Wirtschaftliche Polarisierung in Europa - Ursachen und Handlungsoptionen Jakob Kapeller, Claudius Gräbner, Philipp Heimberger - Bibliothek der ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Jakob Kapeller, Claudius Gräbner, Philipp Heimberger Wirtschaftliche Polarisierung in Europa Ursachen und Handlungsoptionen
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – FÜR EIN BESSERES MORGEN Ein Projekt der Friedrich-Ebert-Stiftung 2018–2020 Wachsende soziale Ungleichheit, gesellschaftliche Polarisierung, Migration und Integration, die Klimakrise, Digitalisierung und Globalisierung, die ungewisse Zukunft der Europäischen Union – Deutschland steht vor tief greifenden Heraus forderungen. Auf diese muss die Soziale Demokratie überzeugende, fortschrittliche und zu kunftsweisende Antworten geben. Mit dem Projekt Für ein besseres Morgen ent wickelt die Friedrich-Ebert-Stiftung Vorschläge und Positionen für sechs zentrale Politikfelder: –– Demokratie –– Europa –– Digitalisierung –– Nachhaltigkeit –– Gleichstellung –– Integration Gesamtkoordination Dr. Andrä Gärber leitet die Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung. Projektleitung Severin Schmidt ist Referent für Sozialpolitik in der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik. Kommunikation Johannes Damian ist Referent für strategische Kommunikation dieses Projektes im Referat Kommunikation und Grundsatzfragen. Die Autoren Jakob Kapeller, Institut für Sozioökonomie, Universität Duisburg-Essen und Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft, Johannes Kepler Universität Linz. Claudius Gräbner, Institut für Sozioökonomie, Universität Duisburg-Essen und Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft, Johannes Kepler Universität Linz. Philipp Heimberger, Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche und Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft, Johannes Kepler Universität Linz. Für diese Publikation ist in der FES verantwortlich Markus Schreyer, Referent in der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, Leiter der Arbeitsbereiche „Allgemeine Wirtschafts- und Finanzpolitik“ sowie „Europäische und globale Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter: https://www.fes.de/fuer-ein-besseres-morgen
Jakob Kapeller, Claudius Gräbner, Philipp Heimberger Wirtschaftliche Polarisierung in Europa Ursachen und Handlungsoptionen VORWORT 3 ZUSAMMENFASSUNG 4 1 EINLEITUNG: WIRTSCHAFTLICHE KONVERGENZ 5 ODER DESINTEGRATION IN EUROPA? 2 DIE MAKROÖKONOMISCHE POLARISIERUNG 7 IN EUROPA 2.1 Konvergenz als politisches Versprechen des ökonomischen Integrationsprozesses in Europa 7 2.2 Divergente Wachstumsmodelle in der EU 10 2.3 Konvergenz und Divergenz in der EU: Makroökonomische Schlüsselindikatoren 14 3 UNGLEICHE TECHNOLOGISCHE KAPAZITÄTEN IN EUROPA: MAKROÖKONOMISCHE POLARISIERUNG ALS FOLGE? 19 3.1 Technologische Entwicklung und ökonomischer Wohlstand 19 3.2 Lohnkosten oder Technologie: Was bestimmt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU-Länder? 21 3.3 Technologie, Exportperformance und Strukturwandel in der EU 23 4 WIRTSCHAFTSPOLITISCHE IMPULSE FÜR EIN PROSPERIERENDES EUROPA 28 4.1 Europäische Werte sichern 29 4.2 Die Eurozone zu Ende denken 30 4.3 Den Standortwettbewerb eindämmen 32 4.4 Wirtschaft neu denken: Eine Frage des Fortschritts 34 5 ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN 36 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 38 Abkürzungsverzeichnis 38 Literaturverzeichnis 39
WIRTSCHAFTLICHE POLARISIERUNG IN EUROPA: URSACHEN UND HANDLUNGSOPTIONEN 3 VORWORT Neben Frieden und Freiheit basiert der europäische Integra- ökonomische Polarisierung zwischen den EU-Mitgliedslän tionsprozess auf dem Versprechen, zu mehr ökonomischem dern genau darstellt, worauf sie zurückzuführen ist und wel Wohlstand in allen EU-Mitgliedsländern zu führen. Dank der che wirtschaftspolitischen Maßnahmen erforderlich und ge zunehmend engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der eignet sind, um wieder zu mehr wirtschaftlicher und sozialer Schaffung gemeinsamer Märkte ohne Grenzen und Han Konvergenz in Europa zu gelangen. delsschranken sowie zuletzt auch der Einführung des Euro als gemeinsame Währung könnten alle beteiligten Volkswirt Die Autoren stellen in ihrer Studie fest, dass die zunehmen schaften ein höheres Wirtschaftswachstum und Wohlstands de ökonomische Divergenz auf eine tiefer liegende, struktu niveau erzielen. Unterentwickelte Regionen bzw. weniger relle Polarisierung zwischen den EU-Mitgliedsländern zu wohlhabende Mitgliedsländer wären infolge höherer Wachs rückzuführen ist. Die europäischen Volkswirtschaften tumsraten zugleich in der Lage, ihren Wohlstandsrückstand weisen eine unterschiedliche institutionelle und rechtliche gegenüber den reicheren Mitgliedsländern aufzuholen. Und Einbettung in den europäischen und globalen Standort tatsächlich, über viele Jahrzehnte schien sich dieses Verspre wettbewerb sowie eine ungleiche Verteilung der technolo chen zu erfüllen: In der EU nahm der Wohlstand mehr oder gischen Kapazitäten auf. Dies führt zu unterschiedlichen Pro weniger kontinuierlich zu, und die Wohlstandslücken zwi duktionsstrukturen, sektoralen Spezialisierungsmustern schen den beteiligten Volkswirtschaften verringerten sich. sowie gesamtwirtschaftlichen Wachstumsmodellen und in der Folge zu unterschiedlichen, sich selbst verstärkenden Trotz all seiner unbestreitbar großen Erfolge steckt der wirt und letztlich nicht nachhaltigen wirtschaftlichen Entwick schaftliche Integrationsprozess Europas spätestens seit rund lungspfaden. Das gegenwärtige institutionelle EU-Rahmen zehn Jahren in einer schweren Krise. Darüber kann auch die werk und auch die bisher ergriffenen wirtschaftspolitischen in allen EU-Mitgliedsländern in den letzten Jahren zu beob Maßnahmen reichen nicht aus, um diesen pfadabhängigen achtende konjunkturelle Erholung nicht hinwegtäuschen. Prozessen effektiv entgegenzuwirken. Denn spätestens seit der globalen Finanz- und Wirtschafts krise und der sich zeitlich daran anschließenden Krise in der Statt einer weiteren Verschärfung des europäischen Standort Eurozone