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INTERPROFESSIONELLE AUS- UND WEITERBILDUNG IN SCHWEDEN Studienreise vom 31.3.2019 – 4.4.2019 by Elisabeth Schreier
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege 1. Inhaltsverzeichnis 1. Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................................................... 1 2. Ausgangslage ............................................................................................................................................ 3 2.1. Organisation ..................................................................................................................................... 3 2.2. Hinweise zum Bericht ....................................................................................................................... 3 3. Interprofessionelles Lernen und Zusammenarbeit ................................................................................. 3 4. Schweden ................................................................................................................................................... 5 4.1. Landschaft und Topografie ............................................................................................................. 5 4.2. Ethnie und Sprache .......................................................................................................................... 6 4.3. Einwanderung .................................................................................................................................. 6 4.4. Die politische Gliederung des Landes und ihre Herausforderungen. .......................................... 6 4.5. Schweden – Schweiz – eine Gegenüberstellung ............................................................................ 7 4.6. Die Bevölkerung und ihr Verhältnis zum Staat .............................................................................. 7 4.7. Besonderheiten und Mentalität ...................................................................................................... 7 4.8. Digitalisierung in Schweden ............................................................................................................ 8 5. Das Gesundheitswesen in Schweden ....................................................................................................... 9 5.1. Die Prinzipien der allgemeinen Gesundheitsversorgung. ............................................................. 9 5.2. Finanzierung ................................................................................................................................... 10 5.3. Die Alterung der Bevölkerung ...................................................................................................... 10 5.4. Spitäler und ambulante Zentren ................................................................................................... 10 5.5. 1177 – Vårdguiden – die Nummer für den Eintritt ins Gesundheitswesen ................................ 11 5.6. Die Berufe im schwedischen Gesundheitswesen.......................................................................... 12 5.7. Interprofessionelle Ausbildung – in Schweden ............................................................................ 13 6. Reise- und Studienbericht ...................................................................................................................... 14 6.1. Anreisetag – Sonntag, den 31.3.2019 ........................................................................................... 15 6.1.1. Linköping ................................................................................................................................ 15 6.2. Erster Arbeitstag – Montag, den 1.4.2019 .................................................................................... 15 6.3. Linköping und die interprofessionelle Zusammenarbeit ............................................................ 15 6.3.1. Vorträge und Besichtigung.................................................................................................... 17 6.3.2. Input von Johanna Dahlberg, Mattias Ekstedt & Thea Sandquist ...................................... 17 6.3.3. Input von Pia Tingström ......................................................................................................... 20 1
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege 6.4. Zweiter Arbeitstag 2.4.2019 .......................................................................................................... 21 6.4.1. Stockholm ............................................................................................................................... 21 6.4.1. Das Karolinska Institut ........................................................................................................... 21 6.4.2. Vorträge und Besichtigung.................................................................................................... 22 6.4.3. Input von Helena Brodin ........................................................................................................ 23 6.4.4. Input von Aisha Amin ............................................................................................................ 23 6.4.5. Besuch in der schweizerischen Botschaft .............................................................................. 25 6.5. Dritter Arbeitstag 3.4.2019 ............................................................................................................ 26 6.5.1. Stureby vård- och omsorgsboende (Pflegeheim) ................................................................. 26 6.5.2. Input von Åsa Olsson & Sanna Bjälvik ................................................................................... 27 6.5.3. Aula Medica des Karolinska Institutes .................................................................................. 29 6.5.4. Nobel Forum ........................................................................................................................... 30 6.6. Input von Maria Kvarnström ......................................................................................................... 30 6.7. Vierter Arbeits- und Abreisetag 4.4.2019 ..................................................................................... 32 6.7.1. Södersjukhuset........................................................................................................................ 32 6.7.2. René Ballnus, Andreas Dahlström & Sara Thiem .................................................................. 32 7. Quellenverzeichnis .................................................................................................................................. 36 8. Anhang .................................................................................................................................................... 37 2
