Kommt die Pharmakogenomik
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S_39_44_Hoehe_Sauer.qxd 30.07.2003 14:44 Uhr Seite 39 Foto: van den Heuvel Pharmakogenomik Kommt die maßgeschneiderte Pille? Margret R. Hoehe Sascha Sauer Viele Medikamente wirken von Mensch zu Mensch unter- schiedlich. Schuld daran ist das unterschiedliche geneti- sche Make-up von Individuen. Zum einen können Gene, die die unmittelbaren Zielmoleküle für Pharmaka kodie- ren, individuell verändert sein, zum anderen Gene, die die Verstoffwechselung der Pharmaka im Körper steuern. Eine genaue Kenntnis der betroffenen Gensequenzen würde zusammen mit Gentests eine individuelle Vorher- sage der Wirkung sowie Dosierung des Medikamentes ermöglichen. 39
S_39_44_Hoehe_Sauer.qxd 30.07.2003 14:45 Uhr Seite 40 Kommt die ☺☺☺☺ ☺☺☺☺ maßgeschnei- ☺☺☺ ☺☺☺ derte Pille? ☺☺ ☺☺ ährend sich manche ☺Patienten-DNA ☺ W Kontroll-DNA nach einem Glas Wein deutlich angeheitert füh- len, verspüren andere kaum eine Wirkung. Ähnlich unterschiedlich kann auch der Effekt von Medika- Untersuchung von Polymorphismen in Kandidatengenen: Die Allele verschie- dener Polymorphismen werden in Patienten- und Kontroll-Genomen unter- menten sein. Die individuelle Arz- sucht und miteinander verglichen. Allele von Polymorphismen, die lediglich bei neimitteltherapie wird daher in Patienten-DNAs auftauchen, können mit einer von der Norm abweichenden der modernen Genomforschung, Reaktion auf bestimmte Medikation assoziiert sein. molekularen Medizin und indus- Grafik: Hoehe/Sauer triellen pharmazeutischen For- schung ein immer wichtigeres Gebiet werden. Die Tatsache, dass Arzneimittel Die Erfassung von DNA-Sequenz- bei verschiedenen Menschen ver- unterschieden durch den Ver- schieden wirken können, ist lange gleich von Individuen, Populatio- Arzneistoffwirkung auf molekularer bekannt. Das Spektrum der Beob- nen und Arten wird vorrangiges Basis: Ein Pharmakon (Bildmitte) bin- achtungen reicht von ungewöhn- Ziel der nun beginnenden Phase det an einen Rezeptor, hier ein Protein. lich starken Reaktionen auf Medi- der „vergleichenden Genomik“ Die Konzentration der Rezeptormole- kamente über die mangelnde sein. Die Frage ist: Was unter- küle kann von Mensch zu Mensch Effizienz einer therapeutischen scheidet uns Menschen voneinan- unterschiedlich sein und zu starken Wirkung bis hin zu schweren und der, nicht nur in Bezug auf äußere Schwankungen in der Wirkung von im Extremfall sogar tödlichen Eigenschaften, sondern auch auf Arzneimitteln führen. Nebenwirkungen. Diese indivi- das vererbte Risiko, eine bestimm- Grafik: Aventis Pharma duell unterschiedliche Reaktion te Krankheit zu entwickeln, oder auf Arzneimittel wurde bereits auf Arzneimittel mit unerwünsch- in den 20er- und 50er- Jahren des ten oder gefährlichen Nebenwir- 20. Jahrhunderts mit der genetisch kungen zu reagieren – und wie bedingten biochemischen Einzig- stellt man eine Beziehung her zwi- artigkeit des Menschen in Zusam- schen diesen Eigenschaften und menhang gebracht. der interindividuellen Variabilität Ziel der Pharmakogenomik ist von Gensequenzen? Erschwert es, die genetischen Ursachen zu wird diese Aufgabe, da sich die erforschen, die der individuell genetische Variabilität auf unter- unterschiedlichen Ansprechbarkeit schiedliche Weise auf die Wech- auf Therapeutika zugrunde liegen. selwirkungen zwischen Medika- Langfristig soll dadurch die Arz- ment und Organismus auswirken