Intraokulare Entzündung im posterioren Segment - Therapeutische Optionen: Update und Ausblick

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Intraokulare Entzündung im posterioren Segment - Therapeutische Optionen: Update und Ausblick
SCHWERPUNKT
UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN

Intraokulare Entzündung
im posterioren Segment
Therapeutische Optionen: Update und Ausblick
Obwohl die Pathogenese der intraokularen Entzündung im intermediären und posterioren Segment noch nicht
vollständig geklärt ist, wird davon ausgegangen, dass es sich wesentlich um autoimmune oder immunvermittelte
Reaktionen handelt, die zu einem chronisch-rezidivierenden klinischen Verlauf führen. Das aktuelle Konzept zur
Uveitis-Pathogenese wird durch die Rolle der CD4-positiven T-Helferzellen geprägt. Prof. Uwe Pleyer, FEBO1,
Dr. Dominika Pohlmann1 und Prof. Christoph Deuter2 erläutern Behandlungsstrategien und auf den neueren
Konzepten basierende, mögliche zukünftige Therapieansätze.
Charité – Universitätsmedizin Berlin Augenklinik, Campus Virchow-Klinikum; 2Universitäts-Augenklinik Tübingen
1

U     m sowohl die akute als auch die rezidivierende nicht-infek-
      tiöse posteriore Uveitis zu kontrollieren, wird üblicher-
weise ein Stufenschema verfolgt. Zwar stellen Kortikosteroide
                                                                              (IOD) und die mögliche Entwicklung einer Katarakt, insbeson-
                                                                              dere bei jüngeren Patienten, sind relativ häufig.
                                                                              In Deutschland sind aktuell zwei Steroidimplantate zur Therapie der
weiterhin initial eine wichtige Therapieoption dar, aufgrund ihrer            intraokularen Entzündung im posterioren Segment verfügbar. Ozur-
unerwünschten Wirkungen sind sie jedoch meist nicht zur Lang-                 dex (Handelsname) ist ein biologisch abbaubares 0,7 mg Dexame-
zeittherapie geeignet. Zur Steroideinsparung werden daher syn-                thason-Implantat, das seit zehn Jahren zugelassen ist. Obwohl die
thetische disease-modifying antirheumatic drugs (sDMARDs)                     Zulassungsstudie eine Wirkdauer von bis zu 26 Wochen zeigte, zeigt
verwendet. Klassische Basismedikamente sind konventionelle                    die klinische Erfahrung, dass eine erneute Injektion oft innerhalb von
synthetische DMARDs (csDMARDs). Wenn diese nicht gut tole-                    drei bis vier Monaten erforderlich ist11. Eine Umfrage unter Uveitis-
riert werden oder sich als ineffektiv erweisen, folgt als weiterer            Spezialisten ergab, dass die bevorzugte Indikation das uveitische
Schritt die Behandlung mit biologischen DMARDs (bDMARDs).                     ZMÖ ist12,13. Seit etwa zwei Jahren ist mit Iluvien (Handelsname) ein
Diese Substanzgruppe wird bei vielen Autoimmunerkrankun-                      weiteres Steroidimplantat zugelassen, das als nicht biologisch abbau-
gen und zunehmend auch in der Ophthalmologie7,8 eingesetzt.                   bares, 0,19 mg Fluocinolonacetonid-Implantat eine deutlich län-
Ein besonderer Schwerpunkt in der folgenden Übersicht liegt bei               gere Wirkdauer von bis zu 36 Monaten aufweist15. Inzwischen liegen
den systemischen bDMARDs sowie zukünftigen Behandlungsop-                     zunehmend positive Real-World-Daten vor, die eine gute Langzeit-
tionen mit zielgerichteten („targeted“) synthetischen DMARDs                  wirkung zeigen und kaum IOD-Probleme aufweisen – allerdings
(tsDMARDs).                                                                   muss mit einer hohen Raten an Kataraktentwicklung gerechnet wer-
                                                                              den. Beide Implantate sollten nicht bei aphaken Augen eingesetzt
Intravitreale Therapie - aktuelle klinische Studien                           werden, da es zu einer Vorderkammerdislokation der Implantate
Intravitreale Medikamente wurden als mögliche Erstlinienthe-                  kommen kann, die das Hornhautendothel gefährdet. Aus unserer
rapie entwickelt, werden aber häufig adjuvant bei systemischer                Erfahrung kann dies mit einer introkularen Fixierung durch das Ein-
Immunmodulation eingesetzt, zum Beispiel beim zystoiden                       nähen des Implantats an der Glaskörperbasis gelöst werden (aller-
Makulaödem (ZMÖ) oder beim suboptimalen Ansprechen auf                        dings nur mit Iluvien durchführbar, nicht mit Ozurdex).
die Systemtherapie.                                                           Über Steroide hinaus werden aktuell einige klinische Studien
Obwohl viele verschiedene Moleküle untersucht werden, sind                    zur intravitrealen Anwendung von Immunsuppressiva durch-
Kortikosteroide die einzigen, die derzeit verfügbar sind. Zwar ist            geführt. Der mTor(Ziel von Rapamycin im Säugetier)-Inhibitor
ihre Wirksamkeit unbestritten, dennoch werden Steroidimplan-                  Sirolimus17,18 wurde in einer Phase-III-­      Studie (SAKURA) zur
tate unter dem Aspekt ihrer möglichen lokalen Nebenwirkun-                    Sicherheit und Wirksamkeit bei intravitrealer Anwendung unter-
gen oft zurückhaltender eingesetzt: Erhöhter intraokularer Druck              sucht19. 2018 wurde das Studienprogramm erweitert (LUMINA,