sind ganz klar wieder divergierende ökonomische wettbewerbs bedarf es den Autoren zufolge einer kohären Entwicklungspfade in Europa festzustellen. Damit wird auch ten wirtschaftspolitischen Gesamtstrategie für Europa, die das Versprechen, die europäische Integration würde zu mehr weitere institutionelle Reformmaßnahmen, mehr Investitio wirtschaftlicher und sozialer Konvergenz führen, nicht mehr nen in einer Vielzahl an Politikfeldern sowie mehr grenzüber erfüllt. Dies stellt nicht nur eine erhebliche Gefahr für den schreitende Solidarität und Unterstützung umfasst. Nur mit ökonomischen, sondern auch für den sozialen und politi einem koordinierten und kooperativen Einschreiten aller wirt schen Zusammenhalt Europas und damit auch für den Fort schaftspolitischen Akteure ließe sich ein weiteres Auseinan bestand der EU und der Eurozone dar. derdriften der ökonomischen Entwicklungspfade der EU-Mit gliedsländer vermeiden und eine wirtschaftlich stabile und Vor diesem Hintergrund hat die Friedrich-Ebert-Stiftung einen prosperierende EU und Eurozone sicherstellen. Es bleibt daher Forschungsauftrag an Prof. Dr. Jakob Kapeller vom Institut zu hoffen, dass alle politisch Verantwortlichen den Mut und für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen sowie vom die Kraft aufbringen, diese weiteren notwendigen Integra- Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft der Johannes tionsschritte zu gehen – für mehr Wohlstand in Europa. Kepler Universität Linz, an Dr. Claudius Gräbner, ebenfalls vom Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg- Wir wünschen allen Leser_innen der vorliegenden Studie eine Essen sowie vom Institut für die Gesamtanalyse der Wirt interessante und erkenntnisreiche Lektüre. schaft der Johannes Kepler Universität Linz und an Dr. Philipp Heimberger vom Wiener Institut für Internationale Wirt schaftsvergleiche sowie vom Institut für die Gesamtanalyse MARKUS SCHREYER der Wirtschaft der Johannes Kepler Universität Wien verge Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik ben. Ziel war es, zu analysieren, wie sich die zunehmende Friedrich-Ebert-Stiftung
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – FÜR EIN BESSERES MORGEN 4 ZUSAMMENFASSUNG Diese Studie diskutiert die Herausforderungen, denen sich Lohn-, Geld-, Fiskal- und Industriepolitik – von zentraler Be die wirtschaftspolitischen Akteure in Europa stellen müssen, deutung sind, um eine langfristig erfolgreiche wirtschaftli um eine wirtschaftlich prosperierende und institutionell sta che Basis für den gemeinsamen europäischen Wirtschafts- bile Gemeinschaft der Mitgliedsländer der Europäischen und Währungsraum zu schaffen. Union (EU) sicherzustellen. Auf analytischer Ebene doku mentieren wir nicht nur den Prozess einer multidimensiona len Polarisierung der EU-Länder, sondern bringen die beste henden ökonomischen Divergenzen mit einem langfristig zentralen Problem in Verbindung, nämlich der strukturellen Polarisierung: Unterschiede in der institutionellen und recht lichen Einbettung (etwa in den Bereichen des Steuer- und Unternehmensrechts, des Arbeitsmarktes oder des Finanz sektors) in den europäischen und globalen Standortwettbe werb und bei den technologischen Kapazitäten sind ein we sentlicher Treiber für eine Divergenz der Lebensstandards zwischen einigen EU-Mitgliedsländern. Diese Polarisierung, die bereits vor der Finanzkrise ihren Aus gang genommen, sich jedoch in den vergangenen zehn Jah ren verschärft hat, ist maßgeblich auf einen globalen und vor allem auch europäischen Standortwettbewerb zurück zuführen. Ohne ein koordiniertes und kooperatives Ein schreiten der wirtschaftspolitischen Akteure ist ein weiteres Auseinanderdriften der ökonomischen Entwicklungspfade unvermeidbar. Denn die großen Unterschiede in den Pro duktionsstrukturen der EU-Länder und die damit verbunde ne höchst ungleiche Verteilung technologischer Kapazitäten haben selbstverstärkenden Charakter und würden die Polari sierung weiter verschärfen. Die Studie liefert Vorschläge für eine kohärente europäische Gesamtstrategie, die nicht nur bestehende Probleme adres siert und die häufig versprochene Aufwärtskonvergenz zwi schen den EU-Ländern möglich macht. Sie bietet auch eine mögliche Grundlage, um zentrale Zukunftsherausforderun gen (z. B. Digitalisierung, Alterung der Gesellschaft, Klima wandel oder globaler Handel) auf Basis gemeinsamer euro päischer Zielsetzungen zu adressieren. Dabei stellen wir die Sicherung bzw. den Ausbau europäischer Werte und Institu tionen ins Zentrum, um auf dieser Basis die europäische In tegration an entscheidenden Stellen zu vertiefen und so mittel- bis langfristig von europäischer Seite auch zu einer Transformation der globalen Wirtschaftsordnung beizutra gen. Ein zentrales Argument ist, dass koordinierte Maßnah men in verschiedenen Politikbereichen – insbesondere in der
WIRTSCHAFTLICHE POLARISIERUNG IN EUROPA: URSACHEN UND HANDLUNGSOPTIONEN 5 1 EINLEITUNG: WIRTSCHAFTLICHE KONVERGENZ ODER DESINTEGRATION IN EUROPA? Der vorübergehende konjunkturelle Aufschwung der Jahre tieren und an Länder wie Deutschland, die Niederlande und 2017 und 2018 sorgte in weiten Teilen Europas für Optimis Österreich anschließen (z. B. Gill/Raiser 2012). Die Krise und mus: Nach Jahren der Rezession und Stagnation in zahlrei die darauffolgenden wirtschaftlichen Erfahrungen haben chen europäischen Ländern konnte wieder kräftigeres jedoch gezeigt, dass die Konvergenzentwicklung der Vor Wirtschaftswachstum und eine rückläufige Arbeitslosigkeit krisenjahre nur „Fassadencharakter“ hatte, weil das von stei verzeichnet werden (z. B. Europäische Kommission 2017; gender privater Verschuldung getriebene Wachstum insbe IWF 2018; Europäische Kommission 2018; OECD 2018). sondere in der südlichen Eurozone mit dem Ausbruch der Selbst der US-amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Krise rasch zum Erliegen kam (z. B. Lane 2012; Stockhammer Paul Krugman, ein kritischer Beobachter der wirtschaftli 2016; Regan 2017). chen Entwicklungen in Europa, äußerte sich optimistisch: „Es ist wichtig, sich darüber klar zu sein, dass Europa 2018 Unterhalb dieser Fassade