Infonium PH Zug 3/2020 Doppeltes Kompetenzprofil - PH Zürich
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Editorial Inhalt Editorial2 Schul- und Berufspraxis erfahren, verstehen, erkennen 3–6 Dank gemachter Praxiserfahrungen nun selbstbewusster 7 Teilnehmende berichten von ihren Erfahrungen 8–9 Den Berufsfeldbezug stärken! Mit der Co-Projektleitung im Gespräch 10 DKP-Projektergebnisse auch nach Abschluss weiter in PH-Landschaft sichtbar 11 «Brennpunktschulen» sind besonders gefordert – gerade in Zeiten von COVID-19 12–13 Esther Kamm Soziale Resonanz in der Krise – und auf einmal wird klar, wie wichtig die Lehrperson ist 14–15 Philosophieren mit Kindern: ein Beitrag zur Politischen Bildung? Bachelor-Arbeit 16–17 Die Multitaskerin, der Sportjunkie und die Einsame: Studierendenkolumne18 Informationen aus den Leistungsbereichen 19 Veranstaltungen20 Wer an der PH Zug Lehrerinnen und Lehrer ausbilden will, hat gogische Hochschulen der deutschsprachigen Schweiz idealerweise ein Lehrdiplom als Kindergärtner*in oder Primar (S. 3–6). lehrer*in und mehrere Jahre als Klassenlehrperson unterrichtet. Am Qualifizierungsangebot «Doppeltes Kompetenzprofil» (DKP) Zusätzlich wird ein Master in jenem Fach verlangt, das jemand nahmen mehrere Mitarbeitende der PH Zug teil. Im «Infonium» an der PH Zug unterrichtet. Wünschenswert sind zudem ein erzählen sie, weshalb sie beim DKP mitgemacht und wie sie vom Doktorat und Forschungserfahrung. Ergänzend dazu haben Angebot profitiert haben (S. 7–9). Die beiden Co-Leiterinnen Dozierende in der Lehrer*innenbildung eine Weiterbildung in Simone Heller-Andrist und Christa Scherrer erzählen von ihren Erwachsenenbildung bzw. Hochschuldidkatik absolviert, um gewonnenen Erkenntnissen bei der Entwicklung und Durchfüh PH-Studierende und Lehrpersonen in Weiterbildungskursen rung des Studiengangs sowie des Gesamtprojekts (S. 10). kompetent unterrichten zu können. Ende 2020 wird das DKP-Pilotprojekt beendet. Das Programm wird aber erfreulicherweise in der Förderperiode 2021–2024 Es sind sehr hohe Anforderungen, die an Dozierende von Päda von swissuniversities weitergeführt (S. 11). Es freut mich sehr, gogischen Hochschulen gestellt werden und die von der EDK dass ich neu als Mitglied der Steuergruppe des Programms P-11 reglementarisch festgehalten sind. Man spricht dabei vom in den Prozess eingebunden bin. Ein erstes starkes Signal konn «Doppelten Kompetenzprofil»: Dozierende müssen neben den te mit der Lancierung des CAS «Den Berufsfeldbezug stärken!» akademischen Qualifikationen auch über einen ausgewiesenen bereits gesetzt werden. In diesem Sinne bin ich überzeugt, dass Berufsfeldbezug verfügen. Es ist deshalb für alle PHs der an den Pädagogischen Hochschulen auch in Zukunft qualifizier Schweiz anspruchsvoll, Personal mit all diesen Qualifizierungen te Dozierende Lehre, Forschung und Praxis verknüpfen und zu rekrutieren. Daher wurde im Rahmen eines Pilotprogramms unser Bildungssystem weiterentwickeln werden. eine Weiterqualifikation für PH-Mitarbeitende im Bereich der Praxisorientierung (Berufsfeldkenntnisse) geschaffen. Im Fokus Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. stand das wissenschaftliche Personal ohne Lehrdiplom und Praxiserfahrung oder dessen Praxiserfahrung knapp ist oder Prof. Dr. Esther Kamm bereits lange zurückliegt. Am Projekt partizipierten neun Päda Rektorin 2
Schul- und Berufspraxis erfahren, erkennen, verstehen Unter welchen Voraussetzungen kann eine Dozen Pädagogischen Hochschulen – institutionelle tin, die ein Fachstudium absolvierte, selbst aber und individuelle Anforderungen an den Berufs nie Lehrerin war, erfolgreich in der Lehre an der feldbezug» nahelegt, liegt der Schwerpunkt bei PH tätig sein? Über welches Wissen zum Schul der Gestaltung des Berufsfeldbezugs und den system muss eine Beratungsperson verfügen, um hierfür erforderlichen Voraussetzungen, ohne erfolgreich beraten zu können? Welche Kenntnis dass dafür die Wissenschaftlichkeit aus dem se des Berufsalltags von Lehrer*innen benötigen Blick gerät. Das Projekt ist Teil des Programms Forschende, um mit ihnen zusammen in gemisch P-11 «Pilotprogramm zur Stärkung des doppel ten Arbeitsgruppen Entwicklungsprojekte zu reali ten Kompetenzprofils beim FH- und PH-Nach sieren? wuchs» von swissuniversities. Die breite Abstützung des Projekts in der PH- Unter dem Begriff «Doppeltes Kompetenzpro Landschaft der Schweiz ist durch die Projekt fil» (DKP) (vgl. swissuniversities, 2017) suchen ziele begründet, die qualitative sowie personel die Pädagogischen Hochschulen (PH) Antwor le Fragen der Hochschulen und damit ten auf solche Fragen. DKP steht für das Kernfragen der Hochschulentwicklung betref Selbstverständnis der PHs, wonach sie ihre fen: Das Projekt leistet einerseits einen Beitrag Kernaufgaben wissenschaftlich wie für die an die Weiterentwicklung des Verständnisses Schul- und Berufspraxis der Zielstufen bedeut des doppelten Kompetenzprofils und trägt da sam bearbeiten. Die damit einhergehende mit zum Diskurs innerhalb und zwischen den Ein Projekt – neun Hochschulen Selbstverpflichtung ist weitgehend unbestrit PHs sowie in der Scientific Community und ten, die Art und Weise der Umsetzung des dem Berufsfeld bei. Anderseits entwickelt Der Beitrag zur Bedeutung des Berufsfeldbezugs für die Lauf damit einhergehenden Anspruchs und die er es mit Fokus auf der Berufspraxis und der Pro bahn an Pädagogischen Hoch forderlichen Voraussetzungen des wissen fession und vor dem Hintergrund des vierfa schulen entstand im Kontext des schaftlichen Personals der PHs1 hierfür werden chen Leistungsauftrags ein Angebot für wis Projektes «Doppeltes Kompetenz allerdings kontrovers diskutiert. senschaftliches PH-Personal, das seinen profil der Pädagogischen Hoch schulen: Institutionelle und indi aufgabenspezifischen Berufsfeldbezug aufbau viduelle Anforderungen an den Wissenschaftlich und am Schulfeld orientiert en, erweitern oder aktualisieren möchte (siehe Berufsfeldbezug», das von den Ein Verbund von neun PHs kümmert sich im Interviews mit Teilnehmenden auf S. 7–9). Der Pädagogischen Hochschulen Zug Zeitraum 2017–2020 in einem vom Bund geför und Zürich als Leading Houses (Co-Projektleitung Simone Hel derten Hochschulentwicklungsprojekt um die 1 Der vorliegende Artikel verwendet die verbreiteten ler-Andrist, Christa Scherrer) Orientierung der Lehrer*innenbildung sowohl Bezeichnungen Dozent*in/Dozierende und wissen sowie den Pädagogischen Hoch an der Wissenschaft als auch am Berufsfeld. schaftliche Mitarbeiter*in und dafür den Oberbegriff schulen Luzern (Kathrin Kram Die PH Zug leitet das Projekt zusammen mit wissenschaftliches Personal, ausser an explizit be mer, Jürg Arpagaus), Zürich (Eli sabeth Hardegger) und Zug der PH Zürich als Co-Leading-House. Wie der zeichneten Stellen ohne Anspruch auf Trennschärfe (Clemens Diesbergen) und der Projekttitel «Doppeltes Kompetenzprofil der bzgl. der Funktion. Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik (Susanne Amft) in der Kerngruppe geführt wird. Die PH FHNW (Eliane Künzli), die PH Schwyz (Kathrin Futter), die PH Disziplinäre St. Gallen (Katrin Graber), die PH Kompetenzen Thurgau (Christoph Suter) sowie die PH Graubünden (Men Gustin) engagieren sich für das Projekt Überfachliche Kompetenzen Transfer im Rahmen der Begleitgruppe des – personal Projekts und «last, but not least» – sozial – methodisch Markus Fischer als wissenschaft licher Mitarbeiter (siehe www. dkp-ph.ch). Markus Roos (PH Performanz Zug) leitet die Begleitevaluation zum Projekt. Der vorliegende Tr r fe Artikel ist insofern Teil des Pro a ns ns a fe jektes, als er auf die im Projekt Tr r verfolgten Arbeiten zur Weiter Institutionelle und Berufsfeldbezogene entwicklung des Verständnisses organisationale Kompetenzen Kompetenzen des Berufsfeldbezugs Pädagogi scher Hochschulen, die gemein samen Entwicklungsarbeiten sowie Evaluationsergebnisse zurückgreift. Modell «Kompetenzprofil des wissenschaftlichen Personals an PHs» (vgl. Scherrer et al., eingereicht) 3
Berufsfeldbezug zeigt sich dabei wie folgt: Das Qualifikationen sowie in der Regel über ein wissenschaftliche Personal der PHs schafft Lehrdiplom und Unterrichtserfahrung auf der mit (oder bei) der Bearbeitung seiner Aufgaben Zielstufe verfügen sollen. Das Modell «Kompe für sich oder andere (z. B. Studierende) Zugän tenzprofil des wissenschaftlichen Personals an ge zum Schul-/Berufsfeld und/oder es bear PHs» (vgl. Scherrer, Heller-Andrist, Suter & beitet gemeinsame Projekte mit Personen aus Fischer, eingereicht) verdeutlicht, dass zur si beiden Feldern und es kommuniziert adressa tuationsadäquaten Performanz mehrere Kom tenorientiert. Zentral für einen aktuellen petenzbereiche zueinander in Bezug stehen Schul-/Berufsfeldbezug ist das Verstehen und müssen (vgl. Abb. 1). Es verdeutlicht, dass die wissenschaftlich begründete sowie transfor berufsfeldbezogenen Kompetenzen mit den mative Übertragen von kontextualisierbaren disziplinären Kompetenzen (z. B. Mathematik, Erkenntnissen zur Berufspraxis in das eigene Bildungswissenschaft) sowie den institutionell- Arbeitsfeld und in die Situationen der Hoch organisationalen Kompetenzen (z. B. Kenntnis schulpraxis. se zur Rollengestaltung als Mentoratsperson) profilbildend relationiert sind und dass zur Per Das Projekt, seine Bedeutung und ausgewählte formanz die je nach Aufgabe typischen Metho Ergebnisse werden nachfolgend anhand ausge den (z. B. Forschungsmethoden, hochschuldi wählter Themenschwerpunkte beleuchtet. daktische Methoden) und personalen und sozialen Kompetenzen erforderlich sind. Der Berufsfeldbezug als Teil des Kompetenz- modells für das wissenschaftliche Personal Den Berufsfeldbezug von Dozierenden und wis Der Topos «Doppeltes Kompetenzprofil» legt senschaftlichen Mitarbeitenden an PHs zu auf den ersten Blick nahe, dass sich das pro stärken, bedeutet also nicht, ihre Unterrichts fessionelle Arbeiten des wissenschaftlichen kompetenzen für die Kindergarten- oder Pri Personals an PHs einzig aus seinen wissen marschulpraxis aufzubauen oder zu aktualisie schaftlichen und seinen berufsfeldbezogenen ren. Da die Schulpraxis der Volksschule und Kompetenzen aus der eigenen Unterrichtstä die Hochschulpraxis als zwei unterschiedliche tigkeit auf der Zielstufe speist und sich formal Arbeitsbereiche mit unterschiedlichen Zielen im Hochschulabschluss und dem Zielstufendi und Anforderungen betrachtet werden (vgl. plom zeigt. Bereits für Dozierende mit einem Leonhard, 2018), geht es vielmehr darum, das Auftrag in der Lehre ist dies allerdings zu sehr Wissen und Verständnis des wissenschaftli verkürzt. Im Reglement über die Anerkennung chen Personals für das Schul- und Berufsfeld von Lehrdiplomen für den Unterricht auf der so zu stärken, dass sie ihre Arbeit auch in Be Primarstufe, der Sekundarstufe I und an Matu zug auf das Berufsfeld bedeutsam und im Aus ritätsschulen (vgl. EDK, 2019, Art. 20) ist fest tausch anschlussfähig gestalten können. Ist gehalten, dass Dozierende zusätzlich zum eine Dozentin beispielsweise mit dem Konzi Hochschulabschluss im zu unterrichtenden pieren eines Lehrmittels befasst, benötigt sie Fachgebiet auch über hochschuldidaktische einen Berufsfeldbezug, um auf Erfahrungen der Kompetenzen zur berufsfeldbezogenen Aufgabenbearbeitung Die folgenden Kompetenzen beschreiben die aufgabenspezifische Bezug d. verfügen über Zugänge und Methoden, um ausgewählte Aspekte des nahme des wissenschaftlichen Personals Pädagogischer Hochschulen Berufsfelds zu verstehen. auf das Berufsfeld. Die Kompetenzen sind unter Berücksichtigung der e. erkennen Zusammenhänge im schweizerischen Bildungssystem und individuellen Arbeitssituation und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die die daraus resultierende Komplexität und Dynamik im Berufsfeld. Laufbahngestaltung zu interpretieren und zu konkretisieren. f. verstehen die Rolle und Aufgaben von Akteur*innen des Berufsfelds, die Fähigkeiten, Einstellungen und Werte, die ihre Profession erfor Der Reihenfolge der zehn Kompetenzen liegt ein Dreischritt zugrunde, dert, und ihre Gestaltungsräume und -bedingungen im Berufsfeld. der den sich wiederholenden Prozess der Bezugnahme zum Berufsfeld g. erfahren und erkennen, wie Akteur*innen des Berufsfelds (Lehrperso beschreibt: nen, Schulische Heilpädagog*innen, Schulleitende, 1. Schritt: Aufgaben und Berufsfelder (a/b/c); Praktikant*innen ...) Schule und Unterricht erleben, beurteilen und 2. Schritt: Erfahrungen und Erkenntnisse (d/e/f/g); darin handeln. 3. Schritt: Transfer und Performanz (h/i/j). h. können die Aufgaben- und Fragestellungen sowie die Herausforderun gen im Berufsfeld auf den Leistungsauftrag der PH beziehen. Die Dozierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitenden der PH i. erkennen Innovationen und Entwicklungen im Berufsfeld und setzen a. verorten ihre Tätigkeit sowie ihre berufsbiografische Entwicklung (Lauf diese Kenntnisse in Bezug zu ihrem Arbeitsfeld an der PH. bahn) im Systemzusammenhang der PH. j. können Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Berufsfeld auf wissen b. erkennen in ihren aktuellen oder zukünftigen Aufgaben den Bedarf, die schaftlicher Basis für ihre Tätigkeit an der PH aufa rbeiten. Möglichkeiten und den Fokus des Berufsfeldbezugs. c. beziehen ihre berufsbiografischen Ressourcen in die Bedarfsanalyse zur Herstellung des Berufsfeldbezugs ein. 4
