen Zeiten verfüg- zum jüngsten Berichtszeitpunkt Quartal I/2021 bei baren Pneumokokken-Impfung aus. den Pneumokokken-Impfquoten der Standardimp- fung ohne Vorliegen einer Indikation ein leichter Die Impfquote der von der STIKO empfohlenen Anstieg beobachtet werden kann, fallen hingegen Herpes-zoster-Impfung ist in allen KV-Regionen die Werte der Indikationsimpfung im letzten Aus- noch sehr gering. Die Ergebnisse spiegeln die Impf wertejahr ab. Die Lieferengpässe scheinen ein mög- inanspruchnahme nur innerhalb der ersten zwei licher Grund für den Rückgang der Impfquote zu Jahre seit genereller Kostenübernahme durch die sein: Bei notwendiger Priorisierung von Impfungen Krankenkassen wider. In Sachsen mit einer seit län- könnten bisher noch nicht geimpfte Personen eher gerer Zeit bestehenden Herpes-zoster-Impfempfeh- eine Erstimpfung erhalten haben und Wiederho- lung sind die Impfquoten zwar leicht höher als in lungsimpfungen eventuell zurückgestellt worden anderen Regionen, es könnte sich bei den aus- sein. Die Impfquote der Standardimpfung steigt schließlich ab dem Jahr 2019 in die Analysen einge- durch zusätzliche Inanspruchnahme schneller, da schlossenen Impfleistungen insbesondere in Sach- hier bereits eine einmalige Impfstoffdosis zu einem sen zusätzlich aber auch um von der STIKO explizit als vollständig erachteten Impftsatus führt. Im nicht empfohlene Lebendimpfstoffe handeln. Mit Gegensatz dazu muss bei der Indikationsimpfung Lebendimpfstoff durchgeführte Impfleistungen las- für einen vollständigen Impfstatus spätestens alle sen sich in den Abrechnungsdaten nicht eindeutig 6 Jahre gegen Pneumokokken geimpft werden. vom empfohlenen Totimpfstoff differenzieren. Werden fällige Wiederholungsimpfungen nicht in Auch wenn nach eigenen Auswertungen bundes- Anspruch genommen, kann die Impfquote weiter Abrechnungsdaten aus Apothekenrechen- absinken. Ergebnisse von Bevölkerungssurveys zur zentren der Lebendimpfstoff 2019 nur noch in sehr Akzeptanz von Maßnahmen zur Eindämmung der geringen Mengen verordnet wurde, betrug in Sach- COVID-19-Pandemie deuteten darauf hin, dass mit sen der Anteil von Lebendimpfstoffdosen an allen Kontaktbeschränkungen ein Rückgang von Kontak- verordneten Herpes-zoster-Impfstoffdosen in Quar- ten zu Ärztinnen und Ärzten einherging.22 Daher tal I/2019 noch etwa 20 % (bundesweit 6 %) und lässt sich auch spekulieren, dass aufgrund eines er- ging ab Quartal II/2019 auf unter 1 % (bundesweit höhten Komplikatonsrisikos bei einer COVID-19- ebenso) zurück. Von Mitte 2019 bis April 2021 gab Erkrankung insbesondere Personen mit impfrele- es zudem Lieferengpässe für den empfohlenen vanten Grunderkrankungen in Pandemiezeiten ih- Impfstoff.20 Die STIKO verweist in ihren Hand- ren Arzt oder ihre Ärztin seltener aufgesucht hatten lungshinweisen zum Impfen bei eingeschränkter und es somit zu einer verspäteten oder gar ausblei- Impfstoffverfügbarkeit darauf, dass zunächst die benden Aktualisierung des individuellen Pneumo- Vervollständigung einer begonnenen Impfserie kokken-Impfstatus kam. Dem sei jedoch die in Sai- Vorrang haben sollte und neue Impfserien nur be- son 2020/21 erhöhte Influenza-Impfquote bei be- gonnen werden sollten, wenn die Gabe der zweiten stehender Indikation aufgrund vorliegender Grund Impfstoffdosis sichergestellt ist.23 Offenbar konnte erkrankungen gegenübergestellt, bei der ein im dies nicht ausreichend umgesetzt werden, denn nur Vergleich zur Vorsaison wesentlich höherer Wert drei Viertel derjenigen Personen, die die erste Imp- festgestellt werden konnte. fung in Anspruch genommen und in den Analysen mindestens 6 Monate Zeit für die Vervollständi- Generell wird die Inanspruchnahme der Influenza- gung des Impfschutzes hatten, haben bereits die Impfung auch dazu genutzt, den Pneumokokken- zweite Dosis erhalten. Sowohl die erst kurze Zeit- Impfstatus zu aktualisieren. Die Saisonalität und spanne der Empfehlung als auch die Lieferengpässe
