Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 - Wie wir unser Industrieland klimaneutral gestalten
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POSITION | KLIMAPOLITIK | ENERGIE, INDUSTRIE, VERKEHR, GEBÄUDE Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Wie wir unser Industrieland klimaneutral gestalten
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Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Inhaltsverzeichnis Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Inhaltsverzeichnis Unser Industrieland klimaneutral gestalten ............................................................................................................................ 5 Klimapfade 2.0 – Warum ein Update?........................................................................................................................................ 6 01. Klimazielerreichung 2030....................................................................................................................................................... 8 860 Mrd. Euro und vereinter politischer Wille in Kooperation mit der Wirtschaft.......................................................8 02. Klimaneutralität 2045 in Deutschland..............................................................................................................................10 Eine nationale Infrastrukturoffensive auf den Weg bringen...........................................................................................12 CO -Bepreisung: zentrales Instrument, aber allein nicht ausreichend........................................................................16 ² Wechsel zu Strom anreizen ...............................................................................................................................................18 Eine nationale Biomassestrategie entwerfen..................................................................................................................19 03. Was in den einzelnen Sektoren jetzt getan werden muss.........................................................................................20 Industrie.................................................................................................................................................................................21 Das Energiesystem auf den Weg zur CO -Neutralität bringen.....................................................................................24 ² Transformationspfad Mobilität bis 2030...........................................................................................................................28 Transformationspfad Gebäude..........................................................................................................................................33 Impressum........................................................................................................................................................................................38 3
„Der Umbau zu einem klimaneutralen Industrieland erfordert eine beispiellose Transformation in allen Bereichen von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft“ Siegfried Russwurm BDI Präsident
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Unser Industrieland klimaneutral gestalten Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Unser Industrieland klimaneutral gestalten Mit ihren ehrgeizigen Klimaneutralitätszielen stehen die EU bis 2050 und Deutschland bis 2045 vor gewaltigen Herausforderungen für Gesellschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Wis- senschaft. Denn der Umbau zu einem klimaneutralen Industrieland erfordert eine Transfor- mation in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft. Der BDI schlägt zur Bewältigung dieser komplexen Herausforderung einen breiten Instrumentenmix in der Klima-, Energie-, Verkehrs- und Industriepolitik vor. Allein ein steigender CO2-Preis reicht nicht aus. Deutsch- land muss bis 2030, also innerhalb von neun Jahren, seine Emissionen fast halbieren. Die BDI-Studie „Klimapfade 2.0“ untersucht, welche Instrumente hierfür nötig sind. Sie zeigt, dass die Industrie mit ihren Technologien der zentrale Wegbereiter für erfolgreichen Klima- schutz ist. Voraussetzung dafür ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unter- nehmen. Folgende Punkte sind aus Sicht des BDI zentral: . Für die Klimaziele 2030 sind die erforderlichen klimafreundlichen Technologien überwie- gend bekannt, jedoch für Unternehmen und Verbraucher noch nicht wirtschaftlich und/ oder noch nicht im industriellen Maßstab verfügbar. Bis 2045 besteht hingegen noch ein erheblicher Forschungs- und Innovationsbedarf. . Insgesamt gibt es bis 2030 – also über die nächsten neun Jahre – einen Bedarf von 860 Mrd. Euro Mehrinvestitionen. . Als Voraussetzung für Investitionen brauchen die Unternehmen an ihrem Standort einen Zugang zu klimafreundlichen Energien, wie zum Beispiel Grünstrom oder Wasserstoff. Solange dieser Zugang fehlt, führen steigende CO2-Preise nur zu einer finanziellen Belas- tung ohne Klimaschutzwirkung. . Dafür ist ein massiver Infrastrukturausbau über die bestehenden Planungen hinaus in Höhe von 145 Mrd. Euro für Strom-, Wasserstoff-, Fernwärme- und CO2-Netze, Lade- und Was- serstofftankinfrastruktur, Verkehrswege, v. a. Schiene, notwendig. . Für die Industrie stellen bei Investitionsentscheidungen nicht allein die Kapitalkosten, son- dern vor allem die deutlich höheren Betriebskosten von klimafreundlichen Technologien die größte Herausforderung dar. Daher müssen die Nutzungskosten CO2-armer Produk- tionsverfahren und Energieträger wettbewerbsfähig gemacht werden gegenüber den fossi- len Energieträgern und bestehenden Prozessen. . Deshalb fordert der BDI zur Unterstützung der Elektrifizierung eine staatliche Kofinanzie- rung der Netzentgelte, eine vollständige Abschaffung der EEG-Umlage und die Verlängerung des Spitzenausgleichs. Daneben braucht es in den kommenden Jahren verlässliche Betriebs- kostenzuschüsse für den Markthochlauf von Wasserstoff und strombasierten Kraftstoffen. . Für jahrelange Planungs- und Genehmigungsverfahren lassen die ehrgeizigen Klimaziele keine Zeit mehr. Deshalb ist eine Revolution bei Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine erhebliche Verkürzung von Gerichtsverfahren zu Infrastrukturprojekten notwendig. . Der in der Studie vorgelegte Instrumentenmix ist wettbewerbsneutral umzusetzen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu sichern. Carbon Leakage Schutz kann zum Beispiel über mehr freie Zuteilungen und eine Strompreiskompensation im EU ETS sicher gestellt werden. Daneben sind auf EU-Ebene auch die beihilferechtlichen Vor- aussetzungen zu schaffen, beispielsweise durch die Zulassung von Betriebskostenzuschüs- sen für die Transformation. 5
