Internationalisierung und Steuerung metropolitaner Wohnungsmärkte - CORE

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Internationalisierung und Steuerung metropolitaner Wohnungsmärkte - CORE
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2010                                                                                                          403

Internationalisierung und Steuerung                                                            Tom Becker
                                                                                               Markus Hesse
metropolitaner Wohnungsmärkte
Das Beispiel Luxemburg

1   Einführung

Der Luxemburger Wohnungs- und Immobi­          Standort Luxemburg ist u. a. mitbedingt
lien­markt hat sich in der jüngeren Vergan-    durch Knappheiten bzw. hohe Preise am lo-
genheit sehr dynamisch entwickelt. Zudem       kalen Wohnungsmarkt, denen auf der Nach-
ist er durch einen bemerkenswert hohen         frageseite zunehmend durch Expan­sion in
Grad an Internationalität gekennzeichnet.      das grenznahe Ausland ausgewichen wird.
Dieser Umstand geht zunächst auf die er-
                                               Auf beide Problemlagen – die wachsenden
folgreiche Transformation des früheren
                                               sozial- und wirtschaftsräumlichen Verflech-
Stahlstandorts zu einem Zentrum europä-
                                               tungen wie auch die Knappheiten auf dem
ischer Institutionen sowie zu einem glo-
                                               Wohnungsmarkt – hat der luxemburgische
balen Cluster der Finanzwirtschaft und
                                               Staat reagiert und gemeinsam mit Gemein-
Finanzplatz zurück. Dies hat dem Land und
                                               den und Gemeindeverbänden einige durch-
vor allem seiner Hauptstadt gemessen an
                                               aus unkonventionelle Steuerungsversuche
den gut 490  000 bzw. knapp 90  000 Einwoh-
                                               entworfen. Die entsprechenden Instrumen-
nern einen erheblichen Bedeutungsüber-         te, sowohl planerische als auch marktwirt-
schuss verschafft. Darüber hinaus leben in     schaftliche Strategien, zielen in ihrer Mehr-
dem Land außerordentlich viele Migranten       zahl auf die beschleunigte Mobilisierung von
(davon ca. 65  % in der Hauptstadt), begin-    Wohnungsmarktangeboten ab, u. a. durch
nend mit der Einwanderung von Italienern       die räumliche Differenzierung der Imple-
und Portugiesen ab den 1960er Jahren bis       mentation nach landesplanerischen Zielvor-
hin zu den kosmopolitanen Funktionseliten      gaben sowie durch den Abschluss bilateraler
des Europa- und Bankensektors. Luxemburg       Vereinbarungen zwischen Staat und Gebiets-
ist schließlich anziehungsstarkes Zentrum      körperschaften („Pacte logement“).
der Großregion/Grande Région (neben dem
Großherzogtum bestehend aus Wallonien,         Vor diesem Hintergrund gibt der Beitrag ei-
Lothringen, Saarland und Rheinland-Pfalz),     nen Überblick über die staatlich-kommu-
das in den letzten Jahren überproportional     nalen Interventionen auf dem zunehmend
stark gewachsen ist und enge Verflechtun-      europäisierten Wohnungsmarkt Luxem-
gen aufweist.1                                 burgs. Dazu wird insbesondere das laufen-
                                               de Wohnungsmarktmonitoring der luxem-
Die eher klein- und mittelständischen          burgischen Regierung ausgewertet. Das
Strukturen der luxemburgischen Woh-            Wohnungswesen stellt zugleich ein wich-
nungswirtschaft konnten mit dem rapiden        tiges Handlungsfeld der staatlichen und
Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum          kommunalen Nachhaltigkeitspolitiken dar.
der vergangenen Jahre kaum mithalten; zu-      Es ist insofern ein typisches Konfliktfeld
mindest steht der hohen Nachfrage nach         für Strategien in Richtung Nachhaltigkeit,
Wohnraum ein sich nur langsam auswei-          als es die konkurrierenden Zieldimensio-
tendes Angebot gegenüber. Während in den       nen von Steuerung der Raumentwicklung
größeren Städten des Landes, d. h. neben                                                       Tom Becker,
                                               einerseits und Ausweitung des (finanzier-
                                                                                               Prof. Dr. Markus Hesse
der Hauptstadt insbesondere im 30  000         baren) Wohnraumangebots andererseits            Universität Luxemburg
Einwohner zählenden Esch-sur-Alzette, ein      miteinander verbindet. Ob und inwieweit         Arbeitsgruppe Geographie und
durchaus nennenswerter Mietwohnungs-           dieses Konfliktfeld auflösbar ist, wird sich    Raumplanung
markt existiert, herrscht in den zahlreichen   erst langfristig zeigen. Die bereits heute      Campus Walferdange
                                                                                               Route de Diekirch
kleineren Gemeinden Wohneigentum vor.          ergriffenen Maßnahmen können jedoch
                                                                                               7201 Walferdange
Diese Bestände können nur sehr begrenzt        dahingehend bewertet werden, ob die for-        Luxemburg
zusätzliche Nachfragemengen absorbieren.       mulierten Strategien ihrem Ziel auf diesem      E-Mail: tom.becker@uni.lu
Auch die ausgeprägte Pendlermobilität am       Wege entscheidend näher rücken können.          markus.hesse@uni.lu
Internationalisierung und Steuerung metropolitaner Wohnungsmärkte - CORE
Tom Becker, Markus Hesse: Internationalisierung und Steuerung metropolitaner
404                              Wohnungsmärkte – Das Beispiel Luxemburg

                                 2 Der Standort Luxemburg – Kontext                   Arbeitsplätze im tertiären Sektor nieder,
                                   und Spezifika                                      wobei Finanzdienstleistungen und unter-
                                                                                      nehmensorientierte Dienste den größten
                                 Das Großherzogtum Luxemburg und die                  Teil ausmachen.
                                 Hauptstadt Luxemburg-Stadt stehen bei-
                                                                                      Zum anderen konnte sich diese Entwick-
                                 spielhaft für eine bisher sehr erfolgreiche
                                                                                      lung nur aufgrund der stetigen Internatio-
                                 wirtschaftliche Transformation, die auf ei-
                                                                                      nalisierung Luxemburgs an sich vollziehen,
                                 ner umfassenden Diversifizierung von der
                                                                                      wozu seit den 1960er Jahren eine starke
                                 eisenschaffenden Industrie über europä-
                                                                                      Migration, der Ausbau zum europäischen
                                 ische Institutionen zum globalen Finanz-
                                                                                      Finanzplatz sowie eine enge Verflechtung
                                 markt beruhte. Die außerordentlich dyna-
                                                                                      mit den Nachbarregionen beigetragen ha-
                                 mische Entwicklung Luxemburgs ist durch
                                                                                      ben. So waren 2009 215  500 Einwohner des
                                 zwei Besonderheiten gekennzeichnet: Zum
                                                                                      Landes (ca. 45 %) nicht-luxemburgischer
                                 einen fand sie in einem vergleichsweise
                                                                                      Staatsangehörigkeit; auch setzt sich diese
                                 kleinen Gebiet statt, das heute ca. 493  000
                                                                                      Gruppe aus sehr unterschiedlichen Mig-
                                 Einwohner (2009) und 348  700 Beschäftig-
                                                                                      rationsmilieus zusammen. Luxemburg ist
                                 te (2008) umfasst.2 Sie schlägt sich insbe-
                                                                                      zugleich Teil eines großen grenzüberschrei-
                                 sondere in einer hohen Zahl qualifizierter
                                                                                      tenden Arbeitsmarkts, der die französische
Abbildung 1                                                                           Region Lothringen, das belgische Wallo-
Grenzgängerströme in der Großregion 2007–2008                                         nien, die deutschen Länder Saarland und
                                                                                      Rheinland-Pfalz sowie Luxemburg umfasst
                                                                                      (Abb.  1). Dieser Arbeitsmarkt wird auf eine
                                                                                      Größenordnung von ca. 200  000 Erwerbstä-
                                                                                      tigen geschätzt, von denen ca. die Hälfte aus
                                                                                      Lothringen kommt und drei Viertel in Lu-
                                                                                      xemburg arbeitet (Abb. 2). Täglich pendeln
                                                                                      über 140  000 Grenzgänger nach Luxemburg
                                                                                      ein (zur Hälfte aus Frankreich, jeweils zu ei-
                                                                                      nem Viertel aus Belgien und Deutschland),
                                                                                      ein überwiegender Teil davon nach Luxem-
                                                                                      burg-Stadt. Dessen Tagesbevölkerung ver-
                                                                                      doppelt sich dadurch nahezu.3
                                                                                      Trotz geringer Größe steht Luxemburg-Stadt
                                                                                      insofern in einer Reihe mit anderen Stadtre-
                                                                                      gionen, die für sich das Etikett der Metro-
                                                                                      pole beanspruchen. Das Beispiel Luxem-
                                                                                      burg zeigt jedoch, dass Metropolfunk­tionen
                                                                                      nicht mehr klassisch an das Territorium der
                                                                                      Metropole gebunden sind, sondern den
                                                                                      jeweiligen Wachstumsdynamiken folgend
                                                                                      sehr spezifisch lokalisiert sein können. Die-
                                                                                      sen Wandel haben Kollegen auch als Pro-
                                                                                      zess der „Metropolisierung“ klassifiziert.4
                                                                                      Dabei geht es nicht um die Entwicklung der
                                                                                      Großstadtregionen per se zu Metropolregio­
                                                                                      nen, auch nicht um ein „upscaling“ ein-
                                                                                      zelner Standorte im Städtesystem. Es geht
                                                                                      vielmehr darum, dass Globalisierung und
                                                                                      neue Informa­tionstechnologien zur Neu-
                                                                                      justierung städtischer Zentralitäten geführt
                                                                                      haben. Als Konsequenz hat sich ein metro-
                                                                                      politaner Raum neu konstituiert, was Stadt-
                                                                                      regionen auch unabhängig von ihrer Größe
Quelle: Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle/Observatoire interrégional du   metropolitane Attribute verleiht. Die Globa-
marché de l’emploi (IAB/OIE): Die Arbeitsmarktsituation in der Großregion.
6. Bericht der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle an den 11. Gipfel der Exekutive der     lization and World-City (GaWC)-Klassifika-
Großregion. – Saarbrücken 2009                                                        tion der Universität Loughboro hat Luxem-
Internationalisierung und Steuerung metropolitaner Wohnungsmärkte - CORE
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2010                                                                                                           405

