Infrastruktureller Nachholbedarf der neuen Bundesländer

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Infrastruktureller Nachholbedarf der neuen Bundesländer
Probleme einer Analyse des teilungsbedingten Nachholbedarfs
anhand eines physischen Ansatzes                                                                                                              21

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Im Rahmen einer von den Regierungen der ostdeutschen Bundesländer in Auftrag gegebe-
nen Studie bestimmte das ifo Institut den nach Auslaufen des Solidarpakts I im Jahr 2005
noch verbleibenden, teilungsbedingten infrastrukturellen Nachholbedarf der neuen Bundes-
länder anhand eines »physischen Ansatzes«. Die Untersuchung beschränkte sich auf die Be-
reiche Verkehr und Ver- und Entsorgung. Der infrastrukturelle Nachholbedarf in diesen Be-
reichen wurde zunächst für den aktuellen Rand aus dem Vergleich mit der Ausstattung der
alten Länder berechnet. Anschließend wurde in einer Projektion geschätzt, bis auf welche
Größenordnung die neuen Bundesländer diesen Nachholbedarf bis zum Jahr 2005 voraus-
sichtlich abgebaut haben werden. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass in den neu-
en Bundesländern – im Vergleich zu den westdeutschen Ländern – auch im Jahr 2005 noch
ein erheblicher teilungsbedingter Nachholbedarf an Infrastrukturausstattung bestehen wird.

Der Ausbau der Infrastruktur in den ost-      dete sich aus der Verpflichtung, den »tei-
deutschen Ländern war nach dem Sys-           lungsbedingten Nachholbedarf« an in-
temwechsel ein wesentliches Element des       frastruktureller Ausstattung in den ost-
Transformationsprozesses:                     deutschen Ländern zu beseitigen.

• Die Ausstattung mit Infrastrukturein-       Im Hinblick auf das Auslaufen des Soli-
  richtungen war geprägt durch den Be-        darpakts I Ende 2004 entschieden sich
  darf des alten sozioökonomischen            die Regierungen der neuen Länder, eine
  Systems und musste auf die Anforde-         förderpolitische Bilanz zu ziehen und im
  rungen einer offenen Wettbewerbs-           Vorfeld eines zu konzipierenden Soli-
  wirtschaft umgestellt werden.               darpakts II ab 2005 den dann noch be-
• Nach fast 50-jähriger innerdeutscher        stehenden teilungsbedingten infrastruk-
  Abschottung mussten Verkehrswege,           turellen Nachholbedarf zu analysieren und
  Telekommunikationsnetze etc. auf die        so weit wie möglich zu quantifizieren.
  gesamtdeutsche Integration und die
  westdeutschen bzw. europäischen
  Normen ausgerichtet werden.                 Das Umfeld der ifo Untersuchung
• Die Infrastruktur befand sich infolge un-
  genügender Instandhaltung und Er-           Um die in die neuen Verhandlungen ein-
  neuerung weitgehend in einem deso-          zubringenden finanziellen Forderungen
  laten Zustand. Modernisierungsmaß-          abzuschätzen und zu begründen, gaben
  nahmen in Anpassung an veränderte           die ostdeutschen Bundesländer 1999
  Ansprüche blieben auf wenige Berei-         mehrere Forschungsprojekte in Auftrag.
  che beschränkt.                             Diese sollten entweder den im Jahr 2005
                                              noch verbleibenden, teilungsbedingten in-
In den vergangenen zehn Jahren sind be-       frastrukturellen Nachholbedarf der neu-
reits erhebliche Mittel in Erneuerung und     en Länder beziffern oder die Auswirkun-
Ausbau der Infrastruktur geflossen und        gen eines Wegfalls von Transferleistungen
in allen Infrastrukturbereichen Verbesse-     analysieren.
rungen erzielt worden. Neben den tradi-
tionellen fachspezifischen öffentlichen In-   Im Rahmen der von fünf Instituten1 unter
vestitionsprogrammen wurden umfang-           Verwendung unterschiedlicher Konzepte
reiche Fördermittel im Rahmen des Soli-       und Methoden durchgeführten Analysen
darpakts I und anderer Programme ein-         und Berechnungen hat das ifo Institut den
gesetzt. Dazu zählen die Gemeinschafts-
aufgabe »Verbesserung der regionalen          1   Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW),
Wirtschaftsstruktur«, die Europäischen            Berlin, Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH),
Strukturfonds, die Bundesergänzungs-              Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsfor-
                                                  schung (RWI), Essen, Institut für ländliche Struk-
zuweisungen, die kommunalen Investi-              turforschung (ILS) an der Universität Frankfurt am
tionshilfen etc. Diese Förderung begrün-          Main und ifo Institut.