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimapfade 2.0 – Warum ein Update? Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Klimapfade 2.0 – Warum ein Update? Im Januar 2018 hat der BDI seine Studie „Klimapfade der Treibhausgase bis 2030 für Deutschland, Klimaneu- für Deutschland“ veröffentlicht, in der in verschiedenen tralität bis 2045. Szenarien volkswirtschaftlich optimierte CO2-Reduk- tionspfade bis 2050 für alle Sektoren und Technologien Mit dieser Festlegung muss sich die Diskussion deut- beschrieben und die notwendigen kumulierten Mehrin- lich von der Zielebene hin zu der Definition der not- vestitionen abgeschätzt wurden. Die Studie ist bis heute wendigen politischen Instrumente bewegen. Denn noch vielzitiertes Referenzwerk, hat die Rolle der Industrie als immer sind die hohen erforderlichen Investitionen in konstruktiven Mitgestalter eines nachhaltigen Transfor- Klimaschutztechnologien für einzelne Unternehmen mationspfades geprägt und war Aus- unwirtschaftlich und nicht wettbe- gangspunkt für einen vertieften kli- werbsfähig. Daher werden diese mapolitischen Austausch mit vielen in der Breite derzeit nicht getätigt, Stakeholdern. Zugleich hat sie im obwohl sie zur politischen Zielerrei- Zusammenführen der vielen Bran- chung unabdingbar sind. chen eine gemeinsame Sicht der Industrie auf technisch und ökono- Mit der vorliegenden Studie wollen misch machbare Pfade ermöglicht. wir daher für die kommenden Jahre Ziel jeder Regierung muss bis 2030 aufzeigen, was getan wer- Viele der Ergebnisse (des -95 % Pfa- sein, klimapolitische den muss, welche Investitionen erfor- des) sind auch fast vier Jahre später Anstrengungen international derlich sind und in welchem Umfang noch sehr valide. Punktuell haben dazu Fördermaßnahmen, Beprei- vergleichbar zu machen und sich in manchen Bereichen aller- sung und flankierende Instrumente dings auch signifikante Änderungen dazu auch internationale beitragen können. Die Herausforde- ergeben, beispielsweise bei der Nut- Instrumente zu verabreden. rung und der Handlungsdruck sind zung von Wasserstoff und CCUS- immens. In allen vier untersuchten Technologien. Und: Fundamental verändert haben sich Bereichen Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr 2021 die klimapolitischen Ziele, zunächst auf Ebene der gehen sie an vielen Stellen über alles Dagewesene hin- EU und dann auf nationaler Ebene: -65 % Reduktion aus an die Grenzen dessen, was in den verbleibenden 6
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimapfade 2.0 – Warum ein Update? Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 neun Jahren für viele der beteiligten Expertinnen und für alle bis 2045 notwendigen Technologien zur Errei- Experten vorstellbar ist. Die Unternehmen brauchen für chung der Klimaneutralität. die hierfür erforderlichen Planungen und erheblichen Investitionen dringend sichere rechtliche Rahmenbedin- Die Modellierung von Wegen, wie nationale Sektor- gungen. Klimaklagen wirken hier eher kontraproduktiv. ziele 2030 erreicht werden könnten, darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vorrangiges Ziel jeder Auftrag der Studie war es, aufzuzeigen, wie die nationa- Regierung sein muss, klimapolitische Anstrengungen len Sektorziele für 2030 erreicht werden könnten. Dabei international vergleichbar zu machen und dazu auch haben die Autorinnen und Autoren der Studie die mit internationale Instrumente zu verabreden. Die europäi- heutigem Wissen unter bestimmten Annahmen volkswirt- schen Ansätze, etwa zur einheitlichen Bepreisung von schaftlich kostengünstigsten Pfade beschrieben. Wie rea- CO2, sollten im Rahmen des Green Deals daher unter- listisch eine Zielerreichung wie beschrieben tatsächlich stützt und international verbreitert werden. Solange die ist, war nicht Gegenstand der Untersuchung. Die Pfade klimapolitischen Ambitionsniveaus und Kostenbelastun- sind stetige, konsistente Wege auch über 2030 hinaus gen außerhalb Europas so deutlich von denen in der in Richtung Klimaneutralität. Sie verzichten auf sym- EU abweichen, muss der Erhalt der Wettbewerbsfähig- bolische Abschaltzeitpunkte oder plakative Technolo- keit der Industrie und eine Unterstützung ihres Trans- gieverbote und sollen teure, ineffiziente Sofortmaßnah- formationspfades eine Schlüsselrolle spielen, denn der men erübrigen. Positiv ist, dass alle zur Zielerreichung Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie vor Ort 2030 notwendigen Technologien grundsätzlich bereits bedeutet zugleich auch stets mehr Klimaschutz. Nur bekannt sind, gleichwohl haben einige noch nicht die wettbewerbsfähige Unternehmen können ambitionier- großtechnische Marktreife erreicht. Dies gilt jedoch nicht ten Klimaschutz leisten. 7
01 860 Mrd. Euro und vereinter politischer Wille in Kooperation mit der Wirtschaft Klimazielerreichung 2030 Deutschland muss bis 2030 seine Emissionen fast hal- Nationale Vorgaben müssen vor diesem Hintergrund einerseits zielorientiert und widerspruchsfrei in inter- nationale und europäische Kontexte eingepasst und andererseits nationale Anstrengungen durch interna- bieren. Die größte Aufgabe besteht darin, die enormen tionale und europäische Rahmenbedingungen flan- Investitionen von 860 Milliarden – also ab 2022 rund kiert werden. Dabei ist die Tragfähigkeit der öffentli- 100 Milliarden Euro pro Jahr – so zu planen und aus- chen Haushalte sicherzustellen. zugeben, dass Investitionen zielführend sind und sich damit positiv auf das Klima und die deutsche Wirtschaft auswirken und nicht zu Investitionsruinen führen. 860 Mrd. € Mehrinvestitionen für Klimaschutz bis 2030 Kumulierte Mehrinvestitionen 2021 bis 2030 Mrd. €, real 2019 INDUSTRIE VERKEHR GEBÄUDE ENERGIEWIRTSCHAFT GESAMT 415 860 860 Strom-, H2-, CO -Netze ² Vorziehen des BNEP von 2035 415 560 155 auf 2030, Aufbau neuer Infrastrukturen für H2 und CO ² 63 Wind an Land auf 98 GW 40 Wind auf See auf 28 GW 67 Photovoltaik auf 140 GW Ausbau Gas auf 74 GW 48 175 18 22 Grüne Fernwärme Sonstige Speicher, H2 Energie- wirtschaft 80 Gebäudesanierung von 1,1 % auf 1,9 % energetische Sanierungsrate 175 Erneuerbare Wärme (WP, FW, H2) 67 220 auf u. a. 6 Mio. Wärmepumpen Zielpfad 27 Gebäude 300 Effiziente Geräte und Prozesse Neue Anlagen in Chemie, Stahl, Zement 45 PtL-Anlagen (Ausland), H2-Anlagen (Inland) für ~3 Mt Importe PtL und ~10 TWh Produktion H2 220 Erneuerbare Wärme 39 Elektrische Pkw auf 14 Mio. BEV im Bestand (>90 % Neuzulassungen in 2030) 30 Effiziente Prozesse E- und H2-Lkw auf >220 Tsd. im Bestand (>75 % Neuzulassungen in 2030) Stoffliche Defossil. Lade- und H2-Infrastruktur 50 74 auf 15 Mio. Ladepunkte, 0,2 Mio. Schnellladestationen 25 5 Ausbau Schiene +30 % Personenverkehr, +40 % Güterverkehr Verkehr 21 10 18 3 Sonstige Industrie 50 Referenzpfad Bei erneuerbarer Wärme sowie alternativen Antrieben beschreiben die Mehrinvestitionen die Anschaffungskosten ggü. konventionellen Technologien Quelle: BCG-Analyse 8
