"Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar" (Ingeborg Bachmann)

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„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ (Ingeborg Bachmann)

Energiewende zwischen infantilen Phantasien und Ernüchterung

Bruno Kern
                                                            gefangen zwischen der drohenden Gefahr der
Die Welt im „Zangengriff“                                   Klimakatastrophe einerseits und der Erschöpfung
                                                            der fossilen Energiequellen und anderer wichtiger
Das Ende des fossilen Zeitalters ist inzwischen             Ressourcen wie mineralischer Rohstoffe ande-
endgültig eingeläutet. Das hat sich heute bis in die        rerseits. Wenn man die beiden Seiten des Di-
Chefetagen der Mineralölkonzerne herumge-                   lemmas nicht gleichzeitig im Auge behält, dann
sprochen. Der „Peak“ der Erdölförderung dürfte              wird man sich zwangsläufig in eine Sackgasse
inzwischen erreicht worden sein. Und auch die               verlaufen und „Lösungen“ anstreben, die an dieser
anderen wesentlichen fossilen Energiequellen                Situation völlig vorbeigehen. Paradigmatisch da-
(Erdgas, Kohle) gehen schneller zur Neige, als              für sind zwei prominente Studien, deren grund-
man noch vor einigen Jahren annehmen durfte.                sätzliche Schwäche darin liegt, dass sie jeweils
Die Energy Watch Group geht etwa davon aus,                 eine Seite des Dilemmas aus den Augen verloren
dass bis zum Jahr 2050 nur noch ein Drittel der             haben: Der „Hirsch-Report“, den Robert Hirsch
heute jährlich geförderten Erdölmenge zur                   im Auftrag des US-Energieministeriums erstellt
Verfügung stehen wird. Bei Erdgas sei ab 2035               hat, stellt eine Peak-Oil-Strategie dar, die den
eine längere Phase der Stagnation des Förder-               Klimawandel völlig ausblendet. Die Lösungs-
volumens zu erwarten, bis dann im Jahr 2045 die             vorschläge konzentrieren sich darauf, das fossile
Fördermenge rapide abnimmt. Und selbst bei                  Zeitalter möglichst lange zu strecken bzw. die auf
Kohle sei ab dem Jahr 2035 mit einem steilen                fossiler Energie basierende Infrastruktur mög-
Abfall der Förderung zu rechnen. Das Förder-                lichst lange aufrechtzuerhalten, zum Beispiel
maximum aller fossilen Energieträger zu-                    durch Treibstoffgewinnung aus Kohleverflüs-
sammengenommen wird für das Jahr 2025 prog-                 sigung. Anders der prominentere Stern-Report,
nostiziert (Minqui Li, 148ff).                              von Nicholas Stern im Aufrag der britischen
                                                            Regierung erstellt. Seine Modelle zur Finanzie-
Gleichzeitig spitzt sich die Klimakrise zu. In den          rung von Maßnahmen, um den Klimawandel
letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass positive       einzudämmen, unterstellen ein Wirtschafts-
Rückkoppelungseffekte, also das Phänomen, dass              wachstum, das nur auf der Basis einer weiteren
der Klimawandel seine eigene Beschleunigung                 uneingeschränkten Verfügbarkeit von fossiler
bewirkt, unterschätzt wurden, so zum Beispiel die           Energie möglich ist. Beide Studien sind auf einem
Geschwindigkeit, in der das Polareis abschmilzt.            (dem jeweils anderen) Auge blind, ihre Lösungs-
Immer mehr Wissenschaftler gehen deshalb davon              vorschläge daher unrealistisch und unbrauchbar.
aus, dass das ursprünglich für das Jahr 2050
angestrebte weltweite Reduktionsziel von 50%                Ökokapitalistische Illusionen
CO2 bezogen auf das Jahr 1990 schon wesentlich
früher (etwa 2030) erreicht werden muss, um die             Dass das Wegbrechen der fossilen Energiebasis
Klimaveränderungen noch in kontrollierbaren                 die Grundfesten unserer Industriegesellschaften
Grenzen zu halten. Darüber hinaus ist zu                    insgesamt erschüttern könnte – über diese
bedenken, dass die Fokussierung auf die Klima-              Konsequenz versucht man sich krampfhaft
veränderungen bereits eine verkürzte Sichtweise             hinwegzutäuschen. Die Illusionisten bestimmen
darstellt. Der Klimawandel ist als Teil einer               heute immer noch den geistigen Mainstream. Ihr
umfassenden Biosphärenkrise anzusehen. Der                  Credo ist das der technischen Beherrschbarkeit,
rasante Rückgang lebender Arten, der Verlust an             der Wohlstandssicherung und -vermehrung mit
Nahrungsmittelressourcen im Meer sowie der                  intelligenteren Mitteln. Die heute im öffentlichen
