Investors' Outlook Von winterlichen Virus-Wirren lassen wir uns nicht beirren - Februar 2021

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Investors' Outlook Von winterlichen Virus-Wirren lassen wir uns nicht beirren - Februar 2021
Investors’
Outlook
Von winterlichen Virus-Wirren
lassen wir uns nicht beirren

      Februar 2021
Investors' Outlook Von winterlichen Virus-Wirren lassen wir uns nicht beirren - Februar 2021
2   Inhalt                                           Impressum

                             4

                                                 8   Herausgeber
                                                     Bank Vontobel AG
                                                     Gotthardstrasse 43
                                                     8022 Zürich

                                                     Redaktion
                                                     Martin Gelnar

                                                     Autoren*
                                                     Dr. Reto Cueni
                                                     Chief Economist,
                                                     Vontobel
                                                     Pascal Dudle
                                                     Head of Listed Impact,
                                                     Portfoliomanager,
                                                     Vontobel
     3                                               Stefan Eppenberger
                                                     Equity & Commodity Strategist,
     Editorial                                       Vontobel
                                                     Frank Häusler
                                                     Chief Investment Strategist,
                                                     Vontobel
     4                                               Michaela Huber
                                                     Junior Economist,

     Anlagestrategie                                 Vontobel
                                                     Marco Lenfers
                                                     Client Portfolio Manager,
     Das Kapitol steht noch und wir halten           Vontobel
     an unserer Prognose fest                        Mario Montagnani
                                                     Senior Investment Strategist,
                                                     Vontobel
                                                     Sandrine Perret
     6                                               Senior Economist und
                                                     Fixed Income Strategist,
     Makro-Highlights                                Vontobel
                                                     Dr. Sven Schubert
                                                     Head of Strategy Currencies,
     Warten auf das Boarding mit                     Vontobel
     verzögertem Abflug vor Augen                    Dan Scott
                                                     Chief Investment Officer,
                                                     Head of Impact & Thematics,

     8                                               Vontobel

     Viewpoint
                                                     Erscheinungsweise
                                                     Zehnmal pro Jahr
                                                     (nächste Ausgabe März 2021)
     «Impact Investing»: ein heisser Schlitten
                                                     Konzept
     für den Weihnachtsmann                          MetaDesign AG

                                                     Gestaltung & Realisation
     12                                              Vontobel

     Anlageklassen im Fokus                          Bilder
                                                     Gettyimages,
                                                     Vontobel

     16                                              Redaktionsschluss
                                                     29. Januar 2021

     Prognosen                                       Bemerkungen
                                                     * Siehe Seite 15 «Rechtliche Hinweise»:
                                                        Analystenbestätigung
Investors' Outlook Von winterlichen Virus-Wirren lassen wir uns nicht beirren - Februar 2021
Editorial           3

Von winterlichen Virus-Wirren
lassen wir uns nicht beirren

Sehr geehrte Leserinnen und Leser                                                     —
                                                                                      Dan Scott
Als ob das kalte Wetter in Europa und die langen, dunklen                             Chief Investment Officer,
                                                                                      Head of Impact & Thematics,
Nächte auf der Nordhalbkugel nicht schon genug wären –                                Vontobel
der Winter erscheint uns in diesem Jahr aufgrund der
Lockdowns in ganz Europa noch düsterer, und die Ein-
schränkungen in Nord- und Südamerika und Asien tun
ein Übriges. Und was ist mit dem verheissungsvollen
Impfstoff, auf den wir alle warten? Noch ist unklar, ob
Covid-19-Mutationen, eine unerwartet geringe Wirksam-
keit der Impfungen oder die mangelnden Impfbereit-
schaft von Teilen der Bevölkerung den derzeitigen Opti-        Marktkorrektur bereits vergessen?
mismus bezüglich der Impfungen in Enttäuschung                 Was geschieht an den Aktienmärkten, die vor nicht allzu
umschlagen lassen werden.                                      langer Zeit einen noch nie dagewesenen Abschwung
                                                               erlebten? Sie zeigen sich dynamisch – schliesslich schei-
Doch es gibt auch Lichtblicke. Beispielsweise haben wir        nen die Befürchtungen über eine Ausweitung der Lock-
unsere globale Wachstumsprognose zwar für das erste            downs abgewendet, die Impfstoffe sind auf dem Weg, die
Quartal gesenkt, aber für die beiden folgenden Quartale        Märkte sind liquide, und einige aktuelle Wirtschaftsdaten
angehoben. Dabei gehen wir davon aus, dass die Einfüh-         machen zusätzlich Hoffnung. Analysten, die sich zuvor
rung des Impfstoffs und das wärmere Wetter das Virus           etwas zu pessimistisch zeigten, beginnen damit, ihre
weiter eindämmen werden. Unterstützt durch historisch          Gewinnschätzungen anzuheben. Die Bewertungen
niedrige Zinsen und andere Anreizmassnahmen werden             erscheinen überzogen, sind jedoch auf relativer Basis
die Zentralbanken in aller Welt die Wirtschaft weiterhin an    weiter günstig, da sich die Gewinne in den kommenden
die Hand nehmen. US-Zentralbankchef Jerome Powell              Monaten verbessern dürften. Wir bleiben daher bei unse-
bekräftigte kürzlich, dass bislang keine Pläne für eine        rer Übergewichtung in Aktien, mit einer klaren Präferenz
frühzeitige Beendigung der laufenden Anleihenkäufe             für Schwellenländer. Die dort ansässigen Unternehmen
bestehen. Auch wenn die Inflationsraten jetzt wieder           profitieren nicht nur vom besseren Umgang ihrer Regie-
ansteigen, ist die neue Normalität die alte: niedrige Zinsen   rungen mit der Pandemie oder vom Rückgang der Angst
in Kombination mit niedriger Inflation und geringem            vor einem Handelskrieg nach dem Ende der Präsident-
Wachstum.                                                      schaft von Donald Trump. Ihre Bewertungen liegen darü-
                                                               ber hinaus auf einem attraktiven Niveau.
In den Vereinigten Staaten haben die Demokraten zum
ersten Mal seit einem Jahrzehnt die Kontrolle über beide       Anleihen untergewichten wir weiterhin, hautsächlich auf-
Kammern des Kongresses erkämpft. Die beiden Senats-            grund unserer Skepsis gegenüber Staatspapieren und
sitze, die in Georgia gewonnen wurden, geben Präsident         Teilen des Unternehmenssegments. Dennoch sind
Joe Biden mehr Spielraum, um angekündigte Massnah-             Schwellenländer-Anleihen nach wie vor die attraktivste
men wie umfassende Investitionen in grüne Energie, die         Anlage im Fixed-Income-Universum. Im Bereich alternati-
Rücknahme vieler Steuersenkungen seines Vorgängers             ver Anlagen scheint es ratsam, Gold angesichts des
und ein neues Rettungspaket im Wert von 1.9 Billionen          schwächeren US-Dollar und der Beliebtheit des Edelme-
US-Dollar zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen           talls in unsicheren – und langfristig auch inflationären –
der Pandemie umzusetzen. Die Regierungen in Europa             Zeiten zu übergewichten.
haben ähnliche Programme aufgelegt, um die Wirtschaft
wieder anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit einzudäm-          Lassen Sie uns diese Wirtschafts- und Marktprognosen
men. Solange die Arbeitsmärkte schwach bleiben und             mit einer Wettervorhersage abrunden: Der Frühling
sich die Inflation in Grenzen hält, dürften die in die Welt-   kommt langsam, aber sicher.
wirtschaft gepumpten Billionen nicht zu einer Überhit-
zung führen.

                                                                  Webcast
                                                               Um den Webcast von Dan Scott zu den neuesten
                                                               Marktentwicklungen zu sehen, klicken Sie bitte
                                                               auf folgenden Link: vonto.be/macro-de-feb21
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4   Anlagestrategie

     —                              —
     Frank Häusler                  Mario Montagnani
     Chief Investment Strategist,   Senior Investment Strategist,
     Vontobel                       Vontobel