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimazielerreichung 2030 Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Die aktuelle Klimapolitik in Deutschland reicht jedoch zum Beispiel bei Elektrocrackern in der Chemie, noch in keinem Sektor auch nur annähernd aus, um die poli- erhebliche Entwicklungen bis zur Marktreife erforder- tisch vorgegebenen Klimaziele zu erreichen. Ohne sofor- lich. Die CO2-Reduktionsanforderungen an die Sekto- tige Umsteuerungen würde Deutschland bis 2030 etwa ren sind so ambitioniert, dass eine entschlossene und 184 Mt CO2 einsparen – nur knapp halb so viel wie nötig zügige Anpassung der bestehenden politischen Rah- wäre. Die Zielerreichung in diesem Zeitraum muss im menbedingungen unausweichlich ist. Nur so werden Wesentlichen mit Technologien geschehen, die bereits die jetzt dringend erforderlichen Investitionsentschei- heute verfügbar oder zumindest absehbar sind. Darüber dungen zugunsten eines Technologiewechsels getrof- hinaus sind bei einigen erforderlichen Technologien, wie fen, der die Klimaneutralität ermöglicht. ~ 190 Mt Emissionslücke in 2030 mit heutigen Instrumenten THG-Emissionen in Deutschland 1990 – 2045 Mt CO²ä Referenzpfad 1990 Zielpfad 1.249 Mt 1.200 1.000 2019 810 Mt 626 Mt mit bestehenden Instrumenten 800 188 Mt Lücke zum Ziel 600 438 Mt Reduktionsziel 65 % laut neuem Klimaschutzgesetz 0 1990 2015 2020 2025 2030 Wichtigste bestehende politische Instrumente als Basis der Referenzentwicklung H CO²-Bepreisung: BEHG und ETS H Kohleausstieg bis 2038 H EEG-Ausbaupfad H Gebäudeförderung (BEG + Sofortprogramm) H RED II und Flottengrenzwerte H Befreiung Lkw-Maut für E-/H²-Lkw H Umweltbonus, Kfz-Steuerbefreiung und reduzierte Dienstwagensteuer für E-/H²-Pkw Anmerkung: Emissionen 2021 basierend auf Agora Energiewende-Analyse Quelle: UBA (2021) Daten der THG-Emissionen nach KSG; Agora Energiewende (2021) Abschätzung der Klimabilanz Deutschlands für das Jahr 2021; BCG-Analyse 9
Klimaneutralität 2045 in Deutschland Die dafür anstehende umfassende Transformation erfordert ein Umdenken in allen Sektoren. Politische Instrumente müssen zügig und zielorientiert angepasst werden, um diese Transformation zu flankieren. 10 02
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimaneutralität 2045 in Deutschland Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft Zusätzliche Instrumente zu bestehender Regulierung INDUSTRIE VERKEHR GEBÄUDE ENERGIEWIRTSCHAFT Fossilie Energien unattraktiver machen EU-ETS, höhere CO2-Bepreisung in Nicht-ETS-Sektoren (wo durchsetzbar), Ausrichtung der Energiebesteuerung an Energiegehalt und Nachhaltigkeitsgrad Wechsel zu Strom anreizen Entlastung der Strompreise für erneuerbare Wärmeanwendungen in Industrie und Gebäuden ÜBERGREIFENDE INSTRUMENTE Nationales Infrastrukturprogramm Ausbau Stromnetze, Fernwärme und Schiene, Aufbau nationaler Infrastrukturen für E-Mobilität, Wasserstoff und CO2 Nationale Biomassestrategie Umverteilung in großtechnische Industrie- und Fernwärmeanlagen (perspektivisch BECCUS), Auslauf Förderung des Einsatzes in Gebäuden und dezentraler Verstromung Klimaschutzverträge (CCfDs) Förderung Lade- u. Infrastrukturplanung Erneuerbaren-Offensive Förderung grüner Produkte und H2-Infrastruktur Kommunen Flächenquoten, schnellere Wärme Investitionszuschüsse für Hochlauf für Planungssicherheit auf allen Verfahren etc. Ebenen Investitionsförderung Kaufanreize für E-Pkw Pflicht für Sanierungsfahrpläne Beschleunigter Netzausbau für erneuerbare Industriewärme zur Angleichung der Gebäudespezifischer Schnellere Verfahren auf allen Anschaffungskosten Nullemissionspfad Ebenen SEKTORSPEZIFISCHE INSTRUMENTE Effizienzstandards und CO2-basierte Lkw-Maut Modulare Gebäudeförderung Flexibilisierung Stromverbrauch Förderung zusätzlich zu Mautbefreiung für für Sanierung & Digitalisierung, Marktanreize etc. Erhöhung & Sonderabschreibungen E/H2 Energieträgerwechsel Grüne Leitmärkte PtX-Quoten und -Auktionen EE-Gebot im Neubau Zentraler Kapazitätsmarkt zum Beispiel durch Quoten Invest.-/Planungssicherheit im 100 % CO2-neutrale Wärme ab Gewährleistung Hochlauf Einbau Versorgungssicherheit Forschungs- und Innovationsagenda FORSCHUNG Grundlagen-Klimaforschung, gezielte Investitionen in Game-Changer (Batterien, Quantencomputing etc.), beschleunigte Skalierung (Hochtemperatur Power-to-Heat, CCUS etc.) Carbon-Leakage-Schutz Sozialer Ausgleich Freie Zuteilungen, CBAM, Grundsicherung, Härtefallfonds, (teilweise) Abschaffung EEG-Umlage etc. Ausnahmen, Härtefallfonds, SPK AUSGLEICH, FINANZIERUNG Gegenfinanzierung Kombination aus Einsparungen, Abgaben, Steuern, Schulden – zur Finanzierung fiskalischer Belastung von bis zu 50 Mrd. Euro pro Jahr in 2030 Klima-Governance Stärkere Bündelung u. zentralere Koordination politischer Verantwortung, Monitoring von Frühindikatoren, Beschleunigung Verfahren, Kapazitäten für Länder/Kommunen etc. POLITISCHER PROZESS Gesellschaftsvertrag Legislaturperioden überdauernder Konsens für Infrastrukturausbau, faire Verteilung der Belastungen etc. Quelle: BCG-Analyse 11
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimaneutralität 2045 in Deutschland Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Eine nationale Infrastrukturoffensive Klimaschutzziele einen erheblichen Umbau der deut- auf den Weg bringen schen Anlagenstrukturen erfordern wird, sollte genutzt werden, um endlich beherzt eine Reform der Verwal- Zur Umsetzung der dargestellten Klimaziele braucht es tungs- und Rechtsschutzverfahren anzupacken. nicht weniger als eine fundamentale Reform der Pla- nungs- und Genehmigungsverfahren. Zur Erreichung Um flächendeckend eine ausreichende Personalausstat- der Klimaziele kann sich Deutschland keine jahrelan- tung und Sachkompetenz in den Behörden zu gewähr- gen Planungs- und Genehmigungsverfahren für Indus- leisten, sind insbesondere die Landesregierungen auf- trieanlagen, neue Stromtrassen, Windparks, Wasser- gefordert ausreichende Finanzmittel zur Verfügung zu stoff- und CO2-Leitungen oder neue Schienen leisten stellen. Die kontinuierliche Weiterqualifizierung des und muss mehr Tempo beim Aufbau von Lade- und Personals ist massiv voranzutreiben. Da Regelungen Tankinfrastrukturen machen. auf europäischer Ebene eine große Auswirkung auf Planungs- und Genehmigungsverfahren haben, muss Der Zielpfad der vorliegenden Studie zeigt deutlich Deutschland insbesondere bei den jetzt anstehenden auf, dass Strukturen geschaffen werden müssen, um Regulierungen im Rahmen des „Green Deals“ darauf enorme