Individualismus - treibende kulturelle Kraft für Kompetenzen und Arbeitsmarkterfolg

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FORSCHUNGSERGEBNISSE

Katharina Hartinger, Sven Resnjanskij, Jens Ruhose und Simon Wiederhold*

Individualismus – treibende
kulturelle Kraft für Kompetenzen
und Arbeitsmarkterfolg

Das Spannungsfeld zwischen persönlicher Freiheit                                                                                                       IN KÜRZE
und kollektivem Zusammenhalt beschäftigt Ge­
sellschaften auf der ganzen Welt und prägt unse­
ren Zeitgeist (Dionne 2012). Gerade die weltweite                              Individualismus beschreibt ein gesellschaftliches Wertesystem,
Corona-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, wie                                 das die Freiheit und Leistung des Einzelnen in den Vorder-
pola­r isiert Gesellschaften auf gemeinschaftliche                             grund stellt. Weite Verbreitung findet es vor allem im angel-
Maß­nahmen reagieren, die die Unabhängigkeit des
                                                                               sächsischen Raum, aber beispielsweise auch in Deutschland
Einzelnen einschränken. So war in manchen Län­
dern zu Beginn der Pandemie eine kollektive Kon­                               und den Niederlanden. Die sozialen und ökonomischen Ef-
taktverfolgung schnell möglich, in anderen Ländern                             fekte von Individualismus werden aktuell kontroverser denn
sorgten dagegen Maßnahmen wie die Maskenpflicht                                je diskutiert. Allerdings hat sich die empirische Forschung zu
für Proteste und Ausschreitungen. Ökonomische Stu­                             diesem Thema bislang vor allem auf die Auswirkungen von
dien – beispielsweise von Bazzi und Koautoren (2020;                           Individualismus auf gesamtgesellschaftliche Zielgrößen – bei-
2021) – zeigen, dass diese unterschiedlichen Reaktio­
                                                                               spielsweise Wirtschaftswachstum, Umverteilung und Pande-
nen teilweise kulturell geprägt sind und auf regionale
Unterschiede im Individualismus zurückgeführt                                  miebekämpfung – fokussiert. Anhand von OECD-Daten aus
werden können. Individualismus bezeichnet hierbei                              dem größten internationalen Kompetenztest für Erwachsene
eben jene Kulturdimension, die Freiheit und per-                               (PIAAC) untersuchen wir nun erstmals die Rolle von Indivi-
sönliche Leistungen betont – sie gilt als wichtigste                           dualismus auf der individuellen Ebene. Wir finden, dass indi­
Ursache interkultureller Unterschiede weltweit                                 vidualistischere Personen höhere kognitive Kompetenzen
(Heine 2007).
                                                                               haben. Außerdem erwerben sie höhere Bildungsabschlüsse
     Gleichzeitig verdeutlicht die ökonomische For­
schung aber, dass Individualismus durchaus auch                                und nehmen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit an Wei-
positive Auswirkungen hat: Gorodnichenko und                                   terbildungsaktivitäten im Erwachsenenalter teil. Auf dem Ar-
Roland (2012; 2017) zeigen in mehreren Studien,                                beitsmarkt verdienen individualistischere Personen zudem
dass individualistischere Länder ein höheres Wirt­                             höhere Löhne und sind seltener arbeitslos. Unsere Ergebnisse
schaftswachstum aufweisen. Eine Hauptursache für                               zeigen daher, dass Individualismus ein wichtiger persönlicher
diese Beobachtung ist die höhere Innovationskraft
                                                                               Erfolgsfaktor ist, auch wenn dieses Wertesystem negative ge-
individualistischer Gesellschaften, die das kreative
Herausstechen des Einzelnen mit höherem sozialen                               samtgesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Status belohnen.
     Angesichts der gegenläufigen Effekte von Indi­
vidualismus auf der gesellschaftlichen Ebene stellt                        INDIVIDUALISMUS ALS ÖKONOMISCH RELEVANTE
sich die Frage, wie Individualismus auf den individu-                      KULTURDIMENSION
ellen ökonomischen Lebensweg wirkt. Diese wichtige
Frage ist bisher jedoch nicht erforscht. Wir schließen                     Zunächst möchten wir ein grundlegendes Verständnis
diese Forschungslücke in einer aktuellen Studie, die                       von Individualismus und dessen Wirkung auf persönli­
den Effekt von Individualismus auf den individuellen                       chen ökonomischen Erfolg vermitteln. Individualismus
Bildungs- und Arbeitsmarkterfolg untersucht. Der vor­                      ist eine von sechs zentralen Kulturdimensionen, die
liegende Beitrag fasst die Studienergebnisse zusam­                        auf Geert Hofstede (2001) zurückgehen. Individualis­
men (siehe Hartinger et al. 2021 für eine detaillierte                     tische Gesellschaften sind dabei als Gesellschaften
Darstellung des Forschungsprojekts).                                       mit losen Bindungen zwischen den einzelnen Mit­
                                                                           gliedern definiert (Hofstede 2001). Diese Mitglieder
* Katharina Hartinger, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt,       streben danach, aus der Masse ihrer Mitmenschen
Dr. Sven Resnjanskij: ifo Institut; Prof. Dr. Jens Ruhose, Christian-Al­   herauszustechen und sich durch Talente und Leis­
brechts-Universität zu Kiel, Prof. Dr. Simon Wiederhold, Katholische
Universität Eichstätt-Ingolstadt. Details zu den hier berichteten Un­      tungen abzuheben. Darüber hinaus legen Personen
tersuchungen und Ergebnissen finden sich in Hartinger et al. (2021).       in individualistischeren Gesellschaften viel Wert auf