neimitteltherapie verbessert und kann, so dass die individuelle Arz- individuell optimiert werden. Da- neiwirkung auf unterschiedlichen mit geht die Identifizierung von Ursachen beruht. Genen und ihren Allelen einher, die für die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten verant- Verschiedene Gen- wortlich sind. varianten – dieselben Das humane Genomprojekt hat Symptome durch die Veröffentlichung der nahezu vollständigen Sequenz des menschlichen Genoms im Jahr Manchmal ist dasselbe Krank- 2001 die Voraussetzung dafür heitsbild durch unterschiedliche geschaffen, die Grundlagen der genetische Ursachen bedingt genetischen Variabilität des Men- (man spricht auch von „geneti- schen systematisch auf der DNA- scher Heterogenität“). Dann eig- Sequenzebene zu erforschen. net sich das verabreichte Medika- 40 mensch+umwelt spezial 16. Ausgabe 2003
S_39_44_Hoehe_Sauer.qxd 30.07.2003 14:45 Uhr Seite 41 ment möglicherweise aufgrund unterschiedlicher Genvarianten in bel, was sich in vielfältigen Funk- seines Wirkmechanismus nicht, der Bevölkerung vor. Eine Arbeits- tionsveränderungen ihrer Genpro- die beim betreffenden Individu- gruppe am Max-Planck-Institut für dukte äußert. Große Variabilität ist um tatsächlich gegebene moleku- Molekulare Genetik fand insge- bei diesen Genen eher die Regel lare Pathologie zu beeinflussen. samt 15 verschiedene DNA-Se- als die Ausnahme, und viele Arz- Ein klassisches Beispiel dafür ist quenzunterschiede innerhalb von neimittel zeigen für verschiedene der Bluthochdruck, der durch eine circa 3100 Basenpaaren, die in Patienten große Unterschiede in Vielzahl unterschiedlicher Mecha- einer großen Anzahl unterschied- Wirksamkeit und Toxizität. Zum nismen verursacht werden kann, licher Kombinationen dieser Ein- Beispiel Chemotherapeutika: Sie angefangen von Variabilität in zelvarianten, sogenannte Haplo- können für manche Patienten auf- Genen, die die Salzsensitivität typen, resultierten. Eine amerika- grund einer genetischer Variabi- des Menschen kontrollieren, bis nische Studie konnte zeigen, dass lität in Genen, die den Transport hin zu seltenen monogenen En- bestimmte Haplotypen dieses des Therapeutikums in das Zielor- zymdefekten. Mittlerweile gibt es Gens, die die Expression des Re- gan kontrollieren, wirkungslos ein Spektrum an Medikamenten, zeptors verändern, für Medika- sein. Besondere Bedeutung die vollkommen unterschiedliche mente wie -2-Antagonisten kommt den Variationen in Genen molekulare Mechanismen beein- unterschiedlich sensitiv sind. Dies zu, die die Pharmaka- und Fremd- flussen. Ist der individuell vorlie- führt dazu, dass -2-Antagonisten stoff-abbauenden Enzyme kodie- gende Mechanismus bekannt, bei der Behandlung von Asthmati- ren. Dazu gehören beispielsweise könnte somit ein speziell auf ihn kern unterschiedlich wirksam sind. Cytochrom-P450-Enzyme. So wur- abgestimmtes Medikament ver- Weitere Beispiele sind das Apoli- den bei Patienten mit dem soge- abreicht werden. Ein weiteres po-Protein E, welches mit einer nannten Debrisoquin-Spartein- Beispiel ist das klinische Erschei- bestimmten Form der Alzheimer- Polymorphismus bei oder nach nungsbild der spät ausbrechen- schen Erkrankung korreliert ist der Gabe des Bluthochdruck-Me- den Form der Alzheimerschen und unterschiedlich gut auf einen dikaments Debrisoquin langdau- Erkrankung, das immer gleich ist, Cholinesterase-Inhibitor anspricht ernde, gefährliche Blutdruckab- unabhängig davon, ob