     Das Kapitol steht noch und wir
     halten an unserer Prognose fest
     Die vergangenen Monate waren sehr turbulent. Doch das          Pandemie. Des Weiteren gehen wir davon aus, dass sich
     Kapitol in Washington steht noch, ebenso wie das               ein schwächerer US-Dollar auf Schwellenländer, die auf
     Schweizer Bundeshaus in Bern (siehe Foto), das dem             USD lautende Schulden aufgenommen haben, günstig
     berühmten amerikanischen Wahrzeichen teilweise nach-           auswirken wird.
     empfunden ist. Inzwischen hat sich die Lage wieder beru-
     higt, nachdem zuvor ein wütender Mob das US-Parlament          Wir waren in Aktien übergewichtet, als die Outperfor-
     gestürmt hatte. An anderer Stelle jedoch besteht nach          mance des Marktes ihren Anfang nahm, und haben fest-
     wie vor Grund zur Besorgnis, etwa über Virusmutationen         gestellt, dass wir mit der Zeit «überalloziert» waren. Aus
     oder die wirtschaftlichen Aussichten in Europa nach dem        diesem Grund haben wir eine dezente Neugewichtung
     Brexit. Und dennoch halten wir im Wesentlichen an unse-        vorgenommen, was konkret bedeutet, dass wir unsere
     rer Positionierung der vergangenen Monate fest.                Positionierung nicht geändert, an geeigneter Stelle aber
                                                                    Gewinne mitgenommen haben, um unsere Positionierung
     Emerging-Markets-Aktien – und andere                           an unser ursprüngliches Übergewichtungsziel anzupassen.
     Wir behalten unsere positive Einschätzung von Aktien
     bei. Schliesslich spricht weiter vieles für sie. Obwohl die    Begrenzte Aussichten für Anleihen – mit Ausnahmen
     jüngste Rally Anleger inspiriert haben dürfte, sollten diese   Im Fixed-Income-Bereich bleiben wir insgesamt unterge-
     sich bewusst sein, dass sie sich nicht sonderlich von der-     wichtet, was jedoch hauptsächlich an unserer negativen
     jenigen nach der globalen Finanzkrise unterscheidet.           Haltung gegenüber Staatsanleihen und Teilen des Unter-
     Nichtsdestoweniger wird die Anlageklasse attraktiver           nehmenssegments liegt. Die Hoffnung auf eine Erholung
     bewertet als festverzinsliche Wertpapiere, und die anhal-      der Renditen, besonders im gebeutelten Staatsanleihen-
     tenden Aufwärtskorrekturen der Gewinnprognosen durch           bereich, halten wir für voreilig, da wir davon ausgehen,
     Analysten dürften die Kurse noch weiter treiben. Wir           dass die Zinsen über einen Zwölf-Monats-Zeitraum nur
     haben uns zudem entschlossen, alle Einschätzungen zu           schrittweise steigen werden. Allerdings sehen wir auch
     Sub-Anlageklassen beizubehalten, d. h. unsere neutrale         Bereiche mit attraktiven Renditen. Wie bei den Aktien
     Einschätzung europäischer Aktien, unsere positive Ein-         kann der Erwerb von Emerging-Markets-Titeln vielver-
     schätzung von schweizerischen, US- und japanischen             sprechend sein. Unsere «Marktrisikoeinschätzung» – der
     Titeln sowie unsere starke Überzeugung von den Emer-           Grad unserer Risikobereitschaft für all unsere Portfolio-
     ging Markets. Für unsere Präferenz der Letzteren gibt es       modelle – tendiert zur leichten Übergewichtung. Näheres
     verschiedene Gründe, beispielsweise die attraktive             zur Allokation und Positionierung erfahren Sie auf Seite 5;
     Bewertung im Vergleich mit Industrieländern oder die           ausführliche Einschätzungen zu den Anlageklassen fin-
     schnelle Erholung asiatischer Volkswirtschaften von der        den Sie auf den Seiten 12 bis 15.
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5

                              UNTERGEWICHTET    NEUTRAL   ÜBERGEWICHTET
                              stark   leicht              leicht   stark

1                                                                          Unsere Untergewichtung behalten wir aufgrund der
                                                                           nahe null liegenden Zinsen und der ebenfalls gerin-
Liquidität                                                                 gen Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung bei. Flüs-
                                                                           sige Mittel zu halten, scheint in einem solchen Umfeld
                                                                           wenig sinnvoll.

2                                                                          Wir bleiben bei unserer insgesamt negativen Haltung
                                                                           gegenüber festverzinslichen Anlagen und allen Ein-
Anleihen                                                                   schätzungen von Unteranlageklassen. Obwohl die
                                                                           Zinsen im Zuge der Erholung der Volkswirtschaften
                                                                           von der Pandemie und der Durchführung von Impf-
                                                                           kampagnen allmählich steigen, gehen wir nicht von
                                                                           einer deutlichen Erhöhung aus. Die Aufwärtsbewe-
                                                                           gung dürfte sich vielmehr langsam vollziehen und
                                                                           länger dauern – eine Einschätzung, die sich auch in
                                                                           unserer Prognose von 1.4 % für 10-jährige US Treasu-
                                                                           ries innerhalb von zwölf Monaten widerspiegelt.
                                                                           Bezogen auf die Untersegmente behalten wir unsere
                                                                           Untergewichtung von Staats- und Investment-Grade-
                                                                           Anleihen sowie unsere neutrale Einschätzung von
                                                                           High-Yield-Titeln bei. Wir bevorzugen weiterhin
                                                                           Anleihen aus Emerging Markets (EM), für die attrak-
                                                                           tive Bewertungen, die wahrscheinliche Unterstüt-
                                                                           zung durch den schwächeren US-Dollar und die
                                                                           Hoffnung sprechen, dass die Biden-Regierung einen
                                                                           freundlicheren Kurs gegenüber ihren Handelspart-
                                                                           nern einschlagen wird.

3                                                                          Aktien werden aus verschiedenen Gründen weiter
                                                                           übergewichtet. Mit ihren attraktiven Überschussren-
Aktien                                                                     diten ist die Anlageklasse Anleihen weiterhin über-
                                                                           legen, und die Bewertungen sehen sowohl absolut
                                                                           als auch relativ betrachtet nicht überzogen aus.
                                                                           Zudem erwarten wir, dass sich die Ertragsdynamik
                                                                           und die Aufwärtskorrekturen der Gewinnprognosen
                                                                           von Analysten günstig auswirken werden. Auf regio-
                                                                           naler Seite behalten wir unsere neutrale Einschät-
                                                                           zung europäischer Aktien und eine Übergewichtung
                                                                           in US-, Schweizer und japanischen Titeln bei. Zu
                                                                           unseren Favoriten zählen Emerging-Markets-Aktien,
                                                                           für die die gleichen Argumente sprechen wie für EM-
                                                                           Anleihen, doch auch die bedeutenden Aktivitäten der
                                                                           Unternehmen in strukturellen Wachstumssektoren
                                                                           sowie das allgemein überdurchschnittliche Ertrags-
                                                                           wachstum.

4                                                                          Auch Gold zählt zu unseren Langzeitfavoriten. Ent-
                                                                           sprechend behalten wir unsere Übergewichtung bei.
Gold                                                                       Obwohl das glänzende Metall in den vergangenen
                                                                           Monaten ein wenig von seinem Reiz als sicherer
                                                                           Hafen verloren hat, eignet es sich immer noch exzel-
                                                                           lent zur Portfoliodiversifikation und als solider Infla-
                                                                           tionsschutz. Darüber hinaus neigt es in Zeiten eines
                                                                           schwachen US-Dollars zur Aufwertung.

5                                                                          Rohstoffe profitieren von der globalen wirtschaftli-
                                                                           chen Erholung und den Hoffnungen, dass Impfstoffe
Rohstoffe                                                                  der Pandemie ein Ende setzen werden. Die in der
                                                                           zweiten Jahreshälfte 2020 begonnene Preiserholung
                                                                           könnte sich fortsetzen. Es wäre unserer Ansicht nach
                                                                           jedoch verfrüht, in dieser Anlageklasse eine Überge-
                                                                           wichtung aufzubauen. Wir setzen weiter auf unsere
                                                                           neutrale Bewertung.

6                                                                          Wir bleiben gegenüber alternativen Anlagen wie Ver-
                                                                           sicherungsverbriefungen («Insurance-Linked Securi-
Alternative Strate-                                                        ties», ILS) neutral. Sie dienten in Zeiten hoher Volatili-
                                                                           tät als Puffer. Allerdings bezweifeln wir, dass ein
gien                                                                       solches Auffangnetz aktuell nötig ist.

Veränderung zum Vormonat:   gleich     erhöht     verringert
6   Makro-Highlights

     Warten auf das Boarding mit
     verzögertem Abflug vor Augen
     Nach einem Gesundheitscheck am Flughafen und vor unserem Economy-Class-
     Flug ab Zürich gleichen wir noch schnell die Wirtschaftsdaten mit unserem
     «Boarding»-Szenario ab. In der Warteschlange erwägen wir kurzfristige Risiken
     wie missglückte Impfstarts oder gefährliche Virusmutationen – und akzeptieren,
     dass wir und auch die Wirtschaft wohl erst in ein paar Monaten abheben werden.