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege 2. Ausgangslage 2.1. Organisation Organisiert wurde die Reise durch Beat Sottas von der Firma farmative works (www.formative-works.ch ). Er ist selbstständiger Berater, Forscher und Publizist. Seit Jahren befasst er sich mit der Interprofessionellen Ausbildung im Gesundheitswesen und hat darüber schon diverse Artikel und Berichte veröffentlicht (siehe Literaturverzeichnis). Diese Reise erfolgte in Zusammenarbeit mit Hans Peter Karrer, Geschäftsleiter des Schweizerischen Verbands Bildungszentren Gesundheit und Soziales und Mitinhaber der DenkBar AG (https://www.denkbar.ch ). Teilnehmende waren Personen aus diversen Bildungsinstitutionen aus Bern, St. Gallen, Aarau, Saint-Imier, Winterthur, Weinfelden, Luzern und Olten. Von den Berufen her war die Pflege HF am meisten vertreten, aber auch Biomedizinische Analyse HF, Dentalhygiene HF, Operationstechnik HF vertreten und die Programmkoordinatorin Interprofessionalität des Bundesamtes für Gesundheit – siehe separate Teilnehmerliste im Anhang. 2.2. Hinweise zum Bericht Die Informationen über Schweden und seine Besonderheiten entnehme ich aus der offiziellen Homepage über Sverige / Sweden, dem Bundesamt für politische Bildung, Bonn, dem Wikipedia (2019) und einigen persönlichen Quellen aus direkten Gesprächen mit Bewohnern des Landes und meinen eigenen Erfahrungen mit vielen Reisen in Skandinavien. Die Informationen zum Gesundheitswesen beziehe ich einerseits aus dem umfassenden Unterlagen der Studienreise, welche Beat Sottas erstellt hat, inklusive seiner diversen Berichte und Fachartikel zur Thematik, den diversen Vorträgen und Power Points der unterschiedlichen Stationen während der Reise und meinen persönlichen gemachten Notizen. Ergänzend habe ich jeweils das Internet durchforstet und mich durch die entsprechenden Seiten gearbeitet, diese erwähne ich dann jeweils. Betreffend die diversen Ausbildungen und dem Gesundheitswesen generell habe ich ergänzend die entsprechenden schwedischen Seiten konsultiert. 3. Interprofessionelles Lernen und Zusammenarbeit Die meisten nachfolgenden Informationen habe ich aus der diversen Literatur von Beat Sottas bezogen, der sich schon seit Jahren differenziert mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat und eine umfassende Expertise aufweist. Interprofessionelles Lernen und Ausbilden ist in den letzten Jahren vermehrt ein Thema geworden, welches in der Gesundheits- und Bildungslandschaft, auch in der Schweiz, thematisiert wird. Dabei hat die WHO schon 1970 gefordert, dass das Gesundheitswesen die Interprofessionalität schon in der Bildung der diversen Berufskategorien fokussieren soll. 2010 lancierte die WHO einen zweiten Appel mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der besseren Zusammenarbeit zwischen den Fachpersonen, der Verbesserung der Patientensicherheit und der Kostentransparenz und Reduktion (Sottas, Kissmann, Brügger, 2016). Die angelsächsischen und nordischen Länder haben hier wohl eher ihre Hausaufgaben gemacht, als dies von den deutschsprachigen Ländern gesagt werden kann. Nun könnten wir lapidar festhalten, dass eine interdisziplinäre Zusammenarbeit auch bei uns schon lange stattfindet. Aber ist dem wirklich so? Meines Erachtens verdeutlicht das nachfolgende Bild aus dem Expertenbericht von Sottas et al (2016) deutlich, dass 3
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege Interprofessionalität eben mehr ist, als dass «nur» ein paar unterschiedliche Berufsgruppen miteinander arbeiten: Selbstverständlich ist es mit der Zusammenarbeit allein nicht getan, denn solange die diversen Ausbildungen des Gesundheitswesens isoliert voneinander stattfinden fehlt ein Selbstverständnis und eine Grundannahme des gemeinsamen Wirkens, um mit und für den Patienten zu arbeiten. Interprofessionalität muss erlernt, geübt und praktiziert werden. Hier hat Schweden schon einige Erfahrungen sammeln können. Insbesondere mit Linköping als Pionier in diesem Feld, welches schon in den 1970 Jahren erste Umsetzungen vornahm. Zu den Kernkompetenzen der IPE gehören die Interprofessionelle Kommunikation, Funktionieren als interprofessionelles Team, eine Auseinandersetzung mit Rollen und Verantwortlichkeiten, Gemeinsame Entscheidungsfindung, Konfliktlösung und kontinuierliche Qualitätsverbesserung. Damit IPE funktionieren kann muss diese schon in allen Ausbildungsgängen integriert, ausprobiert und erlernt werden. Dass die Patienten und deren Angehörige ebenso selbstverständlich dazu gehören, scheint mir selbstverständlich zu sein. Sottas, Kissmann und Brügger (2016) zeigen auf, dass eine Voraussetzung für IPE darin liegt Grundlagen zu schaffen, damit Beteiligte eine offene Haltung entwickeln können, in der Wahrnehmung, Kommunikation, Verständnis und Wertschätzung der anderen Berufe und Fachpersonen möglich wird. 4
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege Um diese theoretischen Grundlagen in der Praxis kennen zu lernen und in einen Austausch mit Betroffenen treten zu können, bin ich nach Schweden gereist. Um die nicht zu unterschätzenden sozio - kulturellen Einflussfaktoren zu verstehen, scheint es mir unabdingbar etwas mehr über Schweden und seine Bevölkerung zu erfahren. 4. Schweden Das Königreich Schweden ist eine parlamentarische Monarchie und liegt in Nordeuropa. Es umfasst die östliche skandinavische Halbinsel. Im Westen grenzt das Land auf einer Strecke von 1572 km an Norwegen und im Nordosten an Finnland mit einer Strecke von 499 km. Seit der Eröffnung der Øresundbro im Jahr 2000 (über die ich bei der damaligen Eröffnung bis zur Hälfte gegangen bin) besteht nun auch eine direkte «Landverbindung» zu Dänemark. Typisch für Schweden sind die über 221`800 Inseln, welche jedoch nur z.T. bewohnt sind. In der Ostsee liegen zwei grösseren Inseln Gottland und Öland. Eine weitere grössere Insel, Orust, liegt nördlich von Götteborg im Kattegat. Die längste Ausdehnung vom Norden in den Süden beträgt 1572 km und vom Osten nach Westen 499 km. 4.1. Landschaft und Topografie Weite Teile des Landes sind topografisch flach bis hügelig und entwickeln sich entlang der norwegischen Grenze zu einem Gebirgsmassiv, bis zu einer Höhe über 2000m, deren Bergtundra1 , auf Schwedisch Fjäll genannt, zwischen 1000 und 2000 Metern liegt. Im Süden, in der Provinz Skåne, liegt der tiefste Punkt mit minus 2, 4 Meter unter dem Meeresspiegel. Grosse Teile des Landes sind bewaldet und es wird in Gesprächen und Diskussionen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Schweden aus den Wäldern stammen und wenn immer möglich zu ihnen zurückstreben. Im Norden erstreckt sich jedoch auch über weite Strecken die Tundra. Dort herrscht der boreale Nadelwald vor, eine von Süden gen Norden schmaler werdende Silhouette der einzelnen Nadelbäume und eine Zunahme von immer kleiner werdenden Birken hin zur baumlosen Tundra, als Anpassungsleistung an die langen Winter. Schweden hat 15 % seiner Landschaft unter Naturschutz gestellt, verteilt auf ca. 30 Naturparks und Naturschutzreservate. Die Fauna und Tierwelt ist vielfältig, so leben Rothirsche, Wildschweine, Wölfe, Braunbären, Luchse 1 Baumloser Übergang 5