Einen Einblick in die Praxis erhalten. konkreten Umsetzung der Aufgaben aus dem entwicklung erfolgen kann. Die PHs mussten Lehrmittel in verschiedenen Klassen der Ziel also Wege finden, die Kompetenzen beim eige stufe und aus Sicht der Lehrpersonen wie der nen Personal bezüglich dem Praxis- und Pro Schüler*innen zugreifen zu können. fessionsbezug für die Aufgaben an der PH si cherzustellen und weiterentwickeln zu können. Laufbahnmöglichkeiten an PHs Das Berufsfeld sowie der gesellschaftliche Zur Professionalisierung von wissenschaftli Schulkontext sind einem stetigen Wandel un chen Mitarbeitenden und Dozierenden, die im terworfen, was die Aktualisierung einmal er Rahmen des vierfachen Leistungsauftrags an worbener Kompetenzen erfordert. PHs arbeiten, standen bisher primär Qualifizie rungsmassnahmen im Bereich der Wissen CAS «Den Berufsfeldbezug stärken!» schaftsorientierung 2 oder der Methodenkom Das vorgängig genannte Projekt machte mög petenzen3 zur Verfügung. Derweil bestand im lich, dem beschriebenen Entwicklungsbedarf Bereich der Berufsfeldorientierung allerdings im Umgang mit den vielfältigen Berufsbiografi Nachholbedarf. Da beim wissenschaftlichen en des wissenschaftlichen Nachwuchses und Personal in jüngerer Zeit die erforderliche Dop der Stärkung ihres Berufsfeldbezugs nachzu pelqualifikation (vgl. EDK-Anerkennung für Do kommen. Es wurde im Rahmen des Projekts zierendenprofile) vermehrt nicht mehr nachge ein Studienangebot4 entwickelt, durch dessen wiesen werden konnte, stellte sich zunehmend Absolvierung das wissenschaftliche Personal die Frage, wie eine entsprechende Personal seinen Berufsfeldbezug aufbauen, erweitern oder aktualisieren kann. 2 Zum Beispiel spezifische Masterstudiengänge, Nach Wesentlich ist dabei, dass sich die Teilnehmen wuchsförderungsprojekte in den Fachdidaktiken den zur Ausgestaltung ihres individuellen Be (vgl. PgB-Projekt «Aufbau Wissenschaftlicher Fachdi rufsfeldbezugs an ihrer Tätigkeit an der PH ori daktiken»), Promotionsprojekte (vgl. PgB-Projekt 1, entieren: Davon ausgehend, mit welchen TP 2 und 3) oder Habilitationsprogramme. 3 Zum Beispiel CAS «Mentorin und Coaching in der Leh 4 Der Begriff «Studienangebot» bezeichnet das bereits rerinnen- und Lehrerbildung» oder CAS Hochschul durchgeführte pilotierte Angebot, während «Studien didaktik. gang» sich auf den künftigen CAS-Studiengang bezieht. 5
Aufgaben sie betraut sind oder welche Aufga Coach begleitet werden. Es gehört zu den im ben ihnen künftig übertragen werden, erörtern Studienangebot angelegten Lernmöglichkei sie im Austausch mit ihrer personalverantwort ten, dass die Teilnehmenden den Berufsfeld lichen Person die Ausrichtung des zu stärken bezug auch nach Abschluss der Weiterqualifi den Berufsfeldbezugs. kation weiter pflegen können. Die Teilnehmenden besuchen das Berufsfeld, das auch das erweiterte Schulfeld mitein Stärkung der regionalen Zusammenarbeit schliesst (Volksschule, Sekundarstufe II, Be Den PHs wurde an der EDK-Bilanztagung II zur rufsbildung, Schulbehörden, Schulverwaltung, Lehrer*innenbildung eine erhöhte Verantwor Schulführung, Bildungspolitik, Einrichtungen tung für die Wahrnehmung und Gestaltung der zur Unterstützung von Schulen etc.), immersiv «Professionellen Allianz» zwischen den PHs und geleitet vom spezifischen Erkenntnisinter und dem Schul- und Berufsfeld zugesprochen esse. Sie erhalten dabei vertiefte Einblicke und (Ambühl & Stadelmann, 2010). Dabei ist be etablieren persönliche Kontakte zu Personen deutend, dass die Interaktionen über die Sys und Institutionen im Umfeld ihrer Tätigkeit an temgrenzen Pädagogische Hochschule – der PH. Den Schul- und Berufsalltag erfahren Volksschule hinweg als substanzielle sie explorativ und stellen Bezüge her zwischen Entwicklungsmomente verstanden werden, bei den gewonnenen Einsichten und Erkenntnissen denen gemeinsam geteilte professionelle Fra Literatur und ihren Aufgaben an der PH. gen aufgabenbezogen im Fokus stehen und Ambühl, H. & Stadelmann, W. Gibt eine Dozentin beispielsweise Vorlesungen entschieden werden (vgl. Bucher et al., 2011, (Hrsg.) (2010). Tertiarisierung der für Bildungssoziologie, können ein Job-Shado S. 63). Lehrerinnen- und Lehrerbildung. wing und Unterrichtsbeobachtungen auf der Mit den Projektarbeiten konnten über die Ent Bilanztagung I, Studien + Berich- te | 30A. Bern: Schweizerische Kindergarten- und Primarstufe zu konkreten wicklung eines Qualifizierungsangebotes hin Konferenz der kantonalen Erzie Anschauungsbeispielen aus der Schul- und aus Strukturen und Arbeiten lanciert und reali hungsdirektoren (EDK). Unterrichtspraxis bzw. dem Berufsalltag für siert werden, die den Dialog mit der Praxis in Bucher, B., Leder, C., Bircher, W., ausgewählte soziologische Inhalte führen (vgl. etablierten Rahmen stärken. In die Projektar Rohner, R., Rosenberg, S., Salz hierzu auch die Kurzporträts der Teilnehmen beiten waren, z. B. im ersten Hearing zur Ge mann, M. & Schärer, H.-R. (2011). den der PH Zug auf S. 7–9). Nebst dem mit staltung der immersiven Arbeiten der PH-Do Governance der Lehrerinnen- und Lehrerbildung in der Schweiz. In einer Fragestellung gefassten Erkenntnisinter zierenden während des Studiengangs, H. Ambühl & W. Stadelmann esse braucht es hierzu auch passende Zugän Vertretende des LCH, des Verbandes der (Hrsg.), Wirksame Lehrerinnen- ge zum Berufsfeld, einschlägiges wissen Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz sowie und Lehrerbildung, gute Schulpra- schaftliches Wissen zum fokussierten Thema auch ein Rektor einer gemeindlichen Schule xis, gute Steuerung. Bilanztagung II, Studien + Berichte | 33A wie auch grundlegendes Wissen, bspw. zum des Kantons Zug und eine Praxislehrperson der (S. 56–78). Bern: Schweizerische Unterricht auf der Zielstufe. Im Nachgang der PH Zug involviert. Der PH Zug ist es ein Anlie Konferenz der kantonalen Erzie Immersion im Feld ist eine vertiefte Reflexion gen, dem Dialog mit den Schulen im Dienst der hungsdirektoren (EDK). notwendig und es braucht hochschuldidakti gegenseitigen Professionalisierung weiterhin EDK (2019). Reglement über die sche Kompetenzen, um das Gelernte in der Aufmerksamkeit zu schenken. Anerkennung von Lehrdiplomen Lehre fruchtbar umzusetzen. Die gewonnenen für den Unterricht auf der Primar- stufe, der Sekundarstufe I und an Einsichten sollen das Lernen der Studierenden Maturitätsschulen. Bern: Schwei befördern. Der Prozess der Stärkung der auf Dr. Christa Scherrer, Co-Projektleiterin DKP zerische Konferenz der kantona gabenspezifischen Berufsfeldbezüge erfolgt und Dozentin Bildungs- und Sozialwissen- len Erziehungsdirektoren (EDK). also wissenschaftlich fundiert: Im Rahmen schaften PH Zug Leonhard, T. (2018). Das Ende eines Pflicht- und Wahlmodulangebots sowie Prof. Dr. Clemens Diesbergen, Mitglied von Theorie und Praxis? Versuch in individuellen Fachberatungen (Einzel Kerngruppe DKP, Prorektor und Leiter Aus- einer alternativen Rahmung für coachings) kann nach individuellem Bedarf bildung PH Zug die Lehrerinnen- und Lehrerbil dung. In C. Fridrich, G. Mayer- Wissen erworben werden. Die Prozessbeglei Dr. Simone Heller-Andrist, Co-Projektleite- Frühwirth, R. Potzmann, W. Greller tung der Immersion im Schul- und Berufsfeld rin DKP, Projektleiterin für Entwicklungs- & R. Petz (Hrsg.), Forschungsper- erfolgt in Workshops in Lerngruppen (Peer- und Weiterbildungsangebote im Hochschul- spektiven 10 (S. 11–26). Münster: Group-Workshops), die jeweils von einem bereich PH Zürich LIT. Scherrer, C., Heller-Andrist, S., Suter, C. & Fischer, M. (einge reicht). Die Bedeutung des Berufs feldbezugs für Laufbahnen an PHs. Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 38 (3). swissuniversities (2017). Merk- male des Hochschultypus Pädago- gische Hochschulen. Bern: swiss universities: Kammer PH. 6