     —                          —                          —                           —
     Reto Cueni, PhD            Michaela Huber             Sandrine Perret             Sven Schubert, PhD
     Chief Economist,           Junior Economist,          Senior Economist and        Head of Strategy Currencies,
     Vontobel                   Vontobel                   Fixed Income Strategist,    Vontobel
                                                           Vontobel

     Was uns letztes Jahr Sorgen bereitet hat, begleitet uns      werden – diese fielen vor einem Jahr massiv, was nun
     leider auch in diesem Jahr: Die Covid-19-Pandemie und        zu einem preistreibenden Basiseffekt führt (siehe Grafik
     die Gegenmassnahmen, die die Wirtschaft wieder zum           2). Die Inflationsrate dürfte sich unserer Ansicht nach
     Stillstand gebracht haben, besonders in Europa, aber         ab Januar wieder «normalisieren», ohne die Zentral­
     auch in mehreren US-Bundesstaaten und einigen Emer-          banken vor Ende 2021 von ihrer lockeren Geldpolitik ab-
     ging Markets (EM). Das hat sich im letzten Quartal 2020      zubringen.
     negativ auf das Wachstum ausgewirkt (siehe Grafik 1)
     und dürfte die Wachstumsraten auch im ersten Quartal         Europa: Belastung durch Lockdowns
     2021 drücken. Selbst China, ein «Vorbild» bei der Bewälti-   Verlängerte und verschärfte Lockdowns in der Eurozone
     gung der Gesundheitskrise, hat neue Lockdowns ange-          haben das Wachstum bereits im letzten Quartal 2020
     kündigt, die bislang jedoch nur rund 2 % der Bevölkerung     belastet (siehe das annualisierte Q4-BIP Deutschland
     betreffen. Indien, das andere EM-Schwergewicht, hat          versus USA in Grafik 1) und werden im ersten Quartal
     einen weiteren Rückgang der Infektionen vermeldet.           dieses Jahres wahrscheinlich zu einem Wachstumsrück-
     Unsere Einordnung von Schwellenländern als globale           gang führen. Die Regierungen dürften die Eindämmungs-
     Wachstumsmotoren scheint sich zu bewahrheiten. Neue          massnahmen kaum frühzeitig beenden, was eine wesent-
     und potenziell ansteckendere Mutationen des Virus            liche Voraussetzung für eine kräftige Erholung im zweiten
     haben zwar die Unsicherheit vergrössert, doch gemäss         und dritten Quartal wäre. Allerdings dürften fiskalische
     aktuellen Studien dürften zwei der häufigsten Impfstoffe     Anreize ausreichen, um Zweitrundeneffekte wie Insolven-
     ihre immunisierende Wirkung behalten. Ebenso dürften         zen zu begrenzen und umfangreiche Entlassungswellen
     Verzögerungen bei der Impfstoffproduktion einer erfolg-      zu vermeiden. Zudem erwarten wir bei der Europäischen
     reichen Impfkampagne nicht im Weg stehen.                    Zentralbank weiterhin einen sehr lockeren geldpoliti-
                                                                  schen Kurs inklusive monatlicher Anleihenkäufe in Höhe
     Unser Basisszenario «Boarding», welches auf starken          von fast 80 Milliarden (siehe Grafik 3). Dies sollte in Ver-
     Wachstumsaussichten basiert, behält trotz höherer kurz-      bindung mit der Normalisierung der Inflation (siehe Gra-
     fristiger Risiken seine Gültigkeit. Vielleicht wird aber,    fik 2) europäischen Regierungen 2021 den Umgang mit
     bis man an Bord gehen kann, der Sommer Einzug halten.        ihrer wachsenden Schuldenlast ermöglichen. Das Han-
     Während der Warterei sehen wir möglicherweise die            delsabkommen nach dem Brexit zwischen London und
     Frachtmaschine «Inflation» vorbeirauschen, deren Trieb-      Brüssel entspricht unserem Basisszenario, obwohl es sich
     werke unter anderem von Energiepreisen angetrieben           nicht auf Dienstleistungen, ein wichtiges britisches
7

Exportgut, erstreckt. Es sind weiter zähe Verhandlungen      deten politischen Kurswechsels in den Emerging Markets
zu erwarten.                                                 unserer Ansicht nach gering. Einige Ländern wie China
                                                             allerdings werden die Normalisierung ihrer Geldpolitik
USA: Joe Biden im Weissen Haus                               einleiten und langsam den Fuss vom Liquiditätspedal
Das US-BIP für das vierte Quartal stieg auf annualisierter   nehmen.
Basis um 4 % und bestätigte die weithin erwartete Kon-
junkturabschwächung nach der Rekorderholung im
Vorquartal (siehe Grafik 1). Anhaltende Beschränkungen       Grafik 1: Nach einem starken Q3 2020 sind manche
aufgrund der Covid-19-Pandemie und unverändert               Volkswirtschaften durch neue Lockdowns wieder geschwächt
schwaches globales Wachstum werden Anfang dieses             Annualisiertes BIP-Wachstum ggü. Vorquartal in %
Jahres die Wirtschaftstätigkeit dämpfen. Mit dem Antritt       60
der Biden-Regierung und Plänen für ein zusätzliches,           50
1.9 Billionen US-Dollar schweres Konjukturpaket für 2021       40
dürfte sich das Wachstum im zweiten und dritten Quartal        30
deutlich erholen. Wir haben unsere BIP-Prognose für            20
2021 auf 5.0 % nach oben korrigiert, um die wahrschein-        10
liche fiskalische Unterstützung und ihre Auswirkungen           0
auf das Konsumwachstum zu berücksichtigen. Die Infla-        –10
tion dürfte ab März aufgrund eines Basiseffekts schnell,     –20
aber nicht stark steigen (siehe Grafik 2). Unserer Auffas-   –30
sung nach wird die Inflationsrate in der zweiten Jahres-     –40
hälfte wohl wieder langsam zurückgehen, wobei sich                      Q1 19     Q2 19    Q3 19      Q4 19     Q1 20        Q2 20   Q3 20    Q4 20

dann die Gesamtteuerung nach wie vor unterhalb des                         Deutschland
                                                                           USA
neuen Durchschnittsinflationsziels der US-Notenbank
                                                                           China
Fed von 2 % bewegt. Selbst eine etwas schneller als
erwartet eintretende Erholung der Preise dürfte Fed-Chef     Quelle: Nationale Statistikämter, Refinitiv Datastream, Vontobel

Jerome Powell nicht dazu veranlassen, die geldpoliti-
schen Stimulusmassnahmen kurzfristig zurückzufahren          Grafik 2: Inflationsraten der grössten Volkswirtschaften
– zu lebendig dürfte noch die Erinnerung an die Panik an     werden gemäss unserer Quartalsprognose steigen
den Finanzmärkten nach der Straffung der Fed-Politik im      In %                                                                                   In %
Jahr 2013 sein. Anleihenkäufe dürften 2021 in Höhe von        6.0
                                                                                                           Vontobel-Prognosen
                                                                                                                                                     3.0
etwa 120 Milliarden US-Dollar pro Monat fortgesetzt wer-      5.0                                                                                    2.5
den. Zurückgefahren wird dieses Programm wahrschein-          4.0                                                                                    2.0
lich erst Anfang 2022 (siehe Grafik 3).                       3.0                                                                                    1.5
                                                              2.0                                                                                    1.0
Japan: Erneute Notsignale                                     1.0                                                                                    0.5
Obwohl die Ausrufung des zweiten Ausnahmezustands             0.0                                                                                    0.0
in bestimmten Provinzen die Wachstumsrate dämpfen            –1.0                                                                                   –0.5
dürfte, könnte die Wirtschaft diesmal relativ glimpflich            Q1 20      Q2 20    Q3 20      Q4 20      Q1 21     Q2 21    Q3 21   Q4 21

davonkommen. Der Deflationsdruck hat aufgrund des                          Inflation in der Eurozone (rechte Skala)
geringeren Konsums zugenommen, sollte aber in der                          US-Inflation (rechte Skala)
                                                                           Inflation in China
zweiten Jahreshälfte 2021 wieder zurückgehen. Die Bank
of Japan dürfte ihren expansiven Kurs fortsetzen.            Quelle: Nationale Statistikämter, Refinitiv Datastream,
                                                             Vontobel-Prognosen nach Q4 2020

Emerging Markets: globaler Wachstumsmotor
Steigende Infektionszahlen, besonders in Südamerika,         Grafik 3: Weitere Bilanzausweitungen der Notenbanken
haben auch in den Schwellenländern zu harten Lock-           in den USA und Europa erwartet
downs geführt. Auch wenn weitere Massnahmen dieser           Bilanz in Bio. USD
Art folgen dürften, stehen die Volkswirtschaften weniger      10
stark unter Druck als in der ersten Jahreshälfte 2020.         9
Trotz der Rückschläge, die das Wachstum im ersten              8
Quartal belasten werden, behalten wir unsere optimisti-        7
sche Prognose für 2021 angesichts des hohen globalen           6
Liquiditätsangebots und der laufenden Impfprogramme            5
bei. Die derzeitige Welle der Pandemie scheint vor allem       4
Malaysia und Indonesien getroffen zu haben. Die meisten        3
regionalen Lockdowns wurden nicht verschärft. Da die           2
Fabriken in Nordostasien weiter geöffnet bleiben, ist das      1
Risiko eines neuerlichen Angebotsschocks gering. Für           0
2021 erwarten wir in den Emerging Markets eine Erho-                2008        2010       2012        2014           2016       2018        2020

lung des Wachstums auf 6.7 %. Inflation dürfte der Region              US-Notenbank
in diesem Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach keine Sor-                Europäische Zentralbank
                                                                       Vontobel-Prognose für die US Fed
gen bereiten. Die Volkswirtschaften operieren immer                    Vontobel-Prognose für die EZB
noch weit unterhalb ihres Potenzials, was Preisanstiege
                                                             Quelle: Nationale Statistikämter, Refinitiv Datastream, Vontobel-Prognosen nach
verhindert. Deshalb ist das Risiko eines inflationsbegrün-   Q4 2020
8   Viewpoint

     «Impact Investing»:
     ein heisser Schlitten
     für den Weihnachtsmann
     Wintersportfreunde und Kinder haben die im Januar über Europa
     abgeworfenen Schneemassen genossen. Generell macht sich
     die weisse Pracht aber eher rar – leider. Doch kein Grund, die
     Hoffnung zu verlieren: Die Vereinigten Staaten sind in den Kreis
     der klimabewussten Nationen zurückgekehrt, und zahlreiche
     Unternehmen weltweit entwickeln Lösungen zum Schutz gegen
     die Erwärmung der Erde.