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22   Forschungsergebnisse

     Auftrag erhalten, den Nachholbedarf anhand eines »physi-                         In Abgrenzung gegenüber sonst üblichen Bedarfsschät-
     schen Ansatzes« zu bestimmen und sich auf die wesent-                            zungen aus vorgegebenen, politisch gewünschten Stan-
     lichen Infrastrukturbereiche Verkehr und Ver- und Entsor-                        dards für die Versorgung von Wirtschaft und Bevölkerung
     gung zu beschränken. Das 2000 fertiggestellte Gutachten                          wurde für dieses Gutachten also nicht eine solche gesell-
     des ifo Instituts2 quantifiziert den teilungsbedingten Nach-                     schaftliche Norm, sondern die Ausstattung der westdeut-
     holbedarf der neuen Bundesländer an den genannten In-                            schen Bundesländer mit Infrastruktureinrichtungen als Ziel
     frastruktureinrichtungen durch Messung der physischen Dif-                       gesetzt. Diese Wahl wurde deshalb getroffen, weil die not-
     ferenz zur Ausstattung der alten Länder. Versehen mit den                        wendigen Transferzahlungen zur Finanzierung von Inves-
     Kosten zur Beseitigung eines festgestellten physischen                           titionen in die Infrastruktur aus der deutschen Teilung be-
     Rückstands wurde daraus der monetäre teilungsbedingte                            gründet wurden und nicht aus Behinderungen des Wirt-
     Nachholbedarf der neuen Länder berechnet.                                        schaftswachstums bzw. einer mangelhaften Versorgung
                                                                                      der Bevölkerung. Die Benchmarkwahl impliziert eine gan-
     Der gewählte Ansatz litt nicht nur unter den Schwierigkei-                       ze Reihe von einschränkenden Interpretationen der Be-
     ten, die aus den Spezialitäten der Methode selbst bzw. der                       rechnungsergebnisse, die im Einzelnen dargelegt werden.
     völlig unzureichenden Datenlage entstanden, auch der ge-
     wählte Maßstab, die Ausstattung der westdeutschen
     Bundesländer, ist problematisch. Unter den einschränken-                         Die Probleme
     den Bedingungen mussten nicht unerhebliche Lücken in den
     zu errechnenden Bedarfen in Kauf genommen werden.                                ... aus der Wahl der Messlatte

     Die ermittelten Quantitäten des infrastrukturellen Nachhol-                      Der Vergleich mit den westdeutschen Bundesländern mag
     bedarfs sind jedoch nicht zentraler Gegenstand dieses Auf-                       aus politischen Gründen, nämlich als Argument für die For-
     satzes – sie sind in der Publikation des Gesamtgutachtens                        derung nach zusätzlichen Transfers der alten Länder, not-
     verfügbar. Im Folgenden sollen vielmehr die Implikationen                        wendig und auch sinnvoll erscheinen und kann wahr-
     der Benchmarksetzung sowie die Definitions-, Daten- und                          scheinlich nicht umgangen werden. Er begrenzt jedoch in
     Abgrenzungsschwierigkeiten eines physischen Ansatzes                             unseren Augen die Entwicklung der ostdeutschen Infra-
     dargelegt werden.                                                                struktur, weil »nur« eine Anpassung an die westdeutschen
                                                                                      Länder und nicht an eine optimale Versorgung von Wirtschaft
                                                                                      und Bevölkerung angestrebt wird.3 Die aus der Wahl der
     Der ifo Ansatz                                                                   Benchmark resultierenden Vorgaben für die Entwicklung der
                                                                                      ostdeutschen Infrastruktur wurden im Verlauf der Analysen
     Der Ansatz des ifo Instituts ging der Fragestellung des Gut-                     deutlich.
     achtens entsprechend von der physischen Ausstattung
     der Bundesländer und Gemeinden mit Infrastrukturein-                             Unterschiedliche Rahmenbedingungen
     richtungen aus und ermittelte aus der mengenmäßigen
     und qualitativen Differenz zwischen ost- und westdeut-                           Für die Bilanzierung wurden jeweils die west- und ost-
     schen Ländern die Höhe der Mittel, die zum Abbau der                             deutschen Bundesländer insgesamt, jedoch unter Aus-
     Differenz aufzuwenden sind. Die darauf angelegte Vorge-                          schluss der Stadtstaaten mit ihren speziellen Bedingun-
     hensweise bestand im Wesentlichen aus drei Arbeits-                              gen, herangezogen. Berlin wurde gesondert in Vergleich
     schritten:                                                                       zu Hamburg gesetzt, wobei hier zusätzliche Bedenken
                                                                                      aufgetreten sind: Grundsätzlich hätte für Ostberlin West-
     • Ermittlung der aus der deutschen Teilung entstandenen                          berlin als Benchmark dienen müssen. Dies ist jedoch an
       physischen Differenz an den einzelnen Infrastrukturein-                        der Datenlage und an der Überlegung gescheitert, dass
       richtungen zwischen den ostdeutschen und westdeut-                             Wirtschaft und Bevölkerung Ostberlins die Westberliner
       schen Bundesländern nach Menge und Qualität/Zustand                            Infrastruktureinrichtungen benutzen können. Der hier vor-
       am aktuellen Rand,                                                             genommene Vergleich von Gesamtberlin mit Hamburg
     • Berechnung des aktuellen monetären Sanierungs- und                             führt wiederum zu einer Verzerrung, da die Westberliner
       Investitionsbedarfs zur Beseitigung dieser Differenz,                          Ausstattung den den ostdeutschen Ländern zugeord-
     • Prognose des bis zum Jahr 2005 zu erwartenden Ab-                              neten Berliner Durchschnitt schönt. Trotzdem musste
       baus bzw. des dann noch bestehenden Nachholbedarfs                             mangels korrekter Alternativen dieses Vorgehen gewählt
       an Infrastrukturausstattung in den neuen Bundesländern.                        werden.