Dank gemachter Praxiserfahrungen nun selbstbewusster Judith Kreuz ist Dozentin am Zentrum Mündlich keit und unterrichtet in Ausbildungsmodulen. Wie konnte sie vom Qualifizierungsangebot «Doppeltes Kompetenzprofil» (DKP) profitieren? «Beim DKP habe ich mitgemacht, weil ich einen Einblick in die Praxis erhalten wollte», erklärt Judith Kreuz. «Bei meinem Unterricht an der PH Zug, aber auch bei meinen Forschungspro jekten habe ich festgestellt, dass mir die Nähe zum Schulfeld fehlt.» Die Sprachwissenschaft lerin hat deshalb bei einer erfahrenen Lehrerin der 6. Primarklasse hospitiert und selber Lekti onen im Fach Deutsch unterrichtet. Dabei hat sie bewusst dieselben Lehrmittel und densel ben Vorbereitungsraster für ihre Lektionen eingesetzt wie ihre Studierenden. «Dank mei ner eigenen Unterrichtstätigkeit und dem Ein blick in eine Primarklasse kann ich mich nun besser in die Denkweise meiner Studierenden Judith Kreuz hat sich mit der Praxis vernetzt. hineinversetzen», ist Judith Kreuz überzeugt. «Und auch bezogen auf Forschungsprojekte immer noch viel Verbesserungspotenzial», und Weiterbildungskurse hilft es mir einzu zeigt sie sich kritisch. schätzen, an was für neuen Erkenntnissen und Inhalten Lehrpersonen wirklich interessiert Praxis mit Theorie verknüpfen sind.» Einen grossen Unterschied zu ihrem Unterricht an der PH hat sie beim Engagement der Ler Eigenen Unterricht analysiert nenden festgestellt. «Die Studierenden sind Beeindruckt hat sie, wie gut das Classroom- eher zurückhaltend. Die Schülerinnen und Management bei der besuchten Primarklasse Schüler meldeten sich von alleine, stellten Fra funktioniert hat. «Die Schülerinnen und Schü gen. Diese aktive Teilnahme war einerseits ler wussten ohne grosse Anleitung der Leh eine sehr schöne Erfahrung. Anderseits war es rerin, was sie zu tun hatten. Sie haben sehr so anspruchsvoller, eine Lektion gemäss Pla selbständig gearbeitet z. B. in Form von Werk nung durchzuführen. Aber ich denke, eine gute stattunterricht oder Gruppenarbeiten.» Span Lehrperson muss die Fähigkeit haben, vom Judith Kreuz nend fand Judith Kreuz auch, einen Eindruck Schema eines Rasters situativ abzuweichen.» von der Atmosphäre in einem Primarschulhaus Judith Kreuz hat sich im Voraus auch mit den Dr. des. Judith Kreuz arbeitet seit 2014 am Zentrum Mündlichkeit zu gewinnen, sich im Lehrerzimmer mit ande Professionsstandards für Lehrpersonen be der PH Zug. Angestellt wurde sie ren Lehrpersonen auszutauschen, von den täg schäftigt und festgestellt, dass die hohen An dazumal, um beim SNF-Projekt lichen Freuden und Sorgen zu erfahren. sprüche gar nicht immer erfüllt werden kön «Argumentative Gesprächskom Judith Kreuz hat ihren eigenen Unterricht, aber nen. «Dafür ist Schule bzw. der Unterricht zu petenz in der Schule» mitzuarbei ten. In der Zwischenzeit ist sie auch jenen der erfahrenen Lehrperson video komplex. Die Professionsstandards müssen in auch in der Lehre tätig und unter grafiert und anschliessend analysiert. Ihre Un der Praxis heruntergebrochen und den jeweili richtet unter anderem in den terrichtssequenzen hat sie mit ihrem persönli gen Situationen angepasst werden.» Modulen «Mündliche Kommunika chen Coach zusammen ausgewertet. «Es war Ihre gesammelten Praxiserfahrungen konnte tion» sowie «Wissenschaftliches Arbeiten». Ebenfalls leitet sie die eine gute Erfahrung, zusammen mit einer er Judith Kreuz bereits in ihrem Unterricht ein «Sprechberatung» der PH Zug, in fahrenen Dozentin zu besprechen, weshalb bauen. «Ich kann nun von meinen eigenen Pra der Studierende bezüglich Auf was im Unterricht wie geplant funktioniert hat xiserfahrungen erzählen und diese mit der von trittskompetenz und Stimmwir und in welchen Sequenzen es anders heraus mir vermittelten Theorie verknüpfen. Dies kung beraten und unterstützt werden. Die Gesprächsforschung gekommen ist als vorgesehen», sagt die kommt bei den Studierenden sehr gut an, weil ist bis heute ihr Steckenpferd Sprachwissenschaftlerin. «Wobei anders nicht ich ähnliche Situationen erlebt habe wie sie in geblieben. Ihre Dissertation hat immer schlecht sein muss.» Die Videoanalyse ihren Praktika.» sie über Ko-Konstruiertes Argu hat ergeben, dass ihr Unterricht gar nicht mentieren in mündlichen Grup pendiskussionen bei Grundschul schlecht war, auch wenn sie dies in der Situa Luc Ulmer, kindern verfasst. tion selber so empfunden hatte. «Es gibt aber Leiter Kommunikation & Marketing 7
Teilnehmende berichten von ihren Erfahrungen Sylvia Nadig, Fachschaftsleiterin schule konnte ich durch dieses Programm we und Dozentin sentlich intensivieren, auch für die Zukunft. Ich Sylvia Nadig ist ausgebildete Gymnasiallehrerin schätzte es, dass wir nicht Zeit investieren für Englisch und Französisch mit mehrjähriger mussten, um eine schriftliche Arbeit über un Unterrichtserfahrung in beiden Sprachen auf der sere Feldarbeit zu schreiben, sondern sie Sekundarstufe II. Zudem war sie als Lehrerin für mündlich an einer Schlusstagung präsentieren Englisch für Primarschulkinder in der Sprachschu können. Schade fand ich, dass in den Modulen le «The Language Company – English for Youngs kaum Praktiker*innen als Vortragende einbe ters» in Zug tätig. Sie ist seit Beginn der PH Zug zogen wurden. Fachschaftsleiterin Fremdsprachen und Dozentin für Fachdidaktik Englisch Primarstufe sowie Aus Wie können Sie Ihre neu angeeigneten Kompe Sylvia Nadig, Teilnehmerin tauschverantwortliche des Kantons Zug. tenzen in Ihr jetziges und zukünftiges Berufs leben einbringen? Weshalb haben Sie beim Projekt Doppeltes Kom Beim Thema Native Speakers konnte ich petenzprofil mitgemacht? bereits sehr viel in meine Unterrichtstätigkeit Als ich von diesem Angebot hörte, war ich so an der PH einbringen. So haben die Studieren fort begeistert. Obwohl ich in meinen 16 Jahren den im vergangenen Frühlingssemester an der PH Zug noch nie von Studierenden dar z. B. zu jeder Unit des Lehrmittels Young World auf angesprochen wurde, ob ich überhaupt 1–4 ein Booklet für englischsprachige Kinder Primarlehrerin gewesen sei, empfinde ich es erstellt. Dieses und weiteres Material stellen selber als einen Makel in meinem Profil. Aber wir interessierten Lehrpersonen auf damals, 2004, gab es noch gar keine Primar www.fremdsprachen.phzg.ch