Nachrichten - 07-08|21 - PKF Fasselt
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PKF NACHRICHTEN 07-08 | 21 Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Das Top-Thema dieser Doppel-Ausgabe vor der Som- grenzte Fälle beschrieben, in denen ein Vorsteuerabzug merpause kommt aus der Rubrik Recht und beschäftigt auf Eingangsleistungen möglich ist, obwohl eine Liefe- sich mit dem Umgang des Arbeitgebers mit nicht ge- rung unentgeltlich erfolgt. Steuerlich abschließend ge- impften Arbeitnehmern. Zunächst wird erörtert, in wel- hen wir noch auf die drohende doppelte Besteuerung chen Fällen eine Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 be- von Renten ein. steht und welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn eine Weisung zur Impfung nicht befolgt wird und das Beschäf- In der Rubrik Rechnungslegung & Finanzen geht es um tigungsverhältnis beendet wird. Anschließend wird ein die Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröff- Ausblick gegeben, ob mit einer gesetzlichen Impfpflicht nungsgründen. Dazu hat das IDW den Entwurf einer zu rechnen ist und ob der Arbeitgeber das Recht hat, Neufassung eines Standards (IDW ES 11 n.F.) vorgelegt nachzufragen, ob eine Impfung stattgefunden hat. und empfiehlt aufgrund der Änderungen der Insolvenzord- nung eine vorzeitige Anwendung. Inhaltlich geht es dem Die Rubrik Steuern eröffnen wir mit der Zusammenfas- IDW insbesondere um Konkretisierung des Prognosezeit- sung eines wichtigen BMF-Schreibens zur unentgeltli- raums bei drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschul- chen Übertragung von Anteilen an gewerblichen Per- dung sowie um die Einhaltung der Insolvenzantragsfrist. sonengesellschaften; hier kommt es auf den richtigen Umgang mit Sonderbetriebsvermögen zur Vermei- In der Illustration setzen wir nach Berlin in der letzten Aus- dung der Aufdeckung von stillen Reserven an – ein gabe mit Würzburg und Tauberbischofsheim unsere Rei- Thema, das auch bei der Option einer Personengesell- se durch PKF Standorte in Deutschland fort. schaft zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft relevant ist. In den folgenden beiden Beiträgen geht es um geänderte Wir wünschen Ihnen einen sonnigen Sommer und erhol- BFH-Rechtsprechung: Zunächst betrifft das die Vermie- samen Urlaub mit dieser Lektüre tung an nahe Angehörige hinsichtlich der Möglichkei- ten, den ortsüblichen Mietpreis zu ermitteln, wenn kein Mietspiegel vorhanden ist. Anschließend werden eng be- Ihr Team von PKF 2
Tauberbischofsheim, Schloss TOP-Thema Titelfoto: Alte Mainbrücke Würzburg Umgang des Arbeitgebers mit nicht geimpften Arbeit- Inhalt nehmern Steuern Buchwertfortführung bei Schenkung von Anteilen Kurz Notiert an Personengesellschaften ......................................... 4 Personengesellschaften als umsatzsteuerliche Vermietung an nahe Angehörige: Ortsübliche Organgesellschaft? ................................................... 13 Miete als objektiver Maßstab ....................................... 5 Abgabefrist für Steuererklärung 2020 verlängert ........ 13 Vorsteuerabzug trotz unentgeltlicher Zuwendung ........ 6 Einspruchsstatistik: Zwei Drittel der Drohende doppelte Besteuerung von Renten .............. 7 Einsprüche hatten Erfolg ............................................ 14 Rechnungslegung und Finanzen Mitarbeiterbeteiligung: Zufluss von Aktien Insolvenzeröffnungsgründe – Neuerungen bei der unabhängig vom wirtschaftlichen Eigentum .............. 15 Beurteilung gem. IDW ES 11 ........................................ 9 Gewinnabführungsverträge prüfen: Jetzt Recht dynamischer Verweis erforderlich .............................. 15 Umgang des Arbeitgebers mit nicht geimpften Arbeitnehmerentsendung nach UK: Gesetzgeber Arbeitnehmern .............................................................11 schafft Rechtsklarheit nach Brexit ............................. 15 3
PKF NACHRICHTEN 07-08 | 21 STEUERN RA/StB Frank Moormann Buchwertfortführung bei Schenkung von Anteilen an Personengesellschaften Die unentgeltliche Übertragung von Anteilen an bzw. die Veräußerung „eine juristische Sekunde“ vor der gewerblichen Personengesellschaften (Mitunter- Übertragung der Gesellschaftsbeteiligung wirksam wer- nehmerschaften) ist ein Vorgang, der prinzipiell nicht den. Dies hat die Finanzverwaltung nunmehr zugestanden zur ertragsteuerpflichtigen Aufdeckung von stillen und für allgemein anwendbar erklärt. Reserven führt. Schwierigkeiten für die Fortführung der Buchwerte können sich aber dann ergeben, Empfehlung: In entsprechenden Fällen ist somit ein wenn steuerliches Sonderbetriebsvermögen vorhan- besonderes Augenmerk auf die genaue Vertragsgestal- den ist, das nicht mit übergehen soll. Als Sonderbe- tung zu legen. triebsvermögen gelten Vermögensgegenstände im Eigentum des Gesellschafters (häufig: Immobilien), 3. Alternativlösung: Transfer in Betriebsvermögen die der Personengesellschaft zur Nutzung überlas- sen werden. Mit BMF-Schreiben vom 5.5.2021 hat Sollen auch die stillen Reserven im Sonderbetriebsvermö- die Finanzverwaltung nun ihre diesbezügliche Sicht- gen fortgeführt werden, kann dieses parallel in ein ande- weise korrigiert und an die aktuelle BFH-Rechtspre- res Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt chung angepasst. werden, z.B. in eine neu