32 DER AUGENSPIEGEL                                                                                                                  MÄRZ 2021
Intraokulare Entzündung im posterioren Segment - Therapeutische Optionen: Update und Ausblick
SCHWERPUNKT
                                                                                                         UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN

                                                                      tikosteroiden kombiniert werden. Basierend auf den Ergebnissen
                                                                      der SITE-Kohorte (Systemic Immunosuppressive Therapy for Eye
                                                                      Disease) kann damit bei 52 bis 76 Prozent der Patienten innerhalb
                                                                      eines Jahres die Entzündung kontrolliert werden32.

                                                                      Biologische DMARDs (bDMARDs)
                                                                      Die Fortschritte im Wissen über die Pathogenese der Uveitis
Abb. 1: Intermediäre Uveitis (li.) und serpiginöse Uveitis (re.).     haben neue molekulare Ziele für die Modulation der okulären
                                                                      Immunantwort hervorgebracht. Biologika (bDMARDS) haben
NCT03711929), diese multizentrische RCT-Studie wird voraus-           die spezifische Eigenschaft, proinflammatorische Zytokine zu
sichtlich im Jahr 2022 abgeschlossen sein.                            binden und zu neutralisieren, was zu einer schnellen und effekti-
Untersucht wird derzeit auch die Sicherheit von PP-001, einem klei-   ven Kontrolle der Entzündung führt.
nen Molekül, das die Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH)              Der Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNF-α) spielt eine zentrale Rolle in
hemmt. Basierend auf präklinischen Daten20 in einem experimen-        der Pathophysiologie für viele Krankheiten, wie zum Beispiel rheuma-
tellen autoimmunen Uveitis(EAU)-Modell wurde der Wirkstoff in         toide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, entzündliche Darm­
Europa einer multizentrischen Studie unterzogen. Erste Ergebnisse     erkrankungen und nicht-infektiöse Uveitis40. TNF-α wird hauptsäch-
sind vielversprechend, da sowohl der Entzündungsverlauf beein-        lich von aktivierten Makrophagen, T-Lymphozyten und natürlichen
flusst wird als auch ein Effekt bei MÖ erkennbar ist.                 Killerzellen synthetisiert41. TNF-α bindet spezifisch entweder an den
Zur intravitrealen Anwendung von Methotrexat, Infliximab und          TNF-Rezeptor 1 oder den TNF-Rezeptor 2 und reguliert die Expres-
Adalimumab liegen bisher nur anekdotische Berichte vor21-24. Kon-     sion von endothelialen Adhäsionsmolekülen hoch42. Bei Uveitis tre-
sistente Belege für ihre Sicherheit und Wirksamkeit stehen aus.       ten intraokulare hohe TNF-α-Spiegel auf, die direkt proportional zur
Die Sicherheit von Ranibizumab (Handelsname: Lucentis) und Afli-      Aktivierung von CD4-positiven T-Helferzellen sind43.
bercept (Handelsname: Eylea) ist dagegen weniger problematisch,       Obwohl viele verschiedene neue bDMARDs-Zielstrukturen unter-