     —                        —
     Pascal Dudle             Marco Lenfers
     Head of Listed Impact,   Client Portfolio Manager,
     Portfolio Manager,       Vontobel
     Vontobel
9
10

     Anscheinend hat die Welt gemerkt, dass der Traum in          Aktienkurse mögen erneuerbare Energie
     Irving Berlins berühmtem Song «White Christmas» sonst        Gemäss Research der Credit Suisse2 könnten Joe Bidens
     bald ausgeträumt ist. Während die Winterlandschaft ihre      Pläne zur Emissionsbekämpfung eine Welle auslösen, von
     weisse Schönheit allmählich verliert, werden einzelne        der alle verwandten Branchen, die erneuerbare Energie
     Länder immer «grüner». In Asien peilen die drei wirt-        erzeugen, profitieren werden: Solaranwendungen in Pri-
     schaftlichen Schwergewichte China, Japan und Südkorea        vathaushalten, intelligente Zähler, Wasserstoff-Brenn-
     innerhalb weniger Jahrzehnte die Klimaneutralität an.        stoffzellen und Versorgungsunternehmen. Der Swiss Re
     Auch die Europäische Union hat sich vor einigen Monaten      zufolge braucht die nachhaltige wirtschaftliche Erholung
     dazu verpflichtet. Und schliesslich ist nach der Amtsein-    einen Richtungswechsel, der unter anderem mehr Investi-
     führung von Joe Biden als neuem Präsidenten der USA          tionen in nachhaltige Infrastruktur beinhaltet. 3
     am 20. Januar auch das Land mit den zweithöchsten
     CO2-Emissionen der Welt1 offiziell wieder dem Pariser        Solche Vorhaben decken sich mit dem «Impact Inves-
     Klimaabkommen beigetreten. Laut dem Klimaforscher-           ting»-Ansatz. Dieser ermöglicht Anlegern, die positive
     Konsortium «Climate Action Tracker» ist dank der jüngs-      Wirkung eines «grünen» Portfolios zu messen (siehe
     ten Entwicklungen das im Pariser Abkommen festgelegte        Abbildung). Ein solches Portfolio kann eine vielfältige
     2-Grad-Ziel in Reichweite gerückt, während zuvor eine        Auswahl von Aktien enthalten. Zu nennen ist etwa der
     Erwärmung um 2.7 Grad bis zum Jahr 2100 erwartet             weltweit grösste Betreiber von Offshore-Windkraftanla-
     wurde, wie die BBC berichtete.                               gen, Ørsted, der seine per Ende 2017 installierte Kapazi-
                                                                  tät von 4 Gigawatt (GW) auf 15 Gigawatt (GW) bis Ende
     Gesellschaft macht Druck                                     2025 steigern möchte. Dies würde rund dem Dreifachen
     Kritiker mögen entgegnen, dass den Regierungen ökolo-        der Kapazität von Europas grösstem Kohlekraftwerk ent-
     gische Versprechen zwar leicht über die Lippen gehen,        sprechen4. Nach der Veräusserung des verbleibenden
     die Umsetzung aber zu wünschen übrig lässt. Gleichwohl       Kohlegeschäfts bis 2023 wird der Betriebsgewinn des
     braucht es für solche Vorhaben auch die Unterstützung        dänischen Unternehmens fast ausschliesslich aus grüner
     der politischen Opposition. In den USA besteht zumin-        Energie stammen. Ein weiteres Beispiel ist das in Kalifor-
     dest Hoffnung, dass Joe Biden seine hochtrabenden            nien ansässige Unternehmen Equinix, ein weltweit füh-
     Pläne für eine grüne Konjunkturerholung verwirklichen        render Anbieter von Rechenzentrumskapazität. Damit
     kann, nun da die Demokraten im Anschluss an eine heiss       können Kunden ihre Rechenkapazität effizienter nutzen.
     umkämpfte Stichwahl um zwei Senatssitze im US-Bun-           Das Unternehmen hat seine CO2-Emissionen seit 2015
     desstaat Georgia am 5. Januar die Mehrheit in beiden         um 60 % reduziert und sich zum Ziel gesetzt, bald seine
     Parlamentskammern besitzen.                                  gesamte Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen.
                                                                  Erwähnenswert ist auch das Unternehmen Hannon Arm-
     Abseits der Politik nimmt die allgemeine Unterstützung       strong mit Sitz in Annapolis, nahe Washington D.C., das
     von Massnahmen zum Klimaschutz zu. Auch die Tatsa-           Klimaschutzinitiativen für die Erzeugung von Wind- und
     che, dass die grossen asiatischen Wirtschaftsmächte          Sonnenenergie sowie die Energiespeicherung finanziert.
     zusehends die Vorreiterrolle übernehmen, zeigt, dass der     Sein Zugang zu Finanzmitteln ermöglicht sowohl öffentli-
     Ruf nach Klimaschutz immer globaler wird.                    che Projekte der Klima- und Energieeffizienz als auch die
                                                                  Finanzierung von Solaranlagen für Privathäuser. Dass die
     Staaten koordinieren, Unternehmen liefern                    genannten Unternehmen in ihrer Branche allesamt füh-
     Staatsorgane und Aufsichtsbehörden können bei der            rend sind, spiegelt sich auch in ihren Aktienkursen.
     Bekämpfung des Klimawandels bedeutend mitmischen.
     Um den Preis der Umweltverschmutzung zu beziffern,           Tiefschnee für den Rentier-Schlitten
     wäre zum Beispiel eine Börse denkbar, an der Unterneh-       Sicherlich werden Investitionen in Aktien im Bereich der
     men Zertifikate auf Kohlenstoffemissionen kaufen oder        «sauberen Technologie» allein die Welt nicht retten. Aber
     verkaufen können. Ein solches System kennt Europa            so wie es aussieht, bemühen sich Staaten und Unterneh-
     bereits für einige Industriesektoren. Und warum nicht die    men nun vermehrt gemeinsam darum, die unaufhaltsame
     Staatskassen öffnen, um im Rahmen einer international        Erwärmung der Erde zu bremsen. Das heisst nicht zwin-
     koordinierten Initiative Millionen von Bäumen zu pflanzen?   gend, dass der Weihnachtsmann auch künftig mit dem
     Zunächst werden jedoch innovative Unternehmen den            Rentier-Schlitten seine Spuren durch den Tiefschnee zie-
     Weg bereiten. Hätten Sie sich vor einigen Jahren träumen     hen wird wie auf kitschigen Weihnachtskarten. Aber je
     lassen, dass der Luft entzogenes Kohlendioxid tief im        fleissiger Impact-Anleger flüssige Mittel unter seine Kufen
     Boden vergraben werden kann? Genau dies macht die            schaufeln, desto emissionsärmer wird er in Zukunft
     Schweizer Firma Climeworks.                                  dahingleiten.
11

Beispiel für den positiven Effekt einer «Impact»-Investition
Was 1 Million Euros in einem Clean-Tech-Portfolio bewirken können:

    Erzeugung von erneuerbaren Energien           Verkaufte Anlagen zur Erzeugung              Kreislaufwirtschaft
                                                  von erneuerbaren Energien                    (Wiederverwendung, -verwertung)
    74’751 kWh
                                                  144 kW                                       6’254 kg

    Versorgung von                                                                             Spart täglichen Rohstoff-
                                                  Ersatz von                                   verbrauch von
    47 Personen
    mit sauberer Energie für                      290 Tonnen                                   163 Personen
    ein Jahr                                      jährlichen Kohleverbrauchs                   ein

    Bereitstellung von Trinkwasser                Eingespartes, rezykliertes oder              Abfallmanagement
                                                  aufber. Wasser
    13’466 m              3
                                                                                               123 t
                                                  22’124 m3

                                                  Aufbereitung                                 Aufbereitung der Abfälle
    Versorgung von                                des Abwassers von                            von

    256 Personen                                  421 Personen                                 252 Personen
    für ein Jahr                                  für ein Jahr                                 pro Jahr

    Auf der Schiene transportierte                CO2-Bilanz (Scope 1&2)                       Vermiedene CO2-Emissionen (PAE)
    Passagiere / Güter
                                                  110 t CO2                                    4’568 t CO2
    251’762 km

                                                  Verursacht Emissionen
    Spar                                          entsprechend                                 «Spart»

    4’992 Liter                                   66 Fahrzeugen                                2’744 Fahrzeuge
    Diesel / Benzin ein                           im Strassenverkehr                           auf der Strasse ein