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege und Vielfrass ebenso in den Wäldern, wie Biber, Fischotter und Robben an den Flüssen und Meeresküsten anzutreffen sind. Bekannt ist Schweden jedoch primär für seine Elche (von welchen auch eine grosse Gefahr im Strassenverkehr ausgeht). 4.2. Ethnie und Sprache Ethnisch besteht ein Grossteil der einheimischen Bevölkerung aus sogenannt ethnischen Schweden. Es gibt jedoch auch eine Minderheit an Schwedenfinnen, teils haben sie schon über Jahrhunderte im Land gelebt, teils sind sie in grosser Zahl während des 2. Weltkrieges eingewandert (oder vor den drohenden Russen geflohen). Eine weitere grosse Minderheit, welche sehr lange tabuisiert wurde sind die schwedischen Samen, bei welchen die traditionelle Rinderzucht eine grosse Rolle spielt. Die samische Sprache wurde erst im Jahre 2000 als Minderheitensprache anerkannt. Die schwedische Sprache ist gesetzliche Amtssprache. Anerkannte Minderheitensprachen sind, nebst dem erwähnten Samisch, das Finnisch, Tornedalfinnisch, Jiddisch, Romani und die schwedische Gebärdensprache (Svensk teckenspråk). 4.3. Einwanderung Die Fläche erstreckt sich auf 447`435 km² und es leben ca. 10`230`185 Einwohner im Land verteilt, wobei sich die meisten im Süden, insbesondere in den grossen Städten niedergelassen haben. Dies gilt auch für die in Schweden niedergelassenen Ausländer und Migrantinnen und Migranten, welche sich primär in den grossen schwedischen Städten Stockholm, Götteborg und Malmö niedergelassen haben. Interessanterweise stellt jedoch die grösste im Ausland geborene Population, diejenige der Finnen dar. Gefolgt von Menschen aus Syrien, dem Irak, Polen, Iran, den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, sowie Somalia. Schweden hatte jahrzehntelang eine sehr liberale Einwanderungspolitik, welche erst in den letzten Jahren sehr restriktiv zurückgebunden wurde, da sich massive Probleme mit gewissen Einwanderungsgruppen entwickelt hatten. Politiker der anderen skandinavischen Länder warnen den auch vor schwedischen Zuständen in ihren Ländern und versuchen dadurch die Stimmung für sich und für eine restriktivere Einwanderungspolitik zu gewinnen, was ihnen in den letzten Jahren auch sehr gut gelungen ist. 4.4. Die politische Gliederung des Landes und ihre Herausforderungen. Die politische Gliederung des Landes teilt sich auf in 18 Countys (ähnlich unseren Kantonen), aufgegliedert in 290 Gemeinden – sie sind sehr föderalistisch strukturiert. Die Countys erheben die Steuern und das Geld bleibt auch dort. Die Löhne sind in den ländlichen Regionen höher als in den Zentren, als Anreiz an die Bevölkerung im Land besser zu verteilen und zu gewährleisten, dass im ganzen Land die Gesundheitsversorgung gewährleistet wird. Dies führt natürlich dazu, dass in Stockholm, Göteborg und Malmø 85 % der Bevölkerung auf 1,3 % der Gesamtlandesfläche konzentriert lebt, mit allen Problemen und Herausforderungen, die damit folgen. Gerade in Stockholm platzt die Infrastruktur, besonders im Gesundheitswesen, aber auch in allen anderen öffentlichen Aufgaben, aus allen Nähten, weil pro Jahr 40`000 neue Einwohner in die Stadt ziehen. Ansonsten ist das Land nicht sehr stark besiedelt. Die Schweden kommen ursprünglich aus dem Wald! Dies konnten wir schon auf der Fahrt von Stockholm nach Nyköping feststellen. Kaum entfernten wir uns vom Flughafen waren wir umgeben von Wäldern, unterbrochen von einzelnen oft freistehenden Gehöften. Diese sind meist rot angestrichen. In früheren Zeiten wurde hierfür Ochsenblut verwendet, welches Schutz vor «bösen Geistern und Wesen» versprach. Heute wird eine eisenhaltige Farbe verwendet, welche in Falun verwendet wird, weshalb das Rot Falunrot bezeichnet wird. Weitere umfassende Informationen zum schwedischen Gesellschaftsmodell lassen sich über das Internet auch in englischer und sogar in deutscher Sprache beziehen (Regeringskansliet, 2019) 6
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege 4.5. Schweden – Schweiz – eine Gegenüberstellung Eine kleine Gegenüberstellung Schweiz – Schweden (die Zahlen beziehen sich, wenn nicht anders vermerkt auf das Jahr 2016). Die jeweiligen Zahlen in Klammern stehen für die weltweite «Rangliste». Schweden Schweiz Grösse / Fläche in km² 447`435 km² 41`285 Einwohnerzahl 10`230`185 8`482`152 Einwohnerzahl per km² 23 205 Im Ausland geborene Ca. 18% oder 1,78 Millionen Ca. 25 % oder 2.1 Einwohner Millionen Frauenstimmrecht seit 1921 1990 (1971) Geburtenrate pro Frau 1,88 (2016) 1,5 (2014) Lebenserwartung (Frauen 81.9 / 80,0 84,8 / 80,5 / Männer) Dritthöchste Weltweit Durchschnittsalter 41,2 42,5 Bevölkerungsentwicklung ▲+0,81 %(2016) ▲+1,1 % (2017) Bruttoinlandsprodukt Total nominal 538,6 Milliarden USD (23.) 678,6 Milliarden USD (20.) BIP Kaufkraft per 51.475 USD (17.) 61.422 USD (10.) Einwohner Index der menschlichen ▲0,913 (14.) ▲0,939 (2.) Entwicklung2 Regierungssystem Parlamentarische Demokratie Direktorialsystem Staatsform Parlamentarische Föderale Republik Erbmonarchie Generell lassen sich die beiden Länder sehr gut vergleichen. Sie werden ja auch häufig miteinander verwechselt, was ich persönlich natürlich überhaupt nicht verstehe. Aber alphabetisch geht es natürlich sehr gut auf mit Sweden – Switzerland. So z.B. in allen OECD Health statistics (http://www.oecd.org/els/health-systems/health-data.htm ). 4.6. Die Bevölkerung und ihr Verhältnis zum Staat Der Steuersatz für den einzelnen Bürger liegt bei ca. 50 %. Wie allseits bekannt, ist Schweden ein Wohlfahrtsstaat, er kümmert sich um seine Bürger von der Geburt bis zum Tod. Die Schweden haben generell ein entspanntes Verhältnis zum Staat. Er «sorgt für alle und tut schon das Richtige für den einzelnen Bürger» scheint eine Grundhaltung zu sein. So haben die meisten Schweden grosses Vertrauen in ihre Regierung und sind willig sich den Vorgaben einzuordnen. Es herrscht eine Mentalität des, «alle sind gleich» und «niemand soll aus der Menge ragen». Dies ist generell eine Tendenz die ich in allen skandinavischen Ländern bisher wahrgenommen habe, aber doch am extremsten in Schweden. Auch in Bezug auf das Sammeln der persönlichen Daten herrscht ein allgemein grosses Vertrauen. Sie könnten irgendwann für jeden einzelnen nützlich sein. Es wird gar akribisch alles gesammelt, was sich erfassen lässt, um es dann statistisch irgendwie zu nutzen und vergleich zu können. Diskussionen um Datenschutz finden kaum statt, jeder ist bereit, seine Angaben zur Verfügung zu stellen, weil sie ja der Allgemeinheit nutzen können. 4.7. Besonderheiten und Mentalität Wie immer, wenn es um Kultur und Mentalität geht, ist diese Betrachtung natürlich nicht als absolut zu sehen, zeigt auch einen persönlichen Zugang auf und ermöglicht doch ein 2human development index; die vereinten Nationen haben einen Wohlstandsindikator für Staaten definiert; hierzu gehört das Bruttonationaleinkommen pro Kopf, ein Lebenserwartungsindex, ein Bildungs- und Lebensstandardindex, welche alle nach einer bestimmten Formel berechnet werden 7
