Instituts für Insolvenzrechts e.V Anwendertag IK Verfahren Arbeitseinkommen in der Insolvenz 02.09.2021

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Instituts für Insolvenzrechts e.V Anwendertag IK Verfahren Arbeitseinkommen in der Insolvenz 02.09.2021
SACHVERSTÄNDIGENINSTITUT
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                                                               WIRTSCHAFTSRECHT

Instituts für Insolvenzrechts e.V
Anwendertag IK Verfahren

Arbeitseinkommen in der Insolvenz

02.09.2021

Ihre Referentin:
Dipl.-Rpfl. Sylvia Wipperfürth, LL.M. (com.), Mediatorin BM®

   © SYLVIA WIPPERFÜRTH                                                      1
Instituts für Insolvenzrechts e.V Anwendertag IK Verfahren Arbeitseinkommen in der Insolvenz 02.09.2021
Themenschwerpunkte
•   Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung zum pfändbaren
    Einkommen im Insolvenzverfahren

•   „Klassiker & Exoten“ (pfändbares Einkommen)

•   Abführungspflicht nach Maßgabe des § 295a InsO n.F.

       © SYLVIA WIPPERFÜRTH                               2
Pfändbares Einkommen
Unterhaltsberechtigte Personen - § 850c Abs. 4 ZPO

BGH v. 9.7.2020– IX ZB 38/19:

▪   Das Kindergeld stellt kein Einkommen im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO dar. Das gilt auch dann,
    wenn das Kind erste unterhaltsberechtigte Person im Sinne des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO ist
    (Ergänzung zu BGH, Beschluss vom 19. Mai 2004 - IXa ZB 322/03, ZVI 2004, 387).

▪   Das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht kann im Rahmen der Berechnung des
    Lebensbedarfs der unterhaltsberechtigten Person zusätzliche Bedarfe, insbesondere den für
    Unterkunft und Heizung, berücksichtigen.

▪   Der Besserungszuschlag ist allein aus dem sozialhilferechtlichen Regelbedarf zu berechnen.
    – Ermessensprüfung 1: eigene Einkünfte der unterhaltsberechtigten Person
    – Ermessensprüfung 2: Bedarf der unterhaltsberechtigten Person = Regelbedarf nach § 20 SGB II, §§ 27a, 28
      SGB XII zzgl. bis zu 50% Motivationszuschlag, unabhängig von der Erwerbstätigkeit, um Abstand zwischen
      Sozialrecht und Vollstreckungsrecht zu schaffen
       ▪   Pfändungsfreigrenzen sollen dem Schuldner soll nicht nur das Existenzminimum sichern

       © SYLVIA WIPPERFÜRTH                                                                        3
Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungs-Gesetz - PKoFoG
§ 850c ZPO Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen                                 •   § 850c ZPO erfährt eine umfangreiche
i.d.F. vom 8.5.2021 (abweichendes Inkrafttreten, vgl. Art.                           Neustrukturierung
5, Art. 7 Abs. 4 GvSchuG v. 7.5.2021)
                                                                                 •   Bezugnahme auf die
(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach                                Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung des
dem Zeitraum, für den es gezahlt wird,                                               BMJV soll sichergestellt werden, dass in
nicht mehr als                                                                       Zukunft im Gesetz keine Beträge genannt
1. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung aus der letzten bekannt
gemachten Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung                                         werden, die nicht mehr aktuell sind
ergebende monatliche Betrag] Euro monatlich,
2. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung aus der letzten bekannt
gemachten Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung                                     •   Zeitraum der Anpassung der
ergebende wöchentliche Betrag] Euro wöchentlich
oder
                                                                                     Pfändungsfreigrenzen: 1 Jahr (Verkürzung!!)
3. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung aus der letzten bekannt
gemachten Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung
ergebende tägliche Betrag] Euro täglich,
                                                                                 •   Der frühere Anhang zur ZPO in Tabellenform
beträgt.                                                                             wird nicht mehr fortgeführt, es wird allein auf
                                                                                     die Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung
                                                                                     Bezug genommen (VÖ im BGBl.)

                                                         © SYLVIA WIPPERFÜRTH                                                          4
Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungs-Gesetz - PKoFoG
§ 850c ZPO Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen i.d.F.                                                         •   § 850c Abs. 2 ZPO. (vormals geregelt in Abs. 1)
vom 8.5.2021 (abweichendes Inkrafttreten, vgl. Art. 5, Art.                                                         gesetzliche (!) Unterhaltberechtigte
7 Abs. 4 GvSchuG v. 7.5.2021)
(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen                                                          ▪   RegE: „Dabei hat sich der Kreis der relevanten
Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten,                                                           unterhaltsberechtigten Personen im Vergleich zur
seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner,                                                                 geltenden Rechtslage nicht verändert.“
einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des
Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so                                                         ▪   Keine Berücksichtigung der faktischen
erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person,                                                          Unterhaltspflichten („Bedarfsgemeinschaft“)
der Unterhalt gewährt wird, und zwar um
1. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung aus der letzten bekannt gemachten
Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung
ergebende monatliche Betrag] Euro monatlich,                                                                    ▪   BGH v. 28.09.2017 – VII ZB 14/16: Der Gläubiger
2. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung aus der letzten bekannt gemachten
Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung                                                                                  kann einen klarstellenden Beschluss des
ergebende wöchentliche Betrag] Euro wöchentlich
oder                                                                                                                Vollstreckungsgerichts verlangen, dass der
                                                                                                                    Unterhaltsberechtigte bei der Berechnung des
3. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung aus der letzten bekannt gemachten
Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung ergebende tägliche Betrag] Euro täglich. Für die zweite bis fünfte Person,
der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung aus der letzten bekannt gemachten
Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung
                                                                                                                    pfändbaren Betrags nach § 850c Abs. 1 ZPO
ergebende monatliche Betrag] Euro monatlich,
2. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung aus der letzten bekannt gemachten
                                                                                                                    (nunmehr dann Abs. 2!) nicht zu berücksichtigen
Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung
ergebende wöchentliche Betrag] Euro wöchentlich
                                                                                                                    ist, wenn der Schuldner an den
oder
3. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung aus der letzten bekannt gemachten
                                                                                                                    Unterhaltsberechtigten keinen Unterhalt leistet.
Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung
ergebende tägliche Betrag] Euro täglich.