Quelle: Vontobel, Daten per 30. Juni 2020

1
   emäss der US-Organisation Union of Concerned Scientists verursacht China 28 % des weltweiten CO2-Ausstosses, gefolgt von den USA
  G
     mit 15 % (per 12. August 2020) https://www.ucsusa.org/resources/each-countrys-share-co2-emissions
2
  «Utilities and Alternative Energy, Thoughts on Biden’s Plan», Credit Suisse Research Bulletin, 16. Juli 2020
3
   «Rebuilding better», Swiss Re, Sigma 7/2020 https://www.swissre.com/institute/research/sigma-research/sigma-2020-07.html
4
    Die Kapazität des 13 Blöcke umfassenden polnischen Kohlekraftwerks Bełchatów beträgt laut der Website von NS Energy 5.3 Gigawatt.
     https://www.nsenergybusiness.com
12 Anleihen

    Das Risiko eines «Taper Tantrum»
    in 2021 bleibt gering
                                       —                                                      Wie realistisch ist aber eine mögliche voreilige Beendi-
                                       Sandrine Perret                                        gung der Fed-Konjunkturmassnahmen? Einige Anleger
                                       Senior Economist,                                      befürchten eine Wiederholung des sogenannten «Taper
                                       Fixed Income Strategist,
                                       Vontobel                                               Tantrum» von 2013. Als der damalige Fed-Chef Ben Ber-
                                                                                              nanke auf eine Reduzierung der «quantitativen Locke-
                                                                                              rung» hindeutete, führte das zu einem sprunghaften
                                                                                              Anstieg der Renditen und einem Ausverkauf von Aktien
                                                                                              und Emerging-Market-Anlagen (siehe Grafik 2). Obwohl
                                                                                              wir diese Sorgen ernst nehmen, halten wir ein solches
                                                                                              Szenario in diesem Jahr für unwahrscheinlich. Der derzei-
    Die US-Demokraten haben nicht nur das Rennen um die                                       tige Fed-Chef Jerome Powell hat bereits mehrmals darauf
    Präsidentschaft für sich entschieden, sondern konnten                                     hingewiesen, dass die Zentralbank aktuell nicht erwägt,
    sich auch eine knappe Mehrheit im Kongress sichern.                                       ihre geldpolitische Positionierung zu ändern. Da die Wirt-
    Die «blaue Welle» hat die Anleihenrenditen steigen                                        schaft sich gerade erst vom Schock der Pandemie erholt
    lassen, da das Parlament neue Konjunkturmassnahmen                                        und die Inflation immer noch deutlich unterhalb des Ziels
    unterstützen dürfte. Obwohl wir unsere Renditeprognose                                    der Fed liegt, gehen wir davon aus, dass die Anleihen-
    nach oben korrigiert haben, gehen wir nicht davon aus,                                    käufe von rund 120 Milliarden US-Dollar pro Monat das
    dass die US-Notenbank ihre Unterstützung frühzeitig                                       ganze Jahr hindurch fortgesetzt werden. Unserer Ein-
    einstellen wird. Deshalb dürften die Renditen längere                                     schätzung nach könnte eine Reduzierung der Anleihen-
    Zeit auf niedrigerem Niveau verharren.                                                    käufe in 2022 folgen. Angesichts höherer öffentlicher
                                                                                              Ausgaben und der Aussicht auf eine schnelle Erholung
    Die Renditen von US-Staatsanleihen haben sich rasant                                      des Privatkonsums in den USA im zweiten Quartal haben
    erholt und sind, beflügelt von der Hoffnung auf eine                                      wir unsere Zwölf-Monats-Renditeprognose für US-Anlei-
    beschleunigte Konjunkturerholung in den USA, über 1%                                      hen von 1.2 % auf 1.4 % nach oben korrigiert. Kurzfristig
    gestiegen. Haupttreiber für diesen Anstieg war der uner-                                  gehen wir davon aus, dass die Renditen nahe 1.0 % ver-
    wartete Sieg der Partei von Präsident Joe Biden bei der                                   harren werden, da Unsicherheiten in Bezug auf Virusmu-
    Stichwahl in Georgia, die der Partei eine Mehrheit im US-                                 tationen und Impfkampagnen den Aufwärtsdrang der
    Kongress beschert und die Hoffnung auf eine reibungs-                                     Renditen durch die höheren öffentlichen Ausgaben
    lose Verabschiedung wirtschaftlicher Unterstützungspa-                                    abschwächen dürften.
    kete schürt. Dies hat im Zusammenspiel mit Faktoren wie
    dem Beginn der Impfkampagnen die Rendite für US-                                          Präferenz für Emerging-Markets-Anleihen
    Staatsanleihen auf einen zeitweiligen Höchststand von                                     Wir behalten unsere derzeitige leichte Untergewichtung
    1.18 % getrieben. Zum Vergleich: Im Vorjahr betrug das                                    in Staatsanleihen und unsere positive Einschätzung von
    Rekordtief 0.32 % (siehe Grafik 1). Der hoffnungsvolle                                    Emerging-Markets-Anleihen in Hartwährung bei. Allge-
    wirtschaftliche Ausblick weckte allerdings auch die                                       mein dürften Schwellenländer-Anleihen von dem unver-
    Sorge, dass die US-Notenbank ihre extrem lockere Geld-                                    ändert niedrigen Renditeumfeld profitieren und Hartwäh-
    politik ab einem gewissen Punkt überdenken könnte.                                        rungstitel sollten einem verhaltenen Anstieg der Renditen
                                                                                              standhalten.

    Grafik 1: Steigende US-Renditen dank Impfstoffen und                                      Grafik 2: EM-Anleihen dürften in Niedrigzinsumfeld
    Wahlsieg der Demokraten                                                                   Outperformance erzielen
    In %                                                                                      Indexperformance, Gesamtrendite*                                   Realrenditen in %
                                                                   Senatswahl in Georgia
    2.0                                                                                       200                                                                               –1.5
    1.8                                                                                       180                                                                               –1.0
                                                           Pfizer/BioNTech                                  Niedrigere US-Realzinsen
    1.6                                      Verkündung Impfstoffergebnisse
                                                                                              160                                                                               –0.5
    1.4                                                                                       140
                                                                                                                                                                                –0.0
    1.2                                                                                       120
                                                                                                                                                                                 0.5
    1.0                                                                                       100
                                                                                                                                                                                 1.0
    0.8                                                                                         80
                                                                                                                                                   Höhere US-Realzinsen
    0.6                                                                                         60                                                                               1.5
    0.4                                                                                         40                                                                               2.0
           01.20       03.20       05.20          07.20       09.20       11.20       01.21          10     11    12     13     14     15     16     17     18        19   20

              Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen                                                       10-j. US-Realrendite (rechte Skala, invertiert)
                                                                                                          Emerging-Markets-Hartwährungsindex (EMBI)
                                                                                                          Emerging-Markets-Lokalwährungsindex (GBI-EM)

    Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel                                                    * Gegenüber Global Aggregate-Index (Start = 100)
                                                                                              Quelle: Refinitiv Datastream, Bloomberg Barclays, JP Morgan, Vontobel
Aktien 13

Ermutigende Gewinnaussichten
bei Aktien
                                   —                                              Lockdowns in vielen Ländern geweckt haben. Ein weite-
                                   Stefan Eppenberger                             rer Grund sind die grosszügigen fiskalpolitischen Anreize
                                   Equity & Commodity Strategist,                 rund um den Globus.
                                   Vontobel

