FORUM - BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES - INDUSTRIE-POTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
FORUM Gesundheitspolitik in der Diskussion Institut für Gesundheitssystem-Entwicklung 6 • 2018 BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIE- POTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE FORUM
MEDIA Jenseits von Paragraphen und Verträgen lebt unser Gesundheitssystem vom Gespräch und vom Austausch der Akteu- re. Vor allem Weiterentwicklungen unseres Gesundheitssystems finden nicht am Reißbrett statt, sondern im Diskurs der Akteure miteinander. Mit iX-Media wird diesem Austausch eine Plattform gegeben. Wir laden „auf allen Kanälen“ zum Dialog ein: Print, Audio und Video stehen Ihnen zur Verfügung, um Ihre Positionen, Ihre Ideen, Ihre Erkenntnisse der gesundheitspolitischen Community mitzuteilen. Mit Dr. Albrecht Kloepfer, Dr. Jutta Visarius, Dr. Martina Kloepfer und dem übrigen iX-Media-Team stehen langjährige Systemexperten hinter dem Projekt, die wissen wie gesundheitspolitisch der Hase läuft (und zukünftig laufen wird), die der Komplexität des Themas auch mit einfachen Worten gerecht werden können und denen auch die technischen As- pekte medialer Umsetzungen vertraut sind. Wenden Sie sich an uns – wir sind für Sie da! HIGHLIGHTS GESUNDHEITSPOLITISCHER WOCHENRÜCKBLICK Die iX-Highlights informieren immer montags über aktuelle gesundheitspolitische Entwicklungen und liefern relevante Hintergrundinformationen. In seinem gesundheitspolitischen Editorial bewertet Dr. Albrecht Kloepfer ein herausragen- des Wochenthema. In der Rubrik „Mondphasen“ kommen einmal im Monat Vertreter aus Politik oder Selbstverwaltung zu Wort. Aktuelle Dateien der Woche (Bundestagsdrucksachen, Studien etc.) können als Service zusätzlich kostenlos abgerufen werden. FORUM GESUNDHEITSPOLITIK IN DER DISKUSSION Die Zeitschriften-Reihe iX-Forum greift die großen gesundheitspolitischen Themen des Gesundheitswesens auf und bietet Ihnen die Möglichkeit, mit ausreichend Platz und in ansprechendem Rahmen Ihre Positionen, Ihre Ideen, Ihre Erkenntnisse der gesundheitspolitischen Szene mitzuteilen. Der Clou an der Sache: Die Hefte werden bundesweit an mehr als 2.500 gesundheitspolitische Entscheider und Meinungsführer versandt. – Wir sorgen dafür, dass Ihre Gedan- ken Beachtung finden! RADIO GESUNDHEITSPOLITIK ZUM HÖREN In monatlicher Folge widmet sich iX-Radio einem aktuellen gesundheitspolitischen Thema und lässt dazu die wichtigs- ten Entscheider zu Wort kommen. Erläuternde Moderationen beleuchten die Hintergründe und stellen das jeweilige Thema in den Kontext der unterschiedlichen Interessen. Ziel dabei ist, dass nicht nur die Szene sich selbst bespiegelt, sondern dass unser komplexes Gesundheitssystem auch Außenstehenden nahe gebracht wird. SPOTLIGHT VISUELLE PRÄSENZ IM GESUNDHEITSWESEN iX-Spotlight ist die Video-Plattform für Ihre bildstarke Kommentierung des aktuellen Zeitgeschehens im Gesundheits- system. Denn um überzeugende Statements sichtbar in Szene zu setzen, sind nicht nur eindrucksvolle Bilder aus- schlaggebend, sondern vor allem auch fundierte Kenntnisse des Systems. Mit Dr. Martina Kloepfer haben wir eine büh- nen- und filmerfahrene Expertin im Team, die auch Sie medienwirksam „in Szene setzen“ kann. 2 FORUM
Inhalt Beyond pills and medical devices – Industriepotentiale einer integrierten Versorgungskette 4 Editorial Dr. Jutta Visarius, Dr. Albrecht Kloepfer Herausgeber 6 Digitalisierung: Die Taktzahl im Gesundheitswesen steigt Birgit Fischer Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller e.V 10 Wir brauchen ein neues Denken für das Zeitalter der medizinischen Innovationen Dr. Jutta Wendel-Schrief Director Market Access, MSD Deutschland 14 Bessere Patientenversorgung durch digitalen Fortschritt – doch wie kommen solche Innovationen in die Regelversorgung? Sascha Glanemann Matthias Diessel MSc, MBA, Geschäftsführer EMBA, MSc, Director Market Access & Teva Specialty Medicines Governmental Affairs, Teva Specialty Medicines 18 Die „4D’s“ – die Eckpfeiler der Medizin von morgen Prof. Dr. Jochen Maas Geschäftsführer Forschung & Entwicklung der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH und Leiter des German R&D Hub 22 Bessere Sektorenübergreifende Versorgung – Oder: Wie man sich und anderen das Leben schwer machen kann Britta Mizani Healthcare Manager – Market & Healthcare, DESITIN ARZNEIMITTEL GMBH 28 Die Rolle der Pharmaindustrie bei der integrierten Versorgung Dr. Alexander Wilke MBA, LL.M., Director Market Access & Public Affairs D-A-CH, Ipsen Pharma GmbH Impressum FORUM 3
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, dass die Industrie in der Versorgung mehr Gestaltungsbe- ner zwischenzeitlich auch schon wieder ausgestiegen (ein hört in der Mittagspause einer Außendienstmitarbeiter-Ta- werdende therapeutische Möglichkeiten mit komplexen teiligung will, ist klar. Aber kann sie auch? Stimmt der Beispiel hierzu finden Sie in dieser Ausgabe). Von „blühen- gung – wird eine patientenorientierten Haltung Platz ma- Versorgungssettings aus Ärzten, Krankenkassen und Indus- Rechtsrahmen? Ist „Industrie-Denke“ mit den Vorstellun- den Landschaften“ kann also noch keine Rede sein. chen müssen, die nicht mehr den Umsatz mit Produkten an trie flankiert werden sollten. Und sie beschreiben – in The- gen von Krankenkassen und Ärzten kompatibel? Gibt es Ak- erste Stelle setzt, sondern eine wirksame und effiziente orie und in Praxis – wie solche Wege beschritten werden zeptanz für solche Kooperationen bei den Versicherten und Wo aber liegen die Hürden? Der Gesetzgeber hat mit einer Patientenversorgung. könnten, welche medizinischen Herausforderungen und In- – nicht zu unterschätzen! – bei der Presse? Neuformulierung des § 140a SGB V doch eigentlich den dikationen sich besonders gut dafür eignen und wo – bei Weg frei gemacht? Bislang aber – so hat man den Eindruck Ein solcher Weg wird nicht unbedingt auf Anhieb von Erfolg allem Bedarf und bei bestem Willen der Beteiligten – die Klar ist aber auch: Mit der wachsenden Komplexität thera- – scheinen die „business cases“ und die unterschiedlichen gekrönt sein, aber dahinter steht die grundsätzliche Frage, Hürden liegen, die zukünftig aus dem Weg geräumt werden peutischer Produkt muss die Industrie nahezu zwangsläu- Versorgungsanforderungen nicht zusammen zu passen. ob die Industrie auch langfristig nur mehr oder minder aus- müssen. fig stärker in das Versorgungsgeschehen integriert werden. Oder sind schlicht die kulturellen Differenzen zu groß? Mög- wechselbarer „Zulieferer“ im Gesundheitssystem sein will, Denn der passende Rechtsrahmen ist nicht etwa der Denn einer ersten Entwicklung, in der allmählich Arzneimit- licherweise glauben auch alle Beteiligten (übrigens auch oder ob sie sich auf mittlere und lange Sicht als system- und Schlussstein für erfolgreiche trilaterale Kooperationsmo- tel sich immer stärker mit Medizinprodukten verbinden – Ärzte und Krankenkassen) bislang in Abgrenzung vonein- versorgungsbeteiligter Partner dauerhaft auf annähernd delle, er ist Ausgangspunkt und allererste Basis. Vertrauen, beispielsweise bei den Potentialen der Darreichung und Do- ander allemal besser