     2   Behring, K. et al. (2000), Infrastruktureller Nachholbedarf der neuen Bun-   3   Möglicherweise kann jedoch die Anpassung an die alten Länder als we-
         desländer – Quantifizierung in ausgewählten Bereichen bis zum Jahr 2005,         sentlicher, aber nicht ausreichender Schritt im Aufschwung der neuen Län-
         ifo dresden studien 26, München.                                                 der interpretiert werden.

     ifo Schnelldienst 9/2001 – 54. Jahrgang
Forschungsergebnisse              23

                                                                 Wegen des wirtschaftlichen Rückstands in den neuen Län-
   Tab. 1
                                                                 dern ist dort die Jahresfahrleistung pro Pkw und damit
   Bevölkerungsdichte (Einwohner pro km2)
                                                                 auch die Auslastung des überörtlichen Straßennetzes we-
                                                                 sentlich niedriger als in den alten Ländern. Misst man je-
                                                                 doch die Straßenlängen pro Flächeneinheit, so ergibt sich
                                                                 aber für die neuen Länder ein Nachholbedarf, wobei ein
                                                                 gleich hoher Bedarf an Mobilität bei gleich hohem Pkw-
                                                                 Besatz vorausgesetzt ist. In welcher Zeitspanne das West-
                                                                 niveau in den ostdeutschen Ländern erreicht sein wird,
                                                                 konnte in die Berechnungen nicht mit einbezogen werden.
                                                                 Wird nun der festgestellte Nachholbedarf bei weiter ge-
                                                                 dämpftem Verkehr gedeckt, so führt das zu »paradiesi-
                                                                 schen Zuständen«.

Um den grundsätzlichen Abweichungen in den Rahmenbe-
                                                                 Ähnliche Interpretationsschwierigkeiten zeigten sich bei der
dingungen des Ostens von denen des Westens Rechnung
                                                                 Analyse der Abwasserentsorgung, zwar nicht als Folge der
zu tragen, wurden die neuen Länder (ohne Berlin) jeweils al-     mangelnden Wirtschaftskraft, aber verursacht durch die dis-
ternativ auch den vier finanzschwächsten alten Bundeslän-        perse Siedlungsstruktur. Denn es erweist sich als äußerst
dern gegenübergestellt: Niedersachsen, Rheinland-Pfalz,          unökonomisch, jeden »Einödhof« an die öffentliche Abwas-
Saarland, Schleswig-Holstein. Damit wurde versucht, den          serentsorgung anzuschließen. Für die Bestimmung des
Einfluss wesentlicher Unterschiede, insbesondere in der Wirt-    Nachholbedarfs musste jedoch eine entsprechende Verän-
schaftskraft, auf die Höhe des Nachholbedarfs zu begrenzen.      derung der Siedlungsstruktur vorausgesetzt werden.
Dennoch blieben auch bei dieser Wahl die den Vergleich »stö-
renden« Unterschiede bestehen. Als relevant für die Ermitt-      Die Benchmark westdeutsche Länder – egal, ob Flächen-
lung bestimmter Differenzen zwischen Ost und West hat sich       staaten insgesamt oder finanzschwache Flächenstaaten –
insbesondere die unterschiedliche Siedlungsstruktur erwie-       impliziert darüber hinaus eine Übernahme der westdeut-
sen, die sich in der stark differierenden Bevölkerungsdichte     schen Zusammensetzung, Verteilung und Ausgestaltung der
andeutet, wie Tabelle 1 zeigt.                                   Infrastruktureinrichtungen. Das bedeutet, dass dadurch den
                                                                 ostdeutschen Ländern die Deckung ihres Nachholbedarfs
Der direkte Vergleich der physischen Größen der Infra-           nach westdeutschem Muster theoretisch vorgegeben ist.
strukturausstattung zwischen alten und neuen Bundeslän-          Damit
dern ist darüber hinaus auch deshalb nur beschränkt aus-
sagefähig, weil allein schon Fläche und Bevölkerungszahl         • ist nicht nur der Weg verbaut, den eigenen spezifischen
zwischen den Ländern sehr stark differieren. Um sinnvolle          Gegebenheiten und zukünftigen Aussichten Rechnung
Unterschiede feststellen zu können, mussten deshalb Indi-          zu tragen,
katoren gebildet werden, die die Infrastrukturgrößen an-         • sind immer auch die in den alten Ländern bestehenden
satzweise standardisieren. Wie in derartigen Forschungs-           Qualitätsmängel der Infrastruktureinrichtungen implizit
projekten üblich haben auch wir die Netzinfrastruktur an           übernommen,
der Fläche und die Punktinfrastruktur an der nutzenden Be-       • wird möglicherweise ein Zuviel an Infrastruktur in West-
völkerung »standardisiert«.                                        deutschland nachgebaut und
                                                                 • werden in jedem Fall die Planungs»fehler« der westdeut-
Anpassung an die Westausstattung                                   schen Länder, die schon zu einer politischen Umorientie-
                                                                   rung geführt haben, die sich aber noch nicht in einer ver-
Die Messung des teilungsbedingten Nachholbedarfs an der            änderten Infrastrukturausstattung zeigen, wiederholt.
Ausstattung der Westländer impliziert gleiche Rahmenbe-
dingungen in Ost und West: gleiche Bevölkerungsdichte, glei-     Ein bekanntes Beispiel für eine Umorientierung in der In-
chen Pkw-Besatz, gleiches Bruttoinlandsprodukt pro Kopf,         frastrukturplanung bietet das in den sechziger Jahren pro-
gleiche Industriestruktur, gleiche Siedlungsstruktur, also zu-   pagierte Leitbild der autogerechten Stadt, von dem die west-
sammenfassend gleiche Nutzungsanforderungen. Als Folge           deutschen Kommunen heute zugunsten des öffentlichen
der unumgänglichen Vereinfachung in der Standardisierung         Personennahverkehrs abweichen.
wurde der Nachholbedarf in den neuen Bundesländern dort
überschätzt, wo eine vergleichsweise unterdurchschnittliche      Da die »westliche« Entwicklung der neuen Bundesländer
Entwicklung dieser Rahmenbedingungen zu einem geringe-           zum Zeitpunkt 1990 einsetzt, zu einem Zeitpunkt, zu dem
ren Nutzungsbedarf an Infrastruktureinrichtungen führt wie       die gesellschaftlichen und politischen Ziele andere sind als
beispielsweise bei der Verkehrsinfrastruktur.                    die in den Jahrzehnten davor in den westdeutschen Län-