burg auf dem Delta-level „Di” positioniert,      Abbildung 2
auf der Basis von „relativ starker Evidenz für   Entwicklung des Grenzgängeranteils an der Gesamtbeschäftigung
                                                 im Großherzogtum Luxemburg 1995 bis 2008
world city-formation“. Es liegt damit auf ei-
ner Ebene mit Vergleichsstädten wie Dublin,       Anzahl der
Helsinki, Lyon oder Wien – also weitaus grö-      Beschäftigten
ßeren Städten.5                                   350 000

In der Alltagspraxis setzt die quasi-metro-       300 000
politane Entwicklung Luxemburgs viele Be-
teiligte (Erwerbstätige, Wohnbevölkerung,         250 000
Einpendler, Stadtplaner, Unternehmen etc.)
einem wachsenden Stress aus: Mobilität            200 000
kostet Zeit, Geld und Nerven; die Vorhal-
tung von Wohnraum, Infrastruktur, Erreich-        15 0000
barkeit ist langwierig und teuer. Zudem ist
                                                  100 000
das institutionelle Regelwerk in Luxemburg
– trotz der eher flachen Hierarchie zwischen
                                                   50 000
Staat und Kommunen – denkbar kom-
plex. Eine regionale Planungsebene gibt es               0
noch nicht; Konflikte entstehen zwischen                      1995      2000       2002          2004     2006   2008
sektoralen Planungen und räumlicher Ge-                                                   Jahr

samtplanung ebenso wie zwischen Staat                        Gesamtbeschäftigung   Franzosen        Deutsche
                                                             Grenzpendler          Belgier
und Gemeinden. Der Wohnungsmarkt ist
schwierig, der Nachholbedarf bei der An-         Quelle: STATEC
passung der Verkehrsinfrastruktur größer
als anderswo. Es gehört wenig Phantasie zu
                                                 Abbildung 3
der Vorstellung, dass die im weiteren Sinne      Entwicklung des Wohnungsbestands im Großherzogtum Luxemburg
planerische, d. h. in die Zukunft gerichte-      zwischen 1947 und 2001
te raumbezogene Bewältigung dieser Her-
ausforderungen nicht nur sehr komplex ist,         Anzahl
sondern auch schwieriger erscheint als an-         der Wohnungen
dernorts.                                          180 000

                                                   160 000

3 Der Luxemburger Wohnungsmarkt                    140 000

                                                   120 000
Dank der erfolgreichen wirtschaftlichen
Entwicklung und nicht zuletzt wegen der            100 000
ausgeprägten Internationalisierung des lu-
                                                   80 000
xemburgischen Arbeitsmarkts ist die Bevöl-
kerung des Großherzogtums in den vergan-           60 000
genen 30 Jahren sehr stark angewachsen.            40 000
Wie die nachfolgenden Eckdaten zeigen,
konnte der Luxemburger Wohnungs- und               20 000
Immobilienmarkt diesem Bevölkerungszu-                  0
wachs nur bedingt gerecht werden. Auch                        1947      1960       1970          1981     1991   2001
                                                                                          Jahr
führten die neuen Entwicklungsdynamiken
                                                             Sämtliche Gemeinden
zu großen lokalen und regionalen Unter-                      Stadt Luxemburg
schieden.
2001 lebten die damals rund 440  000 Ein-        Quelle: STATEC
wohner landesweit in etwa 172  000 Woh-
nungen (Abb. 3). Die durchschnittliche           19 % gestiegen (1991: 145  000 Wohnungen).
Haushaltsgröße betrug demnach 2,6 Per-           2001 machten Einfamilienhäuser 61  % und
sonen.6 Zwischen 1991 und 2001 ist der be-       Appartements 35  % des gesamten bewohn-
wohnte Wohnungsbestand im Großherzog-            ten Wohnbestands aus. Besonders die Zahl
tum wegen der starken Immigration und            der Appartementbewohner ist von 1991 bis
sich verändernder Lebensformen um fast           2001 mit 35  % sehr stark angewachsen.7
Tom Becker, Markus Hesse: Internationalisierung und Steuerung metropolitaner
406                          Wohnungsmärkte – Das Beispiel Luxemburg