Stromerzeugungskapazitäten und die entspre- achten, dass nicht neue Verfahrenshemmnisse auf euro- chende Netzinfrastruktur in einem deutlich schnelleren päischer Ebene entstehen. Tempo als bisher zu errichten. Der Ausbau der erneuer- baren Energie muss gegenüber dem EEG-Ausbaupfad Auf nationaler Ebene müssen alle bestehenden Spiel- verdoppelt werden und flexible H2-ready Gaskraftwerke räume zur Vereinfachung der Verfahren genutzt und mit über 40 GW elektrischer Leistung müssen in den fachrechtlich ausgeweitet werden. Es muss möglich sein, bis 2030 verbleibenden Jahren hinzugebaut werden. Unterlagen zu Detailplanungen in Verfahren später ein- Allein der Zubau im Zielpfad bis 2030 von PV, Off- zureichen und auch von der Möglichkeit des „vorzeiti- shore Wind und Gaserzeugungskapazitäten übersteigt gen Baubeginns“ früher und umfangreicher Gebrauch dabei die aktuell in Deutschland vorhandene installierte zu machen. Um sowohl die Anzahl als auch den Umfang Leistung dieser Erzeugungstechnologien. von Gutachten zu reduzieren, müssen rechtsverbindli- che Standards wie Technische Anleitungen unter Sta- Zusätzlich müssen auch die entsprechenden Netzan- keholder-Beteiligung erarbeitet werden. schlüsse für Strom, Fernwärme, Gas bzw. Wasserstoff und CO2 errichtet sowie der bereits ambitionierteste Ein Erörterungstermin sollte bei allen Verfahren Übertragungsnetzausbaupfad im Netzentwicklungsplan zukünftig nur auf Wunsch des Vorhabenträgers durch- Strom um fünf Jahre vorgezogen werden (2030 anstatt geführt werden. Der Projektträger sollte frei entschei- 2035). Dies, zusammen mit der im Zielpfad anvisier- den können, da er mit seiner Investitionsentscheidung ten annähernden Verdoppelung der Netzinfrastruktur, das Risiko des Verfahrens und damit auch das Risiko erfordert ein nationales Infrastrukturprogramm, das Pla- möglicher Verzögerungen durch Klagen trägt. Bezo- nungs- und Genehmigungsverfahren für neue Trassen gen auf die Fälle, in denen auf Wunsch des Vorhaben- und Energieinfrastrukturen signifikant verkürzt. trägers ein Erörterungstermin stattfindet, sollte eine Normierung erfolgen, die Ablauf und Verfahren des Revolution bei Planungs- und Erörterungstermins ordnet und strukturiert. Die zügige Genehmigungsverfahren und umfassende Digitalisierung der Verwaltung bietet das Potential Genehmigungsverfahren erheblich zu Planungs- und Genehmigungsverfahren haben sich beschleunigen. Eine konsequente Digitalisierung aller zu einem massiven Investitionshemmnis entwickelt. Prozesse kann helfen den Personalaufwand zu redu- Die Verfahrensdauer hat sich in den vergangenen zieren und das Tempo zu erhöhen. Aus Sicht der deut- zehn Jahren fast verdoppelt, gleichzeitig verschlech- schen Industrie ist die Entwicklung einer bundeseinheit- tert sich die Personalsituation in den Genehmigungs- lichen Software und ein umfassendes Behördenportal und Fachbehörden. Parteienübergreifend wird pro- und eine damit einhergehende Anpassung des Rechts- grammatisch im Rahmen von Klimaschutzprogrammen rahmens notwendig und geboten. auch eine Beschleunigung von Verfahren verspro- chen. Die nächste Dekade, die zur Erreichung der 12
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimaneutralität 2045 in Deutschland Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Ambitionierter Aufbau von Tank- und Auf- und Ausbau einer Wasserstoff- und CO2 - Ladeinfrastruktur Infrastruktur vorantreiben Für den in der Studie vorgesehenen äußerst ambitio- Maßgeblich entscheidend für die Etablierung eines Was- nierten Anteil an Neuzulassungen im Bereich Mobi- serstoffmarktes sowie für den Aufbau eines funktio- lität mit alternativen Antrieben bis 2030, müsste ein nierenden Kohlenstoffkreislaufs sind flächendeckend erheblicher Teil des Aufbaus einer leistungsfähigen und verfügbare Infrastrukturen. bedarfsgerechten Lade- und Tankinfrastruktur bereits innerhalb der kommenden neun Jahre errichtet werden. Ein zugesicherter Anschluss an solche Infrastruktu- Dafür müssten allein bis 2030 rund 74 Mrd. Euro inves- ren ist entscheidend für Investitionsentscheidungen in tiert werden. Dieser Aufbau muss mit zeitlichem Vor- wasserstofffähige Anlagen. Dies beinhaltet sowohl den lauf vor dem Markthochlauf der alternativen Antriebe H2-Leitungsanschluss an die Küste wie auch die Errich- erfolgen, um Nutzerinnen und Nutzern von vornher- tung von standortnahen bzw. verbrauchsnahen Elekt- ein die Sorge vor fehlenden Lade- und Tankmöglich- rolyseuren. Ein Industriebetrieb wird nicht bereit sein, keiten zu nehmen. einen hohen Investitionsaufwand in eine Anlage zu tätigen, wenn ein gesicherter Zugang zu einer Versor- Aufgrund der weiterhin bestehenden Wirtschaftlich- gung mit klimaneutralem Wasserstoff nicht gewährleis- keitslücken beim Aufbau einer flächendeckenden Lade- tet werden kann. Aus diesem Grund muss zu einem und Tankinfrastruktur ist bis mindestens 2030 eine staat- schnellstmöglichen Zeitpunkt in den Aufbau von Was- liche Förderung von Betriebs- und Investitionskosten serstoff- und CO2-Netzen investiert werden und die not- zur Optimierung der Ladesäulen-Kapazität und der Ver- wendigen Rahmenbedingungen für einen funktionieren- teilung in der Fläche erforderlich. Die Höhe der För- den Betrieb solcher Infrastrukturen geschaffen werden. derung hängt dabei vom Nutzungsszenario des Lade- punktes ab. Für den Aufbau einer bedarfsgerechten Für einen schnellen Aufbau von Wasserstoffinfrastruk- Tankinfrastruktur von 500 Wasserstoff-Tankstellen für turen benötigt es in einem ersten Schritt einen möglichst rund 52.000 H2-Lkw, die auch von Brennstoffzellen- pragmatischen Ansatz: Der BDI spricht sich hier für die Pkw genutzt werden könnten, muss ein analoges För- Aufnahme eines technologieoffenen Begriffs von Was- derregime sichergestellt werden. Aus Sicht des BDI ist serstoff in den Regulierungsrahmen für Gas aus, um auch beim Aufbau von Lade- und Tankinfrastruktu- den Betrieb von Wasserstoffnetzen sowie die Umrüs- ren ein grundlegend technologieoffener Ansatz unab- tung von Erdgas- zu Wasserstoffnetzen zu ermöglichen. dingbar. Deshalb gilt es, auch die Potenziale einer Diese Rahmenbedingungen müssen auf europäischer bereits verfügbaren Infrastruktur für Oberleitungs- Ebene harmonisiert werden, um den grenzüberschrei- verkehre entlang der Bundesautobahnen weiterhin tenden Transport von Wasserstoff zu ermöglichen. Eine in den Blick zu nehmen, die Demonstrationsprojekte Integration von Wasserstoff in den bestehenden Regu- unverändert fortzuführen und von der Politik geplante lierungsrahmen für Gas impliziert eine Finanzierung Innovationskorridore umzusetzen. des Aufbaus der H2-Infrastruktur über die bestehen- den Gasnetzentgelte. Solange dies nicht zu einer erheb- Parallel dazu muss der Aufbau eines globalen