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INTERNATIONALE POLITIKANALYSE

  Trump »mauert« und aktualisiert
            die Monroe-Doktrin
Die Beziehungen zwischen Lateinamerika und den USA

                                                              WOLF GRABENDORFF
                                                                       April 2018

   n Lateinamerika hat keine außenpolitische Priorität für die Trump-Administration,
     da dort im Gegensatz zu anderen Weltregionen kaum strategische Interessen der
     USA betroffen sind. Dennoch sind Rücksichtnahmen auf innenpolitische Interes-
     sengruppen für das außenpolitische Profil gegenüber Kolumbien, Kuba, Mexiko
     und Venezuela deutlich erkennbar. Eine hemisphärische Strategie, wie sie frühere
     US-Präsidenten zur Absicherung der eigenen Weltmachtrolle entwickelt haben, ist
     angesichts des America first-Konzepts von Präsident Trump nur in Ansätzen als Ab-
     wehrstrategie erkennbar.

   n Trotz der aggressiven und rassistischen Rhetorik von Präsident Trump ist die effek-
     tive US-Außenpolitik in der Region von Kontinuität hinsichtlich der bilateralen und
     multilateralen Maßnahmen der Obama-Administration geprägt. Die konservativen
     Entwicklungsmodelle in vielen Staaten Lateinamerikas erlauben den USA die Fort-
     führung traditioneller Beziehungsmuster.

   n Der Verlust an internationaler Glaubwürdigkeit und politischer Berechenbarkeit der
     USA ist in Lateinamerika seit dem Amtsantritt von Präsident Trump deutlich spürbar.
     Abwehrreaktionen sind in der Region bisher nur bei der Migrations- und der Han-
     delspolitik sowie hinsichtlich der Interventionsandrohung in Venezuela erkennbar.
     Demgegenüber hat die Bereitschaft, in allen Bereichen der öffentlichen Sicherheit
     enger mit den USA zusammenzuarbeiten, drastisch zugenommen.

   n Lateinamerikas geopolitische Situation hat sich im letzten Jahrzehnt erheblich ver-
     ändert. Die Orientierung nach Asien hat zu einem offensichtlichen Modellverlust für
     die westliche Staatengemeinschaft geführt, von dem nicht nur die USA, sondern
     vor allem auch die EU betroffen sind. Neben dem drastisch gestiegenen Einfluss
     transnationaler Akteure sind es insbesondere China und Russland, die deutlich an
     politischem Gewicht gewonnen haben.
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN

Inhalt

         Das gewandelte Gesicht und Gewicht Lateinamerikas gegenüber den USA .  .  .  .  .  .  .  .  . 3

         Die USA unter Trump: Empfindlichkeiten in der nationalen Politik
         gegenüber den »südlichen Nachbarn«�������������������������������������������������������������������������������4

         Geopolitischer Druck auf wichtige Staaten im Karibischen Becken���������������������������������5
           Mexiko – gravierende Nachbarschaftsprobleme �����������������������������������������������������������������6
           Kolumbien – Strategischer Partner trotz Druck aus Washington�������������������������������������������7
           Kuba – wenig Spielraum nach innen und außen�����������������������������������������������������������������7
           Venezuela – ein lange unterschätztes Regionalproblem�������������������������������������������������������8

         Hegemonieverlust der USA und geopolitische Spannungen in Lateinamerika �������������9
           China – der neue Elefant in der Region����������������������������������������������������������������������������� 10
           Russland – ein wiederentdecktes Feindbild ����������������������������������������������������������������������� 11

         Kann die EU ihre traditionellen Perzeptionen von Lateinamerika aktualisieren? ������� 11

         Ausblick ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 13
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN

  Das gewandelte Gesicht und Gewicht                            her eher wenig verändert hat. Die von verschiedenen
   Lateinamerikas gegenüber den USA                             US-Administrationen beschworenen »hemisphärischen
                                                                Gemeinsamkeiten« wurden von der Trump-Regierung
Die Beziehungen der USA zu ihren südlichen Nachbarn             bisher nur wenig betont. Stattdessen wurde zunächst
gehören zu den schwierigsten Feldern ihrer internatio-          einer unilateralen Politik vor einem multilateralen An-
nalen Präsenz. Neben den augenfälligen Asymmetrien              satz – selbst in der dramatischen Venezuela-Krise – der
an politischer Macht und gesellschaftlichem Wohlstand           Vorzug gegeben. Auch die Aktivitäten der Organisation
sind es vor allem die sehr unterschiedlichen politischen        Amerikanischer Staaten (OAS) wurden bisher weder aus-
Kulturen in den beiden Amerikas, welche die Nachbar-            reichend unterstützt noch wurde die interamerikanische
schaftsbeziehungen zu einem besonders komplizierten             Organisation in ihren Bemühungen zur Konfliktbeile-
Politikfeld gemacht haben. Nicht nur gegenüber den di-          gung politisch gestärkt.
rekten Nachbarn wie Mexiko und den karibischen Staa-
ten, sondern auch gegenüber der ganzen Region haben             Es passt in die America first-Strategie von Präsident Trump,
sich innenpolitisch motivierte Politikansätze immer mit         die vor allem auf Bilateralismus ausgerichtet ist, dass mit
außen- und sicherheitspolitischen Strategien vermischt          einer umfangreichen Regionalstrategie wie der »Allianz
und damit schwer regulierbare intermestic effects in den        für den Fortschritt« zu Zeiten von Präsident Kennedy, dem
sehr unterschiedlichen Gesellschaften hervorgerufen.            »Krieg gegen die Drogen« von Präsident Nixon oder der
Verstärkt wurden diese Effekte noch durch die jeweiligen        Ankündigung einer gesamtamerikanischen Freihandelszo-
politischen Eliten der lateinamerikanischen Staaten, von        ne von Präsident Bush während der derzeitigen Präsident-
denen die einen den US-Führungsanspruch akzeptieren,            schaft nicht zu rechnen sein dürfte. Wichtige Elemente
die anderen diesen Einfluss hingegen reduzieren möchten         der traditionellen Lateinamerikapolitik der USA, wie die
(Merke 2011: 21). Gerade die für Lateinamerika zentralen        Förderung von Freihandelsabkommen, die Unterstützung
Politikbereiche wie Handels-, Umwelt- und Migrations-           von multilateralen Organisationen oder die Förderung de-
politik sind auch für US-Präsident Trump die bestimmen-         mokratischer Prozesse, werden von Präsident Trump so-
den Themen – sowohl gegenüber seinen Wähler_innen               gar weltweit als außenpolitische Strategien abgelehnt. Sie
als auch in seiner internationalen Positionierung (Samper       kommen in Lateinamerika aber dennoch zumindest teil-
2017: 2). Dadurch ist ein permanenter Interessenkonflikt        weise zur Anwendung, da sie als Basis für eine erfolgver-
in der westlichen Hemisphäre geradezu unvermeidbar.             sprechende Zusammenarbeit zumindest mit einigen Staa-
                                                                ten der Region dienen sollen, vor allem zur Isolierung von
Aufgrund seiner geografischen Nähe wird Lateinamerika           Venezuela und Kuba sowie als Abwehr des gestiegenen
häufig als wichtigste Region für den Wohlstand und die          geopolitischen Gewichts von China und Russland.
Sicherheit der USA angesehen (Ellis / Ortiz 2017: 1). Die
mit dieser Nähe verbundenen Migrationswellen haben              Gerade die schroffe Ablehnung des Multilateralismus
schon lange vor Präsident Trump zu einer besonderen             durch US-Präsident Trump dürfte auf die Haltung einiger
geopolitischen Sensibilität in den USA gegenüber Latein-        lateinamerikanischer Regierungen einen bleibenden Ein-
amerika geführt. Die jüngste Phase dieser schwierigen           druck hinterlassen und damit die ohnehin stagnierenden
Beziehungen fällt zusammen mit dem Führungsverlust              regionalen Integrations- bzw. Kooperationsbemühun-
der USA auf globaler Ebene und den Abschottungs-                gen weiter schwächen. Stattdessen wollen die USA den
tendenzen der bisherigen Führungs- und Vormacht der             Rückgang der wirtschaftlichen Beziehungen, der zum
liberalen Weltordnung, deren Präsident deutlich herab-          Teil mit dem Ende des Rohstoffbooms im Zusammen-
setzende und rassistische Charakterisierungen für die           hang steht, durch eine Überprüfung der multilateralen
Bewohner_innen südlich des Rio Grande gefunden hat.             (Mexiko und Zentralamerika) sowie der bilateralen Frei-
                                                                handelsabkommen (Chile, Peru, Kolumbien) aufhalten
Diese Entwicklung hat sowohl die eher kritischen als            bzw. umkehren. Die Kriterien dafür hat Trump sehr prä-
auch die positiv gegenüber den USA gesinnten Latein-            zise formuliert: Der Außenhandelsüberschuss solle nun
amerikaner_innen außerordentlich verunsichert, sodass           aufseiten der USA anfallen.
die Präsidentschaft Trumps in der Region vielfach als
historische Wende betrachtet wird, obwohl sich in den           Trumps Konzept des America first bezieht sich aber kei-
wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen bis-            nesfalls nur auf nationale Interessen, sondern durchaus