                                                                                     54. Jahrgang – ifo Schnelldienst 9/2001
24   Forschungsergebnisse

     dern gültigen, werden die Zwischenschritte, die die aktuel-     darfs hat sich gezeigt, dass je nach verwendetem Indikator
     le Zusammensetzung der Infrastruktureinrichtungen in den        sehr unterschiedliche Ergebnisse für die Höhe des Nach-
     alten Ländern geprägt haben, übersprungen.                      holbedarfs zustande kommen. Bei der Beurteilung der Aus-
                                                                     stattung mit Straßen lassen sich beispielsweise für die fol-
     Die Infrastrukturausstattung der neuen Länder ist demge-        genden Indikatoren plausible Hypothesen bilden:
     genüber durch eine wesentlich andere Entwicklung in der
     Vergangenheit entstanden. Mit dem Neubeginn in 1990 be-         • Die Anzahl der Straßen-Kilometer pro Fläche im ost- und
     steht für die neuen Länder somit eine ganz andere Aus-            westdeutschen Durchschnitt: Dieser Indikator gibt Hin-
     gangsbasis, deren Angleichung an die entwicklungsgeprägte         weise auf den Grad der Flächenerschließung; je mehr
     westliche Ausstattung zumindest zu überdenken wäre. Ei-           Kilometer Straße pro Flächeneinheit, desto bessere Er-
     ne Anpassung an derzeit gültige gesellschaftliche und poli-       schließung, desto bessere Mobilitätsmöglichkeiten für
     tische Ziele würde demgegenüber einen »Vorsprung« vor             Wirtschaft und Bevölkerung. Der westdeutsche Durch-
     den alten Ländern nach sich ziehen.                               schnitt liegt merklich über dem des Ostens: Man kann
                                                                       daraus auf einen hohen Nachholbedarf der neuen Län-
     Aber auch eine Anpassung an die aktuelle westdeutsche In-         der schließen (vgl. Abb. 1).
     frastrukturausstattung bevorzugt die neuen Bundesländer         • Die Anzahl der Straßen-Kilometer pro Einwohner im ost-
     hinsichtlich der Qualität der Infrastruktureinrichtungen, da      und westdeutschen Durchschnitt: Dieser Indikator zeigt
     Neubau und Sanierung von Infrastruktur immer und in allen         an, welche Mobilitätsmöglichkeiten der Bevölkerung zur
     Bereichen nach neuestem technischen Standard erfolgen.            Verfügung stehen; je mehr Kilometer pro Person, desto
     Eine Deckung von Nachholbedarf in den neuen Ländern               mehr Bewegungsqualität. Hier liegt der ostdeutsche
     führt dadurch stets zu einer höheren Qualität im Vergleich        Durchschnitt über dem für die westdeutschen Bundes-
     zu der in den alten Bundesländern vorhandenen, als Bench-         länder: Daraus ergibt sich kein Nachholbedarf.
     mark gesetzten Infrastruktur, so dass sich daraus ein »Nach-    • Anzahl der Straßen-Kilometer pro Pkw im ost- und west-
     holbedarf« der alten Länder abzuzeichnen beginnt.                 deutschen Durchschnitt: Auch bei Verwendung dieses
                                                                       Indikators, der Hinweise auf die Dichte des Verkehrs und
     Die aufgezeigten Implikationen des Vergleichsmaßstabs für         damit mögliche Überlastungen und Einschränkungen der
     die Berechnung des Nachholbedarfs der neuen Länder über           Mobilität der Bevölkerung gibt, zeigt sich kein Nachhol-
     einen physischen Ansatz sollten bei der Verwertung der Er-        bedarf bei den ostdeutschen Bundesländern (vgl. Abb. 2).
     gebnisse, bei einer Umsetzung in die zukünftige Infrastruk-
     turpolitik in den neuen Ländern unbedingt berücksichtigt        Da die ostdeutschen Bundesländer eine Angleichung der
     werden. Zwar ist die politische Argumentation einsichtig, wir   Lebensverhältnisse zugrunde legen (siehe oben), ist auf ei-
     plädieren aber dafür, die aus dieser Argumentation erreich-     ne Bezugsgröße abzustellen, die die niedrigere Wirt-
     ten zukünftigen Transfers unabhängig von den ermittelten        schaftskraft und die abweichenden Siedlungsstrukturen un-
     Differenzen einzusetzen. Denn die westdeutsche Infra-           berücksichtigt lässt. Damit haben wir uns gleichzeitig für
     strukturausstattung muss nicht die für die aktuellen und vor    die Konvention zur Beurteilung von Netzinfrastrukturein-
     allem zukünftigen ostdeutschen Verhältnisse optimale Struk-     richtungen durch Indikatorenbildung mit der Fläche ent-
     tur und das »richtige« Niveau bilden.                           schieden.