gründete Ein-Mann-GmbH & Co. KG. Anders als bei der Entnahme/Veräußerung muss 1. Problemlage: Sonderbetriebsvermögen dies aber nicht zwingend vor der Beteiligungsübertragung erfolgen, sondern kann auch gleichzeitig geschehen. Zum steuerlichen Mitunternehmeranteil gehört nicht nur die Beteiligung an der Personengesellschaft selbst, son- Hinweis: Ein steuerschädlicher Gesamtplan wird hierin dern auch das Sonderbetriebsvermögen. Handelt es ebenfalls nicht mehr gesehen. sich um funktional wesentliches Sonderbetriebsvermö- gen – dies ist bei Immobilien regelmäßig der Fall –, muss 4. Exkurs: Option zur Körperschaftsteuer es grundsätzlich mit auf den Beschenkten übergehen, um die Steuerneutralität der Übertragung insgesamt zu Die vorstehenden Überlegungen zur Separierung des gewährleisten. Das ist jedoch häufig nicht gewollt. Wird Sonderbetriebsvermögens können auch relevant werden das Sonderbetriebsvermögen nun einfach zurückbehal- für Personengesellschaften, die überlegen, das für 2022 ten, gehen nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen geplante Optionsmodell in Anspruch zu nehmen (Besteu- über und es kommt zur steuerpflichtigen Aufdeckung erung wie Kapitalgesellschaft). Die Option soll wie ein aller stillen Reserven, und zwar sowohl in der Beteiligung fiktiver Formwechsel behandelt werden und setzt damit als auch im Sonderbetriebsvermögen. voraus, dass für vorhandenes funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen – wie bei der Schenkung – im 2. Timing ist entscheidend Vorfeld eine Lösung gefunden wird, um nicht die Steuer- neutralität des Optionsvorgangs insgesamt zu gefährden. Wenn also hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens eine Entnahme in das Privatvermögen oder eine Veräußerung Empfehlung an Dritte erfolgen soll, muss diese Maßnahme zeitlich vor der Übertragung der Beteiligung erfolgen. Dann kann die Gesellschaftsbeteiligung unter Fortführung der Buchwerte übergehen, jedenfalls wenn es sich bei der Gesellschaft Auch hier kann die Überführung in eine neue dann noch um eine funktionsfähige betriebliche Einheit GmbH & Co. KG eine geeignete Gestaltung dar- handelt. Abzustellen ist auf den genauen Zeitpunkt der stellen. Übertragung und es reicht auch aus, wenn die Entnahme 4
Die Festung Marienberg wacht über Würzburg und den Main StBin Elena Müller Vermietung an nahe Angehörige: Ortsübliche Miete als objektiver Maßstab Die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung von unbeweglichem Vermögen und Rechten umfas- zu Wohnzwecken weniger als 66% der ortsüblichen sen u.a. auch die – häufig verbilligte – Vermietung des Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen ent- Wohnraums an nahe Angehörige. Mietnachlässe kön- geltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Dies nen steuerschädlich sein, wenn sie dem Vergleichs- hat wiederum zur Folge, dass die Werbungskosten nicht maßstab der ortsüblichen Miete nicht gerecht werden. im vollen Umfang, sondern nur anteilig anerkannt werden. 1. Allgemeines zur Vermietung unter Angehörigen 2. Ermittlung der ortsüblichen Miete Grundsätzliche Voraussetzung für die Anerkennung von Entscheidend für die steuerliche Anerkennung ist folg- Mietverhältnissen unter nahen Angehörigen ist, dass der lich, dass die sog. ortsübliche Miete nicht übermäßig Mietvertrag zivilrechtlich wirksam geschlossen worden ist. unterschritten wird. Sie ist als die ortsübliche Kaltmiete Dabei müssen Vertragsinhalt und Durchführung dem zwi- für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung schen Fremden Üblichen entsprechen. Für die Ermittlung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspie- der maßgeblichen Miete ist von ortsüblichen Marktmieten gels zuzüglich der umlagefähigen Kosten zu verstehen. für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung Die ortsübliche Marktmiete ist grundsätzlich auf der Basis auszugehen. des örtlichen Mietspiegels zu bestimmen. Das hat der 5
PKF NACHRICHTEN 07-08 | 21 BFH ausdrücklich in seinem neuen Urteil vom 22.2.2021 Miete für eine an einen Fremdmieter im selben Haus ver- (Az.: IX R 7/20) klargestellt. mietete Wohnung vorzunehmen. Denn die ortsübliche Miete soll ein objektiver Maßstab für die Wohnungen einer Sollte kein Mietspiegel vorhanden sein, gibt es weitere, lt. Stadt oder Gemeinde darstellen und unter Berücksichti- BFH gleichrangige Möglichkeiten, den ortsüblichen Miet- gung eines breiten Spektrums von Vergleichswohnungen preis zu ermitteln: im jeweiligen Ort bestimmt werden. » Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, » Auskunft aus einer Mietdatenbank, » Miete von zumindest drei vergleichbaren Wohnungen. Fazit Diese drei Möglichkeiten kommen auch zur Anwendung, Mit seiner o.g. Entscheidung grenzt sich der BFH wenn der Mietspiegel zwar vorhanden, aber nicht an die von seiner bisherigen Auffassung bzgl. der Ermitt- Marktentwicklung angepasst wurde oder wenn es sich lung der ortsüblichen Marktmiete ab. Sie ist ins- bei dem vermieteten Objekt um ein Sonderobjekt handelt. besondere für die Fälle bedeutsam, in denen die Bestimmung der ortsüblichen Miete lediglich auf 3. Einzelfall kein zulässiger Maßstab ein einziges fremdvermietetes Objekt gestützt war und dadurch ein ungekürzter Werbungskostenab- Nicht zulässig ist es dem BFH zufolge, die Festlegung zug mangels