ließ sich jedoch bereits im Vorkri ganz anders aussieht als Europa 2013. Zumindest für den senzeitraum ein Polarisierungsprozess beobachten, der vor Moment ist Europa als funktionierendes wirtschaftliches allem auf der Ebene der Leistungsbilanzsalden ersichtlich System zurück“ (Krugman 2018).1 war: Länder wie Deutschland und Österreich auf der einen Seite wiesen stabile oder sogar steigende Leistungsbilanz- Diese Studie argumentiert, dass die temporär positive Kon überschüsse auf, während Länder wie Italien, Spanien und junkturentwicklung der Jahre 2017–2018 die tiefer liegende Griechenland auf der anderen Seite im Laufe der Vorkrisen strukturelle Polarisierung in weiten Teilen der EU lediglich jahre Defizite akkumulierten. Dies deutet auf die Existenz überdeckt hat. Diese Polarisierung ergibt sich zum einen unterschiedlicher Wachstumsmodelle in der Vorkrisenphase aus strukturellen Unterschieden, also Differenzen im sekto hin, die einen kurzfristigen Aufholprozess der südeuropäi ralen Aufbau der Wirtschaft, in den Produktionsstrukturen schen Eurozonenländer ermöglichten, der sich letztlich je sowie den damit verbundenen technologischen Kapazitä doch als nicht nachhaltig herausstellte. ten, und zum anderen aus der unterschiedlichen institutio nellen und rechtlichen Einbettung (etwa in den Bereichen Die Frage, ob das Versprechen einer ökonomischen Annä des Steuer- und Unternehmensrechts, des Arbeitsmarktes herung der Euroländer durch ein aufholendes Wachstum oder des Finanzsektors) zwischen den EU-Ländern. Die Po vergleichsweise ärmerer Länder (Aufwärtskonvergenz) ein larisierung stellt weiterhin die größte Gefahr für den lang gelöst werden kann, ist allerdings nicht nur eine Frage der fristigen europäischen Zusammenhalt dar, da sie unter den politischen Glaubwürdigkeit, sondern betrifft die Zukunfts derzeitigen politischen Rahmenbedingungen ein makroöko fähigkeit der gemeinsamen Währung schlechthin. Schließ nomisches Auseinanderdriften bewirkt. lich ist in den Jahren der Eurokrise klar geworden, dass gro ße ökonomische Ungleichheiten zwischen den Euroländern Ungeachtet der kurzfristigen konjunkturellen Erholung der auch zu Konflikten führen, die das Potenzial haben, zu einem vergangenen Monate sind die strukturellen Unterschiede politischen Scheitern der EU beizutragen (z. B. Eichengreen zwischen einem Großteil der Volkswirtschaften in der EU 2015; Frieden/Walter 2017; Tooze 2018). entweder relativ stabil oder sogar im Zunehmen begriffen (Gräbner et al. 2017; Gräbner et al. 2018). Mit der Errichtung Diese Studie dokumentiert nicht nur den Prozess einer makro- der Eurozone als gemeinsamem Zoll- und Währungsraum im ökonomischen Polarisierung der EU-Länder in verschiede Jahr 1999 war jedoch das zentrale politische Versprechen nen relevanten Dimensionen (Kapitel 2), sondern bringt die eines wirtschaftlichen Konvergenzprozesses verknüpft: Die bestehenden ökonomischen Divergenzen mit einem lang Euromitgliedsländer würden zusammenwachsen, die Länder fristig zentralen Problem Europas in Verbindung: der struk mit geringeren Wohlstandsniveaus sich nach oben hin orien turellen Polarisierung zwischen den EU-Ländern. Unter schiede in der institutionellen und rechtlichen Einbettung – etwa in den Bereichen des Steuer- und Unternehmens 1 Der Artikel von Krugman (2018) liegt im Englischen vor; eigene Über rechts, des Arbeitsmarktes oder des Finanzsektors – sowie setzung des Zitats ins Deutsche. in den technologischen Kapazitäten sind ein wesentlicher
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – FÜR EIN BESSERES MORGEN 6 Treiber für die Divergenz der Lebensstandards zwischen den Mitgliedsländern. Die daraus erwachsenden politischen Konflikte konterkarieren bestehende Anstrengungen, die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) in kritischen Bereichen wie der Fiskalpolitik und Bankenregu lierung in eine konsequente gemeinsame institutionelle Rahmung einzubetten (Lehner/Wasserfallen 2019), die es im Bereich der Geldpolitik für die Mitgliedsländer der Euro zone bereits in umfassender Weise gibt. Gerade die technologischen Kapazitäten der einzelnen Län der, die ihre langfristige ökonomische Entwicklung maß geblich bestimmen, sind unter den Euroländern weiterhin sehr ungleich verteilt (Kapitel 3). Dies führt dazu, dass die Unternehmen in einigen Ländern (insbesondere in Deutsch land) ihre bereits zum Zeitpunkt des Euroeintritts vorhan den gewesenen Marktvorteile im internationalen Wettbe werb ausbauen können, während technologisch schlechter gestellte Länder weiter zurückfallen. Es handelt sich dabei um selbstverstärkende Prozesse – vergangene Erfolge sind die Basis für zukünftige Erfolge (Kaldor 1978; Gräbner et al. 2017; Gräbner et al. 2018) –, für die es im Institutionenge füge innerhalb der EU aktuell noch keine kompensierenden Gegenkräfte gibt: EU-Mitgliedsländer befinden sich auf grund der bestehenden strukturellen Polarisierung auf un terschiedlichen, teils stark auseinanderlaufenden Entwick lungspfaden. Zugleich sind durch die eurozonenweite Har- monisierung der Geldpolitik, die Begrenzung fiskalpoliti scher Maßnahmen durch den Stabilitäts- und Wachstums- pakt und die Unmöglichkeit von Wechselkursanpassungen in der Währungsunion wichtige traditionelle Kompensations mechanismen nicht verfügbar (z. B. De Grauwe 2018a; Heim berger/Kapeller 2017). Eine weitere Vertiefung dieser divergierenden Pfade ist also wahrscheinlich, obgleich sie im Widerspruch zum politi schen Ziel einer wirtschaftlich stabilen EU steht, das durch Aufwärtskonvergenz seiner Mitgliedsländer gekennzeichnet sein sollte. Der Prozess, der dieser Polarisierung zugrunde liegt, wird ungeachtet der kurz- und mittelfristigen Konjunk turentwicklung in Europa weiter voranschreiten, wenn in der Fiskal-, Finanzmarkt-, Lohn- und Industriepolitik keine koor dinierten Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Kapitel 4 liefert deshalb Ansatzpunkte für eine umfassende Diskussion über wirtschaftspolitische Maßnahmen, die geeignet sind, Aufwärtskonvergenz zu erzielen und eine langfristig er folgreiche wirtschaftliche Basis für alle Mitgliedsländer zu schaffen.
