6 16 DAS NÜRNBERGMESSE MAGAZIN - MESSEGELÄNDE NÜRNBERG ARCHITEKTUR GEHT HAND IN HAND MIT WOHLFÜHLAMBIENTE
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Das NürnbergMesse Magazin DEZEMBER.2014 I 18. jahrgang I Euro 2,40 I 44820 6 MESSEGELÄNDE NÜRNBERG Architektur geht Hand in Hand mit Wohlfühlambiente 16 MESSESTANDORT NÜRNBERG Fall des Eisernen Vorhangs war Beginn der Goldenen Neunziger
Inhalt 6 16 20 Fokus NürnbergMesse Nürnberg PLAN UND PERSPEKTIVE STURM UND DRANG DRUCK und SCHRIFT Die NürnbergMesse hat Stil, sogar Vor 25 Jahren: Mauerfall, Ostöff- Kunst, Handwerk, Handel und Er- mehrere Stile. Die Handschrift ver- nung. Für die NürnbergMesse ein findungsreichtum – das ist Nürn- schiedener Architektenbüros von entscheidendes Datum, es ging in berg. Die Stadt ist aber noch etwas: Rang im Laufe von 40 Jahren. Richtung Internationalisierung. Deutschlands Druckerhochburg. Foto: NürnbergMesse/Bischof&Broel Foto: NürnbergMesse/Heiko Stahl Foto: Fotolia Bunte Hallen, Buchstaben und keine Zuerst kamen Besucher, dann folg- Jahrhunderte alte Werke aus Religion rechten Winkel – so begann die ten Aussteller. Die beiden CEOs der und Wissenschaft tragen ebenso NürnbergMesse 1973. Heute gehört NürnbergMesse, Peter Ottmann (li.) Druckerschwärze aus Nürnberg, wie das Messegelände zu den ganz und Dr. Roland Fleck, wissen, dass große Titel der Zeitschriften-Branche Großen weltweit, auch architekto- damit für die Messegesellschaft in sowie Versandhaus-Bestseller der nisch. Hell, offen, von einladender Nürnberg die „Goldenen 90er Jahre“ jüngeren Zeit. Und wahrlich keinen Wärme. Ein Ort, an dem man gerne begannen. Der erste Schritt zum Grund tiefzustapeln hat eine Stadt, in Geschäfte macht und zu dem man Global Player. der Europas größte Tiefdruckrotation ebenso gerne wieder zurückkommt. stattfindet. Herausgeber: NürnbergMesse GmbH Verlag: Vincentz Kundenmedien Redaktion: Reinhold Gebhart (V.i.S.d.P.), Messezentrum, 90471 Nürnberg Postfach 6247, 30062 Hannover Claudia Müller, Dr. Thomas Koch, Tel. +49 (0) 9 11.86 06-0 kundenmedien@vincentz.net Geoffrey Glaser, Bertold Brackemeier, Fax +49 (0) 9 11.86 06-82 28 www.vincentz-kundenmedien.de Katja Feeß, Petra Trommer, Guido Welk info@nuernbergmesse.de © Vincentz Network GmbH & Co. KG Titelbild: Trabant durchbricht Mauer. www.nuernbergmesse.de Gestaltung: Angelika Jungvogel Gemälde der Künstlerin Birgit Kinder an der East Side Gallery Druck: BWH GmbH in Berlin. Foto: picture alliance/U. Brunbauer Messe+Co . 3 . 2014 www.nuern
Editorial 3 Liebe Leserinnen und Leser! 22 170.000 Quadratmeter in 5 Sekunden – mit einem Daumenkino überraschte die Doppel-Spitze der NürnbergMesse, Dr. Roland Fleck und Peter Ottmann, im April Menschen 2012 die versammelte Journalistenschar bei einer Pressekonferenz zum Neubau Strom und Markt der Halle 3A. Ende 2014, gut zweieinhalb Jahre später, ist 3A eröffnet, gefeiert Er ist Unternehmer der alten Schule. und sie wird fleißig genutzt. Wie die anderen 14 Hallen und die Kongresszentren Einer, der den Spagat zwischen Ren- tabilität und sozialem Gewissen Tag auf dem Messegelände auch. Zehn große Flächenerweiterungen gab es seit für Tag aufs Neue wagt. Anfang der 1970er Jahre, 750 Millionen Euro nahm man dafür in die Hand. Wenn Sie etwas mehr als 5 Sekunden Zeit haben, dann erfahren Sie auf den Seiten 6 bis 15, was daraus entstand. Foto: Thomas Geiger/NürnbergMesse Einer der Gründe, dass die NürnbergMesse in diesem Ausmaß wachsen konnte, war jenes Foto: Mennekes Ereignis, das sich 2014 zum 25. Mal jährt: Der Fall des Eisernen Vorhangs. Mit Auswirkungen Die Messe+Co-Redaktion: Walter Mennekes, Unternehmer für die ganze Welt, aber auch speziell für den Geoffrey Glaser (li.) aus dem Sauerland und Vorsitzen- und Reinhold Gebhart. der des Verbandes der deutschen Messestandort Nürnberg. Der rückte nämlich mit Messewirtschaft AUMA, ist trei- bende Kraft für die Elektromobi- einem Schlag ins Zentrum europäischer Aussteller- und Besucherströme. Mehr lität in Deutschland und der EU. Im Messe+Co-Interview spricht darüber auf den Seiten 16 bis 19. er über Elektromobilität und den „Flaschenhals“ an den Ladesäulen. Zum Schluss noch ein kleines Rätsel: Was hat das Magazin „Kicker“ mit Nürnberg zu tun? Sie ahnen es? Trotzdem lohnt es, sich die Seiten 20/21 dieser Ausgabe zu Gemüte zu führen. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr Messe+Co-Redaktionsteam nbergmesse.de Messe+Co . 3 . 2014
4 Pulver- und Schüttgutbranche: Die Welt zu Gast in Nürnberg –––––––––––––––––––––––––––––– 930 Aussteller aus 30 Ländern und 15.235 Fach- besucher aus 78 Ländern machten das Messe- Doppel POWTECH und TechnoPharm erneut zum weltgrößten Treffpunkt der Pulver- und Schüttgut-Community. Neun von zehn Besuchern kamen aus Europa (inklusive Russland, Ukraine, Weißrussland und Türkei). Top-Besucher-Länder waren neben Deutschland Österreich, Schweiz, Italien, Tschechien und die Niederlande. Ab 2016 wird die TechnoPharm in die POWTECH eingeglie- dert. „Damit gewinnen Aussteller und Besucher“, erklärt Dr. Ljuba Woppowa, Geschäftsführerin der Promi-TV-Auswanderer, Kälte- und Klima- technikspezialist sowie VIP-Gast auf der Chillventa: Konny Reimann (mit Hut), im Bild mit NürnbergMesse-Mitarbeiterin Claudia Hauser samt Familie, der das Motorrad- Gespann gehört. Mehr Fachbesucher und Aussteller: Wissen, woher der Wind weht: Chillventa weiter auf Rekordkurs Besucher beim Messe-Doppel –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– POWTECH und TechnoPharm. Selbst der