Vollentgeltlichkeit verweigert wurde. der ortsüblichen Marktmiete nur unter Heranziehung der StBin Elena Müller Vorsteuerabzug trotz unentgeltlicher Zuwendung Grundsätzlich können Unternehmer die in Rechnun- » die bezogene Eingangsleistung nicht über das hin- gen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene, ausgeht, was erforderlich/unerlässlich ist, um diesen gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen oder Zweck zu erfüllen, sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern » die Kosten der Eingangsleistung (kalkulatorisch) im für ihr Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vor- Preis der getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind steuer abziehen. Kein Anspruch auf den Vorsteuer- und abzug besteht, wenn die Eingangsleistungen in der » der Vorteil des Dritten (z.B. der Allgemeinheit) allen- Absicht bezogen wurden, sie für eine nichtwirtschaft- falls nebensächlich ist. liche Tätigkeit (z.B. unentgeltliche Lieferung) zu ver- wenden (notwendiger Zusammenhang zwischen Weiterhin hat der EuGH in seinem o.g. Urteil vom Eingangs- und Ausgangsleistung). Andererseits sind 16.9.2020 vorgegeben, dass die nationale Regelung bisher unentgeltliche Zuwendungen mittels Annahme bzgl. der Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe einer unentgeltlichen Wertabgabe zu versteuern. Auf unionsrechtskonform einschränkend auszulegen und der Basis neuer EuGH- und BFH-Rechtsprechung ist diese Besteuerung folglich zu unterlassen ist. diese Sichtweise nun überholt. 2. Geänderte Rechtsprechung des BFH 1. EuGH-Stellungnahme zum Vorsteuerabzug Der BFH hatte nachfolgend zu entscheiden, ob ein Unter- Wenn ein Unternehmen im Rahmen seiner unternehme- nehmer vorsteuerabzugsberechtigt ist, wenn er zuerst rischen Tätigkeit eine unentgeltliche Lieferung oder sons- eine öffentliche Straße als Zugang zur Abbruchstelle tige Leistung erbringt, kann u.U. der Vorsteuerabzug für errichten muss, um seiner unternehmerischen Tätigkeit die damit verbundene Eingangsleistung gewährt werden. (Kalksteinbruch) nachgehen zu können. Da die Errichtung Dies hat der EuGH mit Urteil vom 16.9.2020 (C-528/19) der Straße im ganz überwiegenden unternehmerischen entschieden, wobei es darauf ankommt, die konkreten Interesse des Unternehmers erfolgte und letztendlich Umstände im jeweiligen Fall genau zu untersuchen: Für zu umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätzen führte, den Vorsteuerabzug ist insbesondere entscheidend, dass folgte der BFH mit seinem Urteil vom 16.12.2020 (Az.: 6
Die Türme des Doms, Neumünsters und des Rathauses prägen die Stadtsilhouette von Würzburg XI R 26/20 (XI R 28/17)) der Vorlageentscheidung des EuGH; entsprechend reicht ein mittelbarer Zusammen- hang der Eingangsumsätze für die Vorsteuerabzugsbe- Hinweis rechtigung aus. Die dem EuGH folgende, geänderte BFH-Recht- sprechung ist insbesondere für solche Unter- Des Weiteren entfällt dem BFH zufolge in Abkehr von nehmen praxisrelevant, die Eingangsleistungen seiner bisherigen Rechtsprechung die Besteuerung der erbringen, die unmittelbar zu unentgeltlichen unentgeltlichen Wertabgabe, da die Aufwendungen für Zuwendungen an Dritte führen. So kann z.B. vor den Straßenbau Kostenelemente der Ausgangsumsätze allem die Übernahme von Erschließungsmaß- sind. Darüber hinaus überlagern die eigenen wirtschaft- nahmen einerseits zum vollen Vorsteuerabzug lichen Interessen die Interessen des Dritten (hier der All- berechtigen und andererseits auf der Ausgangs- gemeinheit), der u.U. ebenfalls einen Vorteil daraus zieht, seite keine Steuerpflicht hervorrufen. weitgehend. WP/StB Daniel Scheffbuch / Luca Gallus Drohende doppelte Besteuerung von Renten In einem aktuellen Urteil vom 19.5.2021 (Az.: X 1. BFH verneint Doppelbesteuerung R 33/19) hat der Bundesfinanzhof die derzeitige Ausgestaltung der Rentenbesteuerung als verfas- Beweggrund des Urteils ist, dass seit 2005 das System sungskonform bestätigt. Eine doppelte Besteue- der Besteuerung der gesetzlichen Rente umgestellt wird. rung von Renten muss aber im konkreten Einzelfall Denn während Beamte ihre Pensionen voll versteuern vermieden werden. Bisher liegt zwar keine gene- müssen, war bei der gesetzlichen Rente nur der sog. relle „doppelte Besteuerung“ von Renten vor, künf- Ertragsanteil zu versteuern. Dieser bemaß sich nach dem tige Rentenjahrgänge ab 2025 könnten aber davon Alter der Rentner und bezog sich auf etwa 27 bis 35% der betroffen sein. Rentenzahlung, die der Einkommensteuer unterlagen. 7
PKF NACHRICHTEN 07-08 | 21 Geklagt hatte ein Steuerberater, der seit 2007 eine Alters- Rentenfreibeträge sowohl für die Rente des Steuerpflich- rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. tigen als auch für eine etwaige Hinterbliebenenrente des Der BFH stellte klar, dass eine doppelte Besteuerung statistisch voraussichtlich länger lebenden Ehegatten dann nicht gegeben ist, wenn die Summe der voraus- anzusetzen. Weitere Steuerentlastungen, wie z.B. der sichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindes- Grundfreibetrag oder der Sonderausgabenabzug für tens so hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, seien hin- Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendun- gegen nicht zu berücksichtigen. gen. … zwecks Beurteilung des Vorliegens einer