In der Pillen-Falle Schmerzmittel-bedingte Kopfschmerzen

 
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Artikel zu: Schmerzmittel-bedingte Kopfschmerzen: In der Pillen-Falle - Gesundheit | STERN.DE               3/7/10 5:16 PM

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    Schmerzmittel-bedingte Kopfschmerzen:

    In der Pillen-Falle
    Wer zu oft Tabletten gegen Kopfschmerzen schluckt, kann genau deswegen noch mehr
    Schmerzen bekommen. Das klingt paradox - ist aber traurigerweise wahr. Immer mehr Menschen
    geraten so in einen Teufelskreis: Sie werden abhängig von den Medikamenten.

                                            Wenn der Schädel brummt, greifen viele Betroffene erst einmal zur
                                            Selbsthilfe. Es gibt ja genug Mittel aus der Apotheke. Das ist in
                                            Ordnung. Doch etwa ein Prozent der Deutschen nimmt täglich
                                            Tabletten gegen den Schmerz, teilweise bis zu zehn Stück. Dann
                                            wird es gefährlich. "Geschieht das regelmäßig über einen längeren
                                            Zeitraum", sagt Hartmut Göbel, Schmerzexperte aus Kiel, "besteht
                                            die Gefahr, dass die Kopfschmerzen durch den Arzneimittel-
     Tabletten: Wo liegt die Grenze
     zwischen gut und gefährlich?           Missbrauch verstärkt werden. Im schlimmsten Fall entstehen
     © Philipp Gülland                      chronische Dauerkopfschmerzen."

    Wie viele Pillen sind noch in Ordnung?
    Die meisten Fachleute meinen: Wer in einem Monat an zehn Tagen oder mehr durchgängig
    Schmerzmittel einnimmt, ist in Gefahr. Und zwar unabhängig von der verwendeten Anzahl der
    Tabletten oder deren Dosierung. Dann können sich Kopfschmerzen entwickeln, deren Ursache die
    Medikamente selbst sind: so genannte Schmerzmittel-bedingte Kopfschmerzen oder
    Medikamenten-induzierte Kopfschmerzen.

    In Prinzip kann jedes Schmerzmittel Kopfschmerzen verursachen, wenn Sie es zu häufig
    einnehmen. Noch bedenklicher wird es, wenn Sie gleichzeitig noch andere Medikamente
    verwenden, die auf die Nervenzellen des Gehirns einwirken, wie zum Beispiel Beruhigungsmittel
    oder Schlaftabletten.

    Wie bei einer Sucht gewöhnt sich das Gehirn an die Substanz
    Durch Arzneimittel verursachte Kopfschmerzen entstehen, weil zwei Faktoren fatal zusammen
    wirken:

          die permanente Angst der Betroffenen vor der nächsten Schmerzattacke und
          die biologischen Veränderungen in jenem Teil des Nervensystems, der Schmerzreize
          verarbeitet.

    Setzen die Gequälten die Schmerzmittel ab, stellt sich Kopfschmerz ein. Schnell nehmen sie
    erneut Medikamente, aus Angst vor der Pein. Gleichzeitig wirken die Präparate immer schlechter,
    weil sich die körpereigenen Schmerzregler schon auf die chemischen Substanzen eingestellt
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    weil sich die körpereigenen Schmerzregler schon auf die chemischen Substanzen eingestellt
    haben. Die Folge: Die Betroffenen erhöhen die Dosis - aber auch daran gewöhnt sich der Körper.
    Dieses Phänomen ist von Medikamenten-Abhängigen und Drogensüchtigen hinlänglich bekannt.

    Entzug ist der einzig verbleibende Ausweg
    Es gibt nur einen Ausweg, der Aussicht auf Erfolg hat: der Entzug. Sie sollten die Schmerzmittel
    radikal absetzen und eine Pause von zwei bis acht Wochen durchstehen. Das können Sie sowohl
    ambulant als auch in einer Klinik machen. Weil Sie unter massiven Entzugserscheinungen leiden
    könnten, empfehlen Experten, unter ärztlicher Aufsicht zu pausieren. Wenn Sie den Entzug zu
    Hause machen, dann sollten sie sich von spezialisierten Schmerz-Therapeuten beraten lassen.
    Oder Sie suchen eine spezialisierte Kopfschmerz-Klinik auf.

