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Schutzgebühr: 3,20 Euro Was uns bewegt. Wen wir bewegen. Ausgabe 03 | 2021 Rückenwind für mehr Güter auf der Schiene Bahnen-Bündnis will mit Kooperationen verstärkt Transporte von der Straße holen Seite 6 Digital rangieren: Startschuss Sicher pendeln: Kein höheres Autonom fahren: In Monheim für das Testfeld München-Nord Ansteckungsrisiko im ÖPNV hat die Zukunft schon begonnen Seite 12 Seite 16 Seite 26
INHALT EDITORIAL 6 Güterverkehr: Eisenbahnen Der Endspurt vor dem Zieleinlauf kooperieren bei Einzelwagen. Auf der Zielgeraden der aktuellen Legislatur- verkehrspolitischen Liste, die aus unserer Sicht periode hat die Verkehrspolitik des Bundes zum gut abgearbeitet wurde. Zwar bleibt auch für die Endspurt angesetzt. Mit der Verlängerung des nächste Bundesregierung genug zu tun. Aber ÖPNV-Rettungsschirms hat sie Wort gehalten. angesichts einer Fülle von großen, mittleren und Die Branche benötigt diese Mittel dringend, um kleineren Maßnahmen, die in den vergangenen das Nahverkehrsangebot bundesweit aufrecht- vier Jahren angeschoben wurden, bin ich davon zuerhalten – und das im weitgehend bekannten überzeugt: Für die Mobilitätswende und mehr Umfang. Nur mit einem leistungsstarken und Klimaschutz im Verkehrsbereich haben wir nun 4 Runder Geburtstag: Der ICE funktionierenden ÖPNV können wir nach der eine gute Ausgangsposition. Auch wir als Branche macht seit 30 Jahren Tempo. Pandemie schnellstmöglich wieder an Fahrt ge- sind nun gefordert, das Tempo hochzuhalten. Bald 26 Autonomes Fahren: Monheim winnen, um die Mobilitätswende voranzutreiben kommt es wieder darauf an, unter den Bedin- betreibt die weltweit erste Linie. und die jetzt noch ambitionierteren Klimaschutz- gungen einer sich wahrscheinlich ändernden ziele zu erreichen. Zu besonderem Dank sind wir Normalität unsere Fahrgäste zurückzugewinnen. aber nicht nur dem Bund verpflichtet, sondern Weiterhin gilt es zudem, den Ausbau von Bus auch den Bundesländern. Auf sie kommt es nun und Bahn sowie die Verlagerung von Gütern auf an, ihre Hälfte an den Mitteln für den Rettungs- die Schiene zu beschleunigen. Die Politik hat uns schirm 2020 und 2021 einzubringen. dafür die Instrumente an die Hand gegeben. Jetzt sind wir als Branche gefordert, diese Instrumente Gut investiertes Geld sind auch die Coronahilfen erfolgreich einzusetzen. für den Fernverkehr der Bahn und die Güterbah- nen. Und bis Ende dieses Jahres soll die erneu- erte Standardisierte Bewertung vorliegen – ein Herzlichst Ihr wesentliches Instrument, um Baumaßnahmen im ÖPNV hinsichtlich ihrer Förderfähigkeit zu prüfen. Auch diese Aufgabe stand auf der langen Ingo Wortmann 12 Digitalisierung: DB testet den Rangierbahnhof der Zukunft. 3 Editorial Seite 11 16 Hintergrund 22 Aktuell 26 Unterwegs im Netz Der Endspurt vor dem Zieleinlauf Drei Fragen an Dr. M. Henke, Pendler und Corona: Studie sieht ÖPNV-Rettungsschirm wird Automatisch auf der VDV-Geschäftsführer für den gleiches niedriges Risiko für alle. fortgeführt. ganzen Linie 4 VDV im Bild Bereich Eisenbahn 30 Jahre ICE: Jüngstes Familien 20 Aus dem Verband 23 Aktuell 30 Zu guter Letzt mitglied ist ein echtes Riesenbaby. 12 Aktuell Mobilitätsbudget: Statt im Dienst- ÖPNV-Projekte: Klimaschutz Wie Karikaturist Heiko Sakurai Startsignal für den digitalen wagen multimodal unterwegs und Daseinsvorsorge werden die Mobilitätswende sieht. 6 Titelstory Rangierbetrieb höher bewertet. Im Netzwerk mehr Güter auf die 21 Industrie inside Schiene bringen 14 Gastbeitrag Innovationsschub für 24 Hintergrund VDV Das Magazin Andreas Scheuer: Die Reise in die Schiene Autonomes Fahren nimmt auch online unter: ein neues und erfolgreiches Ei- einen neuen Anlauf. www.vdv-dasmagazin.de senbahnzeitalter hat begonnen. 2 03 | 2021 03 | 2021 3
VDV IM BILD 30 Jahre ICE: Jüngstes Familienmitglied ist ein echtes Riesenbaby Wenn die Deutsche Bahn eine Taufe und den 30. Geburts- tag des ICE feiert, ist das einen hohen Besuch wert. Und so kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) im Juni als Pate in den Berliner Hauptbahnhof. Im Beisein von Bahnchef Dr. Richard Lutz verlieh Steinmeier einem neuen Mitglied der ICE-Familie den Namen „Bundes- republik Deutschland“. Als „Wahrzeichen Deutschlands“ und „Idee der Zukunft“ würdigte Steinmeier den Hochge- schwindigkeitszug: „Wenn heute debattiert wird, wie wir den CO2-Ausstoß des Verkehrs senken können, dann ist eine der Antworten mit dem ICE schon seit 30 Jahren verfügbar.“ Der Täufling ist ein echtes Riesenbaby: „Bundesrepublik Deutschland“ besteht aus 13 Teilen und ist ein „XXL“-ICE 4 (kl. Foto). Auf 374 Metern Länge bietet er 918 Sitzplätze – so viele wie kein anderer ICE zuvor. Damit kann der Zug etwa fünfmal so viele Passagiere aufnehmen wie ein typisches Mittelstreckenflugzeug. Vor 30 Jahren war es der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der symbolisch das Signal für den Hochgeschwindigkeitsverkehr in Deutschland auf Grün stellte. Wenige Tage später, am 2. Juni 1991, begann der Regelbetrieb und damit ein neues Eisenbahnzeitalter. Aktuell besteht die ICE-Flotte aus 330 Zügen, bis 2026 soll sie auf 421, langfristig sogar auf rund 600 Fahrzeuge anwachsen. Herzlichen Glückwunsch, ICE – zum runden Geburtstag und zur wachsenden Familie! 4 03 | 2021 03 | 2021 5
TITELSTORY Wir halten es für realistisch, dass wir die 25 Prozent Marktanteil in jedem Fall erreichen können - aber man kann ja auch immer mehr wollen. Enak Ferlemann, Parl. Staatsekretär im Bundesministerium Im Netzwerk für Verkehr und digitale Infrastruktur und Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr mehr Güter auf die Schiene bringen Vom derzeit kräftigen politischen Rückenwind für die Schiene kann auch der Güterverkehr profitieren. Die höher gesteckten Ziele beim Klimaschutz sind allerdings nur zu erreichen, wenn spürbar mehr Transporte vom Lkw auf die Eisenbahn verlagert werden. Dabei wollen die Unternehmen enger zusammen- arbeiten. Das soll Güterbahnen, Speditionen und Kunden zugutekommen und nicht zuletzt das Gesamtsystem Schiene stärken. W ohl selten kam die bekannte Botschaft rasanter daher. „Güter gehören auf die Schiene“, formulierte es die Moderatorin äußerst allein es fehlte der Glaube – und wegen der billi- geren Konkurrenz auf der Straße vor allem auch die Umsetzung. Bislang jedenfalls. Denn so güns- bündig: „Das ist gut fürs Klima, das ist gut für tig wie 2021, im europäischen Jahr der Schiene, die Wirtschaft, und das ist auch gut für Sie!“ Als war die politische Ausgangslage, Verkehre zu Gameshow mit dem Güterzug inszenierte DB Cargo verlagern, lange nicht. Die ersten Vorhaben des einen 50-sekündigen Werbespot für den umwelt- Masterplans Schienengüterverkehr beginnen freundlichen Schienengüterverkehr. Anders als an zu wirken. Zudem legen Konsumgüterhersteller, der Schranke ließ der eigentliche Hauptdarsteller Handelsketten, Großversender und Paketdienst- nicht lange auf sich warten – und rauschte kräftig leister ein wachsendes Bewusstsein für das Klima hupend durchs Bild. Auf den Tragwagen: Container, an den Tag. Die Schiene habe sich „vom notwen- die mit den Namen von Marken beschriftet waren, digen Muss zu einem Prestige-Verkehrsträger die auf nachhaltige Transportketten setzen. Ein entwickelt“, sagte Axel Plaß, Präsident des DSLV Millionenpublikum, das auf die 20-Uhr-Ausgabe Bundesverband Spedition und Logistik bei den der „Tagesschau“ wartete, sah dabei zu. gemeinsam mit dem VDV per Videokonferenz Gehört wird die Botschaft seit Jahrzehnten wohl, ausgerichteten „Siegburger Gesprächen“. Auf Vom Stellwerk aus wird der Betrieb im Rangierbahnhof kontrolliert - wie hier in Hamburg-Maschen. 6 03 | 2021 03 | 2021 7