Streik der Gewerkschaft der Lokführer Qualität der Fachbesucher allemal. „Die ausstel- (GDL) am zweiten Messetag konnte es nicht ver- lenden Unternehmen äußerten sich sehr anerken- VDI-GVC, einem der zukünftigen ideellen Träger. hindern: Die Chillventa, internationale Fachmesse nend zur fachlichen Dichte und hohen Entschei- „Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es einen Ort, für Kälte, Klima, Lüftung und Wärmepumpen in dungskompetenz“, fasste Veranstaltungsleiter an dem sich Verfahrenstechniker so breit und tief Nürnberg, legte mit 30.585 Fachbesuchern (plus Alexander Stein zusammen. Neun von zehn Be- über die Be- und Verarbeitung von Pulver und 7,5 Prozent gegenüber 2012) ihr bisher bestes suchern waren mit „ihrer“ Chillventa zufrieden. Schüttgut informieren können. Mit dem Fokus Ergebnis vor. Repräsentiert wurden über 110 Län- Wissen kompakt gab es begleitend zur Messe schon Pharma gewinnt der 360-Grad-Blick, den Fach- der weltweit, eine Internationalität (56 Prozent), am Tag davor im NCC Ost. Internationale Referenten besucher in Nürnberg erhalten, eine ganz neue die noch beeindruckender bei den Ausstellern informierten beim Chillventa Congressing über den Dimension hinzu.“ (67 Prozent) zu Tage trat. Mit 984 (plus 7 Prozent aktuellen Stand bei Forschung, Entwicklung und gegenüber 2012) kratzten sie diesmal schon knapp Praxis sowie politische Rahmenbedingungen in an der Marke 1000. Die Quantität passte also, die Europa und weltweit. Messe+Co . 3 . 2014
Info 5 NürnbergMesse geht in BrauBeviale: Stammtisch Fachmessen in „Norimberga“: Kolumbien an den Start der Branche wächst weiter Italien bleibt die Nummer 1 –––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––– Auf inzwischen 111 Länder erstreckt sich die welt- 37.000 Fachleute – gut 4.000 mehr als 2012 – be- BIOFACH, Chillventa, IWA, Interzoo und Spiel- weite Präsenz der NürnbergMesse Group, jüngste suchten die BrauBeviale, wichtigste Investitions- warenmesse – das sind die Top 5 Messen auf Auslandsvertretung ist jene in Kolumbien. Im Vor- gütermesse für die Getränkewirtschaft. Mit 42.781 dem Standort Nürnberg aus italienischer Sicht. feld des UFI-Weltkongresses in Bogota wurde der Quadratmetern Fläche (plus 6 Prozent gegenüber Die Tochtergesellschaft NürnbergMesse Italia Vertrag zur Zusammenarbeit mit der deutsch- 2012) war sie auch die größte in ihrer 50-jährigen wirbt, Aussteller und Besucher kommen. Und kolumbianischen Industrie- und Handelskammer Geschichte. „Ich bin mehr als zufrieden“, fasst Pro- so konnte Geschäftsführerin Stefania Calcaterra (AHK) unterzeichnet. Für AHK-Hauptgeschäfts- jektleiterin Andrea Kalrait zusammen, „die positive zum Fünf-Jahr-Jubiläum stolz verkünden: „Das führer Thomas Voigt ein klarer Handlungsauftrag: Stimmung an den Messeständen ist ein Spiegelbild Interesse an den Fachmessen der NürnbergMesse „Wir kennen den kolumbianischen Markt sehr gut einer innovativen und kreativen Branche“. Gut an- ist hier ungebrochen.“ Inzwischen beteiligen sich Foto: NürnbergMesse/Frank Boxler und wissen, welche Bedürfnisse an der Schnittstelle gekommen ist das neue Messekonzept bei 98 Pro- rund 1.500 Aussteller und über 16.000 Fachbe- zwischen Südamerika und Deutschland ausschlag- zent der Getränkespezialisten, von denen etwa 40 sucher jährlich an den internationalen Fachmessen gebend sind.“ In der wirtschaftlichen Zusammen- Prozent aus dem Ausland anreisten. Vor allem aus in „Norimberga“. Eine Steigerung von 30 Prozent arbeit Europas mit Südamerika sehen die CEOs der NürnbergMesse Group, Dr. Roland Fleck und Peter Ottmann, erhebliches Potenzial: „Dieses gilt es zu erschließen. Insofern ist unsere neue Auslandsver- tretung in Kolumbien in diesem Kontext ein konse- quenter Schritt.“ Energieoffensive belohnt: Ritterschlag nach DIN ISO –––––––––––––––––––––––––––––– Ein unternehmensinternes Energiemanagement- system und der Einstieg in die Elektromobilität – auch im Energiebereich wollten Dr. Roland Fleck und Peter Ottmann, seit 2011 CEOs der Nürnberg- Messe Group, ihre eigene Handschrift hinterlassen: „Nun können erfreulicherweise die ersten Früchte geerntet werden.“ Als erste Messegesellschaft Ein Schluck auf den Erfolg: Messe-Tochter in Mailand wird Fünf: Die CEOs erhielt die NürnbergMesse die DIN ISO-Zertifizie- Anstoßen auf die größte Dr. Roland Fleck und Peter Ottmann gratulierten rung 50001. Diese internationale Normierung de- BrauBeviale in 50 Jahren. Geschäftsführerin Stefania Calcaterra. finiert Qualitätsstandards für den Energiebereich. Im Ergebnis sollen Energieeffizienz, Kosteneinspa- rungen und eine Reduzierung von Treibhausgase- der Tschechischen Republik, Italien, der Schweiz, (Aussteller) beziehungsweise 60 Prozent (Besu- missionen erreicht werden. Nach der DGNB-Zerti- Österreich, Russland, Belgien, den Niederlanden cher) im Zehn-Jahres-Vergleich. Deshalb gab es fizierung der neuen Halle 3A ist DIN ISO eine wei- und Großbritannien. Die 1.133 Aussteller – Welt- bei der Feier in Mailand von den CEOs der Nürn- tere Bestätigung für die Wichtigkeit dieser umfas- marktführer wie Newcomer – kamen aus 47 Nati- bergMesse Group, Peter Ottmann und Dr. Roland senden Strategie. Und für die beiden CEOs „ein onen. Allen voran Deutschland (über 600), Italien, Fleck, auch Blumen: „Italien ist für die Nürnberg- veritabler Ritterschlag“. Großbritannien, Tschechische Republik, Nieder- Messe neben dem deutschen der bedeutendste lande, Österreich, Belgien und Schweiz. Der Markt in Europa.“ Stammtisch der Branche wächst also weiter und wird internationaler. Messe+Co . 3 . 2014