daher wurden die VEGF-Inhibitoren auch für die Behandlung des         sucht wurden, gelten Anti-TNF-α-Inhibitoren immer noch als
ZMÖ bei intra­okularer Entzündung im posterioren Segment ver-         die effektivsten therapeutischen Optionen bei autoimmunen und
sucht. Im Off-Label-Use konnten sie in kleinen Fallserien auch beim   immunvermittelten Augenerkrankungen. Dies schließt Wirkstoffe
(weniger ausgeprägten) uveitischen MÖ positive Ergebnisse errei-      der ersten Generation wie Etanercept, Infliximab, Adalimumab ein
chen, wenngleich oft wiederholte Injektionen notwendig waren25-31.    und wird durch neuere Medikamente der zweiten Generation wie
Der Vorteil lokaler Therapien bei nicht-infektiöser Uveitis ist       Golimumab und Certolizumab ergänzt. Etanercept ist ein rekom-
unbestritten, es besteht weiterhin Bedarf für den Einsatz von         binantes Fusionsprotein, das den TNF-α-R2 bindet. Er wird für die
intra­vitrealen Medikamenten mit sicherer Wirkung und günsti-         Uveitis-Behandlung nicht empfohlen, da es unzureichend wirkt und
gem Nebenwirkungsprofil.                                              im Verdacht steht, in Einzelfällen eine De-novo-Uveitis auszulösen44.
                                                                      Der erste TNF-α-Wirkstoff, der in die Klinik eingeführt wurde,
Synthetische DMARDs                                                   war Infliximab, ein chimärer Maus-Human-Antikörper. In mehre-
Patienten, die entweder unzureichend auf Kortikosteroide anspre-      ren Studien konnten bemerkenswerte Erfolge bei der Behandlung
chen oder unerwünschte Ereignisse entwickeln, werden häufig           schwerer und resistenter intraokularer Entzündungen erreicht
auf sDMARDs umgestellt. Nach internationalen Empfehlungen             werden45,46. Obwohl das Infusionsintervall einem bestimmten
bleiben sie ein wesentlicher Bestandteil der Behandlungsstrate-       Schema folgen sollte, kann es auch in höheren Dosen als sicher
gie. Obwohl sie bereits lange verwendet werden, gibt es keine all-    und wirksam eingesetzt werden48. Allerdings kann Infliximab bei
gemeine Übereinstimmung dazu, welcher Wirkstoff verwendet             Uveitis-Patienten ausschließlich off label eingesetzt werden.
werden sollte sowie in welcher Dosierung und Behandlungsdauer.        Der derzeit einzige zugelassene TNF-α-Blocker ist Adalimumab,
Basierend auf ihren pharmakologischen Eigenschaften werden sie        ein vollständig humaner monoklonaler Anti-TNF-α-Antikörper,
in Antimetabolite (Methotrexat, Azathioprin und Mycophenolat-         der die TNF-R1- und TNF-R2-Interaktion blockiert50. Adali-
mofetil), Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin A und Tacrolimus)      mumab war auch der erste monoklonale TNF-α-Antikörper, der
und Alkylierungsmittel (Cyclophosphamid und Chlorambucil)             als subkutane Injektion verabreicht wird und damit eine sehr pati-
unterschieden. Zu beachten ist, dass in Deutschland lediglich CsA     entenfreundliche Applikation ermöglicht51. Die subkutane Route
für die Uveitis zugelassen ist. Da sie ihre optimale Wirkung erst     senkt zudem das Risiko einer akuten allergischen Reaktion und
langsam erreichen, müssen sie zu Beginn mit systemischen Kor-         optimiert die Lebensqualität des Patienten.