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Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungs-Gesetz - PKoFoG
§ 850c ZPO Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen                                      ▪   Absatz 3 enthält Regelungen für Fälle, in denen
i.d.F. vom 8.5.2021 (abweichendes Inkrafttreten, vgl. Art.                                das Arbeitseinkommen den pfändungsfreien
5, Art. 7 Abs. 4 GvSchuG v. 7.5.2021)                                                     Betrag nach Absatz 1 übersteigt.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach                                   ▪   Satz 1 bestimmt, dass das den Betrag des
Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils                                Arbeitseinkommens nach Absatz 1
in Höhe von drei Zehnteln                                                                 übersteigende Arbeitseinkommen hinsichtlich
unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2                                           des überschießenden Teils in Höhe von drei
Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei                                      Zehnteln unpfändbar ist. Diese Vorschrift ist
Zehntel und die zweite bis fünfte Person jeweils ein                                      inhaltlich identisch mit § 850c Absatz 2 ZPO
weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des                                                 bisheriger Fassung
Arbeitseinkommens, der
1. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung      aus der letzten bekannt
gemachten Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung
ergebende monatliche Betrag] Euro monatlich,
2. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung      aus der letzten bekannt
gemachten Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung
ergebende wöchentliche Betrag] Euro wöchentlich
oder
3. … [einsetzen: der sich zum Zeitpunkt der Verkündung      aus der letzten bekannt
gemachten Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung
ergebende tägliche Betrag] Euro täglichübersteigt, bleibt   bei der Berechnung des
unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

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Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungs-Gesetz - PKoFoG
§ 850c ZPO Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen i.d.F.
vom 8.5.2021 (abweichendes Inkrafttreten, vgl. Art. 5, Art.
7 Abs. 4 GvSchuG v. 7.5.2021)
(4) Das Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt
Folgendes bekannt
(Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):
1. die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach
Absatz 1,
2. die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3. die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten
Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres
entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen
Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen
Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1
Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes
angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des
jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1
Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde
zu legen.
                                       © SYLVIA WIPPERFÜRTH   7
Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungs-Gesetz - PKoFoG
§ 850c ZPO Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen
i.d.F. vom 8.5.2021 (abweichendes Inkrafttreten, vgl. Art.
5, Art. 7 Abs. 4 GvSchuG v. 7.5.2021)
(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des
Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das
Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach
Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl
abzurunden, die bei einer Auszahlung für
1. Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl
ergibt,
2. Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl
ergibt,
3. Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl
ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden
Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung
als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die
Bezugnahme auf die Tabelle.

                                       © SYLVIA WIPPERFÜRTH   8
Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungs-Gesetz - PKoFoG
§ 850c ZPO Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen               ▪   Vormals § 850c Abs. 4 ZPO, jetzt § 850c Abs.
i.d.F. vom 8.5.2021 (abweichendes Inkrafttreten, vgl. Art.         6 ZPO
5, Art. 7 Abs. 4 GvSchuG v. 7.5.2021)

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund
gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene
Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag
des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass
diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils
des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise
unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise
berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht
anzuwenden.

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Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungs-Gesetz - PKoFoG
§ 850f ZPO Änderung des unpfändbaren Betrages i.d.F.
vom 8.5.2021 (abweichendes Inkrafttreten, vgl. Art. 5, Art.
7 Abs. 4 GvSchuG v. 7.5.2021)
(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf
Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c,
850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens
einen Teil belassen, wenn
1. der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der
Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 850c der
notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und
Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch
für sich und für die Personen, denen er gesetzlich zum
Unterhalt verpflichtet ist, nicht gedeckt ist,.

[b) und c) werden Nr. 2 und Nr. 3]

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Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungs-Gesetz - PKoFoG
                   Artikel 4 Inkrafttreten                    ▪   Inkrafttreten zum 1.12.2021

(1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Absatzes 2 am           – gewährt den Beteiligten eine Übergangsfrist,
    1.12.2021 in Kraft.                                             um sich auf die durch das Gesetz bewirkten
                                                                    gesetzlichen Änderungen einzustellen.
(2) Artikel 1 Nummer 6 tritt am 1. August 2021 in Kraft.
                                                              ▪   Inkrafttreten der Neufassung von § 850c ZPO
(2) Artikel 1 Nummer 6 und 7 treten am 8. Mai 2021 in             am 01.08.2021 8.5.2021 (abweichendes
Kraft.                                                            Inkrafttreten, vgl. Art. 5, Art. 7 Abs. 4 GvSchuG
                                                                  v. 7.5.2021)

                                       © SYLVIA WIPPERFÜRTH                                                     11
Einführung
„Corona-spezifische Leistungen“ Überblick – heute Auszug
                                                                             Bildquelle: www.aerzteblatt.de

▪   (Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien-/-Bonuszahlungen, steuerfrei bis zu einem Betrag in
    Höhe von insgesamt 1.500 €
    – Besonderheit: Pflegebonus (einmalige Sonderleistungen für Beschäftigte in der Altenpflege) bis
      1.000 € + ggf. Arbeitgeberprämie bis max. 500 €
▪   Soforthilfe-Leistungen für Soloselbstständige/Kleinunternehmer

▪   Überbrückungshilfe I bis III Plus

▪   Kurzarbeitergeld (KUG)
▪   Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz

▪   Kinderbonus
▪   Notfall-Kinderzuschlag (KiZ)
▪   Coronazuschuss (einmalige Sonderzahlung iHv 150 € für erwachsene Grundsicherungsempfänger)

          © SYLVIA WIPPERFÜRTH                                                                          12
Einführung
Zu untersuchen sind….

▪   die Definition des „Anspruchs“ = Vollstreckungsobjektes

▪   die Pfändbarkeit des Vollstreckungsobjektes (in der Einzelzwangsvollstreckung)

▪   der Insolvenzbeschlag des Vollstreckungsobjektes

▪   nach Auszahlung des Betrags (z.B. Zahlungseingang auf einem Geschäfts-, Pfändungsschutzkonto)
    – die Definition des „Anspruchs“ = Vollstreckungsobjektes
    – die Pfändbarkeit des Vollstreckungsobjektes (in der Einzelzwangsvollstreckung)
    – der Insolvenzbeschlag des Vollstreckungsobjektes

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Arbeitgeber-Prämien
Pflegebonus

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

▪   Angesichts der Corona-Krise können Arbeitgeber ihren Beschäftigten Beihilfen und
    Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500 € (im Jahr 2020) steuerfrei auszahlen oder als
    Sachlohn gewähren.

▪   Voraussetzung: Beihilfen und Unterstützungen werden zusätzlich zum ohnehin geschuldeten
    Arbeitslohn geleistet
    – muss sich bestenfalls aus einer arbeitsvertraglichen Grundlage ergeben

▪   nicht erfasst: Aufstockungszahlungen zum Kurzarbeitergeld

▪   Idee: Signal der Wertschätzung für besondere Arbeitsleistungen gegenüber den Mitarbeitern in
    sog. „systemrelevanten Berufen“

▪   Bundesfinanzminister Olaf Scholz: „Wir sorgen jetzt dafür, dass Prämien zu 100 Prozent bei
    den Beschäftigten ankommen.“ (https://www.bundesfinanzministerium.de)

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

Steuerfreiheit - Gesetzesänderung § 3 Nr. 11a) EStG

Steuerfrei sind

Nr. 11a)

zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 1. März bis
zum 31. Dezember 2020 auf Grund der Corona-Krise an seine Arbeitnehmer in Form von
Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von
1 500 Euro;

Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (BGBl. 2021 – Teil 1, Nr. 28, S. 1259), Art.1 Nr. 2:
„In § 3 Nr. 11a wird die Angabe „30.06.2021“ durch die Angabe „31.03.2022“ ersetzt.“

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

Besonderheit: Pflegebonus gem. § 150a SGB XI

▪   Durch das am 14.05.2020 beschlossene Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer
    epidemischen Lage von nationaler Tragweite wurde allen Beschäftigten in der Altenpflege im
    Jahr 2020 ein gestaffelter Anspruch auf eine einmalige Sonderleistung (Corona-Prämie) in
    Höhe von bis zu 1.000 € zugesprochen.

