Italien zwischen Berlusconi und Prodi - Aufbruch oder Stagnation?
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FES-Analyse Italien zwischen Berlusconi und Prodi – Aufbruch oder Stagnation? Michael Braun* Juni 2007 • Seit nunmehr 15 Jahren durchlebt Italiens Demokratie eine Phase des Übergangs. Begonnen hat diese Phase mit dem Zerbrechen des Parteiensystems der Ersten Republik, ausgelöst durch die großen Korruptionsskandale der frühen Neunzigerjahre. In der Folge betraten neue Akteure das Feld, ohne dass sich bisher ein stabiles neues System herausgebildet hät- te. Personifiziert wird die Phase des ewigen Übergangs durch Silvio Berlusconi und seinen Widersacher Romano Prodi. • Die Regierungskoalition Romano Prodis hat die Regierungskrise überstanden. Über die Fra- ge der Fortsetzung der italienischen Militäreinsätze im Ausland – vor allem Afghanistan – war die Koalition beinahe gescheitert. Romano Prodi muss nicht nur mit einer äußerst knappen Mehrheit regieren, sondern zugleich eine extrem heterogene Koalition von 13 Par- teien zusammenhalten, deren Spektrum von Kommunisten auf der Linken zu Christdemok- raten auf der Rechten reicht. Schon im Wahlprogramm der Koalition konnten für viele Poli- tikfelder nur Formelkompromisse gefunden werden. In der Wirtschafts-, Sozial- und Um- weltpolitik sind weitere scharfe interne Konflikte vorprogrammiert. • Entgegen allen Voraussagen endeten die letzten Wahlen in einem Kopf-an-Kopf-Rennen, in dem die Prodi-Koalition nur mit einem hauchdünnen Vorsprung den Sieg davontrug. Silvio Berlusconi hatte im Vorfeld das Wahlrecht geändert und in einem aggressiv geführten Wahlkampf die politische Offensive zurückerobert. Das Ergebnis bestätigte erneut, dass Ita- lien ein in zwei fast gleich große Lager gespaltenes Land ist. • Romano Prodi setzt vor allem auf das Projekt der Gründung einer „Demokratischen Partei“, die das Gros seiner Koalition hinter ihm vereinen und ein dominierendes Kraftzentrum in der Allianz schaffen soll. Unmittelbar aber droht dieses Parteigründungsprojekt neue Kon- flikte in und zwischen die Parteien der Prodi-Allianz zu tragen. • Auf der Rechten konnte Berlusconi seine Rolle als Oppositionsführer vorerst verteidigen. Weiterhin streben aber wichtige Teile seiner Allianz an, Berlusconi aufs politische Altenteil abzuschieben, um so eine Neuordnung der Rechtsopposition zu ermöglichen. Diese Spal- tung der Rechtsopposition erhöht die Überlebensaussichten der Regierung Prodi entschei- dend. • Erst noch beweisen muss die Mitte-Links-Koalition jedoch, ob sie zu mehr in der Lage ist als zur Organisation des eigenen Überlebens. Italien hat eine lange Phase wirtschaftlicher Stagnation hinter sich, hinter der sich tiefe strukturelle Probleme verbergen. Prodi wird nicht zuletzt daran gemessen werden, ob es ihm gelingt, die von seiner Allianz versproche- ne Modernisierungsoffensive einzuleiten. Herausgeber und Redaktion: Arne Schildberg, Friedrich-Ebert-Stiftung, Internationale Politikanalyse, 53175 Bonn, Tel: 0228-883-868, Fax: 0228-883-860, E-Mail: Arne.Schildberg@fes.de
2 FES-Analyse: Italien Der Autor: *Michael Braun ist Repräsentant der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rom.
FES-Analyse: Italien 3 Italien in den letzten 15 Jahren: Die unvollendete Transitionsphase Seit nunmehr 15 Jahren befindet sich Italiens Demo- gegenüber. Die Rechte wurde angeführt von einem kratie in einer immer noch nicht abgeschlossenen Medienzaren, der von einem Tag auf den anderen in Phase des Übergangs – und niemand symbolisiert die- die Politik gewechselt war und mit den Personal- wie se Tatsache besser als die beiden Hauptprotagonisten Finanzressourcen seines Unternehmens eine völlig auf Silvio Berlusconi und Romano Prodi. ihn zugeschnittene Partei aufgebaut hatte. Aus dieser 1992 zerbrach das Parteiensystem der so genannten Anomalie machte Berlusconi von Beginn an ein zent- Ersten Republik. Die Democrazia Cristiana ver- rales Element seiner politischen Stärke: Nach den hef- schwand genauso wie die Sozialistische Partei Bettino tigen Korruptionsskandalen, die die italienischen Par- Craxis und die anderen Regierungsparteien im Gefol- teien erschüttert hatten, setzte er auf das Image des ge der Korruptionsermittlungen der Mailänder Staats- Anti-Politikers, der aus „dem Schützengraben der Ar- anwälte. 1993 betrat Silvio Berlusconi die politische beit“ (Berlusconi) kam und nichts zu tun hatte mit den Bühne, bald gefolgt von Romano Prodi als Gegen- Gepflogenheiten der „Politikaster, die in ihrem Leben spieler. Und Gegenspieler sind die beiden auch heute nie gearbeitet haben“. noch: Zum letzten Mal maßen sie in den Parlaments- Die Linke dagegen engagierte gleichsam von au- wahlen vom 9./10. April 2006 die Kräfte. Dabei er- ßen einen Leader, der seinerseits ohne eigene Partei rang Romano Prodi einen knappen Sieg und wurde dastand und ein Bündnis anführte, in dem er selbst Ministerpräsident; Berlusconi wurde Oppositionsfüh- keinerlei Hausmacht hatte. Die Parteien blieben auf rer. dieser Seite des politischen Spektrums zwar als zent- Diese Tatsache überrascht allein schon deshalb, rale Akteure präsent, trauten sich aber ihrerseits nicht, weil immer wieder mal der eine, mal der andere der sich mit einem „eigenen“ Gesicht den Wählern zu ewigen Duellanten Gegenstand politischer Nachrufe stellen. Prodi gewann die Wahlen 1996, war im Par- wurde. So siegte Berlusconi zwar bei den Parla- lament jedoch auf die Stützung der Kommunisten an- mentswahlen 1994 mit seiner gerade gegründeten Par- gewiesen, die ihrerseits weder dem Ulivo-Bündnis tei Forza Italia aus dem Stand, scheiterte dann aber noch der Regierungskoalition angehörten. Erneut binnen weniger Monate an den Widersprüchen in sei- wurden politische Nachrufe auf Silvio Berlusconi ver- ner Koalition. Zahlreiche politische Beobachter sahen fasst, denen zu entnehmen war, dass der Medien- ihn schon politisch am Ende; Berlusconi aber machte unternehmer seinen Ausflug in die Politik nun wohl weiter. endgültig beenden werden müsse, allein schon, weil Auf der anderen Seite hatte die Linke, die aus den seine Partner in der Rechtsallianz den Unternehmer Wahlen 1994 gedemütigt und demoralisiert hervorge- mit seiner Privatpartei in Zukunft kaum mehr als Spit- gangen war, ihre eigenen Schlüsse aus dem Debakel zenkandidaten akzeptieren würden. gezogen. Einerseits suchte der damalige Parteichef der Zunächst aber scheiterte Prodi als Ministerpräsi- Linksdemokraten (Democratici di Sinistra, DS), Mas- dent. Er durfte zwar als großen politischen Erfolg ver- simo D’Alema, das Bündnis zu weiteren Parteien der buchen, dass es ihm gelungen war, Italien in die Mitte, beginnend bei den linken Christdemokraten des Gründungsgruppe des Euro zu führen. 