Verlust an bebaubarer Ackerfläche sind für das              alternativen    „Energiediskurs“     maßgebenden
künftige Krisenszenario mit zu bedenken.                    Hofpropheten, angefangen von E.U. von
                                                            Weizsäcker bis Hermann Scheer und Franz Alt,
Die Situation, in der wir uns befinden, kann man            reden uns seit Jahren ein, dass die nötigen
zutreffend als eine „Zangengriffkrise“ bezeichnen           Reduktionsziele (bis zum Jahr 2050 etwa eine
(vgl. Sarkar 2009, 318ff): Wir sind gleichsam               Reduktion des CO2-Ausstoßes in den OECD-
                                                            Ländern um 90%) ohne Wohlstandseinbußen, ja
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sogar noch mit erheblichen Wohlstandsgewinnen,            werden alle Überlegungen der Frage unterge-
erreichbar seien – durch mehr Energieeffizienz            ordnet, was man dem europäischen Wohlstands-
und durch den Einsatz erneuerbarer Energien.              publikum zumuten darf. In diesem Sinne tritt der
Die gedanklichen Kapriolen, die man schlägt, um           ehemalige Attac-Aktivist und Neugrüne Sven
der schlichten Einsicht zu entgehen, dass unser           Giegold in jüngster Zeit dafür ein, den pubertären
Wohlstandsniveau drastisch abgesenkt werden               Widerstand gegen die Massenautomobilisierung
muss, sind abenteuerlich. Die ach so verhei-              und den Flugverkehr endgültig als aussichtslos
ßungsvolle Effizienzrevolution hat Fred Luks mit          aufzugeben. Stattdessen müsse man eben auf
einer einfachen Rechnung ad absurdum geführt:             technische Lösungen setzen, auf Elektroautos und
Wenn der Ressourcenverbrauch in den Indus-                auf mit Brennstoffzellen betriebene Flugzeuge
trienationen bis 2050 um einen Faktor 10 sinken           (Sven Giedold, Freiheit, Auto, Nachhaltigkeit, in:
soll (was weitgehend Konsens ist), und wenn man           Le monde diplomatique, 13. 9. 2009). Die genau-
gleichzeitig ein bescheidenes Wirtschaftswachs-           ere Nachfrage, ob das denn – ehrliche Energie-
tum von 2 Prozent jährlich unterstellt, dann              bilanzen vorausgesetzt – überhaupt möglich ist,
müsste die Ressourcenproduktivität (also die              erspart er sich lieber. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Menge an Gütern und Dienstleistungen pro                  spricht offen aus, worum es geht:
Einheit einer bestimmten eingesetzten Ressource)
um den Faktor 27 wachsen! Ein Wirtschafts-                „Europäern, Amerikanern und Japanern zu
wachstum von 3 Prozent setzt bereits eine 43-             empfehlen, sich in Sack und Asche zu kleiden und
fache Energie- und Ressourceneffizienz voraus.            auf Wohlstand und Fortschritt zu verzichten, ist
Effizienzsteigerungen sind schlicht dem Gesetz            eine zum Scheitern verurteilte Strategie. Also
des sinkenden Ertrags unterworfen, das heißt, je          sollte die neue Wirtschaftsweise den Charakter
mehr Effizienzpotenziale bereits ausgeschöpft             eines ‚neuen Wohlstandsmodells‘ haben, um
sind, um so aufwändiger wird es, weitere Effi-            politisch durchsetzbar zu sein.“ (1992, 12).
zienzsteigerungen zu erzielen. Dies wird auch
durch die Empirie bestätigt: In Industrieländern          Hier wird übrigens auch überdeutlich, für wen
wie Deutschland oder Japan kann man beob-                 dieses neue Wohlstandsmodell gilt und für wen
achten, dass nach beeindruckenden Steigerungen            nicht. Weltweit gesehen nimmt eine kleine Elite
der Energieeffizienz (des Verhältnisses von               für sich in Anspruch, auch die immer knapper
Energieinput und Bruttosozialprodukt) ab Mitte            werdenden Ressourcen auch noch für den letzten
der Siebzigerjahre nun keine weiteren nennens-            Teil ihrer Wohlstandsparty einzusetzen. Der
werten Effizienzerfolge erzielt werden konnten.           ressourcensparende, intelligente, ökologiekom-
Ein guter Teil der Effizienzsteigerungen ist dabei        patible Wohlstand ist bei Licht besehen chau-
schlicht auf eine verbesserte Treibstoffqualität          vinistische Brutalität. Bereits jetzt sind es global
zurückzuführen – ein Faktor also, auf den wir             gesehen nur 6% der Menschheit, die jemals in
zukünftig ohnehin nicht mehr bauen können. In             einem Flugzeug gesessen sind, während in Nige-
Deutschland ist seit etwa 2000 eine Stagnation zu         ria unter Lebensgefahr Ölpipelines angezapft
beobachten, in Japan sogar schon seit Beginn der          werden und im Sudan der erste Klimakrieg tobt.
