Ir F A IRsic - Positionspapier - Verein Wohnplattform
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Geschichte Präambel Entwicklung Die RAHMENBEDINGUNGEN, unter denen soziale Dienstleistun- IMPULSGEBER gen erbracht werden, verschärfen sich fortschreitend. Insbesondere Die aktuell agierenden gemeinnützigen Träger sozialer Dienste seit dem Jahr 2008 steigt der durch die Krise bedingte Konsolidie- sind überwiegend in den 1980er und 1990er Jahren entstanden. rungsbedarf der öffentlichen Haushalte. Dies schlägt auf die finanzi- Sie waren von Beginn an Impulsgeber für gesellschafts- und sozi- elle Ausstattung der Träger sozialer Dienste durch. alpolitische Entwicklungen. Ihre vielfach experimentelle Basis und gesellschaftskritische Haltung wurde konstruktiv zur Weiterentwick- STEIGENDE BEDARFE lung der sozialen Sicherungssysteme genutzt. Parallel zur Verringerung budgetärer Spielräume steigen Bedarfe und Ansprüche an diese Dienstleistungen: Zum Beispiel bewirken EXPERTISE die Veränderung der Altersstruktur in unserer Gesellschaft, hoher Die über viele Jahre erworbene Expertise fließt in vielschichtige und Leistungsdruck am Arbeitsplatz, strukturelle Arbeitslosigkeit und qualitativ hochwertige Angebote für benachteiligte Personen ein. sich wandelnde Familienkonstellationen in einer schnelllebigen Ge- Häufig aus regionalen Initiativen entstanden, fühlen sie sich neben sellschaft, in der rasche Reaktion und Flexibilität gefordert sind, bei der Unterstützungsleistung für bestimmte Personengruppen auch vielen Menschen Überforderung und Unterstützungsbedarf bei der der förderlichen Entwicklung der Region verpflichtet, sie sind ein Daseinsbewältigung. wichtiger Faktor im regionalen Gefüge. PREKÄRE FINANZIERUNG SOZIALE SICHERUNG Die Arbeitsgruppe FAIRsichern, die sich innerhalb der Sozialplatt- Die gemeinnützigen Träger sind über viele Jahre verlässliche Ko- form Oberösterreich konstituiert hat, befasst sich mit der Diskrepanz operationspartner der öffentlichen Hand bei der Bewältigung sozi- zwischen prekärer Finanzierung und steigenden Anforderungen an aler und gesellschaftspolitischer Herausforderungen. Sie ermögli- die gemeinnützigen Träger sozialer Dienstleistungen sowie den chen sozialen Ausgleich, Vielfalt, Partizipation und Innovation in der daraus resultierenden Folgen - auch hinsichtlich der Arbeitsbedin- Gesellschaft und tragen damit maßgeblich zur sozialen Sicherung gungen bei der Erbringung der sozialen Dienste. Sie hat sich die bei. Aufgabe gestellt, in der Öffentlichkeit Bewusstsein für erforderliche faire Rahmenbedingungen zu schaffen. Arbeitsgruppe FAIRsichern: F A I R sic • Helmut Bayer, B7 Arbeit und Leben ir • Thomas Berghuber, Schuldnerberatung OÖ • Luzenir Caixeta, maiz • Stefan Enter, Bildungszentrum Salzkammergut he W • Bernhard Enzenhofer, Verein ALOM • Dorothea Dorfbauer, Verein SAUM rn • Karin Hofmann, VFQ • Andrea Jobst-Hausleitner, autonomes Frauenzentrum unse • Mümtaz Karakurt, migrare • Hubert Mittermayr, Verein Wohnplattform e • Michael Mooslechner, ARGE für Obdachlose t G e s e ll s c h • Josef Pürmayr, Sozialplattform OÖ af r • Gottfried Roithinger, Exit-sozial • Elisabeth Rosenmayr, Exit-sozial • Susanna Rothmayer, VSG • Christian Winkler, Bischöfl. Arbeitslosenstiftung • Heinz Zauner, ARGE für Obdachlose • Martin Zwicker, Volkshilfe Arbeitswelt GmbH