▪   Arbeitgebern in der Pflege werden die Prämien im Wege der Vorauszahlung zunächst von der
    sozialen Pflegeversicherung erstattet. In der zweiten Hälfte des Jahres 2020 werden das BMG
    und das BMF miteinander festlegen, in welchem Umfang die gesetzliche Kranken- und
    Pflegeversicherung Zuschüsse des Bundes zur Stabilisierung der jeweiligen Beitragssätze (auch
    zur Refinanzierung der Corona-Prämien) erhalten.
    ➢ Aus Sicht des Arbeitnehmers: Anspruch gegen Arbeitgeber

▪   Länder und die Arbeitgeber in der Pflege können die Corona-Prämie ergänzend bis zur Höhe
    der steuer- und sozialversicherungsabgabenfreien Summe von 1.500 € aufstocken.

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

Vollstreckungsobjekt

▪   Vollstreckungsobjekt: Anspruch des Arbeitnehmers gegen Arbeitgeber
    – bei der Prämie und beim Pflegebonus

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

(Un-)Pfändbarkeit in der Einzelzwangsvollstreckung

▪   Prämien-/Bonuszahlungsanspruch ist gem. § 850a Nr. 3 ZPO als unpfändbare Gefahrenzulage
    in Höhe des steuerfrei geleisteten Betrags anzunehmen
    – Arg.: Tätigwerden in einer allgemeinen, pandemiebedingten Gefahrenlage
    – Wohl keine Unpfändbarkeit als Mehrarbeitsvergütung gem. § 850a Nr. 1 ZPO, da Zahlung
      zusätzlich zum Arbeitseinkommen, nicht für geleistete Arbeit

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

Insolvenzbeschlag

▪   Prämien-/Bonuszahlungsanspruch ist gem. §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850a Nr. 3
    ZPO als unpfändbare Gefahrenzulage in Höhe des steuerfrei geleisteten Betrags anzusehen
    und unterliegt daher nicht dem Insolvenzbeschlag
    – entsprechende Wertung für das RSB-Verfahren über § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

AG Cottbus v. 23.3.2021 – 63 IN 127/18

▪   Unter Abwägung der schutzwürdigen Interessen von Schuldner und Gläubiger ist die
    Unpfändbarkeit von Corona-Prämien festzustellen, weil sonst der Zweck solcher
    Sonderzahlungen verfehlt werden würde.
    Die Prämie wird gezahlt, um zusätzliche Belastung durch die Corona-Krise abzumildern. Sie
    kann wegen dieser Zweckbestimmung unter § 850a Nr. 3 ZPO subsumiert werden.

▪   Wohl ebenfalls AG Gera v. 27.3.2021 – 8 IK 31/18

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

Vollstreckungsobjekt nach Gutschrift auf dem (P-)Konto des Schuldners

▪   Vollstreckungsobjekt: Anspruch des Schuldners gegen die Bank aus dem Girovertragsverhältnis

▪   keine negative Surrogation (vgl. BGH v. 11.4.2013 – IX ZB 170/11, NZI 2013, 648; BGH v.
    26.9.2013 - IX ZB 247/11, ZIP 2013, 2112 so auch LG Köln v. 23.4.2020– 39 T 57/20)

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

(Un-)Pfändbarkeit in der Einzelzwangsvollstreckung nach Gutschrift auf dem (P-)Konto des
Schuldners

▪   Girokonto (ohne Pfändungsschutz): grds. Pfändbarkeit, aber „Einrichtung“ eines P-Kontos
    möglich (§§ 850k Abs. 1 Satz 2, 835 Abs. 4 ZPO)

▪   Pfändungsschutzkonto: ggf. eingetragener Freibetrag niedriger als Geldeingang mit der Folge
    der Pfändbarkeit insoweit (§ 850k Abs. 1, Abs. 2 ZPO).

▪   Möglichkeit der Unpfändbarkeit über Beschlussfassung gem. § 850k Abs. 4 ZPO
    – § 850a ZPO ist gem. § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO entsprechend anwendbar

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

Insolvenzbeschlag nach Gutschrift auf dem (P-)Konto des Schuldners

▪   Girokonto (ohne Pfändungsschutz): grds. Insolvenzbeschlag wegen Pfändbarkeit, aber
    „Umwandlung nach Insolvenzeröffnung“ in ein P-Kontos wird praktiziert (§§ 850k Abs. 1 Satz
    2, 835 Abs. 4 ZPO)
    – problematisch wegen §§ 115, 116 InsO (Erlöschen des Vertragsverhältnisses kraft Gesetzes)

▪   Pfändungsschutzkonto: ggf. eingetragener Freibetrag niedriger als Geldeingang, mit der Folge
    des Insolvenzbeschlags insoweit (§§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850k Abs. 1, Abs. 2
    ZPO).

▪   Möglichkeit der Unpfändbarkeit und damit der Insolvenzbeschlagsfreiheit über
    Beschlussfassung gem. § 850k Abs. 4 ZPO
    – § 850a ZPO ist gem. § 850k Abs. 4 Satz 2 ZPO entsprechend anwendbar
    – Zuständigkeit Insolvenzgericht gem. § 36 Abs. 4 InsO

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

Insolvenzbeschlag nach Gutschrift auf dem (P-)Konto des Schuldners

▪   RSB-Verfahren: Ansprüche aus dem Girovertragsverhältnis (das „Bankguthaben“) sind nicht von
    der Abtretungserklärung des § 287 Abs. 2 InsO erfasst

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Kurzarbeitergeld (KUG)

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Kurzarbeitergeld (KUG)
Kurzarbeitergeld (KUG) in der Corona-Pandemie

▪   Angesichts der Corona-Krise wurden bereits am 16.03.2020 Zugangserleichterungen bzgl. des
    Kurzarbeitergeldes (§§ 95 ff. SGB III) rückwirkend zum 01.03.2020, anschließend am
    22.04.2020 und am 14.05.2020 Erhöhungen des Kurzarbeitergeldes beschlossen.

▪   Verlängerung der Maßnahme bis Dezember 2021 (unter bestimmten Voraussetzungen)

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Kurzarbeitergeld (KUG)
Kurzarbeitergeld (KUG) in der Corona-Pandemie

Vollstreckungsobjekt

▪   Vollstreckungsobjekt = Anspruch auf Zahlung des Kurzarbeitergeldes

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Kurzarbeitergeld (KUG)
Kurzarbeitergeld (KUG)

(Un-)Pfändbarkeit in der Einzelzwangsvollstreckung

▪   Pfändbarkeit des als Lohnersatzleistung nach dem SGB III gezahlten Kurzarbeitergeldes ergibt
    sich aus § 54 Abs. 4 SGB I: pfändbar wie Arbeitseinkommen

▪   In der Einzelzwangsvollstreckung ist Kurzarbeitergeld nicht automatisch von der
    „Gehaltspfändung erfasst“. Vielmehr muss es gesondert und ausdrücklich benannt werden.