Fokus 6 Mit Plan und Per Sie hatten Perspektive. Die Verantwortlichen der Stadt Nürnberg, als sie 1970 grünes Licht gaben für den Bau eines völlig neuen Messegeländes im Stadtteil Langwasser. Aus heutiger Sicht eine goldrichtige Entscheidung. Der Erfolg der NürnbergMesse spiegelt sich auch in der architektonischen Entwicklung. Weil ein Plan da war. Für einen Messeplatz, auf dem heute die Welt zu Gast ist. Messe+Co . 3 . 2014
7 rspektive Fotos: NürnbergMesse/Heiko Stahl (10) / Bischof&Broel (5), Gerhard Hagen, Zaha Hadid, kadawittfeld, S+P, Stadt Nürnberg Die Luftkissen-Lamellen- Konstruktion ist eines der architektonischen Highlights am Standort NürnbergMesse. Messe+Co . 3 . 2014
Fokus 8 2014Flagschiff im Südosten: Die neue Halle 3A, archi- tektonisches Meisterwerk aus Stahl und Glas. Auch die NürnbergMesse hat ihre Augen „Kommunikation herzustellen offen – weltweit. Mehr als 50 Auslandsver- tretungen in über 100 Ländern und fünf und zu fördern ist eine zentrale Tochtergesellschaften in allen wichtigen Aufgabe der Messe. Unser Entwurf Wirtschafts- und Handelsregionen wer- ben mit engagierten Teams Aussteller und der neuen Halle 3A versucht, dies Besucher für Messen und Kongresse am durch vielfältige Verflechtungen und Standort Nürnberg. Die Internationalität wächst. Wer einmal hier war, kommt auch Raumbezüge zu unterstützen.“ gerne wieder. Was nach intensiven Tagen stets in Erinnerung bleibt, sind das Wohl- Zaha Hadid, fühlambiente und die außergewöhnliche Zaha Hadid Architects, London Architektur. Auch bei Paul Woodward war das so. Der CEO des Weltmesseverbandes UFI war im Dass an der Großen Straße Großes entstehen konn- Sommer zu Besuch. Anlass: die Jubiläumsfeier „40 Jahre te, ist das jüngste Beispiel für Entscheidungen mit Plan NürnbergMesse“. Er lobte die Ambition der Messegesell- und Perspektive, wie sie am Standort Nürnberg Tradition schaft, international weiter wachsen zu wollen. Er hob aber haben. Die CEOs Dr. Roland Fleck und Peter Ottmann auch die ständigen Investitionen am Standort in Nürnberg wählten die Zusammenarbeit mit dem international re- hervor. Sprach von „markanten Bauten“ und einer Halle nommierten und preisgekrönten Architektenbüro Zaha 3A, die „Weltklasse“ ist. Hadid. Dessen unnachahmliche Handschrift kennen Welt- Die Halle 3A, das neue markante Flagschiff im Süd- städte wie London (Aquatics Center für Olympia 2012), osten des Messegeländes. Fertiggestellt in nur 18 Monaten, Rom (Kunstmuseum MAXXI) oder das chinesische Guang- ausdrucksstark in ihrer Formensprache, ein architektoni- zhou (Opera House). Messehallen hatte Zaha Hadid zuvor scher Meilenstein in 40 Jahren Messegeschichte. Einer noch nicht gebaut. Jetzt steht die erste in Nürnberg, mehr Geschichte, die undenkbar wäre ohne die Spielwaren- noch: sie ist ein echter Hingucker. „Und innen in höchs- messe, dem Initialzünder für das Messewesen in Nürn- tem Maße energieeffizient“, wie CEO Dr. Roland Fleck berg. Bezeichnend, dass eben jene Spielwarenmesse im betont. Dafür wurde sie auch ausgezeichnet. Von der Februar 2014 als erster Veranstalter der Halle 3A eine Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) grandiose Feuertaufe ermöglichte. mit der höchsten Kategorie in Gold. Die Halle 3A – als Messe+Co . 3 . 2014
9 Neue Mitte: Eine Piazza, die zum Verweilen ein- lädt. Und der Saal Brüssel bleibt im Blick. 2010 Star-Sopranistin Anna Maria Kaufmann über- zeugte mit einem groß- artigen Repertoire. Visitenkarte der NürnbergMesse sehr präsent für „Ob ich mich wohlfühle, nehme alle, die über die südöstliche Seite anreisen. ich intuitiv wahr, nicht intellek- Zündende Idee: Luftkissen-Lamellendach tuell. Ihre Kunden sollen sich auf verbindet unterschiedliche Bauteile Auf andere Art, aber ebenso spektakulär empfangen ihre Arbeit konzentrieren, auf die werden Aussteller und Besucher, die mit der U-Bahn soziale Interaktion. Eine stimmige kommen: durch die Neue Mitte. Eröffnet 2010, im- posant in ihren Ausmaßen und gewaltig in der Her- Architektur unterstützt sie dabei.“ ausforderung für das Aachener Architektenbüro kadawittfeld. Der Eingang Mitte war bis dahin ein Gerhard Wittfeld Relikt aus den 70er Jahren – zu eng, zu niedrig. kadawittfeldarchitektur, Aachen „Das passte nicht mehr zum Service der Nürnberg- Messe und zu den Erwartungen der Kunden“, brachte es schwärmt CEO Peter Ottmann, „eine Kathedrale der der damalige Geschäftsführer Bernd Diederichs auf den Neuzeit“. Drinnen eine Piazza mit südländischem Flair, Punkt. Er bewies ein gutes Händchen mit der Entschei- ideal für Stehempfänge und Postersessions, mit Coffee- dung für kadawittfeld. Denn die Architekten hatten eine und Lunchbereichen. Und einem absoluten Blickfang zündende Idee: ein riesiges Luftkissen-Lamellendach, für jeden, der ankommt: Der Saal Brüssel, mit einer das unter sich alle anderen Bausteine wie NCC West, die Spannweite von 29 Metern. Mit Akustik und Technik Hallen 1, 9, 10 und 11, Rotunde, Frankenhalle verbindet auf neuestem Stand. Von fünf Säulen getragen, frei und die Besucherströme geschickt lenkt. Für die nächt- schwebend fast wie ein Raumschiff. Und Platz für 1.000 liche Anlieferung der 1.700 Tonnen schweren Teile mit Kongressteilnehmer. Schwertransporter wurde extra die Otto-Bärnreutherstraße Das Kongressgeschäft war im ersten Bauabschnitt des gesperrt. Sieben Großkräne waren notwendig, um sie hoch- Messezentrums Nürnberg Anfang der Siebziger Jahre aus zuhieven zu können. Kostengründen noch kein Thema. Gegen Ende dieses Nach oben hin bildet das Dach den Abschluss eines Jahrzehnts gab es dann doch ein Tagungs-Center. Zum gewaltigen Eingangsbereiches: Mit einer Fläche von ein- Einstieg die preiswerte Lösung. Erneut eine Entschei- einhalb Fußballfeldern und einem Volumen, das 250 Ein- dung mit Perspektive. Gut ein Vierteljahrhundert später familienhäusern entspricht. „Aufstrebend, fast gotisch“, nämlich kam das Sahnestück der Nürnberger Kongress- Messe+Co . 3 . 2014
