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KOMMUNALE PRÄVENTION INSIGHT – Einblicke in subjektive Sicherheit Möglichkeiten der bürgerschaftlichen Partizipation Anke Schröder, Melanie Schlüter & Maurice Illi Zur Relevanz bürgerschaftlicher Partizipation in der Kriminal Bürgerschaftliche Partizipation gewinnt in Prozessen der städtebaulichen prävention Prävention immer mehr an Bedeutung. Bürgerbefragungen zu Kriminalitäts- furcht und Sicherheitsempfinden der Bürger/-innen sind häufig quantitativ Bürgerschaftliche Partizipation in auf Stadt-, Kommunen- oder gar Bundeslandebene ausgelegt. Das Unsicher- der Stadtentwicklung kann auf eine heitsempfinden der Bewohner/-innen in kleineren Bereichen wie Quartieren lange Tradition zurückblicken. Viele oder kleinräumigen Nachbarschaften einer Stadt kann wegen der großen Maß- Formen der Partizipation und das Feh- stäblichkeit auf diese Weise nicht erfasst werden. Erforderliche kleinräumige len einer eindeutigen Definition kann Analysen sind auf diese Weise nicht möglich (vgl. Weisburd 2012). Wie kann es zu Fehlinterpretationen hinsicht- aber gelingen, das Sicherheitsempfinden der Bewohnenden und Nutzenden lich Funktionalität und Erwartungen eines kleinräumigen Betrachtungsgebietes einzubeziehen? Der Beitrag zeigt der Akteure führen. Bezeichnungen Möglichkeiten durch das CCI-Projektmodul „INSIGHT“ auf. wie Partizipation, Beteiligung, Enga- gement, Teilhabe oder Mitwirkung – forum kriminalprävention 2/2021 29
KOMMUNALE PRÄVENTION zumeist werden diese Begriffe syn- onym verwendet – bilden ein breites Spektrum von Bedeutungen ab (vgl. Selle 2017: S. 15). „Bürgerinnen und Bürger werden in verschiedenen Rol- len gesehen: als Beteiligte an staatli- chen Verfahren, als in vielfältiger Wei- se Selbstaktive und als Kooperanden staatlichen Handelns. In all diesen Rol- len wirken sie an der Entwicklung der Städte mit“ (ebd.). Ein Problem vieler Partizipations- angebote ist die ungleich ausge- Abb. 1: Prozessablauf von INSIGHT (Quelle: LKA Niedersachsen) prägte Teilnahme einzelner Bevölke- rungsgruppen. Überwiegend werden Spanien verfolgt das Ziel, Behörden der Entwicklung der Tools der offene diese Verfahren durch besser gestell- und Organisationen mit Sicherheits- Forschungsansatz des Design-Thin- te Angehörige der Mittelschicht domi- aufgaben (BOS) dabei zu unterstützen, king-Ansatzes gewählt. Dieser Ansatz niert. „Gesellschaftsgruppen, die unter einen präventiven und nachhaltigen fokussiert nach Brown und Katz (2009) schwierigen, ja prekären Verhältnissen Ansatz zur Bekämpfung folgenreicher die praxis- und nutzerorientierte Ge- leben, nehmen jedoch immer weni- Alltagskriminalität zu entwickeln so- nerierung von Innovationen und Pro- ger daran teil“ (Kuder 2018: S. 3). Laut wie Unsicherheitsgefühle der Bevöl- blemlösungen und bezieht bereits zu Selle (2017: S. 13 ff.) sind Art und Um- kerung zu messen und – wenn möglich Beginn des Entwicklungsprozesses die fang von Beteiligungen in Stadtent- – zu mindern. Dazu wurden insgesamt konkreten Bedarfe der Nutzenden ein wicklungsprozessen in der Vergan- sechs Toolkits in vier Schwerpunktbe- bzw. erfasst Lücken oder Schwachstel- genheit oft in die Kritik geraten und reichen entwickelt: len bei bestehenden Anwendungen. auch neue Formate versprechen kei- ■■ Bürgernahe Polizeiarbeit – Commu- Der Design-Thinking-Ansatz nimmt das ne