Mutatio- je nachdem, welche Genvariante fälle beobachtet. Andererseits nen im sogenannten „Amyloid- vorliegt. kann es nach der Gabe des Medi- Precursor-Protein“-Gen oder in den Genen für die sogenannten Preseniline 1 und 2 vorkommen. Dies ist aber wichtig zu wissen, um gezielt ein Alzheimer-Medika- ment zu entwickeln und effizient einzusetzen. Genvarianten reagieren auf Medikamente unter- schiedlich sensitiv Das durch das Medikament un- mittelbar beeinflusste Zielmolekül (zum Beispiel ein Rezeptor oder ein Enzym) liegt bei der Bevölke- rung in individuell unterschied- lichen Genvarianten vor, die gegenüber dem Medikament unterschiedlich sensitiv sind. Ein optimaler therapeutischer Effekt ist in diesem Fall nur bei einem Teil der behandelten Patienten möglich. Ein Beispiel dafür ist das -2- adrenerge Rezeptor-Gen, dessen Mutationen stören In der klassischen Pharmazie galten Genprodukt Zielmolekül für be- Stoffwechselwege Alter und Gewicht als Hauptfaktoren sonders häufig verschriebene Arz- für die Dosierung von Arzneistoffen. neimittel ist, wie beispielsweise Die Gene, die den Transport und Die Pharmakogenomik erweitert die für Betablocker gegen Bluthoch- die Verstoffwechslung von phar- Palette um die genetische Ausstat- druck. Dieses Gen ist sehr variabel mazeutischen Wirksubstanzen tung eines Menschen. und liegt in Form vieler individuell steuern, sind teilweise sehr varia- Foto: Bezjak/Aventis Pharma 41
S_39_44_Hoehe_Sauer.qxd 30.07.2003 14:45 Uhr Seite 42 CAGCTGGGGCAGTGGTGGGGGGCCTTGGCG DIELIEBE Kommt die C A G C T G G G G C A G T G GA G G G G G G C C T T G G C G D I EH I E B E maßgeschnei- Q L G QWWG A L A derte Pille? Q L G QW R G A L A Ein SNP ist ein Basenaustausch innerhalb der DNA-Sequenz. Der Buchstabencode kaments Spartein an Patienten mit der DNA ist wie folgt: G bedeutet Guanin, A Adenin, C Cytosin und T Thymin. Drei Herzrhythmusstörungen zu Thera- DNA-Basen kodieren eine bestimmte Aminosäure. Die dickgedruckten Buchstaben pieversagen kommen. Diese Aus- entsprechen Aminosäuren, den Bausteinen der Proteine. W ist die Abkürzung für wirkung von Genvarianten ist be- die Aminosäure Tryptophan und R steht für Arginin. Wie analog zur deutschen sonders bedeutsam, da auch zahl- Sprache gezeigt ist, kann ein SNP an entsprechender Stelle in der Gensequenz zu reiche andere Pharmaka mit Hilfe einem Aminosäure-Austausch und gegebenenfalls zu gravierenden Veränderungen von P450-Enzymen abgebaut wer- in Struktur, Funktion oder Expression des Gen-Produktes, des Proteins, führen. den müssen, zum Beispiel tricyc- Grafik: Hoehe/Sauer lische Antidepressiva oder Beta- blocker – mit entsprechenden Nebenwirkungen. dramatische quantitative Unter- kodieren. Ein individuelles gene- Unerwartete Medikamenten- schiede im Stoffwechsel (Konzen- tisches Profil wichtiger Wirkstoff- wirkungen können auch durch trationsunterschiede) und in der Ziele könnte dem behandelnden Wechselwirkungen auftreten, die Wirkung von Arzneimitteln sind Arzt eine wichtige Entscheidungs- durch die gleichzeitige Einnahme eher die Regel als die Ausnahme. hilfe bei der Verschreibung des mehrerer Medikamente verursacht Im Gegensatz dazu sind unge- bestmöglichen Medikaments für werden, oder durch eine Wechsel- wöhnlich verstärkte Wirkungen den einzelnen Patienten geben. wirkung mehrerer individuell vari- und Nebenwirkungen von Arznei- Um die Reaktion des Patienten auf abler Gene im Zuge der Verstoff- mitteln, wie sie