zur Verfügung. lehrpersonen mit Stufenerfahrung im Englisch Ausserdem hat Marie-Eve Cousin, Dozentin unterricht, da dieses Fach erst später in die Bildungs- und Sozialwissenschaften, bereits Primarschule Einzug hielt. in zwei Forschungsmodulen das Thema Native Speakers mit Studierenden bearbeitet, und In der DKP-Weiterbildung konnten Sie zum Teil ihre Resultate und Produkte werden ebenfalls selber frei wählen, wie Sie Ihre Kompetenzen auf der Webseite aufgeschaltet. Eine tolle erweitern wollten. Was haben Sie gemacht? fächerübergreifende Zusammenarbeit. Auch Ich habe v. a. Unterrichtsbesuche absolviert kann ich nun die Studierenden in Coaching- und mich mit Englischlehrpersonen ausge Gesprächen für Praktika bezüglich Native tauscht. Ich wollte herausfinden, wo im Eng Speakers sowie AdL-Klassen noch konkreter lischunterricht auf der Primarstufe der grösste beraten. Handlungsbedarf besteht. Schnell haben sich zwei Themen herausgeschält: Adäquate Förde Alexandra Schiesser, Dozentin und rung der Native Speakers sowie der Englisch Wissenschaftliche Mitarbeiterin unterricht in Klassen mit Altersdurchmischtem Alexandra Schiesser ist ausgebildete Gymnasial Lernen (AdL). Bei beiden Themen war es span lehrerin für Deutsch und Geschichte mit einem nend zu sehen, wie unterschiedliche Handha Doktorat in Linguistik. Sie hat Berufserfahrung in bungen es innerhalb des Kantons gibt. Sehr der Kommunikation, als Journalistin und Lehrerin. wertvoll war für mich auch, dass ich selber Na Sie ist als Dozentin im Fachbereich Deutsch der tive Speakers in einer 3. Klasse im Schulhaus PH Luzern und als Wissenschaftliche Mitarbeite Kirchmatt in Zug unterrichten konnte. rin am Zentrum Mündlichkeit der PH Zug tätig. Wovon haben Sie am meisten profitiert? Weshalb haben Sie beim Projekt Doppeltes Kom Alexandra Schiesser, Teilnehmerin Bei Weitem am meisten gebracht hat mir die petenzprofil mitgemacht? Feldarbeit. Dank der sehr offenen Vorgaben Meine Motivation lag in erster Linie darin, konnte ich mich genau auf die Punkte konzent mehr über das Schulfeld – konkret über die rieren, bei denen es im Englischunterricht ak Praxis an der Primarschule – zu erfahren. tuell am ehesten «brennt» und wo sich die Lehrpersonen Unterstützung wünschen. Basie In der DKP-Weiterbildung konnten Sie zum Teil rend auf meinen neuen Erkenntnissen entwi selber frei wählen, wie Sie Ihre Kompetenzen ckeln wir nun gezielte Hilfestellungen für die erweitern wollen. Was haben Sie gemacht? Lehrpersonen. Das Geben und Nehmen zwi Ich habe z. B. das Modul «Vertiefung aktueller schen Berufsfeld und Pädagogischer Hoch Entwicklungen» gewählt, in dem diskutiert wur 8
de, welche Themen die Schule aktuell beschäf fachlichen Kompetenzen ist. Sehr spannend tigen. Nebst solchen eher theoriebasierten war auch mein Besuch bei der schulergänzen Einblicken habe ich im Rahmen meiner Feldar den Betreuung. beit eine 3. Primarklasse besucht und an deren Alltag teilgenommen. Weshalb haben Sie sich auch über das ausser schulische Lernen informiert? Wovon haben Sie am meisten profitiert? Ich finde, «Bewegung» muss über den eigentli Bereichernd war der Austausch mit den übri chen Sportunterricht hinaus über die ganze gen Teilnehmenden – innerhalb der Module, Schulstruktur gedacht werden. Idealerweise aber auch über die thematischen Schwerpunk gibt es in jeder Schule eine verantwortliche te der Module hinaus. Ich kam in Kontakt mit Person für Gesundheitsförderung. Da die Bewe Personen, die in unterschiedlichen Funktionen gung für eine gesunde Entwicklung der Kinder mit der Schule zu tun haben: mit Forschenden, so zentral ist, müssen nebst dem Sportunter Sozialpädagog*innen, Lehrpersonen. Das war richt auch vor, während und nach der Schule interessant und aufschlussreich. sinnvolle Bewegungsmöglichkeiten für die Kin der bestehen. «Bewegung und Gesundheit» Marco Lütolf, Dozent muss im schulischen Alltag integriert sein. Marco Lütolf hat drei Jahre als Primarlehrer unter richtet und besitzt einen Master in Bewegungswis Christine Hofer, Coach Peer-Group-Workshop senschaften und Sport. Er war als Sportlehrer auf Dr. Christine Hofer ist Leiterin der Beratungsstel diversen Stufen tätig und ist heute Dozent für le für Bildungsfachleute der PH Zug und hat als Fachdidaktik Bewegung & Sport an der PH Zug. Coach vier Absolvent*innen des ersten Qualifi zierungsangebotes in ihren Feldstudienprojekten Weshalb haben Sie beim Projekt Doppeltes Kom begleitet. petenzprofil mitgemacht? Meine eigene Unterrichtserfahrung auf der Welche Erfahrungen haben Sie beim DKP Primarstufe liegt schon über zehn Jahre zu gesammelt? rück. Durch meine Tätigkeit als Mentor mache Die Heterogenität bei den Qualifikationshinter Marco Lütolf, Teilnehmer ich zwar Unterrichtsbesuche bei den Praktika gründen war bei den von mir betreuten Teilneh einsätzen unserer Studierenden. Zuschauen ist menden gross. Zum einen konnte das jedoch nicht dasselbe, wie selber zu unterrich Coaching-Gefäss davon profitieren und die ten. Ich wollte deshalb den Puls bei den Kin grossen Unterschiede z. B. bezüglich wissen dern und bei den Lehrpersonen fühlen und mit schaftlicher Methodologie etwas ausgleichen. tels persönlichem Austausch in Erfahrung Anderseits war es herausfordernd, das Sup bringen, wie Lehrpersonen beim Planen und portniveau für alle Teilnehmenden zufrieden Durchführen von Sportunterricht unterstützt stellend zu gestalten. Dies gilt auch für das werden können. Herausarbeiten der individuellen Fragestellun gen zum Berufsfeldbezug in Verbindung mit In der DKP-Weiterbildung konnten Sie zum Teil dem eigenen Werdegang und Qualifikations selber frei wählen, wie Sie Ihre Kompetenzen rucksack sowie den je spezifischen Herausfor erweitern wollen. Was haben Sie gemacht? derungen. Wenn die Unterschiede zu gross Ich habe bei einer 4. Primarklasse eine Unter sind, nimmt das gegenseitige Interesse ver richtseinheit zur Einführung des Volleyball ständlicherweise auch etwas ab. spiels durchgeführt. So konnte ich eins zu eins ausprobieren, ob unsere Konzepte aus der In welchen Bereichen konnten die Teilnehmen Fachdidaktik in der Praxis auch tatsächlich den am meisten profitieren? funktionieren. Die Unterrichtseinheit konnte Das Anteilnehmen an den Projekten der Peers ich erfolgreich durchführen. Überraschend war hat bereichert, der Transfer aufs eigene Pro für mich aber, wie viele Konflikte zwischen den jekt konnte teilweise gelingen, teilweise war Schülerinnen und Schülern während des Spie aber auch hier die Unterschiedlichkeit der Stu lens entstanden. Wir vermitteln in unserem dien zu gross. Zudem konnte das Abgleichen Fachdidaktikunterricht zwar, dass das Einhal der verschiedenen zeitlichen Abläufe und Pla ten von Regeln und der Umgang mit Sieg und nungsschritte eine gewisse Sicherheit vermit Niederlage mit den Kindern thematisiert wer teln, immer noch auf Kurs zu sein. Anregungen den soll. Dass dies aber einen so grossen bezüglich der Schlusspräsentation waren auch Raum einnehmen kann, war mir nicht mehr gewinnbringend. Christine Hofer, Coach bewusst. Es hat mir vor Augen geführt, welche Emotionalität im Sportunterricht steckt und Die Fragen stellte Luc Ulmer, wie wichtig die gezielte Förderung der über Leiter Kommunikation & Marketing 9