zufriedenstellende Abbildung der nity Policing, menschliche (gender) Maß in den Fokus gesellschaftlichen Diversität oder er- ■■ Vorhersagende Polizeiarbeit – Pre- und verbindet Anziehungskraft („Desi- forderlicher Aushandlungsprozesse. dictive Policing, rability“), Umsetzbarkeit („Feasibility“) Er bezeichnet Beteiligungsverfahren ■■ Kriminalprävention im Städtebau mit „Technical Factors“ und Wirtschaft- in der Stadtentwicklung als […] „rea- (CP-UDP) und lichkeit („Viability“) (vgl. Grots und litätsbefreit. Nur in ganz wenigen Ver- ■■ Stärkung des Sicherheitsempfin- Pratschke 2009: S. 18). Die Schlüssel- fahren wird den Beteiligten die Ausei- dens der Bevölkerung. rolle nimmt das tatsächliche Erfahren nandersetzung mit der Realität, mit Die KFS war als Partner für die Tool und nicht die Vermutung über die Be- der tatsächlichen Komplexität der Auf- entwicklung in den Bereichen Predic- darfe der Nutzenden ein. Das Beobach- gabe zugemutet. Selbst Widersprüche tive Policing und Stärkung des Sicher- ten und Verstehen der Perspektive und zwischen den Bürgermeinungen wer- heitsempfindens verantwortlich. Ansprüche der Nutzenden wird in den den nicht thematisiert.“ Um praxistaugliche und maßge- Mittelpunkt gestellt. Aber kommunale Präventionsarbeit schneiderte Instrumente für die jewei- Für das Kompetenzzentrum Urba- braucht bürgerschaftliches Engage- ligen BOS herauszuarbeiten, wurde bei ne Sicherheit (KURBAS) als Teil der Kri- ment: „[…] andernfalls läuft sie Gefahr aufzugeben, was eigentlich ihr Aus- löser war: Die Idee in einer Gemeinde ‚gemeinschaftlich’ für ein lebenswert- eres Umfeld zu sorgen […] Als Leitbild erscheint die Einbindung der Bevölke- rung in den Zielfindungs- und Prob- lemlösungsprozess auch weitgehend unstrittig“ (Frevel et al. 2009: S. 145). Das Forschungsprojekt Cutting Crime Impact (CCI) Die Kriminologische Forschung und Statistik (KFS) des Landeskriminalam- tes Niedersachsen hat im Rahmen des EU-finanzierten Projekts Cutting Crime Impact (CCI) versucht, die Lücke bei der Bürgerbeteiligung im kommu- nalen Präventionsprozess zu schlie- ßen. Das Projekt CCI mit insgesamt zwölf Projektpartnern aus Deutsch- land, Estland, Frankreich Großbritan- Abb. 2: Funktionsanalyse aus sicherheitsrelevanter Sicht – Beispiel Ausstattungsgegenstände nien, den Niederlanden, Portugal und (Quelle: LKA/Planerstellung Hannah Gruber) 30
KOMMUNALE PRÄVENTION minologischen Forschung im Landes- SIGHT – Einblicke in subjektive Sicher- tive und ruhige Aktivitäten, Aufent- kriminalamt Niedersachsen ist dieser heit“ umfasst Methoden und Her- haltsmöglichkeiten, Ausstattungen, Ansatz von großem Nutzen. Zu einer angehensweisen zur Erfassung der Lautstärke, Helligkeit und Sauberkeit. Aufgabe des KURBAS gehört es, die subjektiven Sicherheit der Bevölke- Zusätzlich werden Foto- und Video- Städte und Gemeinden in Niedersach- rung im öffentlichen Raum. INSIGHT aufnahmen der aktuellen Situation am sen zu Fragen der urbanen Sicherheit besteht aus einem Prozessablauf (sie- Tag und bei Dunkelheit erstellt. So las- zu beraten. Ein Bestandteil dieser Be- he Abb. 1) mit fünf Komponenten bzw. sen sich Orte identifizieren, die poten- ratung umfasst die Frage, wann sich Schritten, die zum einen die externe ziell tages- und nachtspezifische Unsi- Menschen im öffentlichen Raum un- Perspektive von Experten/-innen als cherheiten darstellen können. Solche