Abbildung 4                                                                   meinden. In Luxemburg-Stadt ist der Anteil
Fertiggestellte Wohneinheiten 1970–2002 nach Typen                            des Geschosswohnbaus zwischen 1971 und
                                                                              2000 auf mehr als 75  % gestiegen.12
 Anzahl der
 Wohnungen                                                                    Einer der Gründe für den Anstieg der Zahl
 3 500
                                                                              von Appartementhäusern und den Rück-
 3 000                                                                        gang von Eigenheimen ist zweifelsohne der
                                                                              anhaltende Preisanstieg von Baugrundstü-
 2 500
                                                                              cken seit Mitte der 1990er Jahre. Baugrund-
 2 000                                                                        stücke werden für Durchschnittsverdie-
 1 500
                                                                              ner-Haushalte immer unerschwinglicher.
                                                                              Besonders in den urbanen und periurba-
 1 000                                                                        nen Räumen lassen sich solch hohe Grund-
  500                                                                         stückspreise nur durch die Errichtung von
                                                                              Appartements gewinnbringend decken. Vie-
      0
                                                                              les spricht zudem dafür, dass Grundstücks-
       70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06
                                                                              eigentümer in Erwartung weiter steigender
          Wohnungen gesamt   Einfamilienhäuser   Appartements                 Preise und immer höherer Gewinne nicht
                                                                              geneigt sind, ihre Baugrundstücke kurzfris-
Quelle: STATEC
                                                                              tig zu veräußern.
                             Die jährliche Wohnbauleistung war in den
                             letzten 30 Jahren starken Schwankungen           Hohe Grundstückspreise und die daraus
                             ausgesetzt (Abb. 4). Nach einem Höchst-          resultierende Geschossbauweise haben ih-
                             stand Mitte der 1970er Jahre mit ungefähr        rerseits aber auch einen positiven Impact
                             3  400 Wohnungen pro Jahr fiel die Zahl          auf den Nutzeffekt des Baulands. Sie haben
                             rasch auf ein Rekordtief von ungefähr 1  340     in den letzten Jahren dazu geführt, dass die
                             Wohnungen im Jahr 1985. Die jährliche            Bebauungsdichte in den urbanen und pe-
                             Wohnbauleistung zog danach rasch an und          riurbanen Räumen, von einigen Ausnah-
                             erreichte 1993 einen Rekord von ungefähr         men abgesehen, generell weiter gestiegen
                             3  400 Wohneinheiten. Allerdings schwankt        ist. Im landesweiten Durchschnitt werden
                             die Zahl neuer Wohneinheiten seit diesem         525  m² pro Wohneinheit (WE) verbraucht,
                             Zeitpunkt zwischen 2  000 und 3  000 pro         das entspricht einer Bebauungsdichte von
                             Jahr.8 Laut einer 1991 vom Bureau LIP ver-       etwa 19  WE/ha. In den ländlichen Gebie-
                             öffentlichten Wohnungsbedarfsstudie 1991–        ten Luxemburgs hingegen liegt die Bebau-
                             2001 hätten in Luxemburg jährlich mindes-        ungsdichte eher um die 13 WE/ha.13 Was
                             tens 3  200 neue Wohneinheiten geschaffen        die räumliche Verteilung der jährlich fertig
                             werden müssen, um den stetig wachsenden          gestellten Wohneinheiten betrifft, gab es
                             Wohnbedarf zu decken.9 Dieses Ziel konnte        in den vergangenen 30 Jahren keine mar-
                             im vorgegebenen Zeitraum nicht erreicht          kanten Veränderungen: Der urbane und
                             werden.                                          der periurbane Raum im Zentrum und Sü-
                                                                              den Luxemburgs stehen für 70  % der neuen
                             Der Einfamilienhausbau ist in den vergan-
                                                                              Wohneinheiten. Nach wie vor sind es also
                             genen 30 Jahren langfristig zurückgegangen
                                                                              die am stärksten urbanisierten Regionen,
                             und hat seit Anfang der 1990er Jahre sogar
                                                                              die die meisten neuen Wohneinheiten ver-
                             neue Tiefstwerte erreicht. Sein Anteil an den
                                                                              zeichnen.14
                             fertig gestellten Wohnungen sank zwischen
                             1989 und 2006 kontinuierlich von knapp           Hinsichtlich der Besitzformen wird der
                             1  500 auf unter 1  000 Häuser. Dies ist inso-   luxemburgische Wohnungs- und Immo-
                             fern überraschend, als das Einfamilienhaus       bilienmarkt seit den 1960er Jahren vom
                             laut Umfragen immer noch die bevorzugte          Wohn­eigentum dominiert. Rund 92  % aller
                             Wohnform darstellt.10 Abgesehen von eini-        Häuser und Wohnungen gehören Privat-
                             gen Schwankungen in den 1990er Jahren            personen. Dieser hohe Eigentümeranteil
                             hat sich die Neubauleistung im Geschoss-         beruht zum Großteil sicherlich auf dem ver-
                             wohnbau (Appartmentwohnungen) dage-              gleichsweise hohen Lebens- und Einkom-
                             gen seit den 1980er Jahren fast verdreifacht     mensstandard in Luxemburg, der es vielen
                             und erreichte in den letzten Jahren fast 60  %   Privatpersonen ermöglicht, den Wunsch
                             an den fertig gestellten Wohnungen.11 Am         nach einem Eigenheim zu verwirklichen.
                             höchsten war dabei die Steigerung in den         Rund 29  % dieser sich in Privateigentum
                             südlich der Stadt Luxemburg gelegenen Ge-        befindlichen Wohnungen werden vermie-
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2010                                                                                                               407

Beispiel eines neuen Appartementwohnbaus in Bereldange           Beispiel einer neuen Wohnsiedlung mit Eigenheimen
                                                                 in Gonderange
                                                                                                                Fotos:Tom Becker
tet (im Vergleich zu 57  % in Deutschland          sen und ihren Wohnsitz in die umliegenden
und 38  % in Frankreich). 2001 waren 67  %         Grenzregionen verlegt.18 Etwa 34  % von ih-
der Haushalte Eigentümer der von ihnen             nen sind nach Belgien, 40  % nach Frank-
bewohnten Wohnung. Im europäischen                 reich und 26  % nach Deutschland gezogen.
Vergleich liegt Luxemburg damit im Mittel-         Ungefähr 23  % dieser Wegzügler waren Lu-
feld. Mit 39  % ist der Anteil der zu vermie-      xemburger, 28  % Franzosen, 23  % Bel­gier,
tenden Häuser im europaweiten Vergleich            9  % Portugiesen und 8  % Deutsche. Der mit
relativ hoch (nur 25  % in Frankreich).15          Abstand größte Teil der Arbeitnehmer, die
Wohnungseigentümer bewohnen vorzugs-               ihren Wohnsitz verlagerten, lebte zuvor in
weise Einfamilienhäuser mit Wohnflächen            den urbanen und periurbanen Räumen
von über 100 m², während Mieterhaushalte           im Zentrum und Süden Luxemburgs. Die
überwiegend in Appartements mit Wohn-              meisten von ihnen ließen sich in oder in
flächen zwischen 50 und 125 m² leben. Nur          der Nähe von urbanen Zentren wie Arlon
ein Viertel der Wohnungen in der Größe ab          (Belgien), Metz und Thionville (Frankreich)
100  m² wird vermietet.16 Die meisten Miet-        sowie Trier, Saarburg und Prüm (Deutsch-
wohnungen oder -häuser befinden sich in            land) nieder. Die Befragung über die Be-
den urbanen und periurbanen Räumen im              weggründe für einen solchen Umzug hat er-
Zentrum und im Süden Luxemburgs sowie              geben, dass etwa 50  % der Befragten wegen
entlang der Hauptverkehrsachsen (Auto-             der hohen Wohnungspreise ins Grenzgebiet
bahn, Landstraßen und Schienenverkehr).            gezogen sind;19 besonders die Luxemburger
Die Mietpreise dort sind relativ hoch und          und Portugiesen gaben dies als Hauptgrund
liegen im Durchschnitt zwischen 5,20  € und        an. Die meisten Arbeitnehmer zogen um,
7,21  €/m², also deutlich höher als in den         um Hauseigentümer zu werden. Neben den
                                                   hohen Immobilienpreisen könnten für viele
eher rural geprägten Räumen mit Mieten
                                                   ausländische Arbeitnehmer auch kulturelle
zwischen 2,69  € und 4,69  € (Stand 2001).17
                                                   und sprachliche Gründe von Bedeutung für
Der Wunsch nach einem Eigenheim sowie              den Umzug gewesen sein. Während 78  %
die hohen Grundstücks- und Wohnungs-               der Befragten ihren Umzug als Verbesserung
preise sind die Hauptursachen dafür, dass          ihrer Wohnsituation sahen, gaben knapp
eine kleine, wenn auch nicht unbedeuten-           67  % an, sie seien nicht zufrieden mit den
de Gruppe von Arbeitnehmern aus Luxem-             längeren Fahrwegen zwischen dem neuen
burg wegzieht und sich im nahegelegenen            Zuhause und dem Arbeitsplatz. Fast 78  %
Grenzgebiet niederlässt – bei weiterer Be-         aller Arbeitnehmer hätten es vorgezogen, in
schäftigung im Großherzogtum. Es handelt           Luxemburg zu bleiben, aber nur 10  % der
sich hierbei um ein noch junges Phänomen,          zwischen 2001 und 2007 ausgewanderten
das seit Ende der 1990er Jahre immer mehr          Personen lebten 2008 wieder dort, darunter
an Dynamik gewonnen hat. Zuverlässige              vor allem Portugiesen und Luxemburger.20
Angaben über die Anzahl solcher Arbeit-            Als Hauptursache dieser unfreiwillig erfolg-
nehmer gibt es bisher kaum. Laut einer             ten Migration werden überwiegend die ho-
Studie durch das CEPS/INSTEAD aus dem              hen Immobilienpreise vor Ort genannt.
Jahr 2008 haben etwa 9  500 Arbeitnehmer
zwischen 2001 und 2007 Luxemburg verlas-
Tom Becker, Markus Hesse: Internationalisierung und Steuerung metropolitaner
408   Wohnungsmärkte – Das Beispiel Luxemburg