MÄRZ 2021                                                                                                     DER AUGENSPIEGEL 33
Intraokulare Entzündung im posterioren Segment - Therapeutische Optionen: Update und Ausblick
SCHWERPUNKT
UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Adalimumab wurde in drei                   der in einer Phase-II-Studie (SARIL-NIU) zur Kontrolle von Uveitis
großen randomisierten Studien für Uveitis getestet. Alle zeigten              geprüft wurde. Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit und Sicher-
Adalimumab als wirksam bei der Kontrolle sowohl der aktiven                   heit von subkutanem Sarilumab 200 mg, das alle zwei Wochen verab-
(VISUAL I)51 als auch der inaktiven, chronischen (VISUAL II)52                reicht wird, zur Kontrolle von nicht-infektiöser Uveitis zu bewerten.
Uveitis. Darüber hinaus wurde das Medikament unter Real-Life-                 Sarilumab zeigte ähnliche Qualitäten wie Tocilizumab, indem es kli-
Bedingungen (VISUAL III)53 geprüft. Wie bei Infliximab belegen                nische Hinweise auf eine gute Kontrolle der Uveitis im hinteren Seg-
neuere Berichte ein günstiges Ansprechen bei Dosiseskalation von              ment sowie des ZMÖ lieferte67. Weitere Ergebnisse stehen noch aus.
Adalimumab bei Patienten, die nicht optimal auf das Standardschema            Im Fokus der Therapieentwicklung stehen noch weitere Zielmole-
ansprechen54,55. Die Entwicklung von Antidrug-Antikörpern ist ein             küle der bDMARDs wie Interleukin (IL)-2 und IL-1β. In kleinen
ähnliches Problem wie bei Infliximab, daher wird beispielsweise bei           Serien haben sie eine positive Wirkung und gute Sicherheit gezeigt56.
Kindern die Kombination mit MTX empfohlen. Alle anderen Anti-                 Insbesondere scheint das Sicherheitsprofil für tuberkulosebedingte
TNF-α-Monoklonale wie Golimumab und auch Fab-Fragmente,                       schwerwiegende unerwünschte Ereignisse im Vergleich zu TNF-
die mit Polyethylenglykol konjugiert sind, wie Certolizumab-Pegol,            α-Inhibitoren deutlich besser zu sein. Anakinra ist ein spezifischer
haben kleinen Kohortenstudien zufolge eine gewisse Wirkung auf die            Rezeptor-Antagonist von IL-1, der subkutan in einer Dosis von 100
Uveitis, sind in ihrer Aussagekraft momentan aber noch einschränkt.           mg pro Tag verabreicht wird. Die Wirksamkeit von Anakinra konnte
                                                                              vor allem bei autoinflammatorischen Erkrankungen gezeigt werden,
Neuere Studien und weitere Zielmoleküle der bDMARDs                           wie zum Beispiel bei chronisch infantiler neuro-kutaneo-artikulärer
Zunehmendes Interesse gilt den Anti-IL-6-Wirkstoffen. IL-6 weist              Syndrom(CINCA)-assoziierter Uveitis, die nicht auf eine Anti-TNF-
eine Reihe von immunologischen Funktionen auf, wie beispiels-                 Therapie anspricht58. Canakinumab ist ein weiterer humaner Anti-IL-
weise die Modulation von T-Zell-Aktivierung und Sekretion von                 1β-Antikörper, der eine Indikation für systemische JIA und Cryopy-
Immunglobulinen64. Tocilizumab wirkt spezifisch auf den IL-6-Re-              rin-assoziierte periodische Syndrome (CAPS) hat. Gevokizumab ist
zeptor und wurde zunächst bei rheumatoider Arthritis (RA) initial             ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der gegen IL-1β gerich-
in einem Dosisbereich von 4 bis 12 mg/kg alle zwei bis vier Wochen            tet ist. Obwohl eine Pilotstudie bei aktiver Behçet-Erkrankung-asso-
zugelassen. Die Wirksamkeit von Tocilizumab konnte bei Morbus-                ziierter Uveitis und retinaler Vaskulitis eine schnelle und anhaltende
Behcet-bedingter Uveitis gezeigt werden65. Tocilizumab hat sich in            Reduktion der intraokularen Entzündung zeigte60, konnte Gevoki-
kleinen Serien als wirksam bei der Behandlung des ZMÖ erwiesen                zumab in multizentrischer klinischer Prüfung (EYEGUARD), die pri-
und wurde erfolgreich bei Patienten eingesetzt, die zuvor auf Anti-           mären Studienendpunkte leider nicht erreichen61.
TNF-Wirkstoffe refraktär waren66.                        Multimodale Bildgebung
                                                                              Während die zuvor genannten Wirkstoffe sich vor allem gegen
Sarilumab ist eine weitere Substanz aus der Gruppe der rekombinan-            T-Lymphozyten richten, ist bei Rituximab das B-Lymphozyten-Anti-
ten humanisierten monoklonalen Anti-IL-6-Rezeptor-Antikörper,                 gen CD-20 auf B-Zellen im Fokus. Es wurde bereits 1997 von der
                           SD-OCT                                  FA                              ICG                         OCT-A
                                                         Multimodale Bildgebung
                             SD-OCT                                FA                               ICG                          OCT-A

