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INTERNATIONALE POLITIKANALYSE Trump »mauert« und aktualisiert die Monroe-Doktrin Die Beziehungen zwischen Lateinamerika und den USA WOLF GRABENDORFF April 2018 n Lateinamerika hat keine außenpolitische Priorität für die Trump-Administration, da dort im Gegensatz zu anderen Weltregionen kaum strategische Interessen der USA betroffen sind. Dennoch sind Rücksichtnahmen auf innenpolitische Interes- sengruppen für das außenpolitische Profil gegenüber Kolumbien, Kuba, Mexiko und Venezuela deutlich erkennbar. Eine hemisphärische Strategie, wie sie frühere US-Präsidenten zur Absicherung der eigenen Weltmachtrolle entwickelt haben, ist angesichts des America first-Konzepts von Präsident Trump nur in Ansätzen als Ab- wehrstrategie erkennbar. n Trotz der aggressiven und rassistischen Rhetorik von Präsident Trump ist die effek- tive US-Außenpolitik in der Region von Kontinuität hinsichtlich der bilateralen und multilateralen Maßnahmen der Obama-Administration geprägt. Die konservativen Entwicklungsmodelle in vielen Staaten Lateinamerikas erlauben den USA die Fort- führung traditioneller Beziehungsmuster. n Der Verlust an internationaler Glaubwürdigkeit und politischer Berechenbarkeit der USA ist in Lateinamerika seit dem Amtsantritt von Präsident Trump deutlich spürbar. Abwehrreaktionen sind in der Region bisher nur bei der Migrations- und der Han- delspolitik sowie hinsichtlich der Interventionsandrohung in Venezuela erkennbar. Demgegenüber hat die Bereitschaft, in allen Bereichen der öffentlichen Sicherheit enger mit den USA zusammenzuarbeiten, drastisch zugenommen. n Lateinamerikas geopolitische Situation hat sich im letzten Jahrzehnt erheblich ver- ändert. Die Orientierung nach Asien hat zu einem offensichtlichen Modellverlust für die westliche Staatengemeinschaft geführt, von dem nicht nur die USA, sondern vor allem auch die EU betroffen sind. Neben dem drastisch gestiegenen Einfluss transnationaler Akteure sind es insbesondere China und Russland, die deutlich an politischem Gewicht gewonnen haben.
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN Inhalt Das gewandelte Gesicht und Gewicht Lateinamerikas gegenüber den USA . . . . . . . . . 3 Die USA unter Trump: Empfindlichkeiten in der nationalen Politik gegenüber den »südlichen Nachbarn«�������������������������������������������������������������������������������4 Geopolitischer Druck auf wichtige Staaten im Karibischen Becken���������������������������������5 Mexiko – gravierende Nachbarschaftsprobleme �����������������������������������������������������������������6 Kolumbien – Strategischer Partner trotz Druck aus Washington�������������������������������������������7 Kuba – wenig Spielraum nach innen und außen�����������������������������������������������������������������7 Venezuela – ein lange unterschätztes Regionalproblem�������������������������������������������������������8 Hegemonieverlust der USA und geopolitische Spannungen in Lateinamerika �������������9 China – der neue Elefant in der Region����������������������������������������������������������������������������� 10 Russland – ein wiederentdecktes Feindbild ����������������������������������������������������������������������� 11 Kann die EU ihre traditionellen Perzeptionen von Lateinamerika aktualisieren? ������� 11 Ausblick ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 13
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN Das gewandelte Gesicht und Gewicht her eher wenig verändert hat. Die von verschiedenen Lateinamerikas gegenüber den USA US-Administrationen beschworenen »hemisphärischen Gemeinsamkeiten« wurden von der Trump-Regierung Die Beziehungen der USA zu ihren südlichen Nachbarn bisher nur wenig betont. Stattdessen wurde zunächst gehören zu den schwierigsten Feldern ihrer internatio- einer unilateralen Politik vor einem multilateralen An- nalen Präsenz. Neben den augenfälligen Asymmetrien satz – selbst in der dramatischen Venezuela-Krise – der an politischer Macht und gesellschaftlichem Wohlstand Vorzug gegeben. Auch die Aktivitäten der Organisation sind es vor allem die sehr unterschiedlichen politischen Amerikanischer Staaten (OAS) wurden bisher weder aus- Kulturen in den beiden Amerikas, welche die Nachbar- reichend unterstützt noch wurde die interamerikanische schaftsbeziehungen zu einem besonders komplizierten Organisation in ihren Bemühungen zur Konfliktbeile- Politikfeld gemacht haben. Nicht nur gegenüber den di- gung politisch gestärkt. rekten Nachbarn wie Mexiko und den karibischen Staa- ten, sondern auch gegenüber der ganzen Region haben Es passt in die America first-Strategie von Präsident Trump, sich innenpolitisch motivierte Politikansätze immer mit die vor allem auf Bilateralismus ausgerichtet ist, dass mit außen- und sicherheitspolitischen Strategien vermischt einer umfangreichen Regionalstrategie wie der »Allianz und damit schwer regulierbare intermestic effects in den für den Fortschritt« zu Zeiten von Präsident Kennedy, dem sehr unterschiedlichen Gesellschaften hervorgerufen. »Krieg gegen die Drogen« von Präsident Nixon oder der Verstärkt wurden diese Effekte noch durch die jeweiligen Ankündigung einer gesamtamerikanischen Freihandelszo- politischen Eliten der lateinamerikanischen Staaten, von ne von Präsident Bush während der derzeitigen Präsident- denen die einen den US-Führungsanspruch akzeptieren, schaft nicht zu rechnen sein dürfte. Wichtige Elemente die anderen diesen Einfluss hingegen reduzieren möchten der traditionellen Lateinamerikapolitik der USA, wie die (Merke 2011: 21). Gerade die für Lateinamerika zentralen Förderung von Freihandelsabkommen, die Unterstützung Politikbereiche wie Handels-, Umwelt- und Migrations- von multilateralen Organisationen oder die Förderung de- politik sind auch für US-Präsident Trump die bestimmen- mokratischer Prozesse, werden von Präsident Trump so- den Themen – sowohl gegenüber seinen Wähler_innen gar weltweit als außenpolitische Strategien abgelehnt. Sie als auch in seiner internationalen Positionierung (Samper kommen in Lateinamerika aber dennoch zumindest teil- 2017: 2). Dadurch ist ein permanenter Interessenkonflikt weise zur