    Zu den Entzugserscheinungen zählen unter anderen starke Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen,
    Fieber, Schwindelgefühle, Herzrasen und Halluzinationen.

    Symptome
    Es ist schwierig, einen Kopfschmerz, der durch Schmerzmittel verursacht wird, von dem
    ursprünglich vorhandenen Kopfchmerz zu unterscheiden: Die Symptome sind relativ ähnlich.
    Zudem wechseln Kopfschmerzen, die durch Medikamente entstehen, oft zwischen dem
    Symptombild der Migräne und dem des Spannungs-Kopfschmerzes hin und her. Auch
    Mischformen sind möglich. Es schmerzt kontinuierlich stärker und häufiger, bis ein täglicher
    Dauerkopfschmerz entsteht.

    Qual vom Aufstehen bis zum Schlafengehen
    Ob Sie schon einen Schmerzmittel-induzierten Kopfschmerz haben oder noch einen natürlich
    bedingten, lasst sich häufig schlecht auseinanderhalten. Haben Sie schon jahrelang regelmäßig
    hohe Dosen Schmerzmittel eingenommen, haben Sie ein hohes Risiko, dass Ihre Kopfschmerzen
    von den Medikamenten herrühren.

    Etwa 80 Prozent der Betroffenen entwickeln nach mehreren Jahren einen täglichen
    Dauerkopfschmerz, der sie vom Aufwachen bis zum Schlafengehen begleitet. In vielen Fällen führt
    der Medikamentenmissbrauch zusätzlich zu Magenproblemen, Blutarmut sowie Nieren- oder
    Nervenschäden.

    Fachleute können solche Patienten, die Schmerzmittel seit Jahren missbrauchen, deshalb oft
    schnell erkennen: Die Menschen sehen häufig bleich aus, ihr Gesicht wirkt fahl, graue
    Augenränder verstärken den Eindruck. Die Lippen erscheinen blass, die Haut welk. Für eine
    sichere Diagnose reicht dieses äußere Erscheinungsbild aber keinesfalls aus.

    Diagnose
    Grundsätzlich kann jedes Mittel gegen Kopfschmerzen selbst Kopfschmerzen auslösen - wenn es
    zu oft eingenommen wird. Sogar gängige Substanzen wie Acetyl-Salicyl-Säure (ASS), besser
    bekannt als Aspirin, oder Paracetamol sind davon nicht ausgenommen.

    Ob ein Medikamenten-bedingter Kopfschmerz vorliegt, können Sie mit Sicherheit nur feststellen,
    indem sie die Arzneistoffe absetzen: über mindestens zwei Wochen, besser sind acht Wochen.
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    indem sie die Arzneistoffe absetzen: über mindestens zwei Wochen, besser sind acht Wochen.
    Leiden Sie anschließend weniger unter Kopfschmerzen oder unter Ihrem früher üblichen Schmerz-
    Muster, dann hat es sich um einen Schmerzmittel-Kopfschmerz gehandelt.

    Wenn Sie noch keine Pause gewagt haben, überprüfen Sie, wie lange und regelmäßig Sie solche
    Arzneien schon nehmen. Fachleute sehen die Grenze bei zehn Tagen oder mehr pro Monat,
    unabhängig von der verwendeten Dosis.

    Besondere Gefahr lauert bei Kombinationspräparaten. Sie enthalten gleich mehrere Wirkstoffe auf
    einmal, häufig auch Koffein. Studien der neurologischen Universitätsklinik Kiel belegen, dass
    gerade solche Tabletten für die größte Anzahl der Fälle von Medikamenten-bedingten
    Dauerkopfschmerzen verantwortlich sind.

    Analysieren Sie Ihre Symptome genau
    Spannungs-Kopfschmerzen und Migräne fühlen sich ein wenig anders an als der Kopfschmerz,
    der durch Medikamente entsteht. Checken Sie Ihre Symptome anhand der nachfolgenden Listen -
    vielleicht kommen Sie dem Übel ja auf die Spur.