1998 dann Partito Popolare Italiano (PPI). Andererseits aber sah scheiterte er jedoch am Konflikt mit den Kommunis- D’Alema Chancen für einen Sieg nur, wenn die Mitte- ten – vor allem aber daran, dass seine „Arbeitgeber“, Links-Allianz genauso wie die Rechte nicht auf einen die Linksdemokraten unter Massimo D’Alema und gestandenen Berufspolitiker setzte, sondern auf einen der PPI, glaubten, auf die weiteren Dienste des Regie- unverbrauchten Seiteneinsteiger – und fand ihn in rungschefs ohne eigene Partei verzichten zu können. Romano Prodi. Er wurde 1995 zum Spitzenkandidaten D’Alema übernahm das Amt des Ministerpräsidenten, des „Ulivo“, des Ölbaum-Bündnisses, gekürt. während Prodi im folgenden Jahr als EU- Damit standen sich nach der großen Parteien- Kommissionspräsident nach Brüssel weggelobt wur- krise der frühen Neunzigerjahre zwei einigerma- de. Und nun wurde er zum Gegenstand politischer ßen atypische Leader der beiden politischen Lager Nachrufe, die auf der Linken mit seinem Sturz die
4 FES-Analyse: Italien Anomalie einer Parteienregierung mit einem Partei- Das Resultat: Im Jahr 2006 erlebte Italien akkurat losen an der Spitze beendet sahen. das gleiche Wahl-Duell Berlusconi-Prodi, das Auf der anderen Seite erlebte Berlusconi gleichzei- schon 1996 stattgefunden hatte. Und wie schon tig ein brillantes Comeback. Ihm gelang es zunächst, 1996 spiegelte sich in diesem Duell die bleibende die 1994 noch völlig zusammengewürfelte und dann Anomalie Italiens wider. Erneut nämlich standen 1996 gespalten angetretene italienische Rechte – sich zwei Politiker gegenüber, die sich als Ausnahme neben seiner Forza Italia (FI) die Postfaschisten der von der Regel des aus einer politischen Partei hervor- Alleanza Nazionale (AN), die rechtspopulistische gegangenen Leaders. Lega Nord sowie die Christdemokraten der CCD – Der eine, Silvio Berlusconi, steht weiterhin einer zum Bündnis der Casa delle Libertà (CdL, „Haus der Partei vor, die in jeglicher Hinsicht ohne seine Person Freiheiten“) zusammenzuführen. Dieses Bündnis ge- gar nicht denkbar ist. „Partei des Präsidenten“ nennt wann dann 2001 mit knapp 50% der Stimmen die Par- sich Forza Italia selbst – und beschreibt damit das lamentswahlen sowie klare Mehrheiten in beiden Häu- auch formal gültige autokratische Führungsprinzip, in sern des Parlaments. Vor allem dank des hervorragen- der der Chef nie gewählt wurde, in der der „Presiden- den Resultates von 29,4% für Forza Italia war Berlus- te“ andererseits sämtliche Führungspositionen aus coni erneut der unangefochtene Chef der italienischen eigener Machtvollkommenheit per Nominierung von Rechten. Der „Faktor B“ – der Faktor Berlusconi – oben besetzt. Partei des Präsidenten ist FI aber auch hatte sich endgültig als Grundkonstante in der ita- mit Blick auf die Ressourcen: Allein die persönlich lienischen Politik nach dem Zusammenbruch der von Berlusconi gezeichneten Bankbürgschaften garan- traditionellen Regierungsparteien etabliert. tieren der mit über 100 Millionen Euro verschuldeten Die nun wiederum in die Opposition verbannte Partei die Operationsfähigkeit. Partei des Präsidenten Linke hatte nach dem Sturz Prodis 1998 gleich drei ist FI jedoch vor allem, weil es als völlig ausgemacht klassische Berufspolitiker als Leader der Allianz ver- gilt, dass sie bei einem Ausscheiden Berlusconis aus schlissen; D’Alema war nach nur 18 Monaten durch der Politik von einem Tage auf den anderen auseinan- Giuliano Amato als Ministerpräsident abgelöst wor- der bräche. den; Amato war von der Koalition als zu leichtge- Doch auch auf Seiten der Mitte-Links-Allianz ist wichtig befunden worden, um bei den Wahlen 2001 die schon 1996 gegebene Anomalie unverändert erhal- gegen Berlusconi anzutreten; und der schließlich zum ten geblieben. Hier gibt es zwar im Kern der Allianz Spitzenkandidaten gekürte Francesco Rutelli war dann strukturierte Parteien, die aus eigener Kraft unabhän- deutlich gescheitert. gig vom Schicksal eines Frontmannes lebensfähig Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung zog die sind – diese Parteien sind aber nicht in der Lage, einen Linksopposition zwei Schlüsse. Erstens war Berlusco- glaubwürdigen Spitzenkandidaten zu stellen. Spitzen- ni nur zu schlagen, wenn die Spaltung auf der Linken kandidat wurde mit Prodi erneut ein parteiloser Expo- überwunden und die Kommunisten als integrierender nent; erneut wiederholte sich so die Konstellation ei- Bestandteil in das Oppositionsbündnis aufgenommen nes Parteienbündnisses, das auf die geliehene Aus- wurden. Zweitens aber war nur eine Person als Spit- strahlungskraft eines „Externen“ angewiesen ist, und zenkandidat konsensfähig: Romano Prodi. Er, der erst eines Kandidaten, der auf die geliehene Unterstützung wenige Jahre vorher gescheitert war, hatte nun auf- durch die Parteien seines Bündnisses angewiesen grund seiner Tätigkeit als Präsident der EU- bleibt. Von der Herausbildung eines konsolidierten Kommission im fernen Brüssel erneut den Charme und bei den Wählern glaubwürdigen neuen Partei- des den täglichen Bündnis- und Parteiquerelen entzo- ensystems nach der großen politischen Krise von genen Quereinsteigers. 1992 war Italien, so schien es, auch bei den Wahlen 2006 noch weit entfernt.