                                                                                     ifo Schnelldienst   12 / 2021   74. Jahrgang   8. Dezember 2021   51
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METHODIK DER STUDIE

                Die Ansprüche an Daten und Schätzstrategie sind                   weitere relevante Charakteristika des Heimatlandes
                hoch, wenn man den kausalen Effekt einer Kultur­                  (beispielsweise Bildungsinstitutionen oder andere
                dimension auf individuelle kognitive Kompetenzen                  Kulturdimensionen) gibt, die mit Individualismus zu­
                schätzen will. Eine etablierte Strategie zur Bestim­              sammenhängen und den geschätzten Effekt auf den
                mung kultureller Effekte ist der sogenannte epidemio-             ökonomischen Erfolg verzerren. Wir adressieren dieses
                logische Ansatz. Er beruht auf der gut dokumentierten             Problem durch zwei methodische Erweiterungen, die
                Annahme, dass Migranten ihre Kultur in ihr Zielland               es uns erlauben, Migranten aus demselben Herkunfts-
                mitbringen (Fernández 2007). Dies erlaubt es, Migran­             land im selben Zielland zu vergleichen und somit po­
                ten mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund                 tenziell verzerrende Eigenschaften des Herkunftslan­
                innerhalb desselben Ziellandes zu vergleichen, in dem             des konstant zu halten. Das gelingt uns, indem wir
                sie sich mit den gleichen Bildungs- und Arbeitsmarkt­             Variation in Individualismus auf der Sprachen- und
                institutionen konfrontiert sehen. Dadurch lassen sich             Personenebene verwenden (vgl. Box »Messung von In­
                die Effekte von Kultur von denen der institutionellen             dividualismus«). In Bezug auf die Sprachenebene ver­
                und ökonomischen Rahmenbedingungen trennen.                       gleichen wir beispielsweise Migranten, die aus Tune­
                     Wir verwenden den epidemiologischen Ansatz für               sien nach Israel ausgewandert sind und sich dennoch
                Migranten der ersten Generation (ca. 15 000 Beobach­              in ihrem Individualismus-Niveau – indiziert durch ihre
                tungen) und der zweiten Generation (ca. 13 000 Be­                Muttersprache (Arabisch als kollektivistische im Ver­
                obachtungen) in 22 Zielländern. Die internationalen               gleich zu Französisch als individualistische Sprache) –
                PIAAC-Daten enthalten allerdings keine Informationen              unterscheiden. Außerdem konstruieren wir ein eigenes
                zum Geburtsland der Eltern, weshalb wir für Migranten             Individualismus-Maß, basierend auf Erkenntnissen aus
                der zweiten Generation nur auf Basis der Herkunfts­               der Psychologie, das auf der Personenebene variiert.
                sprache auf den kulturellen Hintergrund schließen                 Dadurch können wir Unterschiede im Individualismus
                können. Aufgrund des geringeren Fehlers bei der                   zwischen Migranten auf persönlicher Ebene ausnutzen
                Zuordnung des kulturellen Hintergrundes sind die                  und sogar den Effekt von Individualismus für Einhei­
                Analysen für Migranten der ersten Generation unser                mische (bei denen es also keine Variation hinsichtlich
                Hauptmodell – die Ergebnisse im vorliegenden Beitrag              des Herkunftslandes oder der Herkunftssprache gibt)
                beziehen sich immer auf dieses Modell, sofern nichts              analysieren. Die Betrachtung von Individualismus als
                anderes erwähnt wird.                                             individuell gemessenes Persönlichkeitsmerkmal er­
                     Bei der Berechnung des Zusammenhangs zwi­                    möglicht es uns also auszuschließen, dass die von uns
                schen Individualismus und ökonomischem Erfolg ha­                 geschätzten Effekte nur für Migranten gelten.
                ben wir Unterschiede aufgrund von Geschlecht und                       In zusätzlichen Robustheitstests verwenden wir
                Alter herausgerechnet. Außerdem vergleichen wir                   auch noch Variation in den kognitiven Kompetenzen
                nur Migranten, die im selben Jahr ins Zielland ein­               über die Zeit in den nur für Deutschland verfügba­
                gewandert sind und vom selben Herkunftskontinent                  ren PIAAC-Panel-Daten (»PIAAC-L«) sowie einen In­
                stammen.                                                          strumentalvariablenansatz, um weitere Bedenken der
                     Der epidemiologische Ansatz kann nicht völlig                empirischen Validität zu adressieren.
                ausschließen, dass es neben Individualismus auch

