Intraokulare Entzündung im posterioren Segment - Therapeutische Optionen: Update und Ausblick
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SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN Intraokulare Entzündung im posterioren Segment Therapeutische Optionen: Update und Ausblick Obwohl die Pathogenese der intraokularen Entzündung im intermediären und posterioren Segment noch nicht vollständig geklärt ist, wird davon ausgegangen, dass es sich wesentlich um autoimmune oder immunvermittelte Reaktionen handelt, die zu einem chronisch-rezidivierenden klinischen Verlauf führen. Das aktuelle Konzept zur Uveitis-Pathogenese wird durch die Rolle der CD4-positiven T-Helferzellen geprägt. Prof. Uwe Pleyer, FEBO1, Dr. Dominika Pohlmann1 und Prof. Christoph Deuter2 erläutern Behandlungsstrategien und auf den neueren Konzepten basierende, mögliche zukünftige Therapieansätze. Charité – Universitätsmedizin Berlin Augenklinik, Campus Virchow-Klinikum; 2Universitäts-Augenklinik Tübingen 1 U m sowohl die akute als auch die rezidivierende nicht-infek- tiöse posteriore Uveitis zu kontrollieren, wird üblicher- weise ein Stufenschema verfolgt. Zwar stellen Kortikosteroide (IOD) und die mögliche Entwicklung einer Katarakt, insbeson- dere bei jüngeren Patienten, sind relativ häufig. In Deutschland sind aktuell zwei Steroidimplantate zur Therapie der weiterhin initial eine wichtige Therapieoption dar, aufgrund ihrer intraokularen Entzündung im posterioren Segment verfügbar. Ozur- unerwünschten Wirkungen sind sie jedoch meist nicht zur Lang- dex (Handelsname) ist ein biologisch abbaubares 0,7 mg Dexame- zeittherapie geeignet. Zur Steroideinsparung werden daher syn- thason-Implantat, das seit zehn Jahren zugelassen ist. Obwohl die thetische disease-modifying antirheumatic drugs (sDMARDs) Zulassungsstudie eine Wirkdauer von bis zu 26 Wochen zeigte, zeigt verwendet. Klassische Basismedikamente sind konventionelle die klinische Erfahrung, dass eine erneute Injektion oft innerhalb von synthetische DMARDs (csDMARDs). Wenn diese nicht gut tole- drei bis vier Monaten erforderlich ist11. Eine Umfrage unter Uveitis- riert werden oder sich als ineffektiv erweisen, folgt als weiterer Spezialisten ergab, dass die bevorzugte Indikation das uveitische Schritt die Behandlung mit biologischen DMARDs (bDMARDs). ZMÖ ist12,13. Seit etwa zwei Jahren ist mit Iluvien (Handelsname) ein Diese Substanzgruppe wird bei vielen Autoimmunerkrankun- weiteres Steroidimplantat zugelassen, das als nicht biologisch abbau- gen und zunehmend auch in der Ophthalmologie7,8 eingesetzt. bares, 0,19 mg Fluocinolonacetonid-Implantat eine deutlich län- Ein besonderer Schwerpunkt in der folgenden Übersicht liegt bei gere Wirkdauer von bis zu 36 Monaten aufweist15. Inzwischen liegen den systemischen bDMARDs sowie zukünftigen Behandlungsop- zunehmend positive Real-World-Daten vor, die eine gute Langzeit- tionen mit zielgerichteten („targeted“) synthetischen DMARDs wirkung zeigen und kaum IOD-Probleme aufweisen – allerdings (tsDMARDs). muss mit einer hohen Raten an Kataraktentwicklung gerechnet wer- den. Beide Implantate sollten nicht bei aphaken Augen eingesetzt Intravitreale Therapie - aktuelle klinische Studien werden, da es zu einer Vorderkammerdislokation der Implantate Intravitreale Medikamente wurden als mögliche Erstlinienthe- kommen kann, die das Hornhautendothel gefährdet. Aus unserer rapie entwickelt, werden aber häufig adjuvant bei systemischer Erfahrung kann dies mit einer introkularen Fixierung durch das Ein- Immunmodulation eingesetzt, zum Beispiel beim zystoiden nähen des Implantats an der Glaskörperbasis gelöst werden (aller- Makulaödem (ZMÖ) oder beim suboptimalen Ansprechen auf dings nur