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 19 dürften zur noch sehr geringen Inanspruchnahme setzung der neuen Empfehlung ist für den Folge beigetragen haben. Daher können die Analysen nur bericht im kommenden Jahr vorgesehen. erste Basisdaten liefern, auf deren Grundlage die zukünftige Entwicklung der Inanspruchnahme Die jährliche Masern-Impfinzidenz bei nach 1970 noch nicht gut abzuschätzen ist. geborenen ≥ 18-Jährigen stieg nach dem Ausspre- chen der STIKO-Empfehlung zur Masern-Impfung Bundesweit hatte nur gut die Hälfte der untersuch- Erwachsener zunächst langsam an, erreichte im ten Erwachsenen jeweils in den Jahren 2016 – 2020 Ausbruchsjahr 2015 dann sprunghaft einen Wert einen aktuellen Td-Impfstatus mit einer Impfung in von 1,5 % und war danach bis 2018 wieder rückläu- den vergangenen 10 Jahren. Während die 10-Jahres- fig. Positiv zu werten war darum die zunächst beob- Impfquote für Diphtherie in der Größenordnung achtete Zunahme im Jahr 2019, die nicht mit Aus- anderer Erhebungen lag, betrug die 10-Jahres-Impf- bruchsgeschehen in Zusammenhang gebracht wer- quote für Tetanus rund 20 Prozentpunkte weni- den kann. Möglicherweise hatten die öffentliche ger.24,25 Vermutlich spiegelt diese zu niedrig erschei- Diskussion zum Thema Masern-Impfpflicht und nende Tetanus-Impfquote eine Limitierung der eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit zu einer stär- (ambulanten) Abrechnungsdaten der KVen wider, keren Inanspruchnahme der Masern-Impfung bei wonach Daten zu Impfleistungen, die im stationä- nach 1970 geborenen Erwachsenen geführt. Anfang ren Bereich und in Notaufnahmen verabreicht wer- 2020 trat das Masernschutzgesetz in Kraft, welches den, in der KV-Impfsurveillance nicht übermittelt den Nachweis des Masernschutzes bei Personen in werden. Dies bedingt eine Untererfassung von ge- Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen re- rade in diesen Bereichen eingesetzten Tetanus-Imp- gelt.29 Sehr wahrscheinlich bedingte die neue Geset- fungen. Seit jüngerer Zeit sind Tetanus-Impfstoffe zesregelung die erhöhte Inanspruchnahme der Ma- nicht mehr als monovalente Präparate verfügbar, sern-Impfung, denn im selben Jahr zeigt sich ein werden als Kombinationsimpfstoff verabreicht und starker Anstieg der Impfinzidenz auf das höchste in sind als solche abrechnungsfähig.26 Mit den Analy- den vergangenen 12 Jahren festgestellte Niveau. sen zur Inanspruchnahme der Pertussis-Impfung konnte die KV-Impfsurveillance Daten zur Überprü- Im Gegensatz zu den bei Erwachsenen in den ÖBL fung der Impfempfehlung für eine einmalige Per- höheren Impfquoten der meisten Impfungen ver- tussis-Impfung im Erwachsenenalter durch die hält es sich bei der Masern-Impfinzidenz anders he- STIKO bereitstellen.27 Wie im Falle der Td-Impfun- rum. Aufgrund der damaligen Masern-Impfpflicht gen war die Inanspruchnahme in den ÖBL höher im Kindesalter in der ehemaligen DDR besteht im als in den WBL. Dieser Unterschied lässt sich am Vergleich zu WBL in den ÖBL nun für einen wesent- ehesten durch eine nachhaltig vorherrschende, un- lich kleineren Anteil der nach 1970 geborenen Er- terschiedliche generelle Akzeptanz von Routine wachsenen ein aktueller Nachholbedarf an M asern- impfungen erklären. Die Pertussis-Impfquote ist Impfungen. Dies spiegelt sich in einer niedrigeren seit dem Untersuchungsjahr 2016 stetig gestiegen. Impfinzidenz in ÖBL wider. Gestützt wird dies So war bundesweit zunächst ein Drittel aller Er- durch Daten zu Impfquoten bei Erwachsenen in wachsenen in den letzten 10 Jahren gegen Pertussis WBL und ÖBL aus anderer Quelle.25 Nach Mess geimpft worden, während mit Stand 2020 über daten von Masern-spezifischen IgG-Antikörpern als 40 % einen aktuellen Impfstatus aufwiesen. Damit Surrogat für eine erfolgreiche Impfung bzw. vorlie- liegt die Impfquote im Vergleich zu den Ergebnis- gende Immunität wiesen bundesweit rund 15 % der sen eines früheren bundesweiten Surveys aus dem nach 1970 geborenen Erwachsenen im Zeitraum Jahr 2013 um das Sechsfache höher.24 Die Pertussis 2008 – 2011 keine Antikörper auf und hätten damit impfempfehlung bei Erwachsenen wird damit zu- ggf. Bedarf für eine Masern-Impfung gehabt.30 Es nehmend besser – wenn auch noch nicht im wün- liegen aber weder aktuelle Daten zur Seroprävalenz schenswerten Umfang – umgesetzt. Seit 2020 emp- Masern-spezifischer Antikörper in der Bevölkerung fiehlt die STIKO zusätzlich die Pertussisimpfung in vor, noch lassen sich Impfquoten oder Masern- der Schwangerschaft.28 Eine Auswertung zur Um- Krankheitsinzidenzen aus der Kindheit der betrof- fenen Altersgruppe ermitteln.