                Freiheit, Unabhängigkeit und ihre Privatsphäre. Am                tergegeben wird (Bisin und Verdier 2001), bekommen
                anderen Ende von Hofstedes Individualismus-Spekt­                 Kinder aus individualistischeren Familien die entspre­
                rum finden sich kollektivistische Gesellschaften, die             chenden Werte wie Eigenleistung und Unabhängig­
                Harmonie und Loyalität fördern und den Einzelnen                  keit bereits früh im Leben vermittelt. Außerdem ist
                motivieren, sich dem Kollektiv anzupassen. In indi­               es plausibel, dass individualistischere Eltern selbst
                vidualistischen Gesellschaften werden also solche                 einen besonders hohen Wert auf die Förderung der
                Leistungen mit hohem sozialen Status belohnt, die                 Talente ihrer Kinder legen und auch bereits früh in
                den Einzelnen herausstechen lassen – zum Beispiel                 deren Bildung investieren, um ihren Kindern einen
                durch neuartige Erfindungen –, in kollektivistischen              Wettbewerbsvorteil zu ermöglichen.
                Gesellschaften hingegen sind es Handlungen, die im                     Auch unabhängig vom familiären Umfeld ist ein
                Einklang mit den Zielen der Gruppe stehen.                        Effekt von Individualismus auf ökonomische Entschei­
                    Hieraus ergeben sich die wichtigsten Kanäle,                  dungen zu erwarten. Denn für Selbsterfüllung und
                durch die Individualismus ökonomische Entscheidun­                persönlichen Erfolg in einer Wissensgesellschaft sind
                gen beeinflusst. Da Individualismus – wie auch andere             hohe kognitive Kompetenzen fast immer unerlässlich.
                kulturelle Merkmale – von Eltern an ihre Kinder wei­              Entweder gelten Kompetenzen selbst als Alleinstel­

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                                                                                                           MESSUNG VON INDIVIDUALISMUS

Das in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ver­         Außerdem entwickeln wir ein neuartiges Individu­
breitetste Maß für Individualismus stammt von Geert      alismus-Maß auf der Personenebene. Die PIAAC-Daten
Hofstede (2001) und hat seinen Ursprung in IBM-Be­       erlauben uns, mit Hilfe von sieben Fragen des Hinter­
fragungen aus den 1970er Jahren. Seitdem wurde es        grundfragebogens das persönliche Individualismus-Ni­
auf Basis weiterer Umfragedaten erweitert. Es handelt    veau der Befragten zu messen. Das Maß bildet die Prä­
sich um ein arbeitsplatzbezogenes Maß, das individu­     ferenz für Freiheit und Herausforderungen am Arbeits­
alistische Werte wie Freiheit und die Suche nach Her­    platz ebenso wie in der Freizeit ab und berücksichtigt
ausforderungen abbildet. Dabei ist dieses Maß nur auf    dazu noch den von Individualisten präferierten ana­
Länderebene verfügbar. In unserer Studie folgen wir      lytischen kognitiven Stil (Nisbett et al. 2001). Diverse
der bisherigen Literatur und berichten hauptsächlich     Validierungsanalysen zeigen, dass unser Individualis­
Ergebnisse für dieses Individualismus-Maß.               mus-Maß auf aggregierter Ebene hoch mit etablierten
     Ein weiteres Individualismus-Maß nutzt die Tat­     Maßen wie dem Hofstede-Maß korreliert ist.
sache, dass sich Sprache und Kultur parallel entwi­           Die Kombination unterschiedlicher Individualis­
ckeln, weshalb bestimmte Eigenschaften von Sprachen      mus-Maße erlaubt es uns, verschiedene Quellen der
auch als Kulturindikatoren genutzt werden. Darauf        Variation in Individualismus zwischen Personen aus­
aufbauend entwickeln Kashima und Kashima (1998)          zunutzen. Wir finden über alle Maße hinweg systema­
ein Individualismus-Maß, indem sie Sprachen je nach      tisch sehr ähnliche Effekte von Individualismus auf
Fokus auf den Handelnden (individualistisch) oder die    kognitive Kompetenzen.
Handlung (kollektivistisch) klassifizieren.