Anwendung, da sie als Basis für eine erfolgver- in der westlichen Hemisphäre geradezu unvermeidbar. sprechende Zusammenarbeit zumindest mit einigen Staa- ten der Region dienen sollen, vor allem zur Isolierung von Aufgrund seiner geografischen Nähe wird Lateinamerika Venezuela und Kuba sowie als Abwehr des gestiegenen häufig als wichtigste Region für den Wohlstand und die geopolitischen Gewichts von China und Russland. Sicherheit der USA angesehen (Ellis / Ortiz 2017: 1). Die mit dieser Nähe verbundenen Migrationswellen haben Gerade die schroffe Ablehnung des Multilateralismus schon lange vor Präsident Trump zu einer besonderen durch US-Präsident Trump dürfte auf die Haltung einiger geopolitischen Sensibilität in den USA gegenüber Latein- lateinamerikanischer Regierungen einen bleibenden Ein- amerika geführt. Die jüngste Phase dieser schwierigen druck hinterlassen und damit die ohnehin stagnierenden Beziehungen fällt zusammen mit dem Führungsverlust regionalen Integrations- bzw. Kooperationsbemühun- der USA auf globaler Ebene und den Abschottungs- gen weiter schwächen. Stattdessen wollen die USA den tendenzen der bisherigen Führungs- und Vormacht der Rückgang der wirtschaftlichen Beziehungen, der zum liberalen Weltordnung, deren Präsident deutlich herab- Teil mit dem Ende des Rohstoffbooms im Zusammen- setzende und rassistische Charakterisierungen für die hang steht, durch eine Überprüfung der multilateralen Bewohner_innen südlich des Rio Grande gefunden hat. (Mexiko und Zentralamerika) sowie der bilateralen Frei- handelsabkommen (Chile, Peru, Kolumbien) aufhalten Diese Entwicklung hat sowohl die eher kritischen als bzw. umkehren. Die Kriterien dafür hat Trump sehr prä- auch die positiv gegenüber den USA gesinnten Latein- zise formuliert: Der Außenhandelsüberschuss solle nun amerikaner_innen außerordentlich verunsichert, sodass aufseiten der USA anfallen. die Präsidentschaft Trumps in der Region vielfach als historische Wende betrachtet wird, obwohl sich in den Trumps Konzept des America first bezieht sich aber kei- wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen bis- nesfalls nur auf nationale Interessen, sondern durchaus 3
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN auch auf die wirtschaftlichen Interessen bestimmter Un- ner Mauer entlang der Grenze zu Mexiko dazu dienen, ternehmen mit direktem Zugang zum Präsidenten oder die »offene Grenze« nach Süden nicht nur gegen Mi- seinen Berater, wie eine Reihe von außenwirtschaft- grant_innen, sondern auch gegen Drogenschmuggel lichen Einzelentscheidungen in den letzten Monaten dauerhaft zu sichern. So steht die Furcht vor dem »Über- gezeigt hat. Da der nordamerikanische Markt für viele schwappen« der in der Region weit verbreiteten orga- lateinamerikanische Staaten weiterhin von zentraler Be- nisierten Kriminalität, der damit verbundenen Zunahme deutung ist, werden alle regionalen Handelspartner nun an Gewalt sowie der reduzierten Staatlichkeit, die dann versuchen, durch Deals, also einem Entgegenkommen in wiederum zu erhöhtem Migrationsdruck führen würde, anderen Politikfeldern, die der Regierung Trump wichtig im Mittelpunkt der wenigen Lateinamerika-Initiativen in sind, Handelsvorteile zu erreichen bzw. zu verteidigen. Washington. Trotz der Absicht des ehemaligen US-Außenministers Aus Sicht der betroffenen Staaten Lateinamerikas han- Rex Tillerson, sich stärker in Lateinamerika zu engagieren delt es sich dabei freilich auch um ein zentrales Problem und eine regionale Allianz gegen Venezuela und Kuba des jeweiligen Finanzhaushalts. So betrugen allein 2017 zu schmieden, überlässt das State Department die Regi- die Rücküberweisungen der lateinamerikanischen Mig- onalkompetenz in Washington weitgehend dem Stabs- rant_innen in ihre Ursprungsländer etwa 75 Mrd. US- chef im Weißen Haus, dem früheren Kommandanten Dollar. Für Mexiko machen diese Zahlungen zwar nur des für Lateinamerika zuständigen U. S. Southern Com- 2,7 des BNE aus, für einige Staaten Zentralamerikas aber mand, General John F. Kelly. Seine Erfahrungen in der zwischen 10 und 20 Prozent; für Haiti sogar 33 Prozent regionalen Sicherheitskooperation, auch während sei- (Orozco 2018: 1). Die verschiedenen Ausweisungsan- ner Zeit als Chef des Heimatschutzministeriums, prägen drohungen der Trump-Regierung aufgrund der ange- zahlreiche bilaterale Initiativen der Trump-Regierung. So kündigten Beendigung spezieller Schutzprogramme für sind die USA in der Region nicht auf Partnersuche für ge- Migrant_innen aus El Salvador, Nicaragua, Honduras meinsame Entwicklungsprogramme, sondern versuchen und Haiti im Laufe von 2018/19 könnten neben dem zu- für ihren Kampf gegen Drogen und Terrorismus – oft künftigen Ausbleiben dieser privaten Finanzströme vor ohne Rücksicht auf endogene Modelle –, vor allem Mili- allem die fragile wirtschaftliche und soziale Situation in tär, Polizei und Geheimdienste der einzelnen Länder für den betroffenen Staaten erheblich gefährden und damit eine intensivere Zusammenarbeit zu gewinnen. den Anstieg von Gewalt und organisierter Kriminalität zusätzlich ausweiten (Feinberg 2017). Die USA unter Trump: Empfindlichkeiten Wie verantwortungslos US-Präsident Trump mit dem in der nationalen Politik gegenüber den Schicksal von mehreren hunderttausend Menschen um- »südlichen Nachbarn« geht, wenn es sich um Migrant_innen handelt, lässt sich auch an der hitzigen innenpolitischen Diskussion um die Aus Sicht der Trump-Regierung steht die »Chaosmacht« Zukunft der sogenannten Dreamers ablesen. Das Schick- Lateinamerikas im Vordergrund aller politischen Überle- sal dieser etwa 800.000 als Kinder in die USA gelangten gungen. Seit dem Beginn des Wahlkampfs war die Ein- Migrant_innen, die inzwischen zumeist in Ausbildung dämmung der Migration das zentrale Thema, das bereits bzw. Arbeit sind und von Präsident Obama unter beson- von der Obama-Regierung weitgehend geprägt worden deren Schutz vor der Ausweisung gestellt worden wa- war und seither zu millionenfachen Abschiebungen – ren, hat Präsident Trump im Januar 2018 erfolglos als vor allem nach Mexiko und Zentralamerika – sowie in Faustpfand für einen großen Deal mit dem US-Kongress 2017 zu einem Rückgang von etwa 30 Prozent der ille- zu benutzen versucht, um die Finanzierung seines Mau- galen Einwanderung an der Grenze mit Mexiko geführt erprojekts an der Grenze mit Mexiko zu realisieren, so- hat. Eine massive Rückführung des als illegal bezeichne- fern der US-Kongress diesem fragwürdigen, aber zentra- ten Teils der sogenannten Hispanics, die mit 18 Prozent len Projekt seiner Amtszeit zustimmen sollte. die größte und am schnellsten wachsende Minderheit der US-Bevölkerung darstellen (Grabendorff 2016: 2), Das damit verbundene Konzept der Abschottung wider- gilt für Trump als Maßnahme der nationalen Sicherheit. spricht nicht nur der noblen Tradition der USA, ein Ein- Ebenso soll der von ihm pausenlos geforderte Bau ei- wanderungsland zu sein, sondern stellt auch die ganze 4