      Mit dieser neuen grenzüberschreitenden         2021 mit einer Neubauleistung von durch-
      Wohnmobilität sind sozio-ökonomische           schnittlich etwa 2  800 Wohnungen jährlich,
      und infrastrukturelle Probleme unter-          um die im Pendlerszenario vorgesehene
      schiedlicher Art verbunden: Die Pendler-       Einwohnerzahl von 511  000 Einwohnern zu
      ströme nach Luxemburg steigen stetig, was      erreichen. Um eine optimale Wohnraum-
      mangels eines effizienten grenzüberschrei-     versorgung für alle Bürger gemäß des Ein-
      tenden öffentlichen Verkehrs bereits heute     wohnerszenarios zu garantieren, müsste
      zu einem hohen Verkehrsaufkommen auf           die jährliche Neubauleistung sogar etwa
      den Straßen führt und auch weiter führen       3  400 Wohnungen betragen.22 Unabhängig
      wird. Der positive Effekt auf die luxembur-    von den IVL-Entwicklungsszenarien rech-
      gischen Wohnungs- und Immobilienpreise         net das statistische Amt in Luxemburg (STA-
      infolge der grenzüberschreitenden Wohn-        TEC) in seiner Projektion des Wohnungsbe-
      mobilität ist als eher gering einzuschätzen.   darfs für den gleichen Zeitraum aber mit
      Dagegen wird das Bauland in Grenznähe          maximal 519  000 Einwohnern in 2020. Dies
      zu Luxemburg immer teurer. Für viele die-      würde sogar bedeuten, dass jährlich etwa
      ser Grenzgänger, vor allem aber bei den        4  800 neue Wohnungen geschaffen werden
      Luxemburgern, stellt sich auch die Frage,      müssten, um den Bedarf abzudecken.23
      in welchem Land sich eigentlich ihr Alltag
                                                     Unabhängig davon, auf welche Trend-
      abspielt und wo ihre Kinder zur Schule ge-
                                                     fortschreibung man sich stützt: Es ist of-
      hen sollen. Luxemburgische Gemeinden
                                                     fensichtlich, dass der Bedarf an neuem
      sind nämlich nicht dazu verpflichtet, die
                                                     Wohnraum wegen der zu erwartenden so-
      im nahen Ausland lebenden Kinder in ihren
                                                     zioökonomischen Entwicklung des Groß-
      Schulen aufzunehmen.
                                                     herzogtums weiter steigen wird. Die aktuel-
      Aufgrund kleinerer Haushalte und eines wei-    le Wohnbauleistung reicht daher bei weitem
      teren Wirtschafts- und Bevölkerungswachs-      nicht aus, und auch die zunehmende grenz-
      tums werden auch in den kommenden Jah-         überschreitende Wohnmobilität bietet hier
      ren immer mehr Wohnungen benötigt. Das         keine nachhaltige Lösung. Allerdings sind
      Integrative Verkehrs- und Landesplanungs-      die Baulandreserven und das entsprechen-
      konzept (IVL) bietet zwei mögliche Szenari-    de Entwicklungspotenzial in Luxemburg
      en, um den wachsenden Wohnungsbedarf           begrenzt. Derzeit sind rund 10,3  % der sich
      zu decken: Nach dem sog. Pendlerszenario       im Bauperimeter befindlichen Zonen noch
      werden 75  % der bis 2021 zu besetzenden       unbebaut und könnten für die Errichtung
      Arbeitsplätze von Pendlern gedeckt werden.     weiterer Wohnungen genutzt werden.24
      Die Zahl der Pendler wird danach markant       Ungefähr 58  % davon befinden sich in den
      steigen, während die Anzahl der Einwohner      drei am stärksten urbanisierten Regionen
      auf 511  000 steigen wird. Der grenzüber-      Luxemburgs (Zentrum Süd: 33  %, Zentrum
      schreitende Pendelverkehr wird zunehmen;       Nord: 10  %, Süden: 15  %).25 Im Durchschnitt
      gleichzeitig müsste weniger Siedlungsflä-      verfügen die luxemburgischen Gemeinden
      che in Luxemburg geschaffen werden. Das        über 23,38 ha Bauland für Wohnzwecke,
      sog. Einwohnerszenario sieht vor, dass die     wobei Luxemburg-Stadt mit Abstand über
      Mehrzahl der neuen Arbeitnehmer sich in        die meisten Baulandreserven verfügt (ins-
      Luxemburg niederlassen wird, wodurch die       gesamt über 210 ha). Die beiden wichtigen
      Einwohnerzahl auf 561  000 ansteigen wür-      urbanen Zentren Esch/Alzette in Süden und
      de. Lediglich 40  % der Arbeitsplätze würden   Diekirch-Ettelbrück im Norden verfügen
      von Grenzgängern besetzt. Dies hätte zur       hingegen nur über wenige Freiflächen.26
      Folge, dass der Pendelverkehr abnehmen
                                                      Die Bebauung freier, sich im Perimeter be-
      würde, dadurch aber mehr Wohnraum ge-
                                                      findlicher Baureserven ist sicherlich wichtig,
      schaffen werden müsste.21
                                                      um Engpässen in der Wohnungsversorgung
      Was die Ausmaße des zukünftigen Woh-            kurzfristig vorzubeugen. Dazu müssten die-
      nungsbedarfs betrifft, liegen jedoch unter-     se Flächen allerdings schnell, d. h. in weni-
      schiedliche Berechnungen vor, basierend         ger als zwei Jahren mobilisiert werden kön-
      auf den im IVL vorgegebenen Szenarien           nen. Dies trifft nur für 33  % der unbebauten
      (Pendlerszenario und Einwohnerszenario).        Grundstücke zu – größtenteils Baulücken
      Der Vorentwurf zum Sektorplan Wohnen            oder Baulandflächen, für die schon sog.
      (Plan directeur sectoriel logement – PSL)      „Plans d’Aménagement Particuliers (PAP)“
      rechnet in seiner Trendfortschreibung bis       verabschiedet wurden, vergleichbar mit
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2010                                                                                    409

den Bebauungsplänen in Deutschland. Die         Konstellationen im Sinne einer modernen
restlichen zwei Drittel des sich im Perimeter   Governance-Konzeption. Die Planungsho-
befindlichen Baulands können nur länger-        heit liegt bei den Kommunen; ihnen steht
fristig erschlossen werden, da mehr als zwei    im zweistufigen politischen System Luxem-
Jahre nötig sind, um die erforderlichen Pro-    burgs nur der Staat als weiterer öffentlicher
zeduren abzuschließen.27                        Akteur gegenüber. Die Spezifik der Luxem-
                                                burger Situation weist ihm die Aufgabe zu,
                                                die verschiedenen Einzelpolitiken im Rah-
4 Markt und Plan – Strategien und               men der Raumordnungspolitik zu koordi-
  Steuerungsansätze                             nieren. Die staatlichen Planwerke haben
                                                bereits eine intensive Diskussion über die
Die dynamische sozioökonomische Ent-            Zielkorridore der Entwicklung und deren
wicklung Luxemburgs hat in den vergan-          Konkretisierung auf der nationalen und
genen Jahren den Ruf nach einer Koordi-         lokalen Ebene ausgelöst. Dies verwundert
nierung der unterschiedlichen Sektoren im       nicht, bedenkt man das Kräfteverhältnis
Zuge einer raumbezogenen Planungsstra-          zwischen den vielen kleinen, aber formal
tegie verstärkt. Dazu wurden verschiedene       starken Gemeinden im Großherzogtum (die
rechtliche bzw. strategische Planwerke und      in der jüngeren Vergangenheit auch einen
Instrumente eingerichtet, insbesondere          überproportional hohen Anteil am Bevölke-
der räumliche Gesamtplan „Programme             rungszuwachs getragen haben) und der – de
Directeur de l’Aménagement du Territoire“,      facto, zumindest theoretisch – hohen Ein-
der zurzeit in verschiedenen Sektorplänen       griffstiefe der Raumplanung auf nationaler
zu Themenfeldern wie Transport, Wohnen,         Ebene. Auch die wachsende Bedeutung der
Gewerbe und Freiraum/Landschaft konkre-         europäischen Entwicklung bzw. die EU-Po-
tisiert wird.28 Zu beachten sind außerdem       litikagenda spielen dabei eine Rolle.
formal weniger rigide, rechtlich unverbind-
                                                Eine zumindest programmatisch ausfor-
liche Dokumente wie das IVL von 2004, das
                                                mulierte Wohnungsbaupolitik wird im
primär konzeptionellen Charakter hat. Die
                                                Großherzogtum mindestens seit 1989 aktiv
Planwerke folgen einer sektorübergreifen-
                                                betrieben; damals stellte die Regierung of-
den Logik und treten vor dem Hintergrund
                                                fiziell eine Knappheit in der Wohnungsver-
wachsender räumlicher Disparitäten zwi-
                                                sorgung fest. 1990 wurde ein erstes Maß-
schen dem altindustrialisierten Süden, der
                                                nahmenbündel zur Bekämpfung dieser
unter besonderem Entwicklungsdruck ste-
                                                Probleme präsentiert. Allerdings dauerte
henden Hauptstadt und dem eher ländlich
                                                es bis zur Entwicklung eines Handlungs-
geprägten nördlichen bzw. östlichen Lan-
                                                programms Wohnen („Programme d’action
desteil mit dem Anspruch einer integrierten
                                                Logement“) dann weitere elf Jahre. In der
Entwicklung auf.29
                                                Zwischenzeit erhielt die Wohnungspolitik
Der Wohnungssektor ist für Luxemburg            zudem ein eigenes Ministerium, das zeit-
eine komplexe Herausforderung – wegen           weilig auch für Raumplanung und Städte-
der disparitären Raumentwicklung inner-         bau zuständig war. Am 21. September 2006
halb des Großherzogtums, des wachsen-           trat das Mietgesetz in Kraft („Loi sur le bail
den Grades an internationaler Verflechtung      à usage d’habitation“), mit dem der starke
und auch mit Blick auf die hohen Preise         Anstieg der Mieten begrenzt werden sollte.
für Grundstücke und Wohneigentum bzw.           Per Gesetz wurden 2003 außerdem kleinere
die hohen Mieten.30 Die Notwendigkeit zur       und mittlere Gemeinden besser als zuvor
stärkeren Steuerung dieses Handlungs-           mit Fördermitteln für den subventionierten
felds ist unbestritten. Je nach Strategie und   Wohnungsbau ausgestattet, um die wach-
Instru­ment treten jedoch auch innere Wi-       senden Engpässe auf dem Wohnungsmarkt
dersprüche zwischen und innerhalb dieser        zu beseitigen.31
Einzelpolitiken auf. So gerät etwa das Ziel
                                                Gegenwärtig sind in der luxemburgischen
einer preiswerten, sozial inklusiven Versor-
                                                Wohnungspolitik vor allem zwei konkrete
gung mit Wohnraum schnell in Konflikt mit
                                                Instrumente bzw. Planwerke von Bedeu-
den ökologischen Nachhaltigkeitszielen.
                                                tung: der 2008 eingeführte Pacte logement
Das spezifische „policy making“ auf dem         (PL – Wohnungspakt), sowie der Sektor-
Gebiet des Wohnungswesens ist charakteri-       plan Wohnen (Plan directeur sectoriel lo-
siert durch Mehrebenen- und Multiakteurs-       gement, PSL), dessen Vorentwurf im April
Tom Becker, Markus Hesse: Internationalisierung und Steuerung metropolitaner
410                        Wohnungsmärkte – Das Beispiel Luxemburg