        G
        E
        S
     Gesund
        U
        N
        D

        B
        S
        R
      BSRC
        C

Abb. 2: Birdshot-Chorioretinopathie (BSRC). (aus: Pohlmann et al. Ocul Immunol Inflamm. 2017 Oct;25(5):621-632)

34 DER AUGENSPIEGEL                                                                                                                  MÄRZ 2021
                                                                    7)
Intraokulare Entzündung im posterioren Segment - Therapeutische Optionen: Update und Ausblick
SCHWERPUNKT
                                                                                                            UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN

Food and Drug Administration (FDA) zur Behandlung des rezidi-             durch ein Molekulargewicht von
Intraokulare Entzündung im posterioren Segment - Therapeutische Optionen: Update und Ausblick
SCHWERPUNKT
UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN

tsDMARDs sehr umfangreich geworden ist, sind wir zuversicht-         Ein weiterer interessanter Ansatz ist die Verwendung von mes-
lich, dass wir in naher Zukunft einige interessante Ergebnisse       enchymalen Stammzellen (MSCs). MSCs haben eine bekannte
erhalten werden. Es gibt erste vielversprechende Daten bei expe-     immunmodulatorische Wirkung bei Autoimmunerkrankungen,
rimenteller Uveitis, aber bisher keine Daten aus aussagekräfti-      sowohl durch ihre Zell-Zell-Interaktion als auch durch ihre Fähig-
gen klinischen Studien93,94.                                         keit, potente parakrine Faktoren, wie Zytokine, Wachstumsfaktoren
                                                                     und Exosomen zu produzieren. Diese Effekte spielen eine Schlüs-
Zukünftige Therapien (Gen-, zellbasierte Therapie)                   selrolle bei der Modulation regulatorischer T-Zellen. EAU demons-
Die Gentherapie ist eine aufkommende therapeutische Option           trieren das Potenzial von MSCs bei okulären Entzündungen, indem
für Netzhauterkrankungen, einschließlich Uveitis. Da bereits         sie eine deutliche Reduktion sowohl des Schweregrads als auch der
klinische Erfahrungen mit monogenen Netzhautdystrophien              Rezidivrate zeigen, auch wenn noch keine schlüssigen Daten vor-
vorliegen, eröffnen sich neue Möglichkeiten für andere Netz-         liegen106-109. Ein weiterer Beleg ist der Kopf-an-Kopf-Vergleich einer
hauterkrankungen101. Bei der experimentellen Uveitis sind            einmaligen MSC-Behandlung, die sich als ebenso wirksam erwies
erfolgreiche Interventionen durch Gentherapie seit langem            wie wiederholte Dexamethason-Applikationen im EAU-Modell110.
nachgewiesen. Therapeutische Effekte konnten beim Gentrans-          Als Beleg für die immunmodulatorischen Effekte wurde eine signi-
fer zur Expression von IL-10, IL-1RA und TNF erzielt wer-            fikante Reduktion von T-Helfer 1 und T-Helfer 17 beobachtet, wäh-
den102-104. Aktuelle Bemühungen zur Verbesserung der Genthe-         rend regulatorische T-Zellen hochreguliert wurden.
rapie konzentrieren sich auf die Identifizierung neuer Vektoren,
neuartiger therapeutischer Targets und die Zuverlässigkeit der       Fazit und Ausblick
Transfektion. In allen Bereichen sind noch erhebliche Anstren-       Obwohl Steroide zu Beginn meist notwendig sind, führen sie vor
gungen erforderlich. Bisherige Anwendungen erfolgten über-           allem bei systemischer Anwendung oft zu Nebenwirkungen. Nach