leben zu können als in Kooperation gleicher Augenhöhe etablieren will. Der erste Weg mag Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit, guter Wille und ein Engage- sierung – wird eine zweite folgen, in der therapeutische Pro- miteinander. Dann wäre die Not wohl noch nicht groß schnelleren return on invest versprechen, der zweite ist ver- ment deutlich über den 08/15-Dienst hinaus sind bislang dukte der Industrie ohne enge Kooperation mit dem behan- genug. mutlich der sicherere um sich langfristig im Versorgungge- noch bei allen Beteiligten Grundvoraussetzungen für das delnden Arzt nicht mehr ihre volle Wirkung entfalten können schehen zu etablieren. Gelingen komplexer Kooperationsmodelle in unserem Ge- – oder vielleicht sogar gänzlich wirkungslos bleiben. Wer allerdings bei allen möglichen Ursachen auf der Stre- sundheitswesen. Mit dem vorliegenden Heft soll dafür ge- cke bleibt, ist der Patient. Denn für ihn können nicht alle Die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Heftes be- worben werden, diese Investitionen nicht zu scheuen! Ursache dafür ist die wachsende Komplexität von Arznei- therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Aber schreiben Möglichkeiten (und Widrigkeiten) auf diesem mitteln oder Medizinprodukten, deren therapeutische Po- die wachsende Komplexität des Versorgungsgeschehens zweiten Weg. Sie gehen davon aus, dass komplexer Wir wünschen anregende Lektüre! tenziale sich dem behandelnden Arzt häufig nicht mehr oh- zeigt uns, dass es letztlich dazu keine Alternative gibt. Neu- ne flankierende Assistenz des Herstellers vollständig er- es Denken ist also angesagt: Den Kostenträgen muss wohl Mit herzlichen Grüßen schließen. Ärzte und Industrie werden also immer weiter die Angst vor „Wirtschaftsförderung auf Kosten der Solidar- aneinanderwachsen, und es wäre daher nur ein konsequen- gemeinschaft“ genommen werden. Und den Ärzten die ter Schritt, auch den dritten Behandlungspartner, die Kran- Angst vor „Einmischung in innere ärztliche Angelegenhei- kenkassen (und ihre Daten), in ein ganzheitliches komple- ten“. xes Behandlungssetting zu integrieren. Nur in einer solchen Dreierkonstellation (der dann natürlich ein eigenes Ver- Und die Industrie: Sie vor allem wird ihren Fokus verändern tragskonzept zugrunde liegen muss) ist schließlich ein müssen – und sie hat sich in den letzten Jahren mehr und lückenloses und ganzheitliches Therapieregime denkbar. mehr dazu auf dem Weg gemacht. Wie das möglich ist, zei- gen – in Theorie und Praxis – die Beispiele in diesem Heft. Soweit die Theorie. Denn in der Realität des Jahres 2018 Wie also sowohl Kassen als auch Ärzte in neue Dimension lassen sich die Beispiele für ein solches komplexes Versor- der Kooperation vorstoßen und „Ängste“ überwinden müs- gungssetting an den Fingern einer Hand abzählen. Und sen, so wird sich auch die Industrie glaubhaft von lange ge- selbst wenn entsprechende Bündnisse dann geschmiedet pflegten Grundhaltungen verabschieden müssen. Der Satz wurden: In verschiedenen Projekten ist der Industriepart- „im COPD-Markt ist noch reichlich Luft nach oben“ – so ge- Dr. Jutta Visarius Dr. Albrecht Kloepfer 4 FORUM FORUM 5
BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIEPOTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE Digitalisierung: Die Taktzahl im Gesundheitswesen steigt AUSGABE 6 · 2018 Digitalisierung: Die Taktzahl im Gesundheitswesen steigt #PharmaDigital Forschende Pharma-Unternehmen haben ein Ziel: Bessere und neue Medikamente zu entwickeln. Unterstützung finden sie dabei immer mehr durch die Digitalisierung. Schon heute sind in allen Phasen, von der Forschung bis zur Versorgung, digitale Anwendungen im Einsatz. Und das ist erst der Anfang. Für forschende Pharma-Unternehmen ist die Zusammen- arbeit Teil ihrer DNA. Zur Erforschung und Entwicklung innovativer Arzneimittel arbeiten sie mit Ärzten, Wissen- Forschung & Entwicklung Smart statt Big Data. Intelligente Soft ware durchsucht schaftlern und Patientenorganisationen zusammen. Die medizinische Datenbanken und stellt Zusammenhänge her. Sie kann auch ganze Krankheitsprozesse simulieren. Digitalisierung eröffnet weitere Möglichkeiten. Neue Ak- Forscher gewinnen ein immer genaueres Bild der Abläufe im Körper, verstehen Krankheiten besser und entwickeln so immer präzisere Medikamente. teure, wie Start-ups oder Tech-Pioniere, werden eben- Produktion & Qualität Medikamente aus der Smart Factory. Patienten müssen sich falls Teil des Geschehens. In der Folge verbessert sich auf ihre Medikamente verlassen können. Die Vernetzung und Automatisierung von Produktionsanlagen helfen, Arznei- die Behandlung der Patienten stetig. Durch eine verbes- mittel in höchster Qualität zu produzieren. Auch nach der Produktion ist die Digitalisierung ein ständiger Begleiter: Seien es digitale Sicherheitsmerkmale zum Schutz vor serte Diagnostik, die Kombination von Arzneimitteln und Fälschungen oder elektronische Gebrauchsinformationen. Birgit Fischer Medizinprodukten sowie ergänzenden Apps wird der Weg Hauptgeschäftsführerin des für ein umfassendes und smartes Therapiemanagement Verbandes Forschender geebnet, etwa bei der Behandlung von Diabetes. Zielge- Zulassung & Diagnose naue, individuelle Kombinationen aus Diagnose, perso- „Eines für alle“ hilft nicht immer. Gerade bei komplexen Arzneimittelhersteller e.V Erkrankungen geht es darum, die richtige Therapie für jede Patientengruppe zu finden. Digitalisierung ist der Motor für nalisierter Therapie und flankierenden digitalen Unter- die personalisierte Medizin. Biobanken schaffen die Ver- knüpfung von Patientendaten aus klinischen Studien mit genetischen Daten. Ziel ist die Entwicklung neuer Biomarker stützungsangeboten werden die Zukunft der Behandlung Patienten & Versorgung für die Diagnostik und die Auswahl der geeigneten Therapie. Viel mehr als Dr. Google. Patienten nutzen schon jetzt von Patienten bestimmen. Apps und Web-Portale zur Diagnostik- oder Therapieunter- stützung. Die Sammlung und Auswertung von Daten aus dem Versorgungsalltag können zusätzliche Nachweise zum Nutzen von Arzneimitteln liefern, die Therapietreue erhöhen Daten sind die harte Währung der und den Umgang mit einer Erkrankung erleichtern. Digitalisierung Forschende Pharma-Unternehmen und digitaler Fortschritt Neue Akteure mit neuen digitalen Angeboten ergänzen harten Währung der Digitalisierung im Gesundheitswe- traditionelle Gesundheits- und Versorgungsanbieter und sen. Pharmaunternehmen sehen diese Entwicklung als Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist ambitioniert: Deutschland will „Vorreiter bei der deren Leistungen. Die Übergänge zwischen den verschie- Chance, denn der Umgang mit großen Datenmengen – Einführung digitaler Innovationen“ im Gesundheitswesen sein. Ein zukunftsweisendes Ziel, denen Versorgungsbereichen werden durchlässiger. Ko- etwa in klinischen Studien – ist für sie ein grundlegender das die forschenden Pharma-Unternehmen unterstützen. Wenn es Realität werden soll, braucht operationen und abgestimmte Therapiekonzepte werden Bestandteil der täglichen Arbeit, ebenso aus Forschungs- es eine gemeinsame Richtung, branchenübergreifende Kooperationen und Experimentier- alltagstauglich. Das schafft einen Fortschritt für Patien- daten medizinisches Wissen und Evidenz zu generieren. räume um die Umsetzung internationale Standards in Deutschland zu erproben und später tinnen und Patienten, deren medizinischer Bedarf und Digitalisierte Prozesse helfen große Datenmengen zu- flächendeckend zu nutzen. deren persönliche Wünsche ins Zentrum rücken. Die sammenzuführen, zu analysieren und neue Lösungswege Überlegenheit in Therapie und Alltag muss sich dann zu finden. Das Generieren von Forschungsdaten und der auch beweisen: So werden Daten aus der Versorgung zur Nachweis von Evidenz wird schneller und effizienter. 6 FORUM FORUM 7
BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIEPOTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE Digitalisierung: Die Taktzahl im Gesundheitswesen steigt AUSGABE 6 · 2018 Bessere Anwendung und mehr So unterstützen z.B. elektronische Patiententagebücher eHealth-Markt mehr Investitionen und Innovationen. Und Sicherheit und elektronische Fallakten die fachärztliche Versorgung es braucht Klarheit bei Prozessen und Standards für die bei komplexen Herausforderungen und vorhandenen Verknüpfung, das Teilen und die Nutzung von For- Mit Hilfe digitalisierter Prozesse kann der vorschriftsmä- Ressourcenproblemen. Ein anderes Beispiel ist die intel- schungsdaten. Interoperabilität von medizintechnischen ßige und damit sichere Gebrauch von Arzneimitteln für ligente Verknüpfung von Arzneimittel und Medizinpro- IT-Systemen und die internationale Anschlussfähigkeit Patienten schon bald einfacher werden. Das Pilotprojekt dukt. Diese sogenannten Smart Devices können medizi- des Standorts Deutschland sollten dabei oben auf der „Gebrauchsinformation 4.0“, an dem der vfa mitarbeitet, nische Daten digital messen, aufzeichnen und dann zur Agenda stehen. Dann können die ambitionierten Ziele zeigt, was geht: Die digitale Arzneimittel-Information für Beobachtung in Echtzeit mit dem zuständigen medizini- des Koalitionsvertrags zur digitalen Transformation im Patienten. Überall abrufbar und jederzeit auf dem neus- schen Fachpersonal sicher teilen. Insbesondere bei chro- Gesundheitssystem erreicht werden und bleiben nicht ten Stand. Heute in Deutschland erprobt, künftig in allen nischen oder seltenen Erkrankungen mit hohem Doku- im Ungefähren stecken. EU-Ländern vorgesehen. Das europäisch vernetzte Pro- mentationsaufwand und dem Bedarf an einem schnellen Das alles ist kein Selbstzweck. Es geht vielmehr um jekt „securPharm“ ist schon einen Schritt weiter. Es hat Fachaustausch zwischen den unterschiedlichen Berei- wachsendes Wissen und medizinische Fortschritte durch den Projektstatus verlassen und geht ab Februar 2019 chen der Versorgung schafft das einen konkreten Mehr- Digitalisierung, an denen Patientinnen und Patienten teil- Schritt für Schritt an den Start: Hier arbeiten Apotheker, wert für den Patienten und steigert die Versorgungs- haben und davon profitieren. Dieser individuelle Nutzen Großhandel und Industrie zusammen, um gefälschte Arz- qualität. schafft zugleich einen gesellschaftlichen Mehrwert und neimittel aus dem Verkehr zu ziehen. Das System arbei- Die Dynamik des Fortschritts könnte jedoch noch besser volkswirtschaftlichen Gewinn. tet mit individuellen Packungsnummern. Tauchen etwa für die Medizin genutzt werden. Ein aktuelles Beispiel Nummern in der Apotheke auf, die das System nicht dafür ist der Aufbau forschungsfreundlicher elektroni- kennt, wird eine Prüfung in Gang gesetzt und ein Arznei- scher Patientenakten, die den Wissenstransfer zwischen mittel kann vor Ort aus dem Verkehr gezogen werden. klinischer Forschung und Versorgung unterstützen. Der Patient soll darüber entscheiden, ob er seine Daten zur Patient: Herr der eigenen Therapie Verfügung stellen möchte. Für die Gesundheitspolitik be- deutet das: Die laufenden Aktivitäten zur elektronischen Die Sammlung (Tracking und Register) und Auswertung Patientenakte schnell mit den Planungen zur Medizinin- von Daten aus dem Versorgungsalltag können zusätzli- formatik-Initiative zu verknüpfen. che Nachweise zum Nutzen von Arzneimitteln schaffen. Digitale Angebote unterstützen Patienten aktiv dabei, ih- eHealth-Zielbild schafft Basis für re Therapietreue zu erhöhen. Und das medizinische Mo- gemeinsame Plattform nitoring der Behandlungsdaten steigert die Sicherheit und Qualität der Arzneimitteltherapie. Ergänzende digi- Damit aus Chancen und Herausforderungen der Digitali- tale Angebote bieten Patienten individualisierte Schu- sierung auch eine Erfolgsgeschichte wird, braucht es ei- lungsprogramme zu ihrer Erkrankung, zu alltagsrelevan- ne gemeinsame Richtung und gemeinsames Handeln. ten Therapiehinweisen oder zur Prävention. Beispiele Der Blick über den Tellerrand und die Offenheit für Zu- sind personalisierte Krankheits-Management-Program- sammenarbeit sind entscheidend. Auch deshalb fordern me und gezielte Lifestyle-Coachings, die den Einsatz von die forschenden Pharma-Unternehmen mit sieben wei- Apps, Web-Portalen und persönlichen Schulungspro- teren Verbänden der industriellen Gesundheitswirtschaft grammen kombinieren. Die vfa-Mitgliedsunternehmen die Entwicklung eines branchenübergreifenden eHealth- engagieren sich dabei in Projekten, damit Ärzte und me- Zielbilds. Eine gemeinsame Vorstellung von dem, was dizinisches Fachpersonal die Behandlung von Patienten zielgerichtet und ambitioniert erreicht werden soll, wäre stärker personalisieren, ortsunabhängiger gestalten und ein wichtiges Signal für den Standort Deutschland. Im damit besser in den Patientenalltag integrieren können. internationalen Wettbewerb braucht es im deutschen 8 FORUM FORUM 9
BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIEPOTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE Wir brauchen ein neues Denken für das Zeitalter der medizinischen Innovationen AUSGABE 6 · 2018 Wir brauchen ein neues Denken für das Zeitalter der medizinischen Innovationen Man kann es kaum übersehen: Die historisch gewachse- ser Vorschläge umfassende Maßnahmen für eine quali- nen Strukturen der Gesetzlichen Krankenversicherung tativ hochwertige, kosteneffektive, kooperativ ausgerich- (GKV) sind einerseits leistungsstark und haben ein bei- tete und zukunftsfähige Gesundheitsversorgung in spielhaftes Gesundheitswesen geschaffen; aber sie führ- Deutschland entwickeln zu wollen. ten über die Jahre zu einer starken Fragmentierung und Unübersichtlichkeit, vor allem für die Betroffenen, die Pa- Die Idee, Wirtschaftlichkeits- und Qualitätspotentiale des tienten. deutschen Gesundheitswesens über sektoren- und/oder Dr. Jutta Wendel-Schrief Und in der Folge wird zu oft ein effizienter und koordi- berufsfeldübergreifende Versorgung zu mobilisieren, be- Director Market Access, nierter Behandlungsprozess über die strikte Trennung steht seit mehr als 30 Jahren. Ihre Aktualität ist aber hö- der einzelnen Leistungssektoren (ambulant, stationär, her denn je und die Zeit drängt. Die jetzt schon erkenn- MSD Deutschland Reha), sektorale Budgetierung, aber auch durch erheb- und spürbare demographische Entwicklung der kommen- liche Unterschiede in den Anreizstrukturen gebremst und den Jahrzehnte und die damit einhergehenden