                           2009 vorgestellt wurde.32 Unabhängig von        Bauleistung soll erhöht und der Zugang zu
                           dieser zeitlichen Abfolge kann man den          Wohnungen sichergestellt werden. Schließ-
                           PL als ein in den übergeordneten Rahmen         lich soll (5) dieses Handlungsfeld koordi-
                           des PSL eingeordnetes Teilinstrument der        niert und angemessen kommuniziert wer-
                           luxemburgischen Wohnungsbaupolitik be-          den.
                           greifen. Der Vorentwurf des PSL ist derzeit
                                                                           Zwei wichtige Randbedingungen sind dabei
                           Gegenstand eines sog. Strategic Environ-
                                                                           zu berücksichtigen:
                           mental Assessment (SEA) sowie umfang-
                           reicher Konsultationen der Öffentlichkeit.33    Zum einen will der PSL das Baulandange-
                           Die politische Beschlussfassung, mit der im     bot in den landesplanerisch ausgewiesenen
                           Jahr 2010 gerechnet wird, soll ein Rahmen-      Vorranggebieten in den urbanen Räumen
                           konzept definieren, dessen Realisierung im      und dem Stadtumland (periurbane Räume)
                           Zuge weiterer Schritte verbindlich gemacht      des Großherzogtums ausweiten. Zu diesem
                           werden soll. Auf diese Weise wird der PSL       Zweck legt er 39 Wohnvorranggemeinden in
                           zum entscheidenden Vehikel der Woh-             diesen Gebieten fest, die sich wegen ihrer
                           nungspolitik – zunächst einmal unabhängig       strukturellen, funktionalen und räumlichen
                           davon, ob seine Ziele auch auf der kommu-       Vorraussetzungen besonders für eine ver-
                           nalen Ebene geteilt werden.                     stärkte Entwicklung des Wohnbaus eignen.
                                                                           Zur Definition dieser Gemeinden wurden
                           Der PSL begreift die Wohnungspolitik als
                                                                           fünf Kriterien herangezogen: Entwicklungs-
                           einen wichtigen Bestandteil der Landespla-
                                                                           potenzial (d. h. vor allem Baulandreserve),
                           nung, wonach die Ausweitung des Wohn-
                                                                           Erreichbarkeit insbesondere im öffentli-
                           raumangebots in Einklang mit raumord-
                                                                           chen Verkehr, Multifunktionalität (Infra-
                           nerischen Zielen erfolgen soll. Er versteht
                                                                           strukturausstattung, Mischung), Dichte und
                           sich entsprechend als ein Instrument, das
                                                                           Urbanität sowie Wohn- und Lebensqualität.
                           die generellen Aussagen des „Programme
                                                                           Das Vorgehen bei der Festlegung dieser 39
                           Directeur de l’Aménagement du Territoire“
                                                                           Gemeinden ist in Abbildung 5 skizziert. Die
                           verräumlicht und den strukturellen, räum-
                                                                           Interaktion von Staat und Gemeinde, die
                           lichen und organisatorischen Rahmen für
                                                                           in diesem Schema kurz angedeutet wird
                           den künftigen Wohnungsbau definiert.34
                                                                           (“Staat informiert und prüft, Gemeinde
                           Insofern ist sein Steuerungsanspruch relativ
                                                                           agiert als Partner”), ist in der Praxis natur-
                           hoch. Die PSL-Ziele sind in fünf Handlungs-
                                                                           gemäß konfliktträchtiger, als es hier formu-
                           feldern zusammengefasst: (1) Der Wohnbau
                                                                           liert ist. Das hier auf regionaler Maßstab-
                           soll räumlich und regional gesteuert wer-
                                                                           sebene erfolgte „Screening” der Gemeinden
                           den, (2) Bauland soll aktiviert und effizient
                                                                           wird vor Ort ergänzt um die Identifikation
                           genutzt werden, (3) Bautätigkeit soll boden-
                                                                           geeigneter Entwicklungsgebiete und Bau-
                           sparend und nachhaltig erfolgen, (4) die
                                                                           flächen sowie eine entsprechende Anpas-
                                                                           sung der gemeindlichen Flächennutzungs-
Abbildung 5
Ablaufschema der Festlegung von Siedlungsschwerpunkten                     pläne (Plans d’Aménagement Générale,
                                                                           PAG). Weitere planerische Instrumente zur
                                                                           Mobilisierung des Flächenpotenzials sind
                                                                           Baulandverträge und -verpflichtungen.
                                                                           Zum anderen ist die Ausstrahlung des Lu-
                                                                           xemburger Wohnungs- und Arbeitsmarkts
                                                                           in das benachbarte Ausland zu berücksich-
                                                                           tigen. Dieser Aspekt ist jedoch in der Praxis
                                                                           wesentlich schwieriger umzusetzen und
                                                                           wurde daher auch noch nicht weiter kon-
                                                                           kretisiert. Hierzu heißt es im PSL lediglich,
                                                                           dass „die Wohnbaupolitik mangels unmit-
                                                                           telbarer Zuständigkeit in erster Linie Koor-
                                                                           dinations- und Kooperationsinstrumente
                                                                           entwickeln und einsetzen muss, um die
                                                                           Wohnungsmarktregion gesamthaft betrach-
                                                                           ten zu können.”35 Für eine solche schritt-
                                                                           weise Entwicklung einer gemeinsamen
Quelle: PSL, S. 38                                                         Wohnungsmarktregion bietet sich die Gran-
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2010                                                                                   411