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege gewisses Verständnis für «Merkwürdigkeiten» zu entwickeln, ohne dass dies sogleich als sakrosankt und absolut bezeichnet zu werden muss. Genauso wie in den anderen skandinavischen Ländern, herrscht auch in Schweden ein informeller Kulturkodex vor der Janteloven3 genannt wird. Hier wird die Leistung des Durchschnitts gefeiert und auf alle Versuche diese zu übertreffen wird negativ reagiert. Die Schweden tun viel, um Stress zu vermeiden – hierzu gehört eine ausgesprochen gute Terminplanung. Die Uhren ticken in Schweden allgemein langsamer und die Bevölkerung scheint ausgesprochen geduldig zu sein und nimmt einiges an Wartezeiten in Kauf. Eine weitere Besonderheit ist dem Klima geschuldet. Die Sommer, mit seinen hellen Nächten wirkt sehr kurz im Vergleich zum langen und dunklen Winter. Alle wollen den Sommer in vollen Zügen geniessen, weshalb auch alle das Recht darauf haben Sommerferien zu machen. Sprich, alles was sich auf den Herbst, Winter verschieben lässt wird eben verschoben. Auch die Wochenenden beginnen gerne schon am Freitagnachmittag, damit alle Schweden, insbesondere diejenigen, welche in den Städten leben, in ihr Landhäusschen irgendwo in einem Wald, wenn möglich am See oder Meer fahren können. Dies führt dazu, dass in der Agglomeration der Städte am Freitag- und Sonntag Stau herrscht, im ansonsten für Schweizerverhältnisse grosszügig wirkenden Strassenverkehr. Jetzt im April war es noch sehr frisch, und kalt. Auch wenn wir wettermässig sehr viel Glück hatten und praktisch immer blauen Himmel hatten. Die Bäume hatten noch kein Laub getrieben und ausser den Waldanemonen, den Perlenhyazinthen, Krokus oder Erantis und weitere frühblühende Blumen blühte noch nichts (was ja ein Glück sein kann, wenn ich höre, dass in der Schweiz 80 % der Kirschernte erfroren ist). Was sicherlich ein grosser Unterschied zur Schweiz (oder dem deutschsprachigen Raum generell) ist, ist dass Hierarchien generell eine untergeordnete Rolle spielen. Alle sind (fast) ebenbürtig – im schwedischen (skandinavischen) sind alle per Du miteinander (ob sie es auch mit den Mitgliedern des Königshauses sind ist mir nicht bekannt – in Dänemark werden diese per Sie angesprochen). 4.8. Digitalisierung in Schweden Schweden treibt die Digitalisierung seiner Bevölkerung und somit seiner Gesellschaft sehr aktiv voran. So hat die Regierung schon zu Beginn dieses Jahrtausend eine Digitale Agenda mit einem offenen Prozess für das Land definiert (Round tables, digitale Foren etc. etc.). Dabei werden und wurden 4 Strategien verfolgt; easy and secure to use, services that create benefit and growth, infrastrucutre is required and the Role of IT in evolution of society. In der Zwischenzeit ist Schweden an dem Punkt, wo sie sich mit der künstlichen Intelligenz auseinandersetzen und deren Bedeutung und Nutzung für die Bevölkerung (Schweden, 2019). Im Alltag ist die Digitalisierung überall sichtbar. Ich habe nirgends irgendwelche kritischen Statements gegen die Digitalisierung vernommen, im Gegenteil. Die Leute sammeln frisch und froh alles was sie an Daten sammeln können, liefern diese gar selber an die entsprechenden Stellen und scheinen nicht genug bekommen zu können vom Sammeln von Zahlen und Erstellen von vergleichenden Statistiken. Kritische Stimmen habe ich keine vernommen und schon bei meinen früheren Reisen in Skandinavien ist mir aufgefallen, dass die Digitalisierung breiter eingesetzt und genutzt wird und gleichzeitig weniger kritisch diskutiert wird, als bei uns in der Schweiz. Die Digitalisierung scheint weniger Angst- oder Gefahrenbesetzt zu sein. Schweden strebt ja auch als erstes Land an, das Bargeld abzuschaffen. Selbst für kleinste Beträge wird die Kreditkarte gezückt, oder irgendein Paysystem über das Handy benutzt. 3 Janteloven hat sich als soziologische Begriff etabliert – siehe Beschreibung Auflistung im Anhang 8
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege Selbstverständlich macht die Digitalisierung nicht halt vor dem Gesundheitswesen. E Health ist nur ein Thema dabei, die elektronische Patientendokumentation, die von überall im Lande zugänglich ist, auch für die Patienten selber, eine andere. Die schwedische Regierung liess schon 2016 eine Vision 2025 zu eHealth entwickeln, welche anstrebt eine gemeinsame Ausgangslage der Digitalisierung für alle Sozial- und Gesundheitsinstitutionen zu etablieren (https://www.government.se/information- material/2016/08/vision-for-ehealth-2025/ ). 5. Das Gesundheitswesen in Schweden Der Wohlfahrtsstaat ist nach wie vor prägend für das Gesundheitssystem in Schweden (und in allen anderen skandinavischen Ländern) und dies obwohl sich die politische Landschaft weg von den stark sozialdemokratischen Leitlinien hin zu einer eher bürgerlich konservativen, wenn nicht gar ab und an Rechtsorientierten (- populistischen) Regierung und Steuerung des Landes hin entwickelt hat. Das oberste Gebot des Gesundheitswesens lautet immer ambulant vor stationär. Der ambulante Sektor ist ausgesprochen gut ausgebaut. Menschen, die sich nicht selber versorgen können werden von diversen Vertretern des Gesundheitswesens aufgesucht und betreut und dies bis zu mehrmals täglich. 5.1. Die Prinzipien der allgemeinen Gesundheitsversorgung. Die allgemeine Gesundheitsversorgung orientiert sich an einem angemessenen, bedarfsgerechten Zugang aller schwedischen Einwohnerinnen und Einwohner, unabhängig von ihrem Wohnort oder ihrem Einkommen. Als oberstes Gebot richtet es sich dem Prinzip der Menschenwürde aus. Diese gilt für alle und somit haben alle die gleichen Rechte. Bedarf und Solidarität sind ein weiteres wesentliches Prinzip – Menschen mit dem grössten Bedarf an medizinischer Versorgung haben Vorrang. Nachgeordnet folgt das Prinzip der Kosteneffektivität – hier werden die Wahlmöglichkeiten den Behandlungsoptionen Kosten – Nutzen – Relation untergeordnet. Seit 1997 herrscht eine Prioritätenliste im Bereich der medizinischen Versorgung, welche die Wartezeiten für unterschiedliche Behandlungen ausrichtet. Priorität hat die Versorgung bei Lebensgefahr, gefolgt von der palliativen Versorgung (was ich doch sehr bemerkenswert finde). Gefolgt wird dies von der Versorgung chronisch kranker Menschen und Menschen mit Behinderungen. An nächster Stelle steht die Prävention und die Betreuung und Behandlung Menschen mich chronischer Krankheiten. Erst jetzt folgt die Versorgung der nicht akuten oder nicht chronischen Erkrankungen. Im Unterschied zur Schweiz (und wohl auch zu Deutschland) wird der Prävention und Selbstsorge eine grosse Bedeutung beigemessen. Auch hat es kaum Spezialisten in freien (Arzt-) Praxen Im Vergleich zur Schweiz ist die Anzahl der Spitäler gering, die Strategie ambulant vor stationär wird konsequent umgesetzt. Bei Gesundheitsproblemen wird immer als erstes der Telefondienst 1177 angerufen, der Landesweit für Gesundheitsfragen zuständig ist und die Weiterbetreuung veranlasst. Meist sind diese Zentralen durch Pflegende mit einem universitären Abschluss besetzt. 9