Verschie- nicht selten komplett unmöglich gemacht. bungen von Krankheitsbildern, hin zu mehr chronischen Erkrankungen und Multimorbiditäten, machen eine tief- Informations- und Koordinationsdefizite zwischen den gehende Neuausrichtung des deutschen Gesundheits- einzelnen Sektoren führen zudem seit Jahren in einzel- wesens dringend notwendig. In der näheren Betrachtung nen Bereichen zu Über-, Unter- und Fehlversorgung. Die zeigt sich, dass das bundesdeutsche Versorgungssystem Versuche des Gesetzgebers aus den letzten Jahren, die- – trotz einiger Innovationsversuche – mit dem Wandel Seit Ende der 80er Jahre startete die Politik in regelmäßigen Abständen neue Gesundheitsreformen, um das se Probleme über die Ergänzung des kollektivvertraglich der Patientenproblematiken nicht im nötigen Maße deutsche Gesundheitswesen strukturell zu modernisieren oder auch einzelne Bereiche der Versorgung enger geprägten Gesundheitssystems um einzelvertragliche Al- Schritt gehalten hat. Es ist immer noch zu stark auf aku- miteinander zu verzahnen. Selten brachten die konkreten Reformmaßnahmen und Innovationsversuche den ternativen zu ergänzen, haben dieses Grundprobleme te, episodale und eindimensionale Krankheiten ausge- erhofften Erfolg. Man setzte dann eben eine neue Regulierung in Gang. Es wird Zeit, an einigen zentralen Stel- bislang nicht wirklich überwinden können. Die amtieren- richtet. Der Zunahme chronischer und multipler Erkran- len über Strukturen und Voraussetzungen für eine bessere Patientenversorgung nachzudenken. Für uns als de Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag kungen steht unser deutsches System unzureichend vor- pharmazeutisches Unternehmen ist es wichtig, gemeinsam mit der Politik, Kostenträgern und anderen Leis- erneut diesem komplexen Thema angenommen. Eck- bereitet gegenüber. Aber wir brauchen aufgrund der Viel- tungserbringern an der Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitswesens zu arbeiten. Für das Wohl der punkte für die Fortentwicklung der integrierten Versor- schichtigkeit und des oft langen Krankheitsgeschehens Patienten müssen wir alle unsere Komfortzonen verlassen. gung sollen bis 2020 von einer Arbeitsgruppe erarbeitet verstärkt interdisziplinäre und multiprofessionelle, statt werden. Erneut wurde das Ziel ausgerufen, auf Basis die- eindimensionale Versorgungsformen. 10 FORUM FORUM 11
BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIEPOTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE Wir brauchen ein neues Denken für das Zeitalter der medizinischen Innovationen AUSGABE 6 · 2018 Das System steht vor einem Damit verbunden ist ein direkter Einfluss auf die wirt- Die Integrierte Versorgung steht und Für das Wohl des Patienten müssen Beschleunigungstrauma schaftlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen. fällt mit der Digitalisierung sektorale Scheuklappen abgelegt Über Jahrzehnte eingeübte Rollen werden sich zuneh- werden Hinzu kommt die zunehmende Digitalisierung im gesam- mend verschieben, es bilden sich neue Kundengruppen Besonderer Treiber integrierter Versorgungsformen ist ten Gesundheitswesen, der immer schneller werdende (Bsp.: MVZs, Ärztenetzwerke etc.) mit spezifischen Inte- die schnell voranschreitende Digitalisierung im Gesund- Bis zur skizzierten Neuausrichtung müssen noch viele medizinisch-technische Fortschritt und die laufenden ressen. Neue Rahmenbedingungen werden sich etablie- heitswesen. Die Nutzung digitaler Werkzeuge wird bei Hindernisse und Handicaps sowie Vorurteile zwischen Verbesserungen in Forschung und Therapie, die das be- ren, die das unternehmerische Umfeld verändern. Beste- dem Bildungsprozess integrierter Versorgungsformen ei- den Akteuren überwunden werden. Über Jahre hat sich stehende System vor große Herausforderungen stellen hende Angebote müssen ausgeweitet oder modifiziert ne entscheidende Rolle einnehmen. Die digitale Trans- ein System verfestigt, in dem die einzelnen Marktteilneh- und ebenfalls Anpassungen und mehr Zusammenarbeit werden, sonst werden sie nicht mehr marktfähig sein. formation ermöglicht neben Verbesserungen in der Kom- mer zu oft gegen- als miteinander agieren, wobei man zwischen den Akteuren notwendig machen. Unverändert Auch wenn dies nicht von heute auf morgen passiert, munikation zwischen den einzelnen Sektoren eine be- immer öfter ein Aufeinanderzugehen bemerken kann. Um steht unser System mittelfristig vor einem Beschleuni- muss sich die Industrie dennoch bereits heute darauf darfsgerechtere, ziel- und zeitgenauere Steuerung der Potenziale des Gesundheitswesens bestmöglich nutzen gungstrauma. einstellen und ihr bestehendes Geschäftsmodell weiter- Versorgung. und die Qualität in den nächsten Jahren ausbauen zu Die kommenden Entwicklungen verlangen effizientere entwickeln. Jedoch fehlen bislang noch die politischen Rahmenbe- können, zum Wohle einer verbesserten Patientenversor- Koordination, Steuerung und Vernetzung der einzelnen Gerade für Unternehmen, die in kleinen kompetitiven dingungen, Marktzugangsstrukturen für digitale Anwen- gung, muss dieses weiter verstärkt werden. Die pharma- Leistungserbringer. Sie verlangen, im Sinne der allgemei- Märkten tätig sind, werden die zunehmenden Integrati- dungen, sowie notwendige Bewertungsprozesse für die zeutischen Unternehmen übernehmen gerne mehr Ver- nen Managementlehre, insbesondere eine Optimierung onstendenzen – und daraus resultierende Preisentwick- Erstattung entsprechender Leistungen. Bei der Entwick- antwortung in gemeinsamen Versorgungslösungen und der Wertschöpfungsketten im deutschen Gesundheits- lungen – in Zukunft ein verstärktes Engagement in den lung dieser Rahmenbedingungen ist eine verbesserte und wollen aktiv an der Weiterentwicklung des Gesundheits- wesen. Allen Beteiligten ist klar, dass sich für eine Durch- neuen Versorgungsformen strategisch notwendig ma- koordinierte Zusammenarbeit zwischen Leistungserbrin- wesens mitwirken. Die Qualität in der Versorgung ist ein setzung der neuen Versorgungsformen bestehende chen. Aber auch alle anderen Pharmaunternehmen wer- gern und Kostenträgern von enormer Bedeutung. Nur so großes Gemeinschaftswerk. Man kann nicht nur ein Ele- Strukturen und Prozesse tiefgreifend verändern müssen. den sich früher oder später die Frage stellen, wie man kann ein zentrales Effizienzziel – nämlich umfassende ment herausnehmen – im Gegenteil müssen wir die Kraft Alle Akteure des Gesundheitswesens werden, ob mittel- sich über die reine Arzneimittelversorgung hinaus als es- Interoperabilität zwischen den Sektoren – von Beginn an und das Know-How in den nächsten Jahren und Jahr- bar oder unmittelbar beteiligt, direkt oder indirekt von sentieller Partner positionieren bzw. seine Expertise ein- erreicht und in weiterer Folge die Qualität der Versorgung zehnten besser nutzen und bündeln. dieser Entwicklung betroffen sein und sollten sich darauf bringen kann. gesteigert werden. vorbereiten und ihre Möglichkeiten ausloten. Die Digitalisierung wird die medizinische Versorgung Das Know-How der Industrie besser grundlegend verändern. Um die Potentiale auch nutzen Auch die Pharmaindustrie muss über nutzen zu können, bedarf es integrierter Zusammenarbeit aller den Tellerrand