Aktuelle Situation Das österreichische Sozialsicherungssystem ist anerkanntermaßen BESCHÄFTIGUNG: eines der weltweit besten, es wurde in den letzten Jahrzehnten kon- Der Beschäftigungsmultiplikator liegt mit 16,3 an dritter Stelle al- tinuierlich ausgebaut. So machten es die gesellschaftlichen Verän- ler Wirtschaftssektoren: Eine Million Euro zusätzliche Investition derungen erforderlich, dass in den letzten 20 Jahren das Volumen schafft 16,3 zusätzliche Arbeitsplätze. Im Vergleich dazu beträgt der sozialen Dienste für SeniorInnen um mehr als das Zehnfache der Faktor in der Energiewirtschaft 3,8, im KFZ-Bereich 4,6 und im erhöht, jenes der AMS-Angebote für arbeitslose Personen sowie Bauwesen 10. Leistungen der Behindertenhilfe um das Sechsfache, die Leistun- gen für Bewährungshilfe und Besachwaltung um das Vierfache und WERTSCHÖPFUNG: die sozialen Dienste der Sozialhilfe zur Vermeidung von sozialer Die Erhöhung der Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen von Ausgrenzung um beinahe das Dreifache (vergl. Nikolaus Dimmel, einer Million Euro löst eine Wertschöpfung von Euro 873.000 aus. WISO 2012). Der Sozialbereich liegt damit an 5. Stelle aller Wirtschaftssektoren. DIE HERAUSFORDERUNGEN STEIGEN WEITERHIN. WIRKUNG: Die Arbeitslosigkeit steigt kontinuierlich, ebenso der Anteil jener Wenn hier die gesamtökonomischen Wirkungen des Sozialsektors Personen, die auf bedarfsorientierte Mindestsicherung angewiesen beschrieben werden, soll auch der – mit Vorbehalt zu betrachten- sind. Die Wohnungslosigkeit insbesondere bei jungen Erwachse- de – Parameter des SROI (Social Return on Investment) ange- nen nimmt zu, der Zustrom Notreisender aus Osteuropa ist unge- führt werden, der angibt, welcher monetäre und monetär bewertete brochen. In Bezug auf Chancengleichheit gibt es in vielen Bereichen soziale Rückfluss sich aus einem investierten Euro ergibt. Selbst kaum Fortschritte (MigrantInnen, Frauen, Behinderte), die Teilha- bei sehr zurückhaltendem Zugang zur monetären Bewertung sozi- bechancen marginalisierter Schichten sind nach wie vor prekär mit aler Wirkungen ergeben sich sehr häufig SROI-Werte von bis zum Tendenz zu Verschlechterung. Vierfachen der eingesetzten Mittel oder sogar darüber (vergl. Ruth Simsa, Kontraste Dezember 2013). Volks- WAHR- wirtschaftliche NEHMUNG Bedeutung Immer wieder werden die durch die gemeinnützigen Träger sozialer Dienste erbrachten Leistungen gewür- digt und ein Bekenntnis zu deren Unverzichtbarkeit von der Politik und den Auftrag gebenden Institutionen der öffentlichen Hand geleistet. Anders sieht es mit der für die Leistungserbrin- 140.000 BESCHÄFTIGTE gung erforderlichen ausreichenden finanziellen Dotierung aus. Die Nach Nikolaus Dimmel sind aktuell ungefähr 140.000 Menschen normative Kraft der klammen Budgets relativiert diese Bekennt- in Österreich im eigentlichen Sozialwirtschaftsbereich (Mindestsi- nisse rasch. In der Praxis verfestigt sich der Eindruck der Träger, cherung und Sozialhilfe, Pflege, Behindertenbetreuung, Jugend- überwiegend als Kostenfaktor denn als Erbringer erforderlicher wohlfahrt, aktive Arbeitsmarktpolitik) beschäftigt, in Oberösterreich Leistungen wahrgenommen zu werden. Dies ist angesichts davon abgeleitet ca. 25.000. Die gemeinnützigen Träger sozialer der oben beschriebenen – auch gesamtökonomisch – Dienstleistungen definieren und motivieren sich primär über ihre überaus positiven Wirkungen unverständlich. Gemeinwohlorientierung und die erbrachten Leistungen zur konkre- ten Verbesserung der sozialen Lage der von ihnen betreuten Perso- nen. Die ökonomische Bedeutung dieses Sektors ist in mehrfacher Hinsicht beachtlich.