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN Region – keineswegs nur Mexiko – unter »Unterwande- In Handelsfragen setzt die Trump-Administration vor al- rungsverdacht« und sieht damit in der Nachbarschaftsre- lem auf bilaterale Verhandlungen, die sich oft nur auf gion eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Diese Gefah- wenige Produkte beziehen und den Einfluss bestimm- renperzeption beruht einerseits auf dem zunehmenden ter US-Interessengruppen deutlich erkennen lassen. Der politischen und wirtschaftlichen Gewicht der Hispanics in Ausstieg der USA aus dem schon weit fortgeschrittenen den USA, andererseits aber auch auf den neuen politisch Trans-Pacific-Partnership-Abkommen (TPP) hat bei des- geprägten Wanderungsbewegungen aus Zentralamerika sen lateinamerikanischen Mitgliedern generell eine große und Venezuela sowie auf der zu erwartenden »Umwelt- Verunsicherung hinsichtlich multilateraler Handelsverein- migration« von den Karibischen Inselstaaten. barungen mit den USA hinterlassen und vor allem in Me- xiko weitreichende Befürchtungen über die möglichen Während die historische »Arbeitsmigration« aus Mexiko »Kosten« der Modernisierungsverhandlungen des North in den letzten Jahren eher rückläufig war, besteht in der American Free Trade Agreement (NAFTA) hervorgerufen. Trump-Administration nun die Furcht vor neuen Einwan- Neue bilaterale Handelsabkommen gelten in Washington derungswellen, die Kriminelle, Drogenhändler_innen mit Blick auf das ausufernde eigene Außenhandelsdefi- und vielleicht sogar Terrorist_innen umfassen könnten. zit – trotz des erkennbaren Interesses von Argentinien, Dies entspricht der traditionellen Sichtweise zahlreicher Brasilien, Ecuador und Uruguay – zurzeit als nicht aktuell. republikanischer Präsidenten auf Lateinamerika, die Nicht zuletzt aus diesem Grund haben Argentinien und vor allem drei Gefahren für die USA betont: eine sich Brasilien die Kritik der Regierung Trump an ihren umfang- über den Drogenhandel hinaus etablierende organisier- reichen Handelsbeziehungen mit China und Russland te Kriminalität, eine begrenzte Staatlichkeit, die diese scharf zurückgewiesen. Entwicklung erleichtert, wenn nicht sogar fördert, und das mögliche Szenario eines transnationalen Terrorismus (Russell / Tokatlian 2009: 236). Geopolitischer Druck auf wichtige Staaten im Karibischen Becken Dass die organisierte Kriminalität vor allem auf Grund der Drogennachfrage in den USA, über den Drogenanbau Die Beziehungsmuster der Trump-Regierung folgen und den Drogenhandel erst zu einer wirklichen Gefahr einer bilateralen Logik und konzentrieren sich auf die für die staatliche Stabilität in einigen Teilen Lateinameri- »Konfliktstaaten« im Karibischen Becken: Mexiko, Ko- kas werden konnte, bleibt in diesen Bedrohungsszenari- lumbien, Kuba und Venezuela. Ein gleiches Maß an en freilich unerwähnt. Gleichzeitig dürfte dieser immer politischer Aufmerksamkeit erreichte in Washington wieder betonte Generalverdacht gegenüber den Nach- nur Argentinien, da der dortige Wechsel des Entwick- barn im Süden zu einer Dauerbelastung der regionalen lungsmodells und Führungsstils als positiv für die US- Beziehungen führen – weitgehend unabhängig von not- Interessen wahrgenommen wurde, während die einzige wendigen Anpassungsprozessen und möglichen Verbes- Großmacht Lateinamerikas, Brasilien, in der Öffentlich- serungen in einigen der bilateralen Beziehungen. keit bisher wenig Beachtung durch die Regierung Trump gefunden hat. Die Hispanics werden vor allem von den weißen Wäh- ler_innen Präsident Trumps für die extrem hohen Ar- Mit der offensichtlichen Ausnahme von Kuba und Ve- beitsplatzverluste im letzten Jahrzehnt verantwortlich nezuela haben sich alle Präsidenten der Region rasch gemacht, obwohl der Hauptteil dieser Verluste freilich um persönliche Kontakte zu Trump bemüht und früh auf die bewusste Verlagerung der Arbeitsplätze durch erkannt, dass die Vor- oder Nachteile in den bilateralen US-Unternehmen zurückgeht. Darin liegen die beiden Beziehungen so gut wie ausschließlich vom Kontakt zum Hauptgründe von Trumps Angriff auf das Konzept des Weißen Haus abhängen. Ad-hoc-Absprachen sowie die Freihandels, das von der Republikanischen Partei im- Gewährung oder auch Verweigerung von Handelsvortei- mer hochgehalten und von US-Gewerkschaften sowie len haben die bilateralen Verhandlungen bisher bestimmt auch von der Demokratischen Partei als Ursache für die und häufig auch für Verwirrungen und Enttäuschungen Arbeitsplatzverlagerungen aus den USA in Länder mit in einigen Staaten gesorgt. Die Ausnahmeregelungen für erheblich geringeren Arbeitskosten wie Mexiko stets an- Mexiko und Kanada von den im März 2018 weltweit ver- geprangert worden ist. hängten zusätzlichen Stahl- und Aluminiumzöllen durch 5