Neunzigerjahre. (Minqui Li, 161 – 162) Die                (Welzer 2008: 94 – 99)
genaueste Studie weltweit dazu ist wohl die von
Lightfood und Green. Sie schätzen das weltweite           Ein nüchterner Blick auf die Realität
Effizienzpotenzial vom Bezugsjahr 1990 aus
gerechnet bis zum Ende unseres Jahrhunderts               In jüngster Zeit kann man allerdings auch eine
(also bis 2100!) weltweit auf 250 bis 330 Prozent.        Tendenz zur Ernüchterung feststellen. Gegenüber
(u.a. zitiert bei Minqui Li, 162) Das ist sehr weit       den Illusionen der ökologischen Hofpropheten
entfernt von dem, was uns Herr Weizsäcker                 nehmen sich die definierten politischen Ziele sehr
einreden will. Um diese Absurdität zu verschlei-          bescheiden aus. Der ehrgeizige Obama-Plan etwa
ern, beschränken sich die ökologisch-kapitalisti-         hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2025
schen Heilspropheten wie er in ihren Bestsellern          insgesamt 25% des US-amerikanischen Elek-
immer nur auf beeindruckende Einzelbeispiele.             trizitätsbedarfs aus erneuerbaren Quellen stam-
Nach Ted Trainers Urteil beruhen selbst hier 50%          men werden. Man darf wohl gegenfragen, wie es
auf reinen Glaubensannahmen.                              um die restlichen 75% steht. Auch in der BRD
Die intellektuelle Redlichkeit wird dabei schamlos        werden die skeptischen Stimmen lauter, gerade
einem Pragmatismus der politischen Durch-                 vonseiten derer, die selbst das größte Interesse am
setzbarkeit geopfert. Anstelle einer ehrlichen            Ausbau erneuerbarer Energien haben. Dietmar
Bestandsaufnahme dessen, was mit welchen Mit-             Schütz etwa, der Präsident des Bundesverbandes
teln zu welchem Preis wirklich erreichbar ist,
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erneuerbarer Energien, gab zu Protokoll, dass man                    einmal ein Fünftel unseres Gesamt-
bis zum Jahr 2020 200 Mrd. KWh mittels erneu-                        energieverbrauchs ausmacht. Ein erheb-
erbarer Energien produzieren könne. Das                              liches Problem aber stellt die Energie dar,
entspricht, wenn man einen leichten Verbrauchs-                      die wir über die Erzeugung von Elek-
rückgang unterstellt, etwa 35% des bundes-                           trizität hinaus aufwenden müssen, ins-
deutschen Stromverbrauchs (die tageszeitung, 24.                     besondere für die Organisation unserer
4. 2008). Selbst bei Leuten wie Fritz Vahrenholt,                    Mobilität, die in der uns bekannten Form
selbst Hersteller von Windkraftanlagen, ist der                      ohne die fossile Energiebasis kaum
ursprüngliche Enthusiasmus einer Ernüchterung                        vorstellbar ist und die gleichzeitig für
gewichen: „Ich bin durchaus optimistisch, dass                       unsere global durchgesetzte kapitalisti-
wir bis zum Jahr 2050 die Hälfte unserer                             sche Industriegesellschaft essentielle
Energieversorgung mit erneuerbaren Energieträ-                       Bedeutung hat.
gern bewältigen können. Aber selbst dann ist die
Frage: Was machen wir mit den anderen 50                     Machbar oder lebensfähig? Die Erneuerbaren als
Prozent?“ (die tageszeitung, 7. 10. 2006). Die               „Parasiten“ der noch vorhandenen fossilen
Einsicht in das begrenzte Potenzial erneuerbarer             Energiebasis
Energien führten Fritz Vahrenholt – ebenso wie
James Lovelock – dazu, zum Befürworter der                   Die sog. erneuerbaren Energien (im Wesentlichen
Atomenergie zu mutieren.                                     Solarenergie und Biomasse) werden in ihren
Wer die Situation unvoreingenommen betrachtet,               Möglichkeiten oftmals so hoch veranschlagt, dass
wird sich vier grundsätzlichen Problemen stellen             es doch sehr erstaunt, warum sie sich nicht längst
müssen:                                                      schon durchgesetzt haben. Ist tatsächlich nur die
                                                             bitterböse Atomlobby schuld? Die präsentierten
    1. Das Potenzial erneuerbarer Energien ist               Rechnungen sind aber höchst unseriös. Die Ener-
       grundsätzlich beschränkt. Erneuerbar                  giebilanzen beschränken sich in der Regel auf den
       heißt eben nicht unerschöpflich.                      laufenden Betrieb. In die Energiebilanz nicht mit
    2. Neben der knapper werdenden Energie                   einbezogen werden die Produktionsvorausset-
       aus fossilen Quellen haben wir es gleich-             zungen und die erforderliche Infrastruktur ins-
       zeitig auch mit einer Verknappung von                 gesamt.2 Wer etwa die Energiebilanz einer Photo-
       Rohstoffen zu tun, die dem Ausbau der                 voltaikanlage ehrlich erstellen will, der muss –
       technischen Voraussetzungen und der                   wie in jeder Kostenrechnung auch – anteilsmäßig
       nötigen Infrastruktur für erneuerbare                 bei der Produktion der Bagger anfangen, die den
       Energien zusätzliche Schranken setzt.                 Sand zur Siliziumherstellung fördern. In diesem
    3. Das uns zur Verfügung stehende Zeit-
       fenster ist schmal. Es ist fraglich, ob wir
       angesichts der knapper werdenden Zeit, in             den und weil das Erdöl zur Neige geht, flächen-
       der uns die fossile und Rohstoffbasis                 extensiver und nicht mehr so intensiv wie heute sein.
       immer schneller wegbricht, die theore-                Zu all dem kommt noch hinzu, dass die Auswirkungen
       tisch vorhandenen Potenziale wirklich                 des Klimawandels unsere Handlungsspielräume ein-
       umsetzen können.                                      schränken. In Südwesteuropa, aber auch etwa in
    4. Die Diskussion um erneuerbare Energien                Brandenburg, wird viel landwirtschaftliche Nutzfläche
       beschränkt sich meistens auf die Elek-                verloren gehen. Energiewendeszenarien sind also nur
                                                             dann glaubwürdig und brauchbar, wenn sie nicht Ein-
       trizitätserzeugung1, obwohl diese nicht               zelprobleme herausgreifen, sondern zusammenhängend
                                                             denken.