Ange- lichen Erhöhung der Gasnetzentgelte führt, hält der bots treibhausgasneutraler Energieträger und Rohstoffe BDI dies für den praktikabelsten Ansatz, um möglichst vorangetrieben werden, denn Deutschland wird selbst schnell und kosteneffizient in eine Wasserstoffinfra- dann, wenn die weitgehende Elektrifizierung erfolgreich struktur einzusteigen. Entstehende “stranded-assets” ist, langfristig auf erhebliche Energieimporte angewie- durch einen späteren Rückbau des Gasnetzes würden sen sein. Bereits 2030 müssen allein für den nationalen somit von den Wasserstoffkunden, deren Anzahl sich Verkehrssektor 36 TWh synthetische Kraftstoffe (PtL) erwartungsgemäß über die Zeit erhöhen wird, aufge- importiert werden, um die Klimaziele zu erreichen. fangen. In einer fortgeschrittenen Entwicklungsphase Dabei reichen Quotenvorgaben nicht aus, die erfor- des ersten Wasserstoffrumpfnetzes sind getrennte Netz- derlichen Investitionsanreize in internationale Produk- entgelte (H2/Gas) denkbar. tionsanlagen zu setzen. Erforderlich für den Markthoch- lauf sind auch Fördermechanismen, wie sie zum Beispiel H2Global vorschlägt. 13
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimaneutralität 2045 in Deutschland Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Für einen ökonomisch effizienten Ausbau von H2- und insbesondere die betroffenen Industrien nicht in der CO2-Netzen ist es sinnvoll, diese möglichst unter Nut- Lage, zeitnah Investitionen in emissionsfreie Wasser- zung der bestehenden Gasinfrastruktur aufzubauen stoffproduktion zu tätigen. und nur wenn Nutzung, Optimierung oder Verstärkung bestehender Ressourcen nicht möglich sind, neue Lei- Parallel zum Wasserstoffnetz muss bereits in den kom- tungen zu verlegen. Vor allem Industrieclusterregio- menden Jahren auch mit dem Aufbau einer CO2-Infra- nen sollten zunächst vernetzt werden, um dann schritt- struktur begonnen werden, um das Klimaneutralitäts- weise flächendeckend ausgebaut werden zu können. ziel bis 2045 erreichen zu können. Die Abscheidung Für die erfolgreiche Umsetzung einer Sektorenkopp- von CO2 z. B. aus industriellen Prozessen und aus der lung braucht es zudem eine integrierte Planung von Feuerung mit Biomasse ergibt nur dann Sinn, wenn das Erdgas-, H2- und CO2-Netzen in Abstimmung der Gas- CO2 anschließend auch transportiert werden kann, etwa und Stromnetzbetreiber. Außerdem können auf diese zu einer geologischen Speicherstätte oder zur Nutzung Weise Planung, Genehmigung und Bau der Leitungen in einem Kohlenstoffkreislauf. zusammengelegt und so zeitlich gestrafft werden. Um ein solches CO2-Transportnetzwerk zu errichten, Grundsätzlich muss für den Zeitraum, in dem noch muss die Förderfähigkeit von CO2-Netzen gewährleis- keine flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur besteht, tet sein und der rechtliche Rahmen für CCUS insge- für Industrien mit bereits heute essenziellem Wasser- samt reformiert werden. stoffbedarf auch der Aufbau standort- bzw. verbrauchs- naher Wasserstoffproduktion ermöglicht werden. Ohne einen entsprechenden regulatorischen Rahmen sind 14
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimaneutralität 2045 in Deutschland Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Aus- und Umbau der Fernwärme vorantreiben um 70 Prozent. Dieser Aufschwung ist ohne eine erheb- liche Steigerung der Kapazitäten des Schienennetzes Im Gebäudesektor leisten Wärmenetze insbesondere für nicht möglich. Hierfür erforderlich sind erstens deutlich die Wärmewende in urbanen Gebieten einen wichtigen erhöhte Investitionen und zweitens aufgrund des hohen Beitrag zur Dekarbonisierung. Im Industriesektor fin- Zeitbedarfs für Planungs- und Genehmigungsverfahren: det Fernwärme besonders im Mitteltemperatur-Bereich rasches Handeln. Das Netz muss sowohl für die Ansprü- Anwendung. Der Aus- und Umbau der Fernwärmenetze che des Personen- als auch des Güterverkehrs ausge- muss in einem Infrastrukturprogramm vorangetrieben baut und durch ETCS-Technik und Digitale-Stellwerke werden. Dies gilt in besonderer Weise für den urba- modernisiert werden. Maßnahmen des Substanzerhalts nen Bereich. Die politischen Rahmenbedingungen für sollten operativ so ausgestaltet werden, dass Ausfälle den Ausbau von Wärmenetzen, der Kraft-Wärme-Kopp- und baustellenbedingte Einschränkungen minimal aus- lung (KWK) sowie die Nutzung von erneuerbaren Ener- fallen. Genehmigungsverfahren sind zu beschleunigen, gien in Wärmenetzen müssen weiter verbessert werden. etwa durch die Anwendung von Maßnahmengesetzen Dabei gilt es, die benötigte Planungssicherheit für die und die Modernisierung des europäischen Rechtsrah- Unternehmen zu gewährleisten. mens im Umweltrecht. Die erhöhten Mittel für Inves- titionen und die Reduktion der Betriebskosten durch Mehr Tempo beim Schienenausbau eine Trassen- und Anlagenpreisförderung sowie eine Reduktion bestehender Mehrfachbelastung der Schiene Für den Klimapfad 2045 muss die Schiene ihre Ver- bei Steuern und Abgaben auf Energie können die stär- kehrsleistung extrem steigern: Gegenüber 2019 im Per- kere Nutzung des Verkehrsträgers Schiene anreizen. sonenverkehr um 50 Prozent; im Güterverkehr sogar 15
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimaneutralität 2045 in Deutschland Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 CO2-Bepreisung: zentrales Instrument, Klimaschutzinstrument werden. Je früher perspektivisch aber allein nicht ausreichend ein gemeinsamer CO2-Preis – zumindest eine Konver- genz der Bepreisung – erreicht werden kann, desto effek- Langfristig sind die Bundesregierung, die EU-Kom- tiver können Emissionen reduziert werden. Dabei ist mission und die Mitgliedstaaten aufgerufen, sich auf unerheblich, welches konkrete Instrument ein Staat zur der Ebene der Vereinten Nationen und der G20 für Bepreisung anwendet. Denkbar sind eine CO2-Steuer einen globalen CO2-Preis, mindestens für die Einfüh- oder CO2-Abgabe sowie ein Emissionshandel. rung und Verlinkung von nationalen CO2-Bepreisungs- systemen einzusetzen. In diesem Zusammenhang muss Wichtig ist, dass der Anwendungsbereich der Instru- auch daran gearbeitet werden, die auf nationaler und mente gemeinsam definiert wird und, dass der CO2-Preis EU-Ebene eingeführten regulatorischen Instrumente auf die gesamten im Anwendungsbereich anfallenden zu verbreitern und zu harmonisieren. Gleiches gilt für Emissionen wirkt. Gleichzeitig müssen Kompensati- ein transparentes, global akzeptiertes CO2-Nachverfol- ons- und Ausnahmeregelungen für Staaten mit höhe- gungssystem (Tracking) auf Produktebene, ohne das ren CO2-Preisen möglich bleiben. Nur so kann sicher- es letztlich nicht gehen wird. International gültige (= gestellt werden, dass Industrien in Staaten mit höheren mit anderen Ländern