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN US-Präsident Trump, um deren Gewährung sich auch Ar- Die Argumentation der US-Regierung für eine grund- gentinien bemüht, belegen diesen Politikstil. sätzliche Veränderung der NAFTA bezieht sich einer- seits auf den stattlichen Außenhandelsüberschuss, den Präsident Trump scheint vor allem daran interessiert zu Mexiko jährlich als drittgrößter Handelspartner gegen- sein, den US-Unternehmen im internationalen Geschäft über den USA erwirtschaftet (der nur noch von China einen Marktvorteil zu verschaffen (Binett 2018: 23) und übertroffen wird), und andererseits auf die Attraktivität damit einen Beitrag zum Abbau des chronischen Au- Mexikos als Investitionsstandort – allerdings nahezu aus- ßenhandelsdefizits der USA zu leisten. In allen bishe- schließlich aufgrund seiner NAFTA-Mitgliedschaft. Dies rigen Fällen sind wirkliche »Abwehrmaßnahmen« zur gilt vor allem für jene US-Unternehmen, die sich nicht Verringerung der asymmetrischen Effekte auf latein- nur das Einkommensgefälle bei den Industriearbeitern amerikanischer Seite nicht erkennbar und angesichts (10:1), sondern auch die steuerlichen Vorteile des Lan- der mangelnden regionalen Kohäsion auch nicht recht des zunutze gemacht haben und dadurch vor allem in vorstellbar. der Automobilindustrie erfolgreiche und stark vernetzte nordamerikanische Produktionsketten etablieren konn- ten. Daher kann Mexiko bei wichtigen Teilen der nord- Mexiko – gravierende Nachbarschaftsprobleme amerikanischen Industrie und aufgrund seiner umfang- reichen Lebensmittelimporte aus den USA auch beim Die »Neugestaltung« der Nachbarschaftspolitik gegen- Agrobusiness mit weitgehender Unterstützung für seine über Mexiko hat trotz der Radikalität des ursprünglichen Position in den NAFTA-Verhandlungen rechnen. Hinzu Ansatzes von US-Präsident Trump und seiner rassisti- kommt die deutliche politische Unterstützung für das schen Rhetorik bisher zu keiner dauerhaften Zerrüttung Fortbestehen der NAFTA in einem Schreiben von 36 der des ohnehin immer schwierigen Verhältnisses geführt 51 republikanischen Senator_innen an Präsident Trump. – sehr wohl aber zu bisher ungeahnten Diversifizie- Die Weichen stehen daher eher in Richtung einer zeit- rungsanstrengungen der mexikanischen Regierung um lichen Ausdehnung des NAFTA-Verhandlungsprozesses verbesserte Beziehungen zu Südamerika, Asien, insbe- bis nach den Präsidentschaftswahlen in Mexiko statt sondere China, und Europa. Trotz der sehr spezifischen eines raschen von Präsident Trump häufig als möglich und wiederholten Beschimpfungen Mexikos durch Prä- avisierten Ausstiegs. sident Trump hat es in Lateinamerika nur sehr wenige und eher sparsame Solidaritätserklärungen für Mexiko Ein weiterer Verhandlungstrumpf für Mexiko ist die gegeben – auch ein Ausdruck für die geringe regionale enge sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Präsenz und politische Unterstützung in kritischen nati- den Nachbarstaaten. Sie beschränkt sich keineswegs onalen Auseinandersetzungen mit den immer noch viel- allein auf die Drogenproblematik und die Kartellbe- fach als Hegemonialmacht empfundenen USA. kämpfung, sondern konzentrierte sich in den letzten Jahren auch auf die Kontrolle der Flüchtlingswellen Ob es zu einer generellen Neuausrichtung Mexikos ge- aus Zentralamerika. Die sehr strenge Migrationspolitik genüber dem mächtigen Nachbarn kommen wird, dürfte Mexikos gegenüber seinen südlichen Nachbarn wird in nicht nur von den Ergebnissen der NAFTA-Verhandlun- Washington durchaus positiv gesehen, sodass die An- gen, sondern vor allem vom Ausgang der mexikanischen kündigungen Mexikos, gegebenenfalls seine bilaterale Präsidentschaftswahlen im Juli 2018 abhängen. Aufgrund sicherheitspolitische Zusammenarbeit zu überdenken, der vielfältigen wirtschaftlichen Vernetzung auf fast allen einen weiteren zentralen Punkt in seiner Abwehrreak- Ebenen zwischen beiden Ländern, die sich durch mehr tion auf die kontinuierlichen Angriffe Trumps darstellt. als zwei Jahrzehnte NAFTA-Erfahrungen noch verfestigt Ohne Zweifel ist das Nachbarschaftsverhältnis sicher- haben, sind Mexikos Optionen im Falle einer tatsächli- lich dauerhaft belastet mit langfristigen und unabseh- chen Aufhebung des NAFTA-Vertrages, sehr begrenzt. baren Folgen in vielen, nicht nur bilateralen Politikbe- Andererseits würde Mexiko aber auch eine Kündigung reichen. von NAFTA wirtschaftlich überleben, trotz der gravieren- den Effekte des Rückgangs von Exporten und Auslands- Die bevorstehende Präsidentschaftswahl in Mexiko im investitionen vor allem in den ersten Jahren nach Ende Juli 2018 könnte durchaus mit Blick auf die neuen »poli- des Freihandelsvertrages (Castañeda 2018). tischen Wunden« entschieden werden, die US-Präsident 6
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN Trump dem Land zugefügt hat. Für die USA war es seit Der innenpolitische Effekt von Trumps Kritik an der ge- der mexikanischen Revolution immer entscheidend, im stiegenen Drogenproduktion des Landes auf den kolum- Nachbarland einen Systemwechsel hin zu einer natio- bianischen Wahlkampf 2018, der durch seinen Staats- nalistischeren und weniger marktfreundlichen Politik besuch in Kolumbien zusätzliche Polarisierung erfahren zu vermeiden. Der frühere Bürgermeister der Haupt- dürfte, ist auch hier nicht zu unterschätzen, zumal eine stadt und derzeit in allen Umfragen führende Präsident- Rückkehr zu der »harten« Antidrogenpolitik des Plan Co- schaftskandidat Andrés Manuel López Obrador (AMLO), lombia von vielen Parteien abgelehnt wird. Andererseits der bereits zum dritten Mal antritt, könnte aufgrund der ist Kolumbien in der sicherheitspolitischen Zusammenar- deutlich erstarkten Anti-US-Stimmung im Land – unab- beit weiterhin einer der wichtigsten Alliierten in der Re- hängig vom Verlauf der NAFTA-Verhandlungen – diesmal gion, mit Präsenz in verschiedenen Staaten Zentralameri- die Wahl gewinnen und einen weniger marktfreundli- kas und von strategischer Bedeutung für alle möglichen chen Kurs einschlagen. Das gefährliche Problemdreieck Szenarien in Venezuela. Insbesondere die rasche Auf- von Handel, Migration und möglichem innen- wie wirt- nahme von mehr als einer Million Flüchtlingen aus dem schaftspolitischem Wechsel machen Mexiko mit Abstand Nachbarland Venezuela dürfte für das Land während des zum größten Risikofaktor für die Außenpolitik Trumps in Wahlkampfes neue innenpolitische Erschütterungen mit Lateinamerika. sich bringen. Kolumbien – Strategischer Partner Kuba – wenig Spielraum nach innen und außen trotz Druck aus Washington Kuba und Venezuela betrachtet die Trump-Administra- Kolumbien wird von den USA traditionell als der treues- tion vornehmlich in Bezug auf die Wahrung der Men- te Verbündete in Südamerika angesehen. Verschiedene schenrechte und Demokratie – Konzepte die gegenüber US-Administrationen haben