                                                         Abb. 1
     ... aus der Wahl des physischen Ansatzes

     Neben dieser die tatsächlichen Bedarfe mög-
     licherweise verfälschenden Benchmarkset-
     zung tauchten jedoch auch noch eine gan-
     ze Reihe davon unabhängiger Probleme auf,
     die pragmatisch bzw. über Konventionen zu
     lösen waren. Diese Probleme wurden typi-
     scherweise durch die Untersuchungsme-
     thode des Zählens physischer Größen ver-
     ursacht.

     Indikatorenwahl

     Bei der Bildung der oben schon erwähnten
     Indikatoren zur Messung des Nachholbe-

     ifo Schnelldienst 9/2001 – 54. Jahrgang
Forschungsergebnisse                      25

  Abb. 2                                                                             Aus diesen Gründen haben wir für dieses
                                                                                     Gutachten entschieden, die Infrastrukturein-
                                                                                     richtungen in privater Trägerschaft oder in
                                                                                     Kompetenz des Bundes möglichst mit ein-
                                                                                     zubeziehen – wobei eine korrekte Trennung
                                                                                     sowieso häufig unmöglich war.4 Die umfas-
                                                                                     sende Betrachtung erfolgt allerdings nicht
                                                                                     immer explizit, sondern meistens implizit da-
                                                                                     durch, dass der Nachholbedarf der neuen
                                                                                     Bundesländer an der Verteilung der Infra-
                                                                                     struktureinrichtungen zwischen den Gebiets-
                                                                                     körperschaften einerseits und öffentlicher
                                                                                     Hand und Privatwirtschaft andererseits der
                                                                                     westdeutschen Länder gemessen wurde.5
                                                                                     Das bedeutet u.a., dass für die neuen Län-
                                                                                     der über den Abbau des Nachholbedarfs
                                                                                     i.d.R. die in den alten Ländern vorfindbaren
                                                                                     Substitutionsbeziehungen realisiert werden.
Substitutive Beziehungen
                                                                Der errechnete Nachholbedarf der Gebietskörperschaften
Für die Verhandlungen der ostdeutschen Länder über wei-         der neuen Bundesländer könnte je nach Größenordnung der
tere Transferzahlungen zur Deckung des infrastrukturellen       Zuständigkeit von Bund und Privatwirtschaft unter- oder
Nachholbedarfs sind die finanziellen Belastungen der Län-       überschätzt sein. Allein im Bereich der überörtlichen Stra-
der und Gemeinden relevant, nicht jedoch die des Bundes         ßen lässt die amtliche Statistik eine Zuordnung auf Bund
für Infrastruktureinrichtungen in seiner Zuständigkeit und      einerseits und Länder und Gemeinden andererseits zu.
auch nicht solche, die von der privaten Wirtschaft aufge-
bracht werden müssen. Eine korrekte Abgrenzung zwischen         Neben der Substitution zwischen Einrichtungen mit ver-
den verschiedenen Zuständigkeiten/Trägerschaften erschien       schiedenen Zuständigkeiten musste die Behandlung wei-
weder möglich, noch durchgängig sinnvoll, weil                  terer substitutiver Beziehungen geklärt werden. Dabei han-
                                                                delt es sich im Wesentlichen um folgende:
• derzeit eine mehr oder weniger ausgeprägte Welle der
                                                                • Ersatz einer bestimmten Einrichtung durch eine andere
  Privatisierung öffentlicher Einrichtungen stattfindet und
                                                                  mit einer ähnlichen Funktion: Beispielsweise kann eine
  deshalb nicht zu jedem Zeitpunkt der gerade aktuelle
                                                                  »schnelle« Schienenverbindung mit hoher Bedienungs-
  Stand ermittelt werden kann,
                                                                  frequenz zur Folge haben, dass statt einer Bundesstra-
• die zukünftige Privatisierung die Höhe des für die Ge-
                                                                  ße der Bau einer Landesstraße ausreicht bzw. der Stra-
  bietskörperschaften errechneten Nachholbedarfs in un-
                                                                  ßenneubau ganz wegfallen kann. In diesem Fall von subs-
  bekanntem Ausmaß reduzieren wird,
                                                                  titutiver Beziehung haben wir, wie bei der obigen Kom-
• die Gebietskörperschaften häufig (Mit-)Eigentümer der
                                                                  petenzenfrage, die in den westdeutschen Ländern vor-
  privatisierten Einrichtungen bleiben und sich deshalb wei-
                                                                  handene Verteilung der verschiedenen Infrastrukturein-
  ter finanziell engagieren müssen,
                                                                  richtungen abgebildet, ohne solche Zusammenhänge zu
• die private wie auch die in der Kompetenz des Bundes
                                                                  hinterfragen. Eine Gegenrechnung von Zuviel eines Ver-
  befindliche Infrastruktur häufig substitutiv zu den Ein-
                                                                  kehrsweges gegenüber einem Zuwenig eines substituti-
  richtungen in der Zuständigkeit der Länder bzw. Ge-
                                                                  ven anderen Weges konnte nicht vorgenommen werden,
  meinden ist.
                                                                  zumal möglicherweise unterschiedliche Qualitäten die er-
                                                                  satzweise Nutzung behindern.
Letzteres gilt insbesondere für den in diesem Gutachten zu      • Ausgleich fehlender natürlicher durch Vermehrung der
bearbeitenden Verkehrsbereich: So kann z.B. ein verzweig-         gebauten Einrichtungen: Beispielsweise muss wegen ver-
tes Netz von Bundesautobahnen oder Bundesstraßen den              gleichsweise weniger schiffbarer Flüsse das Straßen- und
Zubau von Landes- bzw. Kreisstraßen erübrigen. Im Bereich
der sozialen Infrastruktur ist denkbar, den kommunalen Kran-
kenhausbau zu unterlassen, wenn private Kliniken eine aus-      4   Beispielsweise deklariert der Bund nicht gerade selten Bundesstraßen in
reichende Versorgung gewährleisten. Im Abwasserbereich              Landesstraßen um und verlagert damit die Baulast.
                                                                5   Im Klartext heißt das, dass uns die Aufteilung auf die verschiedenen Trä-
hat sich allerdings gerade in den letzten Jahren das private
                                                                    gerschaften oft gar nicht bekannt war, u.a. deswegen, weil aus der Rechts-
Engagement verstärkt, ohne dass die Kommunen vollstän-              form eines Unternehmens nicht ersichtlich wird, ob der Eigentümer eine
dig aus der finanziellen Verantwortung entlassen worden sind.       Gebietskörperschaft ist.