TITELSTORY dele. „Die Anfor- kehrs. Dieser Form des Gütertransports will auch ein derungen an die neugegründetes Netzwerk aus Bahnunternehmen Politik, die Ver- kurzfristig zu neuem Schub verhelfen. Im Einzelwa- kehrswende zu genverkehr (siehe Infokasten Seite 8) werden Wag- „DER EINZELWAGENVERKEHR IST DAS vollziehen, haben gons bei Verladern abgeholt, in Rangierbahnhöfen zu FUNDAMENT FÜR DIE LIEFERKETTEN“ sich drastisch er- langen Zügen zusammengestellt und in der Zielregion höht“, erläutert wieder aufgeteilt – ein personal- und zeitaufwendiges Pro Tag verkehren 2.100 Züge mit Einzelwagen. Das entlastet die Straßen Henke. Um zusätz- Verfahren, das Optimierungspotenzial hat. Dieses täglich um 20.000 Lkw-Fahrten. Dabei vermeidet der Weg über die liche Verkehre fahren Schiene im Vergleich zum Lkw 80 Prozent der CO2-Emissionen – pro zu können, sind jedoch Jahr sind das 1,5 Millionen Tonnen weniger als beim Lkw-Transport. deutlich mehr Kapazitä- Insgesamt entfallen 15 Prozent des Schienengüterverkehrs auf den ten im Netz erforderlich. GÜTERBAHNEN SCHLIESSEN SICH ZU Einzelwagen. Er spielt für die Wettbewerbsfähigkeit vieler Industrie- zweige – wie der Chemie-, Stahl-, Recycling- und Autoindustrie – eine Im Modellfahrplan für das KOOPERATIONSBÜNDNIS ZUSAMMEN tragende Rolle. Allein die Stahlindustrie wickelt gut die Hälfte ihrer Jahr 2030 – dem Deutsch- Transporte über die Schiene ab. „Damit ist der Einzelwagenverkehr landtakt – sind die entspre- Die Güterbahntochter der Deutschen Bahn – DB Cargo – und elf nichtbundes- das Fundament für die Lieferketten deutscher Fertigungsbetriebe“, chenden Trassen für die Güterzüge eigene Eisenbahnen haben das „Netzwerk Zukunft Einzelwagenverkehr“ ins erläutert Dr. Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende von DB Cargo. Hinzu und Gelegenheitsverkehre reserviert. Leben gerufen, um im Verkehr mit Einzelwagen und Wagengruppen intensiver kommt der Systemnutzen für den gesamten Schienengüterverkehr: Nicht nur mit Großprojekten, sondern zusammenzuarbeiten. Zwischenzeitlich ist das Netzwerk auf 23 Güterbahnen und Denn für viele Unternehmen vor allem aus dem Mittelstand bedeutet zwei Unterstützer angewachsen (Stand: Ende Juni). Die beteiligten Partner wollen Per Funk steuert eine Lokrangier- auch mit einer Fülle kleiner und mittlerer der Einzelwagenverkehr den Zugang zum System Schiene. den Einsatz ihrer Ressourcen und ihre Betriebskonzepte optimieren – etwa durch führerin ihre Rangierlok im bran- Ausbauvorhaben sowie mithilfe der Digitalisie- denburgischen Seddin - einem Digitalisierung. Die rechtzeitige Übermittlung von Daten soll Bedienfahrten rung und der weiteren Elektrifizierung soll das Netz transparenter machen und die Abrechnung zwischen den Partnern – derzeit ein der wichtigsten Rangierbahnhöfe dafür ertüchtigt werden. in hohem Maße manueller Prozess – erleichtern. Zudem ist es das Ziel, durchgän- Deutschlands. gig einheitliche Qualitätsstandards bis zur „letzten Meile“ und Transparenz bei Voraussetzung für das weitere Wachstum des Schie- den Kundenanforderungen zu schaffen. Eingeführt werden soll ein eigenständiges nengüterverkehrs ist neben der europaweiten Ein- Marketing für den Einzelwagenverkehr. Die beteiligten Partner ermöglichen ihren Internetseiten machen zahlreiche Unterneh- zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten soll“, sagt führung der Digitalen Automatischen Kupplung sich wechselseitig den Einkauf von Transportleistungen. Ferner ist geplant, eine men, so Plaß, darauf aufmerksam, dass sie als Beitrag Joachim Berends, VDV-Vizepräsident für den Bereich (DAK) vor allem der Ausbau des Einzelwagenver- Übersicht über die klassischen und multimodalen Verlademöglichkeiten im zum Klimaschutz die Eisenbahn nutzen. Schienengüterverkehr und Chef der Bentheimer Ei- Einzelwagenverkehr senbahn. zu veröffentlichen. Um neue Zugangspunkte Unterdessen hat der Schienengüterverkehr in zum System Schiene der Pandemie die Lieferketten in Deutsch- Derzeit bekommt die Schiene starken politischen zu schaffen, soll die land und ganz Europa aufrechterhalten Rückenwind. In den nächsten Jahren werden Re- Gleisanschlussförderung – und damit seine Leistungsfähigkeit kordsummen in den Neu- und Ausbau des Netzes in der verladenden und die Systemrelevanz der Ei- investiert. Erstmalig fließt im kommenden Jahr mehr Wirtschaft beworben senbahnen unter Beweis gestellt. Geld in die Schieneninfrastruktur als in die Straße. werden. Die zwölf Im ersten Quartal 2021 produ- Davon profitiert auch der Güterverkehr. „Wir halten Bevor ein fertiggestellter Gründungsmitglieder zierte die Industrie wieder es für realistisch, dass wir die 25 Prozent in jedem Fall Güterzug den Rangier- des Netzwerkes sind die auf Rekordniveau, und auch erreichen können – aber man kann ja auch immer mehr bahnhof verlässt, über- Albtal-Verkehrs-Gesell- prüft der Wagenmeister schaft, die Bentheimer das Transportaufkommen wollen“, verdeutlicht BMVI-Staatssekretär Enak Fer- die einzelnen Waggons. Eisenbahn, Chemion, im Schienengüterverkehr lemann mit Blick auf den angepeilten Marktanteil DB Cargo, Duisport Rail, Flex Bahndienstleistungen, die Kreisbahn Sie- bewegte sich wieder auf des Schienengüterverkehrs im Jahr 2030: „Insofern gen-Wittgenstein, die Mindener Kreisbahnen, Rheincargo, der Rheinhafen das Vorkrisenniveau zu. haben wir die 30 Prozent gleich mit einkalkuliert.“ Krefeld, die SWEG Südwestdeutsche Landesverkehrs-AG sowie die West- „Mittelfristig werden die Diese Marke hält auch Dr. Martin Henke, VDV-Ge- fälische Landes-Eisenbahn. Das Netzwerk ist offen für weitere Partner. Güterbahnen aber weiter schäftsführer Eisenbahnverkehr, für erreichbar, auch www.netzwerk-einzelwagenverkehr.de stark wachsen müssen, wenn es sich bei den ursprünglich 25 Prozent, die die wenn der Verkehrsbereich Bundesregierung im Masterplan Schiene bis 2030 den gewünschten Beitrag anstrebt, bereits um ein anspruchsvolles Ziel han- 8 03 | 2021 03 | 2021 9