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege 5.2. Finanzierung Je nach Quelle lassen sich unterschiedliche Informationen zur Finanzierung des Gesundheitswesens auffinden. Die Zahlen sind somit relativ zu verstehen. Es wird ca. 11 % des Bruttoinlandproduktes für die Gesundheitsversorgung generell ausgegeben. Die staatlichen Ausgaben für die Gesundheit und medizinische Versorgung, inklusive der Zahnbehandlungen, beliefen sich im Jahre 2017 auf 67.4 Milliarden schwedischer Kronen (: 10 = CHFr) und stellen die grösste Ausgabe des Staates dar. Zunehmend steigen in den letzten Jahren private Anbieter in den Markt ein (Health Care i Sverige, 2019). 5.3. Die Alterung der Bevölkerung Wie die meisten anderen ähnlich entwickelten Länder, werden die Menschen in Schweden immer älterer. Die durchschnittliche Lebensdauer beträgt heute 84 Jahre für Frauen und 81 Jahre für Männer. Einerseits hängt dies mit der sinkenden Sterblichkeitsrate durch Herzinfarkte und Schlaganfälle zusammen. Jeder 5. Mensch in Schweden ist heute über 65 Jahre alt oder älter. Dies führt dazu, dass Schweden anteilig eine der grössten älteren Bevölkerungen in Europa hat. Seit den 90er Jahren steigt die Anzahl der Geburten von Jahr zu Jahr. Die zunehmende Alterung führt zu einem Druck auf das schwedische Gesundheitswesen. Dies hat Auswirkungen auf die Organisation und Gestaltung der Angebote im Gesundheitswesen, insbesondere im ambulanten Bereich. 5.4. Spitäler und ambulante Zentren Insgesamt hat es 14 Spitäler in Schweden. Alle Spitäler, welche renoviert oder neu gebaut werden haben die gleiche Architektur und die gleiche Grundstruktur. Die Funktionalität und die sinnvollen Arbeitsabläufe stehen im Vordergrund, ebenso wie dass die Patienten so rasch als möglich, jedoch maximal nach drei Tagen austreten können. Deshalb sind alle Patienteneinzelzimmer, um der Gefahr von Infektionen und Ansteckungen vorzubeugen. 10
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege Dies hat mich doch sehr beeindruckt. Wenn ich bedenke, wie sehr in der Schweiz oft so gebaut wird, dass sich ein Architekturbüro verwirklichen kann und kaum mitberücksichtigen, wer und wie der Bau genutzt werden soll und zu welchem Zweck (ich denke da an schwarze Böden für Depressionsabteilungen und und und) Die Qualitätssicherung hat einen hohen Stellenwert. Und da die Schweden Zahlenfreaks sind wird alles erfasst, was sich erfassen lässt und miteinander verglichen. So stehen die Spitäler in einem steten Vergleich und Wettbewerb zueinander. Generell muss ich hier erwähnen, dass während meines ganzen Aufenthaltes ich nie ein schlechtes Wort über das schwedische Gesundheitssystem gehört habe – alle sprachen lobend über das System in dem sie arbeiten oder in dem sie behandelt werden. Alle kritischen Anmerkungen und Hinwiese habe ich bei meiner Internetresearchen vorgefunden. Diese bestätigen teilweise meine eigenen offenen Fragen, welche ich doch immer wieder bei den, mit grosser Begeisterung, vorgetragenen Berichte zu hören bekam. Eine mögliche Erklärung hierzu, kann daran liegen, dass einige der Experten, welche uns über das schwedische Gesundheitswesen und insbesondere der interprofessionellen Zusammenarbeit berichtet, Menschen aus Deutschland waren, wo das Gesundheitswesen für die Mitarbeitenden ein hohes Stressniveau darstellt, was die Betroffenen gerne auch immer wieder betonten. Gleichzeitig erwähnten sie auch, dass es aus ihrer Sicht nicht von ungefähr sei, dass viele aus Deutschland oder anderen Ländern stammende Mitarbeitende im Gesundheitswesen sich in Schlüsselpositionen befinden, auch eine Frage der unterschiedlichen Mentalität ist (alle sind gleich = Janteloven). Zudem wurden mir während des ganze Aufenthaltes gewisse Berufsrollen im Gesundheitswesen nie ganz klar. 5.5. 1177 – Vårdguiden – die Nummer für den Eintritt ins Gesundheitswesen Für alle gesundheitlichen Fragen und um in Kontakt mit dem Gesundheitswesen zu kommen gibt es im ganzen Land die gleiche Nummer – 1177. Hier werden Arzttermine vereinbart, Rezepte erneuert, Fragen zu aktuellen Behandlungen und Fragen zu Impfungen bearbeitet. Die Vårdzentralen sind natürlich auch physisch erreichbar. Die Homepage (1177, 2019) hat umfassende Informationen zu Gesundheit, Beschwerden, Krankheiten, Unfällen, Behandlungen und Hilfestellungen aufgeschaltet. Der Pflege- oder Gesundheitsguide arbeitet mit einer klaren Prioritätenliste. Wird die Nummer gewählt, führt eine Pflegende, eine District Nurse, nach klaren Richtlinien und standardisierten Leitfragen durch die Abklärung. Sie bietet Entscheidungshilfen und vermittelt erste Empfehlungen. Da die schwedische Bevölkerung keine Scheu vor der Sammlung von Daten hat und der Datenschutz breiter interpretiert wird, als z.B. bei uns in der Schweiz, haben die Vårdzentralen direkten Zugang zu den Patientendokumentationen. In der Regel führen die Patienten selber schon die wesentlichen Informationen auf. Diese Gesundheitsfachleute mit einem Hochschulabschluss spielen denn auch bei der Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle. So haben sie z.B. auch begrenzte Verschreibungsrechte. Die Prioritäten werden so gesetzt, dass akute Patienten vor weniger kranken Patienten betreut und hospitalisiert werden. Dies hängt natürlich auch mit der Zunahme der medizinischen Möglichkeiten zusammen. 11