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  Viele Energiewendeszenarien haben ihre Schwäche              Annette Schlemm (zu finden in: www.streifzuege.org)
gerade darin, dass sie den Blick auf ein Teilproblem –       gibt für Photovoltaikstrom auf der Basis von
meist die Elektrizititätsversorgung – fokussieren und        monokristallinem Silizium eine Energierücklaufzeit
dabei andere Probleme ausblenden. So steht zum               von 4,6 Jahren an, bei polykristallinem Silizium geht
Beispiel Biomasse der „zweiten Generation“, die              sie von 3,2 Jahren aus. Dazu ist noch jeweils ein Jahr
hauptsächlich für die Raumwärme benötigt werden              für die übrigen Komponenten (etwa Aluminium-
wird, nicht im gleichen Umfang für die Stromer-              Aufständerung o.ä.) dazuzurechnen. Schlemm lehnt
zeugung zur Verfügung. Unterschätzt wird auch die            allerdings das Konzept der „emergy“ als unsinnig ab,
Bedeutung des Verbrauchs landwirtschaftlicher Fläche         weil man dann konsequenterweise „bis zum Urknall“
zur Energiegewinnung: In Zukunft werden wir die              zurückrechnen müsse. Doch selbst auf der Grundlage
Lebensmittelversorgung auf der Grundlage eigener             ihrer relativ optimistischen Annahmen zieht sie den
landwirtschaftlicher Nutzflächen sicherstellen müssen        Schluss, dass der Umstieg auf erneuerbare Energie-
und diese nicht mehr in Übersee auslagern können.            quellen notgedrungen das Ende unserer Wachstums-
Und die Landwirtschaft wird aus ökologischen Grün-           gesellschaft nach sich ziehen wird.
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Zusammenhang wurde in der Fachliteratur der               erprobten Speichertechniken sind allesamt nicht
Ausdruck „emergie“ für „embodied energy“                  unproblematisch. Pumpspeicherkraftwerke mit
geprägt. Einer der wenigen, die so bilanzieren, ist       einem sehr hohen Wirkungsgrad gehen mit einem
Howard T. Odum, der dann auch prompt für die              enormen Landschaftsverbrauch einher, für Druck-
Photovoltaik (auf der Basis von monokristallinem          luftspeicherkraftwerke fehlen vielfach die Voraus-
Silizium) eine negative Energiebilanz errechnet.          setzungen, weshalb bislang weltweit nur zwei
Mit Recht klagt die Anti-Atom-Bewegung in ihrer           existieren, und die Speicherung mittels Wasser-
Auseinandersetzung mit den Atomkraftwerks-                stoff wist bislang einen bescheidenen Wirkungs-
betreibern eine solche ehrliche Bilanz ein, um das        grad von twa 20% auf.
Argument zu entlarven, Atomstrom sei der Aus-             Auf das Problem der schwindenden Rohstoffbasis,
weg aus der Klimakatastrophe. Allerdings müsste           die dem Ausbau erneuerbarer Energien zusätz-
man dann auch die intellektuelle Redlichkeit              liche Schranken auferlegt, hat unter anderem
besitzen, diese Rechnung auch für die „Erneu-             Thomas Krupka, der Chef von Solon, aufmerksam
erbaren“ aufzumachen. Der Ökonom N.                       gemacht: Die Verteuerung von Rohstoffen wie
Georgescu-Roegen unterscheidet in diesem Sinne            etwa Kupfer und Stahl im Lauf des Jahres 2008
zwischen „machbaren“ und „lebensfähigen“                  hat einen Vorgeschmack dafür geliefert, was
Energien. „Lebensfähig“ sind nur jene Energie-            deren absolute Verknappung in absehbarer Zeit
quellen, die sich selber reproduzieren können. Das        bedeuten könnte. Mit Hinweis auf diese Proble-
heißt, Photovoltaik wäre in dem Maße lebens-              matik hat Krupka übrigens gerade die groß-
fähig, als die Produktionsbasis mit all ihren             flächige Stromproduktion durch Solarkraftwerke
Komponenten und deren zyklische Erneuerung                in der Sahara als Hoffnungsträger verworfen. Er
selbst wieder mit Photovoltaikstrom hergestellt           wies etwa auf das schnelle „erblinden“ der
werden könnten. Dabei wäre zu bedenken, dass              Module durch Sandstürme, die dadurch bedingte
die Herstellung selbst der einfachen Halbleiter-          drastische Ertragsminderungen und den entspre-
zellen Temperaturen von 400 bis 1400 Grad                 chend kürzeren Lebenszyklus hin (die tages-
Celsius erfordert. Richard Heinberg stellt eher           zeitung, 13. 11. 2008).3 Die Problematik des
skeptisch fest: „Sicherlich können konventionelle         Rohstoffbedarfs betrifft ebenso solarthermische
Siliziumzellen bisher im Vergleich zu der für ihre        Anlagen, die neuesten Photovoltaiktechniken wie
Herstellung nötigen Energie nur einen geringen            die Windenergie. Gerade in jüngster Zeit haben
späteren Ertrag aufweisen, obwohl die Anhänger            Studien auf die Knappheit von seltenen Metallen
dieser Technologie auch hier standhaft mit                wie Indium, aber etwa auch das für Batterien
günstigen Zahlen werben (im Allgemeinen                   eingesetzte Lithium hingewiesen. (Vgl. dazu
berücksichtigen sie bei ihren Berechnungen nicht
die für den Transport und die Herstellung der             3
                                                            Franz Garnreiter (www.linksnet.de/files/pdf/Desertec-
Produktions-anlagen        aufgewandte     Energie        fg-200908.pdf) hat – neben vielen anderen Kritik-
..“(Heinberg 2004, 239). Auch die neueren                 punkten – im Zusammenhang mit dem Desertec-
Techniken etwa von Dünnschichtsolarzellen auf             Projekt auf die gigantische „Materialschlacht“
der Basis von nicht-kristallinem Silizium oder            verwiesen, die solarthermische Anlagen diesen Typs
lichtempfindlichen Farbpigmenten etc. helfen              (Parabolrinnentechnik) voraussetzen: Eine solarthermi-
nicht viel weiter. Bei einem Wirkungsgrad von             sche Anlage, die von der Kapazität her einem
maximal 7% wird ihnen wohl nur ein                        konventionellen Großkraftwerk vergleichbar wäre (das
Nischendasein beschieden sein.                            bedeutet die Produktion von 8 Terawattstunden pro
                                                          Jahr), braucht mehr als 25 km2 ( das sind 250.000
Einzig die Windenergie (die aber für die                  Tonnen!) Hightec-Spiegelglas (silberbeschichtet) und
Erzeugung der Stromgrundlast nicht taugt) scheint         über 400 km Absorberröhren. Das Desertec-Projekt in
zweifelsfrei eine positive Energiebilanz aufzuwei-        der Sahara ist aber um den Faktor 90 größer geplant,
sen. Die entsprechenden Bilanzen bewegen sich             das heißt, diese Zahlen sind mit 90 zu multiplizieren.