    Spannungskopfschmerz hat folgende Charakteristiken:

          Er kann auftreten am ganzen Kopf, am Hinterkopf, an der Scheitelregion und der Stirn,
          er kann mehrere Stunden bis zu einem Tag lang andauern,
          er tritt gelegentlich bis täglich auf,
          die Beschwerden sind leicht bis mittel stark,
          er fühlt sich dumpf und drückend an,
          es gibt kaum Begleiterscheinungen wie Übelkeit,
          ausgelöst wird er zunächst durch Stress oder Wetterwechsel, wenn er chronisch ist, stellt er
          sich auch ohne Auslöser ein.

    Migräne hat diese Merkmale:

          Sie tritt überwiegend einseitig auf,
          dauert 4 bis 72 Stunden an,
          tritt etwa ein bis sechs Mal pro Monat auf,
          sie fühlt sich pulsierend, hämmernd, pochend an,
          sie ist häufig verbunden mit Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit,
          Alkohol, Stress und Hormonschwankungen lösen sie aus,
          auch Wochenenden sind beliebte Auslöser,
          den Migräneanfall lindern Ruhe und Dunkelheit.

    Kopfschmerz, der durch Medikamente entsteht, hat diese Kennzeichen:

          Er betrifft den ganzen Kopf, ist meist beidseitig,
          wenn er einseitig auftritt, wechselt er ab und an die Seite,
          die Beschwerden treten mindestens einige Stunden am Tag auf. Ganze 80 Prozent der

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          Betroffenen haben den Kopfschmerz als ständigen Begleiter - vom Aufstehehn bis zum
          Schlafengehen.
          Über die Hälfte leidet an einem dumpf-drückenden Kopfschmerz. Bei den Restlichen hat der
          Schmerz einen pulsierenden Charakter oder eine Mischform aus beiden Symptomen.
          Auch Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit sind dabei möglich.
          Zudem werden häufig Begleiterscheinungen wie Schwindel, Konzentrationsstörungen,
          Vergesslichkeit oder Müdigkeit beschrieben.
          Der Schmerz imitiert anfänglich den zugrunde liegenden Kopfschmerz, zum Beispiel die
          Migräne.

    Therapie
    Um den Kopfschmerz loszuwerden, müssen Sie aufhören, Schmerzmittel einzunehmen. Es nützt
    nichts, nur die Dosis zu verringern oder die Medikamente seltener zu schlucken. Nur eine absolute
    Pause hilft. Sie sollte je nach Schweregrad der Abhängigkeit zwischen zwei und acht Wochen lang
    sein. Den Entzug können Sie zu Hause machen, mit Hilfe eines niedergelassenen Schmerz-
    Therapeuten, in Schmerzambulanzen in Krankenhäusern oder in spezialisierten Kliniken.

    Die Ärztin, die Sie behandelt, wird Sie zunächst über Ihre Abhängigkeit und über die
    Schwierigkeiten beim Entzug aufklären. Bereits am ersten Tag Ihrer Therapie müssen Sie
    sämtliche Medikamente gegen Ihre Kopfschmerzen absetzen. Die Folge: Kopfschmerzen. Weitere
    Entzugs-Symptome können sein:

          Übelkeit und Erbrechen,
          Schwindelgefühle,
          Fieber,
          Angstzustände,
          Beklemmungen,
          Herz- oder Pulsrasen,
          Halluzinationen.

    Am dritten und vierten Tag werden Ihre die Beschwerden wahrscheinlich den Höhepunkt erreicht
    haben, anschließend klingen sie allmählich ab. Die Qualen des Entzugs lassen sich durch
    spezielle Medikamente lindern: Dies sind leichte Neuroleptika, die Ärzte herkömmlicherweise
    gegen psychische Störungen verabreichen. Möglicherweise nützt Ihnen auch eine begleitende
    Verhaltenstherapie, sie kann die Behandlung unterstützen.

    Sollten Sie zuvor auch Beruhigungsmittel verwendet haben, müssen auch diese Pharmaka über
    einige Wochen hinweg langsam reduziert und schließlich ganz abgesetzt werden. Wichtig ist, dass
    Sie diese Substanzen nicht plötzlich weglassen. Sonst drohen Ihnen möglicherweise ein so
    genanntes Medikamenten-Delirium und epileptische Anfälle.