▪   Drittschuldner ist nicht die Bundesagentur für Arbeit, sondern der Arbeitgeber des Schuldners
    (§ 108 Abs. 2 Satz 1 SGB III)

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Kurzarbeitergeld (KUG)
Insolvenzbeschlag KUG

▪   Der Anspruch auf Zahlung des Kurzarbeitergeldes (als Lohnersatzleistung) ist vom
    Insolvenzbeschlag und im Restschuldbefreiungsverfahren auch von der Abtretungserklärung
    gem. § 287 Abs. 2 InsO erfasst.

▪   Aufmerksamkeit (§ 82 InsO; § 407 BGB): Drittschuldner ist der Arbeitgeber (nicht die
    Bundesagentur für Arbeit, § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB III)

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Kurzarbeitergeld (KUG)
Kurzarbeitergeld (KUG) - Aufstockung

▪   Viele Arbeitgeber stocken das Kurzarbeitergeld – freiwillig oder aufgrund tarifvertraglicher
    Vereinbarungen – auf

▪   Bundeskabinett hat am 06.05.2020 beschlossen, dass solche Aufstockungen bis zu einer Höhe
    von 80 % des Gehalts steuerfrei bleiben und nicht mehr - wie bisher - als steuerpflichtiger
    Arbeitslohn gelten (befristet bis 31.12.2020)

▪   Aufstockungsbeträge sind als reguläre Entgeltzahlung i.S.e. Lohnersatzleistung anzusehen.

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Kurzarbeitergeld (KUG)
(Un-)Pfändbarkeit - Kurzarbeitergeld (KUG) - Aufstockung

▪   Steuerfreiheit führt nicht dazu, dass diese – ähnlich den steuerfrei gewährten
    Erschwerniszulagen für ungünstige Arbeitszeiten – gem. § 850a Nr. 3 ZPO in dieser Höhe als
    unpfändbar anzusehen sind (BGH v. 29.6.2016 - VII ZB 4/15, ZInsO 2016, 1574; BAG v.
    23.08.2017 - 10 AZR 859/16, ZInsO 2017, 2451; BGH v. 20.9.2018 – IX ZB 41/16, ZinsO 2018,
    2411; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 850a Rn. 10)

▪   Kein Entgelt für besondere Erschwernisse im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit

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Kurzarbeitergeld (KUG)
Insolvenzbeschlag - Kurzarbeitergeld (KUG) - Aufstockung

▪   Steuerfreiheit führt nicht dazu, dass diese – ähnlich den steuerfrei gewährten
    Erschwerniszulagen für ungünstige Arbeitszeiten – gem. § 850a Nr. 3 ZPO in dieser Höhe als
    unpfändbar anzusehen sind (BGH v. 29.6.2016 - VII ZB 4/15, ZInsO 2016, 1574; BAG v.
    23.08.2017 - 10 AZR 859/16, ZInsO 2017, 2451; BGH v. 20.9.2018 – IX ZB 41/16, ZinsO 2018,
    2411; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 850a Rn. 10)

▪   Kein Entgelt für besondere Erschwernisse im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit

▪   Daher besteht Insolvenzbeschlag (der Betrag ist bei der Prüfung der korrekten Ermittlung des
    pfändbaren Einkommens voll zu berücksichtigen)

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Kurzarbeitergeld (KUG)
Kurzarbeitergeld (KUG)

Zusammenrechnung, § 850e Nr. 2, 2a ZPO

▪   Notwendigkeit der Beschlussfassung über die Zusammenrechnung von Aufstockungsbeträgen
    bzw. Lohn-/Gehaltszahlungen und Kurzarbeitergeldleistungen § 850e Nr. 2, 2a ZPO ist
    umstritten.

▪   LAG Hamm v. 16.8.2006 - 2 Sa 385/06: eines Zusammenrechnungsbeschlusses bedarf
    jedenfalls dann nicht, wenn der Drittschuldner beider Leistungen – Aufstockungszahlung bzw.
    Lohn-/Gehaltszahlungen und Kurzarbeitergeld – der Arbeitgeber ist.

▪   In der Literatur wird dies mindestens kritisch gewertet, mit dem Argument, dass es sich
    einerseits um Lohn-/Gehaltszahlungen bzw. arbeitsrechtliche Ersatzleistungen und
    andererseits um Sozialleistungen (Kurzarbeitergeld) handelt.
    – Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl. D. 144 ff, allerdings ohne Bezug zur Entscheidung des LAG Hamm
      v. 16.8.2006 – 2 Sa 385/06; Keller, EWiR 2007, 337 f. mit Anm. zu LAG Hamm v. 16.8.2006 – 2 Sa 385/06.

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Kurzarbeitergeld (KUG)
Kurzarbeitergeld (KUG)

Zusammenrechnung, § 850e Nr. 2, 2a ZPO

▪   Der Literaturmeinung ist nach hiesiger Auffassung zuzustimmen.

▪   § 850e Nr. 2, 2a ZPO stellt bereits dem Wortlaut nach auf die Art der Leistung ab, nicht auf die
    Person/Stelle des Drittschuldners.

▪   § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB III stellt lediglich eine Fiktion für den Fall der Zwangsvollstreckung dar
    („Für die Zwangsvollstreckung in den Anspruch auf Kurzarbeitergeld gilt der Arbeitgeber als
    Drittschuldner.“).
▪   Dies dient der Vereinfachung des Vollstreckungsverfahrens, ändert aber nichts am
    Anspruchscharakter der Leistung, auf den § 850e Nr. 2, 2a ZPO referiert.

▪   Nach der hier vertretenen Auffassung bedarf es demnach eines (konstitutiven!)
    Zusammenrechnungsbeschlusses gem. § 850 e Nr. 2, 2a ZPO (Rechtschutzbedürfnis!)

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Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus
(Zusätzliche) Corona Arbeitgeber-Prämien/Pflegebonus

Steuerfreiheit (BMF-Schreiben v. 26.10.2020 – IV C 5 – S 2342/20/10012:003 DOK 2020/1086009;
Neufassung des BMF-Schreibens v. 09.04.2020, BStBl. I, S. 503)

▪   Arbeitgeberseitig geleistete Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld sind nach § 3 Nummer 28a EStG in der
    Fassung des Corona-Steuerhilfegesetzes vom 19. Juni 2020 (BGBl. IS. 1385) unter Berücksichtigung der
    Beitragsbemessungsgrenze (in der Rentenversicherung – West oder Ost) begünstigt und fallen
    grundsätzlich nicht unter die Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 11a EStG. Zuschüsse, die der Arbeitgeber
    als Ausgleich zum Kurzarbeitergeld wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze (in der
    Rentenversicherung - West oder Ost) leistet, fallen weder unter die Steuerbefreiungen des § 3 Nummer 11,
    Nummer 11a noch unter § 3 Nummer 2 Buchstabe a EStG.

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Kinderbonus

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Kinderbonus
Kinderbonus in der Corona-Pandemie

▪   Der Kinderbonus ist ein „Bonus-Kindergeld“

▪   Sonderzahlung, für die dieselben grundsätzlichen Voraussetzungen wie für das Kindergeld
    gelten.