Den Berufsfeldbezug stärken! einzelnen PHs umzugehen. Es wurde mir be wusst, dass wir nur ein kleines Rädchen in der PH-Maschinerie sind.» Ein Ziel des DKP-Projektes ist, PH-Mitarbeiten de im Bereich der Praxisorientierung weiter zu bringen. Ein grosser Teil der bisherigen Teil nehmenden besass kein Lehrdiplom. Es gab aber auch PH-Mitarbeitende, bei welchen die Unterrichtstätigkeit auf der Zielstufe schon länger zurückliegt oder die ein Lehrdiplom für eine andere Unterrichtsstufe besitzen. «Das Die beiden Co-Leiterinnen Simone Heller-Andrist (links) und Christa Scherrer. Angebot befähigt nicht zum Unterrichten», be tont Simone Heller-Andrist. «Es dient dazu, Die beiden Co-Leiterinnen Simone Heller-Andrist vertiefte Innensichten bspw. einer spezifischen und Christa Scherrer erzählen von ihren gewonne Zielstufe zu erlangen.» Die Teilnehmenden sol nen Erkenntnissen bei der Entwicklung und len Einblicke in die Praxis und so wichtige Im Durchführung des Studiengangs sowie des Ge pulse für die eigene Tätigkeit an der PH erhal samtprojekts. ten. Als Beispiel nennt sie eine Dozentin, die Aufgaben ihres Lehrmittels mit verschiedenen «Das Gesamtprojekt fragt danach, wie an den Klassen der Zielstufe erprobte, um auf dieser Pädagogischen Hochschulen auf das Schul- Basis das Lehrmittel weiterzuentwickeln. und Berufsfeld Bezug genommen wird», erklärt Christa Scherrer, die beim Projekt «Doppeltes 43 Teilnehmende Kompetenzprofil» seit Anfang an dabei ist. «Es Das berufsbegleitende Qualifizierungsangebot leistet einen wichtigen Beitrag, damit sich Leh «Den Berufsfeldbezug stärken!» wurde von 43 re und Forschung an den Pädagogischen Hoch Dozierenden, Forschenden und Leitungsperso schulen noch besser mit der Berufspraxis ver nen von PHs besucht. Sie konnten aus zwei zahnen können.» Varianten «Standard» und «Light» auswählen, Das im Jahr 2017 gestartete und von swissuni die sich hinsichtlich der Anzahl Module, des versities unterstützte Projekt wird von neun Umfangs des Selbststudiums, der Feldarbeit Pädagogischen Hochschulen getragen. Die sowie der dazugehörigen Coachingeinheiten breite Abstützung habe die Entwicklung dieses unterschieden. Eine der Stärken des Angebots Simone Heller-Andrist Pilotstudienganges einerseits bereichert, an sieht Christa Scherrer darin, dass es gezielt Dr. Simone Heller-Andrist ist seit derseits aber auch herausfordernd gemacht. auf die individuellen Bedürfnisse der Teilneh März 2019 Co-Leiterin des DKP- Projekts und Studiengangleiterin «Einerseits wurde so der Diskurs für ein ge menden ausgerichtet ist. «Im Zentrum stand des CAS «Den Berufsfeldbezug meinsames Verständnis hochschulübergrei die Frage: Was braucht es, damit Mitarbeiten stärken!» an der PH Zürich. Sie fend gefördert und breit abgestützt. Ander de, dort wo sie an der PH sind, in ihrer Arbeit unterrichtete mehrere Jahre als seits ging der Prozess aufgrund der zum Teil förderlich auf das Schul- und Berufsfeld der Dozentin in Englischer Literatur an der Universität Zürich und war unterschiedlichen Standpunkte nicht immer so Zielstufe Bezug nehmen?» Deshalb wurden als Beauftragte Mittelschulen des schnell vorwärts, wie wir uns dies manchmal auch die Personalverantwortlichen der Teilneh Kantons Zürich tätig. wünschten.» menden in den Prozess einbezogen. Das Qualifizierungsangebot wurde in der Zwi Unterschiedliche Kulturen schenzeit weiterentwickelt und zum CAS «Den Christa Scherrer Simone Heller-Andrist ist seit März 2019 da Berufsfeldbezug stärken!» ausgebaut, das im Dr. Christa Scherrer hat mehrere bei. Auch ihr sind die unterschiedlichen Kultu September 2021 startet. «Der Studiengang Jahre als Primarlehrerin unter richtet und arbeitet seit 2004 als ren aufgefallen; nicht nur unter den PHs, son ermöglicht den Teilnehmenden weiterhin eine Dozentin für Bildungs- und Sozial dern auch unter den einzelnen Fachschaften. individuelle Schwerpunktsetzung», erklärt Si wissenschaften und Mentorin an Gefreut hat sie, dass es innerhalb der Kern mone Heller-Andrist, die den Studiengang lei der PH Zug. Im DKP-Projekt ist gruppe ein starkes Commitment zum Projekt tet. «Das CAS ist in drei inhaltliche Teile geglie sie seit Beginn dabei (2017). Ab Januar 2018 hat sie die Projekt gab. «Der gemeinsame Diskursprozess war dert: Modulare Elemente zum Wissenserwerb, leitung von Bruno Leutwyler sehr befruchtend und motivierend. Gleichzeitig Feldarbeit und Transfer sowie Prozessbeglei (ehemaliger Leiter F&E PH Zug) mussten wir aber auch viel Kraft und Arbeit tung und Peer-Austausch.» übernommen (seit März 2019 investieren, um die Projektziele zu erreichen. Co-Leitung mit Simone Heller- Andrist). Und wir mussten lernen, mit den unterschiedli Luc Ulmer, chen Strukturen und Hierarchien innerhalb der Leiter Kommunikation & Marketing 10
DKP-Projektergebnisse nach Abschluss weiter in PH-Landschaft sichtbar Im März 2021 erscheint das Buch «Mittendrin ist Form überführt und für die zukünftige Weiter Christa Scherrer, Simone Heller-Andrist Susanne Amft, Jürg Arpagaus (Hrsg.) vielerorts – 22 Porträts» und im Herbst 2021 star entwicklung und Nutzung des Studiengangs Mittendrin ist vielerorts 22 Porträts tet das CAS «Den Berufsfeldbezug stärken!». aufgestellt. Der Studiengang wird in der institu Mit einer literarischen Betrachtung von Tabea Steiner tionalisierten Version von der PHZH verwaltet. Die Laufzeit des Projekts «Doppeltes Kompe tenzprofil von Pädagogischen Hochschulen: Fachartikel Institutionelle und individuelle Anforderungen Im Themenheft «Doppeltes» Kompetenzprofil an den Berufsfeldbezug» ist an die Förderperi der Fachzeitschrift «Beiträge zur Lehrerinnen- ode 2017–2020 (Abschluss Mitte 2021) des und Lehrerbildung» (BzL) werden u. a. zwei Ar Programms P-11 «Stärkung des doppelten tikel mit Beiträgen von Projektmitarbeitenden Kompetenzprofils beim FH- und PH-Nach der PH Zug publiziert (Heft 3/2020, erscheint wuchs» gebunden (Koordination durch swiss Ende 2020). Die Artikel decken dabei ein brei universities). Das Programm wird in der an tes Themenfeld ab und setzen sich mit der Be schliessenden Förderperiode 2021–2024 deutung des Berufsfeldbezugs für Laufbahnen weitergeführt. Die Hochschulen wurden wie an Pädagogischen Hochschulen (Scherrer, Hel Ende März 2021 erscheint das Buch derum aufgefordert, Projektanträge einzurei ler-Andrist, Suter, Fischer) sowie mit der Be «Mittendrin ist vielerorts». chen. Zurzeit läuft die Begutachtung der neu deutung der organisationalen Umgebung für eingegebenen