lungsmerkmal, oder sie dienen zumindest als Werk­        bekannte PISA-Test, richtet sich aber explizit an Er­
zeug zum Erreichen von Karrierezielen. Zudem gilt        wachsene im erwerbsfähigen Alter (16–65 Jahre). Ge­
Individualismus bei Hofstede (2001) als Kultur des       messen werden arbeitsmarktrelevante Kompetenzen
lebenslangen Lernens – ein kontinuierliches Inves­       in Mathematik, Lesen und technologieorientiertem
tieren in das eigene Wissen ist also ein fundamentales   Problemlösen. Wir konzentrieren uns in unserer Studie
Kennzeichen individualistischer Kulturen.                auf mathematische Kompetenzen, die die Fähigkeit
     Während diese Kanäle einen positiven Effekt von     messen, die mathematischen Anforderungen des (Be­
Individualismus auf den Bildungserfolg nahelegen,        rufs-)Alltags zu meistern, beispielsweise das Verstehen
darf nicht außer Acht gelassen werden, dass indi­        und Interpretieren von Statistiken.1 Da PIAAC in mehr
vidualistische Kulturen häufig weniger umverteilen       als 30 Ländern durchgeführt wurde, gelten unsere Er­
und Defizite in der gesamtgesellschaftlichen Ko­         gebnisse nicht nur für ein bestimmtes Land, sondern
operation aufweisen. Dies könnte zum Beispiel die        dokumentieren international gültige Aussagen zu den
Qualität der Bildungsinstitutionen verringern und        Effekten von Individualismus.
somit zu einem negativen Zusammenhang zwischen                Aus methodischer Sicht ist es eine große Heraus­
Individualismus und Bildung führen. Theoretische         forderung, den kausalen Effekt von Individualismus
Erwägungen lassen also keinen klaren Schluss zu,         – oder jeder anderen Kulturdimension – auf ökonomi­
ob Individualismus einen positiven oder negativen        sche Erfolgsgrößen zu schätzen. Insbesondere muss
Effekt auf den individuellen ökonomischen Erfolg hat.    der Effekt von Individualismus vom Einfluss weiterer
Daher untersuchen wir diese Frage in einem nächsten      Aspekte des ökonomischen und institutionellen Um­
Schritt empirisch.                                       felds einer Person getrennt werden (ein Beispiel wäre
                                                         hier die Qualität des Schulsystems). Hierfür verwen­
DIE STUDIE                                               den wir eine Kombination verschiedener empirischer
                                                         Ansätze, die jeweils Personen mit unterschiedlichem
Das Hauptaugenmerk unserer Studie liegt darauf, wie      Individualismus-Niveau innerhalb desselben Landes
Individualismus auf kognitive Kompetenzen wirkt. Im      vergleichen, um das aktuelle Umfeld konstant zu hal­
ökonomischen Kontext sind kognitive Kompetenzen          ten (vgl. Box »Methodik der Studie«). In der Litera­
ein wichtiger Indikator der individuellen Produkti­      tur ist es dabei üblich, dass man Migranten, die aus
vität – sie können also besonders gut vorhersagen,       unterschiedlichen Kulturkreisen kommen, sich aber
wie leistungsstark eine Person in der Arbeitswelt ist    im gleichen Zielland aufhalten, in der empirischen
(Hanushek et al. 2015). Um kognitive Kompetenzen zu      Analyse nutzt.
messen, verwenden wir Daten aus PIAAC, dem größ­
ten internationalen Kompetenztest der OECD (2013).       1
                                                           Wir finden sehr ähnliche Ergebnisse für die beiden anderen Kom­
PIAAC funktioniert nach demselben Prinzip wie der        petenzmaße.