sicher fühlen und mit welchen Maß- auch die Innenperspektive der Be- sogenannten Angsträume ergeben nahmen das Sicherheitsempfinden wohnenden erheben. Diese Kompo- sich aus furchtauslösenden Situatio- gestärkt werden kann. Mit unter- nenten geben in ihrer Gesamtheit ein nen, die im öffentlichen und halböf- schiedlichen Methoden werden in der übersichtliches Bild der Sicherheits- fentlichen Raum feststellbar sind. Die- Regel lokale Experten/-innen beraten. situation vor Ort, können aber auch se können ausgelöst werden durch Grundlage für die Beratungen sind si- miteinander kombiniert und ergän- die bauliche Situation wie durch feh- cherheitsrelevante Kriterien, die sich zend eingesetzt werden. Zu Beginn lende Orientierung und Einsehbarkeit, aus der Arbeitshilfe für die Planung des Toolprozesses steht in der Regel irreführende Wegeführung, zu gerin- und Bewertung öffentlicher Räume eine Beratungsanfrage zur Sicherheit ge Beleuchtung und soziale Kontrolle unter Sicherheitsaspekten der Sicher- im öffentlichen Raum ausgehend von sowie fehlende Sauberkeit. An diesen heitspartnerschaft im Städtebau in Verantwortungstragenden wie bei- Störungen werden Reinigungs- und Niedersachsen (SIPA o. J.) generieren. spielsweise einer Gemeinde, Kom- Instandhaltungsmerkmale, Koopera- Diese umfassen drei Schutzdimen- mune, der örtlichen Polizei, eines tionen und Verantwortungsübernah- sionen Wohnungsbauunternehmens, eines me erkennbar. Nicht zuletzt wird die ■■ Schutz durch städtebauliche, archi- Quartiersmanagements. Anlass für Verantwortungsübernahme der Nut- tektonische Gestaltung und techni- eine solche Anfrage kann eine Prob- zenden eingeschätzt und Partizipati- sche Ausstattung, lematik mit dominierenden sozialen onsmöglichkeiten erfragt. ■■ Schutz durch Management und Gruppen im öffentlichen Raum sein Diese Angsträume müssen nicht ■■ Schutz durch Nutzungsverantwor- oder aber die Feststellung, dass ein mit tatsächlichen, objektiven Gefah- tung. Raum nicht angenommen wird oder renorten übereinstimmen, sondern Diese drei Dimensionen haben sich verwaist. Auch Sanierungspläne und sind beeinflusst durch das subjektive bewährt, wurden in der Vergangen- Umgestaltungswünsche können den Sicherheitsempfinden der Bewohnen- heit aber stets nur aus der Perspekti- Ausschlag geben. den und Nutzenden, das sich aus zahl- ve der Verantwortlichen oder Exper- reichen Faktoren zusammensetzt, wie ten/-innen vorgenommen. Im Rahmen Schritt 1: Vulnerabilität, Kriminalitätsfurcht, Al- der CCI-Toolkitentwicklung wurden ter, Geschlecht, Erfahrungen oder daher bisherige Methoden um den Um Qualitäten des täglichen Le- aber situative Aspekte wie Begeg- Design-Thinking-Ansatz erweitert und bens sowie potenzielle (Sicherheits-) nungen mit anderen Personen, deren somit das Toolkit „INSIGHT – Einblicke in Risiken vor Ort zu identifizieren, wird Verhalten nicht eingeschätzt werden subjektive Sicherheit“ erstellt. zunächst eine stadt- und sozialräumli- kann (Schröder 2020: S. 389). che Bestandaufnahme durchgeführt. Unter Berücksichtigung sicherheits- Schritt 2: Das Toolkit „INSIGHT – Einblicke relevanter Kriterien wird die aktuelle in subjektive Sicherheit“ Situation vor Ort erfasst und kartiert. Die Erkenntnisse aus dieser ersten Festgehalten werden Merkmale, die Analyse können im nächsten Schritt Das von der KFS entwickelte Tool Nutzungsqualitäten darstellen wie mit