de Région/Großregion mit ihren bereits          dichtungen, wie dies im konkreten Fall des
etablierten grenzüberschreitenden Koope-        Kirchbergs seit langem in der Diskussion ist,
rationen an. Speziell die Entwicklung des       stellt allerdings eine sehr komplexe Aufgabe
neuen Universitäts- und Forschungsstand-        dar.
orts Esch-Belval im Süden Luxemburgs an
                                                Zur Behebung dieser Probleme diskutiert
der französischen Grenze wird zunehmend
                                                die Stadtverwaltung verschiedene Maßnah-
auch unter dem Aspekt der Entwicklung ei-
                                                men. Sie sind insbesondere auf die Rückge-
ner gemeinsamen Wohnungsmarktregion
                                                winnung zweckentfremdeten Wohnraums,
mit der französischen Nachbarregion Loth-
                                                die Reaktivierung von Leerständen, eine
ringen bzw. dem Planungsgebiet des nördli-
                                                aktive Bodenvorratspolitik in Zusammenar-
chen Lothringen betrachtet.
                                                beit mit anderen öffentlichen Trägern (etwa
Die Wohnungspolitik steht auch im Zent-         dem Fonds du Logement oder der Sociéte
rum der Stadtentwicklungspolitik einzel-        Nationale des Habitations à Bon Marché)39,
ner Städte. Dies gilt für die Hauptstadt Lu-    gezielte Neubaumaßnahmen sowie die In-
xemburg, aber auch für andere Gemeinden         nenverdichtung als Vorrangprinzip gerich-
wie die zweitgrößte Stadt Esch-sur-Alzette      tet. Auch sollen die städtebaulichen Quali-
oder Differdange, ebenso den kommuna-           täten des Wohnstandorts Luxemburg weiter
len Verbund Nordstad im Norden des Lan-         entwickelt werden. Als Teil der traditionel-
des. „Die Schaffung und der Erhalt hoch-        len Baukultur wird dabei die Bauform des
wertigen städtischen Wohnraums stellt           städtischen Reihenhauses, d. h. der beidsei-
eine der zentralen Herausforderungen der        tig angebauten Bürgerhäuser in Blockrand-
Stadtentwicklung für die Stadt Luxem-           bebauung angesehen.
burg dar.“ Dies hat sich beispielsweise die     Zusätzlich zu den planerischen Überlegun-
Hauptstadt in ihrem Stadtentwicklungs-          gen und Festlegungen der Luxemburger
konzept von 2005 zum Ziel gesetzt.36 Mit        Wohnungspolitik ist mit dem Pacte loge-
Blick auf die bis 2020 erwartete Steigerung     ment (PL) ein Instrument der monetären
der Einwohnerzahl von 78  000 (Basis 2003)      Anreize zur Mobilisierung von Bauland ein-
auf 105  000 Einwohner wurde ein Bedarf         geführt worden, das auf einer Vereinbarung
an zusätzlichen Wohneinheiten in einer          zwischen Staat und Gemeinden basiert. Mit
Größenordnung von 13  000 (Einwohner­           Unterzeichnung des PL gehen die Kommu-
szenario des IVL) bzw. 7  600 (Pendlersze-      nen dem Staat gegenüber die Verpflichtung
nario) erwartet. Mittlerweile hat sich die      ein, aktive Maßnahmen gegen die steigen-
Bevölkerung der Hauptstadt auf 88  586 er-      den Wohnimmobilienpreise zu ergreifen,
höht, ohne dass in einem entsprechenden         vor allem durch Bestandszuwächse im Woh-
Umfang bereits die avisierten zusätzlichen      nungsbau, mit denen – vom Basisjahr 2007
Wohneinheiten errichtet worden wären.37         an gerechnet – ein Bevölkerungswachstum
Dabei ist der Wohnungsmarkt der Haupt-          von über 15  % innerhalb von zehn Jahren
stadt durch einige spezifische Probleme ge-     absorbiert werden kann. Außerdem sol-
kennzeichnet, die mit ihrer herausragenden      len auf diesem Wege eine stärkere soziale
Rolle als internationaler Wirtschaftsstandort   Durchmischung der Gemeinden sowie eine
einhergehen. Dazu zählt die Zweckentfrem-       effizientere Nutzung der Ressource Boden
dung von Wohnraum für Büros bzw. Dienst-        erreicht werden. Mit dem Rahmenkonzept
leistungsnutzungen, etwa in innenstadtna-       des PL bekommen die Kommunen be-
hen Vierteln wie Limpertsberg oder Belair.      stimmte Rechte zugewiesen, um damit aktiv
                                                Wohnungspolitik machen zu können. Dazu
Auch in der Innenstadt herrscht ein laten-
                                                gehören u. a. ein gemeindliches Vorkaufs-
ter Druck auf den Wohnungsmarkt durch
                                                recht für Immobilien, die Sicherstellung
Einzelhandel und Gastronomie. Schließlich
                                                einer langfristigen Finanzierung durch Erb-
sind bei großen Entwicklungsprojekten in
                                                bau- und Erbpachtrecht oder das Recht zur
der Vergangenheit einseitig die Interessen
                                                Einführung zusätzlicher fiskalischer oder
des tertiären Sektors berücksichtigt worden.
                                                administrativer Maßnahmen (etwa die Ein-
Dies gilt etwa für den Ausbau des Euro-
                                                führung einer kommunalen Sonderabgabe
pa- und Bankenviertels auf dem Kirchberg,
                                                auf Immobilien bzw. die Befreiung davon).
wo ca. 20  500 Menschen arbeiten, aber nur
2  000 wohnen.38 Die nachträgliche Anrei-       Im Oktober 2009 hatten 101 der 116 Ge-
cherung solcher monostrukturierten Stand-       meinden Luxemburgs den Pacte logement
orte um Wohnnutzungen sowie Nachver-            unterzeichnet, darunter mit der Hauptstadt,
Tom Becker, Markus Hesse: Internationalisierung und Steuerung metropolitaner
412   Wohnungsmärkte – Das Beispiel Luxemburg

      Esch/Alzette, den Nordstad-Kommunen             5 Ausblick
      Diekirch und Ettelbruck, Differdange und
      Dudelange die größten Gemeinden des Lan-        Die Entwicklung des Luxemburger Woh-
      des. Konkret gewährt der Staat den Gemein-      nungsmarkts ist in der jüngeren Vergan-
      den eine Prämie von mindestens 4  500  €        genheit gekennzeichnet durch starken
      pro Einwohner oberhalb eines jährlichen         Wachstumsdruck infolge der zunehmenden
      Bevölkerungszuwachses von 1  % zwischen         internationalen Einbindung der Region. Die
      2007 und 2017 – und zwar allen Gemein-          damit verbundenen Anforderungen sind
      den des Pakts, während die Vorranggemein-       auch verglichen mit anderen Stadtregionen
      den eine um 50  % erhöhte Fördersumme           atypisch hoch. Dies gilt sowohl bezogen auf
      erhalten. Die entsprechenden Volumina           die Bereitstellung angemessenen Wohn-
      machen nach Angaben des Wohnungsbau-            raums als auch auf die Produktion städti-
      ministeriums aber nur einen sehr kleinen        scher/städtebaulicher Qualitäten. Mit Blick
      Teil der Zuwendungen des Staates an die         auf die nahe Zukunft stellen sich vor diesem
      Gemeinden aus und sind in ihrer Wirkung         Hintergrund einige Fragen an die Akteure
      daher nicht zu überschätzen. Aufgrund des       der Wohnungspolitik und Wohnungswirt-
      stetigen Wachstums der Gemeinden sowie          schaft im Großherzogtum.
      der Knappheit der im Bestand ausgewiese-
      nen Baulandreserven wird zudem bereits          Zunächst kaum zu beantworten ist derzeit
      im Sektorplan Wohnen über eine Weiterent-       die Frage nach der zukünftigen Relevanz
      wicklung des PL nachgedacht. Die Beteili-       der bisherigen Prognosen zum weiteren
      gung wäre dann bspw. auch für Gemein-           Wachstum der Wohnraumnachfrage. An-
      den möglich, die ein geringeres Wachstum        gesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise,
      als die geforderten 15  % in zehn Jahren        die auch den Finanzplatz und Industrie-
      erreichen, oder solchen, die im Rahmen          standort Luxemburg nicht verschont hat, ist
      der Überarbeitung ihres Flächennutzungs-        natürlich die Absicherung der bisher domi-
      plans (PAG) eine Entwicklungsstrategie zur      nanten Wachstumsszenarien in Zweifel ge-
      Mobilisierung von Bauland vorlegen. Au-         zogen. Kurzfristig hatte die Krise Ende 2008
      ßerdem wird angedacht, die 2003 einge-          bereits zu einer deutlichen Zunahme des
      richtete nationale Beobachtungsstelle für       Wohnraumangebots geführt40, ohne dass
      Wohnraum (Observatoire de l’habitat) auch       sich allerdings parallel dazu auch die Preis-
      für ein intensiveres Controlling der Planzie-   lage spürbar entspannt hat. Insofern dürfte
      le des PL einzusetzen.                          die latente Knappheit auf dem Wohnungs-
                                                      markt weiter Bestand haben. Über mögli-
       Zusätzlich zu den mengenorientierten Zie-
                                                      che mittelfristige Folgen der Krise für den
       len des Sektorplans Wohnen und des Pacte
                                                      Arbeitsmarkt, die Attraktivität des Standorts
       logement wird in dem Sektorplan verstärkt
                                                      Luxemburg und die damit einhergehenden
       auf die Verbesserung städtebaulicher und
                                                      Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt
       baulicher Qualitäten gesetzt. Dazu zählen
                                                      lässt sich derzeit nur spekulieren.
       die Orientierung an siedlungsstrukturellen
       Kriterien wie Innenentwicklung, Dichte         Unabhängig vom Ausgang der Krise bleibt
       und Mischung. So werden in den Vorrang-        der Handlungsdruck auf die Akteure groß.
       gemeinden Dichtewerte von 15–25 WE/            Wie die vorstehende Analyse gezeigt hat,
       ha und in Siedlungsschwerpunkten bis zu        sind konzeptionelle Strategien, Pläne und
       30 WE/ha anvisiert. Abweichungen davon         Programme zwar vorhanden – überdies
       sollen nur dann genehmigungsfähig sein,        verfügt das Land mit seinem Observatoire
       wenn sie im Flächennutzungsplan durch          de l’habitat über ein vorzügliches Monito-
      „nachvollziehbare Argumente begründet           ring –, aber an viele Voraussetzungen ge-
       werden” (Sektorplan Wohnen, Kap. 3.10.3).      knüpft. Entsprechend harren sie noch ihrer
       Außerdem soll künftig den Möglichkeiten        verbindlichen politischen Umsetzung. Je
       des ökologischen bzw. energiesparenden         verbindlicher diese Festlegungen aber sind,
       Bauens eine zentrale Bedeutung zukom-          umso strittiger werden sie gesellschaftspo-
       men. Dies könnte etwa ein entsprechend         litisch verhandelt: zwischen verschiedenen
       abgestufter Förderschlüssel sein, wie er       Interessengruppen, politischen Ressorts,
       zum Beispiel mit den österreichischen          planerischen Maßstabsebenen. Zugleich
      „Ökopunkten” entwickelt wurde. Dies sind        gilt es, veränderte qualitative Aspekte der
       allerdings durchweg erst Vorschläge im Ent-    Entwicklung der Wohnungsnachfrage zu be-
       wurfsstadium.                                  rücksichtigen. Einige davon werden bereits
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2010                                                                                    413