TITELSTORY Ablaufberg: Hier werden Einzel- wagen oder Wagengruppen auf Richtungsgleise verteilt und dort zu neuen Güterzügen zu- sammengestellt. Unser Bild zeigt eine Anlage in München-Nord. Gemeinsam mit vielen Partnern Wochen nach dem offiziellen Auftakt ist das Netz- in ganz Deutschland und Europa werk bereits auf 23 Partnerunternehmen ange- steigen die Erfolgsaussichten für wachsen. Die Koordination läuft federführend alle Beteiligten. über den VDV. Zu den Unterstützern der ersten DREI FRAGEN AN Stunde zählt auch das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), in dem sich Wettbe- Dr. Martin Henke, VDV- Christian Betchen, Geschäftsführer Eisenbahnverkehr Geschäftsführer der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein werber von DB Cargo organisiert haben, die mehrheitlich auch VDV-Mitglieder sind. „Die Kooperation von Güterbahnen kann Herr Dr. Henke, was macht Sie so zuversichtlich, dass nicht nur vorhandene Schienentransporte es bis 2030 sogar mit dem ambitionierteren Ziel von System will das „Netzwerk Zukunft Einzelwagen- stabilisieren, sie kann vor allem Lkw-Ver- 30 Prozent Marktanteil für den Schienengüterverkehr verkehr“ (siehe Infokasten Seite 9) leistungsfähiger kehre auf die Schiene verlagern“, betont Lu- klappen könnte? und für die Verlader attraktiver machen. „Gemeinsam dolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender des » Dr. Martin Henke: Während der Pandemie hat der mit vielen Partnern in ganz Deutschland und Europa NEE und Vorstand der Havelländischen Ei- Schienengüterverkehr nicht nur Resilienz bewiesen, es steigen die Erfolgsaussichten für alle Beteiligten“, er- senbahn (HVLE): „Dafür muss die Regierung haben sich auch unsere Zukunftsaussichten verbessert – unter anderem dank eines verkehrspolitischen End- läutert Christian Betchen. Er ist Geschäftsführer der allerdings auch zwingend die Subventionie- spurts der noch amtierenden Bundesregierung. Ganz Kreisbahn Siegen-Wittgenstein, die rung des Lkw zurückfahren.“ aktuell haben wir die Trassenpreisförderung bekom- mit DB Cargo und der Benthei- men. Zudem verzeichnen wir einen erheblichen Mittel- mer Eisenbahn zu den Ein längerer Atem wird dagegen benötigt, bis die zufluss bei den Investitionen. Und es gibt eine Vielzahl zwölf Gründungs- Digitalisierung des Schienengüterverkehrs ihre von starken Verbesserungen: beim Planungsrecht, bei mitgliedern der positiven Effekte zeigt: mehr Tempo, Effizienz und den Infrastrukturförderungen nicht nur bei Ersatz-, Kooperation Flexibilität für das gesamte System. Einen Zug auf sondern auch bei den Neuinvestitionen, bei der Gleis- zählt. Nur einem Güterbahnhof abzufertigen, ist derzeit noch anschlussförderung und beim Gleisanschlussrecht. Zu- wenige Handarbeit – verbunden mit zahlreichen arbeitsin- sätzlich wurde eine Anlagenpreisförderung ins Leben tensiven Schritten, die mit hohem Zeitaufwand und gerufen. Absehbar ist auch eine verbesserte Förderung entsprechenden Fixkosten verbunden sind. Von der des Kombinierten Verkehrs. Das klingt fast so, als ob die Branche wunschlos glück- lich ist. Was bleibt dann für die nächste Legislatur periode? igitalisierung und Automatisierung verspricht sich D » Natürlich haben wir noch eine ziemlich lange die Branche eine Revolution. Dafür müssen europa- Wunschliste. Insbesondere gefällt uns nicht, dass die weit etwa 450.000 Waggons mit der DAK ausgerüstet Gebühren für das Eisenbahnbundesamt erheblich er- werden. Wie die Güterzüge der Zukunft weitgehend höht werden sollen. automatisiert abgefertigt werden, erprobt DB Cargo demnächst auf dem ersten digitalen Rangierbahn- Welchen Beitrag leisten der VDV und die Branche, den hof in München-Nord – gefördert durch das Bun- Schienengüterverkehr nach vorne zu bringen? desprogramm „Zukunft Schienengüterverkehr“ des » Wir versuchen, die derzeit positiven Entwicklungen mit eigenen Aktivitäten zu begleiten, wie im digitalen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infra- Bereich mit dem Rail Freight Data Hub – einer ge- struktur (BMVI) (siehe Beitrag Seite 12/13). meinsamen Datenplattform für Güterbahnen. Darüber hinaus wollen wir die Zusammenarbeit der Unterneh- men stärken. Dazu dient auch das „Netzwerk Zukunft Einzelwagenverkehr“. Denn wir sind nicht nur daran interessiert, den Kombinierten Verkehr voranzubrin- VDV RUFT AUSTAUSCHPLATTFORM gen, bei dem Güter etwa zwischen der Straße und der ZU FÖRDERREGULARIEN INS LEBEN Schiene umgeschlagen werden. Wir wollen auch ein Die Digitale Automatische Angebot schaffen für die Transportgrößen unterhalb Für die Eisenbahnen mit Güterverkehr gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher eines Ganzzuges, die immer mehr dominieren. Wenn Kupplung (DAK, l.) wird den Förderregularien – zum Beispiel für Gleisanschlüsse oder den Kombinierten die Speditionen so etwas bündeln können, sollte das Schienengüterverkehr revoluti- onieren. Derzeit ist viel zeitauf- Verkehr. Um den Unternehmen Hilfestellung zu geben und Praktikerinnen und auch den Eisenbahnunternehmen untereinander ge- wendige Handarbeit gefordert Praktikern eine Möglichkeit zum Austausch zu bieten, hat der VDV auf Mitglie- lingen – etwa in Zusammenarbeit mit den Speditionen. - wie bei der Bremsprüfung (r.). derwunsch ein neues Veranstaltungsformat ins Leben gerufen. Die Plattform Dieses Netzwerk beginnt bereits zu wachsen. „Förderregularien Schienengüterverkehr“ traf sich Mitte Juni erstmals digital. 10 03 | 2021 03 | 2021 11
AKTUELL schickt, erklären Nikutta und Scheuer, Sie liefert hochauflösende Bilder, aus Startsignal für den wie sie den Einzelwagenverkehr aus denen Rangierer am Monitor erken- der Rolle des verlustbringenden Sor- nen können, ob die Waggons intakt genkinds der Deutschen Bahn bringen sind. Der Rangierer muss nicht mehr wollen. „Prozessgeschwindigkeit erhö- am Zug rauf- und runterlaufen. Auch digitalen Rangierbetrieb hen, heißt: mehr Züge im Rangierbahn- dies, einschließlich des Erkennens hof, heißt: mehr Güter auf die Schiene“, von Schäden, wird künftig künstli- bringt es Sigrid Nikutta auf eine einfa- che Intelligenz übernehmen. Digitali- che Formel. Die Kapazität einer solchen siert werden auch die automatischen „Kurzpraktikum“ im Rangierbahnhof München- Gleisanlage wie München-Nord könne Bremsen im Gleis und die Weichen. Nord: Nuri Eryilmaz (M. und unten) zeigte um 40 Prozent gesteigert werden, was Schließlich wird auch noch die vorge- DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta (l.) und Bundes- verkehrsminister Andreas Scheuer (r.), worauf es beim Rangieren ankommt. Steuerzentrale Strom- und Datenleitung Digitale Automatische Kupplung (DAK) Vollautomatische Kamerabrücke Gleisbremse Automatisierte Abdrücklokomotive Weichen Nuri Eryilmaz die Arbeit, sondern bie- Automatisierte Bremsprobe tet auch durchgehend Strom und einen Datenbus, also eine Datenübertragung, EINFAHRGRUPPE ABLAUFBERG RICHTUNGSGRUPPE im ganzen Zug. Die geschätzten Kosten von europaweit sechs bis acht Milliar- den Euro für rund 450.000 Waggons gerade in München wichtig wird. Hier schriebene Bremsprobe automatisiert. und 17.000 Lokomotiven verhinder- Rangierer bei der Eisenbahn machen seit fast zwei Jahrhunderten einen anspruchs- kreuzen sich die Ost-West-Magis- All das soll schrittweise bis 2023/24 ten bisher die Einführung, obwohl vollen