allerdings ebenfalls in einem breiten Spektrum            Dazu kommen Stahlpylonen zur Aufständerung und
und veranschlagen den EROI (energy return on              die Leitungskapazitäten für die Hochspannungs-
energy invested, das heißt Energiegewinn im               gleichstromübertragung etc. Von diesem gigantischen
Verhältnis zur eingesetzten Energie) allesamt             Materialaufwand erhofft man sich schließlich bis zum
positiv von 2 bis 50. (Das heißt, innerhalb eines         Jahr 2050 einen Beitrag zur Stromerzeugung der EU
Lebenszyklus einer Anlage gewinnt man das                 von 15%. Ted Trainer weist noch auf das Speicher-
                                                          problem bei solarthermischer Stromerzeugung in
Zwei- bis Fünfzigfache an eingesetzter Energie).          Wüstengebieten hin: Die kurzfristige (48 Stunden)
Hier stellt sich allerdings das Problem der               Speicherung mittels Salzlake ist zwar unproblematisch
Speichertechniken. In der BRD etwa steht die              und nur mit geringen Verlusten verbunden, doch die
Windenergie insgesamt nur 16% der Zeit zur                Überbrückung von längeren sonnenarmen Perioden im
Verfügung. Die bisher bekannten bzw. derzeit              Winter ist auf diese Weise nicht möglich (Trainer, 47).
                                                      4
Spiegel online, 10. 4. 2009). Auch in Bezug auf
die Windenergie gib James Howard Kunstler zu               Eine Million Elektroautos oder die Rechenkünste
bedenken: „Wie schaffen wir die seltenen Erze,             eines Exministers
Chrom, Titan, von den wenigen Stätten ihres
Vorkommens zu den Produktionsstätten, wo die               Überdeutlich wird der illusionäre Charakter der
Metalllegierungen hergestellt werden, um Wind-             aktuellen Diskussion beim Thema Mobilität.
turbinen zu erzeugen? Und was benutzen wir, um             Verwundert reibt man sich die Augen, wenn man
die Hochöfen zu betreiben?“ (Kunstler 2005, 128)           in gleich zwei Ausgaben des „Spiegel“ hinter-
                                                           einander zu lesen bekommt, dass die Biomasse
                                                           der Erde sieben bis achtmal reicht, um den
Die Problematik des immer schmaler werdenden               alternativen Treibstoff für unser heutiges Mobi-
Zeitfensters lässt sich ebenfalls anhand der               litätsniveau zu sichern. Leider ist diese Aussage
Windenergie gut verdeutlichen. Die hochge-                 nicht weiter belegt. Aber der Unsinn liegt ohnehin
rechneten theoretischen Potenziale sind teilweise          auf der Hand. Die hohen Verluste an fruchtbarem
beeindruckend. In den USA etwa gehen die                   Ackerland durch Bodenerosion, die Ausdehnung
optimistischsten Schätzungen davon aus, dass               der Wüsten etc. sind jedem auch nur oberflächlich
man mittels Windenergie ca. die Hälfte des                 Informiertem bekannt. Selbstverständlich steht die
Gesamtenergieverbauchs erzeugen könnte.4 Doch              Erzeugung von Biomasse in unmittelbarer Kon-
es klafft eine große Lücke zwischen diesem                 kurrenz zur Ernährung der Weltbevölkerung. Der
theoretischen Potenzial und dem Status quo.                gegenwärtige weltweite Boom beim Anbau von
Weltweit wird bislang etwa 1% der Elektrizität             Plantagen für pflanzliche Treibstoffe bedeutet
mittels Windenergie erzeugt. Richard Heinberg              letztlich, dass weltweit gesehen 800 Millionen
weist darauf hin: Wenn man in den USA bis zum              Autobesitzer (mit entsprechend mehr Kaufkraft)
Jahr 2030 etwa 20% der Elektrizität durch                  gegen die zwei Milliarden Menschen konkur-
Windkraft gewinnen wollte, dann müsste man bis             rieren, die heute unter der Armutsgrenze leben.