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WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN

auch auf die wirtschaftlichen Interessen bestimmter Un-          ner Mauer entlang der Grenze zu Mexiko dazu dienen,
ternehmen mit direktem Zugang zum Präsidenten oder               die »offene Grenze« nach Süden nicht nur gegen Mi-
seinen Berater, wie eine Reihe von außenwirtschaft-              grant_innen, sondern auch gegen Drogenschmuggel
lichen Einzelentscheidungen in den letzten Monaten               dauerhaft zu sichern. So steht die Furcht vor dem Ȇber-
gezeigt hat. Da der nordamerikanische Markt für viele            schwappen« der in der Region weit verbreiteten orga-
lateinamerikanische Staaten weiterhin von zentraler Be-          nisierten Kriminalität, der damit verbundenen Zunahme
deutung ist, werden alle regionalen Handelspartner nun           an Gewalt sowie der reduzierten Staatlichkeit, die dann
versuchen, durch Deals, also einem Entgegenkommen in             wiederum zu erhöhtem Migrationsdruck führen würde,
anderen Politikfeldern, die der Regierung Trump wichtig          im Mittelpunkt der wenigen Lateinamerika-Initiativen in
sind, Handelsvorteile zu erreichen bzw. zu verteidigen.          Washington.

Trotz der Absicht des ehemaligen US-Außenministers               Aus Sicht der betroffenen Staaten Lateinamerikas han-
Rex Tillerson, sich stärker in Lateinamerika zu engagieren       delt es sich dabei freilich auch um ein zentrales Problem
und eine regionale Allianz gegen Venezuela und Kuba              des jeweiligen Finanzhaushalts. So betrugen allein 2017
zu schmieden, überlässt das State Department die Regi-           die Rücküberweisungen der lateinamerikanischen Mig-
onalkompetenz in Washington weitgehend dem Stabs-                rant_innen in ihre Ursprungsländer etwa 75 Mrd. US-
chef im Weißen Haus, dem früheren Kommandanten                   Dollar. Für Mexiko machen diese Zahlungen zwar nur
des für Lateinamerika zuständigen U. S. Southern Com-            2,7 des BNE aus, für einige Staaten Zentralamerikas aber
mand, General John F. Kelly. Seine Erfahrungen in der            zwischen 10 und 20 Prozent; für Haiti sogar 33 Prozent
regionalen Sicherheitskooperation, auch während sei-             (Orozco 2018: 1). Die verschiedenen Ausweisungsan-
ner Zeit als Chef des Heimatschutzministeriums, prägen           drohungen der Trump-Regierung aufgrund der ange-
zahlreiche bilaterale Initiativen der Trump-Regierung. So        kündigten Beendigung spezieller Schutzprogramme für
sind die USA in der Region nicht auf Partnersuche für ge-        Migrant_innen aus El Salvador, Nicaragua, Honduras
meinsame Entwicklungsprogramme, sondern versuchen                und Haiti im Laufe von 2018/19 könnten neben dem zu-
für ihren Kampf gegen Drogen und Terrorismus – oft               künftigen Ausbleiben dieser privaten Finanzströme vor
ohne Rücksicht auf endogene Modelle –, vor allem Mili-           allem die fragile wirtschaftliche und soziale Situation in
tär, Polizei und Geheimdienste der einzelnen Länder für          den betroffenen Staaten erheblich gefährden und damit
eine intensivere Zusammenarbeit zu gewinnen.                     den Anstieg von Gewalt und organisierter Kriminalität
                                                                 zusätzlich ausweiten (Feinberg 2017).

Die USA unter Trump: Empfindlichkeiten                           Wie verantwortungslos US-Präsident Trump mit dem
in der nationalen Politik gegenüber den                          Schicksal von mehreren hunderttausend Menschen um-
                  »südlichen Nachbarn«                           geht, wenn es sich um Migrant_innen handelt, lässt sich
                                                                 auch an der hitzigen innenpolitischen Diskussion um die
Aus Sicht der Trump-Regierung steht die »Chaosmacht«             Zukunft der sogenannten Dreamers ablesen. Das Schick-
Lateinamerikas im Vordergrund aller politischen Überle-          sal dieser etwa 800.000 als Kinder in die USA gelangten
gungen. Seit dem Beginn des Wahlkampfs war die Ein-              Migrant_innen, die inzwischen zumeist in Ausbildung
dämmung der Migration das zentrale Thema, das bereits            bzw. Arbeit sind und von Präsident Obama unter beson-
von der Obama-Regierung weitgehend geprägt worden                deren Schutz vor der Ausweisung gestellt worden wa-
war und seither zu millionenfachen Abschiebungen –               ren, hat Präsident Trump im Januar 2018 erfolglos als
vor allem nach Mexiko und Zentralamerika – sowie in              Faustpfand für einen großen Deal mit dem US-Kongress
2017 zu einem Rückgang von etwa 30 Prozent der ille-             zu benutzen versucht, um die Finanzierung seines Mau-
galen Einwanderung an der Grenze mit Mexiko geführt              erprojekts an der Grenze mit Mexiko zu realisieren, so-
hat. Eine massive Rückführung des als illegal bezeichne-         fern der US-Kongress diesem fragwürdigen, aber zentra-
ten Teils der sogenannten Hispanics, die mit 18 Prozent          len Projekt seiner Amtszeit zustimmen sollte.
die größte und am schnellsten wachsende Minderheit
der US-Bevölkerung darstellen (Grabendorff 2016: 2),             Das damit verbundene Konzept der Abschottung wider-
gilt für Trump als Maßnahme der nationalen Sicherheit.           spricht nicht nur der noblen Tradition der USA, ein Ein-
Ebenso soll der von ihm pausenlos geforderte Bau ei-             wanderungsland zu sein, sondern stellt auch die ganze