in den einschlägigen Planwerken genannt,        turen ohne größere Wirkung bleiben. Eine
etwa der Trend zur weiteren Verkleinerung       stärkere Nachfrageorientierung erscheint
der Haushaltsgrößen und zur Veränderung         gerade auch mit Blick auf die verschiede-
der Lebensstile u. ä., ohne dass bereits klar   nen Migrations­milieus erforderlich, die aus
wäre, wie diesen Fragen in der Praxis kon­      ganz unterschiedlichen Gründen (Budget,
struktiv begegnet werden kann.                  Dauer, temporäre Erwerbstätigkeit) eher für
                                                den Miet- als den Eigentumsmarkt in Frage
Sehr wahrscheinlich wird der Prozess der
                                                kommen. Speziell die im Bereich der euro-
Internationalisierung – wenn nicht Metro­
                                                päischen Institutio­nen, der unternehmens-
polisierung – Luxemburgs bzw. seiner
                                                nahen Dienstleistungen und der Finanz-
Hauptstadt weiter fortschreiten. Dies gilt
                                                wirtschaft sowie in der Forschung Tätigen
nicht nur unter der Bedingung, dass sich
                                                sind häufig entweder mit Zweitwohnsitz in
der Finanzmarkt erholt, sondern auch mit
Blick auf das Standbein „Europa“ oder die       Luxemburg ansässig oder aber temporär an
rezente Schwerpunktsetzung des Staates im       diesen Standort gebunden, fragen also an-
Bereich von Wissenschaft und Forschung.         dere „Produkte“ nach, als der Eigentums-
                                                markt bietet.
Der Sektor Wissenschaft und Forschung wird
künftig eine besondere Rolle für die wirt-      Die Umsetzung der in den einschlägigen
schaftliche Entwicklung wie für die räum-       Planwerken avisierten Strategien zum Aus-
lichen Strukturen des Landes spielen. Und       bau des Angebots bei gleichzeitiger räumli-
mit Blick auf Studierende, Lehrende und         cher Steuerung auf Vorranggebiete berühren
Forschende ist offensichtlich, dass er stark    den institutionellen Kern des luxemburgi-
internationalisiert ist. Damit verbinden sich   schen Planungssystems: Wie viel staatliche
spezifische Anforderungen aus der Sicht         Lenkung „von oben“ ist notwendig, wie
von Teilmärkten der Wohnungswirtschaft:         viel regionale Selbstorganisation „von un-
So wird die für den Beginn des kommenden        ten“ wünschenswert bzw. realistisch, um
Jahrzehnts avisierte Verlagerung der Einzel-    die auftretenden Konflikte konstruktiv zu
standorte der Universität an den Standort       lösen? Die Lösung muss nicht zwingend die
Esch-Belval (und die damit verbundene An-       Einführung einer dritten, regionalen Pla-
siedlung weiterer öffentlicher Forschungs-      nungsebene sein, gerade angesichts der ge-
zentren an diesem Standort) zwangsläufig        ringen Größe des Landes. Ein erster Schritt
zur einer räumlichen Umschichtung der           wäre die Etablierung von Kooperationen
Nachfrage nach Wohnraum führen. Als be-         in Wohnungsmarktregionen der Entwick-
sondere Herausforderung dürfte in diesem        lungsschwerpunkte Hauptstadt, Südregion
Zusammenhang die Befriedigung der Nach-         und Nordstad, um die anstehenden Proble­
frage nach studentischem Wohnen gelten,         me gemeinsam (d. h. interkommunal und
die bisher schon in Luxemburg als Problem       sektorübergreifend) anzugehen. Auch stellt
gesehen wird – sowohl wegen der hohen           sich die Frage, welche öffentlichen Förder-
Mietpreise als auch angesichts des relativ      institutionen auf dem Wohnungsmarkt ge-
begrenzten Angebots auf dem Markt grö-          braucht werden und wie diese konstitutiert
ßerer Mietwohnungen. Gerade der Ausbau          sind.
dieses Marktsegments könnte helfen, einen       Da die sukzessive bauliche Ausweitung des
wichtigen Standortnachteil der noch jungen      Wohnraumangebots viel Zeit in Anspruch
Universität auszugleichen, nämlich die ho-      nimmt, finanziell aufwändig ist und au-
hen Mietpreise vor Ort.                         ßerdem zahlreiche planerische Konflikte
Jenseits der spezifischen Anforderungen         aufwirft, stellt sich auch die Frage, ob nicht
einzelner Teilmärkte ist der Luxemburger        organisatorische Lösungen schneller und
Wohnungsmarkt durch einen Grundkon-             preiswerter zum Ziel führen – etwa eine
flikt gekennzeichnet, der sich zwischen         Kampagne zum Dachausbau oder zur Ver-
dem eher ortsbezogenen, stark auf Eigen-        mietung nicht selbst genutzten/benötigten
tumsbildung basierenden Angebot und             Eigentums (wie Souterrains), aber auch der
der tendenziell eher auf Mietwohnungen          Wohnungstausch zwischen Nachfragergrup-
fokussierenden Nachfrage eröffnet. Sollte       pen unterschiedlicher Altersklassen, Wohn-
sich dieser Mismatch zwischen Nachfrage         standards etc. Die Anpassung an ein zuneh-
und Angebot verstetigen, werden die bis-        mend internationales Publikum verändert
herigen planerischen Überlegungen und           zwangsläufig auch die Kultur des Vermie-
auch die bereits entwickelten Anreizstruk-      tens: Nur durch eine stärkere Öffnung des
Tom Becker, Markus Hesse: Internationalisierung und Steuerung metropolitaner
414   Wohnungsmärkte – Das Beispiel Luxemburg