FES-Analyse: Italien 5 Die Wahlen 2006 - möglicher Schlusspunkt der Transitionsphase Als Fortsetzung der langen Übergangsphase der ita- der Regierung vertreten sein sollten. Den Kern der lienischen Demokratie, zugleich aber auch als ihr „Unione“ bilden zwei Parteien: die Linksdemokra- möglicher Schlusspunkt: So erschienen im Vorfeld die ten und die 2001 aus der christdemokratischen PPI Parlamentswahlen des April 2006. Denn der Ausgang und liberaldemokratischen Kräften entstandenen der Regionalwahlen im April 2005, mit dem Debakel Margherita. Doch Linksdemokraten und Margherita Berlusconis und dem Erdrutschsieg des Prodi- standen zusammen nur für etwa 30% der Stimmen. Bündnisses, verhieß ebenso wie alle Umfragen vor Ihr Verhältnis war – trotz der gemeinsamen Unter- den Wahlen ein eindeutiges Resultat: das politische stützung Prodis und der verbalen Befürwortung des Ende Berlusconis und damit das Verschwinden des Projektes einer Demokratischen Partei – von hoher „Faktors B“ aus der italienischen Politik. Rivalität gekennzeichnet. Ein eindeutiges Wahlresultat bei den Parla- • Zugleich schien mit der erwarteten Ablösung Ber- mentswahlen 2006 hätte die Voraussetzungen für lusconis als Führer der italienischen Rechten das die Rückkehr Italiens zu demokratischer Normali- Ende einer weiteren italienischen Anomalie mög- tät schaffen können: lich: der Tatsache, dass die beiden politischen La- • Auf der Rechten war mit dem für sicher gehaltenen ger einander als Gefahr für die Demokratie und Scheitern Berlusconis die Erwartung verknüpft, er eher als Feinde denn als Gegner betrachten. Berlus- werde sich aus der Politik zurückziehen. Damit coni galt schon allein wegen seines offensichtlichen schien das Auseinanderbrechen seiner Partei Forza Interessenkonflikts, der ihm als in die Politik ge- Italia und in dessen Gefolge das Entstehen einer gangenen Medienunternehmer entstand, als Gefahr nicht mehr exklusiv ans Charisma eines Leaders für die Demokratie. Er antwortete seinerseits – mit gebundenen, großen konservativen Partei möglich. großem Erfolg bei der eigenen Wählerschaft –, in- • Auf der Linken hatte Prodi schon im Vorfeld der dem er eine Allianz aus „Kommunisten“ und „roten Wahlen seinen Willen bekundet, die Ausnahme- Staatsanwälten“ beschwor, die seit jeher versuche, situation zu überwinden, in der er sich als „Leader die Rechte mit einem „Justizputsch“ (d.h. mit den ohne Partei“ befand. Prodi favorisierte das Entste- Verfahren gegen Berlusconi wegen Steuerhinter- hen einer großen „Demokratischen Partei“, in der ziehung, Bilanzfälschung, Korruption etc.) auszu- wichtige Kräfte seiner Mitte-Links-Koalition zu- schalten. Ein Ausscheiden Berlusconis aus der Poli- sammenfinden sollten und die das Kraftzentrum der tik hätte hier für eine Beruhigung der Auseinander- Koalition werden konnte. Ein überzeugender Wahl- setzung sorgen können. sieg war eine entscheidende Voraussetzung, um • Und schließlich hätte Prodi, ausgestattet mit einem Prodi mit dem Mandat auszustatten, das Partei- überzeugenden Mandat der Wähler, all jene Ano- gründungsprojekt zügig voranzutreiben. malien beseitigen können, die der damalige • Zudem war ein überzeugender Wählerauftrag für Ministerpräsident Berlusconi in fünf Jahren an der Prodi von zentraler Bedeutung, um mit der großen Regierung in Gesetzesform gegossen hatte. Dazu Zersplitterung und Heterogenität seiner Koalition gehören die „Ad-Personam-Gesetze“, die mit Ein- an der Regierung problemlos fertig zu werden. griffen ins Strafgesetzbuch und die Strafprozess- Nicht zuletzt zusammengeschweißt durch den ordnung viele der gegen Berlusconi laufenden Pro- „Faktor B“, die über alle Trennlinien hinweg eini- zesse und Ermittlungsverfahren abgewendet hatten, gende Gegnerschaft zu Berlusconi, hatten in der aber auch das Mediengesetz, das Berlusconis Mitte-Links-Allianz Parteien zusammengefunden, Machtstellung als privater Medienunternehmer ze- deren Spannbreite von Kommunisten zu Christ- mentiert und der Regierung totalen Zugriff auf die demokraten reichte. Das Bündnis, das 2006 als staatliche Rundfunkanstalt RAI erlaubt hatte. „Unione“ antrat, vereinte eine Unzahl von Listen, von denen schließlich 13 im Parlament und neun in
6 FES-Analyse: Italien Der Ausgang der Wahlen – eine Wende ohne Wandel? Silvio Berlusconi war es nur allzu bewusst, dass die Unterscheidung zwischen Abgeordnetenhaus und Se- Italiener bei den Wahlen 2006 über mehr als nur über nat deutlich abgeschwächt. Auch zwei entgegenge- einen möglichen Regierungswechsel abstimmten. Der setzte Mehrheiten in den beiden Kammern wurden Urnengang konnte bei einem deutlichen Resultat sein nun denkbar. Nicht denkbar war dagegen, dass Prodi politisches Ende, das Ende seiner Partei und zugleich ein ähnlich deutliches Übergewicht haben würde, wie den Eintritt Italiens in eine Phase der politischen Kon- es Berlusconi 2001 gewonnen hatte, als ihm im Abge- solidierung unter neuen Vorzeichen einläuten. ordnetenhaus fast 100 und im Senat 40 Sitze Mehrheit zugefallen waren. Ein Wahlrecht nach Maß Der Wahlkampf Die erste Reaktion des scheidenden Ministerpräsiden- ten und seiner Koalition war eine Änderung des Wahl- Während ganz Italien schon Monate vor der Wahl die rechts unmittelbar vor den Wahlen. Seit 1994 waren Szenarien nach einem Wahlsieg Prodis diskutierte, die alle Parlamente nach einem gemischten System ge- Linke mental schon mit der Verteilung von Macht und wählt worden. 75% der Sitze wurden nach Mehr- Posten beschäftigt und die Rechte mit Überlegungen heitswahlrecht britischen Musters vergeben, d.h. der zur Nach-Berlusconi-Ära ausgelastet war, dachte Ber- führende Kandidat im Wahlkreis war auch gewählt, lusconi nicht daran, das Rennen schon im Voraus ver- wenn er nur die relative Mehrheit erreichte. Die übri- loren zu geben. gen 25% wurden nach Proporz über Parteilisten ge- Wie immer seit 1994 warf er nicht nur seine über- wählt. reichlich vorhandenen Ressourcen in den Wahlkampf, Die 2006 eingetretene Wahlrechtsänderung sah sondern engagierte sich auch selbst mit gewohnter nun eine reine Proporzwahl nach Parteilisten vor. Energie. Berlusconi reagierte zudem taktisch sehr ge- Damit sollten zwei Ziele erreicht werden: Erstens schickt auf das große Handicap, das er gegenüber dem musste die Mehrheit der siegenden Koalition natur- Wahlkampf 2001 hatte. Damals hatte er, noch aus der gemäß niedriger ausfallen als bei einem Mehrheits- Opposition heraus, den Hauptakzent auf das Verspre- wahlrecht. Zweitens hatte sich bei allen Wahlen seit chen eines „neuen italienischen Wunders“ legen und 1994 gezeigt, dass die Mitte-Links-Allianz relativ wachsenden Wohlstand bei sinkenden Steuern und mehr Wahlkreisstimmen als Zweitstimmen für die steigenden Sozialleistungen versprechen können. Im Parteilisten zu erobern wusste. Jahr 2006 musste er sich für fünf Jahre an der Regie- Zugleich aber war das neue System kein echtes rung verantworten, mit einer Bilanz, die auch in der Proporzsystem. Denn eine weitere Klausel sah vor, eigenen Anhängerschaft als insgesamt enttäuschend dass die siegreiche Allianz einen Mehrheitsbonus empfunden wurde. Italien war das Wachstums- erhalten sollte. Im Abgeordnetenhaus sollte die vorne Schlusslicht in Europa, die Einkommen stagnierten, liegende Koalition automatisch 340 der 630 Sitze er- von einer Senkung der Staatsquote konnte keine Rede halten, während im Senat die Bonus-Sitze regional an sein. die jeweils im Latium, der Lombardei, dem Piemont Berlusconi löste dieses Problem, indem er statt auf etc. führende Allianz fallen sollten. Hoffnung auf die in der rechten Wählerschaft weit Damit war schon vor der Wahl ein Zwang zur verbreiteten Ängste vor der Linken setzte. Der Wahl- Allianzbildung geschaffen, wie er Proporzwahl- kampf der Rechtskoalition beschwor die katastro- systemen eigentlich fremd ist. Zudem konnte noch phalen Folgen eines Prodi-Sieges, der mit dem jede Kleinstpartei relevant werden: Für die Berech- Machtantritt der „Kommunisten“ unweigerlich zu nung des Mehrheitsbonus war entscheidend, welche höheren Steuern führen müsse. Parteien im Vorfeld die Zugehörigkeit zu einem der Auf diese aggressive Angst-Kampagne fand die Bündnisse erklärt hatten. Die theoretisch gegebene „Unione“ Prodis insgesamt keine befriedigende Chance, dank des Mehrheitsbonus trotz Proporzwahl Antwort. Während Prodi darauf setzte, die Wähler- zu klaren Mehrheiten zu kommen, wurde durch die schaft mit beruhigenden Versprechen zu besänftigen –