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege Die Mitarbeitenden orientieren sich an klar definierten ethischen Prinzipien. Es lassen sich drei Prinzipien hervorheben, welche in dieser Reihenfolge gehandhabt werden: Alle Menschen sind gleich Bedarfs- und Solidaritätsprinzip Kosteneffektivität Sollte jedoch ein lebensbedrohlicher Zustand bestehen, wird die Bevölkerung dazu aufgefordert sogleich die Nummer 112 zu wählen. 5.6. Die Berufe im schwedischen Gesundheitswesen. Die schwedische Sprache setzt konsequent den geschlechtlichen Gleichstellungsgedanken um. Dies kann in der deutschen Sprache sehr unkonventionell und verwirrlich wirken. Dies gilt sowohl für die Ärztin oder den Arzt, welche beide einfach läkare heissen. Noch mehr gilt dies jedoch für die Pflegenden, ob männlich oder weiblich, sie werden alle als Krankenschwester bezeichnet (sjukskörterska) – auch dies kenne ich von den anderen nordischen Ländern. Konsequent wurde uns während der ganzen Reise auch von der wichtigen Bedeutung der Unterschwester berichtet. Wobei mir nie ganz klar wurde, wie deren Bildungsweg aussieht. Leider hatte ich auch nie die Gelegenheit mit einer zu sprechen. Weitere Hinweise kann eventuell das Kapitel von Aisha Amin geben. Generell herrscht auch in Schweden ein Mangel an allen Berufsleuten im Gesundheitswesen, so wie wir dies in allen westlichen Ländern kennen. Die Pflegeausbildung ist eine universitäre, generalistische (oder auch Höhere Fachschule) Ausbildung und dauert ca. 3 Jahre. Die Spezialisierungen zur Hebamme, Psychiatrie etc. dauern anschliessend nochmals 2 Jahre (https://www.framtid.se/yrke/sjukskoterska ). Generell wird bei der Werbung für den Beruf darauf hingewiesen, dass es zukünftig einfach ist eine Anstellung zu finden. Auf der ganzen Reise wurde in jeglichem Kontext und von fast allen Personen, welche uns über das Gesundheitswesen und die IPE berichteten, die relevante und herausragende Rolle der Undersköterska oder Assistant Nurse / Care Assistant = «Unterschwester» ohne die im Gesundheitswesen gar nichts gehen würde. Leider konnten wir nie mit einer sprechen oder genauer in Erfahrung bringen, wie ihr Bildungs- und Arbeitsfeld aussieht (ausser dem kurzen Input von Aisha). Die Ausbildung zur Undersköterska kann z.B. am Vård- och omsorgscollege erlernt werden. Wobei ein Teil der Ausbildung als Fernstudium absolviert werden kann, mit verbindlicher Präsenz z.B. einem Tag im Monat. Die Ausbildung weist sich mit einem Punktesystem aus, ähnlich den ECT Punkten. Auf der Seite https://www.framtid.se/yrke/underskoterska fand ich einige hilfreiche Informationen zu den Undersköterska. Es handelt sich hierbei um eine Seite, welche jungen Erwachsenen ein Bild über mögliche Berufe übermitteln will. Auch wieder mit Hinweisen zu diversen Ausbildungsmöglichkeiten, inklusive auch qualifizierte Sprachausbildungen in Schwedisch für Einwanderer. Die 250`000 Undersköterska zählen zur grössten Berufsgruppe, welche in den Gemeinden und im privaten Sektor tätig sind. Auffällig ist wie sehr überall betont wird, wie wichtig diese Berufsgruppe ist und wie selbständig sie arbeiten können. Auch in Schweden handelt es sich um eine frauendominierte Berufsgruppe, welche sich 2017 auf ca 92% festlegen lässt. Auf dieser Seite fand ich endlich die englische Bezeichnung für diese Berufsgruppe nämlich assisting nurse oder nurses aid. Eine ausgebildete undersköerska welche im Tag- und Abenddienst arbeitet kann mit einem Lohn von 22`000 SEK rechnen (ca. 2300 CHF). Beim Durchforsten des Internets bin ich auch über eine interessante homepage gestolpert http://hejunderskoterska.se/ wo die diversen Ausbildungsinstitutionen vorgestellt werden, 12
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege genauso wie die möglichen Ausbildungswege. Auf dieser Seite wird wunderbar deutlich, wie unkompliziert und ohne Scheu die Schweden offenbar mit der eigenen digitalen Präsenz umgehen. Auf der Reise haben wir letztendlich wenig erfahren über die konkreten Bildungswege, insbesondere der Pflege und der Ärzteschaft – eine Übersicht erhielten wir von Aisha Amin (siehe Abschnitt vom 2.4.2019) 5.7. Interprofessionelle Ausbildung – in Schweden Schon im Jahre 2010 hat die WHO darauf hingewiesen, dass mit der Zunahme an Mangel von Personal im Gesundheitswesen andere Formen der Zusammenarbeit angestrebt werden müssen und sie haben einen Aktionsplan definiert um die Interprofessionelle Zusammenarbeit und Ausbildung zu stärken, in der Überzeugung, dass nur gemeinsam über die Berufsgrenzen hinaus die Herausforderungen von morgen und übermorgen bewältigt werden können. Es ist nicht möglich und auch nicht sinnvoll, weder ökonomisch noch ökologisch, die Umsetzung und Verantwortung von Innovation und Weiterentwicklung nur an einer Berufsgruppe festzumachen. Der Aktionsplan für interprofessionelle Bildung und kollaborative Praxis hebt den aktuellen Stand der interprofessionellen Zusammenarbeit weltweit hervor, identifiziert die Mechanismen, welche eine erfolgreiche kollaborative Teamarbeit prägen, und skizziert eine Reihe von Aktionsfeldern, die die politischen Entscheidungsträger in ihrem lokalen Gesundheitssystem anwenden können. Ziel soll es hierbei sein, Strategien und Ideen bereitzustellen, die dann wiederum den gesundheitspolitischen Entscheidungsträgern helfen sollen, die Elemente der interprofessionellen Bildung und kollaborativen Praxis umzusetzen, die im entsprechenden Rechtssystem am nützlichsten scheinen (WHO 2010). Interprofessional Education and Practice (IPE) oder Interprofessional Learning (IPL) beide Bezeichnungen werden in der nachfolgenden Auseinandersetzung immer wieder erwähnt und beschrieben, eingefärbt durch den Erfahrungshintergrund der betroffenen Vortragenden. Linköping hat hier eine Vorreiterrolle gespielt, weil sie sich schon in den 70er Jahren aus wirtschaftlich und politischen Gründen mit den OECD propagierten interprofessionellen Ansätzen auseinandergesetzt haben und eine «Regional Health University» aufstellten, in der die professionsorientierten Ausbildungen einerseits mit PBL (Problem Based Learning) aufgestellt wurden und die interprofessionelle Ausbildung in Theorie und Praxis einen hohen Stellenwert erhielten. Die Studienprogramme enthielten Sequenzen mit disziplinärer Fachausbildung (profession specific learning), mit gemeinsam besuchten Plenarveranstaltungen (learning in common) und Sequenzen mit interprofessionellen Lernarrangements (common learning) (Sottas, 2016 S. 32). Letzteres erfolgt auf spezifischen orthopädischen und oder geriatrischen Bettenstationen mit selektionierten Patienten. Mittlerweilen hat sich dieses Vorgehen auf das ganze Land ausgeweitet und die Trainingseinsätze wurden erweitert in Felder der ambulanten Versorgung und der Grundversorgung erweitert, ebenso wie in die Chirurgie und Gynäkologie. Dank vieler wissenschaftlicher Publikationen und eine hohe Präsent in den sozialen Medien wurde das Linköping Modell in ganz Skandinavien bekannt. Die nachfolgende Darstellung aus dem erwähnten Artikel von Sottas (2016 S. 34) verdeutlicht die unterschiedlichen Berufs- und Ausbildungsmodelle im Vergleich 13
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege 6. Reise- und Studienbericht Nachfolgender Reise- und Erfahrungsbericht, orientiert sich einerseits an meinen Erfahrungen und Beobachtungen und den diversen Power Point Präsentationen, die wir erhalten haben und weiteren Grundlagen die ich aus dem Internet bezogen habe. 14