hinausblicken Beteiligten. Die Expertise, die aus der pharmazeutischen Industrie in Die pharmazeutischen Unternehmen in Deutschland sind das System eingebracht werden könnte, ist enorm und ebenfalls gefordert, neue Strategien für die sich abzeich- reicht von unternehmerisch-organisatorischem und wett- nende Veränderung der Versorgungsformen zu erarbei- bewerblichem Know-How bis hin zu umfassenden Erfah- ten und ihre Rolle im Gesundheitssystem ein Stück weit rungen aus den Kerngeschäften Forschung und Entwick- neu zu definieren. Die angestrebte Integration wird zu lung sowie dem Vertrieb von Arzneimitteln. Gerade das einer tiefgreifenden Veränderung der Entscheidungspro- Ziel, eine effizient gesteuerte Versorgung unter medizi- zesse führen, wie und wer Arzneimittel nachfragt und nischen wie betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten über die bestmögliche Versorgung von Patienten ent- zu erzielen, macht die Pharmaunternehmen zu perfekten scheidet. Partnern für andere Akteure des Gesundheitswesens. Vereinzelte Pilot-Projekte aus der jüngeren Vergangen- heit belegten bereits den gegenseitigen Nutzen solcher Partnerschaften. 12 FORUM FORUM 13
BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIEPOTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE Bessere Patientenversorgung durch digitalen Fortschritt – doch wie kommen solche Innovationen in die Regelversorgung? AUSGABE 6 · 2018 Bessere Patienten- versorgung durch Das SGB V bietet hierfür bisher kaum einen Ansatzpunkt. gitalen Lösungen beim Einsatz im Versorgungsalltag in digitalen Fortschritt – Das deutsche Erstattungssystem ist auf digitale Innova- tionen im Arzneimittelbereich, insbesondere wenn es sich Projekten mit gesetzlichen Krankenkassen. Aber auch hierfür müssten erst einmal die gesetzlichen Vorausset- doch wie kommen solche um Weiterentwicklungen bekannter Wirkstoffe handelt, zungen geschaffen werden, um solche Projekte durchzu- Innovationen in die kaum vorbereitet – sie sind im Prinzip gar nicht vorgese- führen und bei Erfolg diese Produkte ins Erstattungssys- hen. Natürlich haben diese Innovationen nicht per se ei- tem einzuordnen. Regelversorgung? nen „Zusatznutzen“, nur weil sie „digitale“ Lösungen bie- ten, auch hier gilt es, einen Nachweis eines etwaigen Zu- Asthma-Patienten könnten von einem satznutzen zu erbringen. Allerdings sind groß angelegte digitalen Inhaler profitieren klinische Studien gerade bei der digitalen Weiterentwick- lung von Arzneimitteln mit älteren Wirkstoffen nicht fi- Eine Indikation, in der derzeit an digitalen Verbesserun- nanzierbar, noch sind die klassische klinischen Studien- gen bei der Arzneimittelgabe geforscht wird, ist Asthma. ansätze geeignet, den Zusatznutzen dieser meist auf Ad- Weltweit nutzen viele Patienten regelmäßig Inhalations- Sascha Glanemann herence angelegten Weiterentwicklungen im Alltag nach- systeme. Trotz des regelmäßigen Gebrauchs der Inhaler, MSc, MBA, Geschäftsführer, zuweisen. Das AMNOG-Verfahren greift in diesen Fällen die mit unterschiedlichen etablierten Wirkstoffen verfüg- nicht, ein gesonderter HTA-Prozess (Health Technology bar sind, kann in vielen Fällen eine Krankheitskontrolle Teva Specialty Medicines Assessment) für digitale Innovationen existiert nicht. nicht erreicht werden. Die Gründe hierfür sind verschie- Wie kann also der zusätzliche Patientennutzen nachge- den, aber ein entscheidender Faktor ist die Tatsache, dass wiesen werden? Zielführend ist die Evaluation dieser di- die Patienten die Inhalation nicht immer korrekt aus- Matthias Diessel EMBA, MSc, Director Market Access Asthma bronchiale Asthma ist eine chronisch Einsatz. Asthmamedikamente werden meist mit Hilfe jeweils & Governmental Affairs, entzündliche Atemwegserkrankung, bei der sich die Atemwe- ge variabel verengen und die daher mit Symptomen wie (an- spezifischer Inhalatoren eingeatmet. Dabei ist eine korrekte Anwendung wichtig, weil die Behandlung sonst nicht richtig Teva Specialty Medicines fallsartige) Atemnot und Husten einhergeht. Man unterschei- wirkt. Die richtige Anwendung der Inhalatoren unterscheidet det grob zwischen allergischem und nicht-allergischem Asth- sich je nach Inhalatortyp; daher erhalten die Patienten indivi- ma, wobei weitergehende Phenotypisierungen für die Thera- duelle Schulungen. Darüber hinaus ist es wichtig, durch nicht- piesteuerung oft notwendig sind. Weltweit sind zirka 300 Mil- medikamentöse Maßnahmen die Faktoren zu vermeiden, die lionen Menschen betroffen, wobei die Prävalenz in den als Auslöser für eine Verschlechterung des Asthmas oder für Industrieländern in den letzten Jahren zugenommen hat. Ziel einen Asthma-Anfall infrage kommen. der Behandlung ist eine Kontrolle der Erkrankung und eine Reduzierung des zukünftigen Risikos. Asthmaanfälle, Ein- schränkungen durch Symptome und Exazerbationen sowie eine Verlust an Lungenfunktion sollen ver- Die Digitalisierung schreitet auch in der Arzneimittelversorgung mit großen Schritten voran. Zahlreiche mieden werden. Man versucht, die Lungenfunk- digitale Innovation könnten die Versorgung von chronisch kranken Patienten verbessern, was langfristig tion zu normalisieren, um somit normale kör- nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen positiv beeinflussen, sondern auch Kosten im Gesundheits- perliche Aktivitäten für die Betroffenen zu er- möglichen. Inhalative Kortikosteroide unter- system einsparen würde. Voraussetzung dafür ist aber der Zugang in die Patientenversorgung und eine drücken die Entzündung und sind die wichtigs- Finanzierung dieser neuen Technologien. Wer übernimmt die Mehrkosten einer solchen technischen te Säule der Asthmatherapie. Ergänzend kommen ASTHMA Innovation? Die gesetzlichen Krankenkassen, der Patient oder gar die Industrie? meist ein schnell-wirkender Bronchodilatator bei NORMAL Bedarf sowie ggf. weitere Kontrollmedikamente zum 14 FORUM FORUM 15
BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIEPOTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE Bessere Patientenversorgung durch digitalen Fortschritt – doch wie kommen solche Innovationen in die Regelversorgung? AUSGABE 6 · 2018 führen. Folge sind Exazerbationen, die nicht selten mit Solche digitalen Assets werden in Zukunft in der medizi- Dem Hersteller böte sich dann die Option, seinen Preis einem Krankenhausaufenthalt verbunden sind. Die Lö- nischen Versorgung eine immer größere Rolle spielen. Es über den Festbetrag zu setzen. Der Patient müsste dann sung: Ein digitaler Inhaler. Er sieht aus wie ein normaler existieren bereits sehr effektive Wirkstoffe und Wirkstoff- die Differenz zwischen Festbetrag und Listenpreis („Auf- Inhaler, ist aber nicht nur in der Lage zu erfassen, ob und kombinationen. Jetzt gilt es, die dazugehörigen Devices zahlung“) aus eigener Tasche leisten. Es hat sich aber ge- wann der Patient inhaliert, sondern kann den Inhaliervor- smarter zu gestalten, so dass sie zukünftigen Therapie- zeigt, dass Patienten dazu nicht bereit sind. Sollte der Pa- gang über eine digitale Erweiterung auch auf seine Rich- und Monitoring-Anforderungen entsprechen. tient auf Grund des von ihm wahrgenommenen Zusatz- tigkeit überprüfen. Das geschieht, indem er z.B. den Peak nutzen