FES-Analyse: Italien 7 „mit mir keine Steuererhöhungen“ – klebten die zeugenden Wende-Mandats für Prodi hatte es einen Kommunisten Plakate mit dem Slogan „Auch die Rei- nun fast zufällig erscheinenden Zittersieg gegeben. chen werden weinen!“ und spielten so Berlusconi den Dagegen erlebte der politisch schon totgesagte Ber- Ball zu. Der Ministerpräsident schärfte den Bürgern lusconi in der Wahlnacht seine politische Wieder- immer wieder ein, er selbst werde die Grundsteuer auferstehung. Er galt nun auf der Rechten als jener abschaffen. Die Linke dagegen wolle diese Steuer er- Politiker, der fast im Alleingang die drohende höhen, außerdem plane sie die Wiedereinführung der katastrophale Niederlage abgewendet hatte. Prozentu- von ihm abgeschafften Erbschaftssteuer auch für klei- al war seine Koalition auf fast das gleiche Ergebnis ne Vermögen. Auch dies dementierte die Linke, ver- gekommen wie 2001, und wenn auch seine Forza Ita- strickte sich aber in eine bizarre Diskussion darüber, lia auf nur noch 23,7% (2001: 29,4%) kam, lag dieser was nun „Großvermögen“ seien, ohne eine befriedi- Wert doch deutlich über den von den Wahlforschern gende Antwort zu ihren Plänen zu liefern. vorhergesagten 18-20%. Auf diesem Wege und mit scharfen, ideologisch Berlusconi verstärkte die psychologische Wir- aufgeladenen Tönen gelang es Berlusconi auch dies- kung des relativen Wahlerfolges noch, indem er mal wieder, die eigene Anhängerschaft komplett zu nicht einmal die knappe Niederlage eingestand, mobilisieren – um den Preis eines völlig vergifteten sondern stattdessen das eigene Resultat zum „ge- Klimas zwischen den beiden politischen Blöcken des raubten Sieg“ umdeutete. Tagelang hielt er ganz Landes. Europa mit der Behauptung in Atem, nur Unregelmä- ßigkeiten und offene Wahlfälschung hätten der Linken den Sieg eingetragen. Belege ließen sich für diese Be- Das Resultat: ein „gespaltenes Land“ hauptung bisher nicht finden, und das Kassations- gericht erklärte denn auch die Prodi-Allianz zum Berlusconis Rechnung ging auf: Statt des selbst noch Wahlsieger. Berlusconi dagegen ist nie von seiner in den exit polls vorhergesagten klaren Siegs der Uni- Darstellung abgerückt und fordert bis heute die kom- one kam es zu einem spektakulären Kopf-an-Kopf- plette Neuauszählung aller Stimmzettel. Rennen. Am Ende stand mitten in der Wahlnacht Pro- Ernsthaft rechnet auch Berlusconi nicht mit einer di als Sieger fest. Im ganzen Land konnte er bei den positiven Antwort auf diese Forderung. Nützlich ist Stimmen zum Abgeordnetenhaus einen Vorsprung sie trotzdem: sie dient als Grundlage für die Festigung von gerade 24.755 Stimmen verzeichnen; mit 0,6 Pro- der Überzeugung, Prodi sei nicht mit voller demokra- zent Vorsprung errang seine Allianz 49,8%, während tischer Legitimität ausgestattet. Zudem kann Berlus- Berlusconis „Haus der Freiheiten“ auf 49,74% kam. coni von diesem Punkt aus seine Position verkünden, Dies verschaffte Prodi allerdings eine klare Mehrheit: Italien sei ein akkurat in zwei Hälften gespaltenes dank des Wahlrechts erhielt sein Bündnis 340 der 630 Land. Prodis Wahlsieg sei daher im besten Falle ein Sitze. Unentschieden, das der regierenden Koalition mora- Im Senat dagegen, der von den über 25-jährigen lisch nicht erlaube, gegen die Rechte zu regieren. Bürgern gewählt wird, lag das Berlusconi-Lager lan- Wahr daran ist, dass Italien tatsächlich in zwei po- desweit mit 50,2% (Unione: 49,0%) vorne. Da der litisch kaum miteinander kommunizierende Blöcke Mehrheitsbonus aber Region für Region vergeben gespalten ist. Doch auch wenn die Rede vom „gespal- wurde, reichte es dennoch für eine Mehrheit der Sitze tenen Land“ erst nach den Wahlen von 2006 aufge- von 158 zu 156 für Prodi. kommen ist, stellt diese Situation keine Neuheit dar. Dies machte den Erfolg Prodis schon materiell zu Im Gegenteil: Sie ist Teil jener Anomalie, die die Prä- einem verstümmelten Sieg. Die hauchdünne Mehr- senz des „Faktors B“ in der italienischen Politik bil- heit im Senat machte den Regierungschef erpress- det. Denn es ist Berlusconi selbst, der seit 1994 mit bar, nicht nur durch jede einzelne der ihn stützen- großem Erfolg auf die Freund-Feind-Polarisierung in den Parteien: Selbst einzelne Senatoren konnten der innenpolitischen Auseinandersetzung setzt und nun den neuen Regierungschef mit der Drohung jede Wahl nicht zur Entscheidung über die zukünftige des Ausscheidens aus der Koalition unter Druck Regierung, sondern über die demokratische bzw. setzen. „kommunistische“ Zukunft des Landes umdeutet. Doch auch psychologisch handelte es sich um ei- In einem weitergehenden Sinne aber hat Ber- nen verstümmelten Sieg. Statt des erwarteten über- lusconi nur eine von ihm vorgefundene Spaltung
8 FES-Analyse: Italien des Landes politisch ausgebeutet. Schon seit dem so auch in einem zweiten Sinne zum Schreckgespenst Ende der 1940er Jahre hatten sich die mächtige der selbstständigen Mittelschichten: Sie verkörperte Christdemokratische Partei auf der Rechten und nicht bloß die „kommunistische Gefahr“, sondern die KPI (die größte Kommunistische Partei in ei- auch die Drohung einer rigideren Steuerpolitik. nem Land des freien Westens) auf der Linken ge- Berlusconi hatte im Jahr 1994 sehr richtig erkannt, genüber gestanden. Beide Parteien organisierten ihre dass die „alten“ Spaltungen mit dem Ende des Ost- Anhängerschaft in einem dichten Netz gesellschaftli- West-Gegensatzes keineswegs hinfällig waren – man cher Organisationen bis hin zum – mal katholischen, musste sie nur am Leben erhalten. Dies tat Berlusconi mal „roten“ – Sportverein und schufen so regelrechte mit einer geschickten Propaganda, die vor allem an politische „Subkulturen“. Wählerwanderungen zwi- die Angst der Mittelschicht-Wähler vor dem „linken“ schen den beiden Lagern – die in den Romanfiguren Steuerstaat appellierte. Bis heute ist die „kommunisti- Don Camillo und Peppone gar nicht allzu unrealis- sche Gefahr“, in der altbewährten „christdemokrati- tisch abgebildet waren – fanden so gut wie gar nicht schen“ Mischung zwischen ideologischen Kreuzzugs- statt. Zentral war auf beiden Seiten ein hoher Grad an tönen und Appellen an die Interessen der Selbststän- ideologischer Bindung. Gerade bei der Christde- digen, fester und wirksamer Bestandteil der politi- mokratie spielte auch eine gezielte Interessenpolitik schen Rhetorik der italienischen Rechten. eine wichtige Rolle, die nicht zuletzt die Angehörigen Dass nach der Wahl vom 9./10. April 2006 die Di- der selbständigen Mittelschichten – Landwirte, Händ- agnose