Fokus 10 2005 Es werde Licht: Im NCC Ost fällt durchs riesige Fensterdach Tageslicht auf alle Ebenen. Ambitionen auf den Präsentierteller. Das NCC „Wir sind stolz mit der Ost-Erwei- Ost, eröffnet am 16. April 2005 im Rahmen terung, den Messehallen 4A + 7A einer großen Gala. Modern, großzügig und hell ist es. Durch ein riesiges Glasdach fließt und dem zentralen Eingangs- und Tageslicht in alle Stockwerke. Bis zu 3.200 Kongressgebäude den Schritt der Menschen können sich in 19 Räumen und Sälen versammeln. Selbst der 1.400 Personen NürnbergMesse in die Internatio- fassende Plenarsaal wird natürlich beleuchtet. nalität gestaltet und damit auch vor „Absolut außergewöhnlich bei Sälen dieser Größe“, weiß Architekt Heinz Seipel. Einmal Ort erlebbar gemacht zu haben.“ mehr Wohlfühlfaktor pur für Messemenschen. Das NCC Ost war Höhepunkt einer mehr Heinz Seipel, S+P Nürnberg als 20-jährigen Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Architektenbüro S+P. mit der bis dahin größten Spannweite im Europäischen Es zeichnet verantwortlich für den gesamten Glas- Messehallenbau. Gewaltig auch das Großaufgebot an palast am östlichen Ende des Messegeländes. Flankiert Stars bei der Ausstrahlung von „Wetten, dass…?“ im Jahr wird das NCC Ost nämlich von der 2007 eröffneten Halle 2004 in Halle 7A: Thomas Gottschalk empfing unter an- 4A und dem Millenniums-Kind, der Halle 7A. Mit dem deren Robbie Williams, Jackie Chan und Anna Netrebko. neuen Jahrtausend begann man in Langwasser rechteckig S+P schrieb aber auch die West-Side-Story auf dem zu bauen. Unter Dach eine gewaltige Holzkonstruktion, Messegelände, dem Erweiterungsprojekt Weiter auf Seite 14 Messe+Co . 3 . 2014
1998 11 Gemütliche Restaurants Im Westen viel Neues: und inspirierende Die Halle 12 wurde mit Ruhezonen: An alles einem großem Feuerwerk wurde gedacht. eröffnet. Orange Line: Kunst als Stilelement der Neuen Mitte Sie ist das unruhige Element im Eingangsbereich der Neuen Mitte: die „Orange Line“. Ein bewusster Kontrast zu den klaren Linien der Glasfronten, des Lamellendachs und des Saals Brüssel. 17 x 35 Meter misst das Objekt der heute in Buenos Aires lebenden deutschen Künstlerin Kirsten Mosel. Von ihr eigens entworfen für diese riesige Piazza. Sie hatte sich durchge- setzt im Wettbewerb von fünf Wunsch-Kandidaten der NürnbergMesse, als einzige Frau. Und machte damit einer weiteren Frau große Freude. Helga Janzon aus Hannover, als Innenarchitektin verantwortlich für das „unver- wechselbare Wohlfühlambiente der NürnbergMesse“. Unverwechselbar ist auch die Piazza im NCC Mitte, wo ein riesiges Wandbild des Farbphilosophen und Industriedesigners Friedrich Ernst von Garnier zu sehen ist. Spachtel- technik lässt es plastisch wirken. Der international tätige Künstler ist viel- fach ausgezeichnet und hat den Begriff „organische Farbigkeit“ geprägt. Messe+Co . 3 . 2014
Fokus 12 30 Jahre und kein bisschen leise Faszination Pferd, die Sternstundengala, Holiday on Ice. Events und Präsentationen von Firmen wie Audi, Edeka oder Faber-Castell. Parteitage, Kongresse und der Chinesische Zirkus. Wo? In der Frankenhalle auf dem Nürnberger Messegelände. Von TV-Produktions-Verantwortlichen gelobt für ihren technischen Standard und die Logistik, bei den Besuchern überaus beliebt, für jeden Veranstalter ein Traum. Dabei war der Start vor 30 Jahren beinahe zum Albtraum geworden. Ehe mit dem Sportpressefest am 14. Dezember 1984 die erste Veranstaltung Einzug hielt, lagen die Nerven blank. Im Sommer 1983 eine Krisensitzung wegen Bauverzögerung. Der Eröffnungstermin war in Gefahr und damit öffentliche Zulagen und ein Zuschuss des Freistaates Bayern. Die örtliche Presse bemerkte, die Stahlbetonkonstruktion habe „den Charme einer Tiefgarage“. Eine Bewährungsprobe, die an den Grundfesten rüt- telte, aus der die Mehrzweckhalle aber gestärkt hervorging. Denn sie ist ein Multitalent: Mit 5.000 Plätzen liegt sie im oberen Kongress-Segment. Eine riesige Plenarkapazität, die nach Bedarf auch geteilt werden kann. Einfahrbare Teleskoptribünen und das Neueste an Multimedia-Ausstattung, was das Herz eines jeden Bühnentechnikers höher schlagen lässt. Dazu Multifunktions-, Presse- und Ausstellungsräume, Cateringbereiche sowie VIP-Areas. Das lockt auch Stars. Wie Tina Turner im März 1987. Auf ihrer „Break Every Rule Tour“ rockte die Queen of Pop die Frankenhalle an zwei Tagen hintereinander vor jeweils 8.500 Fans. Messe+Co . 3 . 2014
13 1984 Technik vom Feinsten: Ideal Viel Platz: Kongresse mit bis Ambiente für jeden Anlass: für Bühnenshows und Events zu 5.000 Teilnehmern können Die Frankenhalle ist teil- aber der Extraklasse. hier stattfinden. auch wandelbar. Messe+Co . 3 . 2014