dahin jährlich (!) etwa 20.000 dem neusten Stand           Selbst das Wall Street Journal eignet sich in
der Technik entsprechende Windkraftanlagen                 Bezug auf die Produktion von Biotreibstoffen
aufbauen, vom nötigen Ausbau der übrigen                   inzwischen die Sichtweise kritischer Ökologen an
Infrastruktur (Leitungskapazitäten) ganz zu                und weist unter Berufung auf David Pimentel
schweigen. Das würde eine beträchtliche Um-                darauf hin: „… die Ausweitung der Produktion
schichtung ökonomischer Ressourcen in einer                von Mais für Biokraftstoffe würde die
relativ kurzen Zeit und unter hohem Energie-               Wasserressourcen erschöpfen und den Boden
aufwand bedeuten – einem Energieaufwand unter              durch den Gebrauch von Kunstdüngern und
dem Vorzeichen der immer schneller wegbre-                 anderen Chemikalien verschmutzen. Das würde
chenden fossilen Basis: „Betrachtet man nun aber           auch den Verbrauch von großen Mengen
diese Energieinvestition, die man für den Bau all          konventioneller Energie erfordern – für die
der Windturbinen und andere für den Übergang               Landwirtschaftsmaschinerie und für die Anlagen
auf erneuerbare Energien notwendige Infrastruk-            zur Konversion von Mais zu Ethanol. Dieser Preis
turmaßnahmen braucht, und bedenkt, dass                    könnte den Vorteil aus der Produktion des
gleichzeitig das Erdöl immer knapper wird,                 weniger umweltverschmutzenden Kraftstoffs
erkennt man, dass dann keine überschüssige                 zunichte machen.“ (Wall Street Journal, 5. 12.
Energie mehr zur Verfügung stünde, um den                  2006). Nicht berücksichtigt ist dabei, dass auch
bisherigen Bedarf der Wirtschaft weiterhin decken          die Herstellung von Düngemitteln und anderer
zu können.“ (Heinberg 2004, 233)                           Agrarchemikalien den Verbrauch einer großen
                                                           Menge von fossilen Brennstoffen und anderen
4
   Zum Potenzial für Windenergie in Deutschland            nicht erneuerbaren Ressourcen erfordert. Schon in
variieren die Angaben zwischen 17% und 25% des             früheren Studien wurde der EROI von Ethanol aus
Strombedarfs (vgl. Trainer, 15). Bei der Angabe der        Mais auf nur 1,3 bzw. 1,1 berechnet, der von
Rücklaufzeiten ist zu bedenken: Üblicherweise wird         Palmöl auf lediglich 1,06 (Heinberg 2004, 152 f).
der Bilanz die Spitzenauslastung zugrunde gelegt.          Der chinesische Autor Minqui Li stellt klar: Selbst
Redlicherweise müsste man aber von der tatsächlichen
                                                           wenn die Menschheit keine Nahrungsmittel mehr
durchschnittlichen Auslastung ausgehen, die z.B. in
Deutschland an den besten Standorten im                    anbauen und die gesamte Fläche bebaubaren
Landesinneren 35% beträgt. Abgesehen von de Off-           Landes der Energieerzeugung widmen würde,
shore-Standorten ist für den weiteren Ausbau zu            entspräche der Ertrag nicht einmal der Hälfte
bedenken, dass eher ungünstigere Bedingungen               dessen, was heute Erdöl und Erdgas liefern.
anzunehmen sind, da die besten Standorte natürlich         (Minqui Li, 157)
zuerst berücksichtigt wurden.
                                                       5
Die bundesdeutschen „Grünen“ biedern sich                in Sicht sind. Aufgrund des extrem hohen Drucks
derzeit bis zur Peinlichkeitsgrenze als Retter der       braucht ein Wasserstoffauto mit Brennstoff-
Autoindustrie an. Als einen Bestandteil des              zellentechnik einen mit äußerst starken Kohle-
„Green New Deal“ hat man die Vision formuliert,          stofffasern verstärkten Tank. Ein Sicherheitsrisiko
bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf          sind dabei vor allem die Bleiverbindungsstellen.
deutschen Straßen zu haben. Jürgen Trittin, Ex-          Wasserstoff ist leicht entflammbar und korro-
Bundesumweltminister und seinerzeit williger             sionsaggressiv. Jeder Tankvorgang würde nicht
Vollstrecker des Autokanzlers Schröder, ant-             nur ein erhebliches Sicherheitsrisiko bedeuten,
wortete auf die Frage, woher denn dafür der              sondern mit zusätzlichem Energieverschleiß
Strom kommen soll: „Bis dahin werden 50% des             verbunden sein. Der relative Energieverbrauch
Strombedarfs aus erneuerbaren Energien erzeugt,          allein für den Transport (in Tanklastwagen mit
da haben wir ja schon die Hälfte.“ (Interview am         hohem Kompressionsdruck) im Verhältnis zur
9. Mai 2009 durch den Fernsehkanal Phoenix)              transportierten Energie würde Wasserstoff bei fast
Energie in flüssiger, leicht transportierbarer und       jeder Entfernung unwirtschaftlich machen.5 Das
gut handhabbarer Form ist unabdingbare Vor-              Resümee des schon erwähnten Minqui Li lautet:
aussetzung zur Aufrechterhaltung der Mobilität in        Aufgrund der chemisch-physikalischen Eigen-
bisherigem Stil. Wasserstoff galt lange als der          schaften von Wasserstoff ist eine Wasser-
ideale Ersatz für flüssigen Treibstoff. Eine was-        stoffwirtschaft in großem Stil undenkbar ...