den Plan Colombia zur Sta- den weit verbreiteten Problemen in der Region ansons- bilisierung des durch den Jahrzehnte dauernden Gue- ten so gut wie unerwähnt bleiben. Beide Länder wurden rillakonflikt geschwächten Staat als einen der größten vom ehemaligen US-Außenminister Rex Tillerson immer Erfolge der US-Außenpolitik in den vergangenen Jahren wieder als die unerfreulichen Ausnahmen in der demo- gefeiert. Die Androhung Präsident Trumps, Kolumbien kratischen westlichen Hemisphäre kritisiert. Gleichzei- aufgrund gestiegener Drogenproduktion wieder als un- tig wird eine gemeinsame Politik in der Region zu ihrer zuverlässig in seinen Verpflichtungen im Kampf gegen Demokratisierung eingefordert. Da es im April 2018 zur Drogenanbau und -handel einzustufen, trifft das Land ersten politischen Transition im System der Kubanischen in der schwierigen Phase der Umsetzung des 2016 ge- Revolution nach fast 70 Jahren Herrschaft der Gebrü- schlossenen Friedensvertrages mit der wichtigsten Gue- der Castro kommen soll, ohne dass eine grundsätzliche rillaorganisation Fuerzas Armadas Revolucionarias de Änderung des bisherigen Regimes zu erwarten wäre, Colombia (FARC) daher schwer. dürfte der politische und / oder wirtschaftliche Druck vonseiten der Regierung Trump eher noch zunehmen. Nachdem die Obama-Regierung den Friedensprozess, Dass sich dabei – im Gegensatz zu Venezuela – auch der in Kolumbien selbst durchaus umstritten ist, aktiv lateinamerikanische Staaten dieser Politik anschließen unterstützt hatte, könnte der Druck aus Washington in werden, erscheint aber eher unwahrscheinlich. der Drogenpolitik nun zu neuen Auseinandersetzungen und vermehrter politischer Instabilität führen. Insbeson- Gegenüber beiden Staaten ist die Kontinuität der US- dere das geheime Treffen Trumps im April 2017 mit den Außenpolitik deutlich erkennbar, obwohl Präsident beiden früheren Präsidenten Kolumbiens und promi- Trump versucht hat, zumindest einen Teil der von der nenten Gegnern des Friedensprozesses mit den FARC, Obama-Regierung durchgesetzten Erleichterungen für Álvaro Uribe Vélez und Andrés Pastrana, hat in Kolum- Kuba rückgängig zu machen. Dabei haben nahezu aus- bien die Befürchtung ausgelöst, die neue US-Regierung schließlich innenpolitische Überlegungen zur Befriedi- könnte zugesagte Finanzhilfen für den Friedensprozess gung der politischen Erwartungen seiner Wähler_innen kürzen oder mit neuen Auflagen für die Drogenpolitik unter den Exil-Kubaner_innen in Florida eine Rolle ge- des Landes verbinden (Hawley 2017: 23). spielt. Die Erwartungen Kubas, mit einer verbesserten 7
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN bilateralen Beziehung zu den USA auch wirtschaftspo- Aus diesem Grund hat der ehemalige US-Außenminister litische Veränderungen erzielen zu können, sind durch Rex Tillerson auf seiner ersten Lateinamerikareise im die schroffe Politik von Präsident Trump – auch durch Februar 2018 (Mexiko, Peru, Argentinien, Kolumbien, die Reisewarnung, die den US-Tourismus deutlich ein- Jamaika) das »Regionalproblem« Venezuela in den Mit- schränkt – hingegen hinfällig geworden, ebenso wie die telpunkt seiner Bemühungen gestellt, um eine hemisphä- Hoffnung auf eine baldige Beendigung des Handelsem- rische Strategie zur Wiederherstellung der Demokratie bargos der USA. in Venezuela einzuleiten. Die USA, Kanada und Mexiko waren sozusagen die Gründungsmitglieder dieser »Alli- Kubas außenpolitischer Spielraum ist durch die Norma- anz der Willigen«; Argentinien ist aufgrund der pronon- lisierung seiner Beziehungen zum »Norden« (USA und ciert kritischen Position von Präsident Mauricio Macri EU) sowie den klaren politischen Verschiebungen in der in der Venezuelafrage als Sprecher dieser Gruppe aus- Region eher geringer geworden. Inwieweit China und ersehen. Russland den Ausfall der bisherigen Unterstützung durch Venezuela auffangen wollen bzw. können, ist kaum Unter den vielfachen Herausforderungen für die USA in absehbar, zumal beide Weltmächte von der Regierung der Region ist Venezuela sicherlich der schwierigste Fall. Trump zunehmend als »Störenfriede« in der Region be- Entgegen ersten Einschätzungen in den USA hat sich handelt werden. das Regime von Präsident Nicolás Maduro trotz einer sich ständig verschlechternden wirtschaftlichen Situati- on und nicht zuletzt auch aufgrund gravierender Fehler Venezuela – ein lange unterschätztes der uneinigen venezolanischen Opposition bisher halten Regionalproblem können. Daran hat die Unterstützung durch China und Russland sicherlich einen nicht unwesentlichen Anteil, Die Angst vor zerfallenden Staaten in der eigenen Nach- der aber auch nicht überschätzt werden sollte (Alba barschaft bezog sich in den USA zu Beginn des Jahr- 2017), da die geopolitische Präsenz beider Großmäch- hunderts vor allem auf Kolumbien und Haiti. Jetzt ist te vor allem dem Erdölriesen Venezuela und nicht dem diese Bedrohungsvorstellung auf Venezuela mit seinen Machterhalt seines Präsidenten gilt. inzwischen fast vier Millionen Flüchtlingen übergangen, obwohl auch die drei nördlichen Staaten Zentralameri- Die Strategie der Regierung Trump zielt daher nicht nur kas und selbst Teile Mexikos in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit einer raschen Demokratisierung genannt werden. Venezuelas, sondern gleichzeitig auf eine Reduzierung des in den letzten Jahren rasch gewachsenen Einflusses Venezuela schien der Trump-Administration zunächst von China und Russland in der Region. Die Kritik an der keine größeren politischen Anstrengungen wert zu sein regionalen Rolle von China und Russland steht dabei im – abgesehen von der wiederholten Bitte an die Latein- direkten Zusammenhang mit den Veränderungen in der amerikaner_innen sowie die EU, sich den nordamerika- National Defense Strategy von Präsident Trump, die den nischen Sanktionen gegen Politiker_innen und Militärs Wettbewerb mit anderen Weltmächten – und nicht wie in Venezuela anzuschließen. Vielmehr war die zunächst bisher den Kampf gegen den Terrorismus – in den Mit- eher zynische Politik auf einen Zusammenbruch der telpunkt der nationalen Sicherheitsstrategie stellt. Staatsfunktionen in Venezuela ausgerichtet – einem failed state in nahezu