mit Iluvien durchführbar, nicht mit Ozurdex). die Systemtherapie. Über Steroide hinaus werden aktuell einige klinische Studien Obwohl viele verschiedene Moleküle untersucht werden, sind zur intravitrealen Anwendung von Immunsuppressiva durch- Kortikosteroide die einzigen, die derzeit verfügbar sind. Zwar ist geführt. Der mTor(Ziel von Rapamycin im Säugetier)-Inhibitor ihre Wirksamkeit unbestritten, dennoch werden Steroidimplan- Sirolimus17,18 wurde in einer Phase-III- Studie (SAKURA) zur tate unter dem Aspekt ihrer möglichen lokalen Nebenwirkun- Sicherheit und Wirksamkeit bei intravitrealer Anwendung unter- gen oft zurückhaltender eingesetzt: Erhöhter intraokularer Druck sucht19. 2018 wurde das Studienprogramm erweitert (LUMINA, 32 DER AUGENSPIEGEL MÄRZ 2021
SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN tikosteroiden kombiniert werden. Basierend auf den Ergebnissen der SITE-Kohorte (Systemic Immunosuppressive Therapy for Eye Disease) kann damit bei 52 bis 76 Prozent der Patienten innerhalb eines Jahres die Entzündung kontrolliert werden32. Biologische DMARDs (bDMARDs) Die Fortschritte im Wissen über die Pathogenese der Uveitis Abb. 1: Intermediäre Uveitis (li.) und serpiginöse Uveitis (re.). haben neue molekulare Ziele für die Modulation der okulären Immunantwort hervorgebracht. Biologika (bDMARDS) haben NCT03711929), diese multizentrische RCT-Studie wird voraus- die spezifische Eigenschaft, proinflammatorische Zytokine zu sichtlich im Jahr 2022 abgeschlossen sein. binden und zu neutralisieren, was zu einer schnellen und effekti- Untersucht wird derzeit auch die Sicherheit von PP-001, einem klei- ven Kontrolle der Entzündung führt. nen Molekül, das die Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH) Der Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNF-α) spielt eine zentrale Rolle in hemmt. Basierend auf präklinischen Daten20 in einem experimen- der Pathophysiologie für viele Krankheiten, wie zum Beispiel rheuma- tellen autoimmunen Uveitis(EAU)-Modell wurde der Wirkstoff in toide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, entzündliche Darm Europa einer multizentrischen Studie unterzogen. Erste Ergebnisse erkrankungen und nicht-infektiöse Uveitis40. TNF-α wird hauptsäch- sind vielversprechend, da sowohl der Entzündungsverlauf beein- lich von aktivierten Makrophagen, T-Lymphozyten und natürlichen flusst wird als auch ein Effekt bei MÖ erkennbar ist. Killerzellen synthetisiert41. TNF-α bindet spezifisch entweder an den Zur intravitrealen Anwendung von Methotrexat, Infliximab und TNF-Rezeptor 1 oder den TNF-Rezeptor 2 und reguliert die Expres- Adalimumab liegen bisher nur anekdotische Berichte vor21-24. Kon- sion von endothelialen Adhäsionsmolekülen hoch42. Bei Uveitis tre- sistente Belege für ihre Sicherheit und Wirksamkeit stehen aus. ten intraokulare hohe TNF-α-Spiegel auf, die direkt proportional zur Die Sicherheit von Ranibizumab (Handelsname: Lucentis) und Afli- Aktivierung von CD4-positiven T-Helferzellen sind43. bercept (Handelsname: Eylea) ist dagegen weniger problematisch, Obwohl viele verschiedene neue bDMARDs-Zielstrukturen unter- daher wurden die VEGF-Inhibitoren auch für die Behandlung des sucht wurden, gelten Anti-TNF-α-Inhibitoren immer noch als ZMÖ bei intraokularer Entzündung im posterioren Segment ver- die effektivsten therapeutischen Optionen bei autoimmunen und sucht. Im Off-Label-Use konnten sie in kleinen Fallserien auch beim immunvermittelten Augenerkrankungen. Dies schließt Wirkstoffe (weniger ausgeprägten) uveitischen MÖ positive Ergebnisse errei- der ersten Generation wie Etanercept, Infliximab, Adalimumab ein chen, wenngleich oft wiederholte Injektionen notwendig waren25-31. und wird durch