wiegend mit viralen Vektoren, die über eine subretinale oder         der Zulassung verschiedener intraokularer Steroide zur intra­
intravitreale Injektion appliziert werden. Interessant sind auch     vitrealen Platzierung hat sich die Behandlung der intraokularen
Entwicklungen, die einen nicht-viralen, nicht-invasiven Gen-         Entzündung im posterioren Segment deutlich erweitert.
transfer verfolgen104. In diesem Zusammenhang ist eine klini-        Auch das Spektrum der intravitrealen nichtsteroidalen Wirkstoffe
sche Phase-I/II-Studie erwähnenswert, die eine Elektrotrans-         könnte in den nächsten Jahren noch größer werden. Einige Pio-
fektion des Ziliarmuskels mit Kodierung des löslichen humanen        nierarbeiten haben eine Reihe von systemischen immunsuppressi-
TNF-α p55-Rezeptors bei Patienten mit posteriorer, intermedi-        ven Wirkstoffen über den intravitrealen Weg eingesetzt und damit
ärer und Panuveitis durchführt (NCT03308045)104. Allerdings          einen neuen Weg in der Interpretation ihrer Anwendung eröffnet.
stellen die Dosierung des Genprodukts, die Zuverlässigkeit des       Bei der langfristigen Behandlung von intraokularen Entzündun-
Transfektionsprozesses und die Sicherheit der verlängerten           gen bleiben steroidsparende Medikamente nach internationalen
Transgenexpression bisher noch ungelöste Probleme dar105.            Empfehlungen ein wesentlicher Bestandteil der Therapiestrate-
                                                                     gie. Dennoch gibt es keine allgemeine Übereinstimmung darüber,
                                                                     welcher Wirkstoff verwendet werden sollte, welche Dosierung
                                                                     und Behandlungsdauer. Außerdem ist unter den sDMARDs der-
                                                                     zeit nur CsA für die Uveitis zugelassen.
                                                                     Durch die weltweite Zulassung des TNF-α-Blockers Adalimumab
                                                                     hat sich das Management der intraokularen Entzündung im pos-
                                                                     terioren Segment sicherlich verändert. Insbesondere TNF-α
                                                                     scheint nach wie vor das attraktivste therapeutische Ziel zu sein.
                                                                     Allerdings brachte der zunehmende Einsatz von TNF-Blockern
                                                                     auch Probleme mit sich: das Nutzen-Risiko-Verhältnis muss sorg-
                                                                     fältig abgewogen werden und Anti-TNF-neutralisierende Anti-
                                                                     körper führen zu mangelnder Wirksamkeit.
                                                                     Als Konsequenz darauf hat heute die Zulassung eines breiteren
                                                                     Spektrums von bDMARDs, einschließlich anderer biologischer
                                                                     Targets, wie beispielsweise anti-IL-6, Priorität. Die wissenschaft-
Abb. 3: Angriffspunkte der Biologika. (aus: Walscheid K, Pleyer U,   liche Gemeinschaft wartet auf die Ergebnisse mehrerer Phase-II/
Heiligenhaus A. Klin Monbl Augenheilkd. 2018)                        III-Studien und hoffentlich auf deren Zulassung.