oben beschrieben Medikamente vorherzusagen und wechslung entstehen. wurden, nicht allzu häufig und fol- gegebenenfalls zu optimieren, be- gen den Mendelschen Gesetzen ziehungsweise schädliche Neben- der Vererbung. wirkungen zu verhindern, sind zu- Medikamente setzen sätzlich Informationen über die in- komplexes Räderwerk in dividuelle genetische Variabilität Gang Das Übel der Gene für die verstoffwechseln- an der Wurzel packen den Enzyme und Transportprotei- ne notwendig. Schließlich ist es wichtig zu be- Die Aufklärung von Krankheits- rücksichtigen, dass viele Krank- mechanismen verspricht zugleich heiten, besonders die wichtigen die Identifizierung neuer Zielmo- Das Signal vom Volkskrankheiten Krebs, Bluthoch- leküle für Therapeutika. Diese sol- Rauschen trennen druck, Diabetes, Fettsucht, Depres- len es dann ermöglichen, optima- sion, Schizophrenie etc., sowie die le, das heißt spezifisch auf die Die weitaus häufigsten Varianten weitaus meisten pharmakogene- individuelle Krankheitsursache im menschlichen Genom sind die tisch relevanten Krankheitssymp- zugeschnittene Medikamente zu sogenannten Einzelnukleotid-Poly- tome multifaktoriell bedingt sind. entwickeln und somit „das Übel morphismen (SNPs), bei denen Sie sind das Ergebnis von Gen- direkt an seiner Wurzel zu pa- eine DNA-Base mit einer anderen Gen-Umwelt-Interaktionen, bei cken“. In Verbindung mit der Ent- ausgetauscht worden ist. Für die denen mehrere Gene eine Rolle wicklung einer verbesserten und Pharmakogenomik sind besonders spielen. Jedes Gen ist in seiner differenzierten Diagnostik könnte solche SNPs von großer Bedeu- Funktion notwendig, jedoch nicht so im Idealfall die genetische Dis- tung, die potentiell einen signifi- hinreichend. Der von einem Medi- position bereits vor dem Eintritt kanten Einfluss auf die Struktur, kament ausgelöste Effekt basiert der Erkrankung festgestellt und Funktion und Regulation der Ex- in der Regel auf einer ganzen Ket- die Entwicklung der Erkrankung pression von Proteinen haben. tenreaktion zwischen Molekülen, durch frühzeitige pharmazeu- Nach den ersten systematischen an deren Ende schließlich eine zel- tische Intervention verhindert Genanalysen zeigt sich, dass Gene luläre Reaktion steht. Außerdem werden. und das menschliche Genom sehr können Umweltfaktoren wie Er- Alle Aspekte einer modernen viel variabler sein können als ur- nährung, Tabakkonsum, Alkohol- Pharmakogenomik erfordern im- sprünglich angenommen. Was das genuss etc. die Wirkung von Me- mer die Kenntnis der Variabilität Ausmaß der interindividuellen dikamenten beeinflussen. Mehr von Genen, die für Zielmoleküle DNA-Sequenzvariabilität anbe- oder weniger ausgeprägte, wenig pharmakologischer Substanzen trifft, so unterscheiden sich zwei 42 mensch+umwelt spezial 16. Ausgabe 2003
S_39_44_Hoehe_Sauer.qxd 30.07.2003 14:45 Uhr Seite 43 SNP 1 2 3 senpaare). Die große Herausforde- zu identifizieren, die mit den Phä- rung besteht nun darin, die wich- notypen assoziiert sind. Solche Genotyp C/G T/A C/G tigen von den unwichtigen Varian- „Assoziationsanalysen“ werden Haplotyp 1 C T C ten zu trennen, das „Signal“ aus gegenwärtig als Strategie der Haplotyp 2 G T C dem „Rauschen“ einer hohen Zukunft in der Erforschung gene- : gegebenen natürlichen Variabilität tisch komplexer Erkrankungen zu filtern. bzw. Merkmalsbereiche angese- Haplotyp 8 G A G Der erste Schritt im Gesamt- hen. Die „ultimative“ Strategie prozess der Analyse