Job mit hoher Verantwortung: Gekuppelt wird per Hand bei jedem Wetter. trale von Paris nach Bratislava und der Wirklichkeit werden. Andreas Scheu- das Einsparpotenzial mit jährlich 600 Korridor von Nord- und Ostsee über ers Ministerium fördert den Prozess bis 700 Millionen Euro beziffert wird. Unter anderem deshalb dauert es zu lange, um dem Güterzug Chancen im Wettbewerb mit (und ab 2032 durch) den Brenner nach mit 14,5 Millionen Euro; die Bahn selbst Auch hier bewegt sich laut Bundes- dem Lkw zu eröffnen. Deutsche Bahn und Bundesregierung wollen daher Ablaufberge und Südeuropa. investiert zwölf Millionen. Sigrid Ni- verkehrsminister Scheuer etwas. So Gleisfelder digitalisieren. Am Anfang steht der Rangierbahnhof München-Nord als Testfeld. Die Waggons rollen den Berg herun- kutta versicherte, dass die Digitali- soll noch in diesem Jahr ein „Demons- ter in Richtungsgleise, wo sie sich mit sierung unter dem Strich keine Stellen tratorzug“ mit Prototypen verschiede- anderen zu neuen Kombinationen und koste, sondern sogar neue schaffe. Das ner Hersteller losfahren. Die Deutsche N uri Eryilmaz bückt sich und kriecht zwischen die Puffer zweier Gü- terwagen. Mit reichlich Kraft löst er die zudem immer dem Wetter ausgesetzt: Bei plus 30 oder minus 20 Grad, bei Schnee und Regen. Nuri Eryilmaz arbeitet im ein DB-Cargo-Sprecher. „Die Lok hat schon ein Auge.“ Sprich: Viele Sensoren und eine Kamera, die die Umgebung in verschiedenen Zielen formieren. Schon im Sommer passieren sie noch vor der ersten Weiche eine Kamerabrücke. Wichtigste dauert aber länger: die Digi- tale Automatische Kupplung (DAK). Sie erleichtert nicht nur Rangierern wie Bahn und der Minister hoffen, dass die ersten DAK-Züge 2028 fahren. Es wäre ein wichtiger Schritt, den Marktanteil Druckluftschläuche und schraubt die Rangierbahnhof München-Nord. Ran- digitale Steuersignale an die Maschine der Schiene im Güterverkehr von jetzt 20 Kilo schweren Kupplungsteile gierer wie er müssen außer dem Kuppeln umsetzen können. DB-Cargo-Che- knapp 18 auf 25, wie es der Masterplan auseinander. Pro Zug bis zu 50 und Entkuppeln den Zug mehrmals in fin Dr. Sigrid Nikutta hat im Juni kurz Schiene der Bundesregierung vor- Mal. „Pro Schicht ist das auf jeden ganzer Länge ablaufen, um ihn auf ord- Eryilmaz‘ Job übernommen, zusammen sieht, oder besser auf das EU-Ziel von Fall im dreistelligen Bereich“, nungsgemäßen Zustand zu kontrollieren mit Bundesverkehrsminister Andreas 30 Prozent bis 2030 zu steigern. Bis sagt er. Es ist nicht nur ein kör- und die Bremsen zu prüfen. Das dauert. Scheuer. Beide ächzten hörbar unter dahin will DB Cargo 30 Millionen perlich harter Job. Eryilmaz ist Wenn er alle Waggons getrennt hat, gibt dem Gewicht der Kupplung. Aber sie Lkw-Fahrten ersetzen und zehn Mil- die Rangierlok am Zugende Gas. demonstrierten damit ihren Willen, lionen Tonnen CO2 einsparen. Prozessgeschwindigkeit erhöhen, Obwohl sie rund 50 Jahre alt ist, be- den Rangierbahnhof München-Nord heißt: mehr Züge im Rangierbahnhof, ginnt bei ihr das digitale Zeitalter. Sie zum ersten digitalen Güterbahnhof in heißt: mehr Güter auf die Schiene. schiebt schon weitgehend automatisch Deutschland zu machen. Künftig durchfahren Güterzüge eine Kamera die Wagenkolonne den Ablaufberg hi- Während die Lok Waggon für Waggon brücke, die von allen Seiten Bilder der ein- nauf. „Bald wird sie autonom“, sagt einzeln oder in Gruppen über den Berg zelnen Wagen aufnimmt. So können Schäden Dr. Sigrid Nikutta, DB-Vorstand für Güterverkehr automatisiert erkannt und gemeldet werden. 12 03 | 2021 03 | 2021 13
GASTBEITRAG EuropExpress 2.0. Damit werden eu- dafür ist unser Masterplan Schienen- in Höhe von bis zu sieben Milliarden Die Reise in ein neues und ropaweite, direkte Hochgeschwindig- keits- und Nachtverkehre möglich. Im güterverkehr. Eine der darin enthalte- nen Maßnahmen ist das Absenken der Euro. Da dem Bund ein funktionie- render ÖPNV wichtig ist, haben wir erfolgreiches Eisenbahnzeitalter Mai haben zahlreiche EU-Staaten ihre Unterstützung fest zugesagt. Trassenentgelte: Seit 2018 investieren wir hierfür Mittel des Bundes. In die- die Regionalisierungsmittel bereits im vergangenen Jahr um 2,5 Milliarden hat begonnen Was Taktverkehre brauchen, ist eine sem und nächstem Jahr entlasten wir die Eisenbahnverkehrsunternehmen Euro aufgestockt. Und wir sind noch- mals bereit, sie um eine weitere Milli- Doppelt so viele Fahrgäste bis 2030, mindestens 25 Prozent Marktanteil leistungsstarke, moderne Infrastruk- bereits jeweils um 350 Millionen Euro. arde Euro zu erhöhen. Damit erhalten tur. Damit sie schneller gebaut werden Für den Ausgleich der wirtschaftlichen wir einen leistungsfähigen ÖPNV. Jetzt im Güterverkehr: Die Ziele für die Schiene sind anspruchsvoll. kann, haben wir gleich vier Beschleu- Schäden aus der Pandemie entwickeln geht es darum, das Vertrauen wieder zu Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (MdB) erläutert in nigungsgesetze auf den Weg gebracht wir derzeit zusätzlich ein Programm. steigern und Fahrgäste zurückzuge- seinem Gastbeitrag für „VDV Das Magazin“ die Eisenbahnpolitik. und Verfahren vereinfacht. Das Wich- Damit wollen wir die Trassenentgelte winnen. Die Kampagne #BesserWeiter tigste ist aber: Wir investieren auf Re- im Fern- und Güterverkehr zumindest von Bund, Ländern und öffentlichen kordniveau. 86 Milliarden Euro stehen für die Zeit zwischen März 2020 und Verkehrsunternehmen wird dabei hel- bis Ende 2029 für das Er- Dezember 2021 zu 98 Prozent fördern. fen. halten und Modernisie- ren des Bestandsnetzes Wir helfen, damit der Schienensektor Klar ist: Ein gut genutzter ÖPNV ist ein bereit. Aus dem Klima- so gut wie möglich durch die schwie- Baustein zum Erreichen unserer Kli- schutzprogramm 2030 rige Phase der Pandemie kommt. Ein maziele. Bei der Verabschiedung des gibt es elf Milliarden Euro Schwerpunkt ist dabei auch der ÖPNV. novellierten Klimaschutzgesetzes im zusätzlich. Eine Milliarde Er ist das Rückgrat eines nachhaltigen Kabinett habe ich deshalb deutlich ge- Euro jährlich können die Verkehrssystems und gehört zu den macht, dass wir den Ausbau des ÖPNV Länder und Kommunen Mobilitätsgaranten in der Pandemie. weiter beschleunigen und noch mehr in als GVFG-Finanzhilfe Trotz rasant sinkender Fahrgastzahlen die Infrastruktur investieren müssen. für Schienenprojekte ab- sind Bahnen und Busse weiter im vollen Es geht zudem darum, Anreize zu set- rufen. Im Jahr 2025 sind Umfang gefahren. Die Verkehrsunter- zen und mehr Menschen zum Umstieg es zwei Milliarden Euro, nehmen und ihre Mitarbeiter machen auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu die ab 2026 jedes Jahr einen großartigen Job. Aber klar ist: Die motivieren. Unser gemeinsames An- dynamisch wachsen. Zu- Einnahmeausfälle sind erheblich. Für liegen ist es, die 20er-Jahre zum Jahr- gleich legen wir bei den die Jahre 2020 und 2021 rechnet die zehnt von Schiene und Eisenbahn zu Investitionen in Schie- Branche mit finanziellen Nachteilen