serstoffgetriebene Brennstoffzelle hat tatsächlich       Berücksichtigt man die nötigen Umwandlungs-
einen Wirkungsgrad von 60% und übertrifft damit          prozesse, Verflüssigung, Transport etc., so stehen
Benzinmotoren deutlich. Aber Wasserstoff ist             10 bis maximal 20% der aufgewendeten Energie
keine Energiequelle, sondern ein Speicher-               für den Endverbrauch zur Verfügung. (Minqui Li,
medium. Grundsätzlich sind zwei Wege der                 158)
Wasserstoffproduktion gangbar: die Herstellung           Es führt einfach kein Weg daran vorbei: Da jede
aus Kohlenwasserstoffen, heute konkret Methan,           Form von Energie endlich ist und dem phy-
oder mittels Elektrolyse aus Wasser, wobei es            sikalischen Gesetz der Entropie unterliegt, da
natürlich grundsätzlich möglich ist, das Elektro-        auch scheinbar im Überfluss vorhandene Energie
lyseverfahren mittels Energie aus erneuerbaren           erst mühsam und selbst wieder unter hohem
Quellen durchzuführen. Bei beiden Verfahren              Energieaufwand verfügbar gemacht werden muss,
liegt der Stromverbrauch bei etwa 5 KWh pro              werden wir ein anderes Verhältnis zur Mobilität
Kubikmeter, bei der anschließenden Stromer-              insgesamt gewinnen müssen. Es entspricht ver-
zeugung aus Wasserstoff geht ebenfalls Energie           mutlich nicht menschlichem Maß, innerhalb von
verloren. Für den Fall, dass der Strom aus               24 Stunden an fast jedem beliebigen Punkt der
regenerativen Quellen stammt, wirft Benjamin             Erde sein zu können.
Dessus die Frage auf, welche Gesamtleistung sich
damit überhaupt realisieren lässt, wenn man              Eine Ökonomie des „Genug“
bedenkt, dass die großtechnische Herstellung von
Wasserstoff permanente Energiezufuhr in erheb-           Angesichts der knapper werdenden Energie und
lichen Mengen erfordert.(Le monde diplomatique,          angesichts der Tatsache, dass dieser Ausfall durch
14. 1. 2005). Richard Heinberg stellt in diesem          den Einsatz erneuerbarer Energien, durch mehr
Sinn fest: „Der zweite Hauptsatz der Thermo-             Energieeffizenz usw. nicht annähernd zu kom-
dynamik legt fest, dass Wasserstoff immer ein            pensieren ist, haben wir uns der Situation zu
Nettovelierer sein wird, da bei jeder Umwandlung         stellen, dass wir in naher Zukunft mit erheblich
ein Teil der nutzbaren Energie verlorengeht …            weniger Nettoenergie auskommen müssen. Damit
Angesichts der von vornherein recht niedrigen            ist aber das kapitalistische Wirtschaftssystem mit
Nettoenergie aus erneuerbaren Quellen sowie der          seiner Verwertungslogik (Kapitalakkumulation
Nettoenergieverluste bei der Umwandlung von              auf immer höherer Stufenleiter) nicht mehr
Strom in Wasserstoff und der anschließenden              aufrecht zu erhalten. Es setzt eine ausdifferen-
Rückwandlung von Wasserstoff in Elektrizität             zierte internationale Arbeitsteilung (mit entspre-
kommt man kaum an der Erkenntnis vorbei, dass            chenden Transportkapazitäten auf fossiler Basis)
die von wohlmeinenden Visionären propagierte             ebenso voraus wie eine immer energieintensivere
‚Wasserstoffwirtschaft‘ notwendigerweise mit             Produktion. Doch nicht nur der Kapitalismus,
weit weniger Energie auskommen muss als die
Wirtschaft, die wir bisher gewöhnt sind.“                5
                                                            Heinberg gibt an, dass die Energiemenge, die man
(Heinberg 2004, 245)                                     heute in einem Tanklastwagen mit Benzin transportiert,
Dazu kommen noch die erheblichen Infrastruktur-          im Fall von Wasserstoff 21 Tanklastwagen erforder-
und Sicherheitsprobleme, für die kaum Lösungen           lich machen würde!