Epidemiologisches Bulletin 50 | 2021 16. Dezember 2021 20 Der FSME-Impfstatus wurde in den Datenanalysen Abrechnungsquartals zur Auswertung an das RKI unter Berücksichtigung der Vollständigkeit und der übermittelt. Abhängig von der Impfung kann eine zeitgerechten Auffrischung bewertet. Es konnte ge- Datenfortschreibung mit einem oder mehreren zeigt werden, dass nicht nur große Unterschiede Quartalen über den Beobachtungszeitraum hinaus der Impfquoten zwischen den Regionen der Bun- für die Generierung der Studienpopulationen in desländer mit einem FSME-Risiko bestehen, son- den Datenanalysen notwendig sein. Für die vorlie- dern auch erhebliche altersgemäße Schwankungen gende Auswertung war daher eine Datenfortschrei- des FSME-Impfschutzes vorherrschen. So haben bung bis mindestens zum Quartal I/2021 erforder- junge Erwachsene einen nur mäßigen Schutz, der lich, woraus sich die Aktualität des Berichtszeit- im Vergleich mit höheren Altersgruppen in den raums der jeweiligen Impfung ergibt. meisten Bundesländern mit FSME-Risikogebieten aber noch recht hoch ausfällt. Thüringen bildet hier Datenanalysen und Definitionen eine Ausnahme und ist das einzige untersuchte von Impfserien Bundesland, in dem der FSME-Impfschutz bei Er- Die Methoden zur Datenaufbereitung und -analyse wachsenen mit dem Alter auf ein vergleichsweise wurden an anderer Stelle bereits ausführlich be- hohes Niveau ansteigt. Um Erkrankungen zu ver- schrieben.2 hindern, ist eine hohe Impfquote gerade bei Er- wachsenen besonders wichtig, da lediglich 5 – 10 % aller übermittelten FSME-Fälle bei Kindern < 15 Jah- ren auftreten und die Inzidenz ab dem Alter von 40 Jahren deutlich ansteigt.31 Zudem haben ältere Men- schen bei einer FSME-Infektion ein deutlich höhe- res Risiko als Kinder, schwer zu erkranken und blei- bende Komplikationen zu erleiden.32,33 Unsere De- finitionen für zeitgerechte Auffrischungsimpfun- gen in den Berechnungen der FSME-Impfquoten orientierten sich eng an den nötigen Auff rischungs- intervallen gemäß Herstellerangaben. Titerbestim- mungen von anti-FSME-Antikörpern und Modellie- rungen deuten jedoch darauf hin, dass nach der Auffrischungsimpfung nach erfolgter Grundim- munisierung neutralisierende Antikörper über ei- nem Zeitraum von 10 Jahren und mehr persistie- ren, so dass ein hoher Schutz vor einer Erkrankung auch bei verspäteten Auffrischimpfungen erwartet werden kann.34,35 5. Methoden Datenvollständigkeit und Berichtszeitraum Für die Auswertungen wurden Abrechnungsdaten der KVen aus der KV-Impfsurveillance der Jahre 2008 – 2021 herangezogen. Die administrativen Be- reiche der KV-Regionen decken sich mit den Bun- desländern (Ausnahme: Nordrhein-Westfalen wird über die zwei KV-Regionen Nordrhein und West falen-Lippe abgedeckt). Von den KVen werden die quartalsweisen Abrechnungsdaten mit einem Zeit- verzug von 2 – 3 Quartalen nach Ende des jeweiligen
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