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Region – keineswegs nur Mexiko – unter »Unterwande-                In Handelsfragen setzt die Trump-Administration vor al-
rungsverdacht« und sieht damit in der Nachbarschaftsre-            lem auf bilaterale Verhandlungen, die sich oft nur auf
gion eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Diese Gefah-        wenige Produkte beziehen und den Einfluss bestimm-
renperzeption beruht einerseits auf dem zunehmenden                ter US-Interessengruppen deutlich erkennen lassen. Der
politischen und wirtschaftlichen Gewicht der Hispanics in          Ausstieg der USA aus dem schon weit fortgeschrittenen
den USA, andererseits aber auch auf den neuen politisch            Trans-Pacific-Partnership-Abkommen (TPP) hat bei des-
geprägten Wanderungsbewegungen aus Zentralamerika                  sen lateinamerikanischen Mitgliedern generell eine große
und Venezuela sowie auf der zu erwartenden »Umwelt-                Verunsicherung hinsichtlich multilateraler Handelsverein-
migration« von den Karibischen Inselstaaten.                       barungen mit den USA hinterlassen und vor allem in Me-
                                                                   xiko weitreichende Befürchtungen über die möglichen
Während die historische »Arbeitsmigration« aus Mexiko              »Kosten« der Modernisierungsverhandlungen des North
in den letzten Jahren eher rückläufig war, besteht in der          American Free Trade Agreement (NAFTA) hervorgerufen.
Trump-Administration nun die Furcht vor neuen Einwan-              Neue bilaterale Handelsabkommen gelten in Washington
derungswellen, die Kriminelle, Drogenhändler_innen                 mit Blick auf das ausufernde eigene Außenhandelsdefi-
und vielleicht sogar Terrorist_innen umfassen könnten.             zit – trotz des erkennbaren Interesses von Argentinien,
Dies entspricht der traditionellen Sichtweise zahlreicher          Brasilien, Ecuador und Uruguay – zurzeit als nicht aktuell.
republikanischer Präsidenten auf Lateinamerika, die                Nicht zuletzt aus diesem Grund haben Argentinien und
vor allem drei Gefahren für die USA betont: eine sich              Brasilien die Kritik der Regierung Trump an ihren umfang-
über den Drogenhandel hinaus etablierende organisier-              reichen Handelsbeziehungen mit China und Russland
te Kriminalität, eine begrenzte Staatlichkeit, die diese           scharf zurückgewiesen.
Entwicklung erleichtert, wenn nicht sogar fördert, und
das mögliche Szenario eines transnationalen Terrorismus
(Russell / Tokatlian 2009: 236).                                   Geopolitischer Druck auf wichtige
                                                                   Staaten im Karibischen Becken
Dass die organisierte Kriminalität vor allem auf Grund der
Drogennachfrage in den USA, über den Drogenanbau                   Die Beziehungsmuster der Trump-Regierung folgen
und den Drogenhandel erst zu einer wirklichen Gefahr               einer bilateralen Logik und konzentrieren sich auf die
für die staatliche Stabilität in einigen Teilen Lateinameri-       »Konfliktstaaten« im Karibischen Becken: Mexiko, Ko-
kas werden konnte, bleibt in diesen Bedrohungsszenari-             lumbien, Kuba und Venezuela. Ein gleiches Maß an
en freilich unerwähnt. Gleichzeitig dürfte dieser immer            politischer Aufmerksamkeit erreichte in Washington
wieder betonte Generalverdacht gegenüber den Nach-                 nur Argentinien, da der dortige Wechsel des Entwick-
barn im Süden zu einer Dauerbelastung der regionalen               lungsmodells und Führungsstils als positiv für die US-
Beziehungen führen – weitgehend unabhängig von not-                Interessen wahrgenommen wurde, während die einzige
wendigen Anpassungsprozessen und möglichen Verbes-                 Großmacht Lateinamerikas, Brasilien, in der Öffentlich-
serungen in einigen der bilateralen Beziehungen.                   keit bisher wenig Beachtung durch die Regierung Trump
                                                                   gefunden hat.
Die Hispanics werden vor allem von den weißen Wäh-
ler_innen Präsident Trumps für die extrem hohen Ar-                Mit der offensichtlichen Ausnahme von Kuba und Ve-
beitsplatzverluste im letzten Jahrzehnt verantwortlich             nezuela haben sich alle Präsidenten der Region rasch
gemacht, obwohl der Hauptteil dieser Verluste freilich             um persönliche Kontakte zu Trump bemüht und früh
auf die bewusste Verlagerung der Arbeitsplätze durch               erkannt, dass die Vor- oder Nachteile in den bilateralen
US-Unternehmen zurückgeht. Darin liegen die beiden                 Beziehungen so gut wie ausschließlich vom Kontakt zum
Hauptgründe von Trumps Angriff auf das Konzept des                 Weißen Haus abhängen. Ad-hoc-Absprachen sowie die
Freihandels, das von der Republikanischen Partei im-               Gewährung oder auch Verweigerung von Handelsvortei-
mer hochgehalten und von US-Gewerkschaften sowie                   len haben die bilateralen Verhandlungen bisher bestimmt
auch von der Demokratischen Partei als Ursache für die             und häufig auch für Verwirrungen und Enttäuschungen
Arbeitsplatzverlagerungen aus den USA in Länder mit                in einigen Staaten gesorgt. Die Ausnahmeregelungen für
erheblich geringeren Arbeitskosten wie Mexiko stets an-            Mexiko und Kanada von den im März 2018 weltweit ver-
geprangert worden ist.                                             hängten zusätzlichen Stahl- und Aluminiumzöllen durch

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WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN

US-Präsident Trump, um deren Gewährung sich auch Ar-              Die Argumentation der US-Regierung für eine grund-
gentinien bemüht, belegen diesen Politikstil.                     sätzliche Veränderung der NAFTA bezieht sich einer-
                                                                  seits auf den stattlichen Außenhandelsüberschuss, den
Präsident Trump scheint vor allem daran interessiert zu           Mexiko jährlich als drittgrößter Handelspartner gegen-
sein, den US-Unternehmen im internationalen Geschäft              über den USA erwirtschaftet (der nur noch von China
einen Marktvorteil zu verschaffen (Binett 2018: 23) und           übertroffen wird), und andererseits auf die Attraktivität
damit einen Beitrag zum Abbau des chronischen Au-                 Mexikos als Investitionsstandort – allerdings nahezu aus-
ßenhandelsdefizits der USA zu leisten. In allen bishe-            schließlich aufgrund seiner NAFTA-Mitgliedschaft. Dies
rigen Fällen sind wirkliche »Abwehrmaßnahmen« zur                 gilt vor allem für jene US-Unternehmen, die sich nicht
Verringerung der asymmetrischen Effekte auf latein-               nur das Einkommensgefälle bei den Industriearbeitern
amerikanischer Seite nicht erkennbar und angesichts               (10:1), sondern auch die steuerlichen Vorteile des Lan-
der mangelnden regionalen Kohäsion auch nicht recht               des zunutze gemacht haben und dadurch vor allem in
vorstellbar.                                                      der Automobilindustrie erfolgreiche und stark vernetzte
                                                                  nordamerikanische Produktionsketten etablieren konn-
                                                                  ten. Daher kann Mexiko bei wichtigen Teilen der nord-
Mexiko – gravierende Nachbarschaftsprobleme                       amerikanischen Industrie und aufgrund seiner umfang-
                                                                  reichen Lebensmittelimporte aus den USA auch beim
Die »Neugestaltung« der Nachbarschaftspolitik gegen-              Agrobusiness mit weitgehender Unterstützung für seine
über Mexiko hat trotz der Radikalität des ursprünglichen          Position in den NAFTA-Verhandlungen rechnen. Hinzu
Ansatzes von US-Präsident Trump und seiner rassisti-              kommt die deutliche politische Unterstützung für das
schen Rhetorik bisher zu keiner dauerhaften Zerrüttung            Fortbestehen der NAFTA in einem Schreiben von 36 der
des ohnehin immer schwierigen Verhältnisses geführt               51 republikanischen Senator_innen an Präsident Trump.
– sehr wohl aber zu bisher ungeahnten Diversifizie-               Die Weichen stehen daher eher in Richtung einer zeit-
rungsanstrengungen der mexikanischen Regierung um                 lichen Ausdehnung des NAFTA-Verhandlungsprozesses
verbesserte Beziehungen zu Südamerika, Asien, insbe-              bis nach den Präsidentschaftswahlen in Mexiko statt
sondere China, und Europa. Trotz der sehr spezifischen            eines raschen von Präsident Trump häufig als möglich
und wiederholten Beschimpfungen Mexikos durch Prä-                avisierten Ausstiegs.
sident Trump hat es in Lateinamerika nur sehr wenige
und eher sparsame Solidaritätserklärungen für Mexiko              Ein weiterer Verhandlungstrumpf für Mexiko ist die
gegeben – auch ein Ausdruck für die geringe regionale             enge sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen
Präsenz und politische Unterstützung in kritischen nati-          den Nachbarstaaten. Sie beschränkt sich keineswegs
onalen Auseinandersetzungen mit den immer noch viel-              allein auf die Drogenproblematik und die Kartellbe-
fach als Hegemonialmacht empfundenen USA.                         kämpfung, sondern konzentrierte sich in den letzten
                                                                  Jahren auch auf die Kontrolle der Flüchtlingswellen
Ob es zu einer generellen Neuausrichtung Mexikos ge-              aus Zentralamerika. Die sehr strenge Migrationspolitik
genüber dem mächtigen Nachbarn kommen wird, dürfte                Mexikos gegenüber seinen südlichen Nachbarn wird in
nicht nur von den Ergebnissen der NAFTA-Verhandlun-               Washington durchaus positiv gesehen, sodass die An-
gen, sondern vor allem vom Ausgang der mexikanischen              kündigungen Mexikos, gegebenenfalls seine bilaterale
Präsidentschaftswahlen im Juli 2018 abhängen. Aufgrund            sicherheitspolitische Zusammenarbeit zu überdenken,
der vielfältigen wirtschaftlichen Vernetzung auf fast allen       einen weiteren zentralen Punkt in seiner Abwehrreak-
Ebenen zwischen beiden Ländern, die sich durch mehr               tion auf die kontinuierlichen Angriffe Trumps darstellt.
als zwei Jahrzehnte NAFTA-Erfahrungen noch verfestigt             Ohne Zweifel ist das Nachbarschaftsverhältnis sicher-
haben, sind Mexikos Optionen im Falle einer tatsächli-            lich dauerhaft belastet mit langfristigen und unabseh-
chen Aufhebung des NAFTA-Vertrages, sehr begrenzt.                baren Folgen in vielen, nicht nur bilateralen Politikbe-
Andererseits würde Mexiko aber auch eine Kündigung                reichen.
von NAFTA wirtschaftlich überleben, trotz der gravieren-
den Effekte des Rückgangs von Exporten und Auslands-              Die bevorstehende Präsidentschaftswahl in Mexiko im
investitionen vor allem in den ersten Jahren nach Ende            Juli 2018 könnte durchaus mit Blick auf die neuen »poli-
des Freihandelsvertrages (Castañeda 2018).                        tischen Wunden« entschieden werden, die US-Präsident

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Trump dem Land zugefügt hat. Für die USA war es seit            Der innenpolitische Effekt von Trumps Kritik an der ge-
der mexikanischen Revolution immer entscheidend, im             stiegenen Drogenproduktion des Landes auf den kolum-
Nachbarland einen Systemwechsel hin zu einer natio-             bianischen Wahlkampf 2018, der durch seinen Staats-
nalistischeren und weniger marktfreundlichen Politik            besuch in Kolumbien zusätzliche Polarisierung erfahren
zu vermeiden. Der frühere Bürgermeister der Haupt-              dürfte, ist auch hier nicht zu unterschätzen, zumal eine
stadt und derzeit in allen Umfragen führende Präsident-         Rückkehr zu der »harten« Antidrogenpolitik des Plan Co-
schaftskandidat Andrés Manuel López Obrador (AMLO),             lombia von vielen Parteien abgelehnt wird. Andererseits
der bereits zum dritten Mal antritt, könnte aufgrund der        ist Kolumbien in der sicherheitspolitischen Zusammenar-
deutlich erstarkten Anti-US-Stimmung im Land – unab-            beit weiterhin einer der wichtigsten Alliierten in der Re-
hängig vom Verlauf der NAFTA-Verhandlungen – diesmal            gion, mit Präsenz in verschiedenen Staaten Zentralameri-
die Wahl gewinnen und einen weniger marktfreundli-              kas und von strategischer Bedeutung für alle möglichen
chen Kurs einschlagen. Das gefährliche Problemdreieck           Szenarien in Venezuela. Insbesondere die rasche Auf-
von Handel, Migration und möglichem innen- wie wirt-            nahme von mehr als einer Million Flüchtlingen aus dem
schaftspolitischem Wechsel machen Mexiko mit Abstand            Nachbarland Venezuela dürfte für das Land während des
zum größten Risikofaktor für die Außenpolitik Trumps in         Wahlkampfes neue innenpolitische Erschütterungen mit
Lateinamerika.                                                  sich bringen.

               Kolumbien – Strategischer Partner                Kuba – wenig Spielraum nach innen und außen
                    trotz Druck aus Washington
                                                                Kuba und Venezuela betrachtet die Trump-Administra-
Kolumbien wird von den USA traditionell als der treues-         tion vornehmlich in Bezug auf die Wahrung der Men-
te Verbündete in Südamerika angesehen. Verschiedene             schenrechte und Demokratie – Konzepte die gegenüber
US-Administrationen haben den Plan Colombia zur Sta-            den weit verbreiteten Problemen in der Region ansons-
bilisierung des durch den Jahrzehnte dauernden Gue-             ten so gut wie unerwähnt bleiben. Beide Länder wurden
rillakonflikt geschwächten Staat als einen der größten          vom ehemaligen US-Außenminister Rex Tillerson immer
Erfolge der US-Außenpolitik in den vergangenen Jahren           wieder als die unerfreulichen Ausnahmen in der demo-
gefeiert. Die Androhung Präsident Trumps, Kolumbien             kratischen westlichen Hemisphäre kritisiert. Gleichzei-
aufgrund gestiegener Drogenproduktion wieder als un-            tig wird eine gemeinsame Politik in der Region zu ihrer
zuverlässig in seinen Verpflichtungen im Kampf gegen            Demokratisierung eingefordert. Da es im April 2018 zur
Drogenanbau und -handel einzustufen, trifft das Land            ersten politischen Transition im System der Kubanischen
in der schwierigen Phase der Umsetzung des 2016 ge-             Revolution nach fast 70 Jahren Herrschaft der Gebrü-
schlossenen Friedensvertrages mit der wichtigsten Gue-          der Castro kommen soll, ohne dass eine grundsätzliche
rillaorganisation Fuerzas Armadas Revolucionarias de            Änderung des bisherigen Regimes zu erwarten wäre,
Colombia (FARC) daher schwer.                                   dürfte der politische und / oder wirtschaftliche Druck
                                                                vonseiten der Regierung Trump eher noch zunehmen.
Nachdem die Obama-Regierung den Friedensprozess,                Dass sich dabei – im Gegensatz zu Venezuela – auch
der in Kolumbien selbst durchaus umstritten ist, aktiv          lateinamerikanische Staaten dieser Politik anschließen
unterstützt hatte, könnte der Druck aus Washington in           werden, erscheint aber eher unwahrscheinlich.
der Drogenpolitik nun zu neuen Auseinandersetzungen
und vermehrter politischer Instabilität führen. Insbeson-       Gegenüber beiden Staaten ist die Kontinuität der US-
dere das geheime Treffen Trumps im April 2017 mit den           Außenpolitik deutlich erkennbar, obwohl Präsident
beiden früheren Präsidenten Kolumbiens und promi-               Trump versucht hat, zumindest einen Teil der von der
nenten Gegnern des Friedensprozesses mit den FARC,              Obama-Regierung durchgesetzten Erleichterungen für
Álvaro Uribe Vélez und Andrés Pastrana, hat in Kolum-           Kuba rückgängig zu machen. Dabei haben nahezu aus-
bien die Befürchtung ausgelöst, die neue US-Regierung           schließlich innenpolitische Überlegungen zur Befriedi-
könnte zugesagte Finanzhilfen für den Friedensprozess           gung der politischen Erwartungen seiner Wähler_innen
kürzen oder mit neuen Auflagen für die Drogenpolitik            unter den Exil-Kubaner_innen in Florida eine Rolle ge-
des Landes verbinden (Hawley 2017: 23).                         spielt. Die Erwartungen Kubas, mit einer verbesserten