▪   Teil des Corona-Konjunkturpakets der Bundesregierung

▪   Familien erhalten ihn als eine finanzielle Hilfe, da sie durch die Corona-Krise besonderen
    Belastungen ausgesetzt sind (siehe auch BGBl. I S. 1515 f. [Art. 9 und 11]).

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Kinderbonus
Kinderbonus als „Kindergeld-Sonderzahlung“

§ 6 BKGG (BGBl. I S. 1515 f. [Art. 9])

[…]

(3) Darüber hinaus wird für jedes Kind, für das für den Monat September 2020 ein Anspruch auf
Kindergeld besteht, für den Monat September 2020 ein Einmalbetrag von 200 Euro und für den
Monat Oktober 2020 ein Einmalbetrag von 100 Euro gezahlt. Ein Anspruch in Höhe der
Einmalbeträge von insgesamt 300 Euro für das Kalenderjahr 2020 besteht auch für ein Kind, für
das nicht für den Monat September 2020, jedoch für mindestens einen anderen Kalendermonat
im Kalenderjahr 2020 ein Anspruch auf Kindergeld besteht.

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Kinderbonus
Kinderbonus als „Kindergeld-Sonderzahlung“

Gesetz zur Nichtanrechnung des Kinderbonus vom 2.3.2009 (BGBl. I S. 416 f.) (BGBl. I S. 1515 f.
[Art. 9])

Die nach § 66 Abs. 1 Satz 2, 3 EStG und § 6 Abs. 3 BKGG zu zahlenden Einmalbeträge sind bei
Sozialleistungen , deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, nicht als Einkommen zu
berücksichtigen.

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Kinderbonus
(Un)-Pfändbarkeit des Anspruchs auf Kindergeldzahlung in der Einzelzwangsvollstreckung

(§ 54 Abs. 5 SGB I)

▪    Pfändbarkeit nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche des Kindes

▪    i.Ü. Unpfändbarkeit
§ 54 Abs. 5 SGB I

(5) Ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf Geldleistungen für Kinder (§ 48 Abs. 1 Satz 2) kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines
Kindes, das bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden. Für die Höhe des pfändbaren Betrages bei Kindergeld gilt

1.   Gehört das unterhaltsberechtigte Kind zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt wird, so ist eine Pfändung bis zu
     dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfällt. Ist das Kindergeld durch die
     Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht, für das einer dritten Person Kindergeld oder dieser oder dem Leistungsberechtigten eine andere
     Geldleistung für Kinder zusteht, so bleibt der Erhöhungsbetrag bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages des Kindergeldes nach Satz 1 außer
     Betracht.

2.   Der Erhöhungsbetrag (Nummer 1 Satz 2) ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes
     zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des
     Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, ergibt

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Kinderbonus
Insolvenzbeschlag des Kinderbonus als „Kindergeld-Sonderzahlung“

▪   Kein Insolvenzbeschlag, da Anspruch gem. § 54 Abs. 5 SGB I unpfändbar für nicht privilegierte
    Gläubiger

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Kinderbonus
(Un-)Pfändbarkeit/ Insolvenzbeschlag des Kinderbonus als „Kindergeld-Sonderzahlung“ nach
Gutschrift auf dem P-Konto

▪   Unpfändbarkeit und kein Insolvenzbeschlag gem. §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850k
    Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO

▪   P-Kontenbescheinigung insoweit möglich, vgl. § 850k Abs. 5 ZPO

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Notfall-KiZ

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Notfall-Kinderzuschlag (KiZ)
Notfall-Kinderzuschlag in der Corona-Pandemie

▪   Unterstützung für Familien, die wegen der Corona-Krise Einkommenseinbußen erleiden, und
    jetzt (nur noch) ein kleines Einkommen erzielen

▪   Der Kinderzuschlag (kurz: KiZ) steht Familien mit kleinem Einkommen als Unterstützung in Höhe
    von maximal 185 € pro Monat und Kind zu

▪   Zahlung zusätzlich zum Kindergeld, um den Bedarf eines Kindes zu decken.

▪   Bewilligungszeitraum: 6 Monate

▪   Die Prüfung des regulären Anspruchs auf KiZ erfolgt anhand des Einkommens aus den letzten 6
    Monaten vor Antragstellung.

▪   Wenn ALG II bereits bezogen wird, kann zusätzlich kein KiZ bewilligt werden, da der KiZ dazu
    dient, Hilfebedürftigkeit im Sinne des ALG II zu verhindern. Wurde jedoch KiZ bereits bewilligt
    und treten Änderungen ein, so dass der KiZ nicht mehr ausreicht, kann man gegebenenfalls
    auch zusätzlich ALG II erhalten.

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Notfall-Kinderzuschlag (KiZ)
(Un)-Pfändbarkeit des Anspruchs auf Notfall-Kinderzuschlag in der Einzelzwangsvollstreckung

(§ 54 Abs. 5 SGB I)

▪    Pfändbarkeit nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche des Kindes

▪    i.Ü. Unpfändbarkeit
§ 54 Abs. 5 SGB I

(5) Ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf Geldleistungen für Kinder (§ 48 Abs. 1 Satz 2) kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines
Kindes, das bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden. Für die Höhe des pfändbaren Betrages bei Kindergeld gilt

1.   Gehört das unterhaltsberechtigte Kind zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt wird, so ist eine Pfändung bis zu
     dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfällt. Ist das Kindergeld durch die
     Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht, für das einer dritten Person Kindergeld oder dieser oder dem Leistungsberechtigten eine andere
     Geldleistung für Kinder zusteht, so bleibt der Erhöhungsbetrag bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages des Kindergeldes nach Satz 1 außer
     Betracht.

2.   Der Erhöhungsbetrag (Nummer 1 Satz 2) ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes
     zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des
     Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, ergibt

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Notfall-Kinderzuschlag (KiZ)
Insolvenzbeschlag des Notfall-Kinderzuschlags

▪   Kein Insolvenzbeschlag, da Anspruch gem. § 54 Abs. 5 SGB I unpfändbar für nicht privilegierte
    Gläubiger

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Notfall-Kinderzuschlag (KiZ)
(Un-)Pfändbarkeit/ Insolvenzbeschlag des Notfall-Kinderzuschlag nach Gutschrift auf dem P-Konto

▪   Unpfändbarkeit und kein Insolvenzbeschlag gem. §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850k
    Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO

▪   P-Kontenbescheinigung insoweit möglich, vgl. § 850k Abs. 5 ZPO

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Coronazuschuss
(Grundsicherung)

© SYLVIA WIPPERFÜRTH   49
Coronazuschuss für SGB-II-Leistungs-/Sozialgeldberechtigte
(Un-)Pfändbarkeit/ Insolvenzbeschlag des Coronazuschusses für erwachsene
Grundsicherungsempfänger

§ 70 SGB II Einmalzahlung aus Anlass der COVID-19-Pandemie

Leistungsberechtigte, die für den Monat Mai 2021 Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld
haben und deren Bedarf sich nach Regelbedarfsstufe 1 oder 2 richtet, erhalten für den Zeitraum vom
1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2021 zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie in
Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen eine Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro. Satz 1 gilt
auch für Leistungsberechtigte, deren Bedarf sich nach Regelbedarfsstufe 3 richtet, sofern bei ihnen
kein Kindergeld als Einkommen berücksichtigt wird.