gemeinsam erarbeitete und ange- Klimaschutzambitionen nicht benachteiligt werden. wandte) Definitionen und Produktstandards für grünen Stahl, grüne Chemie, grünen Zement, grüne Kraftstoffe, Im EU ETS sind die CO2-Preise inzwischen deutlich (auf Recyclingvolumina etc. sind ein weiteres Feld, das der etwa 60 € pro Zertifikat) gestiegen. Dieser Anstieg hat raschen Bearbeitung bedarf. das Carbon Leakage-Risiko deutlich erhöht und macht Maßnahmen zur Minderung dieses Risikos erforderlich. Faire CO2 -Bepreisung für ein Level Steigen die Preise im EU ETS noch weiter oder kom- Playing Field men in den nächsten Jahren noch Abgaben auf weitere lokal/regional nicht gebundene Aktivitäten hinzu, steigt Der BDI setzt sich für faire Wettbewerbsbedingungen die Gefahr des Carbon Leakage noch einmal erheb- für die deutsche Industrie im internationalen Umfeld lich. Das Carbon Leakage-Risiko wird deutlich höher, ein. Die deutsche Industrie trägt bereits jetzt mit Innova- da CO2-emissionsintensive Sektoren in der EU unter tionen zur Erreichung der Klimaneutralität bei und sie immer stärkeren Wettbewerbsdruck geraten, sodass hier ist entschlossen, weitere wesentliche Beiträge zu leisten. negative Effekte für die Unternehmen und ihre Beschäf- Dafür braucht es entsprechende politische Rahmenbe- tigten zu befürchten sind. dingungen, um Innovationen und Investitionen zu för- dern. Eine entscheidende Rahmenbedingung stellt eine Effektiver Carbon Leakage Schutz ist unab- effektive CO2-Bepreisung dar, damit die sich transfor- dingbar – sind Klimaklubs die Lösung? mierende Industrie im globalen Umfeld bestehen kann. Länder, die eine ähnliche Position zur Bepreisung von Der BDI setzt sich für eine möglichst globale Bepreisung Treibhausgasemissionen haben, einigen sich auf einen von CO2 ein, damit das Klima weltweit effektiv geschützt gemeinsamen Emissionspreis und bilden einen „Klub“. werden kann. Ergebnis der Vorgängerstudie war und Andere Länder können sich diesem Klub anschließen, ist, dass dafür eine anspruchsvolle globale CO2-Beprei- wenn sie den vereinbarten CO2-Preis anwenden. Die sung notwendig ist. Hierzu bedarf es verstärkter politi- Mitglieder können Waren und Dienstleistungen unter- scher Initiative zur Stärkung internationaler Koopera- einander frei austauschen. Nichtmitglieder des Klubs tionen, bspw. in Form von Klimaklubs. Als Maßgabe für können mit ihm nur Handel treiben, wenn sie einen internationale Zusammenarbeit muss gelten: Koopera- Zoll oder einen Grenzausgleich entrichten. Der CO2- tion statt Konfrontation. Der Wirtschaft kommt dabei Grenzausgleich könnte unter Umständen also als eine die wichtige Rolle zu, bei den eigenen Regierungen Art Zwischenlösung fungieren, bis der Klimaklub aus- und internationalen Partnern für grenzüberschreitende reichend Mitglieder hat. Der von der EU-Kommission Zusammenarbeit bei der Bepreisung von CO2 zu wer- vorgelegte Vorschlag für einen CO2-Grenzausgleich ben. Diese kann, wenn sie global erfolgt, das zentrale ist noch ziemlich vage. Bevor das Instrument erprobt 16
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimaneutralität 2045 in Deutschland Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 werden kann, sollte die Kommission ihre Überlegungen Abschmelzen der Freizuteilung unterlaufen werden. präzisieren und ggf. weiterentwickeln. Sollte tatsächlich Das Instrument der freien Zuteilung ist investitionsför- ein Grenzausgleich eingeführt werden, ist insbesondere dernd und muss durch andere Instrumente unterstützt eine Lösung für die Neutralisierung des damit zwangs- werden (Transformationsfonds, CCfDs). Für kleinere läufig verbundenen Exportpreisanstiegs unabdingbar. Industrieanlagen, die nicht am EU ETS teilnehmen, sind vergleichbare Rahmenbedingungen inkl. Carbon Lea- Die Tatsache, dass sich die Politik mit Klimaklubs kage-Schutz zu schaffen. befasst, bestätigt erneut, dass die unterschiedlichen Klimaambitionen der großen Emittenten ein gefähr- CO2 -Bepreisung für einen Umstieg auf treib- liches Problem für die Wettbewerbsfähigkeit der deut- hausgasneutrale Alternativen schen und europäischen Industrie sind. Mit Problembe- schreibungen und schwammigen Absichtserklärungen Die Transformationsaufgabe im Verkehrssektor kann ist dieses Kernproblem nicht lösbar. Gefragt sind sehr ohne eine CO2-Bepreisung des Straßenverkehrs nicht schnelle, sehr konkrete Schritte und belastbare Ver- gelingen. Gleichzeitig ist ein CO2-Preis aber auch kein einbarungen, um effektiv Carbon Leakage zu verhin- Allheilmittel. Für einen beschleunigten Markthoch- dern. Angesichts der erheblichen Unterschiede bei den lauf braucht es immer auch sektorspezifische Anreize weltweit bestehenden CO2-Bepreisungsystemen und und Instrumente wie beispielsweise Kaufprämien oder -ambitionen bräuchte es klare Anreize, einem Klima- Quoten für alternative Kraftstoffe. In der europäischen klub beizutreten und wirklich gleichartige CO2-Beprei- Ausgestaltung gilt es, die im Rahmen des Fit-for-55-Pa- sungssysteme. Dazu zählt eine strikte Anwendung der kets geplante Einführung eines “neuen ETS” für Straße Carbon-Leakage-Schutzmaßnahmen gegenüber Mit- und Gebäude, der separate Systeme für die zwei Sekto- gliedern außerhalb des Klubs. Gleichzeitig müssen ren enthalten sollte, mit den geplanten Revisionen des solche Schutzmaßnahmen auch innerhalb des Klima- Effort Sharings und der Energiesteuer-Richtlinie aufei- klubs zur Anwendung kommen, solange zwischen den nander abzustimmen und wettbewerbsneutral auszu- Bündnispartnern kein Level Playing Field geschaffen richten. Zusätzlich bedarf es einer Flankierung über wurde. Für die Unternehmen ist die mit jeder Zielver- die technologieoffene Ausgestaltung u. a. der ebenfalls schärfung wachsende Kluft zu den Ambitionen unse- geplanten Revisionen der CO2-Flottenregulierung und rer Wettbewerber schon heute ein täglich drängender der RED II. Die Autorinnen und Autoren der Studie werdendes Problem. gehen davon aus, dass – auch wenn es der Europäi- schen Union im Rahmen des Fit-for-55-Paketes gelänge, Zum Schutz der Industrie sollte daher das aktuelle Sys- das bisherige nationale Emissionshandelssystem für den tem der freien Zuteilungen von Zertifikaten sowie der Straßenverkehr (BEHG) auf europäischer Ebene zu eta- Strompreiskompensation fortgeführt werden, bis eine blieren – die europäischen CO2-Preise nicht die bisher wirklich wirksame Alternative für effektiven Carbon angesetzten nationalen CO2-Preise des BEHG erreichen Leakage-Schutz verfügbar ist. Dabei spielt die ausrei- würden. Die Höhe der CO2-Bepreisung ist allerdings für chende Höhe der Freizuteilung eine entscheidende die Größe der Transformationsaufgabe wesentlich. Für Rolle. Die Vorschläge der EU-Kommission im Rah- diesen Fall schlagen die