von Genotyp- könnte darin bestehen, alle Gene Aus n SNPs ergeben sich 2n Haplo- Phänotyp-Beziehungen besteht in des Genoms simultan in Gesun- typen. Bei 3 SNPs würde dies 8 ver- der Identifizierung von sogenann- den und Kranken zu untersuchen. schiedene Haplotypen mit 36 ver- ten „Kandidatengenen“, d. h. von schiedenen Genotypen ergeben. In Genen, die aufgrund ihrer Funk- der Regel entdeckt man nur einen tion und/oder aufgrund ihrer chro- Die Zukunft muss Bruchteil der theoretisch möglichen mosomalen Lokalisation eine Rol- erarbeitet werden Anzahl an Haplotypen im mensch- le bei der Krankheitsentstehung lichen Genom. spielen oder Zielmolekül für Phar- Das Genom und seine kodierten Grafik: Hoehe/Sauer maka sein könnten. Diese Gene Proteine sind Funktionseinheiten, sind als Kandidaten für eine syste- die den Phänotyp beeinflussen matische Variationsanalyse be- und letztlich auch erste Schlussfol- nichtverwandte Menschen in ihrer sonders interessant. Der Schlüs- gerungen auf die zugrundeliegen- Genomsequenz insgesamt in 0,1 selschritt für die Identifikation von de Pathologie zulassen. Daher ist Prozent der Sequenz, d. h. in ca. Krankheitsgenen schlechthin ist es zwingend, die gesamten Se- 3 Millionen der insgesamt 3 Milli- der systematische Vergleich von quenzen (und nicht Bruchstücke) arden Basen. Je nach Art der Se- Kandidatengen-Sequenzen in gro- der individuellen Gene einschließ- quenz können SNPs alle 300 bis ßen Gruppen von Gesunden und lich ihrer regulierenden, exoni- 3000 Basen auftreten, wenn man Kranken oder Individuen, die sich schen und wichtigen intronischen zwei haploide Genome vergleicht. hinsichtlich ihrer Reaktion auf Regionen zu analysieren. Darüber Betrachtet man systematisch Pharmaka unterscheiden, um die hinaus ist es essentiell, in den di- Gene und ihre regulatorischen Se- jeweiligen spezifischen Varianten ploiden Organismen, zu denen der quenzen in einigen hundert Indivi- duen, so tritt ca. alle 200 bis 300 a Basenpaare ein SNP in kodieren- Polymorphes Spektrum den Genregionen auf. Eine größe- für den µ Opiat-Rezeptor re Dichte von SNPs zeigt sich in den regulatorischen Sequenzen (ein SNP ca. alle 100 bis 200 Ba- Darstellung der wesentlichen Schrit- te/Ergebnisse einer umfangreichen Kandidatengen-Studie: Es wurde das b Gen für den menschlichen µ Opiatre- Das menschliche Gen für den µ Opiat zeptor in 250 Individuen (Suchterkran- kungen und Kontrollen) vergleichend Rezeptor: Haplotypen sequenziert. Insgesamt wurden 43 unterschiedliche Genvarianten in ca. 6700 Basenpaaren regulierender, exoni- scher und intronischer Sequenzen iden- tifiziert (a). Bezieht man diejenigen 25 Varianten in die weiteren Analysen mit ein, die mit einer Frequenz von min- destens 1% vorkamen, so konnten in einer Untergruppe von 172 gesunden und kranken Individuen 81 verschiede- ne Genotypen (die Summe aller ,Geno- typen’ an den 25 polymorphen Stellen) beobachtet werden, deren zugrundelie- gende Haplotypenpaare mittels eines entsprechenden Haplotyp-Programmes durch 52 verschiedene Haplotypen er- klärt werden konnten (b). 43