einem kleinräumigen Lagebild zu im Bereich Sicherheitsempfinden „IN- beispielsweise Möglichkeiten für ak- Kriminalität und Ordnungsstörungen des ausgewählten Gebiets abgegli- Abb. 3: Beispielplan nach Erfassung der chen werden (Verbundprojekt transit Burano-Methode 2015). Dieses Lagebild kann nur durch (Quelle: LKA) die Polizei erstellt werden, ermöglicht jedoch eine deliktspezifische Betrach- tung des ausgewählten Gebiets. So kann untersucht werden, wo raumbe- zogene Delikte (z. B. Körperverletzung, Bedrohung/Nötigung, Diebstahl, Sach- beschädigung und Ordnungsstörun- gen) stattfinden. Weiterhin kann ana- lysiert werden, welche Umstände den Modus Operandi begünstigen und wie Tatgelegenheitsstrukturen erkannt und verbessert werden können (poli- zeilich, sozial, baulich-räumlich, orga- nisatorisch). Mithilfe dieser beiden Schritte ist es bereits möglich, eine georeferenzier- forum kriminalprävention 2/2021 31
KOMMUNALE PRÄVENTION te Darstellung der (problemorientier- gemiedene Orte und Wege zu iden- hend, Dreieck = gehend, Fahrrad = ten) Situation im ausgewählten Gebiet tifizieren und mit den zuvor gewon- radfahrend). Die Symbole werden da- zu erhalten. Um dieses Bild mit weite- nenen Erkenntnissen abzugleichen. bei mit Zunahme der Personenanzahl ren Informationen zu ergänzen und Hierzu wird die Burano-Methode an- größer, die Pfeile weisen die Gehrich- um die Befunde aus der stadt- und gewendet (vgl. Burano-Gruppe 2002). tung aus. Zusätzliche Notizen zu den sozialräumlichen Bestandsaufnahme Dabei wird an verschiedenen Tagen Personen(gruppen) (z. B. geschätz- sowie dem kleinräumigen Lagebild zu zu unterschiedlichen Tageszeiten das tes Alter, Personenanzahl, Besonder- verifizieren, kann anschließend eine Nutzungsverhalten wie Aufenthalt heiten etc.) ergänzen den Beobach- nicht teilnehmende Beobachtung des oder Transitverkehr, Interaktionen tungsbogen. Nutzungsverhaltens der Bewohnen- oder Abschottungen beobachtet und den durchgeführt werden. auf einer Karte eingezeichnet. Dieses Schritt 4: Vorgehen ermöglicht eine detaillier- Schritt 3: te Analyse von Nutzungsmustern in Anschließend erfolgt die Metho- einer spezifischen sozialräumlichen de „Walk around your Hood“: Eine in- Ziel der nicht teilnehmenden Be- Situation. Vermerkt werden neben terdisziplinäre (stadt)räumliche Be- obachtung ist es, unterschiedliche dem Geschlecht (rot = weiblich, blau gehung zur Bewertung (un)sicherer Nutzungsmuster verschiedener Per- = männlich) der Personen(gruppen) Räume. Eine Vor-Ort-Begehung rich- sonengruppen zu beobachten und auch deren Tätigkeiten, die sie aus- tet den professionellen Blick auf all- bevorzugte, wenig genutzte oder gar üben (Viereck = sitzend, Kreis = ste- tägliche Nutzungen und beurteilt die Qualität eines Raumes unter si- cherheitsrelevanten Aspekten. Die Vor-Ort-Begehung dient der Sensibi- lisierung verantwortlicher Akteurin- nen und Akteure für sicherheitsre- levante Aspekte und ermöglicht den Blick auf differenzierte Nutzungsan- forderungen. Ziele der Vor-Ort-Bege- hung sind neben der Ermittlung mög- licher Risiken, auch die Erfassung von Qualitäten und Abstimmung darüber, welche bewahrt und/oder ausgebaut werden können. Nach den Begehun- gen können verbindliche Absprachen zur Umorganisation und Verteilung von Verantwortlichkeiten getrof- fen werden. Die Expertinnen und Ex- perten begutachten den Raum nicht nur