WIRTSCHAFTLICHE POLARISIERUNG IN EUROPA: URSACHEN UND HANDLUNGSOPTIONEN 7 2 DIE MAKROÖKONOMISCHE POLARISIERUNG IN EUROPA Etwa 20 Jahre nach der offiziellen Einführung des Euro und osteuropäische Nationen mit geringem Einkommensniveau mehr als zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise und südeuropäische Länder mit schwacher oder negativer 2007/2008 bleibt die sozioökonomische Entwicklung inner Wachstumsdynamik, die einen entsprechenden Bevölke halb der EU bemerkenswert ungleich. So ist die reale Wirt rungsrückgang zu verzeichnen haben. Die in Abbildung 1 schaftsleistung (gemessen am preisbereinigten Bruttoin gezeigten Netto-Migrationsbewegungen bedingen langfris landsprodukt – BIP) in Deutschland, dem wirtschaftlich und tig auch eine Verstärkung bestehender Leistungsunterschiede politisch bedeutendsten Land Europas, von 1999 bis 2018 und -potenziale zwischen den europäischen Ökonomien, da um 32,8 Prozent gestiegen. Deutschland steht damit in ei es vor allem Menschen im Erwerbsalter und mit höherer Bil nem starken Kontrast zu den südlichen Eurozonenländern, dung sind, die sich als international mobil erweisen (Galgoczi die ökonomisch sukzessive zurückfallen: Das reale BIP et al. 2016). Italiens, der drittgrößten europäischen Volkswirtschaft, war 2018 nur 9,6 Prozent höher als im Jahr 1999. Im gleichen Zeitraum betrug der Anstieg des BIP in Portugal lediglich 2.1 KONVERGENZ ALS POLITISCHES 18,9 Prozent, während die griechische Wirtschaft aufgrund VERSPRECHEN DES ÖKONOMISCHEN der tiefen Krise seit 1999 nur um 7,7 Prozent wuchs.2 Ob INTEGRATIONSPROZESSES IN EUROPA wohl das Niveau des BIP pro Kopf als zentraler Indikator für den Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft im Süden Der Prozess der wirtschaftlichen Integration Europas fand Europas zum Zeitpunkt der Einführung des Euro deutlich historisch betrachtet in mehreren Phasen statt (z. B. Bald niedriger war als in Deutschland, haben die betreffenden win/Wyplosz 2015). Die Errichtung der Eurozone kann als Länder – Italien, Portugal und Griechenland – in den vergan (vorläufiger) Höhepunkt dieses wirtschaftlichen Integrati genen 20 Jahren weiter an Boden verloren. onsprozesses verstanden werden: Zum Zeitpunkt der Imple mentierung des Euro waren bereits mehrere Jahrzehnte Wie Abbildung 1 zeigt, haben die südlichen Länder der Euro politischer Anstrengungen vergangen, die von dem Ziel ge zone ein „verlorenes Jahrzehnt“ hinter sich, denn als Folge prägt waren, einen einheitlichen europäischen Markt zu der Krise erlebten sie eine verheerende Wachstumsentwick schaffen, in dem Güter, Kapital und Menschen sich mög lung. Beim realen Wirtschaftswachstum wurden Deutsch lichst frei über Grenzen hinweg bewegen können. Mit dem land und Österreich im Zeitraum 2009–2018 im Vergleich mit Euro als gemeinsamer Währung wurde diese Tendenz zu den anderen EU-Ländern hingegen nur von aufholenden einer tieferen ökonomischen Integration Europas punktuell osteuropäischen Volkswirtschaften sowie von relativ kleinen weiter verstärkt. Mittlerweile sind 19 EU-Länder Mitglied Ländern wie Malta und Irland überflügelt, die zudem auf der Eurozone, wobei die Einführung des Euro auch für einige grund ihrer Rolle als Finanzzentren im europäischen Stand Nichteurozonenländer von Bedeutung war, da diese ihre ortwettbewerb als Spezialfälle zu betrachten sind (siehe Ka Währung an den Euro gebunden haben (Dänemark und pitel 2 und 3). Und während Deutschlands Arbeitslosenquote Bulgarien). zuletzt einen historischen Tiefststand erreicht hat, steht die offizielle Arbeitslosenquote in weiten Teilen der südlichen Eu Die Implementierung der Eurozone Ende der 1990er Jahre rozonenländer weiterhin deutlich über dem Vorkrisenniveau. dient in dieser Studie daher als zentraler Ausgangspunkt der Kurzum: Die vergangenen zehn Jahre zeichnen sich dadurch Analyse, da die Einführung des Euro als eine punktuelle Ver aus, dass weite Teile der EU-Länder ökonomisch weiter aus tiefung europäischer Integration und damit als Offenheits einandergedriftet sind. schock für die europäischen Ökonomien verstanden werden kann. Zudem werden wir in der Regel einen Fokus auf die Divergenzen innerhalb der EU manifestieren sich auch auf makroökonomische Analyse der Mitgliedsländer der Euro- der Ebene von Migrationsbewegungen – hier sind es vor allem zone legen – wenngleich wir stellenweise auch die Entwick lungen in jenen osteuropäischen EU-Ländern, die aktuell nicht Mitglied der Eurozone sind, berücksichtigen. Dieser 2 Quelle: AMECO (Update im November 2018); eigene Berechnungen. spezifische Fokus ergibt sich aus drei Gründen:
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – FÜR EIN BESSERES MORGEN 8 Abbildung 1 Wirtschaftswachstum und Migration in der EU kumuliertes Wachstum von 2009 bis 2018 62 % 50 % 38 % Wachstumsrate kumulierte 25 % 12 % 0% –12 % –25 % Dänemark Malta Polen Litauen Österreich Belgien Niederlande Spanien Zypern Kroatien Italien Irland Slowakei Luxemburg Rumänien Schweden Bulgarien Tschechien Ungarn Estland Deutschland Frankreich Slowenien Lettland Finnland Griechenland Portugal kumulierte Nettomigration von 2009 bis 2018 175 150 125 pro 1.000 Einwohner_innen kumulierte Nettomigration 100 75 50 25 0 –25 –50 –75 –100 Dänemark Malta Luxemburg Schweden Zypern Österreich Belgien Italien Niederlande Tschechien Slowenien Ungarn Spanien Frankreich Deutschland Slowakei Polen Bulgarien Kroatien Finnland Irland Estland Griechenland Rumänien Litauen Lettland Portugal Das obere Panel zeigt kumulierte Wachstumsraten des realen BIP. Irland stellt dabei einen statistischen Ausreißer dar. Die sehr hohen irischen Wachstumsraten sind zu einem erheblichen Teil durch statistische Probleme zu erklären, die mit der speziellen Rolle Irlands als Finanzzentrum im globalen Standortwettbewerb zusammen- hängen (z. B . Linsi/Mügge 2019). Quelle: AMECO, Eurostat; eigene Berechnungen. –– Erstens macht die Eurozone aktuell fast drei Viertel der Dieses politische Versprechen wurde jedoch, wie im Anschluss EU-Wirtschaftsleistung aus.3 noch zu zeigen sein wird, durch die Realität einer fortgesetzten –– Zweitens war die Errichtung der Eurozone ein zentraler ökonomischen Polarisierung grundsätzlich infrage gestellt. So institutioneller Integrationsschritt. lange eine reale Konvergenz – definiert als eine Angleichung –– Drittens war die Errichtung der Eurozone an das politi der Lebensstandards – ausbleibt und die institutionelle Archi sche Versprechen ökonomischer Konvergenz gekoppelt. tektur der Eurozone politisch und ökonomisch unvollständig ist, Dieses bestand in der Hypothese, dass die gemeinsame wird die Eurozone und damit auch die Gemeinschaft der Zoll- und Währungsunion für ihre Mitgliedsländer einen EU-Länder krisenanfällig und nur eingeschränkt zukunftsfähig Prozess aufholender Konvergenz auslösen würde, dem sein. Aktuell handelt es sich bei der Eurozone um eine Zoll- und zufolge sich die zum Eintrittszeitpunkt weniger reichen Währungsunion, aber um keine politische Union oder Fiskal- Länder relativ rasch an die höheren materiellen Lebens union (z. B. Iversen et al. 2016; De Grauwe 2018). Es fehlen standards in den reichsten EU-Ländern annähern würden daher wichtige wirtschaftspolitische Ausgleichsmechanismen, (z. B. Dauderstädt 2014). um Ungleichgewichte und Ungleichheiten zwischen den Euro ländern eindämmen bzw. korrigieren zu können. Ebenso ist die europäische Wirtschaftsarchitektur nur eingeschränkt im Stan 3 Der Anteil der Eurozone am realen BIP der EU betrug im Jahr 2018 ca. de, auf globale Herausforderungen bzw. lokal auftretende Kri 73 Prozent (Daten: AMECO; eigene Berechnungen). sen in einzelnen Ländern oder Regionen adäquat zu reagieren.