36 DER AUGENSPIEGEL                                                                                                         MÄRZ 2021
SCHWERPUNKT
                                                                                                                                UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN

 Wirkstoffklasse/Verbindung            Molekulares Ziel/Wirkmechanismus                   Entwicklungsstand                Anwendungsweg          Urheber/­
                                                                                          (Referenz)                                              Entwickler

 Alpha-4-Integrin-Inhibitor
 •α4-api                               Alpha-4-Integrin/reduziert die Rekrutierung        Präklinisch (95)                 Intraperitoneal        Cytel
                                       von T-Lymphozyten und die entzündliche
                                       Zytokinproduktion
 Aldose-Reduktase-Inhibitor
 •BF5m                                 Aldose-Reduktase/reduziert oxidativen Stress       Präklinisch (96)                 Intravitreal           Universität von
                                       und die NF-κB-signalbezogene Entzün-                                                                       Pisa, Italien
                                       dungskaskade
 STAT3-Inhibitoren
 •ORLL NIH001                          STAT3/unterdrückt die Th17-Differenzierung         Präklinisch (97)                 Intravenös             Orchid Research
                                       und die entzündliche Zytokinproduktion                                                                     Laboratories
                                                                                                                                                  Limited
 AMPK-Analogon/-Aktivator
 •AICAR                                AMPK/reduziert die NF-κB-                          Präklinisch (98)                 Intraperitoneal        PeriCor Therapeu-
                                       Signalübertragung, die JAK-STAT-Signalüber-                                                                tics, Schering-
                                       tragung, die Leukozyteninfiltration und die                                                                Plough
                                       Zytokinsynthese
 JAK-Inhibitoren
 •Tofacitinib (CP-690,550)             JAK-STAT-Kaskade/reduziert die Signal-             Von FDA und EMA für              Systemisch (PO)        Pfizer
                                       übertragung der Zytokinrezeptoren, das             RA zugelassen; Phase III
                                       Überleben, die Proliferation und die Funktion      (NCT02592434) für JIA (99)
                                       von Immunzellen
 •Baricitinib (LY3009104)              JAK-STAT-Kaskade/reduziert die Signal-             Von der EMA für RA zuge-         Systemisch (PO)        Elli Lilly
                                       übertragung vonZytokinrezeptoren, das              lassen (NCT02265705)
                                       Überleben, die Proliferation und die Funktion
                                       von Immunzellen

 AMPK = Adenosinmonophosphat-aktivierte Proteinkinase; JAK = Janus-Kinase; JIA = juvenile idiopathische Arthritis; NF-κB = Kernfaktor κB; PO = per oral;
 RA = rheumatoide Arthritis; STAT = Signalwandler und Transkriptionsaktivator
Tab. 1: „Small Molecules“, die sich in der Entwicklung oder klinischen Anwendung zur Behandlung von Uveitis befinden.

Vielversprechende Ergebnisse zu anderen Wirkstoffen wie den
tsDMARDs deuten darauf hin, dass JAK-Inhibitoren eine valide
                                                                                                        In der AUGENSPIEGEL-App
Alternative darstellen: bei der RA scheinen sie den konventionel-
                                                                                                    zum Beitrag abrufbar sind ergänzend:
len immunmodulierenden Wirkstoffen und bDMARDs gleich-
wertig zu sein. Angesichts ihrer oben beschriebenen Vorteile, wie                      | eine gegliederte Literatursammlung zu: „Posteriore Uveitis“
der gleichzeitigen Hemmung der Signaltransduktion für mehrere                          | im Text genannte Quellenangaben
Zytokine, der oralen Verfügbarkeit und einfacheren Herstellung,                        | ergänzende tabellarische Übersichten:
könnten sie ein neues therapeutisches Szenario eröffnen.                                I. Intravitreal verabreichte Wirkstoffe im klinischen Einsatz oder
Auch ein Ausblick in die Zukunft sollte in die Bewertung ein-                               in der Entwicklung
bezogen werden: An erster Stelle sind hier Therapieoptionen zu                          II. Synthetische DMARDS
                                                                                        III. Biologische DMARDS
nennen, die sich von der konventionellen pharmakologischen
Behandlung abwenden. Die Gentherapie wird bereits seit vielen
Jahren propagiert. Aktuell sind bereits eine Reihe von therapeuti-
schen Anwendungen durch intravitrealen oder subretinalen Gen-                     Prof. Uwe Pleyer, FEBO
transfer zugelassen worden. Dies macht mehr als Hoffnung für                      Oberarzt, Charité – Universitätsmedizin Berlin Augenklinik, CVK
intraokulare immunmodulatorische Ansätze.                                         E-Mail: uwe.pleyer@charite.de

MÄRZ 2021                                                                                                                             DER AUGENSPIEGEL 37
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