aus der eigenen fachlichen Per- spektive, sondern auch aus der Nut- zungsperspektive. Dazu werden sie gebeten mithilfe von verschiedenen alltäglichen Szenarien während der Begehung die Interessen bestimmter Personengruppen stellvertretend zu übernehmen. Das kann sein die älte- re Frau, die mit ihrer Gehhilfe im Quar- tier unterwegs ist, die junge Frau, die abends von der Diskothek heim- kommt, oder der kleine Junge, der im Quartier Fußball spielen möchte. Die Bewohnenden selbst werden bei die- ser Methode jedoch nicht mit einge- bunden, um zu vermeiden, dass nicht erfüllbare Erwartungen geweckt wer- den (Schröder/Rebe 2021). Die Erhe- bung erfolgt erneut anhand der von der Sicherheitspartnerschaft in Nie- dersachsen erarbeiteten Leitfragen (LPR: o. J.) Die generierten Daten und Infor- mationen zum Sicherheitsempfinden beruhen bis dato ausschließlich auf externen, „professionellen“ Perspek- tiven. Die aktuelle Wahrnehmung des Abb. 4: Plangrundlage für partizipative Rundgänge und Kartierung unsicherer Orte (Quelle: LKA NI) Sicherheitsgefühls von Bewohnerin- 32
KOMMUNALE PRÄVENTION nen und Bewohnern eines kleinräumi- mung gemieden oder genutzt wer- gen Gebietes wird somit jedoch nicht den und geben so Aufschluss über direkt erfasst. Um eben auch diese den Einfluss von Unsicherheit auf das Perspektive zu generieren, wurde das Nutzungsverhalten der Befragten. Tool um eine weitere, neu entwickelte Die Beschreibung von guten oder Methode ergänzt. schlechten raumbezogenen Wahr- nehmungen ist für die teilnehmenden Schritt 5: Personen in der Regel unüblich und ungewohnt. Mithilfe der Bilder und Die partizipativen Rundgänge und der Emoji-Mapping-Methode werden Kartierung unsicherer Orte mithilfe Werkzeuge eingesetzt, die es erleich- von Emoji-Mapping-Markern ermög- tern, Gefühle an Orten wahrzuneh- lichen es, die gelebte Erfahrung von men und diese zu beschreiben. Abb. 5: Die Emojis mit positiver und negativer Gefühls- darstellung (Quelle: LKA NI) Bewohnerinnen und Bewohnern eines kleinräumigen Gebiets zu erfassen. Das angefertigte Foto- und Videoma- Zusammenfassung und Ausblick bestimmte Wege oder Orte genutzt terial aus Schritt 1 wird so aufbereitet, oder gemieden werden. Durch die dass frequentierte und ungenutzte Das oben aufgeführte Tool „INSIGHT aufsuchende Beteiligung können Wegeverbindungen als Anschauungs- – Einblicke in subjektive Sicherheit“ die Bewohnenden an der Entwick- route ausgewählt werden. Das eigens zeigt fünf Möglichkeiten auf, sicher- lung des Quartiers mitwirken. angefertigte Material wird zur besse- heitsrelevante Aspekte in Wohnum- Mit der umfassenden Darstellung ren Orientierung mit Google Street feld und Nachbarschaft aufzunehmen. der Methode INSIGHT – Einblicke in View unterstützt. Insgesamt werden mit diesen fünf subjektive Sicherheit im öffentlichen Die Auswahl der zu beteiligenden Schritten sowohl die Expertenpers- Raum sollen Verantwortliche in den Gruppe von maximal sechs Personen pektive als auch die Innenperspekti- Quartieren in die Lage versetzt wer- unterschiedlichen Geschlechts, Alters, ve der Bewohnenden zur gefühlten Si- den, passgenau und situativ zur Stär- ethnischer und sozialer Zugehörigkeit cherheit eröffnet. Ein ganzheitliches kung des Sicherheitsempfindens der erfolgt durch die Akteure vor Ort. Äl- Bild von der Situation vor Ort wird er- Bevölkerung beizutragen. Dadurch, tere