                                                                     ifo Schnelldienst   12 / 2021   74. Jahrgang   8. Dezember 2021   53
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Abb. 1                                                                                                                  men und sollte daher nicht in Isolation betrachtet
Der Effekt von Individualismus auf die kognitiven Kompetenzen                                                           werden. Bereits gut untersucht ist beispielsweise der
                                                                                                                        Zusammenhang zwischen kulturell geprägten Zeit­
Hofstede IDV-Maß
                                                                                                                        präferenzen (auch Langzeitorientierung genannt) und
 Migranten (1. Generation)                                    0,29                                                      Schülerleistungen (Figlio et al. 2019), auch in Kombi­
 Migranten (2. Generation)                             0,23                                                             nation mit Risikopräferenzen (Hanushek et al. 2021).
                                                                                                                        Wie schlägt sich Individualismus also im direkten
Persönliches IDV-Maß
                                                                                                                        Vergleich mit diesen Kulturdimensionen? Wenn wir
 Migranten (1. Generation)                                    0,29                                                      zehn ökonomisch potenziell relevante weitere Kul­
 Migranten (2. Generation)                                    0,29                                                      turaspekte gemeinsam mit Individualismus betrach­
                                                                                                                        ten, zeigt sich, dass Individualismus bei Weitem den
               Einheimische                              0,26
                                                                                                                        stärksten Effekt auf kognitive Kompetenzen hat. Ei­
                                0,0               0,1            0,2              0,3           0,4                     nige andere Kulturaspekte wie Langzeitorientierung
                                      Erhöhung der kognitiven Kompetenzen (in Standardabweichungen)                     sind auch in unserer Analyse signifikant, was die be­
 Anmerkungen: Die Abbildung zeigt einen positiven Effekt von Individualismus auf die kognitiven Kompetenzen. Dabei      stehende Literatur bestätigt. Aber Individualismus
 werden die Ergebnisse des epidemiologischen Ansatzes auf Basis des Hofstede zweiten Generation) und des
 persönlichen Maßes (für Migrantenvder ersten und zweiten Generation sowie für Einheimische) dargestellt. Das Maß       bleibt durchweg die stärkste kulturelle Determinante
für die kognitiven Kompetenzen basiert auf den gemessenen Mathekompetenzen in den PIAAC­Daten. Angegeben
 ist jeweils der Effekt einer Erhöhung von Individualismus um eine Standard­abweichungen auf die ebenfalls              von kognitiven Kompetenzen im Erwachsenenalter.
 standardisierten kognitiven Kompetenzen. Die Fehlerindikatoren zeigen +/– einen Standardfehler um den
 Regressionskoeffizienten an.
                                                                                                                             Positive Effekte von Individualismus auf kogni­
 Quelle: Darstellung der Autor*innen auf Basis der Ergebnisse in den                                                    tive Kompetenzen zeigen sich auch, wenn wir andere
 Tabellen 1 und 4 in Hartinger et al. (2021).                                                          © ifo Institut
                                                                                                                        Quellen kultureller und persönlicher Unterschiede in
                                                                                                                        Individualismus nutzen (vgl. Box »Methodik der Stu­
                                  INDIVIDUALISMUS UND KOGNITIVE                                                         die«). Unsere Ergebnisse belegen daher konsistent,
                                  KOMPETENZEN                                                                           dass individualistischere Personen ein höheres Kom­
                                                                                                                        petenzniveau aufweisen. Dies steht im Einklang mit
                                  Abbildung 1 zeigt den Zusammenhang zwischen                                           dem Streben nach intellektuellen Herausforderungen
                                  Individualismus und kognitiven Kompetenzen für                                        und hervorragenden persönlichen Leistungen.
                                  Migranten der ersten und zweiten Generation. Wir
                                  finden einen großen und statistisch signifikanten                                     Individualismus und Bildungsentscheidungen im
                                  Effekt von Individualismus auf kognitive Kompeten­                                    Verlauf des Lebens
                                  zen. Für Migranten der ersten Generation führt ein
                                  Anstieg in Individualismus – hier gemessen mit Hilfe                                  In vielen kulturökonomischen Studien bleibt Kultur
                                  des Hofstede-Maßes – um eine Standardabweichung                                       letztlich als Black Box zurück – sie beeinflusst öko­
                                  zu einem Anstieg in den Kompetenzen einer Person                                      nomisches Handeln, doch die Wirkungskanäle bleiben
                                  um 0,29 Standardabweichungen. Standardabweichun­                                      verborgen. Unsere Daten erlauben es uns aber zu un­
                                  gen sind eine weit verbreitete Einheit für Kompeten­                                  tersuchen, welche Entscheidungen und Verhaltens­
                                  zen in der bildungsökonomischen Literatur. In PIAAC                                   weisen dem positiven Effekt von Individualismus auf
                                  entspricht eine Standardabweichung recht genau                                        kognitive Kompetenzen zugrunde liegen.
                                  einer von insgesamt fünf Kompetenzstufen. Um die                                           Ein naheliegender Mechanismus ist, dass indivi­
                                  Effektgröße intuitiver zu verstehen, kann man sich                                    dualistische Familien mehr in die Schulbildung der
                                  beispielsweise einen durchschnittlichen Österreicher                                  Kinder investieren und dies zu einem höheren Kompe­
                                  vorstellen (Österreich liegt knapp über dem interna­                                  tenzniveau führt. In der Tat steigen bei einer Erhöhung
                                  tionalen Individualismus-Durchschnitt), der plötzlich                                 des Individualismus-Werts um eine Standardabwei­
                                  genauso individualistisch wird wie ein durchschnitt­                                  chung die Zahl der absolvierten Bildungsjahre um
                                  licher Amerikaner (weltweiter Individualismus-Spit­                                   0,6 Jahre und die Wahrscheinlichkeit, einen Univer-
                                  zenreiter). In diesem Fall würden die kognitiven                                      sitätsabschluss zu erwerben, um 7 Prozentpunkte
                                  Kompetenzen des Österreichers um eine halbe Stan­                                     an. Daher ist es wenig überraschend, dass der Kanal
                                  dardabweichung steigen. Dies entspricht ungefähr                                      der formalen Bildung fast ein Drittel (32%) des Indivi­
                                  dem Kompetenzanstieg zwischen Sekundarstufe 1                                         dualismus-Effekts auf kognitive Kompetenzen erklären
                                  und 2 in den internationalen PIAAC-Daten. Wie die                                     kann (vgl. Abb. 2).
                                  weiteren Ergebnisse in Abbildung 1 zeigen, ist der Zu­                                     Doch es gibt noch weitere Wirkungskanäle: Dass
                                  sammenhang zwischen Individualismus und Kompe­                                        Individualismus in der Tat die »Kultur des lebenslan­
                                  tenzen für Migranten der zweiten Generation ähnlich                                   gen Lernens« (Hofstede 2001) ist, wird durch unsere
                                  stark ausgeprägt. Auch unsere Analysen mit dem per­                                   Ergebnisse ebenfalls bestätigt. Denn auch nachdem
                                  sönlichen Individualismus-Maß zeigen sehr ähnliche                                    der formale Bildungsprozess abgeschlossen ist, in­
                                  Effekte auf die kognitiven Kompetenzen – und dies                                     vestieren individualistischere Personen weiter in ihre
                                  sowohl in der Stichprobe der Migranten als auch in                                    Kompetenzen. So kann 13% des Kompetenzeffekts
                                  der Stichprobe der Einheimischen.                                                     von Individualismus auf Lernaktivitäten im Erwach­
                                       Allerdings befindet sich Individualismus in einem                                senenalter zurückgeführt werden. Diese Aktivitäten
                                  komplexen Wertesystem mit anderen kulturellen Nor­                                    haben wir im unteren Teil von Abbildung 2 noch ein­