    Eines Morgens sind die Kopfschmerzen weg
    Nach ein bis zwei Wochen geht es den meisten Betroffenen besser: Eines Morgens erwachen sie
    fassungslos, weil sie die Folter im Kopf zum ersten Mal seit langer Zeit nicht mehr spüren. Wie
    lange Sie entziehen müssen, hängt von der Schwere des Falls ab. Die Therapie kann zwischen
    fünf Tagen und einem Monat dauern.
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    fünf Tagen und einem Monat dauern.

    Nach dem Entzug sind zwar die andauernden Qualen verschwunden, doch das Problem ist
    dadurch nur halb gelöst. Denn das ursprüngliche Leiden bleibt meist weiterhin bestehen. Damit
    der Teufelskreis der Abhängigkeit nicht erneut beginnt, sollten Sie mit vorbeugenden Maßnahmen
    gegen Ihre zugrunde liegenden Kopfschmerzen beginnen.

    Nach dem Entzug geht die Therapie weiter
    Nach der Entgiftung kann die Ärztin herausfinden, unter welcher Art von Kopfschmerzen Sie
    ursprünglich gelitten haben und Sie entsprechend behandeln. Vorbeugende Maßnahmen, die
    ohne Medikamente auskommen, sollten dabei Vorrang haben. Dazu zählen:

          eine gesunde Lebensführung,
          Sport,
          Biofeedback-Verfahren,
          Stressbewältigungstrainings oder
          Entspannungstechniken.

    Bei Migräne kann auch eine medikamentöse Prophylaxe, zum Beispiel mit Betablockern wie
    Propranolol oder Metoprolol, sinnvoll sein. Falls Sie weiterhin Schmerzmittel nehmen müssen,
    sollten Sie darauf achten, die Medikamente höchstens an zehn Tagen im Monat einzunehmen.

    Tipps
    Wenn Sie vermeiden wollen, dass Sie medikamenten-induzierte Kopfschmerzen bekommen,
    denken Sie daran, dass Vorbeugen immer am besten ist: Oft lassen sich die Symptome durch
    genügend Schlaf- und Erholungsphasen sowie durch regelmäßige Bewegung deutlich verringern.
    Greifen Sie nur in Ausnahmefällen zu Schmerzmitteln. Versuchen Sie es zuerst mit anderen
    Methoden wie Massagen mit Pfefferminzöl oder Entspannungs-Übungen.

    Mittel gegen Migräne und andere Kopfschmerzen sollten Sie höchstens zehn Tage im Monat
    anwenden. Verwenden Sie möglichst Medikamente, die nur einen einzigen Wirkstoff enthalten. Vor
    allem von Kombipräparaten, die Koffein enthalten, ist abzuraten. Tragen Sie nicht ständig
    Kopfschmerz-Tabletten bei sich. Sind die Pillen stets erreichbar, ist die Gefahr groß, nach der
    Packung zu greifen ohne lange nachzudenken.

    Testen Sie, ob Sie vielleicht einfach bestimmte Lebensmittel vermeiden sollten, um erst gar keine
    Kopfschmerzen zu bekommen, die Medikamente nötig machen könnten. In seltenen Fällen können
    nämlich auch Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten Kopfschmerzen auslösen. Checken Sie
    systematisch, ob Ihnen folgendes bekommt:

          Tee,
          Kaffee,
          Alkohol,
          Kuhmilch,
          Tomaten,

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          Käse,
          Eier,
          Fisch,
          Räucherfleisch,
          Sojaprodukte,
          Schokolade,
          Weizenmehl,
          Fritiertes,
          Zimt,
          Muskatnüsse,
          Geschmacksverstärker,
          Süß-, Farb- oder Konservierungsstoffe.

    Falls Sie unter Migräne leiden und Spannungskopfschmerzen verspüren, muss das nicht
    zwangsläufig ein Anzeichen für eine Migräneattacke sein. Probieren Sie zunächst, die Sache ohne
    Medikament - und mit Hausmitteln - zu überstehen.