▪   Unpfändbarkeit und damit fehlender Insolvenzbeschlag gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 42 Abs. 4
    Satz 1 SGB II (bzw. § 54 Abs. 2 SGB I)

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Literatur/Rechtsprechung (Vertiefungshinweise)
▪   LG Köln v. 23.4.2020 – 39 T 57/20, ZInsO 2020, 1028
▪   AG Hagen v. 07.04.2020 – 109 IN 13/20, n.v.
▪   FG Münster v. 13.5.2020 – 1 V 1286/20 AO, (bislang) n.v.

▪   FG Münster v. 29.5.2020 - 11 V 1496/20 AO , (bislang) n.v.
▪   BFH v. 9.7.2020 - VII S 23/20 (AdV), zuvor FG Münster v. 3.6.2020 - 11 V 1541/20 AO
▪   FG Münster v. 16.6.2020 - 4 V 1584/20 AO

▪   FG Münster v. 29.6.2020 - 8 V 1791/20 AO
▪   AG Passau v. 7.5.2020 – 4 M 1551/20
▪   AG Charlottenburg v. 24.06.2020 – 36d IN 6592/17
▪   Schmittmann, StuB 2020, 640
▪   Grote, InsbürO 2020, 246 (mit z.T. abweichenden Auffassungen)
▪   Wipperfürth, ZInsO 2020, 1224
▪   Ahrens, NJW Spezial 2020, 341
▪   Grote, InsbürO 2020, 2020, 356
▪   Lissner, InsbürO 2020, 432

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Literatur/Rechtsprechung (Vertiefungshinweise)
▪   AG Cottbus v. 23.3.2021 – 63 IN 127/18
▪   BGH v. 10.3.2021 – VII ZB 24/20
▪   Ahrens, ZInsO 2021, 1189
▪   AG Gera v. 27.03.2021 – 8 IK 31/18

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Abführungspflicht § 295a InsO
 Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens …

 Artikel 6 Weitere Änderung der InsO

 Abführungspflicht im eröffneten Verfahren

§ 35 Begriff der Insolvenzmasse i.d.F. v. 31.12.2020
  1
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der
Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob
                                                                                      2                            3
Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des
Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die
Unwirksamkeit der Erklärung an.

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Abführungspflicht § 295a InsO
Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens …

Artikel 6 Weitere Änderung der InsO

Abführungspflicht im eröffneten Verfahren

§ 295 Obliegenheiten des Schuldners i.d.F. bis zum 30.12.2020
(2) Soweit der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt, obliegt es ihm, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder
so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.

§ 295a Obliegenheiten des Schuldners bei selbständiger Tätigkeit i.d.F. v. 31.12.2020
(1) Soweit der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt, obliegt es ihm, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder
so zu stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Die Zahlungen
sind kalenderjährlich bis zum 31. Januar des Folgejahres zu leisten.

(2) Auf Antrag des Schuldners stellt das Gericht den Betrag fest, der den Bezügen aus dem nach Absatz 1 zugrunde zu legenden
Dienstverhältnis entspricht. Der Schuldner hat die Höhe der Bezüge, die er aus einem angemessenen Dienstverhältnis erzielen könnte,
glaubhaft zu machen. Der Treuhänder und die Insolvenzgläubiger sind vor der Entscheidung anzuhören. Gegen die Entscheidung steht
dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.

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Abführungspflicht § 295a InsO
Abführungspflicht (im eröffneten Verfahren entsprechend § 295a InsO)

▪   Obliegenheit zur Abführung des fiktiv pfändbaren Einkommens = Pflicht zur Abführung im
    Hauptverfahren nach Freigabe (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO)

▪   NEU (endlich!): Regelung, bis wann und in welchem Modus die Zahlungen zu leisten sind
    – Kalenderjährlich bis zum 31. Januar des Folgejahres
    – Separation der Gelder, die aus der freigegebenen selbständigen Tätigkeit erwirtschaftet
      wurden, ist unproblematisch, da sich die Freigabewirkung auf Surrogate erstreckt und auch
      das Geschäftskontovertragsverhältnis von der Freigabewirkung erfasst ist

▪   Rechtssicherheit durch Möglichkeit der gerichtliche Festsetzung des Betrags, der den Bezügen
    zugrunde zu legen ist
    – nur auf Antrag des Schuldners
    – VS: Glaubhaftmachung de Höhe der Bezüge aus dem Fiktivanstellungsverhältnis
    – Beschwerderecht: Insolvenzgläubiger, Schuldner

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Abführungspflicht § 295a InsO
Gesetz zur weiteren Verkürzung des
Restschuldbefreiungsverfahrens

Artikel 7 Weitere Änderung des EGInsO

Art. 103l EGInsO Überleitungsvorschrift zu Artikel 6 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Auf Insolvenzverfahren, die bis zum 31. Dezember 2020 beantragt worden sind, sind die bis dahin geltenden Vorschriften weiter
anzuwenden.

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Klassiker und Exoten - Unterhaltsberechtigte Personen
Grundsystematik (vereinfachte Darstellung)

1.      § 850c Abs. 1 ZPO         gesetzliche Unterhaltsverpflichtung

2.      § 850c Abs. 1 ZPO         tatsächliche Leistung

3.      § 850c Abs. 4 ZPO         eigene Einkünfte der unterhaltsberechtigten Person

Beachte Neustrukturierung von § 850c ZPO mit Wirkung zum 8.5.2021 (PKoFoG, GvSchuG)

1.      § 850c Abs. 2 ZPO         gesetzliche Unterhaltsverpflichtung

2.      § 850c Abs. 2 ZPO         tatsächliche Leistung

3.      § 850c Abs. 6 ZPO         eigene Einkünfte der unterhaltsberechtigten Person

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Klassiker und Exoten
Unterhaltsberechtigte Personen i. S. d. § 850c ZPO

▪   Berücksichtigung grds. nur bei gesetzlicher Unterhaltspflicht (§§ 1601 ff. BGB) und bei
    tatsächlicher Leistung von Natural- oder Barunterhalt

▪   Problem Bedarfsgemeinschaft – (BGH v. 19.10.2017 – IX ZB 100/16):

▪   Der Pfändungsfreibetrag ist nicht deshalb zu erhöhen, weil der Schuldner mit einer nicht
    unterhaltsberechtigten Person in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt und
    diese wegen Zurechnung seines Einkommens nicht hilfebedürftig ist.
    – weder Berücksichtigung gemäß § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO noch nach § 850f Abs. 1 a oder c
      ZPO noch nach § 765a ZPO, auch nicht in analoger Anwendung dieser Regelungen
    – Berücksichtigung einer nicht gesetzl. Unterhaltspflicht bei § 850f Abs. 1 a ist nicht geklärt; hier
      hat aber jedenfalls der Schuldner zu beweisen, dass bei Berücksichtigung der
      Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO der notwendige Lebensunterhalt für sich und für die
      betr. Personen nicht gedeckt ist

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Klassiker und Exoten
Unterhaltsberechtigte Personen i. S. d. § 850c ZPO

▪   Beschlussfassung des Insolvenzgerichts gem. § 850c Abs. 6 ZPO, ob eine Person als
    unterhaltsberechtigt zu berücksichtigen ist „nach billigem Ermessen“ zu treffen
    – Antrag des Insolvenzverwalters
    – konstitutive Beschlussfassung

▪   Grundlage ist der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten, wobei sich eine schematische
    Betrachtung verbietet (BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 142/04) .