                          54       ifo Schnelldienst    12 / 2021    74. Jahrgang   8. Dezember 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE

mal in weitere Kategorien unterteilt. Es zeigt sich,      Abb. 2
dass individualistischere Personen häufiger Weiter­       Mechanismen des Individualismus-Effekts auf die kognitiven Kompetenzen
bildungsangebote am Arbeitsplatz und in der Freizeit      (a) Relative Wichtigkeit verschiedener Mechanismen
in Anspruch nehmen – oft auch ganz gezielt, um ihre                                                       Formale Bildung       Lebenslanges Lernen          Andere Einflüsse
Kompetenzen zu erhöhen. Diese Lernbereitschaft auf
der Suche nach neuen beruflichen Herausforderungen                      32% [0,00]                   13% [0,00]                           55% [0,00]

wird auch in Form von informellen Lernaktivitäten           0          10          20           30           40        50       60         70          80         90        100
sichtbar. So steigt mit dem Individualismus-Niveau                          Erklärter Anteil des Effekts von Individualismus auf die kognitiven Kompetenzen in %
auch die Häufigkeit, mit der Personen Zeitungen und
                                                          (b) Relative Wichtigkeit verschiedener Tätigkeiten im Zuge des lebenslangen Lernens
Fachpublikationen lesen und sich so neuen intellektu­
                                                               Weiterbildungen am Arbeitsplatz                Andere Weiterbildungen            Lesen von Fachzeitschriften
ellen Stimuli aussetzen. In der Praxis bedeutet dies,                                                         Lesen von Zeitungen               Lesen von Büchern
dass individualistischere Personen eher auf der Su­
                                                               10% [0,02]      21% [0,00]                 23% [0,00]         13% [0,07]              33% [0,00]
che nach intellektuellen Herausforderungen sind und
Weiterbildungsangebote stärker in Anspruch nehmen,          0          10          20           30           40       50       60     70        80      90      100
was letztlich ihre kognitiven Kompetenzen erhöht.                                                                 Anteil am Mechanismus des lebenslangen Lernens in %
     Individualismus ist also keinesfalls als Jugend­     Anmerkungen: Die Abbildung zeigt die Zerlegung des positiven Effektes von Individualismus auf die kognitiven
                                                          Kompetenzen in verschiedene Mechanismen. Dabei werden die Ergebnisse des epidemiologischen Ansatzes auf
phänomen zu sehen, das nur formale Bildungsent­           Basis des Hofstede
                                                                       ­      ­Maßes für Migranten der ersten Generation dargestellt (vgl. auch oberen Teil in Abb. 1). In Ab­
scheidungen beeinflusst. Vielmehr prägt es die Einstel­   bildung 2(a) werden jeweils die Anteile der Mechanismen am gesamten Individualismus­Effekt angegeben. Abbil­
                                                          dung 2(b) zeigt die relativen Anteile bezogen auf den Mechanismus des lebenslangen Lernens. In eckigen Klammern
lung gegenüber kontinuierlichem Lernen, Lernstrate­       sind die p­Werte der jeweiligen Anteile ausgewiesen. Siehe Hartinger et al. (2021) für die Details und Annahmen der
gien und der Bereitschaft zur Weiterbildung im Beruf      zugrunde liegenden ökonometrischen Methodik der hier gezeigten Mediationsanalyse.
                                                          Quelle: Darstellung der Autor*innen auf Basis der Ergebnisse des Mediationsmodells
und Alltag über den gesamten Lebenszyklus hinweg.         in Abbildung 6 in Hartinger et al. (2021).                                                                 © ifo Institut
Tatsächlich können wir beobachten, dass der positive
Effekt von Individualismus auf kognitive Kompetenzen      men pro Arbeitsstunde) einhergeht. Steigt Individu­
mit dem Alter immer ausgeprägter wird. Da Indivi­         alismus wieder um die übliche Standardabweichung,
dualismus fundamental den Wunsch nach Selbstbe­           steigt der Lohn der Person im Durchschnitt um 8,4%
stimmung und Selbstverwirklichung beschreibt, ist es      – in Deutschland entspricht das knapp 1,50 Euro pro
nur folgerichtig, dass der Effekt von Individualismus     Stunde. Gleichzeitig sinkt das Arbeitslosigkeitsrisiko
stärker wird, je mehr eigenständige Entscheidungen        um 1,9 Prozentpunkte, ein ebenfalls deutlich positi­
eine Person treffen kann. Im Kindes- und Jugendalter      ver Effekt, der einem Rückgang um 20% bezogen auf
sind solche Entscheidungsmöglichkeiten noch stark         die durchschnittliche Arbeitslosenquote in unseren
limitiert. Je stärker sie dann aber zum Tragen kom­       Daten entspricht. Individualismus zahlt sich für den
men, desto deutlicher wird der positive Effekt von        Einzelnen also auch auf dem Arbeitsmarkt aus. Auf die
Individualismus. Dies könnte bedeuten, dass Individu­     Wahrscheinlichkeit, sich selbständig zu machen, hat
alismus auch einen gewissen Entscheidungsfreiraum         Individualismus dagegen keinen messbaren Einfluss.
benötigt, um als Motivator für Bildungsinvestitionen      Während das Bild vom individualistischen Entrepre­
wirken zu können.