vom tief gespaltenen Land weiterhin stimmt, ler, Handwerker – systematisch begünstigte. Jene zeigt deutlich, wie wenig sich die Erwartung erfüllt Selbstständigen, die damals wie heute knapp ein Drit- hat, jener Urnengang könne mit einem klaren Resultat tel der Erwerbsbevölkerung zählten, durften sich zum und dem darauf folgenden Ausscheiden Berlusconis Beispiel sicher sein, dass die Steuerfahndung sehr aus der Politik einen grundlegenden Wandel nach sich nachlässig mit dem weit verbreiteten Tatbestand der ziehen. Statt einen grundlegenden Wandel herbei- Steuerhinterziehung umging. Umgekehrt setzte die zuführen, präsentierte sich der Wahlgang 2006 KPI in ihrer politischen Rhetorik immer auf die Gei- zunächst bloß als weitere Etappe in der Italien seit ßelung dieses Missstandes, mit dem erklärten Ziel, die 1994 charakterisierenden politischen Übergangs- Arbeitnehmer für sich zu gewinnen. Die Linke wurde phase. Die Perspektiven der Mitte-Links-Allianz So knapp Prodis Sieg am Ende auch war – er stell- jedoch die absolute Mehrheit der Wähler auf ihrer Sei- te doch in wenigstens einer Hinsicht ein Novum te zu haben. dar. Zum ersten Mal nämlich seit Berlusconis Ein- Bei den Wahlen von 2001 wiederum hatte Berlus- stieg in die Politik 1994 war es dem italienischen coni seinen Block erneut geeint und 49,6% der Stim- Mitte-Links-Bündnis gelungen, die Rechte aus ei- men davongetragen, während das Ölbaum-Bündnis gener Kraft zu schlagen. auf 35,6% und die separat angetretene „Rifondazione Denn Prodis Sieg von 1996 war alleine deshalb zu- Comunista“ auf 5,0% gekommen waren. „Dritte“, stande gekommen, weil sich in jener Wahl die Rechte (keine der beiden Allianzen angehörige Kräfte) hatten gespalten präsentiert hatte. Einerseits war Berlusconi 9,8% erreicht. damals im Bündnis mit den Postfaschisten der Allean- 2006 dagegen war es Prodi gelungen, einerseits ei- za Nazionale (AN) und den Christdemokraten der nen Pakt mit den Kommunisten zu schließen und an- DDC-CDU (die dann zur UDC fusionieren sollten) dererseits auch alle bisher zwischen den beiden La- angetreten; andererseits war die rechtspopulistische gern aktiven Parteien ins Bündnis zu ziehen. Zwar Lega Nord in allen Wahlkreisen Norditaliens mit ei- gelang es Prodi nicht, der Berlusconi-Allianz genen Kandidaten ins Rennen gegangen. Von dieser Stimmen abspenstig zu machen – deren Resultat Zersplitterung der Rechten – deren Parteien bei der blieb mit 49,7% (gegenüber 49,6% 2001) völlig un- Proporzstimme damals insgesamt auf 52,5% gekom- verändert –, doch er konnte als letztlich ausschlag- men waren – hatte am Ende die Linke profitiert, ohne gebenden Erfolg vorweisen, alle nicht mit
FES-Analyse: Italien 9 Berlusconi paktierenden Parteien zu einem Anti- anstrebte, und er hatte schon im Vorfeld versucht, Berlusconi-Bündnis geeint zu haben. das Problem einzuhegen. Die so erreichte arithmetische Stärke bezeichnet Erstens hatte er auf der Abhaltung einer Ur- zugleich jedoch die politische Schwäche des Bünd- wahl unter den Anhängern des Mitte-Links- nisses. Dessen Spektrum reicht von Politikern der Eu- Bündnisses zur Bestimmung des Spitzenkandida- ropäischen Volkspartei, die in Deutschland bei Angela ten bestanden. Damit wollte er vermeiden, wie in den Merkel zu Hause wären, zu Neo-Kommunisten, deren Jahren 1996-98 aufgrund seiner fehlenden Hausmacht deutsche Partner Gregor Gysi und Lothar Bisky hie- zum Spielball der Koalition zu werden, um schließlich ßen. Zudem fehlt der Koalition ein wirkliches Kraft- sang- und klanglos abgelöst zu werden. Diese im Ok- zentrum, da selbst die stärkste Partei nicht über gut tober 2005 abgehaltenen „Primarie“ bescherten ihm 17% hinauskommt. Und schließlich steht ihr ein par- ein doppelt überzeugendes Resultat: 4,3 Millionen teiloser Ministerpräsident ohne eigene politische Bürger fanden an die Urnen (sie mussten eine Erklä- Hausmacht vor. Insgesamt sind im Parlament 13 rung unterzeichnen, dass sie sich zum Mitte-Links- Parteien vertreten, die sich zu Prodis Allianz zäh- Lager zugehörig fühlten, und einen Euro bezahlen), len. Neun von ihnen sitzen mit Ministern oder und sie stimmten mit über 75% für Prodi. Staatssekretären in der Regierung: Zweitens hatte Prodi auf die Verabschiedung • Die aus der KPI hervorgegangenen Linksdemokra- eines von allen Parteien unterzeichneten Pro- ten (DS) mit 17,5% der Senatsstimmen. Ihr gewich- gramms gedrungen, um die Partner auch in der tigster Mann im Kabinett ist Außenminister und Sache auf die Koalitionsdisziplin verpflichten zu Vize-Premier Massimo D’Alema. Der Parteivorsit- können. Dabei kam ein Konvolut von 281 Seiten her- zende Piero Fassino übernahm kein Regierungsamt. aus, das kein Politikfeld auslässt, aber dennoch zu vie- • Die Mitte-Partei „Margherita“ mit 10,7% der Se- len Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik, der natsstimmen unter ihrem Parteivorsitzenden Fran- Bürgerrechte, des Umweltschutzes und der internatio- cesco Rutelli, der als Kulturminister und Vize- nalen Rolle des Landes Formelkompromisse enthält. Premier in die Regierung eintrat. Die „Margherita“ Drittens schließlich hatte Prodi die beiden ist ein 2001 gebildeter Zusammenschluss der stärksten Partner, die Linksdemokraten und die christdemokratischen Partito Popolare Italiano und Margherita, zur Kandidatur auf einer gemeinsa- anderen linksliberalen Kleinparteien. men Liste gedrängt. Diese Liste sollte gleichsam den • Die Parteien des Linksaußen-Flügels der Koalition, Prodi am nächsten stehenden Kern der Koalition ver- sprich „Rifondazione Comunista“ mit 7,4% der Se- körpern, sie sollte das Kraftzentrum der Koalition bil- natsstimmen, die „Comunisti Italiani“, die sich den, und sie sollte den Wählern die Perspektive der 1998 von Rifondazione Comunista abgespalten hat- Herausbildung einer starken „Demokratischen Partei“ ten, und die Grünen. Die beiden letztgenannten Par- signalisieren. Hier war dem Spitzenkandidaten nur ein teien kamen auf je gut 2% und bildeten für den Se- Teilerfolg beschieden. Für das Abgeordnetenhaus ei- nat eine gemeinsame Liste, die 4,3% erreichte. nigten sich die beiden Parteien auf die Einheitsliste • Die laizistisch-bürgerrechtliche und zugleich in des „Ölbaums“. Für den Senat hingegen gab es ge- Fragen der Wirtschaftspolitik neoliberale Radikale trennte Kandidaturen, da keine der beiden Parteien auf Partei bildete mit der nach dem Zusammenbruch das für die Verteilung von Posten ebenso wie für die von Bettino Craxis Sozialistischer Partei entstande- Frage des politischen Gewichts entscheidende Kräf- nen Kleinpartei „Socialisti Democratici Italiani“ ei- temessen verzichten wollte. ne Einheitsliste, die auf 2,5% kam. Vor allem aber hatte Prodi auf ein überzeugen- • Die aus dem Zusammenbruch der DC entstandene des Mandat der Wähler gesetzt. Dies hätte ihm er- christdemokratische UDEUR, die 1,4% erreichte. laubt, aus einer Position der Stärke heraus mit den • Die vom früheren Anti-Korruptions-Staatsanwalt vielen Koalitionspartnern zu verhandeln – und gege- Antonio Di Pietro ins Leben gerufene und geführte benenfalls das Veto eines der zahlreichen kleineren Partei „Italia die Valori“ (IdV, „Italien der Werte“), Partner dank breiter Mehrheiten einfach zu übergehen. die 2,9% der Wähler für sich gewinnen konnte. Der letztlich erreichten kleinstmöglichen Mehr- Romano Prodi war völlig bewusst, mit welch’ hete- heit steht eine große Spannbreite der Positionen rogener Koalition er die Regierungsübernahme auf wichtigen Politikfeldern gegenüber.