doppel- Zwischenergebnis: Im Falle des Steuerberaters lag laut ten Besteuerung BFH keine Doppelbesteuerung vor, die Rechtsprechung kann sich aber für kommende Rentenjahrgänge auswir- Um eine „Doppelbesteuerung“ zu vermeiden, werden die ken. Einzahlungen in die Rentenkasse, die aus dem bereits versteuerten Einkommen erfolgt sind, mit dem Teil der 2. Vergleichs- und Prognoserechnung … Rente, der steuerfrei ausgezahlt wird, verglichen. Dabei wird die jährliche Rentenzahlung mit der statistischen Für die Vergleichs- und Prognoserechnung zur Beurtei- Lebenserwartung multipliziert, um die beiden Summen lung einer möglichen doppelten Besteuerung sind laut vergleichen zu können. Dies ist der sog. Rentenfreibetrag, BFH die infolge der Übergangsregelung vorgesehenen ein fester Euro-Betrag, der einmal festgesetzt wird. Wenn Tauberbischofsheim, Marktplatz am Abend 8
dieser Rentenfreibetrag höher ist als die Summe aller Bei- nungen einfließen darf. Dadurch sinkt der steuerfreie träge, die aus dem versteuerten Einkommen während Rentenbetrag ab, wodurch die doppelte Besteuerung in des Erwerbslebens in die Rentenkasse eingezahlt wur- Zukunft wahrscheinlicher wird. Nach aktueller Prognose den, liegt keine „Doppelbesteuerung“ vor. und bei gleichbleibender Ausgestaltung der Rente wird eine Doppelbesteuerung bei Rentenjahrgängen ab 2025 Hinweis: Nur wenn die steuerfrei ausgezahlte Rente in zum Thema werden. Summe niedriger ist als die eingezahlten Beiträge aus dem versteuerten Einkommen, ist eine „doppelte Besteu- Hinweis erung“ gegeben. 3. Ergebnis In einem weiteren Urteil des BFH vom 19.5.2021 Ob eine Doppelbesteuerung vorliegt, hängt insbeson- (Az.: X R 20/19) wurde u.a. noch klargestellt, dere davon ab, wie hoch der steuerfreie Rententeil (der dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlage- Rentenfreibetrag) ist. Bisher hat die Finanzverwaltung bei produkten außerhalb der Basisversorgung (kurz: der Ermittlung der steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse privaten Renten), die lediglich mit dem jeweiligen zusätzlich den allgemeinen steuerlichen Grundfreibetrag Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt (aktuell 9.744 €) berücksichtigt. Der BFH hat nun ent- keine Doppelbesteuerung geben kann. schieden, dass der Grundfreibetrag nicht in die Berech- RECHNUNGSLEGUNG & FINANZEN WPin Julia Hörl Insolvenzeröffnungsgründe – Neuerungen bei der Beurteilung gem. IDW ES 11 Mit dem am 8.1.2021 veröffentlichten Entwurf einer 2. Drohende Zahlungsunfähigkeit Neufassung des IDW S 11 wurden Änderungen der Insolvenzordnung (InsO) in der Stellungnahme ver- Im Unterschied zu den anderen beiden Insolvenzeröff- arbeitet. Die Neuerungen im ES 11 beziehen sich nungsgründen stellt die drohende Zahlungsunfähigkeit insbesondere auf Konkretisierungen des Prognose- lediglich ein Recht und keine Pflicht auf Stellung eines zeitraums sowie die striktere Abgrenzung der drei Insolvenzantrags dar. Durch dieses Recht wird Unterneh- Insolvenzeröffnungsgründe. men in der Krise, die noch nicht überschuldet sind, der Zugang zu Restrukturierungsmaßnahmen (wie z.B. den 1. Insolvenzeröffnungsgründe mit Wirkung ab 2021 neu geschaffenen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen, mehr dazu in den nächs- Aufgrund der durch die Covid-19-Pandemie ausgelös- ten PKF Nachrichten) erleichtert. ten besonderen wirtschaftlichen Lage sah der Gesetz- geber sich veranlasst, die Insolvenzantragspflicht in den 3. Zahlungsunfähigkeit vergangenen Monaten mehrmals auszusetzen und neu einzuordnen. Hierbei sollte Unternehmen der Zugang zu Sobald ein Unternehmen in einer stichtagsbezogenen Restrukturierungshilfen erleichtert werden. Grundsätzlich Vermögensübersicht feststellt, dass sämtliche fälligen unterscheidet die InsO in drei Gründe, eine Insolvenz zu Zahlungsverpflichtungen nicht durch die vorhandene beantragen: Liquidität erfüllt werden können, ist ein Finanzplan auf- zustellen. Wenn sich aus diesem Finanzplan ergibt, dass » drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO), mindestens 90% der fälligen Verbindlichkeiten innerhalb » Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und von drei Wochen beglichen werden können, spricht man » Überschuldung (§ 19 InsO). lediglich von einer Zahlungsstockung und nicht von einer 9
PKF NACHRICHTEN 07-08 | 21 Marienkapelle und Falkenhaus am Markt in Würzburg Zahlungsunfähigkeit. Wird eine Zahlungsstockung iden- Sofern die Fortbestehensprognose für den 12-Monats- tifiziert, ist weiter eine Liquiditätsplanung zu erstellen. zeitraum negativ ist, besteht die Pflicht zur Aufstellung Sofern hierbei nicht dargelegt werden kann, wie die Liqui- eines Überschuldungsstatus. Hierbei wird geprüft, ob das ditätslücke binnen spätestens drei Monaten geschlossen zu Liquidationswerten bewertete Reinvermögen negativ wird, ist wiederum eine Zahlungsunfähigkeit zu unter- ist, was wiederum eine Überschuldung begründet und zu stellen. Dies führt zu einer zwingenden Insolvenzantrags- einer Insolvenzantragspflicht führt. Der Insolvenzantrag ist pflicht. binnen sechs Wochen einzureichen. Hinweis: Zur Vermeidung einer Insolvenzverschleppung Ist das zu Liquidationswerten bewertete Reinvermögen ist der Insolvenzantrag bei dem Insolvenzeröffnungsgrund positiv oder liegt eine negative Fortbestehensprognose für Zahlungsunfähigkeit nach der zum 31.5.2021 erfolgten den Zeitraum vom 13. bis 24. Monat vor, besteht aufgrund Beendigung der Aussetzungsbestimmungen weiterhin der drohenden Zahlungsunfähigkeit ein Recht auf Insol- innerhalb von drei Wochen zu stellen. venzantrag. Somit gilt für die drohende Zahlungsunfähig- keit ein verlängerter Prognosezeitraum von 24 Monaten. 