      Marktes können zusätzliche Potenziale im      lisierung einher geht schließlich auch ein
      Bestand mobilisiert werden, nur dann kön-     Sprachproblem – oder positiv formuliert:
      nen die Planzahlen auch nur annähernd         die Herausforderung, mehrsprachige Nach-
      realisiert werden. Mit dieser Internationa-   fragesegmente adäquat zu bedienen.
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 5/6.2010                                                                                                                                           415

  Anmerkungen
 (1)                                                (13)                                                    (28)
 OECD (Hrsg.): Luxembourg. Territorial Re-          Ministère du Logement: La consommation fon-             Zurzeit liegen nur die Vorentwürfe dieser vier
 views. – Paris 2007                                cière au Luxembourg entre 1997 et 2004. – Lu-           Sektorenpläne vor. Die endgültigen Sektorplä-
                                                    xembourg 2006. = La Note de l’Observatoire de           ne sind noch in der Ausarbeitung.
 (2)                                                l’Habitat, Nr. 7, S. 5
 Daten nach STATEC (Service central de la                                                                   (29)
 statistique et des études économiques), dem        (14)                                                    Ministère de l’Intérieur: Programme Directeur
 Statistischen Dienst des Großherzogtums            Ministère du Logement: L`évolution, a.a.O., S. 4        d’Aménagement du Territoire. – Luxemburg
                                                                                                            2004; Ministère de l’Intérieur; Ministère des
 (3)                                                (15)                                                    Transports; Ministère des Bâtiments publics;
 Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstel-       Ministère du Logement: Le parc locatif et les lo-       Ministère de l’Environnement : Ein Integratives
 le/Observatoire interrégional du marché de         yers en 1991 et 2001. – Luxemburg 2004. = La            Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept,
 l’emploi (IAB/OIE): Die Arbeitsmarktsituation in   Note de l’Observatoire de l’Habitat, Nr. 2, S. 1        a.a.O., S. 53–54
 der Großregion. 6. Bericht der Arbeitsmarkt-
 beobachtungsstelle an den 11. Gipfel der Exe-      (16)                                                    (30)
 kutive der Großregion. – Saarbrücken 2009          Le Gouvernement du Grand Duché du Luxem-                Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungstelle:
                                                    bourg : Vorentwurf zum Plan Sectoriel Logement,         Die Arbeitsmarktsituation, a.a.O
 (4)                                                a.a.O.
 Vgl. Decoville, A.: Métropolisation et résis-                                                              (31)
 tance des territoires : l’exemple luxembour-       (17)                                                    Kiffer, C.: 1989-2009: 20 années de politique
 geois. L’Espace Politique 4 (2008) 1, mis en       Ministère du Logement: Le Parc locatif, a.a.O.,         du logement au Grand Duché du Luxembourg
 ligne le 11 mai 2009 (http://espacepolitique.      S. 12                                                   – Rétrospective et perspectives. Unveröff. Ma-
 revues.org/index694.html); Schulz, C.: Die         (18)                                                    nuskript
 „Metropolisierung“ Luxemburgs. In: Periphere       Brosius, J.; Carpentier, S.: La mobilité résiden-
 Zentren oder zentrale Peripherien? Kulturen                                                                (32)
                                                    tielle transfrontalière des actifs du Luxembourg        Le Gouvernement du Grand Duché du Luxem-
 und Regionen Europas zwischen Globalisie-          vers les pays voisins. Présentation d’une étude
 rung und Regionalität. Hrsg.: W. Amann, G.                                                                 bourg : Vorentwurf zum Plan Sectoriel Loge-
                                                    menée par CEPS/INSTEAD. In: Die grenzüber-              ment, a.a.O.; Pacte Logement
 Mein, R. Parr. – Heidelberg 2008, S. 89–97         schreitende Wohnmobilität und ihre Auswirkun-
 (5)                                                gen auf die Gemeinde. Tagungsunterlagen des             (33)
 Taylor, P.: World City Network: a global urban     zweiten Gemeindetags der Grossregion, Echter-           Das Strategic Environmental Assessment
 analysis. – London 2003                            nach 22. Oktober 2008. – Luxemburg 2009. =              (SEA), zu Deutsch: Strategische Umweltprü-
                                                    Forum Europa, S. 19–20                                  fung (SUP), ist ein durch eine EG-Richtlinie
 (6)                                                                                                        (2001/42/EG) eingeführtes, systematisches
 Die letzten verfügbaren Daten zum Wohnungs-        (19)                                                    Prüfungsverfahren, mit dem die Umweltas-
 bestand beziehen sich auf die Ergebnisse der       Brosius, J.; Carpentier, S.: La Mobilité résidenti-     pekte bei strategischen Planungen und dem
 Volkszählung aus dem Jahr 2001; Daten nach         elle transfrontalière, a.a.O., S. 28–30                 Entwurf von Programmen untersucht werden
 STATEC                                             (20)                                                    müssen.
 (7)                                                Ebda., S. 33-37                                         (34)
 Ministère du Logement: Le parc de logements        (21)                                                    Le Gouvernement du Grand Duché du Luxem-
 habités entre 1991 et 2001. – Luxembourg           Ministère de l’Intérieur ; Ministère des Transports ;   bourg : Vorentwurf zum Plan Sectoriel Loge-
 2003. = La Note de l’Observatoire de l’Habitat,    Ministère des Bâtiments publics ; Ministère de          ment, a.a.O., S. 8
 Nr. 1, S. 1-3                                      l’Environnement : Ein Integratives Verkehrs- und        (35)
 (8)                                                Landesentwicklungskonzept. – Luxemburg 2004,            Ebda., S. 28
 Ministère du Logement: L’évolution de la con-      S. 53–54
 struction de logements au Luxembourg entre                                                                 (36)
                                                    (22)                                                    Ville de Luxembourg: Stadtentwicklungskon-
 1970 et 2002 – Luxemburg 2005. = La Note           Le Gouvernement du Grand Duché du Luxem-
 de l’Observatoire de l’Habitat, Nr. 5, S.2                                                                 zept. Stadtentwicklung Stadt Luxemburg – Teil
                                                    bourg : Vorentwurf zum Plan Sectoriel Logement,         3. – Luxembourg, September 2005, S. 11 (Be-
 (9)                                                a.a.O., S.10–11                                         arb.: Bureau Zilm)
 LIP Consulting: Untersuchungen zum Woh-            (23)
 nungswesen in Luxemburg. – Luxemburg                                                                       (37)
                                                    Langers, J.: Projection des besoins en logements        Stand 2009, STATEC
 1991                                               2005-2020. – Luxemburg 2007. = Economie et
 (10)                                               statistiques STATEC, Nr. 19, S. 6                       (38)
 Ministère du Logement: Préférences et satis-                                                               Stand 2009, Fonds Kirchberg
                                                    (24)
 faction résidentielle des habitants du Luxem-      Der Bauperimeter bestimmt, welche freien Flä-           (39)
 bourg – un aperçu. – Luxemburg 2009. = La          chen innerhalb und bzw. um eine bestehende              Der Fonds du Logement (Wohnungsbaufonds)
 Note de l’Observatoire de l’Habitat, Nr. 12,       Siedlung herum bebaut werden dürfen und wel-            ist eine öffentliche Einrichtung im Bereich der
 S.1–2                                              che unbebaut bleiben müssen.                            Wohnungshilfe und des sozialen Wohnungs-
 (11)                                                                                                       baus. Die Société Nationale d’Habitation à
                                                    (25)                                                    Bon Marché (Nationale Gesellschaft für preis-
 Le Gouvernement du Grand Duché du Lux-             Stand 2004, Ministère du Logement: Potentiel
 embourg: Vorentwurf zum Plan Sectoriel Lo-                                                                 werteres Wohnen) ist eine Art sozialer Bauträ-
                                                    foncier constructible, a.a.O., S. 6                     ger von Ein- und Mehrfamilienhäusern.
 gement. – Luxemburg 2009
                                                    (26)                                                    (40)
 (12)                                               Stand 2007, Ministère du Logement: Le potentiel
 Ministère du Logement: L`évolution, a.a.O., S.                                                             Ministère des Classes moyennes, du Tourisme
                                                    foncier constructible théorique pour l’habitat au       et du Logement: Rapport d’activité 2008. –Lu-
 5                                                  Luxembourg en 2007. – Luxemburg 2009. = La              xemburg 2009, S.13
                                                    Note de l’Observatoire de l’Habitat, Nr. 13, S. 3

                                                    (27)
                                                    Ministère du Logement: Potentiel foncier const-
                                                    ructible, a.a.O., S. 6
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