10 FES-Analyse: Italien Wirtschafts- und Sozialpolitik Umweltpolitik In der Wirtschafts- und Sozialpolitik verläuft die Die gleiche Konfliktlinie kennzeichnet die Umweltpo- Konfliktlinie zwischen den Mitte-Parteien und der litik. Im Wahlkampf bestand weitgehende Einigkeit gemäßigten Linken der DS einerseits, der so über die Ablehnung des von Berlusconi angeschobe- genannten „antagonistischen“ Linken der beiden nen Prestigeprojekts der Brücke von Messina, die in Kommunistischen Parteien und der Grünen ande- Zukunft Sizilien mit dem Festland verbinden sollte. rerseits. Rhetorisch können sich beide Lager auf die Die Prodi-Allianz lehnte dieses mit sechs Milliarden Formel „Sanierung, Gerechtigkeit, Innovation“ eini- Euro veranschlagte Projekt als zu teuer und umwelt- gen, in der konkreten Ausgestaltung aber drohen im- schädlich ab. Andere Infrastrukturprojekte dagegen mer wieder Konflikte, die zum Beispiel in den wurden im Wahlprogramm gar nicht angesprochen – Herbstmonaten 2006 die Diskussion und Verabschie- weil es keinen Konsens gab. Die größte Sprengkraft dung des Staatshaushaltes 2007 zum für die Mitte- könnte die Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke Links-Wähler völlig unverständlichen Hin und Her Turin-Lyon entfalten, die durch das Alpental Val di über Steuersenkungen und -erhöhungen machten. Susa führen soll. Grüne und Kommunisten mobilisie- Ein zentrales Feld der Auseinandersetzung war da- ren gemeinsam mit der Mehrheit der örtlichen Bevöl- bei die Frage, wie weit die steuerliche Entlastung der kerung gegen das Projekt, während das Gros der Mit- Unternehmen gehen sollte. Prodi hatte eine solche te-Links-Koalition die Hochgeschwindigkeitsstrecke Entlastung im Wahlkampf in Aussicht gestellt, um die für unverzichtbar hält. Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen. Die Rede war von einer Senkung der Lohnnebenkos- ten um 5% (gerechnet als Anteil der gesamten Lohn- Außenpolitik kosten). Am Ende fand die Koalition einen Kompro- miss, der 60% der Absenkung den Unternehmen zu- In der Außenpolitik ist zwischen den Koalitions- gute kommen ließ, während die restlichen 40% in die parteien die Abkehr vom Kurs der Regierung Ber- Senkung der Einkommenssteuer für die unteren und lusconi unstrittig. Berlusconi hatte einerseits im Irak- mittleren Einkommensgruppen flossen. Konflikt auf einen engen Schulterschluss mit der Weiterhin umstritten ist die Frage der Rentenre- Bush-Administration gesetzt; andererseits hatte die form. Der linke Flügel der Koalition und die Gewerk- Rechtsregierung die traditionell sehr pro-europäische schaften wollen jede Regelung vermeiden, die zum Haltung aller italienischen Regierungen der letzten Beispiel auf eine Erhöhung des Renteneintrittsalters Jahrzehnte zugunsten eines europaskeptischen Kurses hinausläuft. Linksdemokraten und Margherita halten verlassen. dagegen eine solche Reform noch im Jahr 2007 für Immer wieder wurde diese Kursänderung zudem unabweisbar. mit kaum verhüllten Polemiken gegen die „Achse Pa- Schließlich drohen weitere Konflikte auf dem Feld ris-Berlin“ unterfüttert. Berlusconi, der seine An- der Arbeitsmarktpolitik. In Italien gibt es mittlerweile sprechpartner in Europa spätestens mit Ausbruch des etwa 2,5 Millionen so genannte prekäre Beschäfti- Irak-Krieges in Blair und Aznar sah, brachte die Be- gungsverhältnisse. Vor allem die Regierung Berlusco- ziehungen zu Frankreich und Deutschland auf einen ni hatte mit ihren Gesetzen eine weitgehende Flexibi- Tiefpunkt. Der Eklat um Berlusconis Auftritt im Eu- lisierung des Arbeitsmarktes durchgesetzt. Der linke ropäischen Parlament im Juli 2003 – als er den deut- Flügel der Prodi-Koalition fordert jetzt – unter dem schen Sozialdemokraten Martin Schulz als „Kapo“ Schlagwort „Abschaffung der Berlusconi-Gesetze“ – schmähte – machte weltweit die Verschlechterung der eine drastische Eingrenzung der flexiblen Beschäfti- deutsch-italienischen Beziehungen deutlich. gungsverhältnisse. Linksdemokraten und Margherita In der Abkehr von diesem Kurs weiß Romano Pro- dagegen denken an punktuelle Korrekturen dieser Ge- di die gesamte Koalition hinter sich. Wie vor dem setze, um die Stellung der prekär Beschäftigten zu Amtsantritt Berlusconis im Jahr 2001 gilt auch nach verbessern, ohne jedoch die Flexibilität des Arbeits- dem Regierungswechsel 2006 wieder: Italien sieht die marktes zu beseitigen. wichtigsten außenpolitischen Partner in Deutschland und Frankreich. Politischen Konfliktstoff mit der Bundesregierung gibt es mit Ausnahme der Frage des ständigen Sitzes im UN-Sicherheitsrat in keinem rele-
FES-Analyse: Italien 11 vanten Punkt. Wie Deutschland setzt Italien unter Eine „Demokratische Partei“ als Lösung? Prodi nicht zuletzt auf die Wiederaufnahme des Ver- fassungsprozesses in Europa. Und Vertreter der italie- Zusätzliche Brisanz erhalten diese inhaltlichen Di- nischen Regierung knüpfen daran immer wieder den vergenzen in der Koalition mit einer Fülle von expliziten Hinweis, dass sie die Bundesregierung als Partnern, die kaum ein italienischer Bürger aufzu- wohl wichtigsten Partner bei neuen Schritten zur eu- zählen weiß, durch das Problem der „Sichtbar- ropäischen Integration betrachten. keit“. Unabhängig von inhaltlichen Positionen Unstrittig war in der Koalition auch der im De- müssen die Parteien täglich um die ihnen gebüh- zember 2006 beschlossene Abzug des 3000 Solda- rende Rolle in der Koalition kämpfen. Dies führt zu ten starken italienischen Kontingentes aus dem Spannungen zwischen den wichtigen Lagern der Koa- Irak. Die verbleibenden internationalen Missionen lition, der radikalen Linken einerseits, der gemäßigten unter italienischer Beteiligung bergen großen Kon- Linken und den Mitte-Kräften andererseits. Es führt fliktstoff für die Koalition: Über die erneute Ab- aber auch zu Konflikten in diesen Lagern. So rivali- stimmung zur Fortsetzung des Afghanistan- Einsatzes war die Koalition im März 2007 fast zer- sieren die beiden Kommunistischen Parteien heftig brochen, als mehrere Abgeordnete gegen den miteinander, und auch das Verhältnis zwischen DS Verbleib in Afghanistan gestimmt hatten