S_39_44_Hoehe_Sauer.qxd 30.07.2003 14:45 Uhr Seite 44 c Kommt die Einteilung von Haplotypen maßgeschnei- derte Pille? Mensch gehört, die jeweils spezi- fischen Kombinationen der Genva- rianten der väterlichen und mütter- lichen Chromosomen des Genes (die sogenannten Haplotypen) zu bestimmen. Nur eine solche exak- te Bestimmung macht es möglich, diejenigen Varianten eines Genes herauszufiltern, die den potentiell d veränderten Funktionen eines Pro- Das menschliche Gen für den teins zugrunde liegen. Die Identifi- µ Opiat Rezeptor zierung dieser Varianten stellt eine besondere Herausforderung dar, wenn die Anzahl der gegebenen Varianten und die Anzahl der hete- rozygoten Positionen in einem Gen sehr hoch sind. Die große Zahl erfordert auch die Entwick- lung neuer Bioinformatik-Algorith- men, um unter Berücksichtigung der gesamten gegebenen natür- lichen Variabilität Assoziations- analysen durchführen zu können. Die entscheidenden Vorausset- zungen für eine individualisierte Arzneimitteltherapie, nämlich die Analyse und Etablierung von Ge- Auf der Basis einer Klassifizierung der Haplotypen mittels hierarchischer Cluster- notyp-Phänotyp-Beziehungen vor analyse (c) konnte schließlich eine Gruppe von Haplotypen ermittelt werden, die dem Hintergrund einer hohen signifikant höher bei Suchtpatienten beobachtet wurden, und denen eine spezifi- natürlichen genomischen Variabi- sche Konstellation von 5 Varianten gemeinsam war (d). Diese Variantenkombina- lität, können erst durch nachhal- tion könnte potentiell ein Risikoprofil für Suchterkrankungen darstellen. tige Fortschritte auf dem Gebiet der Pharmakogenomik realisiert werden. Diese betreffen die Ent- beitet werden. Vieles liegt ferner, Hoehe, M.R., Köpke, K., Wendel, B., Flach- meier, C., Kidd, K.K., Berrettini, W.H., wicklung entsprechend effizienter als heute im Zuge der Genom- Church, G.M.: (2000) Sequence variability und kostengünstiger Hoch-Durch- Begeisterung suggeriert wird, and candidate gene analysis in complex disease: Association of µ Opioid satz-Technologien, die Entwicklung manches wird nicht lösbar oder Receptor Gene Variation with Substance entsprechender Bioinformatik- umsetzbar sein. Auf der anderen Dependence. Hum. Mol. Genet. 19: 2895–2908 Algorithmen und -Kapazitäten Seite jedoch liegen auf dem Gebiet Hoehe, M.R., Timmermann, B., Lehrach, H.: ebenso wie die Bereitstellung her- der Pharmakogenomik bereits (2002) Haplotypen und die systematische Analyse genetischer Variation: Krank- vorragend charakterisierter Patien- wichtige und wertvolle Ergebnisse heitsgene, „Drug Targets“ und Pharma- tenkohorten in hinreichender An- vor, deren unmittelbare Umset- kogenomik. Biospektrum Sonderausgabe 2002, 8. Jahrgang, 478-485 zahl und die Generierung der not- zung bereits eine deutliche Verbes- Licinio, J., Wong, M.-L.: (2002, Hrsg.) Phar- wendigen Datenmengen. Am Ende serung der Qualität der derzeitigen macogenomics. The Search for Individu- alized Therapies. Wiley-VCH, Weinheim steht schließlich die Notwendigkeit Arzneimitteltherapien zur Folge der Validierung von Ergebnissen hätte – zum Wohle der Patienten. Internettipps: durch funktionelle Analysen und Übersichtsartikel über Pharmakogenomik die Frage der Umsetzbarkeit durch Literaturhinweise: im Web: pharmazeutisch-industrielle Pro- – http://www.nature.com/nsu/981015/ McCarthy, J.J., Hilfiker, R.: (2000) Nature 981015-4.html gramme. Mit anderen Worten, die Biotechnology, 18, 505-508 – http://www.jpharmacogenetics.com Gut, I.G.: (2001) Pharmakogenetik und Mas- – http://www.lifescience.de/ratgeber/mit- Zukunft der individualisierten Arz- senspektrometrie, Medizinische Genetik, te/index2.html neimitteltherapie muss erst erar- 13, 281-284 44 mensch+umwelt spezial 16. Ausgabe 2003
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