                                                                                  Haben die Analysten ihre Lektion gelernt?
                                                                                  Die Stimmungsaufhellung unter den Analysten wird auch
                                                                                  anhand anziehender Gewinnkorrekturen deutlich. Diese
                                                                                  zeigen das Verhältnis zwischen Aufwärts- und Abwärts-
                                                                                  korrekturen der Gewinnprognosen an. Interessanter-
                                                                                  weise liessen sich die Analysten nach der letzten grossen
Bei der Aktienhausse 2020 haben die Notenbanken                                   Rezession im Jahr 2008 Zeit damit, wieder eine positivere
eine Schlüsselrolle gespielt. Auch in diesem Jahr werden                          Sichtweise einzunehmen. Dies lässt sich dadurch er-
sie unterstützend wirken, doch auch ein weiterer Faktor                           klären, dass sie unter dem bleibenden Eindruck eines
wird die Kurse treiben: die Erholung der Unternehmens-                            gerade noch abgewendeten Zusammenbruchs des
gewinne. Wir bleiben bei der Aktienübergewichtung,                                Finanzsystems standen. In der Folge haben die Aufwärts-
die wir seit letztem Sommer halten.                                               korrekturen der Unternehmensgewinne über die Jahre
                                                                                  zugenommen und erst Mitte des Sommers 2011 ihren
Zur Überraschung mancher Anleger war 2020 ein gross-                              Höchststand erreicht. Werden die Analysten dieses Mal
artiges Jahr für Aktien. Trotz des Einbruchs in einigen                           mehr Optimismus zeigen?
von nationalen Lockdowns betroffenen Branchen warfen
Aktien global gesehen fast 15 % in Lokalwährung ab. Bei                           Zyklische Titel werden hiervon wohl am stärksten profi-
unserer positiven Einschätzung von Aktien ist dennoch                             tieren. Dies betrifft auch Öltitel, die von einer Erholung
zu berücksichtigen, dass die Bewertungskennzahlen                                 der Ölpreise zusätzliche positive Impulse erhalten dürften
ohne die Liquiditätsmassnahmen der Notenbanken nicht                              (siehe «Rohstoffe» auf Seite 14). Am stärksten sind wir
so hoch ausfallen würden, wie es derzeit der Fall ist: So                         jedoch weiterhin von Emerging-Markets-Aktien über-
hat sich beispielsweise das Verhältnis von US-Aktienkur-                          zeugt, die ihre Aufwärtsbewegung vom letzten Jahr auch
sen zu den erwarteten Gewinnen in den letzten zwölf                               im Januar 2021 fortsetzen. Gleichzeitig sind viele Anleger
Monaten von 18 auf 22 im Jahr 2020 erhöht.                                        überzeugt, dass mit der ausgeprägten Hausse von 2020
                                                                                  etwas nicht stimmt. Die Indizes könnten daher für eine
Dieser Prozess wird sich fortsetzen – in den nächsten                             gewisse Zeit nachgeben. Wir würden auf eine solche Kor-
Monaten könnte es sogar zu einer weiteren Ausweitung                              rektur wohl mit zusätzlichen Ankäufen reagieren.
der Notenbankbilanzen kommen (siehe Grafik 1). Den-
noch erwarten wir, dass die steigenden Unternehmens-                              Langfristig wird das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zu sei-
gewinne die Rolle des Haupttreibers spielen werden. In                            nem langfristigen Durchschnitt zurückfinden. Der Wert
den vergangenen sechs Monaten haben wir bereits                                   einer Firma kann längerfristig nicht schneller steigen als
erlebt, dass die Analysten ihre Prognosen für die Unter-                          ihre Gewinne. Die Trendumkehr könnte beispielsweise
nehmensgewinne angehoben haben (siehe Grafik 2), da                               eintreten, wenn die Notenbanken die Zügel anziehen. Die-
die Impfprogramme Hoffnung auf ein Ende der strengen                              ser Schritt jedoch scheint in weiter Ferne zu liegen.

Grafik 1: Die Notenbanken werden Aktien mit grosser                               Grafik 2: Analysten nach Rezessionen offenbar zu
Wahrscheinlichkeit weiter stützen                                                 pessimistisch
12-Monats-KGV                                                In Milliarden USD    Verhältnis von Aufwärts- zu Abwärtskorrekturen der Gewinnprognosen
 30                                                                               2.0
                                                                          1’000
 25                                                                        800    1.5
 20                                                                        600    1.0
 15                                                                        400    0.5
                                                                           200
 10                                                                               0.0
      2011          2013         2015          2017   2019         2021                 2010         2012         2014           2016   2018   2020   2022

         S&P 500 Index                                                                     3-Monats-Durchschnitt, MSCI World AC
         Bilanz der US-Notenbank (rechte Skala)                                            Monatsdaten
         Unsere Prognose der Bilanz der US-Notenbank für Ende 2021

Quelle: IBES, Refinitiv Datastream, Vontobel                                      Quelle: IBES, Refinitiv Datastream, Vontobel
14 Rohstoffe

    Ölmarkt hofft nach dem «Schand-
    fleck» in 2020 auf einen Neuanfang

                                      —                                             Ölkartell lässt Kapazitäten ungenutzt
                                      Stefan Eppenberger                            Zweitens: Die Organisation erdölexportierender Länder
                                      Equity & Commodity Strategist,                (Opec) sowie Russland, das kein Opec-Mitglied ist, för-
                                      Vontobel
                                                                                    dern auf moderatem Niveau. Es wird gerne vergessen,
                                                                                    dass das Kartel mindestens genauso stark zum Ölpreis-
                                                                                    kollaps im März 2020 beigetragen hat wie der Nachfrage-
                                                                                    schock. Damals war es Saudi-Arabien und Russland nicht
                                                                                    gelungen, sich auf eine gemeinsame Förderpolitik zu eini-
                                                                                    gen. Daher konnten alle Kartellmitglieder so viel Öl pum-
                                                                                    pen, wie sie wollten. Doch heute stellt sich die Lage fun-
    Ein solches Jahr hat der Ölmarkt noch nicht erlebt:                             damental anders dar. Saudi-Arabien hat kürzlich sogar
    Im pandemiebedingten Chaos sanken die Preise zeit-                              von sich aus weitere Produktionskürzungen verkündet,
    weilig auf ein nie dagewesenes Tief von –35 US-Dollar.                          um den negativen Markteffekt der neuerlichen Lock-
    Da verwundert es nicht, dass die Rohstoffanleger                                downs in Europa auszugleichen.
    auf ein besseres 2021 hoffen. Wir erwarten, dass die
    anziehende Nachfrage und das weitere Vorgehen                                   US-Schieferölproduzenten reagieren langsam
    der grossen Ölproduzenten die Preise stützen werden.                            Drittens: Die US-Schieferölbranche ist eigentlich dafür
    Zudem könnten Veränderungen in der US-Schiefer-                                 bekannt, die Förderung schnell wieder hochzufahren,
    ölindustrie einen weiteren Anstieg auslösen und dazu                            sobald die Preise über ein Niveau von etwa 50 US-Dollar
    beitragen, dass der weltweit am stärksten gehandelte                            steigen. Dieses Mal könnten sie sich trotz des jüngsten
    Rohstoff wieder sein Vor-Krisen-Niveau von über                                 Aufwärtstrends der Ölpreise jedoch Zeit lassen (siehe
    60 US-Dollar erreicht.                                                          Grafik 1). Schon heute scheint die Schieferölbranche
                                                                                    weniger schnell zu handeln als gewohnt. Dies erklärt sich
    Das schwarze Gold dürfte sich von dem Makel befreien                            teilweise durch eine Reihe von Zusammenschlüssen und
    können, «weniger als nichts» wert gewesen zu sein: So                           Übernahmen, die die Branche grundlegend verändert
    wird Brent derzeit zu einem siebenjährigen Durchschnitt                         haben. Die sechs grössten Unternehmen stehen mittler-
    von rund 55 US-Dollar pro Barrel gehandelt. Hierfür gibt                        weile für die Hälfte der Förderung im wichtigen Permbe-
    es drei Gründe.                                                                 cken in den südwestlichen USA (siehe Grafik 2). Diese
                                                                                    entscheidenden Akteure müssen zunehmend die Erwar-
    Erstens: Grosse Volkswirtschaften insbesondere in Asien                         tungen ihrer Aktionäre erfüllen. Folglich verlagert ihr
    fragen Öl wieder stärker nach, während der Anstieg in                           Fokus sich von der Wachstumsrate der Schieferölförde-
    Europa und den USA – beide stark vom Virus betroffen –                          rung weg und hin zu Cashflow-Generierung und solidem
    oder auch spezifischen Branchen wie der Luftfahrt eher                          Kostenmanagement. Darüber hinaus dürfte die umwelt-
    moderat ausfällt. Die aufgestaute Nachfrage ist weiterhin                       bewusstere Haltung der Biden-Regierung für die US-
    hoch, eine Normalisierung der Reisetätigkeit in den                             Ölförderung weiteren Gegenwind bedeuten. Die Förder-
    nächsten Monaten vorausgesetzt.                                                 kosten werden mit hoher Wahrscheinlichkeit steigen –
                                                                                    und mit ihnen die Ölpreise. Daher haben wir unsere
                                                                                    12-Monats-Prognose auf 65 US-Dollar erhöht.

    Grafik 1: Die US-Ölförderung ist bisher unter                                   Grafik 2: Nach Fusionen und Übernahmen beherrschen
    den Erwartungen geblieben                                                       sechs grosse Akteure die Schieferölbranche
    In USD                                                 Anzahl der Bohrungen     In %
     120                                                                    1’400    50
     100                                                                    1’200    45
       80                                                                   1’000    40
       60                                                                    800     35
       40                                                                    600     30
       20                                                                    400     25
        0                                                                    200     20
            2011         2013         2015         2017    2019      2021                        2015       2016       2017        2018       2019   2020

               Rohölpreis (West Texas Intermediate)                                         Marktanteil der sechs grössten im Permbecken aktiven
               Anzahl der US-Horizontalbohrungen (rechte Skala)                             Unternehmen (ExxonMobil, Chevron, Pioneer Natural
                                                                                            Resources, EOG Resources, ConocoPhillips,
                                                                                            Occidental Petroleum)
    Quelle: Baker Hughes, Refinitiv Datastream, Vontobel                            Quelle: Goldman Sachs Research, Vontobel, Stand: Oktober 2020
Währungen 15