und der und Margherita ist von kontinuierlicher Rivalität in Ministerpräsident zurückgetreten war. Die Mehr- der Auseinandersetzung um die Vorherrschaft ge- heit im Senat konnte Prodis Mitte-Links-Bündnis prägt. nur dank den Stimmen der oppositionellen Christ- Vor diesem Hintergrund waren unmittelbar nach demokraten der UDC gewinnen. der Regierungsbildung skeptische Stimmen zu hören, Die Parteien am linken Rand hatten in den Jahren der die der Regierung höchstens einige Monate Lebens- Regierung Berlusconi regelmäßig gegen die Mission zeit zutrauten und ein Scheitern spätestens mit den in Afghanistan votiert und fordern weiterhin einen Rückzug Italiens. Prodi konnte im Sommer 2006 eine Haushaltsberatungen vom November/Dezember prog- Niederlage im Senat – acht Senatoren seiner Koalition nostizierten. Zum schnellen Untergang ist es jedoch drohten gegen die Mission zu stimmen – nur durch nicht gekommen. Stellung der Vertrauensfrage vermeiden. Stattdessen konnte die Regierung einige für sie wichtige politische Erfolge verbuchen. Ihr gelang es, Italien wieder ins Konzert der europäischen Mächte zurückzuführen und das internationale Bürgerrechte Gewicht des Landes mit der Übernahme einer zentralen Rolle in der UN-Mission im Libanon zu Völlig anders verlaufen dagegen die Konfliktlinien erhöhen. Außerdem gelang ihr die Verabschiedung auf dem Feld der Bürgerrechte. Hier präsentieren eines Haushaltes, der das Defizit des Landes, das sich große Teile der Mitte-Partei „Margherita“ 2006 noch bei über 5% lag, im Jahr 2007 auf vor- unter Francesco Rutelli ebenso wie die christde- aussichtlich nur noch 2,8% zurückführen wird. mokratische UDEUR unter Justizminister Clemen- Romano Prodis numerische Schwäche im Parla- te Mastella sehr vatikannah. Diese Kräfte wollen ment hat sich zumindest in dieser ersten Phase als po- höchstens sehr vorsichtige Reformen auf dem Feld litische Stärke erwiesen. Allen Koalitionspartnern ist etwa gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften klar, dass ihre Regierung nur diese eine Chance hat hinnehmen, während die gemäßigte ebenso wie die und dass nach einem Scheitern unweigerlich Neuwah- radikale Linke für entschlossene Lösungen nach dem len folgen würden, die einen sicheren Sieg Berlusco- Vorbild der meisten anderen europäischen Länder ein- nis über die dann als Versager-Bündnis dastehende treten. Die Katholische Kirche hat – nicht nur in Mitte-Links-Koalition mit sich brächten. Dennoch Gestalt der italienischen Bischofskonferenz, sondern stellt sich die Frage, ob die dünne Mehrheit Prodis zu auch die Kurie und Papst Benedikt XIV selbst – den mehr reicht als zum politischen Überleben. Schon in Ton in den letzten Monaten drastisch verschärft. Da- den Jahren 1996-2001 hatte die Mitte-Links-Allianz her ist kaum zu erwarten, dass die katholischen Kräfte trotz knapper Mehrheit – und nicht zuletzt aus Angst in der Koalition einen Kompromiss mittragen, der vor vorgezogenen Wahlen – überdauert, ohne sich den nicht-eheliche Lebensgemeinschaften mit der Ehe zi- Wählern aber als geeintes Bündnis mit überzeugender vilrechtlich weitgehend gleichstellt. Perspektive darzustellen.
12 FES-Analyse: Italien Prodi setzt aus diesem Grund weiterhin vor allem auf kratischen Partei Europas (SPE) an. Ein Austritt aus das Projekt einer Demokratischen Partei. Seit den diesen Organisationen würde von großen Teilen der Wahlen erscheint dieses Projekt nicht zuletzt deshalb Basis als Verrat an der eigenen Identität verstanden; in realistisch, weil es relativ erfolgreich war: Die ge- der Folge würden die Gegner der Demokratischen meinsame „Ölbaumliste“ aus DS und Margherita er- Partei weiteren Zulauf erhalten. Der DS-Vorsitzende reichte im Abgeordnetenhaus 31,3% Wiederholung Piero Fassino hat andererseits bisher immer erklärt, von Seite 9, während die Summe der beiden separaten die neue Partei werde selbstverständlich in der Fami- Listen von DS und Margherita im Senat nur 28,2% lie der Sozialistischen Parteien verbleiben. Führende ergibt. Vertreter der Margherita dagegen – die ja oft genug Eine neue Partei würde erstens zu einer bei wei- eine christdemokratische Vergangenheit haben – be- tem größten Mitte-Links-Partei mit 30-35% füh- kundeten auch auf ihrem Parteitag im April 2007, sie ren; sie würde zweitens das Problem der Dauerri- könnten sich keinesfalls vorstellen, auf dem Umweg valität zwischen DS und Margherita lösen; und sie der internationalen Zugehörigkeit zu Sozialisten zu würde drittens dem bisher parteilosen Prodi end- mutieren. lich eine politische Heimat verschaffen. Bisher Weitere große Probleme entstehen auf dem Feld wollen zwar sowohl die Parteiführungen als auch der politischen Identität. In der Margherita beziehen Prodi dieses Projekt – hinter diesem Willen steht zahlreiche Politiker offen klerikale Positionen und aber eher kühles politisches Kalkül anstatt einer machen aus ihrer Nähe selbst zu Organisationen wie neuen politischen Identität und eines einigenden dem Opus Dei keinen Hehl. Diese Politiker, die sich Gemeinschaftsgefühls nötigen politischen Passion. zum sogenannten „Teo-Dem“-Flügel der vatikantreu- Im Oktober 2006 kam es zu einer ersten großen en Demokraten zusammengeschlossen haben, reagie- Konferenz der beiden Parteien in Orvieto. Dort einig- ren mit großer Aggressivität auf Vorschläge etwa zur ten sie sich auf einen Fahrplan zur Parteigründung. In Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensgemein- einem zweiten Schritt beschlossen die im April 2007 schaften – und sind für die Anhänger der DS ein rotes parallel abgehaltenen Parteitage der DS und der Mar- Tuch. Bei den Linksdemokraten hatte sich vor diesem gherita die Einleitung der „konstituierenden Phase“ Hintergrund breiter innerparteilicher Widerstand ge- für die Demokratische Partei, die mit der Wahl der gen das Projekt formiert. Der linke Parteiflügel (mit Konstituierenden Versammlung voraussichtlich im etwa 15% der Mitglieder) lehnte den Zusammen- Oktober 2007 angegangen werden soll. Im Jahr 2008 schluss rundheraus ab. soll dann die eigentliche Parteineugründung erfolgen, Schon der Beschluss, die