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege 6.1. Anreisetag – Sonntag, den 31.3.2019 Happy landing auf dem Arlanda Flughafen in der Nähe von Stockholm, wo ich all meine Reisegspännli antreffe. Wir besteigen sogleich einen Bus und fahren quer durch das Land gen Südwesten nach Lynköping – das nahm doch etwa 2 1/2 h in Anspruch (siehe Kartenausschnitt aus den Unterlagen von Sottas). Stockholm streifen wir knapp – wir kommen am Karolinska Spital Campus vorbei. Ein Riesencampus mit davor gelagert einem Friedhof aus der Gründerzeit des Spitals. Das Ganze wurde vor die Stadt Stockholm gebaut an einem grossen See, der mit einigen Armen zum Meer hinführt. Darauf werde ich noch im späteren Verlauf zurückkommen. Zuerst der Abstecher nach Lynköping Die Landschaft, relativ flach, viel Wald, grosse Bauernhöfe, ab und zu eine Schweine- oder Hühnerfabrik. Natürlich kommen wir auch an einem Riesen IKEA Center vorbei und auf der Gegenfahrbahn staut sich der Verkehr Richtung Stadt, weil alle nach den Wochenenden auf dem Land wieder bereit für den Arbeitsbeginn in der Stadt sein wollen / dürfen / müssen. In Linköping angekommen, haben wir kaum Zeit unsere Hotelzimmer zu beziehen. Schon geht es los zur ersten Kurzbesichtigung der Stadt und einiger Sehenswürdigkeiten und den dazugehörenden Geschichten. Bevor wir im gula huset (gelbes Haus) ein sehr üppiges z`Nachtessen bekommen. Das Hotel wieder zu finden wäre einfach gewesen, wenn ich nicht wie ein Schaf mit den anderen mitgelaufen wäre. Ich musste Passanten fragen – und ich stand quasi fast davor! Naja . 6.1.1. Linköping Linköping ist eine Ingenieur- und Universitätsstadt in Östergotland – nicht weit davon entfernt ist Norköping – eine Industriestadt, welche auf Grund des Zusammenbruches der diversen Industrien, grosse Probleme hat. Beide Städte werden oft mit einander verglichen und dienen in vielen Forschungen als Referenz für die unterschiedliche Entwicklung einer Stadt und deren Auswirkung auf die Bevölkerung. 6.2. Erster Arbeitstag – Montag, den 1.4.2019 Nach einem kleinen Spaziergang durch einen Park kommen wir 20 Teilnehmenden in der Universität an und erhalten von Beat Sottas eine erste Einführung in das schwedische System, insbesondre der Kultur und dem Selbstverständnis der schwedischen Bevölkerung. Trotz der Regierungswechsel in den letzten Jahren hin zu einer ehr bürgerlichen, konservativen Politik ist Schweden nach wie vor sehr stark geprägt von sozialdemokratischen Wohlfahrtssystem. Der Staat stellt seinen Bürgerinnen und Bürgern eine reiche Palette an Gesundheits- und Sozialdiensten zur Seite, welche sehr niederschwellig und insbesondere primär aufsuchen organisiert sind. Dabei hat die ambulante Versorgung Priorität. Im 4. Kapitel habe ich dies ausführlicher beschrieben 6.3. Linköping und die interprofessionelle Zusammenarbeit Linköping hat schon 1976 einen Strategiewechsel weg von der Monoprofessionalität hin zur interprofessionellen Zusammenarbeit und gemeinsamen Behandlung der Patienten initiiert. National erfolgte die Umsetzung dann 1998. Grundsatz war hierbei: «Alle Angehörigen des Gesundheitswesens sollten als Mitglied eines interdisziplinären Teams in der patientenorientierten Versorgung geschult werden. Dabei soll der Schwerpunkt auf der evidenzbasierten Praxis, den qualitätsverbessernden Ansätzen und der Informatik liegen». Die zentralen didaktischen Instrumente hierfür sind Clinical Trainigs Centers (Skill labs) & Interprofessional Clinical Trainigs Wards & Outpatient Clinics (Ambulatorien). Das Studium erfolgt primär über die Methode des PBL (Problem Based Learning). Je nach Studiengang ist die Interprofessional Education zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt der Ausbildung geplant. 15
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege Sottas (2019) Es geht darum gemeinsam besser zu werden und nicht einzeln gut zu sein = Kooperationskompetenz. Nur wenn die andere Berufsgruppe weiss, was ich mache, kann eine sinnvolle Zusammenarbeit entstehen. Ausgehend von der Überzeugung, dass Professionsbezogene Kompetenzen gelernt werden und nach 5 Jahren veraltet sind, stellt sich die Frage, was interprofessionelle Kompetenz ist. Bei den Prinzipien der Teamarbeit geht es immer um Macht, Schnittstellen, Gruppendynamik & Konfliktlösung – hier können wir alle besser werden. 16
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege 6.3.1. Vorträge und Besichtigung Die Besichtigung des Spitalareals und der Ausbildungsstäte, welche grad vis à vis voneinander liegen, wurde begleitet von diversen sehr umfassenden informativen Vorträge. Ich denke es ist wirklich relevant, sich immer wieder der kulturellen Unterschiede bewusst zu sein, welche zwischen Schweden und der Schweiz herrschen und insbesondere auch der unterschiedlichen Sozialisation, um zu verstehen wie das System funktioniert, wie die Bevölkerung damit umgeht und wie sie das System handhabt und nutzt. Es lässt sich kaum etwas eins zu eins übernehmen. Aber ich bin überzeugt, dass wir uns von einigen Grundsätzen inspirieren lassen können und dies sinnvollerweise übernehmen sollten, bevor unser Gesundheitswesen (noch mehr) 4zu einer Zweiklassengesellschaft wird und ein Grossteil der Bevölkerung – insbesondere der ältere und alte und hochaltrige Mensch – nur noch erschwert Zugang zum Gesundheitswesen hat, weil dieses gar nicht auf diesen Teil der Bevölkerung ausgerichtet ist, deren Population ja noch zunehmen wird. 6.3.2. Input von Johanna Dahlberg, Mattias Ekstedt & Thea Sandquist Wie es sich für einen Input zu IPE gehört berichtete nicht nur Johanna Dahlberg, als Leiterin und Koordinatorin der IPE über ihren Erfahrungs- und Kenntnisstand, auch Mattias Eksted (Arzt & Dozent) und Tea Sandquist (Studierende) trugen ihren Teil dazu bei uns eine Idee zu vermitteln, wie sie das IPE handhaben und erleben. Zuerst einige Angaben zu den Personen; Johanna Dahlberg ist IPE Koordinatorin an der FMHS (Faculty of Medicine and Health Sciendes) in Linköping. Sie arbeitet und forscht an der Entwicklung und Implementierung von IPE für Studierende. Im Zentrum ihrer Auseinandersetzung stehen die Steuerung der Lernprozesse im interprofessionellen Lernen und die interprofessionelle klinische Praxis. johanna.dahlberg@liu.se Mattias Ekstedt ist Senior Dozent und Arzt in der Kardiovaskulären Medizin. Auch er forscht im Feld der Medical Education und was es heisst Studierende zu sein u.ä.. mattias.ecstedt@liu.se Thea Sandqvist ist Studierende und macht aktuell ein Zwischenjahr als Ausbildungsentwicklerin der medizinischen Fakultät und vertritt die gesamte Studentenschaft. Sie arbeitet für die Qualitätssicherung der Fakultät, trägt dazu bei dass die Regeln für die Studierenden eingehalten werden. Dazu gehört auch, dass sie diese bei Rechtsfragen oder auch in der Vorbereitung zu ihren Examen unterstützt und weitere ähnliche Themen. . Einige Aussagen und Auszüge aus der PowerPoint von Johanna Dahlberg & Mattias Ekstedt: Interprofessional Education and Collabrative Practice (IPECP) ist ein Muss, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können. Fortlaufende Erneuerung ist die einzige Tradition der wir folgen können. Denn alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen haben vieles gemeinsam und einige Unterschiede oder spezifische Kompetenzen und darüber muss diskutiert werden. Der Kompetenzentwicklungsprozess ist ein stetiger Prozess im IPE With – From - About 17