WIRTSCHAFTLICHE POLARISIERUNG IN EUROPA: URSACHEN UND HANDLUNGSOPTIONEN 9 Besonders klar wird dies im Bereich der Geldpolitik. Liegt abhängig, Finanzierungshilfen bereitzustellen (z. B. Sapir et eine national eigenständige Geldpolitik vor, kann ein Land al. 2014; Frieden/Walter 2017).4 auf sinkende Nachfrage im Privatsektor durch eine gezielte Zinssenkung reagieren, um die regionale Wirtschaftsaktivität Ein Beispiel hierfür sind die Erfahrungen Italiens und Spaniens, wieder anzukurbeln. Im Gegensatz dazu orientiert sich die die in den Jahren 2011 und 2012 an den Staatsanleihemärkten Europäische Zentralbank (EZB) an einer gesamthaften Eva aufgrund rasch steigender, panikinduzierter Zinsaufschläge so luierung der Länder in der Eurozone, wobei ein solches Ar stark unter Druck gerieten, dass eine selbstverstärkende Liqui rangement auch dazu führen kann, dass die Zinsen in Mit ditätskrise drohte. Italien und Spanien waren damit unmittelbar gliedsländern mit steigender Arbeitslosigkeit zu hoch und in von der Unterstützung durch die anderen Eurozonenländer solchen mit sinkender Arbeitslosigkeit zu niedrig sind. Dies abhängig. Erst nachdem EZB-Präsident Mario Draghi, unter an bedeutet, dass die EZB-Politik für den gesamten Euroraum schließender Zustimmung der deutschen Regierung, mit dra lokal betrachtet oftmals prozyklisch wirkt, weil sie die wirt matischer Qualität („whatever it takes“) angekündigt hatte, schaftlichen Zyklen von Boom und Krise verschärft und so dass die EZB alles in ihrer Macht Stehende für den Zusammen zu unerwünschten Abweichungen in der Inflationsrate im halt der Eurozone tun werde – einschließlich Notfallkäufe von Ländervergleich bzw. zum Entstehen von erheblichen Han bereits begebenen Staatsanleihen krisengeschüttelter Länder delsbilanzungleichgewichten zwischen den europäischen –, sank der Druck der Finanzinvestor_innen auf Italien und Spa Ländern beitragen kann, wie die Vorkrisenzeit gezeigt hat nien rasch und nachhaltig (Mody 2018; Tooze 2018). (z. B. Enderlein et al. 2012; Vermeiren 2017). Eine nochmals weiter zugespitzte Abhängigkeit erlebten Län Weil darüber hinaus die Wechselkurse zwischen den Mit der wie Griechenland, Irland und Portugal, die ihren Zugang gliedsländern der Eurozone fixiert sind (z. B. Höpner/Lutter zu den Finanzmärkten nach dem Beginn der Eurokrise vorüber 2018), können Euromitgliedsländer ihre Währung nicht gehend völlig verloren und damit von den wirtschaftlich und mehr abwerten, um dadurch ihre Exporte bzw. ihre Leis politisch mächtigeren Eurozonenländern abhängig waren, die tungsbilanzen zu verbessern. Zuletzt ist wesentlich, dass die in der Folge die Bedingungen für die Finanzierungsunterstüt Euromitgliedsländer de facto keine Kontrolle über die Wäh zung maßgeblich bestimmen konnten. Diese Konstellation rung haben, in der sie sich verschulden, weil die EZB eben bedeutete für die betroffenen Krisenländer massive Einschnitte für die Geldpolitik im gesamten gemeinsamen Währungs in die nationale wirtschaftspolitische Autonomie, die weitge raum zuständig ist. Das hat neben den bereits beschriebe hend dem Spar- und „Strukturreform“-Diktat der Gläubiger nen Einschränkungen der klassischen geld- und währungs vertreter_innen untergeordnet wurde (z .B. Sapir et al. 2014; politischen Optionen auf nationaler Ebene auch zur Folge, Featherstone 2015). dass nationale fiskalpolitische Interventionen nicht durch die Zentralbank unterstützt werden können und dass Eurolän Ein Ausbleiben ökonomischer Konvergenz innerhalb der Euro der spekulativen Attacken – etwa durch Panikverkäufe an zone verfestigt vor diesem Hintergrund auch die ökonomische den Staatsanleihemärkten – tendenziell stärker ausgeliefert und politische Machtposition der finanziellen „Geberländer“ sind (De Grauwe 2012). und übersetzt ökonomische Instabilität in politisches Kon fliktpotenzial, das die Fliehkräfte der Desintegration befeuert. Schließlich ist das fiskalpolitische Handlungsspektrum Euro Das desintegrative Potenzial derartiger politischer Konflikte pas durch das Fehlen eines Budgetinstruments auf Ebene zwischen Ländern mit ungleichen ökonomischen und politi der Eurozone in wesentlichen Punkten – etwa mit Blick auf schen Machtpositionen hat sich in den vergangenen Jahren die Möglichkeiten kurzfristiger Stabilisierungspolitik – eng nicht zuletzt an den innereuropäischen Auseinandersetzungen beschränkt (z. B. Andor 2016). Auf dieser Ebene stehen nur rund um die Krise in den südlichen Eurozonenländern gezeigt unzureichende fiskalische Ausgleichsmöglichkeiten bereit, (z. B. Copelovitch et al. 2016; Frieden/Walter 2017). um Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in einzelnen Eurozonenländern stabilisieren zu können (z. B. Farhi/Wer Die unterschiedlichen Dimensionen sozioökonomischer Polari ning 2017; Dullien 2018). Die fiskalischen Handlungsspiel sierung – von der Polarisierung auf der Ebene institutio räume auf nationaler Ebene sind zudem durch das EU- nell-rechtlicher und technologischer Produktionsvorausset Fiskalregelwerk so beschränkt, dass die Mitgliedstaaten in zungen, über die Polarisierung mit Blick auf wachsende Krisenzeiten zu wenig Spielraum für wirtschaftsbelebende Wachstums- und Leistungsbilanzdifferenziale bis hin zu politi Maßnahmen haben, während ihnen in Boomzeiten tenden schen Machtverschiebungen – sind dabei allesamt verbunden ziell mehr Spielraum zugestanden wird. Diese Eigenschaft und als gemeinsames Resultat eines europäischen und globa scheint im Sinne einer antizyklisch ausgerichteten Wirt len Standortwettbewerbs zu verstehen (vgl. Abbildung 2). In schaftspolitik ebenfalls nur wenig zweckmäßig zu sein (Be diesem Standortwettbewerb reüssieren manche Länder – netrix/Lane 2013; Heimberger/Kapeller 2017). etwa der deutschsprachige Raum – vor allem aufgrund von Die Eurozone bewegt sich damit nicht nur in einem politisch engmaschigen Korsett, sondern zeigt sich auch anfällig für 4 Die Anfälligkeit für panikartige Verkäufe von Staatsanleihen ist für spekulative Angriffe vonseiten der Finanzmärkte (z. B. Saka EU-Länder mit eigenständiger Geldpolitik nicht wie in den Eurozonenlän et al. 2015). In der Konsequenz sind Eurozonenländer, die an dern gegeben, weil die nationale Zentralbank in Stand-alone-Ländern wie Großbritannien den Finanzinvestor_innen glaubwürdig versichern kann, den Staatsanleihemärkten durch Panikverkäufe unter Druck dass sie in Notfällen Zahlungsausfälle des Staates als Kreditgeberin letzter geraten, vom „guten Willen“ der anderen Eurozonenländer Instanz verhindern wird (De Grauwe 2012).