4. Überschuldung Sofern das Vermögen des Unternehmens die bestehen- den Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, spricht § 19 Abs. 2 InsO von Überschuldung. Die Grundlage für die Fazit Feststellung einer Überschuldung ist die zweistufige Mit dem Entwurf der Stellungnahme des IDW Überschuldungsprüfung. wird konkretisiert, dass bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Prognosezeitraum i.d.R. Im ersten Schritt wird eine Fortbestehensprognose 24 Monate und bei der Überschuldung i.d.R. 12 erstellt, in der die Lebensfähigkeit des Unternehmens Monate beträgt. Weiter werden die Insolvenz- für die nächsten 12 Monate (bisher: für das aktuelle und eröffnungsgründe Überschuldung und drohende kommende Geschäftsjahr) abgeleitet wird. Für die Prog- Zahlungsunfähigkeit stärker voneinander abge- nose wird ausgehend von der Liquidität zum Stichtag der grenzt. Aufgrund dessen, dass die Änderungen Vermögensaufstellung auf der Grundlage eines Unterneh- an der InsO bereits mit dem 1.1.2021 in Kraft menskonzepts und der daraus abgeleiteten integrierten getreten sind, wird trotz des gegenwärtigen Ent- Planung ein Finanzplan erstellt. Ist diese erste Fortbeste- wurfsstatus seitens des IDW eine vorzeitige An- hensprognose positiv, besteht keine insolvenzrechtliche wendung des neugefassten IDW S 11 empfohlen. Überschuldung. 10
RECHT RAin Maike Frank Umgang des Arbeitgebers mit nicht geimpften Arbeitnehmern Da nun in vielen Unternehmen in Deutschland Arbeit- schaft erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von nehmer durch Betriebsärzte gegen Covid-19 geimpft Infektionen und Weiterverbreitung von Krankheitserre- werden können, gibt dies den Arbeitgebern Hoffnung gern getroffen werden. auf eine „Rückkehr“ aus dem Home Office und die Normalisierung der betrieblichen Abläufe. Zugleich Es gibt daher gute Gründe, hier im Rahmen der Ermes- stellen sich aber auch arbeitsrechtliche Fragen zum sensentscheidung andere Maßstäbe bei der Ausübung Umgang mit nicht geimpften Arbeitnehmern. des Direktionsrechts anzusetzen. Da die Ermessensent- scheidung – wie immer – eine Einzelfallentscheidung ist, 1. Besteht eine Pflicht zur Impfung gegen COVID-19? kann eine arbeitgeberseitige Weisung, sich impfen zu lassen, in diesen Bereichen mit einer entsprechenden Eine gesetzliche Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 Begründung durchaus vertretbar und rechtmäßig sein. besteht derzeit nicht. Ob Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Dies gilt insbesondere dann, wenn Arbeitnehmer auf- eine Corona-Impfung durch Ausübung ihres Direktions- grund ihrer beruflichen Tätigkeit bzgl. der Impfung privi- rechts vorschreiben können, ist kritisch und einzelfall- legiert sind, die Personen, mit denen sie Kontakt haben, bezogen zu beurteilen. Denn das Direktionsrecht des hingegen nicht. Arbeitgebers gilt nicht grenzenlos, sondern muss billigem Ermessen entsprechen und insbesondere die gegen- Arbeitnehmer, die der Weisung des Arbeitgebers nicht seitigen Rücksichtnahmepflichten beachten. Für eine nachkommen, setzen sich dem Risiko aus, eine (gericht- Impfpflicht spricht, dass der Arbeitgeber dadurch seiner lich überprüfbare) Abmahnung zu erhalten. Sofern die Fürsorge- und Schutzpflicht gegenüber seinen Beschäf- Weisung rechtswidrig sein sollte, müssen sie diese Wei- tigten zur Erhaltung der Gesundheit gem. §§ 241 Abs. 2, sung nicht befolgen, eine solche Abmahnung wäre dann 618 BGB, § 3 ArbSchG nachkommt, da sich das Risiko unwirksam. Sollte ein Arbeitgeber also fälschlicherweise einer Ansteckung reduziert. Vor dem Hintergrund des davon ausgehen, er dürfe eine Impfung anweisen und schwerwiegenden Eingriffs in die Grundrechte der Arbeit- den nicht geimpften Arbeitnehmer mangels Impfung nicht nehmer (insbesondere das Selbstbestimmungsrecht und weiter beschäftigen, wäre er zur Fortzahlung der Vergü- das Recht auf körperliche Unversehrtheit) wird derzeit tung verpflichtet, obwohl der Arbeitnehmer seine Arbeits- aber mehrheitlich vertreten, dass das Direktionsrecht des leistung nicht erbracht hat. Das Risiko einer berechtigten Arbeitgebers eine Impfpflicht i.d.R. nicht umfasst. Dies Abmahnung oder gar einer Kündigung wegen Leistungs- gilt jedenfalls für „gewöhnliche Arbeitsverhältnisse“. Hin- verweigerung trägt wiederum der Arbeitnehmer. sichtlich der „besonderen Arbeitsverhältnisse“, wie z.B. im Bereich der Pflege und bei medizinischem Fachperso- Empfehlung: Es ist deshalb anzuraten, das konkrete nal, die im engen Kontakt zu Risikopatienten stehen, wird Risiko im Einzelfall durch einen Rechtsanwalt einschät- hingegen diskutiert, ob die Abwägung der kollidierenden zen zu lassen. Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Interessen ausnahmsweise anders ausfallen muss, wenn Direktionsrecht für solche Fälle bleibt abzuwarten. der Arbeitgeber etwa als Betreiber eines Krankenhauses, einer Arztpraxis oder eines (Alten-)Pflegeheims Schutz- 2. Kommt es noch zu einer gesetzlichen Impf- pflichten gegenüber Dritten – z.B. seinen Patienten – hat. pflicht? Hier besteht wegen des engen körperlichen Kontakts nicht nur eine besondere Gefährdungssituation, diese Für Arbeitsverhältnisse im Gesundheitswesen ist zu Personengruppen von Arbeitnehmern sind zur Aufrecht- berücksichtigen, dass bereits andere gesetzliche Impf- erhaltung des Gesundheitswesens auch unverzichtbar. pflichten existieren, z.B. im Rahmen des am 1.3.2020 Kranken- und Pflegeeinrichtungen müssen sicherstellen, in Kraft getretenen Masernschutzgesetzes. Da sich die dass alle nach dem Stand der medizinischen Wissen- vom Gesetz erfassten Personen teilweise nicht selbst vor 11