machen. Die Reise hat erst begonnen. nenstrecken deutlich zu: So steigen die jährlichen Mittel von jetzt 1,5 Milli- In München ist der Bau der U9 arden Euro auf zwei Mil- ein zentrales Projekt für die liarden Euro im Jahr 2023. zukünftige Kapazität des gesamten Verkehrs und für Mit diesem Geld bauen den Umstieg auf die U-Bahn. wir Gleise, modernisie- ren Bauwerke, elektri- M it dem Zug ohne Umsteigen von Paris über Berlin nach Warschau in den Urlaub fahren. Im Halbstunden- brauchen wir eine starke Schiene und eine leistungsfähige Eisenbahn. wird das Umsteigen leichter, Verbin- dungen werden verlässlicher und Rei- sezeiten oftmals deutlich kürzer. Wie fizieren Strecken, finanzieren neue Gleisanschlüsse und machen Bahn- höfe attraktiver. Zugleich treiben wir takt per ICE zum Geschäftstermin nach Deshalb haben wir uns anspruchsvolle das funktioniert, erleben Fahrgäste die Digitalisierung der Schiene weiter München, Stuttgart oder Dresden rei- Ziele gesetzt: Bis 2030 wollen wir die bereits zwischen Hamburg und Berlin, voran. Dabei geht es zum Beispiel um sen. Oder auf neuer S-Bahnstrecke von Zahl der Fahrgäste im Personenver- wo die Züge alle 30 Minuten fah- das flächendeckende Einführen di- Schleswig-Holstein nach Hamburg zur kehr verdoppeln. Zugleich soll der An- ren. Nach und nach ergänzen wir den gitaler Stellwerke und von ETCS, den Arbeit pendeln. Und das alles in komfor- teil des Güterverkehrs auf der Schiene Takt auf weiteren Strecken. Schon im neuen europäischen Standard bei der tablen, digital gut ausgestatten Zügen. auf mindestens 25 Prozent steigen. Dezember kommt er auf die Südbahn Leit- und Sicherungstechnik. Der erste Was heute vielleicht noch nach Wunsch Dafür arbeiten wir intensiv mit allen und damit nach Schwaben und an den digitalisierte Bahnknoten in Deutsch- klingt, soll bald Realität sein. Mit unserer Akteuren der Branche zusammen. Wir Bodensee. Mit unserem Ansatz tragen land wird die Metropolregion Stuttgart. neuen Eisenbahnpolitik stellen wir die investieren, modernisieren und di- wir zu einer stärkeren europäischen Digitale S-Bahn Hamburg: Im Weichen und sorgen dafür, dass Bahn- gitalisieren. Und wir setzen auf einen Vernetzung sowie einem Europatakt Digitaler, effizienter und innovati- Rahmen dieses Projekts wird fahren attraktiv und bei den Menschen abgestimmten Fahrplan für das ganze bei. Eine Grundlage dafür bildet das onskräftiger soll auch der Güterver- das automatisierte Fahren erstmalig im deutschen angesagt ist. Denn für mehr Klimaschutz Land, den Deutschlandtakt. Mit ihm von uns entwickelte Konzept Trans- kehr auf der Schiene werden. Kompass Eisenbahnverkehr umgesetzt. 14 03 | 2021 03 | 2021 15
HINTERGRUND Auto, Fahrrad, Bahn: Die Charité Research Organisation hat das Infektionsrisiko von Pendlerin- nen und Pendlern untersucht. Ergebnis: Im ÖPNV ist es nicht höher als im Individualverkehr. W Gleiches niedriges ie verhält es sich tatsächlich mit dem In- besser einzuschätzen. „Solche Studienergebnisse fektionsrisiko in Bussen und Bahnen? sind ein wichtiger Baustein, um Vertrauen und Das war die Ausgangsfrage einer unabhängigen damit Kundinnen und Kunden zurückzugewinnen“, epidemiologischen Studie, bei der die Charité erklärt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Research Organisation das konkrete Risiko von Risiko für alle Pendlerinnen und Pendlern, die den ÖPNV nutzen, „Die Studie der Charité liefert für Millionen von mit dem von Auto-, Motorrad- und Radfahrern Fahrgästen in Deutschland erstmals belastbare verglichen hat. Bei den Covid-Untersuchungen wissenschaftliche Erkenntnisse zum tatsächli- im Bereich Mobilität war dieser Ansatz bis dahin chen Infektionsrisiko bei der Nutzung von Bus- noch nicht verfolgt worden. Ergebnis: Im ÖPNV sen und Bahnen“, sagt Dr. Maike Schaefer, die als Die Inzidenzwerte sind auf niedrigem Niveau, die Impfquote steigt, der Sommer ist ist die Infektionsgefahr nicht höher als im Indi- Bremer Senatorin für Mobilität derzeit auch die da. Jetzt gilt erst recht: Wer regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel nutzt, trägt im vidualverkehr. Auch im Vergleich verschiedener Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz ist: öffentlicher Verkehrsmittel – Busse, Straßen-, „Die Ergebnisse sind eine gute Nachricht für die Vergleich zum Individualverkehr kein erhöhtes Risiko, sich mit dem Coronavirus S- und U-Bahnen – wurden keine Unterschiede Stammkunden im ÖPNV, aber auch für die vielen anzustecken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Berliner Charité Research festgestellt. Deren Nutzung gilt als gleichermaßen Fahrgäste, die in den letzten Monaten aufgrund Organisation (CRO). Damit bestätigt das renommierte Forschungsinstitut einmal sicher. Die Studie leistet damit einen weiteren Bei- eines Unbehagens auf die Nutzung von Bus und mehr Ergebnisse von national sowie international Forschenden. trag, auf Basis wissenschaftlicher Daten das Risiko, Bahn verzichtet haben.“ Gleichzeitig weist die sich im ÖPNV mit dem Coronavirus zu infizieren, Senatorin deutlich auf die Rahmenbedingun- 16 03 | 2021 03 | 2021 17
HINTERGRUND Neben dem Land im Südwesten beteiligten sich Bayern, nen und Schüler ab 16 Jahren sowie Menschen bis 65 Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Nie- untersucht. Wer den ÖPNV nutzte, verpflichtete sich, die dersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und geltenden Regeln wie das Tragen einer FFP2- oder einer das Saarland an der Finanzierung. medizinischen Maske einzuhalten. Mobilität im digitalen Tagebuch erfasst Die Ergebnisse dieser und weiterer Studien (siehe In- Für die Untersuchung wurden die Freiwilligen zufäl- fografik) kommuniziert auch die bundesweite Gemein- lig ausgewählt und annähernd gleich auf jeweils eine schaftskampagne #BesserWeiter. Getragen wird sie von Gruppe für den ÖPNV und den Individualverkehr auf- Bund, Ländern, kommunalen Spitzenverbänden und den geteilt. In der ÖPNV-Gruppe mussten die Probanden Verkehrsunternehmen. Winfried Hermann: „Die Stu- täglich zwischen 15 und 30 Minuten (einfache Fahrt) mit dienergebnisse sorgen dafür, dass die Menschen wieder Bussen und Bahnen unterwegs sein. Alle Teilnehmenden mit einem besseren Gefühl und auf einer gesicherten wurden zu Beginn und am Ende des Untersuchungszeit- Faktengrundlage in Bus und Bahn einsteigen können.“ raums mittels PCR-Test oder Antikörper-Test medizi- nisch untersucht. Um eine eventuelle Infektion in der einwöchigen Inkubationszeit nicht zu übersehen, wur- den sie danach noch einmal getestet. Zuvor hatten die Weitere Infos zu diesen und Probanden einen Monat lang ein digitales Tagebuch ge- anderen Ergebnissen unter: Abstand halten, Maske tragen, führt, in dem sie ihr Mobilitätsverhalten, ihre Kontakte, www.besserweiter.de durchlüften und eine geringere Erkältungssymptome und die Einhaltung von Hygiene- Auslastung aufgrund von regeln im ÖPNV festhielten. Dabei wurden Schülerin- Homeoffice begrenzen das Infektionsrisiko im ÖPNV. gen der Studie hin, die weiterhin gewährleistet sein rung und VDV-Vizepräsident, mit Blick auf die enormen müssen. „Abstand halten, Maske tragen, durchlüften.