                                                          Abb. 3
INDIVIDUALISMUS UND ARBEITSMARKTERFOLG
                                                          Der Effekt von Individualismus auf verschiedene Arbeitsmarktindikatoren

Kognitive Kompetenzen sind für Ökonomen nicht nur                Erhöhung der jeweiligen Arbeitsmarktindikatoren in % / Prozentpunkten (pp)
per se interessant, sondern fungieren auch als ein        15
wichtiger Produktivitätsindikator auf dem Arbeits­
markt. Daher schließt sich die Frage an, welche Ar­       10
beitsmarkteffekte von Individualismus zu erwarten
sind. Höhere Kompetenzen und der fundamentale              5
Fokus auf persönliche Karriereziele und Selbstver­
                                                                       8,4%                     –1,9 pp                0,0 pp
wirklichung sprechen zunächst für einen positiven           0
                                                                                                                                           2,2 pp               15,4%
Arbeitsmarkteffekt von Individualismus. Gleichzeitig      Individualismus­
kann individuelle Selbstverwirklichung auch zu Kom­       effekt auf ...
                                                                                              ... das                    ...             ...                    ... die
petenzanstiegen in Bereichen führen, denen kein be­                  ... den                Risiko der             Wahrschein­      Wahrschein­               Intensität
sonderer monetärer Ertrag gegenübersteht – eine Kar­               Arbeitslohn           Arbeitslosigkeit           lichkeit der   lichkeit, einen           abstrakter
                                                                                                                  Selbständigkeit Forschungsberuf           Tätgkeiten im
riere als Künstler oder Backpacker seien hier als Bei­                                                                               auszuüben                  Beruf
spiele genannt. Daher ist es wiederum eine empirische     Anmerkungen: Die Abbildung zeigt den Effekt von Individualismus auf verschiedene Arbeitsmarktindikatoren. Dabei
Frage, wie sich Individualismus sowohl auf die Be­        werden die Ergebnisse des epidemiologischen Ansatzes auf Basis des Hofstede­Maßes für Migranten der ersten
                                                          Generation dargestellt. Die prozentuale Änderung des Arbeitslohns wird auf Basis des zugrunde liegenden
schäftigungschancen als auch das erzielte Einkommen       Regressionsmodells mit dem Effekt auf den logarithmierten Lohn approximiert. Die Individualismus­Effekte auf das
auswirkt. Abbildung 3 illustriert den Zusammenhang        Risiko der Arbeitslosigkeit sowie auf die Wahrscheinlichkeiten der Selbständigkeit und der Ausübung eines
                                                          Forschungsberufes sind in Prozentpunkten ausgewiesen. Der Individualismus­Effekt auf die Intensität abstrakter
zwischen Individualismus und Arbeitsmarkterfolg.          Tätigkeiten im Beruf ist in Standardabweichungen berechnet. Angegeben ist jeweils der Effekt einer Erhöhung des
                                                                                                                                         T
                                                          Individualismus­Wertes um eine Standardabweichung auf den jeweiligen Arbeitsmarktindikator.
Hier zeigt sich, dass Individualismus mit signifikant     Fehlerinikatoren zeigen +/– einen Standardfehler um den Regressionskoeffizienten an.
höheren Löhnen (gemessen als Bruttoerwerbseinkom­         Quelle: Darstellung der Autor*innen auf Basis der Ergebnisse in Tabelle 7 in Hartinger et al. (2021).   © ifo Institut

                                                                            ifo Schnelldienst    12 / 2021    74. Jahrgang   8. Dezember 2021       55
FORSCHUNGSERGEBNISSE

     neur ein anderes Ergebnis erwarten ließe, könnte es               konkreten Kontext von Bildung und Arbeit – ökono­
     eine Ursache für dieses Nullergebnis sein, dass wir               misch hochrelevant, aber natürlich keinesfalls die
     mit unseren Daten nicht zwischen verschiedenen Ar­                einzigen wichtigen Lebensbereiche. Was mögliche
     ten der Selbständigkeit und den Beweggründen dafür                negative Effekte von Individualismus auf kollektives
     unterscheiden können.                                             Entscheidungsverhalten, soziale Partizipation, politi­
           Eine Erklärung für die günstigen Arbeitsmarkt­              sche Präferenzen und Lebenszufriedenheit angeht, be­
     effekte in Bezug auf Lohn und Arbeitslosigkeit liegt              steht noch weiterer Forschungsbedarf. Unsere Studie
     dar­in, dass Individualismus die Berufswahl beein­                ist daher ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem
     flusst. Im Einklang mit dem individualistischen Stre­             ganzheitlichen Verständnis der Bedeutung von Kultur
     ben nach Herausforderungen und Innovation zeigt                   für menschliche Entscheidungen. Dieses ist die Grund­
     sich nämlich, dass Individualisten signifikant häufi­             lage dafür, Bildungs- und Arbeitsmarktinstitutionen
     ger Berufe mit forschungsnahen Tätigkeiten ausüben.               bestmöglich auf kulturelle Unterschiede abstimmen
     Diese sind dann üblicherweise durch einen hohen An­               zu können.
     teil an abstrakten Aufgaben geprägt. Individualistische
     Personen arbeiten also lieber in Berufen mit vielen               LITERATUR
     kreativen und mathematisch-analytischen Aufgaben                  Acemoglu, D. und D. Autor (2011), »Skills, Tasks and Technologies: Im­
     als in repetitiven, auf Routinen basierten Berufen.               plications for Employment and Earnings«, in: D. Card und O. Ashenfelter
                                                                       (Hrsg.), Handbook of Labor Economics 4B, Elsevier, Amsterdam, New
     Typischerweise werden diese Berufe relativ hoch ent­              York, 1043–1171.
     lohnt und weisen auch eine geringere Wahrschein­                  Bazzi, S., M. Fiszbein und M. Gebresilasse (2020), »Frontier Culture: The
     lichkeit auf, durch neue Technologien ersetzt zu wer­             Roots and Persistence of ›Rugged Individualism‹ in the United States«,
                                                                       Econometrica 88(6), 2329–2368.
     den (Acemoglu und Autor 2011). Wie auch bereits von
                                                                       Bazzi, S., M. Fiszbein und M. Gebresilasse (2021), »›Rugged Individua­
     Gorodnichenko und Roland (2017) für die USA gezeigt               lism‹ and Collective (In)Action during the COVID-19 Pandemic«, Journal
     wurde, ist dieses Ergebnis zudem besonders im ge­                 of Public Economics 195, 104357.