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege Dahlberg 2019 Das Curriculum sieht folgende Integration des IPE in den laufenden Studien- und Lehrgang der diversen Berufsgruppen vor: Dahlberg 2019 Widerstände gegen das IPE entstehen einerseits aus der Haltung der Vertreter der diversen Fakultäten und der Schwierigkeit der Integration des IPE in das Curriculum. Hinzu kommen Problemstellungen der Logistik, des Timings und Finanzielle Herausforderung. Diese Aspekte werden jedoch nicht wirklich als problematisch gesehen. Die praktische Umsetzung des IPE Lernens wird so umgesetzt, dass 6-8 Studierende ein gemeinsames Team einer Station bilden und 6 -8 Patienten entweder im geriatrischen oder orthopädischen Kontext betreuen und behandeln. Im Hintergrund stehen immer Supervisoren zur Unterstützung bereit, welche jedoch die Hände in den Hosentaschen behalten! 18
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege Die Studierenden werden als Treiber der Qualitätsentwicklung gesehen, weil sie über das aktuellste Wissen verfügen. Einige Aussagen und Auszüge aus der PowerPoint von Thea Sandqvist Studierende sein in einem solch grossen Konstrukt, wie es die Universität darstellt ist eine Herausforderung. Was alle Gesundheitsberufe gemeinsam haben sind die Fragen: o Was ist Gesundheit? o Wie ist das Gesundheitswesen? Wie es sich für ihre Rolle als Studierendenvertreterin gehört, hat sie sich bei ihren Kollegen umgehört und Aussagen gesammelt nach dem ersten IPE Training; hier fielen Aussagen, wie «ich verstehe nicht wozu das gut sein soll» oder «das ist zu vage, langweilig, das Leben ist anders» etc. etc. Nach den ersten Erfahrungen in der Praxis kamen dann Aussagen wie: «Super wichtig», «Bitte sag, dass wir diese Auseinandersetzung mögen», «wir haben zuvor viel Mist gesagt, das sagt vermutlich mehr über uns aus!», «das IPE gibt uns eine gute Perspektive», «we always start by saying the bad stuff but it feels really improtant». Was verändert die Auseinandersetzung mit IPE? – Es entsteht ein anderes Denken, andere Erwartungen und das Wissen darum, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten die anderen Berufe mitbringen. Was ist wichtig im ganzen Prozess? Die Ziele von IPE zu kennen, die Fortschritte zu sehen, Geduldig sein und Supervision. Empfehlung der Studierenden an die Lehrpersonen – «Be patient» - Widerstand von den Studierenden ist normal. Die Trainingseinsätze mit den Patienten werden von den Patienten selber sehr geschätzt, denn sie erhalten bedeutend mehr Aufmerksamkeit. Interessant ist auch, dass sich in Schweden die Frage nach dem Informed Consent der Patienten gar nicht stellt, es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig und sie müssen einfach mitmachen. 19
Berufsbildungszentrum Olten Höhere Fachschule Pflege 6.3.3. Input von Pia Tingström Pia Tingström Associate Professor – Interprofessional Clinical Training. Nursing Educater- Zuständig für die Planung des IPE insbesondere der Umsetzung in der Praxis. pia.tingstrom@liu.se Professional Knowledge for working interdisciplinary means; a god team around a patient ist a team who is getting the patient in to the team. Kernpunkt der interdisziplinären Auseinandersetzung soll immer sein, was ist good, save and effective fort he patient? Darüber soll immer nachgedacht werden. Der Fokus hierbei soll die holistische Betrachtungsweise sind und nicht ausgehend von den einzelnen Berufsdisziplinen. Hierfür muss jede Person und jede Berufsgruppe wissen, was sie genau in ein Team einbringen kann. Es erfolgt für alle Studierenden, entsprechend der Planung auf den ausgewählten Abteilungen (Orthopädie oder Alter), eine 2-wöchige Trainingseinheit statt, in der die Studierenden zusammen zwei Teams bilden rund um 5 – 6 Patienten, mit Berufsgruppenspezifischen (yrkespecifik) Supervisoren im Hintergrund. Der Nachtdienst wird vom regulären Team umgesetzt. Der erste Tag dient hierbei als Einführung und Teambildungsprozess – der letzte Tag dient als Seminar- und Evaluationsabschluss. Übergeordnetes Ziel ist immer ein Bewusstsein für die Ganzheitlichkeit der Situation eines Patienten zu entwickeln. Die Patienten schätzen diese Teams sehr und auch für die Spitäler stellen diese Trainingseinheiten keine zusätzlichen finanziellen Belastungen dar, dass das Gesundheitsdepartement das Personal für die Schulung und Qualitätssicherung anstellt. Grundprinzip ist, wer in der Ausbildung ist soll lernen. Sie sind nicht Teil des Stellenplans, wie es bei uns zumindest auf der HF Stufe und teilweise bei den FaGe`s. Aber es handelt sich natürlich auch primär um ein Studium. Pia wies darauf hin, dass hier das Prinzip gilt; It`s about communication, it`s about learning – die Medizin muss nicht alles wissen – es gibt einen harten Kern von etwa 80 Situationen, welche bekannt sein muss, alles andere wäre eine Überforderung. Generell kann festgehalten werden, dass in Schweden keine Gesundheitsversorgung ohne Nurses möglich ist. Was mir in dieser bisherigen Auseinandersetzung aufgefallen ist, ist dass viel mehr über die Patienten geredet wird und gemeinsame Entscheide gefällt werden – dass diese jedoch viel zurückhaltender vorgenommen werden. In allen Diskussionen geht es um die Begründungskompetenz und hiermit verknüpft um die Evidenz. Wobei der Fokus ganz klar dabei liegt, welche Evidenz bringt die erwünschte Lebensqualität und nicht unbedingt welches ist die höchste medizinische Evidenz. Ein weiterer Aspekt der hier sehr deutlich zum Ausdruck kommt, ist der, dass in Schweden ein anderer Verantwortungsbegriff herrscht, als im deutschsprachigen Raum. Die Kernfrage für Pflegende ist dabei nicht die ärztliche Legitimation zu erhalten; Du darfst als Pflegende……wenn der Arzt es Dir verordnet, sondern es geht darum als Gesellschaft zu denken». Somit steht die Population Health im Vordergrund und nicht die Individual Health. Hierüber werde ich wohl noch etwas länger nachdenken müssen und mich in die entsprechende Philosophie vertiefen, um mir eine gewisse Klarheit erlauben zu können. 20
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