allen Dimensionen (Coronel 2017) Die Trump-Regierung hat zwar die personalisierten Sank- –, um anschließend einen Neuanfang zu unterstützen. tionen gegen führende venezolanische Regierungsmit- Zwischenzeitlich könnte Venezuela für Trump aber durch- glieder, die bereits von Obama verhängt worden waren, aus zu einem Testfall für seine Kooperationsbereitschaft ausgeweitet und verschärft, bisher jedoch davon Ab- mit Lateinamerika werden, denn obwohl die militärische stand genommen, wirkungsvolle Sanktionen wie etwa Lösung vermutlich kaum ernst gemeint war, sondern die Drosselung der Erdöleinahmen anzudrohen. Dies dem Aufbau von Druckpotenzial dienen sollte, hat gera- liegt vor allem an den zu erwartenden Rückwirkungen, de diese Ankündigung in der Region zu einem weiteren die ein solcher Einfuhrstopp für die in den Südstaaten Vertrauensverlust in die Problemlösungskapazitäten der der USA liegenden Raffinerien und deren Arbeitskräfte USA geführt. haben würde, aber auch an der scharfen Ablehnung ei- 8
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN ner solchen Maßnahme durch die Opposition in Venezu- Insofern dürfte auch das Desinteresse der Trump-Admi- ela, die durch einen von außen hervorgerufenen totalen nistration an der Funktionsfähigkeit der OAS als multi- Wirtschaftszusammenbruch eher eine Legitimation der lateralem Konfliktlösungsmechanismus in Lateinamerika antiamerikanischen Strategie von Präsident Maduro be- noch langfristige Spätfolgen zeitigen. Die rasche Aner- fürchtet (Sabatini 2017). kennung der Ergebnisse der von Unregelmäßigkeiten und Repression geprägten Präsidentschaftswahlen in Die von Präsident Trump angesprochene Möglichkeit Honduras durch das U.S. State Department, entgegen einer militärischen Lösung hat hingegen selbst unter der Empfehlung der OAS, die Wahlen wiederholen zu den besonders US-freundlichen Staaten der Region wie lassen, ist besonders in den an transparenten demokra- Argentinien, Chile, Kolumbien und Peru eine deutliche tischen Prozeduren orientierten Staaten der Region mit Protestwelle ausgelöst und gleichzeitig deren Bemühun- Bestürzung aufgenommen worden. gen diskreditiert, über die OAS verstärkt Druck hinsicht- lich einer internen Lösung in Venezuela aufzubauen. Eine militärische Lösung würde Präsident Trump, dem Hegemonieverlust der USA und geo nachgesagt wird, er würde militärische Machtdemons- politische Spannungen in Lateinamerika trationen mehr schätzen als sein Vorgänger (Yarhi-Milo 2018: 72), zudem nicht nur in der Region, sondern auch Aufgrund der seit Amtsantritt von Präsident Trump deut- im eigenen Land vor unvorhersehbare Probleme stellen. lich erkennbaren fehlenden Kohärenz und reduzierten Denn eine Invasion nach einem Zusammenbruch der Berechenbarkeit der US-Außenpolitik (Aguirre 2018) ist Maduro-Regierung und die Wiederherstellung innen- das Vertrauen in eine langfristige, ergiebige Zusammen- politischer Stabilität würde etwa 200.000 Soldat_in- arbeit mit den USA in der Region rapide gesunken, eben- nen erfordern, also mehr als die Invasion im Irak (Mora so wie die entsprechenden Umfragen, die nur noch 16 2017). Ein solcher Aufwand wäre aufgrund der Kriegs- Prozent Zustimmung für die Politik des US-Präsidenten in müdigkeit der Wähler_innen in den USA innenpolitisch Lateinamerika erkennen lassen. Die öffentliche Meinung für Präsident Trump kaum zu verkraften, zumal ihm über Trump und die USA generell hat sich in verschie- vonseiten seiner militärischen Berater_innen ohnehin denen Staaten, insbesondere denjenigen im engeren bereits dringend von einer Invasion in Venezuela abge- geografischen Umfeld der USA, dramatisch verschlech- raten wurde. Sollte Präsident Maduro allerdings seine tert (Keating 2018). Darin ist auch eine Abkehr von der Drohung wahrmachen, aus innenpolitischen Gründen durch die USA gekennzeichneten politischen Ordnung Teile des von Venezuela beanspruchten Guayana mili- erkennbar, da das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit tärisch zu besetzen, wäre ein Interventionsszenario in dieser Ordnung nicht mehr geben ist (Maull 2017: 6) und Venezuela durchaus vorstellbar – gegebenenfalls mit die Führungsrolle der USA in Lateinamerika kaum mehr der Unterstützung einer regionalen »Koalition der Wil- anerkannt wird. Trotz dieser generellen Entwicklung be- ligen«, die sich aufgrund der Souveränitätsverletzung steht bei vielen Staaten in der Region jedoch weiterhin durch Venezuela dazu legitimiert sähe. eine klare Tendenz, bilaterale und darüber hinaus privile- gierte Beziehungen zu den USA anzustreben. Gerade der außerordentlich komplexe Fall des politischen Umgangs mit dem Maduro-Regime hat gezeigt, dass Nun ist das Bemühen der Staaten der Region, eine Diver- nicht nur der persönliche Politikstil Trumps zu einer ver- sifizierung seiner Außenbeziehungen und insbesondere mehrten Unsicherheit in der Region geführt hat, sondern seiner Außenwirtschaftsbeziehungen zu erreichen, ein auch die fehlende Verlässlichkeit eines bei politischen Prozess, der aufgrund der Globalisierung und der damit Konflikten bisher entscheidenden regionalen Akteurs. verbundenen Verschiebung von bisher dominanten geo- Die Unkalkulierbarkeit des derzeitigen US-Präsidenten politischen Achsen mindestens seit einem Jahrzehnt zu erscheint in der Region – nicht zuletzt aufgrund eigener beobachten ist; zumal es die mangelnde regionale Ein- historischer Erfahrungen mit autoritären Präsidenten – heit und die ideologische Voreingenommenheit Latein- eher verkraftbar als die bisherige Unfähigkeit der frühe- amerikas außerordentlich mühsam gemacht haben, die ren Vormacht, ihre eigenen Interessen klar zu definieren Rolle eines wichtigen neuen internationalen Akteurs ein- und im Idealfall zusammen mit befreundeten Staaten in zunehmen (Detsch 2014: 4). Doch erst seitdem die bis- der Region durchzusetzen. herige, westlich dominierte Weltordnung in den letzten 9