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – FÜR EIN BESSERES MORGEN 10 Abbildung 2 Dimensionen der Polarisierung in Europa Standortwettbewerb Polarisierung der regulatorische Produktionsstrukturen Polarisierung auseinanderdriftende Wettbewerbsfähigkeit Polarisierung der Migrationsbewegungen Wachstumsdifferentiale Eigentumsverhältnisse politische Polarisierung Quelle: eigene Darstellung. Alleinstellungsmerkmalen im Bereich technologischer Kapazi grundlagen für die wirtschaftspolitische Koordinierung in der täten (die es beispielsweise ermöglichen, auch international Europäischen Union (z. B. Soukiazis/Casto 2005; Larch/ stark nachgefragte Maschinen- und Industriegüter herzu Jonung 2014). Auch der viel beachtete Bericht der „fünf Prä stellen), während andere Länder versuchen, Erfolg im inter sidenten“ der EU hielt zuletzt fest, dass „die Vorstellung von nationalen Wettbewerb durch die Schaffung besonders Konvergenz den Kern unserer wirtschaftlichen Union aus günstiger institutioneller „Standortfaktoren“ zu erzielen, etwa macht: Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten hin zu den in den Bereichen Unternehmensbesteuerung (z. B. Irland), höchsten Niveaus an Prosperität; und Konvergenz innerhalb Arbeitsmarktpolitik (Osteuropa) oder Finanzdienstleistungen der europäischen Gesellschaften, um unser einzigartiges Eu (Luxemburg, die Niederlande, Zypern und Malta). Andere ropäisches Modell zu fördern“ (Juncker et al. 2015: 7).6 EU-Mitgliedsländer, insbesondere in Südeuropa, können in diesem Standortwettbewerb hingegen nur eingeschränkt Die Eignung der europäischen Fiskalregeln für die Erreichung mithalten und fallen daher sowohl in der Dimension interna von Konvergenz bleibt jedoch fraglich: Gerade jene Länder, tionaler Wettbewerbsfähigkeit als auch im Bereich des mate die mehr wirtschaftspolitischen Spielraum (insbesondere für riellen Lebensstandards sukzessive weiter zurück. öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Forschung oder Bil dung) für einen wirtschaftlichen Wandel benötigen würden, Diese Möglichkeit einer zunehmenden Polarisierung Europas wird eben dieser Spielraum durch das bestehende Regelwerk war einigen zentralen Akteur_innen der europäischen Integ vorenthalten (z. B. Fitoussi/Saraceno 2008; Barbiero/Darvas ration von Beginn an voll und ganz bewusst. Die Einsicht, 2014; Heimberger/Kapeller 2017). dass Konvergenz in der Eurozone zwar erforderlich sei, sich aber nicht von selbst einstellen würde, wurde bereits im Jahr Nachfolgend nehmen wir eine nähere Untersuchung der 1989 vom Delors-Komitee in einem Bericht zur Wirtschafts- ökonomischen Dynamiken in Europa seit Errichtung der Euro und Währungsunion aufgegriffen. Dabei wurde etwa postu zone vor, wobei wir auf eine Vielzahl von Indikatoren ein liert, dass „stärkere Konvergenz der ökonomischen Perfor gehen, die in der wirtschaftspolitischen Debatte rund um manz erforderlich“ sei, weil „die Währungsunion ohne einen Konvergenz und Divergenz eine wesentliche Rolle spielen. hinreichenden Grad an Konvergenz [...] mit hoher Wahr scheinlichkeit nicht von Dauer sein wird und die Gemein schaft schädigen könnte“ (Delors 1989: 26).5 2.2 DIVERGENTE WACHSTUMSMODELLE IN DER EU Überlegungen zur ökonomischen und wirtschaftspolitischen Angleichung zwischen den Euroländern fanden dementspre Der politische Handlungsbedarf, der mit der ökonomischen chend auch Eingang in den Maastricht-Vertrag und in den Polarisierung in der EU einhergeht, zeigt sich bei einer ge Stabilitäts- und Wachstumspakt – zwei der zentralen Rechts naueren Analyse der Gründe für die beobachteten Unter schiede in den nationalen wirtschaftlichen Wachstumsraten. 5 Eigene Übersetzung des Zitats aus Delors (1989) vom Englischen ins Deutsche. 6 Eigene Übersetzung des angeführten Zitats aus dem Englischen.