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bilateralen Beziehung zu den USA auch wirtschaftspo-           Aus diesem Grund hat der ehemalige US-Außenminister
litische Veränderungen erzielen zu können, sind durch          Rex Tillerson auf seiner ersten Lateinamerikareise im
die schroffe Politik von Präsident Trump – auch durch          Februar 2018 (Mexiko, Peru, Argentinien, Kolumbien,
die Reisewarnung, die den US-Tourismus deutlich ein-           Jamaika) das »Regionalproblem« Venezuela in den Mit-
schränkt – hingegen hinfällig geworden, ebenso wie die         telpunkt seiner Bemühungen gestellt, um eine hemisphä-
Hoffnung auf eine baldige Beendigung des Handelsem-            rische Strategie zur Wiederherstellung der Demokratie
bargos der USA.                                                in Venezuela einzuleiten. Die USA, Kanada und Mexiko
                                                               waren sozusagen die Gründungsmitglieder dieser »Alli-
Kubas außenpolitischer Spielraum ist durch die Norma-          anz der Willigen«; Argentinien ist aufgrund der pronon-
lisierung seiner Beziehungen zum »Norden« (USA und             ciert kritischen Position von Präsident Mauricio Macri
EU) sowie den klaren politischen Verschiebungen in der         in der Venezuelafrage als Sprecher dieser Gruppe aus­-
Region eher geringer geworden. Inwieweit China und             ersehen.
Russland den Ausfall der bisherigen Unterstützung durch
Venezuela auffangen wollen bzw. können, ist kaum               Unter den vielfachen Herausforderungen für die USA in
absehbar, zumal beide Weltmächte von der Regierung             der Region ist Venezuela sicherlich der schwierigste Fall.
Trump zunehmend als »Störenfriede« in der Region be-           Entgegen ersten Einschätzungen in den USA hat sich
handelt werden.                                                das Regime von Präsident Nicolás Maduro trotz einer
                                                               sich ständig verschlechternden wirtschaftlichen Situati-
                                                               on und nicht zuletzt auch aufgrund gravierender Fehler
           Venezuela – ein lange unter­schätztes               der uneinigen venezolanischen Opposition bisher halten
                               Regionalproblem                 können. Daran hat die Unterstützung durch China und
                                                               Russland sicherlich einen nicht unwesentlichen Anteil,
Die Angst vor zerfallenden Staaten in der eigenen Nach-        der aber auch nicht überschätzt werden sollte (Alba
barschaft bezog sich in den USA zu Beginn des Jahr-            2017), da die geopolitische Präsenz beider Großmäch-
hunderts vor allem auf Kolumbien und Haiti. Jetzt ist          te vor allem dem Erdölriesen Venezuela und nicht dem
diese Bedrohungsvorstellung auf Venezuela mit seinen           Machterhalt seines Präsidenten gilt.
inzwischen fast vier Millionen Flüchtlingen übergangen,
obwohl auch die drei nördlichen Staaten Zentralameri-          Die Strategie der Regierung Trump zielt daher nicht nur
kas und selbst Teile Mexikos in diesem Zusammenhang            auf die Notwendigkeit einer raschen Demokratisierung
genannt werden.                                                Venezuelas, sondern gleichzeitig auf eine Reduzierung
                                                               des in den letzten Jahren rasch gewachsenen Einflusses
Venezuela schien der Trump-Administration zunächst             von China und Russland in der Region. Die Kritik an der
keine größeren politischen Anstrengungen wert zu sein          regionalen Rolle von China und Russland steht dabei im
– abgesehen von der wiederholten Bitte an die Latein-          direkten Zusammenhang mit den Veränderungen in der
amerikaner_innen sowie die EU, sich den nordamerika-           National Defense Strategy von Präsident Trump, die den
nischen Sanktionen gegen Politiker_innen und Militärs          Wettbewerb mit anderen Weltmächten – und nicht wie
in Venezuela anzuschließen. Vielmehr war die zunächst          bisher den Kampf gegen den Terrorismus – in den Mit-
eher zynische Politik auf einen Zusammenbruch der              telpunkt der nationalen Sicherheitsstrategie stellt.
Staatsfunktionen in Venezuela ausgerichtet – einem
failed state in nahezu allen Dimensionen (Coronel 2017)        Die Trump-Regierung hat zwar die personalisierten Sank-
–, um anschließend einen Neuanfang zu unterstützen.            tionen gegen führende venezolanische Regierungsmit-
Zwischenzeitlich könnte Venezuela für Trump aber durch-        glieder, die bereits von Obama verhängt worden waren,
aus zu einem Testfall für seine Kooperationsbereitschaft       ausgeweitet und verschärft, bisher jedoch davon Ab-
mit Lateinamerika werden, denn obwohl die militärische         stand genommen, wirkungsvolle Sanktionen wie etwa
Lösung vermutlich kaum ernst gemeint war, sondern              die Drosselung der Erdöleinahmen anzudrohen. Dies
dem Aufbau von Druckpotenzial dienen sollte, hat gera-         liegt vor allem an den zu erwartenden Rückwirkungen,
de diese Ankündigung in der Region zu einem weiteren           die ein solcher Einfuhrstopp für die in den Südstaaten
Vertrauensverlust in die Problemlösungskapazitäten der         der USA liegenden Raffinerien und deren Arbeitskräfte
USA geführt.                                                   haben würde, aber auch an der scharfen Ablehnung ei-

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WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN

ner solchen Maßnahme durch die Opposition in Venezu-             Insofern dürfte auch das Desinteresse der Trump-Admi-
ela, die durch einen von außen hervorgerufenen totalen           nistration an der Funktionsfähigkeit der OAS als multi-
Wirtschaftszusammenbruch eher eine Legitimation der              lateralem Konfliktlösungsmechanismus in Lateinamerika
antiamerikanischen Strategie von Präsident Maduro be-            noch langfristige Spätfolgen zeitigen. Die rasche Aner-
fürchtet (Sabatini 2017).                                        kennung der Ergebnisse der von Unregelmäßigkeiten
                                                                 und Repression geprägten Präsidentschaftswahlen in
Die von Präsident Trump angesprochene Möglichkeit                Honduras durch das U.S. State Department, entgegen
einer militärischen Lösung hat hingegen selbst unter             der Empfehlung der OAS, die Wahlen wiederholen zu
den besonders US-freundlichen Staaten der Region wie             lassen, ist besonders in den an transparenten demokra-
Argentinien, Chile, Kolumbien und Peru eine deutliche            tischen Prozeduren orientierten Staaten der Region mit
Protestwelle ausgelöst und gleichzeitig deren Bemühun-           Bestürzung aufgenommen worden.
gen diskreditiert, über die OAS verstärkt Druck hinsicht-
lich einer internen Lösung in Venezuela aufzubauen.
Eine militärische Lösung würde Präsident Trump, dem              Hegemonieverlust der USA und geo­
nachgesagt wird, er würde militärische Machtdemons-              politische Spannungen in Lateinamerika
trationen mehr schätzen als sein Vorgänger (Yarhi-Milo
2018: 72), zudem nicht nur in der Region, sondern auch           Aufgrund der seit Amtsantritt von Präsident Trump deut-
im eigenen Land vor unvorhersehbare Probleme stellen.            lich erkennbaren fehlenden Kohärenz und reduzierten
Denn eine Invasion nach einem Zusammenbruch der                  Berechenbarkeit der US-Außenpolitik (Aguirre 2018) ist
Maduro-Regierung und die Wiederherstellung innen-                das Vertrauen in eine langfristige, ergiebige Zusammen-
politischer Stabilität würde etwa 200.000 Soldat_in-             arbeit mit den USA in der Region rapide gesunken, eben-
nen erfordern, also mehr als die Invasion im Irak (Mora          so wie die entsprechenden Umfragen, die nur noch 16
2017). Ein solcher Aufwand wäre aufgrund der Kriegs-             Prozent Zustimmung für die Politik des US-Präsidenten in
müdigkeit der Wähler_innen in den USA innenpolitisch             Lateinamerika erkennen lassen. Die öffentliche Meinung
für Präsident Trump kaum zu verkraften, zumal ihm                über Trump und die USA generell hat sich in verschie-
vonseiten seiner militärischen Berater_innen ohnehin             denen Staaten, insbesondere denjenigen im engeren
bereits dringend von einer Invasion in Venezuela abge-           geografischen Umfeld der USA, dramatisch verschlech-
raten wurde. Sollte Präsident Maduro allerdings seine            tert (Keating 2018). Darin ist auch eine Abkehr von der
Drohung wahrmachen, aus innenpolitischen Gründen                 durch die USA gekennzeichneten politischen Ordnung
Teile des von Venezuela beanspruchten Guayana mili-              erkennbar, da das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit
tärisch zu besetzen, wäre ein Interventionsszenario in           dieser Ordnung nicht mehr geben ist (Maull 2017: 6) und
Venezuela durchaus vorstellbar – gegebenenfalls mit              die Führungsrolle der USA in Lateinamerika kaum mehr
der Unterstützung einer regionalen »Koalition der Wil-           anerkannt wird. Trotz dieser generellen Entwicklung be-
ligen«, die sich aufgrund der Souveränitätsverletzung            steht bei vielen Staaten in der Region jedoch weiterhin
durch Venezuela dazu legitimiert sähe.                           eine klare Tendenz, bilaterale und darüber hinaus privile-
                                                                 gierte Beziehungen zu den USA anzustreben.
Gerade der außerordentlich komplexe Fall des politischen
Umgangs mit dem Maduro-Regime hat gezeigt, dass                  Nun ist das Bemühen der Staaten der Region, eine Diver-
nicht nur der persönliche Politikstil Trumps zu einer ver-       sifizierung seiner Außenbeziehungen und insbesondere
mehrten Unsicherheit in der Region geführt hat, sondern          seiner Außenwirtschaftsbeziehungen zu erreichen, ein
auch die fehlende Verlässlichkeit eines bei politischen          Prozess, der aufgrund der Globalisierung und der damit
Konflikten bisher entscheidenden regionalen Akteurs.             verbundenen Verschiebung von bisher dominanten geo-
Die Unkalkulierbarkeit des derzeitigen US-Präsidenten            politischen Achsen mindestens seit einem Jahrzehnt zu
erscheint in der Region – nicht zuletzt aufgrund eigener         beobachten ist; zumal es die mangelnde regionale Ein-
historischer Erfahrungen mit autoritären Präsidenten –           heit und die ideologische Voreingenommenheit Latein-
eher verkraftbar als die bisherige Unfähigkeit der frühe-        amerikas außerordentlich mühsam gemacht haben, die
ren Vormacht, ihre eigenen Interessen klar zu definieren         Rolle eines wichtigen neuen internationalen Akteurs ein-
und im Idealfall zusammen mit befreundeten Staaten in            zunehmen (Detsch 2014: 4). Doch erst seitdem die bis-
der Region durchzusetzen.                                        herige, westlich dominierte Weltordnung in den letzten

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WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN

Jahren weitgehend zu Ende gegangen ist (Maull 2017:                Insbesondere seit dem Amtsantritt von US-Präsident
5) und die USA unter Präsident Trump jeden Anspruch                Trump hat China wiederholt auf die strategische Bedeu-
auf eine Führungsrolle aufgegeben haben (Niblett 2018:             tung der Region für die eigene Entwicklung sowie auf die
22), ist auch in Lateinamerika das Bemühen um neue                 Langfristigkeit seines Engagements hingewiesen. Neben
»strategische Partner« zu einem zentralen Bestandteil              den zahlreichen engen bilateralen Beziehungen ist Chi-
der Außenpolitik fast aller Staaten geworden. Doch wie             nas starke Kooperation mit der Gesamtregion über das
zuvor sind viele Staaten der Region zur Verbesserung der           CELAC-China-Forum1 bemerkenswert. In der Erklärung
eigenen Entwicklungschancen auf der Suche nach extra-              von Santiago (Declaración de Santiago 2018) ist nicht nur
regionalen Alliierten – zumeist wirtschaftlich, aber auch          ein detaillierter Aktionsplan für 2019–2021 beschlossen
politisch.                                                         worden, sondern wurde auch die Schaffung einer großen
                                                                   transozeanischen Transportroute mit Anschluss an das
Angesichts der Verwerfungen im internationalen Sys-                chinesische Seidenstraßen-Projekt geplant. Interessant
tem hat die Region als neue Eckpunkte ihres außenpo-               ist darüber hinaus die Betonung der zukünftigen chine-
litischen Bezugsrahmens den Niedergang der USA, den                sischen Rolle bei der Industrialisierung Lateinamerikas,
Aufstieg Chinas, den Bedeutungsverlust des normativen              nachdem bisher fast alle Auslandsinvestitionen Chinas
Einflusses der EU, das wachsende Selbstbewusstsein der             auf Rohstoffabbau und Infrastruktur konzentriert waren.
aufstrebenden Mächte sowie die Legitimitätskrise in den            Dabei sind nicht nur die wirtschaftlichen Interessen Chi-
internationalen Organisationen bereits verinnerlicht (Sa-          nas zu benennen, sondern vor allem auch das politische
nahuja 2017: 203). Damit steht Lateinamerika vor sehr              Gewicht des Landes im Zusammenhang mit dem globa-
variablen, häufig kurzfristigen und vornehmlich einzel-            len Wettbewerb mit den USA und der noch bestehenden
staatlich orientierten Veränderungen des außenpoliti-              Präsenz Taiwans in der Region zu berücksichtigen.
schen Profils (Frenkel / Comini 2017).
                                                                   Die erklärte Absicht Chinas, sich als alternative Führungs-
                                                                   macht im internationalen System zu etablieren (Gowan
         China – der neue Elefant in der Region                    2017: 375), ist in Lateinamerika ohne kritisches Echo
                                                                   geblieben und hat auch deshalb die geopolitischen Be-
Die Position Chinas als zentraler Handels- und Investiti-          fürchtungen in den USA verstärkt. Dabei ist es für die
onspartner Lateinamerikas ist innerhalb und außerhalb              Region von entscheidender Bedeutung, dass China der-
der Region lange unterschätzt worden. In den letzten               zeit keinerlei Interesse zeigt, das »eigene Politik-, Wirt-
fünf Jahren hat China jedoch allein mit sieben wichtigen           schafts- und Gesellschaftsmodel zu exportieren« (Maull
lateinamerikanischen Staaten (Argentinien, Brasilien,              2017: 124). Darin besteht der zentrale Unterschied zu
Chile, Ecuador, Mexiko, Peru und Venezuela) umfassen-              den Beziehungen, die Lateinamerika bilateral und multi-
de strategische Partnerschaftsabkommen geschlossen                 lateral mit den USA und der EU unterhält. Die häufig als
(Novak / Namihas 2017: 4). Auch die Wirtschaftszahlen              Beeinträchtigung der eigenen Souveränität empfundene
sprechen für sich: Seit 2017 ist China der wichtigste regi-        westliche Kritik am nationalen Wirtschafts- und / oder Ge-
onale Exportpartner Südamerikas; allein in diesem Jahr             sellschaftsmodell ist in unterschiedlicher Weise von vielen
sind die lateinamerikanischen Exporte nach China um                Staaten der Region zurückgewiesen worden und hat die
23 Prozent und die Importe aus China um 30 Prozent                 jeweiligen bilateralen und biregionalen Beziehungen oft
gestiegen – nicht zuletzt aufgrund der weitaus gerin-              stark belastet. Eine klare politische Priorität sieht China vor
geren Zahl an Protektionsmaßnahmen vonseiten Chinas                allem in dem gemeinsamen Interesse mit Lateinamerika,
im Vergleich zu den USA. Gleichzeitig sind die chinesi-            an der Etablierung einer multipolaren Weltordnung zu ar-
schen Auslandsinvestitionen in der Region um 25 Mrd.               beiten, die dann auf beiden Seiten mehr Raum zur Durch-
US-Dollar auf insgesamt 241 Mrd. US-Dollar im letzten              setzung nationaler Entwicklungsmodelle zulassen dürfte.
Jahrzehnt angestiegen. Nach Ankündigungen des chi-
nesischen Präsidenten Xi Jinping sollen in den nächsten            Die viel zitierte Hinwendung Lateinamerikas nach Asi-
Jahren weitere 250 Mrd. US-Dollar hinzukommen (Saba-               en ist keineswegs auf China beschränkt. Ausdruck des
tini / Naylor 2017). Damit übertreffen Chinas Zuwachsra-
ten bei Direktinvestitionen in der Region sowohl die der
                                                                   1. CELAC (Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños, Ge-
EU als auch die der USA bei Weitem.                                meinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten).