                                                     6
unsere Industriegesellschaft insge-samt steht zur         zwangsläufig versagen. Die (begrenzten) Steue-
Disposition. Unsere Aufgabe kann es angesichts            rungsmechanismen des Marktes funktionieren nur
dieser Situation nur sein, dem Zusammenbruch              unter der Voraussetzung hoher Produktivität und
möglichst zuvorzukommen und den industriellen             eines genügend großen Ressourcenangebots.6 Die
Abrüstungsprozess bewusst zu steuern.                     fiskalische Lenkung der Nachfrage etwa durch
                                                          Besteuerung kann nur die soziale Kluft verschär-
Wer die Lebensgrundlagen weltweit sichern will,           fen und dazu führen, dass „unökologisches“
der muss eine Ökonomie und Kultur des „Genug“             Verhalten eben einer reichen Elite vorbehalten
anstreben, der muss sich vom parasitären Cha-             bleibt. Der freie Handel mit limitierten Ver-
rakter unseres Scheinwohlstands verabschieden.            schmutzungsrechten kann unter kapitalistischen
Um im Bild zu sprechen: Man kann eben nicht               Bedingungen nur zu krassen Fehlallokationen
gleichzeitig die Abschaffung der Legebatterien            führen. Eine Steuerung des Ressourcenangebotes,
fordern und an Joseph Goebbels‘ Forderung nach            Mengenregulierungen für Energie und Rohstoffe
dem Frühstücksei für jeden Deutschen festhalten           müssen mit Preiskontrollen und einer Rahmen-
wollen.                                                   planung einhergehen, die Produktion und Ver-
In erfrischendem Gegensatz zum ökologischen               brauch lenkt. Was, wie und wie viel produziert
Wohlstandschauvinismus eines Ernst Ulrich von             wird, kann nicht länger dem Chaos partikulärer
Weizsäcker macht Jeremy Rifkin klar, dass nicht           Profitinteressen überlassen bleiben, sondern muss
weniger als unsere Industriegesellschaft und die          – auf möglichst demokratische und partizipative
damit verbundenen Lebensgewohnheiten auf dem              Weise – bewusst organisiert werden. Die mit viel
Spiel stehen:                                             medialer Unterstützung geschürten Illusionen in
                                                          Bezug auf Energieeffizienz und erneuerbare
„Diejenigen, die sich … von den Illusionen des            Energien muten wie die hilflosen Abwehr-
industriellen Zeitalters nicht lösen können, …            versuche der sich aufdrängenden Konsequenz
werden sich dagegen wehren, dass Großstadt-               eines ökologischen Sozialismus an.
leben, industrielle Produktionsweisen und der
gesamte Komfort, der den sogenannten ‚amerika-
nischen Traum‘ genährt hat, im Widerspruch zum
Solarzeitalter stehen sollen. Ökologen und Wirt-
schaftswissenschaftler … haben jedoch mehr als
deutlich gemacht, dass wir uns der historischen
Realität nicht länger entziehen dürfen, dass fal-
sche Zukunftserwartungen ein überaus gefähr-
liches Abenteuer bedeuten, vielleicht eine irrever-
sible Katastrophe. Ganz gleich, welchen Weg wir
auch einschlagen, der bevorstehende Wendepunkt
wird uns Opfer und Verzicht nicht ersparen.“
(Rifkin 213 f)

Eine nachhaltige, die elementaren Lebens-
grundlagen sichernde Wirtschaft darf jedoch nicht
nur nicht wachsen, sie muss schrumpfen mit dem
Ziel, ein verträgliches Niveau des „steady state“,
das heißt eines stationären Gleichgewichts, zu
erreichen. Natürlich ist dies mit der dem
Kapitalismus eingeschriebenen Wachstumslogik
nicht mehr zu vereinbaren. Die erforderliche
ökonomische Abrüstung kann nur in bewusster
Planung erfolgen. (In Auseinandersetzung mit              6
Herman Daly, Harry Shutt, den „Marktsozia-                  Nur in einer Situation, in der Produzenten und
listen“, Elmar Altvater und anderen hat dies vor          Verbraucher auf Preissignale flexibel genug reagieren
allem Saral Sarkar in seinen beiden unten                 können, sind Marktmechanismen effizient. Aufgrund
                                                          der Ressourcenknappheit werden wir es aber mit
angeführten Büchern aufgezeigt). Die Rohstoff-            Verkäufermärkten zu tun haben. Die Marktlogik würde
und Energieverknappung und das Einhalten                  es hier verlangen, dass die Preise bis zum Niveau des
ökologischer Mindeststandards führen unweiger-            (knappen) Angebots ansteigen müssten, mit der
lich zum Wegbrechen ganzer Industriebranchen.             Konsequenz, dass bestimmte Güter nur noch für Rei-
„Marktkonforme“ Steuerungsgesetze müssen hier             che in ausreichender Menge zur Verfügung stünden.
                                                      7
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        Zukunft der industrialisierten Welt,
                                                               2008.
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        Grenze, in: Frankfurter Rundschau, 21.                 Dr. Bruno Kern, Mombacher Str. 75 A
        Januar 1997.                                           55122 Mainz
    -   Change,      and      Other    Converging
        Catastrophes of the Twenty-First Century,              Tel.: 06131/236461
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        Accounting. Emergy and Decision
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    -   Rifkin, Jeremy, 1985: Entropie – ein                   Spendenkonto:
        neues Welbild, Frankfurt /Berlin.
    -   Sarkar, Saral, 2009: Die Krisen des                    Bruno Kern, Sparkasse Mainz
        Kapitalismus. Eine andere Studie der                   BLZ: 550 501 20
        politischen Ökonomie, Köln/Mainz (zu                   Kontonr.: 1000128817
        beziehen        über     die      Initiative           Kennwort: Ökosozialismus
        Ökosozialismus,
        www.oekosozialismus.net; Bruno Kern,
        Mombacher Straße 75 A, 55122 Mainz;
        Tel.:        06131/236461;         E-Mail:
        fackelkraus@gmx.de)
    -   Saral Sarkar, 2001: Die nachhaltige
        Gesellschaft. Eine kritische Analyse der
        Systemalternativen, Köln (zu beziehen
        über die Initiative Ökosozialismus, s.o.)
    -   Saral Sarkar / Bruno Kern, 2008:
        Ökosozialismus oder Barbarei. Eine
        zeitgemäße Kapitalismuskritik, Köln
        Mainz (Broschüre, zu beziehen über die
        Initiative Ökosozialismus).
    -   Stern, Nicholas, Stern Review: Der
        wirtschaftliche Aspekt des Klimawandels
        (aus dem Internet)
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V.i.S.d.PG: Bruno Kern, Mainz

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