▪   Orientierungsgröße unter Interessenabwägung zw. Gläubiger und Schuldnerin Anlehnung an
    die sozialrechtlichen Regelungen zur Existenzsicherung (SGB II) + Motivationszuschlag für
    Erwerbstätigkeit (BGH v. 5.4.2005 – VII ZB 28/05)

▪   Möglichkeit der prozentualen Berücksichtigung (AG Münster v. 17.9.2012 – 77 IN 18/09 sowie
    AG Meiningen v. 14.9.2012 – IK 235/11, jeweils in Auszügen in InsbürO 2013, 244)

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Klassiker und Exoten
Zusammenrechnung mehrerer Einkünfte gem. § 850e Nr. 2, Nr. 2a und Nr. 3 ZPO

▪   § 850e Nr. 2 ZPO: Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen nur auf Antrag
    und nach entsprechender Beschlussfassung durch das Insolvenzgericht
    – Konstitutive Beschlussfassung

▪   § 850e Nr. 2a ZPO: Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen und
    Sozialleistungen nur auf Antrag und nach entsprechender Beschlussfassung durch
    das Insolvenzgericht
    – Konstitutive Beschlussfassung

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Klassiker und Exoten
Zusammenrechnung mehrerer Einkünfte gem. § 850e Nr. 2, 2a ZPO

▪   Der unpfändbare Grundbetrag ist in erster Linie dem Arbeitseinkommen zu entnehmen
    ist, das die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Schuldners bildet

▪   Umsetzung des Beschlusses durch Zusammenrechnung ist Sache der Drittschuldner, die
    sich untereinander verständigen müssen

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Klassiker und Exoten
Zusammenrechnung mehrerer Einkünfte gem. § 850e Nr. 2, 2a ZPO

AUSNAHME: Keine Zusammenrechnung (BGH v. 25.10.2012 - IX ZB 263/11)

▪   Besteht ein Anspruch des Schuldners auf Sozialleistungen infolge einer rechnerischen
    Aufteilung des Arbeitseinkommens des Schuldners auf die (nicht gesetzlich
    unterhaltsberechtigten) Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft,
    – gilt auch der Schuldner als hilfebedürftig, da sein Einkommen sozialrechtlich anderen
      zugeordnet wird
    – ist die Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen und Sozialleistungen
      ausgeschlossen

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Klassiker und Exoten
Zusammenrechnung mehrerer Einkünfte gem. § 850e Nr. 3 ZPO

▪   § 850e Nr. 3 ZPO: Zusammenrechnung von Geld- und Naturalleistungen ist Pflicht des
    Arbeitgebers (Drittschuldners)

▪   Hierzu BGH v. 19.4.2018 – IX ZB 27/17:

▪   Einer gerichtlichen Anordnung bedarf es nicht (BGH v. 13.12.2012 – IX ZB 7/12). Schuldner kann
    eine niedrigere Bewertung der Naturalleistungen nur im Wege der Klage vor dem Prozessgericht
    erreichen, wenn der Drittschuldner bei der Berechnung des pfändbaren Teils des
    Arbeitseinkommens Geld- und Naturalleistungen zusammengerechnet hat.

▪   Entgegen einer in der Literatur weiterhin vertretenen Ansicht (…; Zöller/Herget , ZPO, 33. Aufl.,
    § 850e Rn. 26; MünchKomm-ZPO/Smid , 5. Aufl., § 850e Rn. 37; …; Hintzen Rpfleger 2014, 117,
    119) besteht für einen klarstellenden Beschluss des Insolvenzgerichts mangels gesetzlicher
    Grundlage kein Raum (Musielak/Voit/Becker , ZPO, 14. Aufl., § 850e Rn. 14;
    Prütting/Gehrlein/Ahrens , ZPO, 9. Aufl., § 850e Rn. 55; Thomas/Putzo/Seiler , ZPO, 38. Aufl.,
    § 850e Rn. 7).

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Klassiker und Exoten
Klarstellender Beschluss

BGH v. 28.9.2017 – VII ZB 14/16

▪   Liegt eine Sonderzuständigkeit des Insolvenzgerichtes gem. § 36 Abs. 4 InsO vor kann auch der
    Erlass eines klarstellenden Beschlusses vom Insolvenzverwalter oder vom Schuldner beantragt
    werden, um eine für die Beteiligten bestehende Unsicherheit zu beseitigen

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Klassiker und Exoten
Der Schuldner im Homeoffice

Ein kleiner Exkurs…..
▪   Gesetz über die Heimarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.10.1939
    (Reichsgesetzbl. I S. 2145)
▪   Heimarbeitsgesetz (HAG) vom 14.03.1951, BGBl. I S. 191

§ 27 HAG - Pfändungsschutz

Für das Entgelt, das den in Heimarbeit Beschäftigten oder den Gleichgestellten gewährt wird, gelten
die Vorschriften über den Pfändungsschutz für Vergütungen, die auf Grund eines Arbeits- oder
Dienstverhältnisses geschuldet werden, entsprechend.
▪   Entgelt für die Heimarbeit: § 27 HAG pfändbar wie Arbeitseinkommen

▪   Aufwandsentschädigung für Heimarbeit: § 27 HAG i.V.m. § 850a Nr. 3 ZPO im Rahmen des
    Üblichen unpfändbar

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Klassiker und Exoten
Der inhaftierte Schuldner

▪   Anspruch auf Arbeitsentgelt eines Strafgefangenen ist insgesamt unpfändbar und unterfällt
    daher nicht dem Insolvenzbeschlag (§ 36 Abs. 1 InsO, § 851 ZPO, § 399 BGB), da der
    Anspruch auf Gutschrift und nicht auf Barauszahlung gerichtet ist (vgl. BGH v. 16.7.2004 – IXa
    ZB 287/03)
    – Durch die Gutschrift des Arbeitsentgelts auf dem Hausgeldkonto (3/7) und dem Eigengeldkonto (4/7) ist der Anspruch
      des Strafgefangenen gegen den Träger der Haftanstalt erloschen, § 362 Abs. 1 BGB analog (BGH v. 20.6.2013 – IX ZB
      50/12)

▪   Aus diesem Arbeitsentgelt werden Hausgeld, Überbrückungsgeld und Eigengeld gebildet

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Klassiker und Exoten
Der inhaftierte Schuldner