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wachsenden Gewichts der Süd-Süd-Beziehungen ist auch               scheint von der Regierung Trump aber als geopolitische
der ständig wachsende Wirtschaftsaustausch mit Indien,             Herausforderung in Lateinamerika angenommen wor-
Südkorea und Japan, um nur die drei wichtigsten asian              den zu sein.
players zu nennen. Mit allen drei Ländern bestehen ne-
ben einem steigenden Investitionsvolumen in der Regi-              Mit der gerade verkündeten »Tillerson-Doktrin« – einer
on vor allem auch enge technologische Kooperationen.               Aktualisierung der Monroe-Doktrin in Bezug auf die
Das »Jahrhundert Asiens« ist in Lateinamerika bereits viel         unwillkommene Präsenz von China und Russland – sol-
stärker präsent und spürbar, als dies von seinen traditio-         len die Staaten der Region sich unter Führung der USA
nellen Partnern USA und EU berücksichtigt wird. Daran              wieder gegen die Präsenz »imperialer Mächte« wehren
dürfte auch die Ausrufung des »Jahres der Amerikas« für            – eine Vorstellung, die nicht nur die Multipolarität im
2018 durch den damaligen US-Außenminister Tillerson                internationalen System, sondern sogar die Effekte der
(Tillerson 2018) wenig ändern.                                     Globalisierung zu negieren versucht.

      Russland – ein wiederentdecktes Feindbild                    Kann die EU ihre traditionellen Perzep-
                                                                   tionen von Lateinamerika aktualisieren?
Die neue Rolle Russlands in der Region ist weniger
wirtschaftspolitisch als geopolitisch angelegt und mit             Das Profil der EU als Zivilmacht der liberalen internati-
acht bereits langjährigen Militärabkommen vor allem                onalen Ordnung und traditioneller Partner Lateinameri-
strategisch geprägt. Die geografische Nähe zu den                  kas ist regional und bilateral im vergangenen Jahrzehnt
USA ist aus russischer Sicht der geopolitisch entschei-            erstaunlich zurückgegangen. Obwohl beide Regionen
dende Faktor für ein – wenn auch finanziell limitier-              durch ein im internationalen Vergleich außergewöhnli-
tes – Engagement in Lateinamerika, unabhängig von                  ches Netz staatlicher und nicht-staatlicher Institutionen
innenpolitischen Konjunkturen in einzelnen Staaten                 verbunden sind, ist die politische wie wirtschaftliche Prä-
der Region. Gerade weil Russland auf die politische                senz der EU und seiner Mitgliedsländer in den meisten
und militärische Unterstützung von Staaten in seinem               Staaten der Region immer weniger spürbar (Malamud
eigenen geografischen Umfeld durch die USA außer-                  2016: 44) – ein Tatbestand der sich auch in der veröf-
ordentlich kritisch reagiert, sieht es seine langfristige          fentlichten Meinung widerspiegelt, denn mehr Globa-
Präsenz in Lateinamerika als geostrategisch legitim an.            lisierung bedeutet für Lateinamerika derzeit vor allem
In vielerlei Hinsicht kann die russische Präsenz in der            weniger Europa.
Region als aktiver bezeichnet werden als zu Zeiten des
Kalten Krieges. Das lässt sich nicht nur an der Häufig-            Die schleichende Entfremdung zwischen den Mitglie-
keit der Präsidentendiplomatie ablesen, sondern auch               dern der EU und den Staaten der Region hat vermutlich
in den multilateralen Aktivitäten – sei es im Rahmen               weniger mit den Strukturproblemen der EU und dem
der BRICS2 oder auch von CELAC.                                    Modellverlust der europäischen Integration zu tun als
                                                                   vielmehr mit einer mangelnden Anpassungsfähigkeit
Im für die USA strategisch so wichtigen Bereich des Ka-            auf beiden Seiten des Atlantiks gegenüber den Effek-
ribischen Beckens werden die ideologischen und militä-             ten einer beschleunigten Globalisierung. So besteht
rischen Beziehungen zu Kuba, Nicaragua und Venezuela               im biregionalen Verhältnis – trotz gegenteiliger Bekun-
von der Regierung Trump besonders beobachtet bzw.                  dungen – schon seit Jahrzehnten keine »gemeinsame
kritisiert, während aus russischer Sicht die strategischen         Weltsicht« mehr. Und die nicht nur von Spanien und
Beziehungen zu Argentinien, Brasilien und Peru als zen-            Portugal bevorzugte Einordung Lateinamerikas als
trale Pfeiler der Präsenz in der Region betrachtet wer-            »entfernte Verwandte« bzw. den »extremen Westen«
den. Inwieweit die Unterstützung von Kuba, Nicaragua               spiegelt eine eher überholte Weltanschauung wider,
und Venezuela jedoch als »Großmachtgebaren« in den                 die von Ost-West- sowie Nord-Süd-Gegensätzen ge-
globalen Auseinandersetzungen mit den USA anzuse-                  prägt ist und in Lateinamerika, mit Ausnahme von eini-
hen ist, bleibt in der Region selbst durchaus umstritten,          gen traditionellen Eliten, niemals so akzeptiert war wie
                                                                   in Europa. In einigen Teilen Lateinamerikas ist heute
2. Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.               vielmehr eine andere Revision der Monroe-Doktrin in

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WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN

Mode, wobei die USA jetzt auch noch unter den frühe-                   gig zum Abschluss zu bringen, bleibt ungewiss. Denn
ren Kolonialmächten eingereiht werden (Malamud / Se-                   weiterhin bestehen – wenn auch weniger grundsätzli-
abra 2015: 36).                                                        che – Widersprüche in den politischen Konzepten der
                                                                       Mitgliedsstaaten; ebenso erhalten Frankreich, Irland und
Für die EU war Lateinamerika viele Jahrzehnte eine be-                 Polen ihre Veto-Haltung hinsichtlich einer weitgehende-
vorzugte Projektionsfläche für Integrations- und Regi-                 ren Einfuhr von Rindfleisch aus dem Mercosur nach wie
onalisierungskonzepte, die den Entwicklungsmodellen                    vor aufrecht.
und politischen Kulturen in der Region kaum entspra-
chen. Die eigenen, ebenso wie die EU-spezifischen Inte-                Gerade weil die reduzierte interne Funktionsfähigkeit
grationsprobleme haben in der Region inzwischen auch                   des Mercosur immer wieder zu wirtschaftspolitischen
formell zu einer weitgehenden Distanzierung vom eu-                    Streitigkeiten, vor allem zwischen Brasilien und Argen-
ropäischen Modell geführt. Dennoch ist die Suche nach                  tinien, geführt hat, erscheint eine Abkehr der EU vom
eigenständigen Formen regionaler Kooperation kei-                      regionalen hin zu einem bilateralen Ansatz im Cono
neswegs aufgegeben worden, obwohl eine besondere                       Sur durchaus sinnvoll. Das Beispiel Chile hat über viele
Wertschätzung regionaler Konsensbildung nicht gerade                   Jahre bewiesen, dass dieser bilaterale Ansatz durchaus
zu den Konstanten der politischen Kultur in Lateiname-                 vorzeigbare Resultate für beide Seiten zeitigt, auch weil
rika gehört.                                                           er die Übernahme ganzer Regionalismuskonzepte aus
                                                                       Europa ebenso vermeidet wie die kaum kalkulierbaren
Die traditionelle intra-westliche Rücksichtnahme auf geo-              Rückwirkungen der internen Integrationsprobleme in
politische US-Interessen ist spätestens seit dem Amtsan-               der Region auf die Beziehungen zur EU.
tritt von Präsident Trump für die EU keine Notwendig-
keit mehr und eröffnet neue pragmatische Optionen                      Darüber hinaus könnte die EU für spezielle Themenstel-
für eine stärker interessengeleitete EU-Lateinamerika-                 lungen durchaus auch (sub-) regionale Kooperationsmo-
Beziehung. Dazu könnten variable und pluralistische Ko-                delle entwickeln, die eher vom Konzept einer »Allianz der
operationsformen genutzt werden, die das ohnehin sehr                  Willigen« geprägt sind als von einer Assoziierung sehr
asymmetrische und artifizielle Konzept der biregionalen                unterschiedlich strukturierter und agierender Integrati-
Block-Block-Beziehungen ablösen könnte. Die lateiname-                 onsmodelle. Freilich sollten gerade derartige regionale
rikanischen Staaten haben trotz der eher mühsamen In-                  Kooperationsmodelle, wie sie sicherlich zu Umweltpoli-
stitutionalisierung von CELAC und UNASUR3 weiterhin                    tik, Sozialsystemen und der Anpassung der Arbeitspro-
große Schwierigkeiten, (sub-)regionale Interessen zu                   zesse an die Globalisierung auf großes Interesse stoßen
formulieren oder gar im eigenen Mitgliederkreis durch-                 würden, auch die Notwendigkeiten und Prioritäten der
zusetzen. Eine lockere Struktur der EU-Beziehungen zur                 lateinamerikanischen Partnerländer berücksichtigen und
Region würde es sicher ermöglichen, rascher bilaterale                 nicht vorwiegend auf die Interessen der EU zugeschnit-
Abkommen (etwa mit Brasilien und Argentinien) abzu-                    ten werden.
schließen, die keineswegs allumfassend sein müssten,
sondern spezielle Interessen auf beiden Seiten berück-                 Die polarisierende Politik von US-Präsident Trump ge-
sichtigen könnten. Die komplette Verregelung der EU-                   genüber den südlichen Nachbarn hat nicht nur den USA,
Beziehungen in Form von Assoziierungsabkommen hat                      sondern auch den EU-Beziehungen zu Lateinamerika
sich für viele Staaten der Region keineswegs als Königs-               sehr geschadet sowie die von unterschiedlichen Folgen
weg erwiesen; zumal der Aufwand das Ergebnis oft nicht                 der Globalisierung ausgelöste Fragmentierung der Regi-
gerechtfertigt zu haben scheint.                                       on noch weiter verstärkt. Die Bereitschaft zur instituti-
                                                                       onellen intra- und interregionalen Kooperation ist trotz
Ob sich die derzeitige Hoffnung der EU erfüllen wird,                  gegenteiliger offizieller Versicherungen und präsidialer
die nach fast 20 Jahren mit vielen Unterbrechungen                     Besuchsdiplomatie sehr reduziert. Zudem verringert die
geführten Verhandlungen mit dem Mercosur aufgrund                      Priorität der Systemstabilisierung nach innen bei vielen
der Antifreihandelspolitik von US-Präsident Trump zü-                  Akteuren in Lateinamerika auch die Bereitschaft zur Un-
                                                                       terstützung der geschwächten internationalen liberalen
                                                                       Ordnung und fördert – wie auch in anderen Teilen der
3. UNASUR (Unión de Naciones Suramericanas; Union Südamerikani-
scher Nationen).                                                       Welt – die Etablierung autoritärer Strukturen.

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WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN

                                             Ausblick

Die ausgesprochene Abneigung von US-Präsident Trump
gegenüber Lateinamerika verändert nicht nur den (un-)
diplomatischen Umgangston zwischen den Politiker_in-
nen der westlichen Hemisphäre, sondern beginnt auch
den interamerikanischen Grundkonsens aufzukündigen,
der von Trumps Vorgänger Obama erheblich gefördert
worden war. Doch die Trump Doctrine gegenüber La-
teinamerika besteht offensichtlich gerade darin, seinen
Wähler_innen aus rein innenpolitischen Motiven eine
nahezu kriegerische, aber vor allem rhetorische Oppo-
sition gegen die außenpolitischen Konzepte Obamas
vorzuführen, ohne freilich substanzielle Änderungen
an den Strategien der Obama-Regierung vorzunehmen
oder bestenfalls mit solchen zu drohen (Weeks 2017).

Diese Vorgehensweise lässt sich sowohl in der Kuba- als
auch in der Venezuela-Politik der Trump-Administration
erkennen und ist selbst in den komplizierten NAFTA-
Verhandlungen sichtbar. Inwieweit die Modifizierung der
Trump-Doktrin durch die neu verkündete Tillerson-Doktrin
mit den Schwerpunkten Wirtschaftswachstum, Sicherheit
und Demokratie sowie der Betonung der »gemeinsamen
Werte« in den Amerikas (Tillerson 2018) das stark belaste-
te Verhältnis zu Lateinamerika verändern kann, wird sich
erst gegen Ende der Amtszeit Trumps erkennen lassen.

Vornehmlich sind es jedoch der politische Stil und das
populistische Auftreten von US-Präsident Trump, die in
Lateinamerika zu generellen Bedenken über die Zukunft
der Demokratie in der Region führen. In den zahlreichen
anstehenden Wahlen in diesem Jahr in Lateinamerika ist
eine Vorbildfunktion Trumps durchaus vorstellbar und
zu befürchten, vor allem mit Blick auf die langen his-
torischen Erfahrungen in der Region mit populistischen
Führungspersönlichkeiten. So wäre eine Devise wie
»Mexico first« oder »Brazil first«, unabhängig von den
ideologischen Konzepten des jeweiligen Kandidaten,
aber mit der Aussicht auf einen Wahlerfolg durch einen
stark polarisierenden Wahlkampf und einer Perspektive
auf ähnliche wirtschaftliche Erfolge, durch eine Strategie
und ein Auftreten, wie es US-Präsident Trump vorlebt,
durchaus denkbar. Der Modellcharakter der Regierungs-
führung von Trump, sowohl nach innen als auch nach
außen, könnte für die anfälligen Demokratien Latein-
amerikas vielleicht gravierender sein als die politischen
»Querschläger«, denen sich einige Staaten der Region
von seiner Regierung bisher ausgesetzt sahen.

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