PKF NACHRICHTEN 07-08 | 21 Masern schützen können (z.B. weil sie ein zu schwaches dieser ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdi- Immunsystem haben), sind sie darauf angewiesen, dass ges Interesse an der Beantwortung seiner Frage für die sich andere Personen im direkten Umfeld solidarisch ver- Durchführung des Arbeitsverhältnisses hat und das Inte- halten und sich impfen lassen. resse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung seiner Daten das Interesse des Arbeitgebers an der Erhebung Mit der Frage der Vereinbarkeit einer gesetzlichen Impf- dieser Daten nicht überwiegt“. pflicht und dem Grundgesetz hat sich das Bundesverwal- tungsgericht bereits 1959 (bzgl. einer Pockenschutzimp- Aus Gründen der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht fung) auseinandergesetzt. Danach wird eine Impfpflicht und zur Verminderung der Infektionsgefahr im Betrieb bei besonders ansteckenden Krankheiten, die Leben und und bei Ausführung der geschuldeten Tätigkeit ist somit Gesundheit anderer Menschen schwer gefährden, als grundsätzlich ein berechtigter Auskunftswunsch des zulässig erachtet. Dass das Bundesgesundheitsministe- Arbeitgebers über den gesundheitlichen Zustand des rium von seiner im Infektionsschutzgesetz (§ 20 Abs. 6 Arbeitnehmers vertretbar. Führt die Interessenabwägung IfSG) geregelten Befugnis Gebrauch macht, eine Impf- im Einzelfall zu dem Ergebnis, dass die Interessen des pflicht anzuordnen, ist auch hinsichtlich der Eindämmung Arbeitgebers überwiegen und ihm ein Fragerecht zum von Covid-19 denkbar. Impfstatus zusteht, trifft den Arbeitnehmer eine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft. 3. Fragerecht des Arbeitgebers 4. Weitere Maßnahmen des Arbeitgebers Der neu eingeführte § 23a IfSG, welcher es Arbeitgebern ausdrücklich erlaubt, Beschäftigte nach ihrem Impfsta- Vor dem Hintergrund, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter tus zu befragen, umfasst nur bestimmte Berufsgruppen bisher i.d.R. nicht wirksam zu einer Impfung verpflichten des Gesundheitswesens. Danach dürfen z.B. Leiter von können, sie aber sicherstellen müssen, dass Nichtge- Krankenhäusern oder Pflegediensten (§ 23 Abs.3 IfSG) impfte kein Risiko für andere Mitarbeiter und Dritte dar- einen Nachweis über den Impfstatuts ihrer Beschäftigten stellen, sind weitere arbeitgeberseitige Maßnahmen in verlangen. Von der Rechtsprechung wird dem Arbeit- Betracht zu ziehen. Denkbar wäre zunächst eine Verset- geber jedoch ebenfalls ein Fragerecht zuerkannt, „wenn zung des nicht geimpften Arbeitnehmers in einen ande- Die alte Festung und der elegante Bau des Fraunhofer ICS 12
ren, seinen Fähigkeiten entsprechenden gleichwertigen Hinweis: Arbeitgeber können einen „Impfbonus“ an Impf- Tätigkeitsbereich oder an einen anderen Ort. Denkbar ist willige zahlen, z.B. durch eine einmalige Sonderzahlung, neben der bezahlten Freistellung des betreffenden Arbeit- Gutscheine oder Extraurlaubstage. Diese Prämie darf aller- nehmers schließlich auch der Fall, dass der Arbeitnehmer dings nicht nur für Nichtgeimpfte als Anreiz zur Impfung dauerhaft nicht mehr beschäftigt werden kann, so dass gewährt werden. Zu beachten ist außerdem, dass etwaig bei Vorliegen der Voraussetzungen eine personenbe- bestehende Betriebsräte in jedem Fall ein Mitspracherecht dingte Kündigung die Folge sein kann. haben, da ein solcher Bonus mitbestimmungspflichtig ist. KURZ NOTIERT Personengesellschaften als umsatzsteuerliche Organgesellschaft? Der EuGH kommt in einem aktuellen Urteil zum Aus der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL) Ergebnis, dass die vom BFH bisher vertretene Auf- ergebe sich nicht, dass Personen, die keine Steuerpflichti- fassung zur Einordnung von Personengesellschaften gen seien, nicht in eine Mehrwertsteuergruppe einbezogen als umsatzsteuerliche Organschaft nicht mit dem Uni- werden könnten. Es sollten hier vielmehr identische Krite- onsrecht vereinbar ist. rien wie für juristische Personen gelten. Im Urteilsfall hatte eine GmbH & Co. KG (Organgesellschaft) Der EuGH führte zur Begründung an, dass sich durch ein begehrt, Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit der Unterordnungsverhältnis zwar grundsätzlich vermuten M-GmbH (Organträger) zu sein. An der KG waren neben der lasse, dass zwischen den betreffenden Personen enge Komplementär-GmbH mehrere natürliche Personen und die Verbindungen bestünden. Es könne jedoch nicht grund- M-GmbH beteiligt. Laut Gesellschaftsvertrag besaß jeder sätzlich als eine für die Bildung einer Mehrwertsteuer- Gesellschafter eine Stimme, die M-GmbH sechs Stimmen. gruppe notwendige Voraussetzung angesehen werden. Im