    Suchen Sie einen Arzt auf, wenn Sie häufig unter Kopfschmerzen leiden. Eine Selbstmedikation
    über einen längeren Zeitraum ist riskant.

    Seien Sie nicht enttäuscht, wenn die ärztliche Behandlung nicht sofort zum Erfolg führt. Die
    Therapie ist eine komplexe Angelegenheit, weil Kopfschmerzen durch viele verschiedene Faktoren
    entstehen können. Ihre Ärztin muss die Therapie individuell an Sie anpassen. Selbst eine
    Spezialistin braucht dafür unter Umständen ein paar Wochen.

    Haben Sie den Verdacht, Ihre Kopfschmerzen seien schon auf Medikamente zurückzuführen,
    notieren Sie, was, wie viel und wann Sie etwas einnehmen. Das hilft Ihnen, zu erkennen, ob Sie
    gefährdet sind.

    Wenn das Problem schon da ist
    Möglicherweise sind Sie bereits gefährdet oder gar abhängig. Dann sollten Sie sich folgendes
    klarmachen: Ihre Kopfschmerzen werden Sie nur los, wenn Sie die Schmerzmittel absetzen. Das
    ist der einzige Weg. Wenn Sie weiterhin Schmerzmittel nehmen, können Sie nicht behandelt
    werden. Es wird nie besser werden.

    Sollten Sie eine Medikamenten-Pause planen, lassen Sie sich von einem Arzt helfen. Allerdings
    bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen keine ausführliche Beratung zum Thema Schmerzmittel-
    Kopfschmerz. Daher wird es beim Hausarzt vielleicht schwierig werden.

    Sie können Ihrem Arzt helfen, indem Sie vor der Schmerzmittelpause einen Kopfschmerz-
    Kalender ausfüllen. Dort notieren Sie, wie oft und in welcher Dosis Sie Schmerzmittel einnehmen -
    sowohl freiverkäufliche als auch rezeptpflichtige.

    Sollten Sie Medikamente mit Substanzen einnehmen, die dem Morphin ähneln, weisen Sie Ihren
    Arzt darauf hin. Im Gegensatz zu allen anderen Schmerzmitteln dürfen diese nicht abrupt
    abgesetzt werden, sondern nur allmählich.
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    abgesetzt werden, sondern nur allmählich.

    Machen Sie den Entzug unter Aufsicht
    Lassen Sie sich während der Medikamenten-Pause von einem Experten begleiten. Das kann eine
    Schmerz-Therapeutin sein, aber auch ein Spezialist einer Schmerzambulanz. Sie können auch in
    eine Klinik gehen. Ein Entzug dauert zwischen fünf und 14 Tagen. Suchen Sie sich für diese Zeit
    seelischen Beistand bei Freunden oder in der Familie.

    Seien Sie sich im Klaren darüber, dass Sie ihren alltäglichen Aufgaben während eines Entzugs
    nicht nachkommen können. Sorgen Sie im voraus dafür, dass Ihr Arbeitgeber und die
    Familienmitglieder auf Ihren Ausfall vorbereitet sind.

    Passen Sie auch danach auf sich auf
    Ist der Entzug geschafft, sollten Sie sich immer wieder bewusst machen, dass Ihre Beschweren
    sich deshalb gebessert haben, weil Sie keine Schmerzmittel mehr nehmen.

    Führen Sie auch danach weiterhin ein Notizbüchlein, in das Sie eintragen, wann und wie viele
    Tabletten Sie genommen haben. So vermeiden Sie, die Maximaldosis erneut zu überschreiten.
    Greifen Sie nach der Medikamentenpause nur dann wieder zu Schmerzmitteln, wenn nichts
    anderes hilft.

    Und: Lassen Sie sich gegen die Kopfschmerzen behandeln, wegen denen Sie zu häufig zu
    Schmerzmitteln gegriffen haben.