“ Anstrengungen der Verkehrsunternehmen. Dazu zäh- len zusätzliche Hygienemaßnahmen, die Verteilung von RMV als Nutzungsgebiet repräsentativ Masken und die Maskenpflicht, das voll vorgehaltene Die Forschenden der CRO wollten die Infektionsgefahr Angebot an Fahrten auch bei weniger Fahrgästen sowie nicht unter Laborbedingungen oder mithilfe statisti- neue Angebote, die der stärkeren Nutzung digitaler Ver- scher Berechnungen abschätzen, sondern auf den täg- triebskanäle Rechnung tragen. Das seien nur ein paar lichen Fahrten der Pendelnden zur Arbeit, Ausbildung von zahlreichen Beispielen, so Knut Ringat, „um Kun- und Schule ermitteln. Dafür hatte wissenschaftliches dinnen und Kunden in unsicheren Zeiten eine sichere und medizinisches Fachpersonal 681 Menschen im Ge- Fahrt im ÖPNV zu bieten.“ biet des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV), der die Studie aktiv unterstützt hat, seit Februar dieses Jah- Ende 2020 hatten die Bundesländer gemeinsam mit dem res fünf Wochen lang begleitet. Mit seinen etwa 2,5 VDV entschieden, diese Studie bei der Charité Research Millionen Fahrgästen pro Werktag und einer durch- Organisation in Auftrag zu geben, um in diesem Bereich schnittlichen Reiseweite von elf Kilometern gilt der eine Lücke bei den wissenschaftlichen Untersuchungen RMV als repräsentativ für die bundesweite Nutzung zu schließen. Zuvor hatten die Bundesländer im Rah- des Nahverkehrs. „Für die ÖPNV-Branche ist damit men der Verkehrsministerkonferenz beschlossen, die klar, dass sie schon Untersuchung zu fördern. Von der Ethikkommission in den ersten Tagen der Berliner Ärztekammer gab es ebenfalls ein positives Die Ergebnisse sind eine gute der Pandemie den Votum. „Wir haben nun wissenschaftliche Klarheit für Nachricht für die Stammkunden richtigen Weg ein- die Fahrgäste, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrs- im ÖPNV, aber auch für die vielen geschlagen hat“, un- mittel im Verhältnis zu anderen Verkehrsmitteln nicht Fahrgäste, die in den letzten terstreicht Prof. Knut mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko verbunden ist“, Monaten aufgrund eines Ringat, Sprecher der erklärt Winfried Hermann, Verkehrsminister des Lan- Unbehagens auf die Nutzung von RMV-Geschäftsfüh- des Baden-Württemberg, bei dem die Federführung lag. Bus und Bahn verzichtet haben. Dr. Maike Schäfer, Bremer Senatorin für Mobilität und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz 18 03 | 2021 03 | 2021 19
AUS DEM VERBAND INDUSTRIE INSIDE SWEG mietet Statt im Dienstwagen Innovationsschub Loks von Alstom multimodal unterwegs für die Schiene Sind Firmenwagen bald out? Der VDV Wie kaum ein zweites Verkehrsmittel birgt die Bahn das Potenzial zum und das VDV New Mobility Forum grünen Transportmittel der Zukunft. Wie die geplanten Investitionen der sprechen sich dafür aus, sogenannte Politik die Schiene stärken und immer mehr Menschen von attraktivem Alstom und die Südwestdeutsche Mobilitätsbudgets zu entwickeln und Bahnverkehr profitieren könnten, erklärt Dr. Jürgen Wilder (Foto), Mitglied Landesverkehrs-AG (SWEG) zu unterstützen. haben eine langfristige Zusam- des Vorstands der Knorr-Bremse AG. menarbeit geschlossen. Alstom wird für acht Jahre Loks aus sei- nem Mietpool für die SWEG be- Herr Dr. Wilder, wie schätzen Sie kann so nicht kosteneffizient reitstellen und instand halten. Die M ithilfe von appbasierten Angeboten lassen sich multimodale Mobilitätslösungen schaffen – für Beschäftigte und Unternehmen. die allgemeine Investitionsbe- reitschaft in das System Bahn ein – auch vor dem Hintergrund des sein. Es sind neue Lösungen wie der digitale Frachtzug samt Di- gitaler Automatischer Kupplung SWEG kann die Zahl der Loks im Laufe dieses Jahres schrittweise auf zunächst vier und später sechs Die Rede ist von Mobilitätsbudgets. Abgerechnet europäischen Jahres der Schiene? (DAK) und das European Train erhöhen. Alstom übernimmt am werden die Kosten über den Arbeitgeber. Mit » Dr. Jürgen Wilder: Die ange- Control System als länder- Standort Waibstadt die Wartung diesem Konzept können Unternehmen ihren kündigten Investitionen sind übergreifender Signalstandard und ermöglicht so einen Service Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Budget ein richtiger und wichtiger Schritt, um für Züge gefragt, um den modalen Shift, die im Umfeld zum Netz der SWEG. zur Verfügung stellen, dass zu den jeweiligen die Bahn zum attraktiven Verkehrsmit- Verkehrsverlagerung auf die Schiene, zu Wünschen passt. „Statt sich auf ein Verkehrs- tel der Zukunft zu machen, das Menschen ermöglichen. mittel wie beispielsweise den Dienstwagen fest- und Güter nachhaltig und wirtschaftlich zulegen, erhalten die Mitarbeitenden ein Budget bewegt. Nur durch Investitionen in Infra- Welche weiteren Bereiche des Systems 550 Kilometer für verschiedene Mobilitätsangebote“, erklärt struktur und digitale Technologien wird der Schiene werden von dem zu erwartenden VDV-Vizepräsident Prof. Knut Ringat: „Dazu Mobilitätssektor seinen Beitrag zur Errei- Innovationsschub profitieren? ohne Ladestopp zählen beispielweise das Jobticket für den ÖPNV chung der Klimaziele leisten können. Das » Neben digitalen Lösungen für die zu- und Guthaben für Sharing-Angebote aller Art.“ Jahr der Schiene ist eine bedeutende Initi- standsbasierte Wartung werden Techno- Ob ÖPNV, Fernverkehr, Fahrrad, Auto oder Taxi ative, um die Bahn als systemrelevanten – logien zur schrittweisen Umsetzung eines – die Planung, Buchung und Verwaltung aller und grünen – Verkehrsträger weiter in das automatisierten Zugbetriebs von Bedeutung Fahrten erfolgt aus einer Hand über eine einzige öffentliche Bewusstsein zu rücken. sein. Dazu zählt unser Entwicklungsprojekt App. „Diese Form der multimodalen Mobilität „Reproduzierbarer Bremsweg“, das es pers- entspricht inzwischen auch dem alltäglichen Mo- Welche Rolle spielt dabei die Modernisie- pektivisch ermöglichen wird, Zugabstände bilitätsverhalten der Menschen“, ergänzt Ringat. rung des Schienengüterverkehrs? zu reduzieren und Transportkapazitäten zu » Um die EU klimaneutral zu machen, muss erhöhen. Gerade in Ballungsräumen werden Welche Geschäftsmodelle, Ideen und Projekte Zukunft nochmals verschärften Klimaschutzziele bis 2030 zu er- das Frachtwesen transformiert werden. so bis zu 20 Prozent mehr Züge auf beste- haben, welche Rolle die Novelle des Personenbeförde- reichen, müssen wir gerade im Verkehrssektor erhebliche Noch heute werden Güterzüge vorwiegend henden Gleisen unterwegs sein können. rungsgesetzes (PBefG) spielt und wie der Entwicklungs- Anstrengungen unternehmen.