Fokus 14 1973 20 Der Beginn: Zehn Hallen im Wabenmuster bildeten die erste Bauphase. Station Messe: Zuerst Frankenhalle: Multitalent kam die U-Bahn, dann und Turbo für das folgten die Hallen. Kongressgeschäft. schlechthin in den neunziger Jahren. 1998 Weiter von Seite 14 stehendem Kongresszentrum. Die Ausstellungsfläche für eröffnet durch den bayerischen Ministerpräsident Dr. Ed- Messen war zu diesem Zeitpunkt auf dem Messegelände mund Stoiber. In knapp zwei Jahren war die Brutto-Aus- schon mehr als doppelt so groß wie bei der Fertigstellung stellungsfläche durch den neuen Westflügel mit der doppel- des ersten Bauabschnitts 1973. geschossigen Halle 12 um 25 Prozent auf 133.000 Quadrat- Damals war alles anders – die 70er Jahre: Musik und meter angewachsen. Das neue NCC West, NCC Mitte und Mode sowieso, aber auch was die Architektur anging. Was die Frankenhalle hatten zusammen nun eine Kapazität von heute als zu klein und zu eng gilt, war damals zweckmä- 8.000 Teilnehmern für Tagungen und Kongresse. ßig und ausreichend. Das galt auch am Standort Lang- wasser, wo in nur 15 Monaten zehn Messehallen mit Leuchtturm im Westen: 60.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche hochgezogen Rotunde setzt Akzente bei Stil und Service wurden. Fensterlos, weil natürliche Helligkeit als Feind Der Wachstumsschub war notwendig und wichtig, die des Ausstellers galt. Sechseckig, weil das Wabenmuster als Messemacher waren im Jahrzehnt des Welt- und Europa- innovativer Grundriss gefeiert wurde. Man denke nur an meistertitels für Deutschland aber auch der Meinung, die Studiodekoration der Kult-TV-Sendung „Dalli Dalli“ „das Runde muss ins Eckige“. Die Rotunde entstand, mit Hans Rosenthal. Die bunten Fassaden galten als der Leuchtturm des Westens und neues Service-Gebäude letzte Schrei und die Hallen wurden nicht einfach durch- mit großzügigem Eingangsfoyer, Pressecenter, VIP-Räu- nummeriert, sondern alphabetisch durchdekliniert – von men sowie einem Restaurant. Die Basisversion des kreis- A bis K, das J wurde nicht berücksichtigt. runden Gebäudes wurde 2009 aufgestockt. Kostenpunkt: Rund 100 Millionen DM, damals viel Neuer Westflügel und bestehendes Messegelände wur- Geld und eine umstrittene Investition, die von vielen den gut verzahnt. Mit einer 14 Meter hohen verglasten Seiten sehr kritisch beäugt wurde. Vor allem in Nürnberg Passage als zentralem Element zwischen neuem und be- selbst. „Es war viel Überzeugungsarbeit zu leisten“, er- Messe+Co . 3 . 2014
15 Interview mit Nürnbergs 014 Baureferent Daniel F. Ulrich „Mit Weltoffenheit und Anziehungskraft“ M+C: Die NürnbergMesse blickt nicht nur als Unter- nehmen auf eine 40-jährige Geschichte zurück – auch das Messegelände selbst steht seit über vier Jahrzenten am jetzigen Standort … Stand heute: 15 Hallen, Daniel Ulrich: Die NürnbergMesse ist markante Bauelemente einer der wesentlichen Motoren der und immer noch Platz Stadtentwicklung in Nürnbergs Süden für mehr. – mit Strahlkraft weit über Nürnberg hinaus. Insbesondere die jüngsten Baumaßnahmen haben mit anspruchs- voller Architektur Qualitäten geschaf- fen, die der Stadt als Ganzes gut tun. M+C: Welche Bedeutung hat das Messe- und Kongresszentrum aus städtebaulicher Sicht für die Stadt Nürnberg? Daniel F. Ulrich Daniel Ulrich: Die Messe ist mehr als nur ein Ge- Planungs- und bäudekomplex. Sie wirkt mit ihrer Weltoffenheit Baureferent der und Anziehungskraft in die Stadt und die Region Stadt Nürnberg. hinein, sie lockt Menschen nach Nürnberg und bietet gerade für größere Veranstaltungen ein per- fektes Umfeld. Die Stadt profitiert von der Messe innert sich der heute 87-jährige damalige CSU-Fraktions- und ihren Besuchern. Und die Messe profitiert von vorsitzende Dr. Oscar Schneider. Er und sein SPD-Kon- der Stadt und deren Infrastruktur: Morgens eine trahent Willy Prölß gehörten zu den vehementesten Be- stressfreie Anreise mit Auto, Bahn oder Flugzeug fürwortern eines Neubaus im Stadtteil Langwasser. Der und der direkten U-Bahnanbindung, tagsüber Ge- bisherige Standort Berliner Platz nämlich platzte schon schäfte in modernstem Ambiente, abends in einer aus allen Nähten. Weil die dort veranstaltete Spielwaren- der schönsten Städte Deutschlands flanieren oder messe ständig wuchs. Und das tat sie nicht ganz ohne Zu- ausgehen. tun durch den Vater des deutschen Wirtschaftswunders, Ludwig Erhard. 1957 hatte der nämlich bei der Eröffnung M+C: … und was bringt aus Ihrer Sicht die Zukunft? der damals noch „Deutschen Spielwarenmesse“ unmiss- Daniel Ulrich: Ich denke, die Messe ist auf einem verständlich klargestellt, er wolle bei seinem nächsten guten Weg, sie wird wachsen und sich weiter mit Besuch das Wort „Deutsche“ im Messetitel nicht mehr anspruchsvollen Gebäuden schmücken, dabei aber sehen. Der Startschuss für die Internationalisierung der ihre Wurzeln nicht vergessen. Natürlich gibt es auch heutigen Weltleitmesse war gefallen. um die Messe herum noch Dinge, die man verbessern Der inoffizielle Startschuss zum Bau der Nürnberg- kann: der etwas in die Jahre gekommene U-Bahnhof Messe auf dem heutigen Gelände fiel am 19. Februar 1969. ist so ein Beispiel oder die Anliefersituation. Viel- Als Wirtschaftsreferent Wilhelm Doni in einer legendären leicht muss man auch über eine Stärkung des Kon- Rede vor dem Nürnberger Stadtrat die „Multiplikatoren- gressbereichs nachdenken. Ich bin sicher: die bisher effekte“ der zukünftigen Messe hervorhob. Die Neubau- geleistete Arbeit der vielen kleinen Schritte mit groß- Gegner befanden sich danach in der Minderzahl, Bagger en Erfolgen wird fortgeführt werden. Die Messe wird und Planierraupen konnten anrücken. Für den Messeplatz ihren Spitzenplatz weiter ausbauen, ohne dabei abzu- Nürnberg eine Entscheidung mit Plan und Perspektive. n heben, dessen bin ich sicher. Messe+Co . 3 . 2014