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN Jahren weitgehend zu Ende gegangen ist (Maull 2017: Insbesondere seit dem Amtsantritt von US-Präsident 5) und die USA unter Präsident Trump jeden Anspruch Trump hat China wiederholt auf die strategische Bedeu- auf eine Führungsrolle aufgegeben haben (Niblett 2018: tung der Region für die eigene Entwicklung sowie auf die 22), ist auch in Lateinamerika das Bemühen um neue Langfristigkeit seines Engagements hingewiesen. Neben »strategische Partner« zu einem zentralen Bestandteil den zahlreichen engen bilateralen Beziehungen ist Chi- der Außenpolitik fast aller Staaten geworden. Doch wie nas starke Kooperation mit der Gesamtregion über das zuvor sind viele Staaten der Region zur Verbesserung der CELAC-China-Forum1 bemerkenswert. In der Erklärung eigenen Entwicklungschancen auf der Suche nach extra- von Santiago (Declaración de Santiago 2018) ist nicht nur regionalen Alliierten – zumeist wirtschaftlich, aber auch ein detaillierter Aktionsplan für 2019–2021 beschlossen politisch. worden, sondern wurde auch die Schaffung einer großen transozeanischen Transportroute mit Anschluss an das Angesichts der Verwerfungen im internationalen Sys- chinesische Seidenstraßen-Projekt geplant. Interessant tem hat die Region als neue Eckpunkte ihres außenpo- ist darüber hinaus die Betonung der zukünftigen chine- litischen Bezugsrahmens den Niedergang der USA, den sischen Rolle bei der Industrialisierung Lateinamerikas, Aufstieg Chinas, den Bedeutungsverlust des normativen nachdem bisher fast alle Auslandsinvestitionen Chinas Einflusses der EU, das wachsende Selbstbewusstsein der auf Rohstoffabbau und Infrastruktur konzentriert waren. aufstrebenden Mächte sowie die Legitimitätskrise in den Dabei sind nicht nur die wirtschaftlichen Interessen Chi- internationalen Organisationen bereits verinnerlicht (Sa- nas zu benennen, sondern vor allem auch das politische nahuja 2017: 203). Damit steht Lateinamerika vor sehr Gewicht des Landes im Zusammenhang mit dem globa- variablen, häufig kurzfristigen und vornehmlich einzel- len Wettbewerb mit den USA und der noch bestehenden staatlich orientierten Veränderungen des außenpoliti- Präsenz Taiwans in der Region zu berücksichtigen. schen Profils (Frenkel / Comini 2017). Die erklärte Absicht Chinas, sich als alternative Führungs- macht im internationalen System zu etablieren (Gowan China – der neue Elefant in der Region 2017: 375), ist in Lateinamerika ohne kritisches Echo geblieben und hat auch deshalb die geopolitischen Be- Die Position Chinas als zentraler Handels- und Investiti- fürchtungen in den USA verstärkt. Dabei ist es für die onspartner Lateinamerikas ist innerhalb und außerhalb Region von entscheidender Bedeutung, dass China der- der Region lange unterschätzt worden. In den letzten zeit keinerlei Interesse zeigt, das »eigene Politik-, Wirt- fünf Jahren hat China jedoch allein mit sieben wichtigen schafts- und Gesellschaftsmodel zu exportieren« (Maull lateinamerikanischen Staaten (Argentinien, Brasilien, 2017: 124). Darin besteht der zentrale Unterschied zu Chile, Ecuador, Mexiko, Peru und Venezuela) umfassen- den Beziehungen, die Lateinamerika bilateral und multi- de strategische Partnerschaftsabkommen geschlossen lateral mit den USA und der EU unterhält. Die häufig als (Novak / Namihas 2017: 4). Auch die Wirtschaftszahlen Beeinträchtigung der eigenen Souveränität empfundene sprechen für sich: Seit 2017 ist China der wichtigste regi- westliche Kritik am nationalen Wirtschafts- und / oder Ge- onale Exportpartner Südamerikas; allein in diesem Jahr sellschaftsmodell ist in unterschiedlicher Weise von vielen sind die lateinamerikanischen Exporte nach China um Staaten der Region zurückgewiesen worden und hat die 23 Prozent und die Importe aus China um 30 Prozent jeweiligen bilateralen und biregionalen Beziehungen oft gestiegen – nicht zuletzt aufgrund der weitaus gerin- stark belastet. Eine klare politische Priorität sieht China vor geren Zahl an Protektionsmaßnahmen vonseiten Chinas allem in dem gemeinsamen Interesse mit Lateinamerika, im Vergleich zu den USA. Gleichzeitig sind die chinesi- an der Etablierung einer multipolaren Weltordnung zu ar- schen Auslandsinvestitionen in der Region um 25 Mrd. beiten, die dann auf beiden Seiten mehr Raum zur Durch- US-Dollar auf insgesamt 241 Mrd. US-Dollar im letzten setzung nationaler Entwicklungsmodelle zulassen dürfte. Jahrzehnt angestiegen. Nach Ankündigungen des chi- nesischen Präsidenten Xi Jinping sollen in den nächsten Die viel zitierte Hinwendung Lateinamerikas nach Asi- Jahren weitere 250 Mrd. US-Dollar hinzukommen (Saba- en ist keineswegs auf China beschränkt. Ausdruck des tini / Naylor 2017). Damit übertreffen Chinas Zuwachsra- ten bei Direktinvestitionen in der Region sowohl die der 1. CELAC (Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños, Ge- EU als auch die der USA bei Weitem. meinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten). 10
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN wachsenden Gewichts der Süd-Süd-Beziehungen ist auch scheint von der Regierung Trump aber als geopolitische der ständig wachsende Wirtschaftsaustausch mit Indien, Herausforderung in Lateinamerika angenommen wor- Südkorea und Japan, um nur die drei wichtigsten asian den zu sein. players zu nennen. Mit allen drei Ländern bestehen ne- ben einem steigenden Investitionsvolumen in der Regi- Mit der gerade verkündeten »Tillerson-Doktrin« – einer on vor allem auch enge technologische Kooperationen. Aktualisierung der Monroe-Doktrin in Bezug auf die Das »Jahrhundert Asiens« ist in Lateinamerika bereits viel unwillkommene Präsenz von China und Russland – sol- stärker präsent und spürbar, als dies von seinen traditio- len die Staaten der Region sich unter Führung der USA nellen Partnern USA und EU berücksichtigt wird. Daran wieder gegen die Präsenz »imperialer Mächte« wehren dürfte auch die Ausrufung des »Jahres der Amerikas« für – eine Vorstellung, die nicht nur die Multipolarität im 2018 durch den damaligen US-Außenminister Tillerson internationalen System, sondern sogar die Effekte der (Tillerson 2018) wenig ändern. Globalisierung zu negieren versucht. Russland – ein wiederentdecktes Feindbild Kann die EU ihre traditionellen Perzep- tionen von Lateinamerika aktualisieren? Die neue Rolle Russlands in der Region ist weniger wirtschaftspolitisch als geopolitisch angelegt und mit Das Profil der EU als Zivilmacht der liberalen internati- acht bereits langjährigen Militärabkommen