Autorinnen und Autoren der men des Fit-for-55-Pakets berücksichtigen nicht, dass die Studie vor, für den Straßenverkehr in Deutschland eine drastische Reduktion der freien Zuteilungen im EU-ETS zusätzliche CO2-Komponente über die Energiesteuer zu die Investitionskraft und Investitionsmöglichkeiten ins- ergänzen. Die juristische Machbarkeit ist jedoch noch besondere der energieintensiven Industrie deutlich ein- zu überprüfen. In jedem Fall müssen die entsprechen- schränkt. Die Dekarbonisierung braucht massive Inves- den Vorschläge der EU-Kommission zur Novellierung titionen und daher in jedem Falle eine ausreichende der EU-Energiesteuerrichtlinie mit dem gesamten Fit- freie Zuteilung. Investitionen müssen sich lohnen. Pro- for-55-Paket schnell umgesetzt werden. Eine Verschmel- jekte/Investitionen, die nachweislich CO2 senken, müs- zung der dann noch separaten Emissionshandelssys- sen im Rahmen der Freizuteilung besonders berück- teme für Gebäude und Verkehr mit dem bisherigen für sichtigt werden. Geschäftsmodelle und Investitionskraft Industrie und Luftverkehr sollte Ende der 20er-Jahre der Unternehmen dürfen nicht durch ein zu schnelles geprüft werden. 17
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimaneutralität 2045 in Deutschland Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Wechsel zu Strom anreizen wirtschaftlich machbar gestaltet werden. Dazu schlägt die vorliegende Studie eine Reihe von Instrumenten Gegenwärtig basieren verschiedenste Produktions- und vor, die in diesen Handlungsempfehlungen näher kom- Wärmeprozesse in der Industrie, aber auch im Gebäude- mentiert werden. Voraussetzung für die Umstellung vie- bereich auf Erdgas. Hier gilt es die entsprechenden Rah- ler Prozesse und Anwendungen ist, dass das Angebot menbedingungen zu schaffen, sodass der Wechsel auf erneuerbaren Stroms in entsprechendem Umfang zur Strom (und die damit einhergehende Elektrifizierung Verfügung steht. der Wärmeprozesse) für Unternehmen wirtschaftlich gestaltet werden kann. Zur Erreichung der zugrundelie- Die EEG-Umlage abschaffen und Netzentgelte genden Klimaschutzziele ist nach der vorliegenden Stu- kofinanzieren die eine umfassende Elektrifizierung unterschiedlichster Prozesse notwendig. Dazu zählen insbesondere indust- Unter anderem werden Entlastungen und Umlagenbe- rielle Wärmeprozesse (Power-to-heat), neue, auf Elekt- freiungen für Power-to-Heat bzw. Elektrifizierung in der rifizierung beruhende Produktionsverfahren, die Wär- Industrie und Wärmepumpen für Gebäude vorgeschla- meversorgung von Gebäuden und Elektrifizierung von gen. Eine Abschaffung der EEG-Umlage, was Strom Mobilitätsanwendungen. Neben der direkten Umstel- für alle Anwendungen vergünstigen würde, wird eben- lung auf Strom gehen auch weitere Dekarbonisierungs- falls diskutiert. Der BDI spricht sich für eine vollstän- technologien mit einem höheren Strombedarf einher. dige Abschaffung der EEG-Umlage aus, da dies sowohl, wie in der Studie dargestellt, als Instrument für sozia- Bis 2030 wird im Zielpfad mit einem zusätzlichen len Ausgleich fungiert als auch über die breite Vergüns- Strombedarf allein durch Power-to-Heat von 63 TWh tigung von Strom die Elektrifizierung und den Wechsel gerechnet, was dem gesamten Strombedarf eines Lan- zu Strom im Rahmen der Dekarbonisierung insgesamt des wie der Schweiz oder der Tschechischen Republik anreizt. Insbesondere im Fall von nachhaltigen beihilfe- entspricht. Aktuell ist der Wechsel von Erdgas zu Strom rechtlichen Bedenken der in der Studie vorgeschlagenen durch Power-to-Heat für viele Unternehmen nicht wirt- Entlastungstatbestände für bestimmte Anwendungen, schaftlich darstellbar. Um auf den Weg zur Klimaneutra- ist die pauschale Abschaffung der EEG-Umlage zwin- lität zu kommen, muss für Unternehmen dieser Wechsel gend erforderlich. Eine solche Abschaffung hätte als 18
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Klimaneutralität 2045 in Deutschland Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 weiteren positiven Nebeneffekt einen enormen Büro- größtmöglichen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Dies kratieabbau in Unternehmen und Verwaltung zur Folge. ist vor allem in industriellen Wärmeprozessen der Fall und in der Fernwärme. Dabei sollte der langfristige Eine sehr breite Entlastungswirkung für Unternehmen Einsatz von negativen Emissionen in Form von Bio- und private Haushalte geht von einer staatlichen Ko- energy with Carbon Capture and Storage (BECCS) mit Finanzierung der Strom-Übertragungsnetzentgelte aus, bedacht werden. Dafür sollte Biomasse von den derzei- wie sie im EnWG bereits angelegt ist. Der BDI fordert, tigen Anwendungen in die Industrie und Fernwärme diese Entlastung nun rasch umzusetzen, da die Netz- umgeleitet werden. Auch die sogenannte Kaskadennut- entgelte der am schnellsten steigende Teil der Strom- zung von Biomasse sollte bei der Entwicklung einer preise sein werden und eine Entlastung bei vielen Nut- integrierten Strategie berücksichtigt werden. zerinnen und Nutzern die Anreize verstärken würde, Strom statt fossiler Energien zu nutzen. Eine Biomassestrategie muss dabei europäisch koor- diniert werden, denn Biomasse wie auch andere Rest- Eine nationale Biomassestrategie und Abfallstoffe, sind ein handelbares Gut. Bereits heute entwerfen werden erhebliche Biomassemengen aus Deutschland exportiert, da die daraus hergestellten Produkte in ande- Nachhaltige Biomasse ist eine nur begrenzt verfüg- ren europäischen Ländern auf die Ziele im Verkehrssek- bare Ressource. Deutschland braucht daher eine Bio- tor angerechnet werden, in Deutschland jedoch nicht. massestrategie zur nachhaltigen Erzeugung und zum Hier muss ein einheitlicher Rechtsrahmen geschaffen gezielten und priorisierten Einsatz dort, wo sie den werden, auch um unnötige Warenströme zu vermeiden. 19
Was in den einzelnen Sektoren jetzt getan werden muss Die Erreichung der nationalen Klimaziele ist sehr ambitioniert und kom- plex, denn sie erfordert eine große Zahl von Investitionsentscheidungen innerhalb kürzester Zeit. Um jeden Einzelnen in die Lage zu versetzen, diese Entscheidungen zu treffen, braucht es einen breiten Mix politischer Instrumente. Dieser Mix muss neben sektorübergreifenden auch sektor- spezifische Instrumente umfassen, die im Folgenden begründet und skiz- ziert werden. 20 03