NürnbergMesse 16 Trabi-Kolonnen auf Mauerfall oder westdeutschen Straßen: Mauerbesteigung? 1989/90 fuhren viele Tausende feierten vor auch Richtung Nürnberg. dem Brandenburger Tor. Aufbruchsstimmung 1989 – vor 25 Jahren: Die Mauer fiel, der Eiserne Vorhang verschwand. Es herrschte Aufbruchsstimmung. Im Osten bei Menschen, die erstmals in ihrem Leben das Gefühl grenzenloser Freiheit auskosten durften. Im Westen, wo mit 100 Mark Begrüßungsgeld signalisiert wurde „Ihr seid willkommen!“ Bei der NürnbergMesse, deren unternehmerisches Wachstum an Grenzen stieß, weil sie durch ihre geografische Lage auf Tuchfühlung war mit der Grenze des Kalten Krieges. Über Jahrzehnte war der Eiserne Vor- Jäger an der Bornholmer Straße als Prag über Dresden nach Hof“, erzählt hang ein Bollwerk zwischen zwei Blö- erster den Schlagbaum öffnete und er. Und nur einen Monat später schon cken, um in nur wenigen Monaten, damit Geschichte schrieb. der Mauerfall und damit die endgültige Wochen ganz zu verschwinden. Gor- Öffnung. „Ich bin begeistert, dass ich batschows Politik der Perestroika, Wochen der Wende: bei diesem Ereignis dabei sein durfte Ungarns Durchtrennung des Signal- Erlebte Geschichte und so ein Stück Geschichte miterlebt zauns, die Ereignisse in der Prager Im Jubiläumsjahr 2014 wurden und habe.“ Botschaft und schließlich am 9. No- werden diese Ereignisse wieder beson- Was für ihn und ein ganzes Volk vember 1989 die Öffnung der inner- ders ins Bewusstsein gerückt. Ältere den Beginn eines völlig neuen Lebens deutschen Grenze. Als der SED-Po- Semester bei der NürnbergMesse erin- bedeutete, war für die NürnbergMesse litiker Günter Schabowski auf einer nern sich noch genau an die Wochen eine entscheidende Zäsur auf dem Weg Pressekonferenz eine großzügige Rege- der Wende. Stefan Winkelmann vom zur heutigen Größe. Von den beiden lung für Reisen in den Westen verkün- Technischen Gebäudemanagement CEOs mit großen Worten gewürdigt. dete und die verhängnisvollen Worte etwa. Er kommt aus Plauen im Vogt- „Der Fall des Eisernen Vorhangs war „meines Wissens ab sofort, unverzüg- land, nur eine halbe Autostunde vom der Beginn der goldenen neunziger lich“ sprach. Als sich daraufhin an oberfränkischen Hof entfernt. Heute. Jahre, die erste Internationalisierungs- mehreren Grenzübergängen in Berlin Vor 1989 lagen Welten dazwischen. welle am Standort Nürnberg“, betont Massen von DDR-Bürgern versammel- „Im Oktober fuhren die ersten Züge Peter Ottmann. Für Dr. Roland Fleck ten. Als schließlich Oberstleutnant mit ausreisewilligen DDR-Bürgern von bedeutete 1989 für die NürnbergMesse Messe+Co . 3 . 2014
17 Fotos: NürnbergMesse/Bischof&Broel (2), picture alliance (2), Bundesbildstelle (2), AUMA, Abenteuer WEGE, PLAN b. Medien E-Mobil und Trabi: Die beiden Freiheit, wir kommen: CEOs der NürnbergMesse, Peter Erstmalig grenzenloser Ottmann (li.) und Dr. Roland Jubel für Millionen Fleck, zwischen Vergangenheit Menschen. und Zukunft. Messe+Co . 3 . 2014
NürnbergMesse 18 Grüne Grenze: Jahr- Besucherströme aus dem zehntelang Todeszone, Osten: Bei der IHF Ende heute Naturschutzgebiet. März 1990 in Nürnberg. Spürbare Erleichterung: Erstmals rissig wurde der Eiserne Vorhang im Mai Ein signifikanter Anstieg bei 1989 in Ungarn. den Umsatzzahlen lässt sich in den 90er Jahren feststellen. das in Scharen, Busladungen voll und NürnbergMesse Group Trabis in Kolonnen. Drei Messen do- Umsatz 1974–2014 in Mio. E kumentieren die Öffnung der inner- deutschen Grenze auf dramatische Ab 2001 Konzernzahlen Weise. Bei der BrauBeviale nur we- nige Tage nach dem Mauerfall waren es 100 Besucher aus der DDR, im Jahr darauf schon 2.500. Die GaLa. Bau, erste Messe auf Nürnberger Bo- den nach der Wende, durfte 2.400 Menschen aus den neuen Bundes- ländern begrüßen. Bei der FachPack im Jahr 1990 schließlich machten sich 850 auf den Weg. Besucher und Aussteller heute: Osten nicht mehr wegzudenken War für die Besucher aus dem Osten die NürnbergMesse noch Neuland, so gab es auf Ausstellerseite im Messe- zentrum 1989 schon alte Bekannte. Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs die Rückgewinnung an Zentralität in Eu- ders deutlich: Bis 2012 haben sich hatten hier 57 Firmen aus den Ost- ropa: „Vor 40 Jahren sind wir als frän- die Aussteller von 9.828 auf 29.449 blockländern Stände, allein 32 davon kisches Unternehmen gestartet, heute nahezuverdreifacht, stiegen die Be- aus der DDR. Heute sind Aussteller liegen wir unter den Top 10 in Europa.“ sucherzahlen um mehr als ein Drit- aus Ländern des ehemaligen Ostblocks Nackte Zahlen machen das Aus- tel von 996.000 auf 1.356.000. Sie aus dem Messealltag nicht mehr weg- maß der Entwicklung seit 1989 beson- kamen zuerst – die Besucher. Und zudenken. Nicht weniger als 2.200 Messe+Co . 3 . 2014