Beschlüsse wurden – von Ausnahmen abgesehen – mit Streitfall könne die M-GmbH ihren Willen bei der KG durch einfacher Mehrheit gefasst. Die KG vertrat die Auffassung, Mehrheitsbeschluss durchsetzen. Das Bestehen enger dass zwischen ihr und der M-GmbH ein umsatzsteuerliches Verbindungen durch finanzielle Beziehungen könne vermu- Organschaftsverhältnis bestehe. Das Finanzamt verneinte tet werden. Der bloße Umstand, dass die Gesellschafter dies unter Bezug auf die BFH-Rechtsprechung mit der der KG theoretisch durch mündliche Vereinbarungen den Begründung, dass eine finanzielle Eingliederung der KG auf- Gesellschaftsvertrag dahingehend ändern könnten, dass grund der Beteiligung mehrerer natürlicher Personen nicht Beschlüsse künftig einstimmig zu fassen seien, reiche nicht möglich sei. Da das Finanzgericht an der Vereinbarkeit der aus, um diese Vermutung zu entkräften. Der Ausschluss Rechtsprechung des BFH mit dem Unionsrecht zweifelte, einer Personengesellschaft von einer Mehrwertsteuer- wurde die Sache dem EuGH vorgelegt. gruppe ergebe sich nicht aus der in der MwStSystRL ent- haltenen Voraussetzung bezüglich des Bestehens enger Mit Urteil vom 15.4.2021 (C-868/19) widersprach der EuGH Verbindungen durch finanzielle Beziehungen. der Auffassung des BFH und urteilte, dass die Vorausset- zung des Vorliegens einer engen Verbindung durch finan- Hinweis: Unternehmen können sich nun auf die für sie zielle Beziehungen nicht restriktiv ausgelegt werden dürfe. ggf. günstigere Rechtsprechung des EuGH berufen. Abgabefristen für Steuererklärung 2020 verlängert Die Abgabefristen für die Steuererklärung des Jahres hinausgeschoben. Daraus ergibt sich für Steuerpflichtige 2020 werden in Folge eines Antrags der Koalitionsfraktio- ohne Steuerberater eine Verlängerung der ursprünglich nen verlängert. Sowohl für Steuerpflichtige ohne Steuer- auf den 31.7.2021 festgelegten Frist auf den 31.10.2021 berater als auch solche mit Steuerberater wird die Frist um drei Monate. Mit Steuerberater verlängert sich die Frist zur Abgabe der Steuererklärung um jeweils drei Monate vom 28.2.2022 auf den 31.5.2022. 13
PKF NACHRICHTEN 07-08 | 21 Einspruchsstatistik: Zwei Drittel der Einsprüche hatten Erfolg Auf der Grundlage der Meldungen der Länder veröf- dadurch entstehen, dass mit dem Einspruch die eigenen fentlicht das BMF jährlich eine Statistik über die Ein- Fehler des Steuerzahlers korrigiert werden und dieser z.B. spruchsbearbeitung in den Finanzämtern. Nach dieser vergessene absetzbare Kosten nacherklärt. Um eine sol- aktuellen Veröffentlichung haben Steuerzahler im Jahr che Nacherklärung zu vermeiden, empfiehlt es sich, die 2019 an die 3,5 Mio. Einsprüche bei ihren Finanzämtern Steuerbescheide immer umgehend auf Richtigkeit zu prü- eingelegt. Werden die noch unerledigten Einsprüche fen, denn einen Einspruch muss der Steuerzahler inner- aus den Vorjahren hinzugerechnet, hatten die Finanz- halb eines Monats nach Erhalt des Bescheids einreichen. ämter sogar über 5,8 Mio. Einsprüche zu bearbeiten. Der Einspruch kann schriftlich beim jeweils zuständigen Wie die Statistik zeigt, ist ein Einspruch in den meisten Finanzamt, elektronisch über das Elster-Online-Portal Fällen von Erfolg gekrönt. oder sogar mit einer E-Mail an das jeweilige Finanzamt eingelegt werden. Der Steuerzahler hat außerdem auch Einen erfolgreichen Einspruch und somit eine Änderung die Möglichkeit, sich bei einem beim BFH oder beim EuGH zugunsten des Steuerzahlers konnten diese in fast zwei anhängigen vergleichbaren Verfahren anzuschließen. Drittel der Fälle (65,6%) verzeichnen. Tatsächlich erfolglos Dabei muss er Einspruch einlegen, auf das Aktenzeichen oder zumindest teilweise erfolglos waren nur 14% der Ein- des anhängigen Verfahrens verweisen und das Ruhen des sprüche – in diesen Fällen wurde im Einspruchsverfahren Einspruchs bis zur Gerichtsentscheidung beantragen. durch (Teil-)Einspruchsentscheidungen ganz oder teilweise abschlägig entschieden. Weitere rund 20% der eingeleg- Mit Bekanntgabe des Steuerbescheids beginnt die Ein- ten Einsprüche wurden bereits vor einer endgültigen Ent- spruchsfrist. Bei der Zustellung des Bescheids per Post scheidung vom Entscheidungsführer zurückgenommen. – wie es üblich ist – gilt der Brief am dritten Tag nach dem aufgedruckten Bescheiddatum als bekanntgegeben, so Angesichts der hohen Erfolgsquote bei Einsprüchen kann dass die Frist ab dem vierten Tag läuft. Fällt das Datum es sich lohnen, gegen den Steuerbescheid mit einem der Bekanntgabe auf einen Feiertag oder ein Wochen- Einspruch vorzugehen. Verzerrt wird diese in der Statis- ende oder endet die Einspruchsfrist an einem Feiertag tik erhobene Erfolgsquote allerdings dadurch, dass auch oder Wochenende, verschiebt sich der Bekanntgabetag solche „Einspruchserfolge“ berücksichtigt werden, die auf den nächsten Werktag. Weltkulturerbe Residenz Würzburg 14