    Expertenrat
    Professor Hartmut Göbel antwortet
    Warum können Schmerzmedikamente wie ein Suchtmittel wirken? Nimmt man nur
    gelegentlich Schmerzmittel ein, hemmen diese Substanzen verschiedene Botenstoffe im
    Nervensystem, die Schmerzen übertragen. Auf diese Weise lindern die Arzneimittel die
    Schmerzen. Wenn Sie sehr oft Tabletten einnehmen, also an mehr als zehn Tagen pro Monat,
    registriert dies Ihr Nervensystem und versucht gegenzusteuern. Dazu setzt es verstärkt
    Botenstoffe frei. Will man jetzt das Schmerzmittel weglassen, sind zu viele Botenstoffe im
    Nervensystem und der Entzugskopfschmerz setzt ein. Der erinnert die Patienten sofort daran,
    weitere Schmerztabletten einzunehmen. Damit ist der Teufelskreis geschlossen. Es ist extrem
    wichtig, dass der Arzt den Schmerzmittel-bedingten Kopfschmerz diagnostiziert. Nur so kann er
    die Patienten richtig behandeln.

    Welche Tabletten sind besonders gefährlich? Grundsätzlich kann jedes Medikament
    Schmerzmittel-bedingten Kopfschmerz auslösen und aufrechterhalten. Aus Untersuchungen
    wissen wir, dass besonders Schmerztabletten mit kombinierten Wirkstoffen diesen Kopfschmerztyp
    verursachen. Die internationale Kopfschmerzgesellschaft hat für diese Kombinations-Präparate
    wesentlich strengere Grenzen gesetzt: Sie sollten nicht so häufig eingenommen werden wie
    Einzelsubstanzen oder Triptane. Substanzen wie Acetyl-Salicyl-Säure, Paracetamol oder
    Ibuprofen erhalten die Kopfschmerzen aufrecht, wenn die Patienten mehr als 15 Tage im Monat
    diese Medikamente nehmen. Kombinations-Präparate verursachen Kopfschmerz schon, wenn sie
    an mehr als zehn Tagen pro Monat missbräuchlich eingenommen werden. Manche Betroffene
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    an mehr als zehn Tagen pro Monat missbräuchlich eingenommen werden. Manche Betroffene
    nehmen von solchen Mitteln 20 bis 30 Tabletten pro Tag ein, und dies oft über Monate und Jahre.

    Unterscheiden sich die Symptome bei den verschiedenen Wirkstoffen? Nein. Die
    Kopfschmerzen können zwar sehr unterschiedlich sein. Das liegt dann aber am zugrunde
    liegenden Kopfschmerz und nicht an den Medikamenten. Dieser mischt sich mit einem dumpf-
    drückenden oder pulsierenden, mittelstarken Dauerkopfschmerz. Stoppt man die Schmerzmittel,
    tritt ein Entzugskopfschmerz mit starker Intensität auf. Dieser Absetzkopfschmerz dauert bei
    Kombinationsschmerzmitteln, Ergot-Alkaloiden (Migräne-Mitteln) und Opioiden (Morphin-ähnlichen
    Schmerzmitteln) besonders lange, hier ist der Entzug also sehr schwer und langwierig. Leichter ist
    das Absetzen von Substanzen wie Acetyl-Salicyl-Säure, Paracetamol, Ibuprofen oder Triptan, weil
    sie nur bestimmte Regelkreise im Nervensystem beeinflussen. Aus diesen Gründen plädieren wir
    in der Kopfschmerzbehandlung für letztere Präparate.

    Forschung
    Wie hoch die Gefahr eines Rückfalls nach einem Entzug ist, hat ein Ärzteteam um Zaza Katsarava
    von der Neurologischen Universitätsklinik Essen überprüft. Das Risiko ist im ersten halben Jahr
    nach Absetzen der Medikamente am größten: In diesem Zeitraum wurde knapp ein Drittel der
    insgesamt 96 beobachteten Patienten rückfällig.

    Die Studie belegt aber: Wer das erste Jahr ohne Schmerzmedikamente aushält, hat es meist
    überstanden. In den darauf folgenden drei Jahren wurden nur noch weitere zwei Patienten
    rückfällig. Leidensgeprüfte mit Migräne hatten übrigens deutlich seltener einen Rückfall als
    Menschen, die ursprünglich unter chronischem Spannungskopfschmerz gelitten hatten.

                                                                                                            Rüdiger Braun

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