19 Zug um Zug: Die Ausreise der Botschafts- flüchtlinge aus Prag – ein Meilenstein. waren es auf dem Nürnberger Messe- „Die Folgen der deutschen Ver- gelände im Jahr 2013. Die Tschechi- sche Republik, Polen und Russland einigung und des Wandels in befinden sich unter den Top 20 bei Osteuropa für die Messewirtschaft den ausländischen Ausstellern. Aus diesen drei Ländern stammen auch waren gravierend. Von 1990 bis die treuesten Besucher, die nicht aus 1995 stiegen die Aussteller- und Deutschland kommen: Tschechien rangiert in dieser Auswertung hinter Besucherzahlen auf deutschen Österreich und Italien auf Platz drei, Messen um ein Viertel.“ Polen und Russland nehmen die Plätze sieben und neun ein. Harald Kötter Die NürnbergMesse nutzte die AUMA, Leiter Öffentlichkeitsarbeit Gunst der Stunde, war aber auch sehr & Messen Deutschland gut vorbereitet auf die neuen Zeiten. Die Zusammensetzung und die Ent- neuen Glanz. Durch den Fall des Karl IV., dem an einer Verbindung wicklung des Portfolios erwiesen sich Eisernen Vorhangs kam auch die zwischen seinen böhmischen Stamm- als wichtige Voraussetzung für die Er- Erinnerung an etwas wieder, das vor landen und der Reichsstadt Nürnberg schließung der sich nun öffnenden langer Zeit schon golden glänzte. gelegen war. Politisch bedeutsam, wirt- neuen Märkte im Osten, Auslandsver- Die alte Handelsstraße zwischen der schaftlich allemal. Aber auch Geschichte tretungen wurden ausgebaut. Weltwirt- Reichsstadt Nürnberg und Prag, als wurde geschrieben. Als nämlich 1414, schaft, Branchenkonjunktur und nicht Goldene Straße oder „gulden straß“ vor 600 Jahren, der Reformator Jan zuletzt der Beitritt des Freistaates Bay- bekannt. Wo heute Oberpfälzer Wald- Hus aus Böhmen auf dieser Straße ern taten ihr übriges: Die „Goldenen verein und Fränkischer Albverein zum schicksalsträchtigen Konzil nach neunziger Jahre“ für die Nürnberg- zum Wandern und Radfahren einla- Konstanz aufbrach. So wie heute Jahr Messe konnten beginnen. den, wurde schon im 13. Jahrhundert für Jahr Menschen aufbrechen nach Doch nicht nur der Aufstieg als reger Handel betrieben. Ihre große Nürnberg, einem goldenen Boden für Messe-Weltstadt verlieh Nürnberg Bedeutung erlangte sie durch Kaiser blühende Geschäfte. n Messe+Co . 3 . 2014
Nürnberg 20 Nürnberg macht Druck Von Anfang an Zukunft. Motto des 104. Deutschen Bibliothekartags, der 2015 im NCC Ost auf dem Nürnberger Messegelände stattfindet. Auch von Anfang an Zukunft hatte das gedruckte Wort. Mit Nürnberg als einem der Hauptdarsteller. Zu Beginn und über die Jahrhunderte hinweg bis heute. „Deutschlands Druckerhochburg“ ist nur eine der Bezeichnungen, die geblieben sind. Geht man über Google auf Gelbe Sei- Nicht nur dort, sondern weltweit Druckereien gibt, die zu den Big Play- ten, dann erhält man bei „Druckereien können Menschen etwas mit dem Na- ern in Deutschland und Europa ge- Nürnberg“ 150 Treffer. Die Quantität men Kopernikus anfangen. Sein Haupt- hörten und noch gehören. sagt noch nichts über Größe und Ge- werk „De Revolutionibus Orbium Sebald und Maul-Belser. Letzterer schichte aus. Das könnten schon eher Coelestium“ revolutionierte 1543 mit ein Nachbar der NürnbergMesse in zwei Ausstellungen in Nürnberg im dem heliozentrischen Weltbild, wie Langwasser, mit der größten Tiefdruck- kommenden Jahr: „Deutschlands Auge wir es heute kennen, die Astronomie. Rotation Europas. 55 Millionen Euro und Ohr – Nürnberg als Medienstadt Gedruckt wurde es in Nürnberg, in der wurden 2005 dafür investiert. Die Bahn- der Reformationszeit“ vom 23. April Werkstatt des Johannes Petreius in der breite von 4,32 Meter – weltweit ein- bis 31. Oktober im Stadtmuseum Oberen Schmiedgasse. Die Reichsstadt zigartig. Beide Druckereien durch- Fembohaus in der Altstadt St. Sebald war damals schon erste Adresse, wenn schifften die stürmischen Gewässer und „Das Medium Papier und die es ums Drucken ging. Entstand doch des medialen Wandels. Sie erreichten Druckerhochburg Nürnberg“ vom im leistungsfähigsten Druckhaus der sichere Häfen, der Standort Nürnberg 18. Juni bis 11. Oktober im Museum damaligen Zeit, jenem des Nürnberger blieb erhalten. Sebald Druck musste Industriekultur am Wöhrder See. Großverlegers Anton Koberger, kein auf seinem Grundstück zwischen Äu- Die Wöhrder Wiese bildet auf der geringeres Werk als die erste deutsche ßerer Laufer Gasse und Innerer Cramer- Reise zu den Wurzeln der Drucker- Bibel. Klett-Straße den „Sebalder Höfen“ stadt Nürnberg den ersten Anhalts- weichen, fand aber im Hafenindustrie- punkt. Dort stand die Gleißmühle – Sebald und Maul-Belser: gebiet-Nord eine neue Heimat. später Hadermühle –, erste Papier- Big Player aus Nürnberg Von einer Nürnberger Druckerei produktionsstätte nördlich der Alpen, Bei solchen Paukenschlägen gleich aus als fertiges Magazin unter die Men- erstmals erwähnt 1390. „Deutsches zu Beginn war es kein Wunder, dass schen zu kommen – Werdegang so Geschirr“, drei Wasserräder und 18 Nürnberg auch die folgenden Jahr- manch großen Titels der Zeitschriften- Stampfen, verarbeitete durch Wässern hunderte jener Ort war, an dem druck- Branche: Kicker, Wirtschaftswoche, und Beigabe von Kalk angefaulte Lum- technisch die Musik spielen sollte. Die das Computer-Magazin „c’t“, das pen zu Papierbrei. In Süddeutschland ersten Flugblätter etwa trugen Drucker- ADAC-Magazin und nicht zuletzt und Österreich ist „Haderlump“ vielen schwärze aus Nürnberg. Es gibt sie der Quelle-Katalog. Der „Besteller- heute noch ein Begriff. heute noch. Genauso, wie es hier Bestseller“, wie ihn Spiegel Online Messe+Co . 3 . 2014
21 Fotos: Fotolia Buchstaben, Papier und modernste Technik: Zutaten für hochwertige Printprodukte bei seinem Abgesang 2009 bezeichne- einem der Veranstalter des 104. Deut- zitäten und die Veranstalter haben te, hatte zehn Jahre davor noch eine schen Bibliothekartags. Nur einer der einige engagierte Partner vor Ort. Auflage von acht Millionen. Nostal- Gründe, warum sich diese Branche Kirsten Marschall: „Den Bildungs- gie und Tradition. 2015 hier fortbilden und mit Lieferan- campus, die Universitätsbibliothek „Nürnberg ist eine traditionsrei- ten und Partnern aus der Wirtschaft Nürnberg-Erlangen und nicht zu- che, aufregende Stadt“, findet Kirsten netzwerken will. Die Veranstaltung letzt die sehr professionellen Mitar- Marschall, Vorsitzende des Berufs- mit mindestens 3.500 Teilnehmern beiter bei der Messe und im Con- verbandes Information Bibliothek, findet im NCC Ost genügend Kapa- gresscenter.“ n Messe+Co . 3 . 2014