Lockdowns in Europa belasten
die Währungen

                                   —                                            Der Schweizer Franken zeigt sich widerstandsfähig
                                   Sven Schubert, PhD                           Wenn zyklische Währung sich verteuern, geben sichere
                                   Head of Strategy Currencies,                 Häfen wie der Schweizer Franken und der japanische Yen
                                   Vontobel
                                                                                typischerweise nach. In einem globalen Umfeld zyklischer
                                                                                Erholung und steigender Realrenditen neigen beide Wäh-
                                                                                rungen zu einer Underperformance. Dies gilt insbeson-
                                                                                dere, wenn die Spreads der Realrenditen von Safe-Haven-
                                                                                Währungen «ins Negative drehen», wie erst kürzlich
                                                                                geschehen (siehe Grafik 1). Dessen ungeachtet wird der
                                                                                Schweizer Franken Stärke zeigen. Der Schweizer Leis-
Die aktuelle Korrektur der europäischen Währungen                               tungsbilanzüberschuss beträgt 7.6 % des BIP und liegt
überrascht uns angesichts der harten Lockdowns in                               damit im internationalen Vergleich im absoluten Spitzen-
Europa nicht. Die von uns erwartete globale zyklische                           bereich. Leistungsbilanzüberschüsse führen meist zu
Erholung und die schrittweise Umsetzung von                                     Währungsaufwertungen. Zudem wird der Euro wohl nicht
Impfprogrammen sprechen weiterhin für zyklische                                 die nötige Dynamik aufbringen, um auf den von uns ermit-
Währungen – etwa in Europa und den Schwellenländern.                            telten Fair Value von 1.16 in EUR / CHF zu steigen. Wir
                                                                                erwarten, dass das Währungspaar sich bei 1.10 stabili-
Unser Vertrauen in Währungen aus Europa und den                                 siert. Gegen den US-Dollar könnte die Schweizer Wäh-
Emerging Markets (EM) stützt sich auf die Erwartung                             rung sich leicht auf 0.88 in USD / CHF verteuern.
eines fallenden US-Dollars. Eine ausgeprägte USD-
Schwäche könnte wohl nur durch wirtschaftliche Prob-                            Die Emerging-Markets-Währungen hängen weiterhin
leme in den USA entstehen. Diese erscheinen angesichts                          stark von den Wachstumsaussichten ab. Der Rohstoff-
des jüngst vom US-Kongress verabschiedeten aggressi-                            boom Anfang der 2000er Jahre war die Folge starken
ven Konjunkturpakets jedoch unwahrscheinlich.                                   Wachstums, auf globaler Ebene ebenso wie in den
                                                                                Schwellenlädern, deren Anlagen sich in dieser Zeit be-
Selbst das Pfund könnte zulegen                                                 trächtlich verteuerten (siehe Grafik 2). Die robuste Erholung
Daher dürften europäische Währungen nur vorüberge-                              nach der Finanzkrise trieb die Preise von EM-Anlagen
hend nachgeben, wenn überhaupt. Die norwegische                                 ebenfalls nach oben. Später haben sich die Wachstums-
Krone beispielsweise wittert Morgenluft, und der Wech-                          aussichten der Emerging Markets wieder verdüstert.
selkurs EUR / USD dürfte bei Beendigung der europäi-                            Gründe hierfür sind die Schuldenkrise in der Eurozone,
schen Lockdowns auf ein Niveau um die 1.25 steigen –                            das erklärte Ziel Chinas, seine stark steigende Verschul-
knapp unter unserem Fair Value von 1.28. Selbst das hart                        dungsquote zu drücken, sowie die Straffung der US-
vom Brexit getroffene Pfund Sterling könnte nach unserer                        Geldpolitik. Wir erwarten für 2021 zwar keinen Rohstoff-
Erwartung gegenüber dem Euro und dem US-Dollar                                  boom wie zu Beginn des Jahrhunderts, rechnen aber
Boden wettmachen. Unser Zielwert für EUR / GBP liegt                            damit, dass das BIP der Schwellenländer um bis zu 6.7 %
bei 0.86. Angesichts der ökonomischen Folgen des Bre-                           wächst. Dies dürfte reichen, um die entsprechenden
xits ist jedoch nicht zu erwarten, dass das Währungspaar                        Währungen gegenüber dem US-Dollar um 5 % zu verteuern.
die Lücke zum Fair Value von 0.82 schliesst.

Grafik 1: Aktuelles Plus der realen Anleihenspreads                             Grafik 2: Gute Performance von Schwellenländer-
deutet auf Anstieg des Euro ggü. dem Franken                                    Anlagen bei zyklischer Erholung
Wechselkurs                                                              In %   Index (JPM GBI-EM gewichtet)             Total Return Index (JPM GBI-EM)
1.8                                                                       1.5   240                                                                   450
1.7                                                                       1.0   220                                                                   400
1.6                                                                       0.5   200                                                                   350
1.5                                                                       0.0   180                                                                   300
1.4                                                                      –0.5   160                                                                   250
1.3                                                                      –1.0   140                                                                   200
1.2                                                                      –1.5   120                                                                   150
1.1                                                                      –2.0   100                                                                   100
1.0                                                                      –2.5     80                                                                  50
0.9                                                                      –3.0     60                                                                   0
      2001          2005          2009      2013       2017       2021                 2001         2005          2009    2013      2017       2021

             EUR / CHF                                                                        Emerging-Markets-Währungen
             10-jährige reale Staatsanleihen-Spreads                                          Emerging-Markets-Lokalwährungsanleihen (rechte Skala)
             (Deutschland / Schweiz, rechte Skala)                                            Starkes Wachstum in Emerging Markets
                                                                                              Sinkendes Wachstum in Emerging Markets
Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel                                          Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel
16 Prognosen

    Konjunktur und Finanzmärkte 2018–2021
    Die folgende Liste zeigt für Bruttoinlandsprodukt (BIP), Inflation/Inflationserwartung, Notenbankzinsen, zehnjährige
    Staatsanleihen, Wechselkurse und Rohstoffe die effektiven Werte, Wechselkurse und Preise für die Jahre 2018 und
    2019 sowie die Vontobel-Prognosen für die Jahre 2020 und 2021.

                                                                                                                                        PROGNOSE     PROGNOSE
    BIP (IN %)                                                                         2018                 2019         AKTUELLE            2020         2021
    Eurozone                                                                             1.9                 1.3                 –4.3         –7.4          4.8
    USA                                                                                  3.0                 2.2                 –2.8        –3.5           5.0
    Japan                                                                                0.3                  0.7                –5.7        –5.3           2.6
    Grossbritannien                                                                      1.3                 1.3                 –8.6       –10.6           5.1
    Schweiz                                                                              3.0                  1.1                –1.7        –3.5           3.4
    China                                                                                6.8                  6.1                 6.5         2.3           8.7

    INFLATION (IN %)
    Eurozone                                                                             1.8                 1.2                 –0.3         0.2           1.7
    USA                                                                                  2.4                 1.8                  1.3         1.3           2.0
    Japan                                                                                1.0                  0.5                –1.0         0.1           0.2
    Grossbritannien                                                                      2.5                 1.8                  0.3         0.8           1.7
    Schweiz                                                                              0.9                  0.4                –0.8        –0.7           0.4
    China                                                                                2.1                 2.9                  4.5         2.5           1.6

                                                                                                                                        3-MONATS-    12-MONATS-
    NOTENBANKZINSEN (IN %)                                                             2018                 2019         AKTUELLE       PROGNOSE      PROGNOSE
    EUR                                                                               –0.40               –0.50                 –0.50       –0.50         –0.50
    USD                                                                                2.50                 1.75                 0.25        0.25          0.25
    JPY                                                                               –0.10               –0.10                 –0.10       –0.10         –0.10
    GBP                                                                                0.75                 0.75                 0.10        0.10          0.10
    CHF                                                                               –0.71               –0.69                 –0.75       –0.75         –0.75
    AUD                                                                                1.50                 0.75                 0.10        0.10          0.10
    CNY                                                                                4.35                 4.35                 4.35        4.35          4.35

    RENDITEN 10-JÄHRIGER STAATSANLEIHEN (IN %)
    EUR (Deutschland)                                                                    0.2                –0.2                 –0.6        –0.4          –0.3
    USD                                                                                  2.7                  1.9                 1.1         1.1           1.4
    JPY                                                                                  0.0                  0.0                 0.0         0.0           0.1
    GBP                                                                                  1.3                  0.8                 0.3         0.3           0.6
    CHF                                                                                –0.2                 –0.5                 –0.5        –0.5          –0.3

    WECHSELKURSE
    CHF je EUR                                                                         1.13                 1.09                 1.08        1.10          1.10
    CHF je USD                                                                         0.99                 0.97                 0.89        0.88          0.88
    CHF je 100 JPY                                                                     0.90                 0.89                 0.86        0.85          0.87
    CHF je GBP                                                                         1.26                 1.28                 1.21        1.24          1.28
    CHF je AUD                                                                         0.69                 0.68                 0.68        0.69          0.66
    USD je EUR                                                                         1.14                 1.12                 1.21        1.25          1.25
    JPY je USD                                                                          110                  109                 104          103           101
    USD je AUD                                                                         0.70                 0.70                 0.77        0.78          0.79
    CNY je USD                                                                         6.95                 6.51                 6.86        6.30          6.30