“ Ein entscheidender Hebel manuell gekuppelt – so wie vor 100 Jahren. Wir sehen: Innovative Technik schafft ein 550 Kilometer ist der MAN Lion‘s stand bei den Mobilitätsplattformen ist, war Thema auf sei dabei die Verlagerung von Mobilität auf umwelt- und Der paneuropäische Schienengüterverkehr Mehr an Mobilität für Menschen. City E auf einer ÖPNV-Route dem digitalen VDV-Symposium zur Multimodalität. Die klimafreundliche Verkehrsmittel. Die könne erreicht unter realistischen Bedingun- Ausgestaltung der multimodalen Mobilität sollte sich an werden durch ein gutes, integriertes Angebot mit Bus und gen durch München gefahren den Vorgaben einer modernen Verkehrspolitik orientie- Bahn, das um multimodale Verkehre ergänzt wird. – mit nur einer Batterieladung. ren: Die Reduzierung von Schadstoffemissionen sowie des „Wir freuen uns sehr über dieses Flächen- und Ressourcenverbrauchs sollte dabei ebenso großartige Ergebnis“, sagt Rudi im Vordergrund stehen wie die nachhaltige Entwicklung Weitere Infos unter Kuchta, Leiter der Bussparte bei www.vdv.de/new-mobility-forum von Stadt und Land, so Knut Ringat: „Um die von der EU MAN Truck & Bus und Vorsitzen- der des VDV-Industrieforums: „Schließlich zeigt es deutlich, wie alltagstauglich die E-Mobi- lität schon heute ist.“ Exakt 24 Entwicklungsprojekt „Reproduzierbarer Bremsweg“: Knorr-Bremse integriert in die Bremsarchitektur Stunden lang drehte der vollelek- einen neuen Gleitschutz, eine innovative Verzögerungsregelung sowie ein über die gesamte Zuglänge trische Stadtbus seine Runden, ausgelegtes intelligentes Sandungssystem. begleitet von einem Journalisten und Experten des TÜV Süd. 20 03 | 2021 03 | 2021 21
AKTUELL ÖPNV-Rettungsschirm sichert den Nahverkehr auch 2021 Standardisierte Bewertung: Klimaschutz und Daseinsvorsorge spielen wichtigere Rolle Kurz vor Ende der Legislaturperiode kommt Bewegung schutz oder bei der Barrierefreiheit.“ Genau deshalb werde in ein weiteres verkehrspolitisches Thema, für das sich eine Anpassung der Standardisierten Bewertung benötigt, Bundestag und Bundesrat haben den zweiten ÖPNV-Rettungsschirm der VDV seit langer Zeit einsetzt: die Standardisierte Be- um schneller und mehr Aus- und Neubauprojekte sowie wertung von Verkehrswegeinvestitionen im schienen- Modernisierungsmaßnahmen von Infrastrukturen im auf den Weg gebracht. Damit ist das bundesweite Nahverkehrsangebot gebundenen öffentlichen Personennahverkehr, so der Sinne der Mobilitätswende umsetzen zu können. für 2021 gesichert. Eine Milliarde Euro zusätzlich kommt vom Bund. vollständige Name. Bei diesem Verfahren wird ermit- telt, ob Infrastrukturprojekte im Schienennahverkehr, Um Bauprojekte zu realisieren, die für die Mobilitäts- D ie von Bundestag und Bundesrat beschlossene Verlängerung des ÖPNV-Rettungsschirms sichert das – 3,3 Milliarden für 2020 und rund 3,6 Milliarden Euro für das laufende Jahr (Stand: Mai). Bund und Länder haben cher Fahrgastrückgänge möglichst uneingeschränkt aufrechtzuerhalten. So können sich alle Fahrgäste, die auf die nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gefördert werden, volkswirtschaftlich sinnvoll sind. In einem Schreiben an seine Länderkolleginnen wende eine hohe Bedeutung haben, soll das Verfahren künftig in vier Grundsätzen geändert werden – darunter auch die volkswirtschaftliche Nutzen-Kosten-Berech- bundesweite Nahverkehrsangebot vereinbart, diese Verluste jeweils zur Bus und Bahn angewiesen sind, auch und -kollegen teilte Bundesverkehrsminister Andreas nung. Dabei soll der Schaden, der durch die CO2- und für das laufende Jahr. Auch für 2021 Hälfte auszugleichen. Im vergangenen weiterhin auf einen funktionieren- Scheuer die Grundzüge einer Reform der Standardisier- Stickoxid-Emissionen des Autoverkehrs verursacht beteiligt sich der Bund mit einer wei- Jahr handelte der Bund konsequent den ÖPNV verlassen. „Dies haben wir ten Bewertung mit. Künftig werden „neben den quantifi- wird, höher gewichtet werden. Zudem soll es eine teren Milliarde an der Fortführung des und stellte schnell 2,5 Milliarden Euro seit März letzten Jahres mit hohem zierbaren verkehrlichen Wirkungen auch Umwelt- und Nutzwertanalyse geben, durch die „nicht monetarisier- ÖPNV-Rettungsschirms. „Das ist nicht im Rahmen der Coronahilfen zur Ver- Engagement in den Verkehrsunter- Klimawirkungen sowie übergeordnete politische Ziel- bare Nutzenkomponenten aus den Bereichen Nachhal- nur für die infolge der Corona-Pande- fügung – und glich damit den Groß- nehmen bundesweit umgesetzt, um setzungen adäquat Berücksichtigung finden“, heißt es tigkeit im Verkehr, Daseinsvorsorge oder Klimaschutz mie wirtschaftlich schwierige Situation teil der Verluste in 2020 aus. Nun unseren Teil zur Krisenbewältigung darin. Bauvorhaben können bislang vom Bund nur mit angemessen Berücksichtigung finden“, heißt es in dem der Verkehrsunternehmen existenziell, stellt der Bund erneut eine Milliarde beizutragen“, betont Ingo Wortmann: GVFG-Mitteln gefördert werden, wenn die Standardi- Schreiben aus dem BMVI. Nicht mehr negativ ange- sondern auch für das Erreichen der zusätzlich bereit. In diesem Jahr sind „Der dadurch entstandene wirtschaft- sierte Bewertung einen Wert über 1 ermittelt. Das heißt: rechnet werden sollen auch die Kosten für die barrie- Klimaschutzziele im Verkehrssektor die Länder in der Verantwortung, den liche Schaden wird nun durch die Fort- Der Nutzen muss das 1,X-fache der Kosten betragen. refreie Gestaltung von Stationen und Haltestellen. „Die wichtig“, erklärt VDV-Präsident Ingo größeren Anteil der Mittel bereitzu- führung des ÖPNV-Rettungsschirms Dann ist ein Vorhaben nützlich. nun vorliegende Überarbeitung des Bundesverkehrs- Wortmann: „Die Branche ist sich der stellen. „Mit dem nun gefassten Be- auch für 2021 weitestgehend ausge- ministeriums findet unsere volle Unterstützung“, so Verantwortung, die daraus erwächst, schluss zum ÖPNV-Rettungsschirm glichen.“ Der VDV, Vertreter der Länder und Teile der Politik kriti- VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Viele Vorschläge, die bewusst und wird alles daransetzen, 2021 übernehmen Bund und Länder sieren, dass das bisherige Verfahren den klimapolitischen wir als Branchen- und Fachverband eingebracht haben, die verloren gegangenen Fahrgäste erneut gleichermaßen die Verant- Der VDV geht davon aus, dass Busse Nutzen von Neu- und Ausbauprojekten nicht ausrei- finden sich dort wieder.“ schnellstmöglich wieder zurück- sowie wortung für den Ausgleich der Co- und Bahnen sich nach der Pandemie chend berücksichtige. „Die Standardisierte Bewertung neue Kunden hinzuzugewinnen.“ ronaverluste unserer Branche“, so erst mit einer gewissen Verzögerung ist ein zentrales Instrument, um Baumaßnahmen im Ende 2021 soll die neue Standardisierte Bewertung Ingo Wortmann. ihren hohen Fahrgastzahlen aus der ÖPNV bezüglich ihrer Förderfähigkeit zu prüfen“, sagt kommen. Derzeit läuft ein Forschungsvorhaben, das das Die pandemiebedingten Einnahme- Zeit vor Corona nähern werden – VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Aber die dort zugrunde Verfahren und die Bewertungsansätze fachlich herleitet. verluste der Verkehrsunternehmen Die Politik hatte die Verkehrsunter- unter anderem, weil sich das Arbeits- liegenden Kriterien sind zum Teil 40 Jahre alt und ent- Nach Abschluss soll die neue Verfahrensanleitung für belaufen sich nach Berechnungen des nehmen aufgefordert, ihre Angebote und Einkaufsverhalten der Menschen sprechen daher nicht mehr den heutigen Anforderungen die Bewertung von GVFG-Vorhaben bekannt gegeben VDV auf etwa sieben Milliarden Euro während der Pandemie trotz deutli- geändert hat. und gesamtgesellschaftlichen Zielen, etwa beim Klima- und in Kraft gesetzt werden. 22 03 | 2021 03 | 2021 23