Mitarbeiterbeteiligung: Zufluss von Aktien unab- hängig vom wirtschaftlichen Eigentum Die unentgeltliche Überlassung von Aktien führt unproblematisch ist, zeigt ein aktuelles Urteil des BFH zu Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, wenn vom 26.8.2020 (Az.: VI R 6/18). diese dem Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung gewährt werden. Der Arbeitslohn fließt mit der Erlan- Im Streitfall war unklar, ob und zu welchem Zeitpunkt dem gung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu. Arbeitnehmer der Vorteil aus der unentgeltlichen Über- lassung eines Aktienpakets tatsächlich zugeflossen war. Bei einem Aktienerwerb ist das der Fall, wenn der Weil in der Vorinstanz jedoch das FG Berlin-Brandenburg Anspruch des Arbeitnehmers auf Verschaffung der wirt- nicht festgestellt hatte, ob und wann der Arbeitnehmer schaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien erfüllt wird. zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber geworden war, verwies der BFH das Verfahren an das FG dem Arbeitnehmer das zivilrechtliche oder zumindest das zurück. Das FG hat nun in einem zweiten Rechtsgang die wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren verschafft. entsprechenden Feststellungen zum Zufluss des streiti- Dass die Bestimmung des wesentlichen Zeitpunkts nicht gen Aktienpakets nachzuholen. Gewinnabführungsverträge prüfen: Jetzt dynami- scher Verweis erforderlich Die Formulierung von Ergebnisabführungsverträgen Dynamisch in diesem Sinne meint, dass der Verweis auf führte in der Vergangenheit vermehrt zu Verwer- die Vorschriften des § 302 AktG in der jeweils gültigen fungen zwischen Finanzverwaltung, Gerichten und Fassung vereinbart wird. Einem Schreiben des BMF vom Gesetzgeber. Ursächlich dafür war die Änderung 24.3.2021 folgend, müssen vor dem 27.2.2013 abge- des Aktiengesetzes und mit Verspätung des Kör- schlossene oder letztmalig geänderte Ergebnisabfüh- perschaftsteuergesetzes. Infolgedessen musste ein rungsverträge, die noch einen statischen Verweis enthal- Ergebnisabführungsvertrag, der mit einer GmbH als ten, spätestens bis zum Ablauf des 31.12.2021 geändert Organschaft geschlossen wurde, fortan keinen stati- werden. Zudem gilt diese Änderung des Ergebnisabfüh- schen, sondern einen dynamischen Verweis auf § 302 rungsvertrags nicht als Neuabschluss, weshalb auch die AktG enthalten. fünfjährige Mindestlaufzeit nicht neu beginnt. Arbeitnehmerentsendung nach UK: Gesetzgeber schafft Rechtsklarheit nach Brexit Der Brexit wirft auch Fragen zur Arbeitnehmer- die Sicherstellung, dass die bisherigen unionsrechtlichen entsendung nach UK auf. Der Bundesrat hat am Regeln zur sozialversicherungsrechtlichen Entsendung 26.3.2021 einem Gesetz zugestimmt, wodurch die von Arbeitnehmern sowie Selbständigen in den Bezie- Entsendungsregelungen für Arbeitnehmer zwischen hungen mit Großbritannien im Rahmen des Handels- und der EU und UK auch nach dem Brexit weiterhin Kooperationsabkommens weiterhin Anwendung finden. Bestand haben. Die Fortsetzung dieser Regelung erlaubt, dass lediglich Kerninhalt des Gesetzes „zur Notifikation betreffend die vorübergehend im anderen Staat eingesetzte Arbeitneh- Regeln für die Entsendung von Arbeitnehmerinnen und merinnen und Arbeitnehmer sowie Selbständige nicht Arbeitnehmern gemäß dem Protokoll über die Koordinie- kurzzeitig in das Sozialversicherungssystem des anderen rung der sozialen Sicherheit zum Handels- und Koope- Staats wechseln und anschließend wieder zurückwech- rationsabkommen vom 30.12.2020“ vom 25.3.2021 ist seln müssen. 15
BONMOT ZUM SCHLUSS „As a leader, it is important to not just see your own success, but focus on the success of others.” BONMOT ZUM SCHLUSS Pichai Sundararajan, geboren 10.6.1972 in Madurai, Indien, US-amerikanischer Manager. „We don‘t want an America that is closed to the world. Er ist CEO von Google LLC sowie dessen Holding Alphabet Inc. What we want is a world that is open to America.“ George H. W. Bush, 41. Präsident der USA (1989 – 1993), 12.6.1924 - 30.11.2018. Bildnachweis: Titel © Congress-Tourismus-Würzburg, Foto: A. Bestle; S. 3 + S. 12 © TomekD76, S. 5 © RudyBalasko, S. 7 © Juergen PKF Deutschland GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EUREF-Campus 10/11 | 10829 Berlin | Tel. +49 30 306 907 - 0 | www.pkf.de Sack, S. 8 + S. 10 © Thomas Demarczyk, S. 14 © syolacan; alle iStock.com Anfragen und Anregungen an die Redaktion bitte an: pkf-nachrichten@pkf.de Die Inhalte der PKF* Nachrichten können weder eine umfassende Darstellung der jeweiligen Problemstellungen sein noch den auf die Besonderheiten von Einzel- fällen abgestimmten steuerlichen oder sonstigen fachlichen Rat ersetzen. Wir sind außerdem bestrebt sicherzustellen, dass die Inhalte der PKF Nachrichten dem aktuellen Rechtsstand entsprechen, weisen aber darauf hin, dass Änderungen der Gesetzgebung, der Rechtsprechung oder der Verwaltungsauffassung immer wieder auch kurzfristig eintreten können. Deshalb sollten Sie sich unbedingt individuell beraten lassen, bevor Sie konkrete Maßnahmen treffen oder unterlassen. So- weit innerhalb der PKF Fachnachrichten rechtliche Themen dargestellt sind, liegt die Verantwortlichkeit bei den Rechtsanwälten, die im PKF-Netzwerk tätig sind. * PKF Deutschland GmbH ist ein Mitgliedsunternehmen des PKF International Limited Netzwerks und in Deutschland Mitglied eines Netzwerks von Wirtschafts prüfern gemäß § 319 b HGB. Das Netzwerk besteht aus rechtlich unabhängigen Mitgliedsunternehmen. PKF Deutschland GmbH übernimmt keine Verantwortung oder Haftung für Handlungen oder Unterlassungen anderer Mitgliedsunternehmen. Die Angaben nach der Dienstleistungsinformationspflichten-Verordnung sind unter www.pkf.de einsehbar.
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