neuere Medikamente der zweiten Generation wie Der Vorteil lokaler Therapien bei nicht-infektiöser Uveitis ist Golimumab und Certolizumab ergänzt. Etanercept ist ein rekom- unbestritten, es besteht weiterhin Bedarf für den Einsatz von binantes Fusionsprotein, das den TNF-α-R2 bindet. Er wird für die intravitrealen Medikamenten mit sicherer Wirkung und günsti- Uveitis-Behandlung nicht empfohlen, da es unzureichend wirkt und gem Nebenwirkungsprofil. im Verdacht steht, in Einzelfällen eine De-novo-Uveitis auszulösen44. Der erste TNF-α-Wirkstoff, der in die Klinik eingeführt wurde, Synthetische DMARDs war Infliximab, ein chimärer Maus-Human-Antikörper. In mehre- Patienten, die entweder unzureichend auf Kortikosteroide anspre- ren Studien konnten bemerkenswerte Erfolge bei der Behandlung chen oder unerwünschte Ereignisse entwickeln, werden häufig schwerer und resistenter intraokularer Entzündungen erreicht auf sDMARDs umgestellt. Nach internationalen Empfehlungen werden45,46. Obwohl das Infusionsintervall einem bestimmten bleiben sie ein wesentlicher Bestandteil der Behandlungsstrate- Schema folgen sollte, kann es auch in höheren Dosen als sicher gie. Obwohl sie bereits lange verwendet werden, gibt es keine all- und wirksam eingesetzt werden48. Allerdings kann Infliximab bei gemeine Übereinstimmung dazu, welcher Wirkstoff verwendet Uveitis-Patienten ausschließlich off label eingesetzt werden. werden sollte sowie in welcher Dosierung und Behandlungsdauer. Der derzeit einzige zugelassene TNF-α-Blocker ist Adalimumab, Basierend auf ihren pharmakologischen Eigenschaften werden sie ein vollständig humaner monoklonaler Anti-TNF-α-Antikörper, in Antimetabolite (Methotrexat, Azathioprin und Mycophenolat- der die TNF-R1- und TNF-R2-Interaktion blockiert50. Adali- mofetil), Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin A und Tacrolimus) mumab war auch der erste monoklonale TNF-α-Antikörper, der und Alkylierungsmittel (Cyclophosphamid und Chlorambucil) als subkutane Injektion verabreicht wird und damit eine sehr pati- unterschieden. Zu beachten ist, dass in Deutschland lediglich CsA entenfreundliche Applikation ermöglicht51. Die subkutane Route für die Uveitis zugelassen ist. Da sie ihre optimale Wirkung erst senkt zudem das Risiko einer akuten allergischen Reaktion und langsam erreichen, müssen sie zu Beginn mit systemischen Kor- optimiert die Lebensqualität des Patienten. MÄRZ 2021 DER AUGENSPIEGEL 33
SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN Die Wirksamkeit und Sicherheit von Adalimumab wurde in drei der in einer Phase-II-Studie (SARIL-NIU) zur Kontrolle von Uveitis großen randomisierten Studien für Uveitis getestet. Alle zeigten geprüft wurde. Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit und Sicher- Adalimumab als wirksam bei der Kontrolle sowohl der aktiven heit von subkutanem Sarilumab 200 mg, das alle zwei Wochen verab- (VISUAL I)51 als auch der inaktiven, chronischen (VISUAL II)52 reicht wird, zur Kontrolle von nicht-infektiöser Uveitis zu bewerten. Uveitis. Darüber hinaus wurde das Medikament unter Real-Life- Sarilumab zeigte ähnliche Qualitäten wie Tocilizumab, indem es kli- Bedingungen (VISUAL III)53 geprüft. Wie bei Infliximab belegen nische Hinweise auf eine gute Kontrolle der Uveitis im hinteren Seg- neuere Berichte ein günstiges Ansprechen bei Dosiseskalation von ment sowie des ZMÖ lieferte67. Weitere Ergebnisse stehen noch aus. Adalimumab bei Patienten, die nicht optimal auf das Standardschema Im Fokus der Therapieentwicklung stehen noch weitere Zielmole- ansprechen54,55. Die Entwicklung von Antidrug-Antikörpern ist ein küle der bDMARDs wie Interleukin (IL)-2 und IL-1β. In kleinen ähnliches Problem wie bei Infliximab, daher