doch dazu gewillt sein, würde sich das als kaum Inspiratory Flow, die Inhalationszeit und/oder das Inha- Stellt sich Deutschland selbst ins möglich erweisen, weil die Krankenkasse zu diesen Wirk- lationsvolumen misst. Der Inspirationsfluss des Patienten Abseits? stoffen der Inhaler Rabattverträge geschlossen hat und durch das Inhalationssystem ist ein entscheidender Fak- der Patient nicht nur die Aufzahlung leisten müsste, son- tor und damit auch die wichtigste mögliche Fehlerquelle Doch wie kommt eine solche Innovation im Bereich Asth- dern darüber hinaus die „Mehrkosten“, die der Kranken- bei der Benutzung. Der digitale Inhaler gibt über eine App ma zu den betroffenen Patienten? Hier zeigen sich im kasse durch die Abgabe des digitalen Inhalers gegenüber Feedback an den Patienten, ob genügend Wirkstoff im deutschen Erstattungssystem zahlreiche Hürden. Die dem Rabattprodukt entstehen würden. Hierzu sind Pati- Bronchialsystem angekommen ist. Theoretisch könnte Wirkstoffe der Inhalationssysteme sind weitgehend ge- enten erfahrungsgemäß nicht bereit. man diese Informationen auch über eine Cloud mit dem nerisch. Die Produkte fallen somit systemlogisch in die Eine digitale Weiterentwicklung bewährter Wirkstoffe ist behandelnden Arzt teilen. Trotz moderner Inhaler sind bestehende Festbetragsgruppen. Neben den Festbeträ- somit auf diesem Wege und in diesem Preisgefüge nicht Inhalationsfehler auch heutzutage noch weit verbreitet. gen sind diese Inhaler nahezu vollkommen über Rabatt- finanzierbar, eine Markteinführung solcher Innovationen In der Praxis werden die Ärzte immer wieder mit einem verträge der Krankenkassen geregelt. Das bedeutet, dass in Deutschland daher für den Entwickler auch nicht dar- Fehlgebrauch konfrontiert, oft fallen aber falsche Inhala- das Preisniveau bei den Inhalationssystemen sehr niedrig stellbar. tionstechniken gar nicht auf, was viel schlimmer ist. Teva ist. Auch ein digitaler Inhaler würde in die Festbetrags- Nun stellt sich die Frage, wie kann eine solche digitale In- forscht bereits seit einigen Jahren an der Weiterentwick- gruppen eingeordnet werden und den niedrigen Festbe- novation dennoch in die Versorgung gelangen? lung von Inhalationssystemen mit bewährten Wirkstoff- trägen unterliegen, sofern der Hersteller nicht eine „the- Ansatzpunkt könnte ein gemeinsames Modellprojekt im kombinationen. Der digitale Inhaler könnte zu einem rapeutische Verbesserung“ (§35 Abs. 1b SGB V) nach- Rahmen des Innovationsfonds einer Krankenkasse mit wichtigen Meilenstein bei der Verbesserung der Versor- weisen kann. Allerdings ist ein solcher Nachweis bisher dem Hersteller sein. Im Rahmen eines solchen Projektes gung von Asthma-Patienten werden. noch nie gelungen. wäre eine Erfassung von Versorgungsdaten in der Regel- versorgung möglich und würde versorgungsreale Bewer- tungen des Zusatznutzens digitaler Weiterentwicklungen Digitale Inhaler bieten Arzt und Patient zahlreiche Vorteile ermöglichen. Patienten-Nutzen Ärzte-Nutzen • Rückverfolgung der Anzahl von Notfall- • Bereitstellung objektiver, akkurater Daten Anwendungen • Identifikation der Ursachen einer unzureichenden • Ggf. Erinnerungsfunktion (Dauermedikation) und Asthma-Kontrolle Adherence-Aufzeichnung • Höheres Patienten-Engagement durch • Unterstützung für ein effizientes Arzt-Patienten- Asthma-Aktionsplan Gespräch • Grundlage für ein potenzielles Frühwarnsystem • Tool für eine Verbesserung der Inhalationstechnik 16 FORUM FORUM 17
BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIEPOTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE Die »4D’s« – die Eckpfeiler der Medizin von morgen AUSGABE 6 · 2018 Die »4D’s« – die Eckpfeiler der Medizin von morgen Ohne eine exakte Diagnose – vor allem wichtig in der das Zusammenspiel vielleicht beim sogenannten künst- zunehmenden Personalisierung beziehungsweise Stra- lichen (digitalen) Pankreas: Der Blutzuckerspiegel eines tifizierung vieler Indikationsgebiete – wird kein passen- Diabetikers wird über einen Sensor, der idealerweise im- des Arzneimittel in der jeweiligen für den Patienten rich- plantiert wird, erfasst (Diagnosis). Via spezifischer Al- tigen Dosis auswählbar sein. Und da heute ein Großteil gorithmen (Data) wird der ermittelte Wert dazu verwen- der Arzneimittel bereits Biologicals sind – also große det, über eine Pumpe (Device) das notwendige Arznei- Moleküle, die oral nicht verabreicht werden können –, mittel (Drug), in diesem Beispiel Insulin und/oder Glu- wird ein Device für die Applikation unerlässlich sein. Um cagon, in der richtigen Dosis zu applizieren. Der Patient Prof. Dr. Jochen Maas hier dann die richtige Dosis auszuwählen, müssen die wird dadurch zunehmend unabhängig, da alle Prozesse Geschäftsführer Forschung & Algorithmen zwischen Diagnose, Arznei- automatisch ablaufen. mittel und Device genau definiert Entwicklung der Sanofi-Aventis sein. Beispiele hierfür gibt es be- Deutschland GmbH und Leiter des reits viele, am deutlichsten wird German R&D Hub Beispiel eines integrierten Ansatzes: Der Patient von morgen wird für sein spezifisches Gesundheitsproblem nicht mehr nur Arzneimittel – also Tabletten, Spritzen oder Kapseln – erwarten, sondern eine individuelle und auf ihn zugeschnittene Gesamtlösung. Diese wird natürlich weiterhin die Arzneimittel enthalten (Drugs), darüber hinaus aber auch exakte Diagnoseverfahren (Diagnosis), die entsprechenden Applikationshilfen (Devices) und die meist über Algorithmen vermittelte Verbindung von Diagnose und Arzneimittel (Data). Diagnosis, Drug, Device und Data werden über digitalisierte Verfahren verbunden sind, sodass manchmal aus den „4D’s“ schon die „5D’s“ werden (Digitalisierung). 18 FORUM FORUM 19
BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIEPOTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE Die »4D’s« – die Eckpfeiler der Medizin von morgen AUSGABE 6 · 2018 Zugegeben, hier handelt es sich noch um eine Vision, reicht – auch hier ein Zusammenwirken der 4 D’s. Die Es gibt weltweit keine Pharmafirma, die eine tiefe Ex- fiehlt. Der Umgang mit großen Datenmengen, deren Aus- allerdings schon um eine weit fortgeschrittene. Auch in genannten vier Bereiche werden jedoch bis heute immer pertise in allen genannten Bereichen hat, maximal wer- wertung und Interpretation sowie die Berechnung der anderen Bereichen rücken die 4 D’s immer weiter zu- noch von verschiedenen Industriezweigen bedient: Der den zwei der 4 D’s innerhalb eines Unternehmens abge- entsprechenden Algorithmen ist die Kernkompetenz gro- sammen: In der Onkologie wird fast immer das Medika- Bereich Diagnose überwiegend von der Diagnostikindus- deckt. Jedoch verlangt der aufgeklärte Patient von heu- ßer Softwareanbieter – und auch mit denen müssen Ko- ment nach einer exakten Analyse der Gen-Ausstattung trie, die Arzneimittel von der Pharmaindustrie, Devices te zu Recht mehr als Arzneimittel von den Unternehmen operationen initiiert werden. Es gibt schon einige solcher des Tumors ausgewählt. Wenn es sich um einen Antikör- von der Medizintechnik und der gesamte Datenbereich und den Gesundheitssystemen. Diese Situation verlangt enger Verbindungen und es werden immer mehr werden. per handelt, wird dieser dann über ein Device