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Industrie Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Industrie -65 % Minderung der Emissionen (2019 – 2030) € 50 Mrd. Mehrinvestitionen (bis 2030) € 11 Mrd. jährliche Mehrkosten (in 2030) 4×absolute THG-Reduktion (von 2019 bis 2030 ggü. letzten 20 Jahren) & +63 TWh Strom für Power-to-heat (2019 – 2030) Die deutsche Grundstoffindustrie steht vor einer extre- Erdgas messen lassen, um einen Wechsel ökonomisch men Herausforderung: Große Reinvestitionen stehen zu ermöglichen. Voraussetzung für CO2-Minderungen an und Emissionen müssen schon bis 2030 sehr deut- durch mehr Recycling ist die ausreichende Verfügbar- lich und bis 2045 auf nahe Null sinken. Erhebliche CO2- keit von Sekundärrohstoffen (z. B. von Schrotten) zu Mengen können durch Technologiewechsel eingespart international wettbewerbsfähigen Preisen. werden. Konkrete Projekte für milliardenschwere Kli- maschutzinvestitionen liegen in einigen Branchen CO2 -neutraler Wasserstoff spielt eine heraus- vor und sind entscheidungsreif. Jetzt muss der politi- ragende Rolle sche Rahmen für diese Projekte bereitgestellt werden, damit der Wechsel in der zweiten Hälfte der Zwan- Einige der notwendigen Technologien für eine klima- zigerjahre gelingt und die Klimaziele 2030 erreicht neutrale Industrie stehen heute schon zur Verfügung werden können. oder sind kurz vor der Marktreife (z. B. die Direktre- duktion von Eisenerz mittels Wasserstoff). Dabei spielt Signifikante Teile der existierenden Produktionskapa- CO2-neutraler Wasserstoff eine herausragende Rolle, in zitäten in einigen energieintensiven Industrien müs- der Stahl- und der Chemieindustrie sowie partiell auch sen bis 2030 grundlegend modernisiert werden. Diese in anderen Industriebranchen. Die Produktion von kli- Investitionen gilt es klimaneutral anzulegen. Eine Kern- mafreundlichem Wasserstoff an industriellen Standor- herausforderung für die Industrie besteht darin, nicht ten muss – unabhängig von der Menge erneuerbarer nur notwendige Investitionen stemmen, sondern vor Stromerzeugung in der Umgebung – ermöglicht wer- allem mittelfristig deutlich höhere Betriebskosten für den, insbesondere solange keine H2-Infrastruktur zur die CO2-armen Produktionsverfahren und CO2-freie Verfügung steht. Vor allem in der Chemieindustrie, aber Energieträger finanzieren zu müssen. Um einen Ein- auch in der heutigen Mineralölindustrie, stellt außer- stieg in den Wechsel bspw. der Stahlproduktion auf dem das Schließen von Stoffkreisläufen (Circular Eco- Basis von Kohle und Koks auf Wasserstoff und von nomy), auch von Kohlenstoffkreisläufen, eine zentrale Erdgas und Naphtha (“Rohbenzin”) als dominieren- Strategie dar. In der Zement- und Kalkindustrie sind dem Energieträger bzw. Feedstock der Industrie hin v. a. neue, CO2-effiziente Produkte und Herstellungs- zu Erneuerbarem Strom, CO2-neutralem Wasserstoff prozesse sowie die Abscheidung der unvermeidbaren und Biomasse zu ermöglichen, müssen diese zunächst Prozessemissionen Schlüsseltechnologien. Die Indust- überhaupt in ausreichendem Umfang den Unternehmen rie braucht jetzt neue politische Rahmenbedingungen vor Ort zugänglich gemacht werden. Denn ohne ausrei- für diese anstehende große Reinvestitionsphase. chende Infrastruktur für die Absicherung einer physi- schen Verfügbarkeit insbesondere von Wasserstoff für die technischen Alternativen bleiben Preis- und Förder- elemente wirkungslos. Dort, wo eine Umstellung von Hochtemperaturprozessen mangels Technologie oder Wasserstoffinfrastruktur nicht möglich ist, muss für den Übergang ein Betrieb auf Erdgasbasis möglich bleiben. Ist der Zugang gesichert, müssen sich die Kosten der CO2-freien alternativen Brennstoffe und Prozesse, an denen der bestehenden Produktionsverfahren und von 21
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Industrie Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Industrie: 11 Mrd. € Regulierungslücke zum 2030-Klimaschutzziel Mehrkosten der Klimaschutzmaßnahmen in der Industrie in 2030 Mrd. €, real 2019 WIRKUNG DER INSTRUMENTE IM REFERENZPFAD, Z. B.: H BEHG-Preis von 80 €/t CO²ä in 2030 H ETS-Preis von 90 €/t CO²ä in 2030 (für über kostenlose Zuteilungen hinausgehende Emissionen) BEHG
Position | Klimapolitik | Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude Industrie Handlungsempfehlungen zur Studie Klimapfade 2.0 Power-to-Heat: Schließung Kostenlücke durch Strompreisentlastung und CCfD Energieträgerkosten im BEHG ohne Entlastungen in 2030 €/MWh, real 2019; Zielpfad MAXIMALER ERDGAS POWER-TO HEAT ENTLASTUNGSSATZ CCfD STROM 169 Erhöhung BEHG auf 80 – 180 €/T CO²ä 42 – 59 -106 42 – 59 -22 33 CO -Preis Erdgas CO -Preis Erdgas ² ² 2020 2030 2030 Mit BEHG-Preisen von 80 – 180 €/t Bei Durchschnittspreis Entlastung EEG-Umlage, Senkung Strompreis Mehrbelastung von CO ä (nominal) in 2030 industrieller Stromsteuer, Netzentgelte, durch Ausschreibung ~ 9 €/MWh ggü. ² Großabnehmer netzentgeltliche Umlagen Klimaschutzverträge Erdgaspreis 2020 Anmerkung: Annahmen: Energieträgerkosten – Erdgas bei 38 €/MWh mit ETS-Preis von 90 €/t CO2ä (nominal), Erdgas bei 42-59 €/MWh mit BEHG-Preis von 80 – 180 €/t CO2ä (nominal), Strom bei 69 – 167 €/MWh je nach Verbrauchsmenge und Entlastungsregelungen Quelle: BCG-Analyse Industrien brauchen Unterstützung Als konkrete Entlastung sollte zügig die Sicherstellung international wettbewerbsfähiger Energiekosten ange- Umfangreiche staatliche Unterstützung ist nötig, wenn gangen werden. Hierzu zählen die vollumfängliche die politisch gewünschte (bzw. „staatlich verordnete“) Beibehaltung bestehender Entlastungsregelungen für Verkürzung des Zeitraums für die Einführung der neuen die Industrie sowie auch eine Reduzierung perspekti- Produktionsverfahren gelingen soll. Die Umsetzung ist visch steigender Kosten vor allem bei den Stromnetz- politisch und regulatorisch hochkomplex. Einfache Ant- entgelten. Die im Zuge des Kohleausstiegs veranker- worten gibt es nicht. Es braucht einen breiten Instru- ten Netzentgeltentlastungen durch staatliche Zuschüsse mentenmix mit sektorspezifischen Maßnahmen, der sollten umgesetzt werden (§ 24a Absatz 2 EnWG), Investitionen in erneuerbare Technologien und die denn sie sind ein wichtiger Beitrag für die Entlastung Nutzung dieser deutlich günstiger macht als sie heute der Industrien und reizen den Wechsel zu Strom an. sind. Entscheidend wird sein, die Rahmenbedingungen Zudem braucht es eine Nachfolgeregelung für den Ende so zu gestalten, dass sich die aus volkswirtschaftlicher 2022 auslaufenden Energiesteuerspitzenausgleich, die Sicht geforderten enormen Investitionen für den ein- auch künftig international wettbewerbsfähige Strom- zelnen Investor (d. h. vor allem für Bürgerinnen und preise für Industrie sicherstellt. Umzusetzen ist auch Bürger und Unternehmen) auch betriebswirtschaft- das in § 55 des KVBG angelegte Ausgleichsinstrument lich rechnen. Der Infrastrukturaus- und -umbau muss für energieintensive Unternehmen. zügig durchgesetzt werden, denn für Nullemissionen in 2045 müssen bereits heute die entscheidenden Wei- chen richtig gestellt werden. 23
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