wird beispielsweise bei Serien haben sie eine positive Wirkung und gute Sicherheit gezeigt56. Kindern die Kombination mit MTX empfohlen. Alle anderen Anti- Insbesondere scheint das Sicherheitsprofil für tuberkulosebedingte TNF-α-Monoklonale wie Golimumab und auch Fab-Fragmente, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse im Vergleich zu TNF- die mit Polyethylenglykol konjugiert sind, wie Certolizumab-Pegol, α-Inhibitoren deutlich besser zu sein. Anakinra ist ein spezifischer haben kleinen Kohortenstudien zufolge eine gewisse Wirkung auf die Rezeptor-Antagonist von IL-1, der subkutan in einer Dosis von 100 Uveitis, sind in ihrer Aussagekraft momentan aber noch einschränkt. mg pro Tag verabreicht wird. Die Wirksamkeit von Anakinra konnte vor allem bei autoinflammatorischen Erkrankungen gezeigt werden, Neuere Studien und weitere Zielmoleküle der bDMARDs wie zum Beispiel bei chronisch infantiler neuro-kutaneo-artikulärer Zunehmendes Interesse gilt den Anti-IL-6-Wirkstoffen. IL-6 weist Syndrom(CINCA)-assoziierter Uveitis, die nicht auf eine Anti-TNF- eine Reihe von immunologischen Funktionen auf, wie beispiels- Therapie anspricht58. Canakinumab ist ein weiterer humaner Anti-IL- weise die Modulation von T-Zell-Aktivierung und Sekretion von 1β-Antikörper, der eine Indikation für systemische JIA und Cryopy- Immunglobulinen64. Tocilizumab wirkt spezifisch auf den IL-6-Re- rin-assoziierte periodische Syndrome (CAPS) hat. Gevokizumab ist zeptor und wurde zunächst bei rheumatoider Arthritis (RA) initial ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der gegen IL-1β gerich- in einem Dosisbereich von 4 bis 12 mg/kg alle zwei bis vier Wochen tet ist. Obwohl eine Pilotstudie bei aktiver Behçet-Erkrankung-asso- zugelassen. Die Wirksamkeit von Tocilizumab konnte bei Morbus- ziierter Uveitis und retinaler Vaskulitis eine schnelle und anhaltende Behcet-bedingter Uveitis gezeigt werden65. Tocilizumab hat sich in Reduktion der intraokularen Entzündung zeigte60, konnte Gevoki- kleinen Serien als wirksam bei der Behandlung des ZMÖ erwiesen zumab in multizentrischer klinischer Prüfung (EYEGUARD), die pri- und wurde erfolgreich bei Patienten eingesetzt, die zuvor auf Anti- mären Studienendpunkte leider nicht erreichen61. TNF-Wirkstoffe refraktär waren66. Multimodale Bildgebung Während die zuvor genannten Wirkstoffe sich vor allem gegen Sarilumab ist eine weitere Substanz aus der Gruppe der rekombinan- T-Lymphozyten richten, ist bei Rituximab das B-Lymphozyten-Anti- ten humanisierten monoklonalen Anti-IL-6-Rezeptor-Antikörper, gen CD-20 auf B-Zellen im Fokus. Es wurde bereits 1997 von der SD-OCT FA ICG OCT-A Multimodale Bildgebung SD-OCT FA ICG OCT-A G E S Gesund U N D B S R BSRC C Abb. 2: Birdshot-Chorioretinopathie (BSRC). (aus: Pohlmann et al. Ocul Immunol Inflamm. 2017 Oct;25(5):621-632) 34 DER AUGENSPIEGEL MÄRZ 2021 7)
SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN Food and Drug Administration (FDA) zur Behandlung des rezidi- durch ein Molekulargewicht von
SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN tsDMARDs sehr umfangreich geworden ist, sind wir zuversicht- Ein weiterer interessanter Ansatz ist die Verwendung von mes- lich, dass wir in naher Zukunft einige interessante Ergebnisse enchymalen Stammzellen (MSCs). MSCs haben eine bekannte erhalten werden. Es gibt erste vielversprechende Daten bei expe- immunmodulatorische Wirkung bei Autoimmunerkrankungen, rimenteller Uveitis, aber bisher keine Daten aus aussagekräfti- sowohl durch ihre Zell-Zell-Interaktion als auch durch ihre Fähig- gen klinischen Studien93,94. keit, potente parakrine Faktoren, wie Zytokine, Wachstumsfaktoren und Exosomen zu produzieren. Diese Effekte spielen eine