DS in die Demokratische damit bei den Wahlen zum Europäischen Parlament Partei überzuführen, hatte schließlich auf dem Partei- 2009 eine erste Kandidatur der Demokratischen Partei tag im April zum Auszug der linken Minderheit eben- möglich wird. Offen ist aber weiterhin, in welcher so wie einiger Skeptiker auch aus der Parteimitte ge- Form das Projekt realisiert wird: Als „Föderation“ führt. In der Folge konstituierte sich diese Minderheit zwischen DS und Margherita, in der beide Parteien als „Sinistra Democratica“ (SD) – „Demokratische zunächst unter einem Dach fortexistieren, oder in der Linke“ – und erklärte, statt der Gründung einer De- Form einer Fusion. mokratischen Partei müsse das Ziel die Zusammen- Sicher ist aber eines: Ein Scheitern des Projek- führung der versprengten linken Kräfte in der Prodi- tes wäre katastrophal, da Ministerpräsident Ro- Koalition sein. Zu der abgespaltenen Gruppierung mano Prodi genauso wie die Führungen der beiden unter Führung von Wissenschaftsminister Fabio Mus- Parteien die Neugründung zur strategischen Vor- si zählen 21 Abgeordnete und 12 Senatoren, die mitt- aussetzung der Zukunftsfähigkeit der Koalition lerweile eigene Fraktionen bildeten. Die SD hat inten- erklärt haben. Im Falle eines Misserfolges müssten sive Kontakte einerseits zu der Kleinpartei der Sozia- sie mit einem kaum gutzumachenden Verlust ihrer listen, andererseits zu den beiden Kommunistischen politischen Glaubwürdigkeit leben. Parteien in der Prodi-Allianz geknüpft. Dies markiert Sicher ist jedoch auch, dass das Gründungspro- ihren politischen Widerspruch: Einerseits erklärt die jekt noch große Hürden zu überwinden hat. Diese SD, sie sei beim Projekt der Demokratischen Partei beginnen bei der Frage der internationalen Zugehörig- nicht dabei, weil diese Neuschöpfung automatisch den keit der Partei. Die Linksdemokraten gehören der So- Bruch mit der internationalen Familie der Sozialisti- zialistischen Internationale (SI) und der Sozialdemo- schen und Sozialdemokratischen Parteien mit sich
FES-Analyse: Italien 13 bringen müsse – in dieser Logik wäre das Zusammen- Flügels sowie der Kommunisten begleitet wäre. gehen mit den Sozialisten, die allerdings nur auf 2% Statt ein gestärktes Zentrum der Koalition mit sich kommen, zwingend. Andererseits aber hat die SD, die zu bringen, könnte dieses Szenario zu dem parado- sich fast vollständig aus dem linken Flügel der DS xen Resultat einer Stärkung des „antagonistisch- rekrutiert, politisch weit mehr Berührungspunkte mit linken Flügels der Prodi-Koalition führen. den beiden Kommunistischen Parteien – und so ist • Ein völliges Scheitern, etwa weil die Frage der in- durchaus die ironische Wendung vorstellbar, dass die ternationalen Zugehörigkeit der neuen Partei keiner Dissidenten im Namen des europäischen Sozialismus befriedigenden Lösung zugeführt werden kann. am Ende eine Einheitsliste mit den Kommunisten Jenseits der Frage, welches dieser Szenarien am Ende schaffen. Realität werden wird, ist aber jetzt schon gewiss, dass Vor diesem Hintergrund sind drei mögliche der Gründungsprozess die Koalition Prodis weiteren Szenarien denkbar: Belastungen aussetzen wird. Es ist kaum denkbar, • Ein Erfolg des Gründungsprojektes: Er wäre dann dass die zu erwartenden harten Auseinandersetzungen gegeben, wenn das Gros der Margherita sowie der auf der Linken der Koalition zwischen der DS und der DS den Zusammenschluss mittrügen und weitere abgespaltenen SD, womöglich aber auch zwischen DS bisher nicht an Parteien gebundene Kräfte der ge- und Margherita, ohne Folgen für das Koalitionsklima mäßigten Linken gewinnen könnten – und wenn die bleiben, auch wenn sie unmittelbar mit der Politik der neue Kraft bei Wahlen auf über 30% käme. Regierung nichts zu tun haben. • Ein Teilerfolg: Er läge dann vor, wenn die Grün- Doch womöglich hat Prodi einen wertvollen dung zwar erfolgte, aber von der Schaffung einer Alliierten: die italienische Rechte. Denn sie ist in starken Einheitsliste auf der Linken der Koalition der Frage der Zukunft des Oppositionsbündnisses unter Beteiligung des von der DS abgespaltenen tief gespalten. Die Perspektiven der italienischen Rechten Auf dem Papier ist Italiens Rechte unbeschädigt aus ten Blick korrespondiert die anscheinende Stärke den letzten Wahlen hervorgegangen, auch wenn diese der Opposition mit einer von Beginn an als den Verlust der Regierung mit sich brachten. Das un- schwach wahrgenommenen Regierung Prodi. erwartet gute Resultat führte zu einer Situation, in der Bei näherem Hinsehen aber erscheint ein die Rechte als das Lager dastand, das verloren hatte, schnelles Scheitern der Koalition und eine Rück- ohne jedoch wirklich besiegt worden zu sein, und das kehr Berlusconis an die Macht eher unwahrschein- weiterhin und ohne jeden Einbruch die Hälfte der lich. Silvio Berlusconi ist mittlerweile 70 Jahre alt, Wählerschaft hinter sich wusste. Anders als die Linke eine realistische Perspektive der Rückkehr an die Re- nach ihrer Niederlage 2001 zeigte denn auch Italiens gierung hätte er nur, wenn die Mitte-Links-Allianz Rechte – die Politiker genauso wie die Anhänger- schnell scheitert – eben dies wollen aber zwei der Op- schaft im Land – keinerlei Zeichen politischer Demo- positionsparteien nicht. Gianfranco Fini, Chef der ralisierung. Einen eindrucksvollen Beleg ihrer Stärke postfaschistischen Alleanza Nazionale (AN), rechnet lieferte sie mit ihrer Massendemonstration vom 2. De- sich ebenso Chancen auf die Spitzenkandidatur der zember 2006 in Rom. Die genannte Teilnehmerzahl italienischen Rechten aus wie Pierferdinando Casini, von zwei Millionen war zwar kräftig übertrieben, se- Leader der christdemokratischen UDC; Chancen, die riöse Schätzungen aber sprechen von 400.000 bis jedoch reifen müssen. Deshalb haben weder Fini noch 700.000 Demonstranten. Und auch die Meinungsum- Casini Interesse an einer schnellen Regierungskrise fragen sahen die Rechte zum Ende des Jahres 2006 mit Neuwahlen, die als Rechtskandidaten nur Berlus- mit 52-55% wieder deutlich in Führung. Auf den ers- coni sehen könnten.
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