Menschen können so über die Se- möglicht und relevante Stakeholder dass sich auch einzelne Methoden un- niorenarbeit, Kinder und Jugendliche können identifiziert werden. Nicht im- abhängig voneinander anwenden las- über die Schulen oder Jugendeinrich- mer können alle fünf Schritte nachei- sen, ist es auch anderen Institutionen tungen sowie Glaubensrichtungen nander und im vollen Umfang durch- und Behörden mit Sicherheitsaufgabe, über die Gotteshäuser erreicht wer- geführt werden. aber auch Kommunen, Wohnungsbau- den. Ein/e Moderator/-in leitet die 1. Im ersten Schritt erfolgt die Er- unternehmen, einem Quartiersma- Gruppe an. Sie/er erörtert das Vorge- fassung des baulich-räumlichen nagement oder Kriminalpräventiven hen anhand einer gut lesbaren und Ist-Zustands, ausgerichtet auf die Räten möglich, das Tool anzuwenden. verstehbaren Stadtteilkarte, die der Berücksichtigung sicherheitsrele- Durch die neu entwickelte Emoji-Map- Orientierung und als Grundlage für vanter Aspekte unter einem „Hu- ping-Marker Methode werden bürger- das Aufkleben der Emojis dient. Es man-centred Design“-Ansatz. Damit schaftliche Partizipation ermöglicht folgt die Erläuterung der Emojis. können Chancen ausgebaut und Ri- und direkte Einblicke in das Sicher- Sieben Emojis repräsentieren ver- siken gemindert werden. heitsempfinden der Bewohner/-innen schiedene emotionale Zustände. 2. Der zweite Schritt erfolgt in Zusam- vor Ort gewährt. Drei positive (zufrieden/wohl, sicher, menarbeit mit der lokalen Polizei. gut), drei negative (unwohl, unsicher, Anhand eines kleinräumigen Krimi- Dr. Anke Schröder ist Architektursoziologin und im Landes- kriminalamt Niedersachsen verantwortlich für das Kompe- ängstlich) und ein neutraler Emo- nalitätslagebildes kann sie Delikte tenzzentrum Urbane Sicherheit. Sie ist eingebunden in deut- ji-Marker (mir egal/weiß nicht) zeigen und Ordnungsstörungen aufzei- sche und europäische Forschungsprojekte und berät Akteure zu Themen der urbanen Sicherheit. Sie ist Mitglied in un- die Stimmung im öffentlichen Raum. gen, die durch andere Maßnahmen terschiedlichen Gremien. Sie schätzt transdisziplinäre For- schungsansätze und ihr Anliegen ist es, theoretische Erkennt- Nach der Erklärung der Emojis folgt behoben werden können. nisse für die Praxis aufzubereiten. der digitale Rundgang; ein Gespräch 3. Die „Burano-Methode“ ist zwar auf- Kontakt: anke.schroeder@polizei.niedersachsen.de über das ausgewählte Gebiet mithilfe wendig und erfordert Ressourcen, Melanie Schlüter ist Soziologin und Erziehungswissenschaft- des bildlichen Materials (Photo-Elici- ermöglicht aber einen sehr guten lerin. Aktuell ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kri- minologischen Forschungsstelle sowie des Kompetenzzent- tation-Methode) beginnt. Dabei wird Einblick in das Nutzungsverhalten rums Urbane Sicherheit des LKA Niedersachsen. Sie arbeitet in dem EU-Projekt „Cutting Crime Impact“ im Bereich „Fee- eine einfache, nicht wissenschaftli- der Menschen im Gebiet. lings of Insecurity“. Ihre weiteren Forschungsschwerpunkte che Sprache verwendet. Im Anschluss 4. Mit der „Walk around your Hood“- liegen in den Bereichen Sozialisation, Jugend, Radikalisierung und Extremismus. werden die Beteiligten gebeten, die Methode können alle Verantwortli- Kontakt: melanie.schlueter@polizei.niedersachsen.de genutzten und gemiedenen Wege- chen vor Ort