Schlüs- Zukünftige Therapien (Gen-, zellbasierte Therapie) selrolle bei der Modulation regulatorischer T-Zellen. EAU demons- Die Gentherapie ist eine aufkommende therapeutische Option trieren das Potenzial von MSCs bei okulären Entzündungen, indem für Netzhauterkrankungen, einschließlich Uveitis. Da bereits sie eine deutliche Reduktion sowohl des Schweregrads als auch der klinische Erfahrungen mit monogenen Netzhautdystrophien Rezidivrate zeigen, auch wenn noch keine schlüssigen Daten vor- vorliegen, eröffnen sich neue Möglichkeiten für andere Netz- liegen106-109. Ein weiterer Beleg ist der Kopf-an-Kopf-Vergleich einer hauterkrankungen101. Bei der experimentellen Uveitis sind einmaligen MSC-Behandlung, die sich als ebenso wirksam erwies erfolgreiche Interventionen durch Gentherapie seit langem wie wiederholte Dexamethason-Applikationen im EAU-Modell110. nachgewiesen. Therapeutische Effekte konnten beim Gentrans- Als Beleg für die immunmodulatorischen Effekte wurde eine signi- fer zur Expression von IL-10, IL-1RA und TNF erzielt wer- fikante Reduktion von T-Helfer 1 und T-Helfer 17 beobachtet, wäh- den102-104. Aktuelle Bemühungen zur Verbesserung der Genthe- rend regulatorische T-Zellen hochreguliert wurden. rapie konzentrieren sich auf die Identifizierung neuer Vektoren, neuartiger therapeutischer Targets und die Zuverlässigkeit der Fazit und Ausblick Transfektion. In allen Bereichen sind noch erhebliche Anstren- Obwohl Steroide zu Beginn meist notwendig sind, führen sie vor gungen erforderlich. Bisherige Anwendungen erfolgten über- allem bei systemischer Anwendung oft zu Nebenwirkungen. Nach wiegend mit viralen Vektoren, die über eine subretinale oder der Zulassung verschiedener intraokularer Steroide zur intra intravitreale Injektion appliziert werden. Interessant sind auch vitrealen Platzierung hat sich die Behandlung der intraokularen Entwicklungen, die einen nicht-viralen, nicht-invasiven Gen- Entzündung im posterioren Segment deutlich erweitert. transfer verfolgen104. In diesem Zusammenhang ist eine klini- Auch das Spektrum der intravitrealen nichtsteroidalen Wirkstoffe sche Phase-I/II-Studie erwähnenswert, die eine Elektrotrans- könnte in den nächsten Jahren noch größer werden. Einige Pio- fektion des Ziliarmuskels mit Kodierung des löslichen humanen nierarbeiten haben eine Reihe von systemischen immunsuppressi- TNF-α p55-Rezeptors bei Patienten mit posteriorer, intermedi- ven Wirkstoffen über den intravitrealen Weg eingesetzt und damit ärer und Panuveitis durchführt (NCT03308045)104. Allerdings einen neuen Weg in der Interpretation ihrer Anwendung eröffnet. stellen die Dosierung des Genprodukts, die Zuverlässigkeit des Bei der langfristigen Behandlung von intraokularen Entzündun- Transfektionsprozesses und die Sicherheit der verlängerten gen bleiben steroidsparende Medikamente nach internationalen Transgenexpression bisher noch ungelöste Probleme dar105. Empfehlungen ein wesentlicher Bestandteil der Therapiestrate- gie. Dennoch gibt es keine allgemeine Übereinstimmung darüber, welcher Wirkstoff verwendet werden sollte, welche Dosierung und Behandlungsdauer. Außerdem ist unter den sDMARDs der- zeit nur CsA für die Uveitis zugelassen. Durch die weltweite Zulassung des TNF-α-Blockers Adalimumab hat sich das Management der intraokularen Entzündung im pos- terioren Segment sicherlich verändert. Insbesondere TNF-α scheint nach wie vor das attraktivste therapeutische Ziel zu sein. Allerdings brachte der zunehmende Einsatz von TNF-Blockern auch Probleme mit sich: das Nutzen-Risiko-Verhältnis muss sorg- fältig abgewogen werden und Anti-TNF-neutralisierende Anti- körper führen zu mangelnder Wirksamkeit. Als Konsequenz darauf hat heute die Zulassung eines breiteren Spektrums von bDMARDs, einschließlich anderer biologischer Targets, wie beispielsweise anti-IL-6, Priorität. Die wissenschaft- Abb. 3: Angriffspunkte der Biologika. (aus: Walscheid K, Pleyer U, liche Gemeinschaft wartet auf die Ergebnisse mehrerer Phase-II/ Heiligenhaus A. Klin Monbl Augenheilkd. 2018) III-Studien und hoffentlich auf deren Zulassung. 36 DER AUGENSPIEGEL MÄRZ 2021
SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN Wirkstoffklasse/Verbindung Molekulares Ziel/Wirkmechanismus Entwicklungsstand Anwendungsweg Urheber/ (Referenz) Entwickler Alpha-4-Integrin-Inhibitor •α4-api Alpha-4-Integrin/reduziert die Rekrutierung Präklinisch (95) Intraperitoneal Cytel von T-Lymphozyten und die entzündliche Zytokinproduktion Aldose-Reduktase-Inhibitor •BF5m Aldose-Reduktase/reduziert oxidativen Stress Präklinisch (96) Intravitreal Universität von und die NF-κB-signalbezogene Entzün- Pisa, Italien dungskaskade STAT3-Inhibitoren •ORLL NIH001 STAT3/unterdrückt die Th17-Differenzierung Präklinisch (97) Intravenös Orchid Research und die entzündliche Zytokinproduktion Laboratories Limited AMPK-Analogon/-Aktivator •AICAR AMPK/reduziert die NF-κB- Präklinisch (98) Intraperitoneal PeriCor Therapeu- Signalübertragung, die JAK-STAT-Signalüber- tics, Schering- tragung, die Leukozyteninfiltration und die Plough Zytokinsynthese JAK-Inhibitoren •Tofacitinib (CP-690,550) JAK-STAT-Kaskade/reduziert die Signal- Von FDA und EMA für Systemisch (PO) Pfizer übertragung der Zytokinrezeptoren, das RA zugelassen; Phase III Überleben, die Proliferation und die Funktion (NCT02592434) für JIA (99) von Immunzellen •Baricitinib (LY3009104) JAK-STAT-Kaskade/reduziert die Signal- Von der EMA für RA zuge- Systemisch (PO) Elli Lilly übertragung vonZytokinrezeptoren, das lassen (NCT02265705) Überleben, die Proliferation und die Funktion von Immunzellen AMPK = Adenosinmonophosphat-aktivierte Proteinkinase; JAK = Janus-Kinase; JIA = juvenile idiopathische Arthritis; NF-κB = Kernfaktor κB; PO = per oral; RA = rheumatoide Arthritis; STAT = Signalwandler und Transkriptionsaktivator Tab. 1: „Small Molecules“, die sich in der Entwicklung oder klinischen Anwendung zur Behandlung von Uveitis befinden. Vielversprechende Ergebnisse zu anderen Wirkstoffen wie den tsDMARDs deuten darauf hin, dass JAK-Inhibitoren eine valide In der AUGENSPIEGEL-App Alternative darstellen: bei der RA scheinen sie den konventionel- zum Beitrag abrufbar sind ergänzend: len immunmodulierenden Wirkstoffen und bDMARDs gleich- wertig zu sein. Angesichts ihrer oben beschriebenen Vorteile, wie | eine gegliederte Literatursammlung zu: „Posteriore Uveitis“ der gleichzeitigen Hemmung der Signaltransduktion für mehrere | im Text genannte Quellenangaben Zytokine, der oralen Verfügbarkeit und einfacheren Herstellung, | ergänzende tabellarische Übersichten: könnten sie ein neues therapeutisches Szenario eröffnen. I. Intravitreal verabreichte Wirkstoffe im klinischen Einsatz oder Auch ein Ausblick in die Zukunft sollte in die Bewertung ein- in der Entwicklung bezogen werden: An erster Stelle sind hier Therapieoptionen zu II. Synthetische DMARDS III. Biologische DMARDS nennen, die sich von der konventionellen pharmakologischen Behandlung abwenden. Die Gentherapie wird bereits seit vielen Jahren propagiert. Aktuell sind bereits eine Reihe von therapeuti- schen Anwendungen durch intravitrealen oder subretinalen Gen- Prof. Uwe Pleyer, FEBO transfer zugelassen worden. Dies macht mehr als Hoffnung für Oberarzt, Charité – Universitätsmedizin Berlin Augenklinik, CVK intraokulare immunmodulatorische Ansätze. E-Mail: uwe.pleyer@charite.de MÄRZ 2021 DER AUGENSPIEGEL 37
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