Kritik an den Bedingungen Aus Sicht der Arbeitsgruppe FAIRsichern sind insbesondere • Bei der Planung von sozialen Dienstleistungen wird die folgende Punkte kritisch und verbesserungswürdig: jahrelange einschlägige EXPERTISE der umsetzenden Träger nicht ausreichend berücksichtigt. Darunter leiden KRITISCHE BEDINGUNGEN: die Qualität der in Auftrag gegebenen Dienstleistungen Es gibt seit Jahren keine ausreichende Abgeltung der Teue- sowie die Zielgruppenadäquanz. rung und der Personalkostensteigerungen. Die Optimierungs- potenziale der Trägerorganisationen sind längst ausgeschöpft. • Verstärkte Anwendung von AUSSCHREIBUNGSVER- FAHREN im Vergabeprozess ohne ausreichende Berück- sichtigung des Qualitätsaspektes bei der Angebotsbewer- • Steigende FALLZAHLEN sowie gestiegene Ansprüche tung. an eine qualitativ hochwertige Betreuung werden durch die Auftraggeber bei der Dotierung der Förderbudgets • Die Beauftragung GEWINNORIENTIERTER UNTER- nicht ausreichend berücksichtigt. NEHMEN mit der Erbringung sozialer Dienstleistungen, teilweise auf Basis von Erfolgshonorar. Damit verbunden • Die Auftraggeber forcieren den Einsatz von NORMKOS- sind Creamingeffekte (betreut werden jene, bei denen es TENMODELLEN und die zunehmende Normierung der sich rechnet) zulasten der besonders Bedürftigen und die sozialen Dienstleistungen für Menschen, die aufgrund ih- Einstellung des Betriebes, wenn es sich ökonomisch nicht rer Lebensumstände ja selbst aus der Norm gefallen sind, mehr rechnet. Somit entstehen im sensiblen Feld der so- und daher individuelle Betreuungszugänge benötigen. zialen Sicherung Angebotslücken bzw. Brüche im Verlauf der Betreuung von Personen. • Beim gegebenen Kostendruck und angesichts einer Per- sonalquote von mehr als 70 % können nennenswerte • EINMISCHUNG IN DIENSTGEBERBELANGE durch die EINSPARUNGEN NUR IM PERSONALBEREICH er- Fördergeber (z.B. bei Gehaltseinstufungen von Mitarbei- zwungen werden. Das Beschäftigen langjähriger und so- terInnen der Träger). mit höher entlohnter MitarbeiterInnen wird für die Träger zunehmend schwieriger. • Die sich verstärkende Leistungsmessung an vorgegebe- nen, überwiegend outputorientierten KENNZAHLEN er- • Nicht ausreichend dotierte Budgets und die damit ver- schwert für die Träger in vielen Fällen die Verfolgung von bundenen negativen Auswirkungen auf die Rahmen- Wirkungszielen. bedingungen für die Erbringung der sozialen Dienst- leistungen bewirken ARBEITSVERDICHTUNG UND ÜBERLASTUNG. Daraus resultieren ein erhöhtes Krankheitsrisiko (Burnoutgefährdung von 27 %) sowie die Flucht in Teilzeitarbeitsverhältnisse, weil die Arbeits- belastungen bei Vollzeit nicht mehr zu bewältigen sind.
Forderungen und Verbesserungs- vorschläge • Volle VALORISIERUNG der Teuerung und der Personal- • Gemeinnützige Träger sind der Förderung des GE- kostensteigerungen. MEINWOHLS und nicht der Gewinnoptimierung ver- pflichtet. Sie sind der richtige und berechenbare Part- • Bedarfsgerechter AUSBAU der sozialen Dienstleistungs- ner zur Lösung sozialer Aufgaben, bei deren Erfüllung angebote sowie ausreichende Finanzierung. die öffentliche Hand auf KooperationspartnerInnen angewiesen ist. Sie sollen bei der Beauftragung ge- • Ausreichende DISPOSITIONSSPIELRÄUME bei der un- winnorientierten Unternehmen vorgezogen werden. mittelbaren Erbringung der Dienstleistung sowie bei der Abrechnung der erbrachten Leistungen gegenüber den Fördergebern. • Die gemeinnützigen Träger müssen FAIRE ARBEITSBE- DINGUNGEN bieten. Die verfügbaren Budgets müssen die Möglichkeit dazu geben. • Zeitgerechte und strukturelle EINBINDUNG der erfahre- KONSTRUKTIVE GESTALTUNG nen gemeinnützigen Träger bei der Angebots- und Pro- DER ZUKUNFT grammplanung. Um soziale Sicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten, braucht es angesichts der gegenwärtigen und künftigen Her- • Selbstbewusste und konstruktive KRITIK der Trä- ausforderungen einen selbstbewussten sozialpolitischen Diskurs. ger sozialer Dienstleistungen bei Fehlentwick- In diesem Zusammenhang können die Expertise und das Innovati- lungen bzw. verbesserungswürdigen Sozialpro- onspotenzial der langjährig erfahrenen gemeinnützigen Träger sozialer grammen verbunden mit einer partnerschaftlich Dienstleistungen genutzt werden. Sie haben den idealistischen An- orientierten DISKURSKULTUR der Auftrag ge- spruch, sozialen Ungleichheiten und Diskriminierungen entgegenzu- benden Institutionen. wirken und so zum Ideal einer gerechten Gesellschaft beizutragen. • Neuorganisation des Kennzahlenregimes in Rich- Dieser Hintergrund beinhaltet auch eine gesellschaftskritische tung WIRKUNGSORIENTIERUNG und Wirkungs- Haltung, die es für eine innovative und partizipative Weiter- messung. entwicklung unseres Sozialsicherungssystems zu nutzen gilt. Die sozialen Organisationen sind bereit, sich • Schaffung des SPIELRAUMS für innovative Projekte hier einzubringen. • Die VIELFALT der Angebots- und Trägerlandschaft garantiert Passgenauigkeit und die Berücksichtigung regionaler Bedürfnisse. Sie ist eine wichtige Voraus- Rückfragen und weitere Informationen: setzung für flexibles und adäquates Reagieren auf Sozialplattform OÖ entstehende Herausforderungen. Es gilt, die Viel- Josef Pürmayr falt und REGIONALITÄT der Angebote zu erhalten. Schillerstraße 9, 4020 Linz 0732-66 75 94-1, puermayr@sozialplattform.at www.sozialplattform.at
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