Projektanträge. Esther Kamm, die Performanz des Berufsfeldbezugs (Scher Rektorin PH Zug, ist neu als Mitglied der Steu rer & Thomann) auseinander. ergruppe des Programms P-11 in den Prozess eingebunden. Buch: «Mittendrin ist vielerorts – Das aktuelle Projekt ist eines von zwei aus den 22 Porträts» insgesamt acht Teilprojekten aus dem Pro Ende März 2021 erscheint im hep-Verlag das gramm P-11 (2017–2020), das von neun Päda Buch «Mittendrin ist vielerorts». Mit 22 Port gogischen Hochschulen in Kooperation ge räts von Mitarbeitenden aller PHs der Deutsch führt wird (Co-Leading-Houses: PH Zug und schweiz gibt das Buch einen umfassenden Ein PH Zürich). Das Projekt leistet einen wichtigen blick in die vielfältigen Aufgabenbereiche an Diskussionsbeitrag zum Verständnis des Dop Pädagogischen Hochschulen und zeigt auf, wie pelten Kompetenzprofils und fördert den Dia sie den Berufsfeldbezug in Abhängigkeit ihrer log zwischen den Pädagogischen Hochschu Aufgabenbereiche gestalten. Berücksichtigt len. Nachfolgend sind drei aus dem Projekt sind alle Leistungsbereiche und unterschiedli entstandene Produkte und Arbeiten, die zur chen Funktionen, die an PHs ausgeübt werden. weiteren Auseinandersetzung mit der Thema Von der PH Zug geben Carola Mantel (Leiterin tik «Doppeltes Kompetenzprofil» einladen, auf IZB) sowie Marco Lütolf (Dozent für Fachdidak geführt. tik Bewegung & Sport) Einblick in ihre Arbeit. Ein 23. Porträt ermöglicht einen Aussenblick CAS «Den Berufsfeldbezug stärken!» auf die Thematik: Die Schriftstellerin Tabea Im Projekt wurde der CAS-Studiengang «Den Steiner zeigt in ihrem Selbstporträt des litera Berufsfeldbezug stärken!» entwickelt, der ab rischen Schaffens den Umgang mit Bezügen in Herbst 2021 zum ersten Mal angeboten wird. ihrem Tätigkeitsbereich auf. Herausgegeben Wie die Pilotdurchgänge richtet er sich an wis wird das Buch von Christa Scherrer (PH Zug), senschaftliches Personal von Pädagogischen Simone Heller-Andrist (PHZH), Susanne Amft Hochschulen, «die ihren aufgabenspezifischen (HfH) und Jürg Arpagaus (PHLU). Die Buchver Berufsfeldbezug aufbauen, erweitern oder ak nissage findet am 25. März 2021 im Tagungs tualisieren möchten. Dies auch im Hinblick auf zentrum Schloss Au ZH statt. neue Aufgaben oder Funktionen in der Lauf bahn» (vgl. Flyer zum Studiengang). Die wäh Weiterführende Informationen rend dem Projekt etablierte Kooperation der Markus Fischer, neun PHs wird nach Projektende in eine neue Wissenschaftlicher Mitarbeiter DKP – CAS «Den Berufsfeldbezug stärken!» (für wissenschaftli ches Personal an PHs): phzh.ch/cas-bfb – BzL Themenheft «Doppeltes» Kompetenzprofil: bzl-online.ch – Buch Mittendrin ist vielerorts – 22 Porträts: hep-verlag.ch 11
B IB «Brennpunktschulen» sind besonders gefordert – gerade in Zeiten von COVID-19 Mehr Informationen Im Rahmen des Schul-Barometers wurden qualita ökonomie (IBB) der PH Zug in der Schweiz und tive Vertiefungsstudien1 durchgeführt, die vor in Deutschland aktuell durchgeführten Inter Das IBB hat verschiedene Pro gramme deutscher Bundesländer, nehmlich sozialräumlich benachteiligte Schulen, viewstudien zeigen die grossen Herausforde die auf die besonderen Heraus sogenannte «Brennpunktschulen», in den Blick rungen, mit denen diese Schulen in Zeiten von forderungen und Bedarfe von genommen haben. Diese grundsätzlich besonders COVID-19 besonders konfrontiert sind. Folgen Brennpunktschulen reagieren, belasteten Schulen stehen durch die Auswirkun de Merkmale lassen sich aus Sicht der Befrag wissenschaftlich begleitet. Sie alle tragen dazu bei, die individu gen und die weiteren Folgen von Corona vor zu ten der «Brennpunktschulen» bündeln: elle Beschaffenheit von Schulen sätzlichen grossen Herausforderungen (Huber, – Die Anzahl «abgehängter» Schüler*innen mit besonderen Herausforderun Schneider & Pruitt 2020a)2. ist extrem hoch. gen zu verstehen und in den je – Der Sprachkompetenzverlust bei weiligen Ausprägungen und un terschiedlichen Qualitäten mit Einige Schulen können aus ganz unterschiedli Schüler*innen ist bedenklich. den Veränderungen und Wirkun chen Gründen stärker gefordert sein als ande – Das schulische Arbeitsverhalten der gen durch Interventionsmassnah re Schulen. Dazu zählen beispielsweise ein Schüler*innen hat sich verschlechtert. men in einen Zusammenhang zu hoher Anteil an sozial benachteiligten – Festzustellen ist ein Lernrückschritt bei eini stellen. Schüler*innen und/oder niedrige Abschluss gen Schüler*innen von einem Jahr. Zu nennen sind beispielsweise quoten oder schlechtere Lernstandsergebnis – Die technische Ausstattung dieser Schulen die Programme: se. Hinzutreten können darüber hinaus in ihrer ist oft sehr schlecht. – «School Turnaround – Funktionalität gestörte Organisationsmerkma – Schulabstinenz ist verstärkt ein Thema. Berliner Schulen starten durch» le, die gehäuft auftretend u. a. zu einer deutlich – Die Chancenungerechtigkeit wird nicht an www.Bildungsmanagement.net/ ST-BE niedrigeren Schulqualität und/oder erschwer gemessen kompensiert (durch fehlende zu – «impakt schulleitung», ten Schulentwicklungsprozessen führen. Jede sätzliche Ressourcenallokation). Nordrhein-Westfalen dieser Schulen zeigt aufgrund ihrer individuel – Die Schulraumplanung und Personalkapazi www.Bildungsmanagement.net/ len Situation eine unterschiedliche Form der tät gestalten sich als problematisch. impakt – «PerspektivSchulen», Belastung. Die Belastungsfaktoren beeinträch – Eine niedrigere Qualität der Schule führt zu Schleswig-Holstein tigen deren aktuelle Qualität, aber auch die einer geringeren Wahrscheinlichkeit, die be www.Bildungsmanagement.net/ Entwicklung der Qualität. sonderen schulischen Herausforderungen zu PeSch Oft wird für diese Schulen der Begriff bewältigen und die Qualität der Bildungsan «Brennpunktschule(n)» verwendet. Konkret gebote insgesamt zu sichern. handelt es sich um Schulen, die aufgrund ihrer Lage in sozial segregierten Stadtteilen mit ei «Brennpunktschulen» benötigen passgenaue ner Häufung von negativen Qualitätsmerkma Unterstützung len konfrontiert sind. Daher finden sich für die Um «Brennpunktschulen» zu unterstützen, gilt Zum Weiterlesen: se Schulen auch Bezeichnungen wie etwa es, an ihren spezifischen Herausforderungen SchulVerwaltung spezial 4/2020 «sozialräumlich benachteiligte Schulen», und Belastungssituationen anzusetzen. Denn «Schulen in schwieriger Lage» und «Schulen in wenn man die unterschiedlichen Belastungen Wie gelingt es, unterschiedlich herausgeforderte, belastete sozial deprivierter Lage» (Klein 2017). Diese und Herausforderungen besser versteht, kann Schulen zu unterstützen? Welche Schulen kennzeichnet eine hohe Anzahl von diesen mit konkreten Massnahmen gezielter Art von Unterstützung, welche Schüler*innen aus sozial benachteiligten Fami begegnet werden, um wirksame (effektive und Schulentwicklungsverfahren und