22 Menschen Fotos: Mennekes (2), NürnbergMesse/Bischof&Broel Zapfhähne für Elektromobilität: Kirchhundem, Sauerland: Die Zukunft des Fahrens hat Hauptsitz der Firma Mennekes, vielerorts auch in Deutschland weltweit führender Hersteller schon begonnen. von Steckvorrichtungen. Interview mit Walter Mennekes „Standardisierung sorgt für Akzeptanz“ Walter Mennekes (66): Geschäftsführender Gesellschafter M+C: Geben Sie mit dieser Standardisierung aber nicht der Firma Mennekes Elektrotechnik GmbH & Co.KG, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil als Unter- Vorsitzender des Verbandes der deutschen Messewirt- nehmen aus der Hand? schaft AUMA und innovativer Unternehmer aus dem Mennekes: Ganz im Gegenteil. Wir haben sogar auf unsere Sauerland über die Zukunft der Elektromobilität in Patente ganz verzichtet und stellen uns dem Wettbewerb. Deutschland. Damit haben wir der Europäischen Union ermöglicht, be- reits in einem frühen Stadium unternehmensunabhängig M+C: Klassischer Fall auf Dienstreisen war lange Zeit: Standards festzulegen und diese für alle zu öffnen. Im Er- Man hat sein Handyladekabel zuhause vergessen und der gebnis nehmen wir in der aktuellen Umsetzung eine füh- angebotene Stecker im Hotel ist wiederum nicht kom- rende Rolle ein, weil wir mit dem „Mennekes Stecker Typ 2“ patibel mit den Modellen des Herstellers B oder C. Was letztendlich über das Original verfügen. Und die Reaktionen kann man daraus für die Akzeptanz von Elektroautos vonseiten des Marktes zeigen uns: Es war der richtige Weg! und deren Lademöglichkeiten ableiten? Mennekes: Meine Erfahrung sagt mir: Standardisierung sorgt M+C: Nun sind aber Elektrofahrzeuge unter den Pkw in für Akzeptanz beim Verbraucher! Adapter sind, wie ich finde, Deutschland noch so etwas wie Exoten. Wie wird sich die überflüssig wie ein Kropf und deshalb sollten sich Produkte Elektromobilität Ihrer Meinung nach bei uns entwickeln? nur in ihrer Leistungsfähigkeit und dem Preis unterscheiden Mennekes: Ich bin überzeugt davon, dass es eine stark stei- Interview – nicht jedoch aufgrund ihrer Kompatibilität. Auf das The- gende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in Deutschland ma „Elektromobilität“ übertragen heißt dies: Wenn wir in geben wird. Diese Entwicklung wird in nächster Zeit deut- Deutschland attraktive Fahrzeugmodelle und eine gut funk- lich zunehmen und auf einem stabilen Niveau erfolgen. Die tionierende Infrastruktur mit Ladesäulen haben, wäre es Gründe hierfür liegen in parallel einsetzenden Faktoren aus fatal, wenn der „Flaschenhals“ letztendlich der Stecker an technischem Reifegrad, Design- und Marketingkomponenten der Ladesäule wäre. und gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Stück für Stück Messe+Co . 3 . 2014
23 Elektromobilität als nächster Baustein der Energieoffensive am Messeplatz Nürnberg: CEO Dr. Roland Fleck, BMW-Niederlassungsleiter Nürnberg, Ralf Schepull und Walter Mennekes (von links) gaben den Startschuss für Stromtankstellen als neuen Service für Aussteller und Besucher. greifen. Die deutschen Automobilhersteller haben dies er- trieben werden muss, ist bitter, aber ich sehe hierzu keine kannt und sind gerade dabei, verlorenes Terrain erfolgreich Alternative. Und zum dritten Aspekt: Wenn die von der zurückzugewinnen. In der Kombination dieser beschriebe- Bundesregierung ins Spiel gebrachten eine Million Elektro- nen Elemente liegt für mich der Schlüssel zum Erfolg der autos im Jahr 2020 erreicht werden sollen, braucht es hier- Elektromobilität. für attraktive Rahmenbedingungen. Auch Messegesell- schaften sind hierbei ein wichtiger Baustein – bieten sie M+C: Daraus ergeben sich aber auch neue Heraus- damit ihren Ausstellern und Besuchern doch einen spür- forderungen, nämlich Abhängigkeiten von Rohstoffen baren Servicemehrwert. Die NürnbergMesse setzt hierbei wie „seltene Erden“, fehlende Grundlagenforschung in ein wichtiges Signal und ist wieder einmal Vorbild in Sachen Deutschland zum Thema „Batterien“ und Fragen der „Nachhaltigkeit“. Dieser Weg ist wirklich zur Nachahmung Infrastruktur mit Ladesäulen. empfohlen! Mennekes: Richtig. Aber im Saldo ändert sich nichts, nur dass alte Abhängigkeiten von neuen abgelöst werden. M+C: Herr Mennekes: Wir danken Ihnen für dieses Dass die Grundlagenforschung in diesem Bereich neu be- Gespräch. n Kein Stillstand & alles auf den Prüfstand „Es darf keinen Stillstand geben, selbst nicht auf dem erreichten hohen Niveau.“ An der Spitze der AUMA will Walter Mennekes viel bewirken: Dass Messen ihre Dienstleistungen als unverzichtbares Medium der Produkt- präsentation und Verkaufsförderung weiterentwickeln. Dass finanzschwache Start-Up-Unternehmen die Präsen- w tationsmöglichkeiten bei Messen nutzen können und es auch tun. Dass Brüssel den Slogan „Made in Germany“ nicht aufweicht oder gar abschafft. Als Unternehmer ist er fern davon, sein soziales Gewissen am Eingang des Firmengeländes abzugeben: „Wir müssen in allen Winkeln unseres Unternehmens alles auf den Prüfstand stellen. So lässt sich kalkulierbarer Kostendruck abfedern, ohne Arbeitsplätze zu gefährden, ohne Löhne anzutasten, ohne Ausbildungsplätze einzufrieren oder unsere sonstigen Sozialleistungen abzubauen.“ Messe+Co . 3 . 2014
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