                                                                                           54. Jahrgang – ifo Schnelldienst 9/2001
26   Forschungsergebnisse

       Schienennetz vergrößert werden. Dieser Aspekt konnte         straßen in Anzahl der Kilometerdifferenz nicht nach Loka-
       nicht explizit berücksichtigt werden, weil die Substitu-     lität und damit Bodenbeschaffenheit, der Notwendigkeit
       tionsbeziehung nicht konkretisierbar und schon gar nicht     von Brückenanlagen oder ähnlichem unterschieden wer-
       quantifizierbar war. Deshalb ist möglicherweise der Nach-    den. Die Alternative einer Berechnung unter Beibehaltung
       holbedarf in bestimmten Bereichen zu niedrig angesetzt.      der Kostenbandbreiten ließ sich nicht durchhalten, weil
     • Substitutive Deckungsmöglichkeiten eines Nachholbe-          sich die Ergebnisse bei der ohnehin sehr differenzierten
       darfs: Der aus dem schlechten Zustand einer Infrastruk-      Bestimmung des physischen Bedarfs vervielfacht hätten.
       tureinrichtung resultierende Nachholbedarf kann entwe-       Deshalb wurden für die Berechnung des monetären Nach-
       der durch Sanierung oder aber durch Neubau beseitigt         holbedarfs grundsätzlich durchschnittliche Kosten an-
       werden. In den Fällen, in denen diese Substitutions-         gesetzt.
       möglichkeit auftrat, konnte jeweils keine Entscheidung
       zwischen den Alternativen getroffen werden. Wir haben        Alle Kostenschätzungen erfolgten auf der Grundlage von In-
       mangels konkreter Informationen und Kenntnisse über-         formationen von Fachleuten aus dem jeweiligen Gebiet.6
       wiegend die durchschnittlichen Neubaukosten heran-
       gezogen, so dass der ausgewiesene monetäre Nach-             Wegen der genannten Einschränkungen und notwendigen
       holbedarf möglicherweise überhöht ist (vgl. auch unten       Annahmen sind die Ergebnisse der Berechnungen – wie im-
       zu den Kostenansätzen).                                      mer bei derartigen Analysen – flexibel hinsichtlich anderer
                                                                    Annahmen und weiterer Festsetzungen bzw. neuer Infor-
     Die Auswirkungen der verschiedenen substitutiven Bezie-        mationen. Eine Änderung in der Menge der gezählten Ein-
     hungen auf die errechnete Höhe des monetären Nachhol-          richtungen und/oder in den verwendeten Durchschnitts-
     bedarfs sind gegenläufig und lassen sich allenfalls begrenzt   kosten hat Einfluss auf das Ergebnis.7 Die Flexibilität rührt –
     kontrollieren.                                                 zusammenfassend – im Wesentlichen daher, dass