WIRTSCHAFTLICHE POLARISIERUNG IN EUROPA: URSACHEN UND HANDLUNGSOPTIONEN 11 Abbildung 3 Fallende Lohnquoten und steigende personelle Einkommensungleichheit Lohnanteil auf Länderebene Ungleichheit auf Länderebene (Einkommen der Top-10%) Deutschland 75 % Frankreich 40 % Polen Spanien Polen 70 % Italien Prozent vom BIP in Faktorkosten 35 % Anteil am Gesamteinkommen Frankreich Italien Deutsch- Spanien Frankreich land Deutschland 65 % Frankreich Spanien Deutschland 30 % Spanien 60 % Italien Italien 25 % 55 % Polen Polen 20 % 50 % 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Quelle: AMECO, World Income Inequality Database. Eine solche Analyse legt nahe, dass die divergierenden Ent kräftigen Konsum der privaten Haushalte sorgte und dadurch wicklungen des Lebensstandards mit der Entstehung unter auch höheres Produktivitätswachstum anstieß (z. B. Lavoie/ schiedlicher, teils widersprüchlicher Wachstumsmodelle in Stockhammer 2013). Durch eine Kombination aus Faktoren nerhalb der beteiligten Länder verbunden sind (z. B. Baccaro/ – die Institutionalisierung strikter Geldpolitik, die ökono- Pontusson 2016; Stockhammer 2016; Regan 2017). Da die mische Globalisierung und Kapitalmarktliberalisierung, die dadurch beschrittenen Entwicklungspfade selbstverstärken Etablierung einer stärkeren Shareholder-Value-Orientierung den Charakter haben, ist eine Änderung dieser Konstellation sowie die abnehmende Stärke gewerkschaftlicher Organisa- ohne politische Eingriffe höchst unwahrscheinlich. tionskraft – geriet das lohngetriebene Wachstumsregime je doch ab den 1970er Jahren in eine Krise. Diese Krise führte Im Folgenden wird dabei die Entstehung der unterschiedlichen wiederum dazu, dass zahlreiche europäische Länder sich auf Entwicklungspfade zwischen den EU-Ländern erläutert, wobei die Suche nach alternativen Wachstumsmodellen begeben zu zeigen ist, wie die Herausbildung differierender Wachs mussten, in denen das reale Lohnwachstum nicht länger die tumsmodelle mit der ökonomischen Entwicklung in der Vor- treibende Kraft sein würde (Baccaro/Pontusson 2018). und Nachkrisenperiode zusammenhängt. Dies macht in der Folge deutlich, dass sich ökonomische Konvergenz in der EU Fallende Lohnquoten, die zudem zunehmend ungleicher ver aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von selbst einstellen wird teilt sind, senken die gesamtwirtschaftlichen Ausgaben für und dass es des mutigen Umsetzens einer neuen wirtschafts Güter und Dienstleistungen, weil die Lohnentwicklung von politischen Gesamtstrategie bedarf, um den gegenwärtigen zentraler Bedeutung für die Kaufkraft ist (z. B. Stockhammer Polarisierungsprozess nachhaltig zu überwinden. 2015; Behringer/van Treeck 2018). Dies schwächt grundsätz lich den wirtschaftlichen Ausblick, wobei das Ausmaß, mit der Die ökonomische Entwicklung in Europa ist in wesentlichen sich eine solche Schwächung tatsächlich in der makroökono Bereichen von zunehmender Ungleichheit gekennzeichnet. mischen Entwicklung niederschlägt, davon abhängt, ob andere So hat die Lohnquote – der Anteil der Löhne am Volksein Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage das Ab kommen – bereits seit den frühen 1980er Jahren quer durch sinken der Konsumausgaben, das sich aus der schwächeren die (späteren) Eurozonenländer abgenommen (z. B. Stock Entwicklung der Lohnsumme ergibt, kompensieren können. hammer 2013). Zudem ist die Einkommensungleichheit im gleichen Zeitraum markant angestiegen (z. B. Atkinson et al. Es gibt im Prinzip drei Möglichkeiten, um einen solchen Rück 2011). Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Lohnquote und gang der Konsumausgaben zu kompensieren (siehe Tabelle 1): des Anteils der Top-zehn-Prozent der Einkommensbezieher_ innen an den Gesamteinkommen für die fünf bevölkerungs –– Erstens kann eine Volkswirtschaft den Abwärtsdruck auf reichsten EU-Länder (exklusive Großbritannien). die inländische Nachfrage durch eine Ausweitung der Ex porte kompensieren und ein sogenanntes „exportgetrie Historisch wiesen die meisten entwickelten europäischen benes“ Wachstumsmodell entwickeln. Hier substituieren Volkswirtschaften nach dem Zweiten Weltkrieg ein lohnge Unternehmen den Mangel an inländischer durch auslän triebenes Wachstumsmodell auf, das heißt: Die wichtigste dische Nachfrage. Deutschland ist dafür der prominentes Wachstumskomponente war Lohnwachstum, das für einen te Fall in Europa (z. B. Storm/Naastepad 2015; Baccaro/
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – FÜR EIN BESSERES MORGEN 12 Tabelle 1 Mögliche Reaktionen auf eine Stagnation der aggregierten Nachfrage expansive Fiskalpolitik Steigerung der Exporte verschuldungsbasierte Expansion des privaten Sektors Voraussetzungen Glaubwürdigkeit auf Wettbewerbsvorteile, ausreichend deregulierte internationalen Finanzmärkten ausländische Importnachfrage, Finanzmärkte, Kapitalzuflüsse Kapitalabflüsse ins Ausland zentraler Akteur Staat Unternehmen Haushalte betroffene Komponente des Staatsausgaben Nettoexporte privater Konsum aggregierten Outputs Nebeneffekte steigende Staatsverschuldung Nettosparen im Inland steigende Verschuldung privater Haushalte Beispiele in der EU durch rechtliche Vorgaben Deutschland, Österreich Spanien, Italien, Portugal auf EU-Ebene beschränkt Implikationen für die negativ positiv negativ Leistungsbilanz Quelle: Gräbner et al. 2017: 5. Benassi 2017; Hassel 2017; Behringer/van Treeck 2018; Insgesamt haben die Volkswirtschaften in der EU also un- Höpner 2019), doch auch Österreich und die Niederlande terschiedlich auf den durch sinkende Lohnquoten und hö- operieren mit einem exportbasierten Wachstumsmodell. here personelle Einkommensungleichheit ausgelösten Ab –– Die zweite grundsätzliche Möglichkeit ist, die sinkenden wärtsdruck auf die Konsumausgaben reagiert: Einige Länder Konsumausgaben für Güter und Dienstleistungen durch entwickelten ein exportgetriebenes Wachstumsmodell expansive Fiskalpolitik und einen Anstieg in der öffentli (Deutschland, die Niederlande, Österreich), andere ein privat chen Verschuldung zu kompensieren – eine Strategie, die verschuldungsgetriebenes Modell (z. B. Spanien und Portu in den Vorkrisenjahren jedoch wenn überhaupt nur von gal); die Zunahme der öffentlichen Verschuldung als Kom Griechenland verfolgt wurde (z. B. Lane 2012; Baldwin et pensationsmechanismus spielte vor der Krise hingegen nur al. 2015). für Griechenland eine wichtige Rolle. Die vor der Finanzkrise –– Drittens kann der Privatsektor in betroffenen Volkswirt vorherrschende Konstellation aus export- und verschul schaften eine höhere Bereitschaft im Hinblick auf die dungsgetriebenen Wachstumspfaden ist dabei eng mit der Schuldenaufnahme zeigen. Wenn die gestiegene Nach Entwicklung