verab- aus der Hard- und Softwareindustrie. demnach eine deutliche Intensivierung von Kooperati- Und nicht zuletzt sind bei allen 4 Ds die Zusammenar- onsmodellen. Denn die Eckpfeiler der Medizin von mor- beit und der Erkenntnisgewinn in enger Kooperation mit gen erfordern nicht nur eine Zusammenarbeit zwischen den Patienten und Patientenorganisationen von immen- Therapeutisches Ökosystem den beteiligten Industrien, die sich auch zunehmend ab- ser Bedeutung. Keine klinische Studie, keine Patienten- zuzeichnen beginnt, sondern auch eine Intensivierung Stratifizierung - wie beispielsweise in großen internati- • Jedes Ökosystem ist für eine spezifische Medikamenten- und Patientenpopulation optimiert. der Kooperationen mit Akademia und dem Bereich Pu- onalen Projekten wie der Innovative Medicines Initiative • Alle Elemente sind Adherence-Data-fähig. blic Private Partnership. Was wiederum neue Plattfor- (IMI) - wären denkbar ohne das direkte Mitwirken der men für wissenschaftliche Erkenntnisse schafft, die für Patienten oder das Bereitstellen von anonymisierten Pa- • Nahtlose Integration für wertorientierte Gesundheitsergebnisse. die künftigen Forschungen und Entwicklungen genutzt tientendaten. Auch neue Applikationshilfen oder die • Bereitstellung einer langfristigen Kundenbindung und Markenpräferenz. werden können. Nutzung und Auswertung digitaler Devices können nur Solche Kooperationen sollten auch den Mut haben, neu- unter Einbindung und direkter Beteiligung der Patienten Injizierbares Applikationshilfe zur Smartphone App Data Hubs Diagnosewerkzeug en Modellen zu folgen. Dazu gehören gemeinsame Pro- ermöglicht und optimiert werden. Medikament Medikamentengabe oder anderes Zubehör jektteams, die von Projektbeginn an auch in der täglichen Vieles ist hier bereits in Bewegung und hat sich in der • Subkutane • In der Hand oder am • Download-Funktionen • Notwendigkeit der • Biosensoren oder Verabreichung Körper tragbar inkl.Therapiekalender, Zuweisung von Bioinformatiksysteme Arbeit intensiv zusammenarbeiten, idealerweise sogar Kooperation der Industrien untereinander oder mir Pri- Erinnerungen / Zugriffsebenen für in gemeinsamen Labors oder Fertigungsstätten. Für die vate Partnern verändert. Die digitalen und mobilen Ge- • Flüssig oder • Einweg oder • Ins Applikationssys- Eingabeaufforderun- beteiligten Partner muss es die entsprechenden Anreize sundheitsanwendungen und entsprechende selbstler- lyophilisiert wiederverwendbar • Stakeholder tem integriert oder gen, bevorzugte Zusatzgerät geben und auch der Kontakt zu den Zulassungsbehörden nende Algorithmen werden das heutige Gesundheits- • Vorgefüllt oder • Vorkonfigurierte Einstellungen • Verordner füllzeitgerecht Anwen- Einspritzgeschwindig- muss von Anbeginn an sorgfältig gepflegt werden. system weiterentwickeln. Letztlich wird die Kooperation • Upload-Funktionen • PBMs / GPOs dung keit und –dauer Diagnostikindustrie, Pharmaindustrie und die Medizin- der einzelnen Player in den Gesundheitssystem hier ge- z.B. Fertigstellungs- • Arzneimittelanbieter • Raumtemperatur oder • Datenkonnektivität plan, Persistenzrate technik – also die drei ersten D’s – haben bereits viele nauswenig verzichtbar sein, wie das Zusammenwirken gekühlt über Bluetooth LE etc. • Kostenträger Erfahrungen in gemeinsamen Projekten, mit der Daten- der „5D’s“ • Datensicherheit • Frequenz der • Touchscreens, • Regierung industrie taucht aber ein neuer Mitspieler auf. Insgesamt • Call Center / Hotline Injektion Medikamentenerwär- ist die Digitalisierung in der Pharmabranche im Vergleich • Behörde mung, RFID-Scannen • Pflegeumgebung • Zusammenarbeit mit zu anderen Industrien nicht besonders weit fortgeschrit- (zu Hause oder • Gebrauchsfertige Datenspezialisten ten, so dass sich auch in diesem Bereich ein enger Schul- anderswo) Lieferung oder Vorbereitung nötig terschluss mit den entsprechenden Industrien emp- 20 FORUM FORUM 21
BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIEPOTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE Bessere Sektorenübergreifende Versorgung – Oder: Wie man sich und anderen das Leben schwer machen kann AUSGABE 6 · 2018 Bessere Sektoren- übergreifende Versorgung – Oder: Wie man sich und Die Enttäuschung im Raum ist allseits groß: Michael Versorgungsverbesserung »Norddeutsches Epilepsienetz« anderen das Leben Hennrich, Bundestagsabgeordneter der CDU und Mitglied im Gesundheitsausschuss nimmt im Rahmen des BPI- schwer machen kann Unternehmertages die pharmazeutische Industrie ins Ge- Gleich 2011 haben wir – genau auf der Grundlage der von bet: Die Politik habe doch ausdrücklich eine Industriebe- Hennrich skizzierten Grundlage – einen Versorgungsver- teiligung bei der Besonderen Versorgung nach §140a vor- trag an den Start gebracht, um gemeinsam mit Ärzten, gesehen – und bislang sei davon nichts zu sehen... Krankenkassen, Kliniken und einer Managementgesell- Lange Gesichter und Kopfschütteln bei den anwesenden schaft die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Industrievertretern: Über die Versorgungs- und Vertrags- schwer einstellbaren Epilepsien zu verbessern. Es hat drei realität an der Basis scheint die Politik im Bundestag nicht Jahre Vorbereitung, Verhandlungen, Diskussionen und lückenlos informiert zu sein. Denn Versuche, sich mit viel Kraft und Ausdauer gekostet. Mitgemacht haben Krankenkassen auf patientenorientierte gemeinsame Krankenkassen, deren Mitarbeiter sich besonders für die Konzepte zu einigen, gibt es genug – indes, so die Erfah- Krankheit interessiert und engagiert haben. Das Thera- rungen aus unserer Sicht: Die Rahmenbedingungen stim- piezentrum Raisdorf des Deutschen Roten Kreuzes in Britta Mizani men einfach nicht. Schleswig-Holstein steht im Mittelpunkt der Versorgung. Healthcare Manager – Dabei hat Herr Hennrich in der Sache natürlich recht. Seit 2011 gibt es endlich auch für Arzneimittelhersteller die Wer sind wir und wo liegen die Market & Healthcare, Möglichkeit sich an Verträgen zur integrierten Versorgung Versorgungsprobleme? DESITIN ARZNEIMITTEL GMBH zu beteiligen. Wir haben das sehr begrüßt und uns auf den Weg begeben. Wir produzieren an unserem Standort in Hamburg Arznei- Neue Versorgungsmodelle: Eine Vernetzung der Behand- mittel. Als Spezialist und Hersteller patientenfreundlicher lungsebenen, bei der sich alle Beteiligten gegenseitig mit Darreichungsformen für den Bereich Epilepsie kennen wir ihrem Fachwissen unterstützen. Das ist gewollt und wird uns in dieser Indikation sehr gut aus. – so meint Michael Hennrich – von Seiten der Gesetzge- bung ausreichend gefördert. Epilepsie – Gewitterstürme im Gehirn Ja, es gibt immer wieder neue Gesetze, die den Weg zur Versorgungsverbesserung erleichtern sollen. Von der An- Besonders Kinder und alte Menschen sind von dieser schubfinanzierung über Modellvorhaben und Versor- chronischen Krankheit betroffen. Das erklärt, weshalb gungsverträge bis hin zum Innovationsfonds. Warum aber besondere Darreichungsformen wichtig sind und die gibt es hierzu dann kaum nennenswerte und nachhaltige Einnahme erleichtern können. Epilepsie ist keine der Ja, es gibt immer wieder neue Gesetze, die den Weg zur Versorgungsverbesserung erleichtern Beispiele? Warum hapert es noch immer in der Umset- großen Volkskrankheiten, aber die Epilepsie ist eine der sollen. Von der Anschubfinanzierung über Modellvorhaben und Versorgungsverträge bis hin zung? Hierzu im Folgenden ein Beispiel aus der Praxis: am weitesten verbreiteten chronischen Erkrankungen im zum Innovationsfonds. Warum aber gibt es hierzu dann kaum nennenswerte und nachhaltige Kindesalter. Bundesweit erkranken jährlich ungefähr Beispiele? Warum hapert es noch immer in der Umsetzung? 40.000 Menschen neu an Epilepsie. Ca. 44% davon sind Kinder, die jünger sind als 10 Jahre. Ca. 60% der 22 FORUM FORUM 23