     Kostenansätze                                                  • je nach Indikatorenbildung unterschiedliche Ergebnisse
                                                                      zustande kommen,
     Nach der Ermittlung des physischen teilungsbedingten           • vielschichtige Substitutionsbeziehungen zwischen ver-
     Nachholbedarfs wurde über die Kosten zu seiner Beseiti-          schiedenen Infrastruktureinrichtungen bestehen, die zwar
     gung der monetäre Nachholbedarf errechnet. Bei der Su-           darstellbar sind, deren Wirkung aber nicht quantitativ, z.B.
     che nach Kosteninformationen hat sich gezeigt, dass die          durch einen Abzug vom errechneten Nachholbedarf, be-
     Neubau- bzw. Sanierungskosten für die Einheiten der ein-         rücksichtigt werden konnte,
     zelnen funktionalen Infrastrukturbereiche jeweils erheblich    • bei großen Kostenbandbreiten die angesetzten Durch-
     streuen, und zwar je nach                                        schnittskosten nur ein Anhaltspunkt für die aufzuwen-
                                                                      denden finanziellen Mittel bieten können.
     • konkreter Detailausstattung und/oder -ausgestaltung der
       Einrichtung, z.B. Stadtbahnen mit verschiedenen Antei-       Die von uns getroffenen Annahmen und Festsetzungen sind
       len an unterirdisch verlegten Gleisen,                       – darauf sei noch einmal ausdrücklich hingewiesen – weit-
     • topographischen oder sonstigen natürlichen Gegeben-          gehend aus Informationen von Fachleuten destilliert bzw. lo-
       heiten, z.B. Straßen in gebirgigem bzw. ebenem Gelände,      gisch-theoretisch abgesichert und insofern als plausibel ein-
                                                                    zustufen.
     • Technologie, z.B. U-Bahn-Bau von oben oder durch Tun-
       nelzug,
     • Sanierungsumfang, z.B. bei Straßen nur Oberflächenin-
                                                                    ... aus der Datenlage
       standsetzung oder aber grundlegende Sanierung des
       Aufbaus.
                                                                    Defizite in der Infrastrukturausstattung sind definiert als un-
     • Größenordnung der Infrastruktureinrichtung, z.B. kos-
                                                                    zureichende Menge einer Einrichtung und/oder als qualitati-
       tenintensivere Errichtung mehrerer kleiner Klärwerke oder
                                                                    ve Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten durch minde-
       einer großen Anlage mit derselben Kapazität.
                                                                    re Qualität bzw. reparaturbedürftigen Zustand. Während die
                                                                    Quantitäten der untersuchten Ausstattung noch weitgehend
     Für die Berechnung des monetären Nachholbedarfs konn-
     ten die Einzelangaben spezifischer Kosten für die unter-
     schiedlichsten Ausgestaltungen einer Infrastruktureinrich-     6   Wie immer bei derartigen Schätzungen können natürlich auch die gewählten
     tung nicht verwendet werden, weil die physischen Diffe-            plausiblen Kostenansätze durch alternative Annahmen ersetzt werden.
                                                                    7   Ähnliches gilt für die Prognose des Nachholbedarfs bis 2005, der im Gut-
     renzen ohne konkreten lokalen Bezug über die Länder sum-           achten auch gefordert war, hier jedoch nicht gesondert behandelt ist. Je
     miert und deshalb durchschnittliche Infrastruktureinrich-          nach dem wie beispielsweise die Annahmen zu den zu erwartenden Etat-
                                                                        beschränkungen der Gebietskörperschaften in die Überlegungen einge-
     tungen zugrunde gelegt werden mussten. Beispielsweise              flossen sind, ergab sich ein unterschiedlich hoher Abbau des aktuell ge-
     kann bei der Ermittlung des Nachholbedarfs an Landes-              messenen Bedarfs.