liensituationen. effiziente) Veränderung bzw. Verbesserung zu -massnahmen haben sich als besonders hilfreich erwiesen? erzielen. Die schulische Veränderung soll da Das IBB beschäftigt sich seit gut Was sind die Herausforderungen bei durch umfassende und passgenaue Prozes 15 Jahren mit besonders belaste von «Brennpunktschulen»? se der Schulentwicklung erreicht werden und ten Schulen. Aktuell bietet die Die im Rahmen des Schul-Barometers vom die Handlungsfähigkeit der Schulen stärken. jüngst erschienene und von Prof. Dr. Stephan Huber (Leiter IBB), Institut für Bildungsmanagement und Bildungs Schulen, die eine Schülerschaft mit einem ho Jane Pruitt und Julia A. Schneider hen Anteil an familiär Benachteiligten aufwei (Mitarbeitende IBB) herausgege 1 Es wurden zwei qualitative Vertiefungsstudien durch sen, müssen verstärkt erzieherisch arbeiten. bene Fachzeitschrift SchulVer geführt: Einmal mit rund 50 Schulleitenden in der Schulen mit niedriger Ausprägung von Schul waltung spezial 4/2020 «Schulen mit besonderen Herausforderun Schweiz zum Thema aktuelle Herausforderungen an qualitätsmerkmalen müssen zunächst Struktu gen – besonders belastete Schu ihren Schulen (hier waren auch einige Schulleitende ren der Handlungskoordination aufbauen. Fal len» Anregungen und Impulse, um an «Brennpunktschulen» vertreten) und eine zweite len beide Belastungen zusammen, können Brennpunktschulen gezielt in Studie an zehn «Brennpunktschulen» in Deutschland Schulen durch das Zusammenwirken der ein ihrer Schulentwicklung zu unter stützen. zur aktuellen Schulsituation (dort jeweils mit den zelnen Faktoren in eine weitere Abwärtsspirale Schulleitungen, Lehrpersonen, Erziehenden und gelangen. Qualitätsmerkmale der Schule kön www.Bildungsmanagement.net/ SVS Schulsozialarbeiter*innen, Eltern, Schüler*innen). nen deutlich abnehmen, was wiederum zu wei 2 In Auszügen aus Huber, Schneider & Pruitt, 2020b. teren negativen Veränderungen (Abnahme der 12
IB B Schüler*innenzahlen, des Aussenprestiges, Digitalisierung. Angeregt wird, diese Situation Literatur erhöhte Personalfluktuation etc.) führt. jetzt für Schulentwicklung zu nutzen und dabei Holtappels, H. G., Webs, T., Ka Faktoren wie beispielsweise der sozioökonomi vor allem die Themen Digitalisierung, Koopera marianakis, E. & van Ackeren, I. sche Status der Schülerschaft sind aus Sicht tion und Individualisierung zu fokussieren. (2017). Schulen in herausfordern der Schule kaum zu verändern (vgl. Kneip & Auch «Brennpunktschulen» sind gefordert, die den Problemlagen – Typologien, Forschungsstand und Schulent Sommer 2019, S. 18). Dagegen kann die Einzel se Themen aufzugreifen und daran zu arbeiten. wicklungsstrategien. In V. Maniti schule durch Verbesserung der innerschuli In diese – allerdings gesamtgesellschaftliche – us & P. Dobbelstein (Hrsg.), schen Faktoren bedeutende Veränderungen Aufgabe sollten jedoch neben schulischen Schulentwicklungsarbeit in her- herbeiführen: «Oft liegt das Problem des Ver auch ausserschulische Akteure, insbesondere ausfordernden Lagen. Münster: Waxmann, S. 17–35. sagens oder der mangelnden Effektivität der auch die Politik in der Ressourcenallokation, Schule nicht allein im Schulkontext, sondern eingebunden werden. Es gilt, ausreichende Huber, S. G. (2013). Perspektiven für Schulen in kritischer Lage. auch oder gar allein im Entwicklungsstand der personelle und sächliche Ressourcen zur Ver Expertise zum Projekt «School Schul- und Unterrichtsqualität» (Holtappels et fügung zu stellen, vor allem zur Entlastung von Turnaround: Berliner Schulen al. 2017, S. 18). Als Defizite im innerschuli Schulen oder Lehrpersonen, die besonders starten durch» der Robert Bosch schen Bereich von Schulen mit mangelnder gefordert sind in der Bewältigung ihrer speziel Stiftung in Kooperation mit der Berliner Senatsverwaltung für Schulqualität werden u. a. unzureichendes len Herausforderungen. Bildung, Jugend und Wissenschaft. Führungshandeln (wenig Zusammenarbeit von Schulträgern oder Gemeinden obliegt es, un Literaturüberblick, nationales und Schulleitung und Kollegium), ineffektive Orga bürokratisch Ressourcen für die technische internationales Projektbenchmar- nisationsstrukturen und defizitäre Schulent Ausstattung der Schüler*innen, die Ausstat king und Empfehlungen für Berlin. Zug: Institut für Bildungsmanage wicklungskompetenz (unzureichender Umgang tung mit Technologie an den Schulen, für die ment und Bildungsökonomie, mit Daten, mangelnde Personalentwicklung, Umsetzung der Hygienevorschriften und für Pädagogische Hochschule Zug. unrealistische Zielsetzung, erfolglose Strate weitere Aspekte der Ausstattung der Schulen, Huber, S. G. (2017). Besonders gien) erwähnt (vgl. Huber 2017, S. 39; Huber Lehrpersonen und Schüler*innen (Wissen, belastete Schulen: Merkmale, 2013). Daneben rücken heute vermehrt auch Zeit, Technik) zur Verfügung zu stellen. Dynamiken und Entwicklungs die Haltungen der Lehrpersonen zu ihren Zentral ist allerdings immer ein professionel möglichkeiten. Ein internationaler Überblick. In P. Dobbelstein & Schüler*innen in den Fokus. les, profundes und persistentes Handeln der V. Manitius (Hrsg.), Schulentwick- Schulaufsicht und Schule und damit aller an lungsarbeit in herausfordernden «Brennpunktschulen»: Programme Schule Beteiligten in der Schulentwicklung Lagen. Beiträge zur Schulentwick- und Konzepte gemäss der schulspezifischen Schulstrategie. lung (S. 36–62). Münster: Waxmann. In den qualitativen Daten des Schul-Barome ters zeigt sich: Viele schulische Akteure sehen Huber, S. G., Schneider, J. A. & Pruitt, J. (Hrsg.) (2020a). Schulen in der Krise auch eine grosse Chance, Schule Stephan Gerhard Huber (Leiter IBB), Julia A. mit besonderen Herausforderun- neu zu denken, insbesondere hinsichtlich der Schneider & Jane Pruitt (Mitarbeitende IBB) gen – Besonders belastete Schu- len. SchulVerwaltung spezial, 4, Köln: Wolters Kluwer Deutschland. Huber, S. G., Schneider, J. A. & Pruitt, J. (2020b). Schulen mit besonderen Herausforderungen – Besonders belastete Schulen. In S.G. Huber, J.A. Schneider & J. Pruitt (Hrsg.), SchulVerwaltung spezial. Zeitschrift für Schulgestal- tung und Schulentwicklung, 22(4), 148–152. Klein, E. D. (2017). Bedingungen und Formen erfolgreicher Schul entwicklung in Schulen in sozial deprivierter Lage. Eine Expertise im Auftrag der Wübben Stiftung. In: DuEPublico: Duisburg-Essen Publications Online, University of Duisburg-Essen, Germany. Kneip, W. & Sommer, U. (2019). Chancengerechtigkeit durch Schul- und Unterrichtsentwick lung an Grundschulen. In E. Incke mann, M. Micha, R. Sigel & T. Trautmann (Hrsg.), Chancenge- rechtigkeit durch Schul- und Unter- richtsentwicklung an Grundschu- len. Konzeptionelles, Konkretes und Anschauliches, S. 17–33. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt. 13
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