     samtökonomischen Kontext relevant, da Innovationen                Bisin, A. und T. Verdier (2001), »The Economics of Cultural Transmission
                                                                       and the Dynamics of Preferences«, Journal of Economic Theory 97(2),
     oft als wichtigster Kanal gesehen werden, über den                298–319.
     Individualismus langfristiges Wirtschaftswachstum                 Dionne, E. J. (2012), Our divided political heart. The battle for the Ameri-
     positiv beeinflusst.                                              can idea in an age of discontent, Bloomsbury, New York, Berlin.
                                                                       Fernández, R. (2007), »Women, Work, and Culture«, Journal of the Euro-
                                                                       pean Economic Association 5(2–3), 305–332.
     FAZIT
                                                                       Figlio, D., P. Giuliano und U. Özek (2019), »Long-Term Orientation and
                                                                       Educational Performance«, American Economic Journal: Economic Po-
     Die vorliegende Studie beleuchtet erstmals die bisher             licy 11(4), 272–309.
     unerforschten ökonomischen Effekte von Individualis­              Gorodnichenko, Y. und G. Roland (2012), »Understanding the Individua­
                                                                       lism-Collectivism Cleavage and Its Effects: Lessons from Cultural Psycho­
     mus auf individueller Ebene. Wir zeigen, dass Individu­           logy«, in: M. Aoki, T. Kuran und G. Roland (Hrsg.), Institutions and Com-
     alismus eine wichtige Determinante des Bildungs- und              parative Economic Development, Palgrave Macmillan, London, 213–236.
     Arbeitsmarkterfolgs ist. Individualistischere Personen            Gorodnichenko, Y. und G. Roland (2017), »Culture, Institutions, and the
                                                                       Wealth of Nations«, Review of Economics and Statistics 99(3), 402–416.
     haben höhere kognitive Kompetenzen und investie­
                                                                       Hanushek, E. A., L. Kinne, P. Lergetporer und L. Woessmann (2021), »Cul­
     ren über den gesamten Lebenszyklus hinweg mehr in                 ture and Student Achievement: The Intertwined Roles of Patience and
     (Weiter-)Bildung. Diese höheren Kompetenzen zahlen                Risk-Takin«, Economic Journal, im Erscheinen.
     sich dann auf dem Arbeitsmarkt aus, wo individualis­              Hanushek, E. A., G. Schwerdt, S. Wiederhold und L. Woessmann (2015),
                                                                       »Returns to Skills around the World: Evidence from PIAAC«, European
     tischere Personen signifikant mehr verdienen, selte­              Economic Review 73, 103–130.
     ner arbeitslos sind und eher in zukunftsfähigen und               Hartinger, K., S. Resnjanskij, J. Ruhose und S. Wiederhold (2021), »Indi­
     forschungsorientierten Berufen zu finden sind. Dabei              vidualism, Human Capital Formation, and Labor Market Success«, CESifo
                                                                       Working Paper Nr. 9391, Oktober.
     ist Individualismus wichtiger für die Erklärung von
                                                                       Heine, S. (2007), Cultural Psychology, Norton, New York.
     Kompetenzunterschieden als jede andere kulturelle
     Dimension, die in der bisherigen Literatur betrachtet             Hofstede, G. (2001), Culture’s Consequences: Comparing Values, Beha-
                                                                       viors, Institutions and Organizations Across Nations, SAGE Publications,
     wurde.                                                            Thousand Oaks.
          Natürlich ist es nicht unser Anliegen, mit dieser            Kashima E. S. und Y. Kashima (1998), »Culture and Language«, Journal of
     Studie verschiedene Kulturen zu bewerten oder gar in              Cross-Cultural Psychology 29(3), 461–486.

     »gut« oder »schlecht« zu unterteilen. Vielmehr möch­              Nisbett, R. E., K. Peng, I. Choi und A. Norenzayan (2001), Culture and
                                                                       Systems of Thought: Holistic versus Analytic Cognition, Psychological
     ten wir zu einem besseren Verständnis beitragen, wie              Review 108(2), 291–310.
     sich kulturelle Unterschiede auf den persönlichen Le­             OECD (2013), OECD Skills Outlook 2013: First Results from the Survey of
     bensweg auswirken. Unsere Studie beschränkt sich                  Adult Skills, Organisation for Economic Cooperation and Development,
                                                                       Paris.
     hierbei auf eine ökonomische Perspektive und den

56   ifo Schnelldienst   12 / 2021   74. Jahrgang   8. Dezember 2021
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