    ROHSTOFFE
    Rohöl (Brent, USD/Barrel)                                                            53                   66                  55           60           65
    Gold (USD/Feinunze)                                                               1281                 1521                 1837         1900         1900
    Kupfer (USD/metrische Tonne)                                                      5949                 6149                 7968         8000         8000

    Quelle: Thomson Reuters Datastream, Vontobel; Schlusskurse für alle Daten: 21.01.2021, Prognosen mit Stand vom 18.01.2021
Rechtliche Hinweise 17

Offenlegungsanhang und Disclaimer

1. Analystenbestätigung
Die in dieser Vontobel-Publikation enthaltene Finanzanalyse wurde von der für die Finanzanalyse zuständigen Organisations­­
einheit (Sparten Group Investment Strategy, Global Equity Research und Global Trend Research, Buy-Side-Analyse) der Bank
Vontobel AG, Gotthardstrasse 43, CH-8022 Zürich, Telefon +41 (0)58 283 71 11 erstellt (www.vontobel.com). Die Bank Vontobel
AG steht unter der Aufsicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, Einsteinstrasse 2, 3003 Bern (www.finma.ch/d/).
Die auf Seite 2 der Studie angeführten Autoren bestätigen, dass diese Studie ihre Meinung zu den analysierten Finanzinstrumen-
ten und Emittenten vollständig und präzise wiedergibt und dass sie weder direkt noch indirekt eine Vergütung für die von ihnen
in dieser Finanzanalyse ver­tretenen spezifischen Beurteilungen oder Meinungen erhalten haben. Die Vergütung der Autoren dieser
Finanzanalyse hängt nicht direkt vom zwischen Vontobel und dem analysierten Emittenten generierten Investment-Banking-
Geschäftsvolumen ab. Die Autoren dieser Finanzanalyse besitzen keine Beteiligungsrechte an den analysierten Gesellschaften.
Die Finanzanalyse ist den analysierten Emittenten vor der Weitergabe oder Veröffentlichung nicht zugänglich gemacht worden.
Einzelne separate Beiträge enthalten keine direkte oder indirekte Bezugnahme auf konkrete Finanzinstrumente oder Emittenten
und stellen keine Finanzanalyse dar. Solche Beiträge können daher auch von Autoren ausserhalb der für Finanzanalyse zuständi-
gen Bereiche erstellt worden sein. Letztere sind von den für die Finanzanalyse geltenden Restriktionen und somit auch von der
vorstehenden Bestätigung nicht umfasst und ent­sprechend nicht unter den auf Seite 2 dieser Unterlage aufgeführten Finanz­
analysten genannt.

Der «Investors’ Outlook» enthält regelmässig auch Informationen zu hauseigenen Fondsprodukten der Vontobel. Dem insoweit
be­stehenden Risiko eines Interessenkonflikts aufgrund bestehender wirtschaftlicher Interessen trägt die Bank dadurch Rechnung,
dass die Auswahl der jeweils dargestellten Eigenprodukte durch die von den Sales-Bereichen der Bank unabhängige, organisato-
risch und informatorisch getrennte und durch Compliance überwachte Einheit AM/GIS MACI/Funds Research and Investments
auf Basis des Best-in-Class-Prinzips erfolgt. Bei den in dieser Finanzanalyse verwendeten Kursen handelt es sich um die an dem
jeweils genannten Stichtag letzten verfügbaren Schlusskurse. Eventuelle Abweichungen von dieser Regel werden jeweils offen-
gelegt. Die der Unter­nehmensbewertung zu Grunde liegenden Zahlen beziehungsweise Berechnungen basieren auf den von den
analysierten Emittenten veröffentlichten Finanzinformationen, insbesondere der Gewinn- und Verlustrechnung, der Kapitalfluss-
rechnung und der Bilanz. Als externe Informationen ist die Verlässlichkeit mit entsprechenden Risiken behaftet, für die die Bank
Vontobel AG keine Gewähr übernimmt. Die für die Analyse durchgeführten Berechnungen und Schätzungen können sich bei
Änderungen in der Bewertungsmethodik und/oder Zugrundelegung anderer, abweichender Modelle, Annahmen, Interpretationen
und/oder Schätzungen jederzeit und ohne vorherige Ankündigung ändern. Die Verwendung von Bewertungsmethoden schliesst
das Risiko nicht aus, dass «Fair Values» inner-halb des erwarteten Prognosezeitraumes nicht erreicht werden. Eine unübersehbare
Vielzahl von Faktoren hat Einfluss auf die Kurs­entwicklung. Unvorhergesehene Änderungen können sich zum Beispiel aus einem
möglichen Wettbewerbsdruck, aus Nachfrage­änderungen bei den Produkten eines Emittenten, aus technologischen Entwicklun-
gen, aus gesamtkonjunktureller Aktivität, aus Wechselkursschwankungen oder auch aus Änderungen gesellschaftlicher Wert­
vorstellungen ergeben. Ebenso können regulatorische oder steuerrechtliche Änderungen unvorhersehbare und gravierende Aus-
wirkungen haben. Diese Erörterung von Bewertungsmethoden und Risikofaktoren erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Weitergehende Ausführungen/Informationen zu den methodischen Ansätzen unserer Finanzanalyse sowie des Ratingsystems
finden Sie unter www.vontobel.com/CH/DE/Unternehmen-institutionen-research.

Bewertungsgrundlagen und -methoden
Die Vontobel-Finanzanalysten wenden eine Vielzahl von Bewertungsmethoden (zum Beispiel das DCF- und das EVA-Modell,
die «Sum of the parts»-Analyse, die «Break up»- und «Event related»-Analyse oder Kennzahlenvergleiche von Peer-Gruppen und
Markt) an, um für die von ihnen betreuten Unternehmen ihre eigenen Finanzprognosen zu erstellen.

2. Disclaimer und Quellenangabe
Obwohl die Erstellerin der Meinung ist, dass die diesem Papier zugrunde liegenden Angaben auf verlässlichen Quellen beruhen,
kann für die Qualität, Richtigkeit, Aktualität oder Vollständigkeit der in diesem Papier enthaltenen Informationen keine Gewähr
übernommen werden. Diese Researchberichte in dieser Publikation dienen einzig Informationszwecken und enthalten weder ein
Angebot noch eine Kauf-, Verkaufs- oder Zeichnungsaufforderung noch stellen sie eine Investment-Beratung oder eine Beratung
über steuerliche Konsequenzen dar. Die Research- Berichte in dieser Publikation wurden ohne Rücksicht auf die individuellen
finanziellen Rahmenbedingungen der Empfänger entworfen. Die Erstellerin behält sich vor, jede in dieser Publikation geäusserte
Meinung jederzeit zu ändern und/oder zu widerrufen. Die Erstellerin weist zudem darauf hin, dass Aussagen aus den Research-
Berichten in dieser Publikation keinesfalls als Beratung bezüglich allfälliger Steuer-, Rechnungslegungs-, Rechts- oder Investiti-
onsfragen verstanden werden dürfen. Die Erstellerin übernimmt weder eine Gewähr dafür, dass die in den Research-Berichten
dieser Publikation diskutierten Finanzinstrumente den Empfängern zugänglich sind, noch dass sie für die Empfänger geeignet
sind. Empfängern dieser Publikation wird empfohlen, sich vor einem allfälligen Investitionsentscheid von einem Vermögensverwal-
ter, Anlageberater oder einem entsprechenden anderen Berater hinsichtlich der Vereinbarkeit mit seinen eigenen Verhältnissen,
juristischer, regulatorischer, steuerlicher und anderer Konsequenzen beraten zu lassen. Die Erstellerin betrachtet allfällige Empfän-
ger dieses Reports, soweit nicht zusätzliche Geschäfts- oder Vertragsbeziehungen vorliegen, nicht als Kunden. Jede Verwendung,
insbesondere der ganze oder teilweise Nachdruck oder die Weitergabe an Dritte, ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung
der Bank Vontobel AG und nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Bank Vontobel AG hat interne organisatorische Vorkeh-
rungen getroffen, um möglichen Interessenkonflikten vorzubeugen bzw. diese falls vorhanden und unvermeidlich, offenzulegen.
Weitergehende Informationen, insbesondere bezüglich des Umgangs mit Interessen­konflikten und der Wahrung der Unabhängig-
keit der Finanzanalyseabteilung, sowie weitere Offenlegungen betreffend Finanzanalyse-Emfehlungen der Bank Vontobel AG fin-
den Sie unter www.vontobel.com/CH/DE/MiFID-Schweiz. Einzelheiten dazu, wie wir mit Ihren Daten umgehen, finden Sie in unse-
rer aktuellen Datenschutzrichtlinie (www.vontobel.com/privacy-policy) sowie auf unserer Website zum Datenschutz (www.
vontobel.com/gdpr). Diese Publikation entspricht Marketingmaterial gemäss Art. 68 des Schweizer FIDLEG und dient ausschliess-
lich zu Informationszwecken. Sofern Sie keinen weiteren Investors’ Outlook von uns erhalten möchten, wenden Sie sich bitte an
folgende Email Adresse wealthmanagement@vontobel.com.
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