HINTERGRUND bote zu integrieren. Führend sind die Bahnen der Stadt Meile erweitern können.“ Also: Autonomes Fahren als Autonomes Fahren Monheim (BSM), die den weltweit ersten Linienbetrieb auf die Straße gebracht haben (siehe Beitrag ab Seite 26). „Selbstfahrende, flexible Linien- und Pendelbusse Zubringer zur nächsten, wenige hundert Meter ent- fernten Haltestelle und somit als direkter Konkurrent zum eigenen Auto vor der Haustür. Weitere Einsatz- nimmt einen neuen Anlauf sind eine große Chance für den Ausbau des klima- möglichkeiten bestehen im Schienenverkehr mit Stra- freundlichen ÖPNV-Angebots gerade da, wo es heute ßen-, S- und U-Bahnen sowie auf Betriebshöfen, wo noch stärker sein könnte: in Stadtrandlagen oder im beispielsweise E-Busse selbstständig ihren Weg zu den ländlichen Raum“, erklärt Ingo Wortmann. Die Auto- Ladestationen finden. matisierung bringt eine Entlastung bei den Kosten mit Es war zuletzt etwas ruhiger geworden um das Thema. Doch mit dem neuen Ge- sich – das kann innovative Geschäftsmodelle attrak- „Wir bemerken einen neuen Aufbruch“, fasste Mode- setz zum Autonomen Fahren kehrt die Dynamik in den Zukunftsmarkt zurück. tiver machen und neuen Linienbedarfsverkehren zum rator Dr. Till Ackermann den VDV-Zukunftskongress Hersteller und Verkehrsunternehmen haben nun Rechtssicherheit und wollen Durchbruch verhelfen. „Wir sind als Branche gefordert, zusammen: „Wir kommen möglicherweise schneller jetzt zügig zur Umsetzung zu kommen“, sagte Emanu- zum fahrerlosen Fahren, als es noch vor zwei Jahren rasch in den Regelbetrieb gehen. Mehrere Anbieter kündigten bereits an, in den ele Leonetti, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim VDV, abzusehen war.“ Verschiedene Kongress-Redner aus kommenden Jahren fahrerlos im städtischen Verkehr unterwegs sein zu wollen. auf dem VDV-Zukunftskongress „Autonomes Fahren der Industrie und von Technologiefirmen hatten an- im Öffentlichen Verkehr“. Teilnehmende aus dem In- gekündigt, schon vor 2025 in deutschen Großstädten und Ausland tauschten sich dabei über ihre Pilotpro- kommerzielle Angebote als Shuttles oder gebündelte jekte, Strategien und nächsten Schritte digital aus. Verkehre zu testen. Solche Fahrzeuge sollen dann auch den Verkehrsunternehmen zur Verfügung ste- Nicht nur beim Rechtsrahmen hat sich viel getan. „Die hen. „Dass eine Flottenförderung notwendig ist, um Technik wird leichter, kleiner und kostensparen- dem Öffentlichen Verkehr diese Technologie zugäng- der“, fasste Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik lich zu machen, ist naheliegend und wäre sachgerecht“, beim VDV, die Entwicklung der Fahrzeuge zusammen: mahnte Till Ackermann, der beim VDV den Fachbereich „Zudem können sie dank verfeinerter Sensoren und für Volkswirtschaft und Business Development leitet, Software ihr Umfeld immer besser erkennen.“ Die Mi- die notwendige Integration des Autonomen Fahrens in ni-Busse werden allmählich schneller. Während sie den Öffentlichen Verkehr an – damit die Shuttles am derzeit mit etwa 20 Stundenkilometer rollen, können Ende nicht fahrerlos im Stau stehen. die ersten bald mit Tempo 50 unterwegs sein. Martin Schmitz unterstrich auf dem Zukunftskongress aber auch die Position des VDV, dass Autonomes Fahren Weitere Infos unter: keine Arbeitsplätze gefährden soll. „Vielmehr sehen www.vdv.de/autonomesFahren wir einen Vorteil darin, dass wir den Service für un- sere Kundinnen und Kunden auf der ersten und letzten Anwendungsbeispiel: Das Karlsruher Institut für Technologie entwickelt mit den Stadtwerken München und Ebusco ein automatisch und elekt- risch fahrendes System. Die Busse sind über eine „elektronische Deichsel“ miteinander verbunden. MELDUNG Schon elf neue Mitglieder in 2021 W eniger Unfälle, weniger Staus, weniger Abgase. Stattdessen mehr Lebensqualität und Mobili- tät für Stadt und Land. Diese Erwartungen werden an zahlreichen Stellungnahmen, Positionspapieren und Rechtsgutachten eng begleitet und war als Branchen- verband auch vom Verkehrsausschuss des Bundestags Im ersten Halbjahr 2021 hat der VDV elf neue Mitglieder gewonnen. Damit zählt der Verband gegenwärtig 631 Unternehmen und Verbünde aus dem fahrerlose Verkehrssysteme geknüpft. Mit dem neuen zu einer Anhörung eingeladen worden. Für die kon- öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehr (Stand: Mitte Juni). Gesetz zum Autonomen Fahren hat Deutschland die krete Umsetzung des bereits beschlossenen Gesetzes „Die letzten 15 Monate waren geprägt von ausgesprochen intensiver, aber Chance, einen Leitmarkt in diesem Segment zu eta- sei es jedoch notwendig, so Ingo Wortmann, auch die auch erfolgreicher Arbeit – sowohl im Gespräch mit den politischen Ent- blieren – wenn es gelingt, ein flächendeckendes Ange- Durchführungsverordnung noch in dieser Legislatur scheidungsträgern als auch mit Blick auf die drängenden Fachthemen in bot schnell umzusetzen. „Der zu verabschieden. Das wird allerdings knapp: Eine den VDV-Gremien“, bilanziert VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Wir kommen möglicherweise neue Rechtsrahmen ist ein aktualisierte Fassung liegt derzeit zur Notifizierung bei Infolge der schweren Rahmenbedingungen in der Covid-Krise und durch schneller zum fahrerlosen Meilenstein für die Branche, der EU-Kommission. Damit gilt für Deutschland eine Marktbereinigungen haben 13 Unternehmen den Verband verlassen. Die Fahren, als es noch vor zwei die das Thema in den letzten dreimonatige Stillhaltefrist. Das heißt: Die Verordnung Neumitglieder sind: Twentyone, SWEG Südwestdeutsche Landesver- Jahren abzusehen war. Jahren intensiv vorangetrieben könnte frühestens Mitte September in Kraft treten. kehrs-AG, Schütz GmbH & Co. KGaA, National Express Holding, Rail- hat“, sagt VDV-Präsident Ingo Watch Verwaltungs GmbH, Regionaler Nahverkehrsverband Marburg, Dr. Till Ackermann, Wortmann. Der VDV hatte das Vielerorts arbeiten Verkehrsunternehmen schon seit die Norddeutsche Eisenbahnfachschule, Die Informationsdesigner, UEF Leiter des Fachbereichs Volkswirtschaft Gesetzgebungsverfahren mit Längerem daran, automatisierte Shuttles in ihre Ange- Eisenbahn-Verkehrsgesellschaft, Fahrzeugmanagement Region Frank- und Business Management beim VDV furt RheinMain und MZ Eisenbahndienstleistungen. VDV-Präsident Ingo Wortmann (l.) und Hauptgeschäftsführer www.vdv.de/mitgliedersuche.aspx Oliver Wolff während der digitalen Mitgliederversammlung 24 03 | 2021 03 | 2021 25
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