     ifo Schnelldienst 9/2001 – 54. Jahrgang
Forschungsergebnisse               27

aus den verschiedensten Datenquellen zusammengestellt            einen Teil des gesamten infrastrukturellen Nachholbedarfs. Und
werden konnten, ließen sich zu den Zuständen/Qualitäten der      selbst für die analysierten Bereiche ist er zu niedrig ausgewie-
vorhandenen Einrichtungen nur noch in Ausnahmefällen In-         sen. Denn die Lücken in den Qualitäten überkompensieren die
formationen gewinnen. Die Recherchen über die Zustände           oben erwähnten teilweisen Überschätzungen aus den unter-
von Straßen, Schienen, Bahnhöfen, Kläranlagen etc. haben         schiedlichen Rahmenbedingungen, den Substitutionsbezie-
insbesondere aus folgenden Gründen nicht zum gewünsch-           hungen und möglicherweise überhöhten Kostenansätzen.
ten Ergebnis geführt:
                                                                 Der errechnete teilungsbedingte infrastrukturelle Nachhol-
• Qualitative Daten werden nicht erhoben (Straßenzustand,        bedarf der neuen Länder erreicht trotz der Lücken – auch
  Bahnhöfe und viele andere Infrastruktureinrichtungen).         noch im Jahr 2005 – einen beachtenswerten Umfang für die
• Qualitative Daten werden zwar in einzelnen Kommunen            untersuchten Bereiche.
  erhoben – überwiegend in den ostdeutschen Bundes-
  ländern –, stehen aber für die Benchmark nicht flächen-        Die dargestellten Ergebnisse sind »flexible Größen« insofern,
  deckend zur Verfügung (Zustand der Gemeindestraßen).           als die aufgetauchten Definitions-, Abgrenzungs- und Da-
• Qualitative Daten werden von Interessenverbänden er-           tenprobleme von uns unter Verwendung von Konventionen
  hoben, sind jedoch entweder nicht zuverlässig oder nicht       und Annahmen gelöst worden sind – wobei es wie immer
  ausreichend oder können nur hoch aggregiert heraus-            bei solchen Analysen dem Leser offen steht, andere Lösun-
  gegeben werden bzw. stehen erst nach einer viel späte-         gen auf der Grundlage anderer Annahmen zu finden.
  ren Veröffentlichung zur Verfügung (ADAC, Deutsche Stra-
  ßenliga).                                                      Zusammenfassend rührt die relative Instabilität der Ergeb-
• Qualitative Daten werden erhoben, dürfen aber trotz An-        nisse insbesondere daher, dass
  onymisierungsversprechen nicht herausgegeben werden
  (Schienenzustand).                                             • die Anpassung von Wirtschaft und Bevölkerung an west-
• Die Qualität wurde nach unterschiedlich definierten Kri-         deutsche Verhältnisse gerade erst in Gang kommt, aber
  terien erhoben, so dass die Ergebnisse zwischen den              vorausgesetzt werden muss,
  Ländern nicht vergleichbar sind
  (Straßenzustand).
                                           Tab. 2
Dieses Datendefizit hat in der Be-         Infrastrukturnachholbedarf der neuen Bundesländer in Mrd. DM
rechnung des teilungsbedingten
Nachholbedarfs der ostdeutschen          bei Benchmark alte Flächenstaaten

Länder erhebliche Lücken verursacht.
Denn es ist davon auszugehen, dass
wegen der eingangs erwähnten Ver-
nachlässigung der Infrastrukturein-
richtungen in der ehemaligen DDR die
Qualität der Einrichtungen deren
Funktionsfähigkeit ganz erheblich ein-
schränkt. Und trotz umfangreicher In-
standsetzung und Erneuerung in den
vergangenen zehn Jahren dürfte die
Qualität der westdeutschen Infra-
struktur noch nicht erreicht sein. Das
bedeutet, dass der teilungsbedingte
Nachholbedarf der neuen Länder
wegen dieser Datenlücken in den
Qualitäten zu niedrig ausgewiesen ist.

Fazit

Der in unserem Gutachten als Ergeb-
nis unserer Analysen und Projektionen
dargestellte teilungsbedingte Nach-
holbedarf umfasst auftragsgemäß nur      Quelle: Berechnungen des ifo Instituts.

                                                                                       54. Jahrgang – ifo Schnelldienst 9/2001
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     • die Berücksichtigung substitutiver Infrastruktureinrich-
       tungen nicht möglich ist,
     • die Kosten für Sanierung und Neubau von Infrastruktur-
       einrichtungen eine große Bandbreite aufweisen und auf
       dem relativ hohen Aggregationsniveau nur als grobe
       Durchschnitte eingehen konnten,
     • die Datenlage vor allem zur Qualität von Infrastrukturein-
       richtungen katastrophal ist.

     Als ein nicht unwichtiges Nebenergebnis dieses Gutachtens
     kann festgehalten werden, dass die offiziellen statistischen
     Datensysteme zu den verschiedenen Infrastrukturbereichen
     keine befriedigende ökonomische Beurteilung der Infra-
     strukturausstattung zulassen. Hier wird ein statistischer Re-
     formbedarf sichtbar, der angesichts des hohen Einsatzes
     von Ressourcen in diesem Bereich und dessen Bedeutung
     für die sozioökonomische Entwicklung nicht zu unterschät-
     zen ist.

     Darüber hinaus stehen wir dem physischen Ansatz mit der
     Zählung von materiellen Infrastruktureinrichtungen auch des-
     halb skeptisch gegenüber, weil nicht zu verhindern ist, dass
     »Äpfel zu Birnen« addiert werden, wenn ausreichende Da-
     ten zur Qualität nach einheitlichen Kriterien nicht zur Verfü-
     gung stehen.

     Im Hinblick auf die Frage, welche Infrastrukturausstattung
     die ostdeutschen Länder brauchen, um ihren wirtschaft-
     lichen Rückstand gegenüber den alten Ländern aufzuholen,
     scheint uns eine Anpassung der Infrastruktur an die west-
     deutsche Ausstattung allenfalls ein erster Schritt zu sein.
     Weiterführend könnte man darüber nachdenken, ob nicht
     in einem nachfolgenden Schritt der Infrastrukturbedarf – wie
     sonst üblich – an gesellschaftlichen Normen und wirt-
     schaftlichen Bedürfnissen gemessen werden sollte.

     ifo Schnelldienst 9/2001 – 54. Jahrgang
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