▪   Hausgeld (§ 47 StVollzG)
    – Gebildet aus dem Arbeitsentgelte für Arbeitsleistungen in der Justizvollzugsanstalt (§ 43
      StVollzG) oder außerhalb der Anstalt bzw. der Ausbildungsbeihilfe für die Teilnahme an
      Schulungsmaßnahmen in der Anstalt (§ 44 StVollzG)
    – Taschengeld (§ 46 StVollzG)
    – dient zur Befriedigung des persönlichen Bedarfs (BT-Drucks. 7/918, S. 69) und entspricht
      damit dem notwendigen Lebensunterhalt gem. §§ 850d Abs. 1, 850 Abs. 2 ZPO
    – Inanspruchnahme für Aufwendungsersatz (§ 93 StVollzG) oder Verfahrenskosten zulässig

➢   Unpfändbarkeit

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Klassiker und Exoten
Der inhaftierte Schuldner

▪   Überbrückungsgeld (§ 51 StVollzG)
    – Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts des Gefangenen und seiner
      Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung
    – Unpfändbarkeit (§ 51 Abs. 4 Satz 1 StVollzG)

▪   Pfändbarkeit gem. § 51 Abs. 5 StVollzG bei einer Pfändung wegen der gem. § 850d Abs. 1
    Satz 1 ZPO privilegierten Unterhaltsansprüche (Einzelzwangsvollstreckung)
    – Dem entlassenen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen
      Unterhalt und zur Erfüllung seiner sonstigen gesetzlichen Unterhaltspflichten für die Zeit von
      der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedarf.

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Klassiker und Exoten
Der inhaftierte Schuldner

▪   Eigengeld (§ 51 StVollzG)
    – Pfändbarkeit des Anspruches auf Auszahlung des gutgeschriebenen Eigengeldes folgt grds.
      aus § 829 ZPO (BGH v. 20.6.2013 – IX ZB 50/12)
    – daher grds. auch Insolvenzbeschlag (§§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 InsO)
    – Pfändbarkeit nach Maßgabe des § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG:
       ▪   Pfändbarkeit mit Ausnahme des gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG unpfändbaren Teils
           des Eigengeldes in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem gemäß § 51 Abs. 1
           StVollzG zu bildenden und dem tatsächlich vorhandenen Überbrückungsgeld

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Klassiker und Exoten
Der inhaftierte Schuldner

▪   Anspruch auf Auszahlung des (gutgeschriebenen) Eigengeldes und Anwendbarkeit von § 765a
    ZPO (BGH v. 20.6.2013 – IX ZB 50/12)
    – eng auszulegen
    – Anwendung nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der
      beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde
    – Anwendung nur, sofern zusätzlich Rechte des Schuldners in insolvenzuntypischer Weise
      schwerwiegend beeinträchtigt werden
    – Bedürfnisse nach Kleidung, Gruppenaktivitäten und Nahrungsmitteln begründen gerade im
      Zusammenhang mit dem Ausgang des Schuldners keine wegen ganz besonderer Umstände
      sittenwidrige Härte des Insolvenzbeschlags in diesem Sinne

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Klassiker und Exoten – Leistungen i.S.v. § 850a ZPO?
 Grundsystematik (vereinfachte Darstellung)

                                          Bruttoeinkommen

                                  ./.     Sozialabgaben

                                  ./.     Steuern

                          ggf.    ./.     VL

                          ______________________________________________

                                          (Auszahlungs-)Nettoeinkommen

                                  ./.     § 850a ZPO (netto)

                          ______________________________________________

                                          (Pfändungs-)Nettoeinkommen

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Klassiker und Exoten – Leistungen i.S.v. § 850a ZPO?
 Unpfändbarkeit i.S.v. § 850a ZPO
 ▪   zur Hälfte die für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile des Arbeitseinkommens

 ▪   die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge, Zuwendungen aus Anlass eines
     besonderen Betriebsereignisses und Treugelder, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen

 ▪   Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für
     selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen
     des Üblichen nicht übersteigen

 ▪   Weihnachtsvergütungen bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von
     500 Euro

 ▪   Geburtsbeihilfen sowie Beihilfen aus Anlass der Eingehung einer Ehe oder Begründung einer Lebenspartnerschaft, sofern die
     Vollstreckung wegen anderer als der aus Anlass der Geburt, der Eingehung einer Ehe oder der Begründung einer
     Lebenspartnerschaft entstandenen Ansprüche betrieben wird

 ▪   Erziehungsgelder, Studienbeihilfen und ähnliche Bezüge

 ▪   Sterbe- und Gnadenbezüge aus Arbeits- oder Dienstverhältnissen

 ▪   Blindenzulagen

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Klassiker und Exoten – Leistungen i.S.v. § 850a ZPO?
AZK - Arbeitszeitkonto

▪   Bei Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto (ohne Auszahlung): Abrechnungsneutralität
    – Wert der Stunden soll vielmehr später wieder abgebummelt werden

▪   Bei Auszahlung der Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto (z.B. bei Ausscheiden aus dem
    Betrieb): Leistungen für Mehrarbeitsstunden mit Unpfändbarkeit gem. § 850a Nr. 1 ZPO

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Klassiker und Exoten – Leistungen i.S.v. § 850a ZPO?
Entgeltfortzahlung - variabler Anteil

▪   Weiterzahlung von leistungsabhängigen Arbeitsentgelten im Fall der Arbeitsunfähigkeit eines
    Arbeitnehmers

▪   = pfändbares Einkommen, da auch leistungsbezogene Anteile des Entgelts grds. pfändbar sind

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Klassiker und Exoten – Leistungen i.S.v. § 850a ZPO?
Gruppenlohn

▪   Gruppenlohn = Vergütung, die ein Arbeitnehmer nicht individuell, sondern aufgrund des
    Arbeitsergebnisses „seiner Gruppe“ erzielt

▪   = reguläres Einkommen, pfändbarer Lohnbestandteil (ähnlich wie bei anderen Leistungsprämien
    oder einem Akkordlohn)

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Klassiker und Exoten – Rentenleistungen und Vorpfändung
Pfändung von Rentenleistungen

LG Hannover v. 19.03.2019 – 20 O 277/16 (rk.)

▪   Rentenansprüche sind bereits entstanden, wenn der Rentenberechtigte das Rentenalter erreicht hat.
    Sie können weder gekündigt werden noch sind sie von einer Gegenleistung abhängig.

▪   Eine analoge Anwendung des § 91 InsO auf derartige Ansprüche kommt nicht in Betracht.

▪   Mit der Abschaffung der Vorschrift des § 114 Abs. 3 InsO wurde der angenommene Gleichlauf von
    Renten- und Arbeitseinkommen abgeschafft.

▪   Alle außerhalb des Dreimonatszeitraums der §§ 88, 131 InsO gepfändeten Renten sind
    anfechtungsfest und stehen daher bis zur Befriedigung der Forderung, auch während des
    Insolvenzverfahrens, dem Pfändungsgläubiger zu

▪   Anm: keine höchstrichterliche Klärung; Berufung wurde nach Hinweisbeschluss zurückgenommen

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SACHVERSTÄNDIGENINSTITUT

Ihre Referentin                        FÜR INSOLVENZ- UND
                                       WIRTSCHAFTSRECHT

                        Dipl.-Rpfl.
                        SYLVIA WIPPERFÜRTH
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