sensibilisiert werden, Maurice Illi ist Soziologe mit dem Spezialgebiet Urbane Si- verbindungen zu beschreiben und den Raum als nutzungsfreundli- cherheit. Bis 2020 war er Sicherheitsmanager der Stadt Lu- zern mit dem Fokus auf Lösung von Nutzungskonflikten im ihre Empfindungen an den Orten an- chen Ort zu entwickeln und im Rah- öffentlichen Raum. Aktuell ist er Berater für urbane Sicher- hand der Emoji-Marker zu markieren. men ihrer Möglichkeiten dazu bei- heit bei der Basler&Hofmann AG in Zürich und wissenschaft- licher Mitarbeiter beim Kompetenzzentrum Urbane Sicher- Die genannten Gründe werden auf zutragen, dass Orte lebenswert heit des LKA Niedersachsen. dem Plan festgehalten und am Ende werden. Darüber hinaus fördert Kontakt: maurice.illi@polizei.niedersachsen.de der Sitzung abschließend besprochen die Methode die kooperative Zu- und ggf. ergänzt. Das Ergebnis dieser sammenarbeit. Literatur Methode zeigt Orte und Wege, die auf- 5. Mit der „Emoji-Mapping-Methode“ Brown, T./Katz, B. (2009): Change by Design. How De- sign Thinking Transforms Organizations and Inspires grund einer (un)sicheren Wahrneh- kann abgebildet werden, warum Innovation. Harper Collins Publishers. forum kriminalprävention 2/2021 33
KOMMUNALE PRÄVENTION Burano-Gruppe (2002): Burano – eine Stadtbeobach- Grots, Alexander/Pratschke, Margarete (2009): Design Arbeitshilfe für die Planung und Bewertung öffent tungsmethode zur Beurteilung der Lebensqualität. Thinking – Kreativität als Methode. In: Marketing Re- licher Räume unter Sicherheitsaspekten – Kurzf assung In: Marlo Riege & Herbert Schubert (Hrsg.): Sozial- view St. Gallen 2.2009, S.18–23. Verbundprojekt transit (2015): Landeskriminalamt raumanalyse. Grundlagen – Methoden – Praxis. Opla- Kuder, Thomas (2016): Starke Lokale Demokratie: Leit- Niedersachsen: Sicherheit im Wohnumfeld – Gegen- den: Leske + Budrich, S. 85–104. linien für eine hochwertige, inklusive Bürgerbeteili- überstellung von Angsträumen und Gefahrenorten, Frevel, Bernhard/Kahl, Wolfgang/Kober, Marcus/ gung. vhw werkSTADT, Nummer 08, Oktober 2016. Hannover, [online]: https://www.transit-online.info/ Schreiber, Verena/van den Brink, Henning/Wurtz- Berlin. fileadmin/transit/Materialien/Berichte/Gegenueber bacher, Jens (2009): Bürgerengagement in der Schröder, Anke/Rebe, Sabine (2021): Handreichung stellung_von_Angstraeumen_und_Gefahrenorten. kommunalen Kriminalprävention: Beiträge aus für interdisziplinäre (stadt-)räumliche Begehungen pdf, 01.04.2021 der aktuellen Forschung (Teil 1) zu Konzeption zur Bewertung (un)sicherer Räume „Walk around Wurtzbacher, Jens (2009): 2. Konzeptioneller Über- und Wirklichkeit. In: Erich Marks & Wiebke Steffen your Hood“, Hannover [online] ] https://www.div- blick und Formen der Bürgerbeteiligung In: Erich (Hrsg.): Engagierte Bürger – sichere Gesellschaft city.de/wp-content/uploads/2019/09/202102024-Div Marks & Wiebke Steffen (Hrsg.): Engagierte Bürger Ausgewählte Beiträge des 13. Deutschen Präven- ercity_Handreichung_Web.pdf, 01.04.2021 – sichere Gesellschaft Ausgewählte Beiträge des tionstages Forum Verlag; Auflage: 1 (4. Dezember LPR – Landespräventionsrat Niedersachsen – Nieder- 13. Deutschen Präventionstages Forum Verlag; Auf- 2009), Seite 143–160 sächsisches Justizministerium (o.J): Sichere Räume. lage: 1 (4. Dezember 2009), Seite 147–150. 34
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