BEYOND PILLS AND MEDICAL DEVICES – INDUSTRIEPOTENTIALE EINER INTEGRIERTEN VERSORGUNGSKETTE Bessere Sektorenübergreifende Versorgung – Oder: Wie man sich und anderen das Leben schwer machen kann AUSGABE 6 · 2018 Neuerkrankungen betreffen Jugendliche unter 20 Jahre. Lässt sich eine Kooperation mit einem wer die Daten sehen darf. Die Daten gehören dem Pati- Die Krankenkassen stehen miteinander im Wettbewerb. Epilepsie tritt bei 1% der Menschen auf. In der Regel Arzneimittelhersteller gegenüber der enten. Die Krankenkassen profitieren von der Versor- „Zu gute“ Versorgungsangebote bringen die „Gefahr“ mit können 2/3 der Betroffenen durch Antiepileptika Öffentlichkeit vertreten? gungsqualität. Weniger Arztbesuche, weniger Klinikein- sich, dass betroffene Patienten von anderen Krankenkas- anfallsfrei werden. weisungen sind das Ziel. Davon profitiert auch der Patient. sen zuwandern. Das will das Unternehmen „Krankenkas- Industriepartner können schon allein durch ihre Manage- Außerdem hat er „seine Daten“ überall dabei und muss se“ unbedingt vermeiden. Bei dem verbleibenden Drittel der Menschen – und hier menterfahrung hilfreich sein. Die Möglichkeit, sich an ei- vielleicht gar nicht erst zum Arzt fahren. Den Patienten fehlen die Transparenz und die Informati- sind es vor allem Kinder und Jugendliche, die nicht an- ner Versorgungsverbesserung beteiligen zu dürfen, macht Also: Ein funktionierender, erfolgreicher IV-Vertrag. Ein on über Versorgungsangebote. Denn im GKV-System dür- fallsfrei werden – beginnt eine jahrelange und oft unko- durchaus Sinn. Das Misstrauen gegenüber den Arzneimit- Musterbeispiel einer Versorgungsverbesserung in einer fen Patienten, die von der Versorgungsverbesserung pro- ordinierte Behandlungsodyssee. Ärzte-Hopping ist eher telherstellern ist, gerade von Seiten der Krankenkassen, Nischenindikation. Im Flächenland Schleswig-Holstein fitieren würden, nicht direkt angeschrieben und informiert die Regel als die Ausnahme. Immer wieder kommt es zu noch immer zu groß. Seit 2008 besteht zusätzlich die ist damit für die Patienten und Ärzte die Versorgung im werden. Krankenhauseinweisungen, die vermieden werden könn- Angst, dass Arzneimittel-Rabattverträge behindert wer- Bereich Epilepsie deutlich verbessert und vereinfacht Für die Ärzte ist der verlangte Einschreibungsprozess zu ten. Eltern müssen sich frei nehmen, um ihre Kinder zu den. In der Realität heißt das, dass unsere besonderen worden. kompliziert. Jede Krankenkasse hat für dasselbe Projekt begleiten und zu betreuen. Die psychosoziale Belastung Darreichungsformen gar nicht Teil des Versorgungsver- Das klingt wunderbar und leicht umsetzbar, sollte man unterschiedliche Formulare und Vorgaben. Dem Arzt fehlt ist extrem groß. Die Belastungen betreffen das gesamte trags wurden. Dabei besteht die gesetzliche Möglichkeit denken, denn alle Beteiligten wollen ja das Gleiche: Es schlichtweg die Zeit, sich mit dieser zusätzlichen Büro- familiäre Umfeld. Die Zahl der Alleinerziehenden ist dem- und ist als Anreiz für die Arzneimittelhersteller formuliert. soll dem Patienten schnell geholfen werden und die me- kratie auseinanderzusetzen. Auch die Ärzte müssen sich entsprechend hoch. Ein Zwischenfazit an dieser Stelle: Rabattverträge dürfen dizinische Versorgung soll optimiert werden. einschreiben. Der Arzt erhält einen minimalen Betrag als die Versorgungsmodelle nicht unterlaufen. Hier kann nur Aufwandentschädigung, der in keinem Verhältnis zum Wie kann Versorgung verbessert die Politik helfen. Versorgung verbessern – Aufwand steht. Pro eingeschriebenem Versicherten sind werden? Das Herzstück ist ein schwer gemacht fünf Dokumentations- und Einschreibebögen zu befüllen. elektronischer Behandlungskalender Was genau hat sich durch den IV- Ein Arzt überlegt sich sehr genau, was das für ihn an Mehr- Vertrag nach § 140 a SGB V verbessert? Freie Bahn also für vernünftige Versorgungskonzepte, wie aufwand bedeutet. Wenn die kooperierende Krankenkas- Desitin ist Spezialist und im engen Fachaustausch mit den sie die Politik mit der Industriebeteiligung im neuen se zu klein ist, dann findet ein Arzt einen passenden Pa- Epileptologen. Wir wissen daher um die Komplexität der Seit 2011 gibt es das Norddeutsche Epilepsienetz und §140a SG V vorgesehen hat? Weit gefehlt: Die Realität tienten in seiner Praxis vielleicht nie. Außerdem fürchten Erkrankung und kennen die Schwierigkeiten, die Übersicht den integrierten Versorgungsvertrag in Schleswig-Hol- sieht ganz anders aus, und viel zu viele Hürden sind für die Ärzte den Vorwurf einer Vorteilsgewährung an den über das komplexe Anfallsgeschehen und die Therapie stein. Ärzte und Patienten haben endlich die Möglichkeit, alle Beteiligten zu überspringen: Arzneimittelhersteller, der ihnen eine zusätzliche Opti- zu behalten, und haben reagiert. Unsere Lösung: Ein elek- die langen und komplexen Behandlungsverläufe, die Ein- Für die Krankenkassen sind die Reaktionen ihrer Auf- mierung im Versorgungsmanagement anbietet. tronischer Behandlungskalender, entwickelt von zwei Pro- nahme vieler verschiedener Medikamente und Kombina- sichtsbehörden noch immer nicht einschätzbar und das Alle Kosten, die so einen Vertrag zum Laufen bringen, bis fessoren aus Greifswald und weiterentwickelt durch Soft- tionen, die erwünschte Wirkung und unerwünschten Ef- schafft Verunsicherung. Zusätzliche Kosten, beispielswei- zum Druck der Einschreibungsunterlagen, trägt der Part- ware-Spezialisten im Auftrag von Desitin: EPI-Vista®. fekte auf einen Blick zu erfassen. Sie stehen über die in- se für die Vertragsbetreuung bedeuten hohen Bürokra- ner „Arzneimittelhersteller“. Und dennoch wird er kaum Die digitale Lösung hilft, die Übersicht über die Anfälle tegrierte Mailfunktion in einem geordneten und direkten tieaufwand. Die Anforderungen an einen IV-Vertrag sind genannt. Zu groß ist die Angst vor der vermuteten nega- und die Therapie zu behalten. Eine Mailfunktion hält den Austausch miteinander. Die Ärztekammer in Schleswig- hoch. tiven Wirkung auf die Öffentlichkeit. Wir erinnern uns: An Kontakt zwischen Arzt und Patient und gibt Sicherheit im Holstein hat zudem die ärztliche Fernbehandlung via Te- die Bekanntgabe des so genannten „Schizophrenie-Ver- Umgang mit der Erkrankung. lefon und Internet im April 2018 beschlossen und die Be- trags“ des Herstellers Janssen-Cilag mit der AOK-Nieder- rufsordnung geändert. Die Datenschutzanforderungen sachsen schloss sich eine monatelange Negativkampag- sind auf dem neuesten Stand. Der Patient entscheidet, ne an. Die Rabattverträge tun ihr übriges. 24 FORUM FORUM 25
Sie können auch lesen