internationaler Ungleichgewichte im Bereich frage nach Krediten im Privatsektor auch auf ein entspre der Leistungsbilanzen und der Auslandsverschuldung ver chendes Kreditangebot trifft, kann die tatsächliche Zu bunden.8 nahme in der Verschuldung des Privatsektors zumindest vorübergehend den aus steigender Einkommensungleich Diese Ungleichgewichte sind wiederum maßgeblich für die heit entstandenen Abwärtsdruck auf die Konsumausga Instabilität des gemeinsamen Währungsraums; denn nach ben kompensieren. Nach der Einführung des Euro wiesen der krisenbedingten Eskalation stürzten insbesondere Länder insbesondere weite Teile der südlichen Eurozone – die mit verschuldungsgetriebenem Wachstumsmodell ab 2008 in aufgrund der Erwartung höherer Wachstumsraten massi eine tiefe Krise. Umso bemerkenswerter ist, dass die meisten ve Kapitalzuflüsse aufsogen (Hobza/Zeugner 2014) – ein Ökonom_innen und wirtschaftspolitischen Entscheidungs privatverschuldungsgetriebenes Wachstumsmodell auf (Stockhammer/Wildauer 2016).7 8 Die politökonomischen Faktoren für die historische Herausbildung un terschiedlicher Wachstumsmodelle in Europa sind noch zu wenig erforscht, um eine kompakte Vergleichsdarstellung europäischer Länder liefern zu 7 Als jene Eurozonenländer, in denen die Verschuldung des Privatsektors können. Für Deutschland und sein exportgetriebenes Wachstumsmodell in den Vorkrisenjahren stark angestiegen war, mit dem Ausbruch der Finanz weisen existierende Forschungsergebnisse jedoch darauf hin, dass Interak krise unter Druck kamen, wurden die Schulden des privaten Sektors teilweise tionen steigender personeller Einkommensungleichheit mit dem speziellen auf den Staat überwälzt, insbesondere in Form der budgetären Kosten der Institutionensystem der industriellen Beziehungen die in den vergangenen Bankenrettungen. Der extremste Fall ist dabei Irland, das im Jahr 2010 eine Jahrzehnten zu beobachtenden Verschiebungen hin zu einer größeren Ab vollständige Garantie für die Verbindlichkeiten der sechs größten Banken hängigkeit der deutschen Wirtschaft gegenüber dem Auslandssektor erklä aussprach, was zu einem enormen sprunghaften Anstieg des Budgetdefi ren können (Baccaro/Benassi 2017; Behringer/van Treeck 2018). Zugleich zits sowie der Staatsschuldenquote führte (z. B. Allen et al. 2015). Auch die gilt die diversifizierte und zum Teil hochgradig spezialisierte Produktions spanische Staatsschuldenquote hat sich im Zuge der Bankenrettung in etwa struktur Deutschlands als wesentlicher historischer Erklärungsfaktor für die verdreifacht (von ca. 30 auf ca. 90 Prozent des BIP). starke Rolle Deutschlands im Außenhandel (Arndt/Streeck 2018).
WIRTSCHAFTLICHE POLARISIERUNG IN EUROPA: URSACHEN UND HANDLUNGSOPTIONEN 13 Abbildung 4 Verschuldungsdynamiken in Europa: Vorkrisenperiode (1999–2007) Änderung Schulden/BIP in Prozentpunkten Änderung der 100 % Haushaltsverschuldung 80 % 60 % Änderung der 40 % Staatsverschuldung 20 % 0% Änderung der Unternehmensverschuldung –20 % (exklusive Finanzsektor) –40 % Deutschland Polen Italien Frankreich Irland Griechenland Spanien Portugal Quelle: OECD; eigene Berechnungen. träger_innen die Herausbildung dieser divergenten Entwick Budgetdefizite und Staatsschulden zurückzuführen sei (z. B. lungspfade im Vorkrisenzeitraum weitgehend übersahen Schäuble 2011) als falsch, denn der Anstieg der öffentlichen bzw. als unproblematisch bewerteten. Ganz im Gegenteil Verschuldung ab 2008 war eine direkte Folge von Banken wurde, wie bereits angedeutet, die Dynamik der verschul rettungen und negativen budgetären Folgeeffekten der Krise dungsgetriebenen Wachstumsmodelle im Süden der EU (z. B. Shambaugh 2012; Baldwin et al. 2015), die den über weitgehend als Beispiel erfolgreicher Konvergenz gedeutet wiegenden Teil des in Abbildung 6 dargestellten Anstiegs (z. B. Blanchard/Giavazzi 2002; Giavazzi/Spaventa 2011). der Staatsverschuldung nach der Krise erklären. Deutsch land wies hingegen in den Jahren vor der Finanzkrise bereits Die Herausbildung von exportbasierten und privatverschul hohe Nettoexportüberschüsse aus, die mit Kapitalabflüssen dungsgetriebenen Wachstumsmodellen hatte wesentliche ins Ausland einhergingen, die wiederum mancherorts ein Implikationen für die Entwicklung der Verschuldung. Abbil nicht nachhaltiges Schuldenwachstum weiter befeuerten dung 4 zeigt den drastischen Anstieg der Verschuldung des (Hobza/Zeugner 2014). Im deutschen Inland jedoch ermög Privatsektors und dabei insbesondere der privaten Haushalte lichte das vorherrschende exportfokussierte Wachstums in südlichen Eurozonenländern sowie in Irland und, etwas modell sogar einen leichten Rückgang der Haushaltsver abgeschwächt, auch in Frankreich. schuldung bis zum Jahr 2007. Auf dieser Basis lässt sich auch die Dynamik verschuldungs Als nach der Finanzkrise die problematische Verschuldungs getriebenen Wachstums einfach illustrieren: In Spanien, das entwicklung und die damit zusammenhängenden makro- als Paradebeispiel für ein solches Wachstumsmodell gilt, sank ökonomischen Ungleichgewichte erkannt wurden, änderte die Staatsverschuldung relativ zum BIP im Vorkrisenzeitraum sich die wirtschaftspolitische Einschätzung der europäischen 1999–2007, während die Verschuldung der privaten Haus Institutionen und wirtschaftspolitischen Entscheidungsträ halte jedoch ebenso wie die Verschuldung der Unternehmen ger_innen drastisch. Selbst ehemalige Vorkrisen-„Muster massiv anstieg – die aus Letzterem resultierende ökonomi schüler“ wie Spanien wurden schlagartig zu Problemfällen sche Dynamik sorgte dabei auch für einen korrespondieren degradiert, was mit der Diagnose eines erheblichen „struk den Anstieg der Staatseinnahmen und ermöglichte so erst turellen Reformbedarfs“ einherging, der insbesondere auf den Abbau der Staatsschulden Spaniens im Vorkrisenzeit die Deregulierung der Arbeitsmärkte und die Senkung der raum. Auch in den anderen südlichen Eurozonenländern sind Löhne mit dem vorgeblichen Ziel einer Reduktion der „struk für die Vorkrisenzeit drastische Aufwärtsbewegungen in der turellen“ Arbeitslosigkeit abzielte (Heimberger/Kapeller Privatverschuldung festzustellen. 2017). Tatsächlich aber trug die Politik der Lohnkürzungen und Arbeitsmarktderegulierung zu einer weiteren Verschär Der Anstieg der Staatsverschuldung war hingegen höchs fung der Krise der privatverschuldungsgetriebenen Wachs tens in Griechenland bereits in der Vorkrisenphase ein Pro- tumsmodelle im Süden der Eurozone bei, weil die sinkenden blem (Lane 2012). Dieses Faktum entlarvt die dominante Einkommen breiter Bevölkerungsschichten die Konsumaus Darstellung, wonach die Eurokrise ursächlich auf exzessive gaben weiter schwächten und die wirtschaftliche Abwärts
Sie können auch lesen