vor allem onalen Ordnung und traditioneller Partner Lateinameri- strategisch geprägt. Die geografische Nähe zu den kas ist regional und bilateral im vergangenen Jahrzehnt USA ist aus russischer Sicht der geopolitisch entschei- erstaunlich zurückgegangen. Obwohl beide Regionen dende Faktor für ein – wenn auch finanziell limitier- durch ein im internationalen Vergleich außergewöhnli- tes – Engagement in Lateinamerika, unabhängig von ches Netz staatlicher und nicht-staatlicher Institutionen innenpolitischen Konjunkturen in einzelnen Staaten verbunden sind, ist die politische wie wirtschaftliche Prä- der Region. Gerade weil Russland auf die politische senz der EU und seiner Mitgliedsländer in den meisten und militärische Unterstützung von Staaten in seinem Staaten der Region immer weniger spürbar (Malamud eigenen geografischen Umfeld durch die USA außer- 2016: 44) – ein Tatbestand der sich auch in der veröf- ordentlich kritisch reagiert, sieht es seine langfristige fentlichten Meinung widerspiegelt, denn mehr Globa- Präsenz in Lateinamerika als geostrategisch legitim an. lisierung bedeutet für Lateinamerika derzeit vor allem In vielerlei Hinsicht kann die russische Präsenz in der weniger Europa. Region als aktiver bezeichnet werden als zu Zeiten des Kalten Krieges. Das lässt sich nicht nur an der Häufig- Die schleichende Entfremdung zwischen den Mitglie- keit der Präsidentendiplomatie ablesen, sondern auch dern der EU und den Staaten der Region hat vermutlich in den multilateralen Aktivitäten – sei es im Rahmen weniger mit den Strukturproblemen der EU und dem der BRICS2 oder auch von CELAC. Modellverlust der europäischen Integration zu tun als vielmehr mit einer mangelnden Anpassungsfähigkeit Im für die USA strategisch so wichtigen Bereich des Ka- auf beiden Seiten des Atlantiks gegenüber den Effek- ribischen Beckens werden die ideologischen und militä- ten einer beschleunigten Globalisierung. So besteht rischen Beziehungen zu Kuba, Nicaragua und Venezuela im biregionalen Verhältnis – trotz gegenteiliger Bekun- von der Regierung Trump besonders beobachtet bzw. dungen – schon seit Jahrzehnten keine »gemeinsame kritisiert, während aus russischer Sicht die strategischen Weltsicht« mehr. Und die nicht nur von Spanien und Beziehungen zu Argentinien, Brasilien und Peru als zen- Portugal bevorzugte Einordung Lateinamerikas als trale Pfeiler der Präsenz in der Region betrachtet wer- »entfernte Verwandte« bzw. den »extremen Westen« den. Inwieweit die Unterstützung von Kuba, Nicaragua spiegelt eine eher überholte Weltanschauung wider, und Venezuela jedoch als »Großmachtgebaren« in den die von Ost-West- sowie Nord-Süd-Gegensätzen ge- globalen Auseinandersetzungen mit den USA anzuse- prägt ist und in Lateinamerika, mit Ausnahme von eini- hen ist, bleibt in der Region selbst durchaus umstritten, gen traditionellen Eliten, niemals so akzeptiert war wie in Europa. In einigen Teilen Lateinamerikas ist heute 2. Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. vielmehr eine andere Revision der Monroe-Doktrin in 11
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN Mode, wobei die USA jetzt auch noch unter den frühe- gig zum Abschluss zu bringen, bleibt ungewiss. Denn ren Kolonialmächten eingereiht werden (Malamud / Se- weiterhin bestehen – wenn auch weniger grundsätzli- abra 2015: 36). che – Widersprüche in den politischen Konzepten der Mitgliedsstaaten; ebenso erhalten Frankreich, Irland und Für die EU war Lateinamerika viele Jahrzehnte eine be- Polen ihre Veto-Haltung hinsichtlich einer weitgehende- vorzugte Projektionsfläche für Integrations- und Regi- ren Einfuhr von Rindfleisch aus dem Mercosur nach wie onalisierungskonzepte, die den Entwicklungsmodellen vor aufrecht. und politischen Kulturen in der Region kaum entspra- chen. Die eigenen, ebenso wie die EU-spezifischen Inte- Gerade weil die reduzierte interne Funktionsfähigkeit grationsprobleme haben in der Region inzwischen auch des Mercosur immer wieder zu wirtschaftspolitischen formell zu einer weitgehenden Distanzierung vom eu- Streitigkeiten, vor allem zwischen Brasilien und Argen- ropäischen Modell geführt. Dennoch ist die Suche nach tinien, geführt hat, erscheint eine Abkehr der EU vom eigenständigen Formen regionaler Kooperation kei- regionalen hin zu einem bilateralen Ansatz im Cono neswegs aufgegeben worden, obwohl eine besondere Sur durchaus sinnvoll. Das Beispiel Chile hat über viele Wertschätzung regionaler Konsensbildung nicht gerade Jahre bewiesen, dass dieser bilaterale Ansatz durchaus zu den Konstanten der politischen Kultur in Lateiname- vorzeigbare Resultate für beide Seiten zeitigt, auch weil rika gehört. er die Übernahme ganzer Regionalismuskonzepte aus Europa ebenso vermeidet wie die kaum kalkulierbaren Die traditionelle intra-westliche Rücksichtnahme auf geo- Rückwirkungen der internen Integrationsprobleme in politische US-Interessen ist spätestens seit dem Amtsan- der Region auf die Beziehungen zur EU. tritt von Präsident Trump für die EU keine Notwendig- keit mehr und eröffnet neue pragmatische Optionen Darüber hinaus könnte die EU für spezielle Themenstel- für eine stärker interessengeleitete EU-Lateinamerika- lungen durchaus auch (sub-) regionale Kooperationsmo- Beziehung. Dazu könnten variable und pluralistische Ko- delle entwickeln, die eher vom Konzept einer »Allianz der operationsformen genutzt werden, die das ohnehin sehr Willigen« geprägt sind als von einer Assoziierung sehr asymmetrische und artifizielle Konzept der biregionalen unterschiedlich strukturierter und agierender Integrati- Block-Block-Beziehungen ablösen könnte. Die lateiname- onsmodelle. Freilich sollten gerade derartige regionale rikanischen Staaten haben trotz der eher mühsamen In- Kooperationsmodelle, wie sie sicherlich zu Umweltpoli- stitutionalisierung von CELAC und UNASUR3 weiterhin tik, Sozialsystemen und der Anpassung der Arbeitspro- große Schwierigkeiten, (sub-)regionale Interessen zu zesse an die Globalisierung auf großes Interesse stoßen formulieren oder gar im eigenen Mitgliederkreis durch- würden, auch die Notwendigkeiten und Prioritäten der zusetzen. Eine lockere Struktur der EU-Beziehungen zur lateinamerikanischen Partnerländer berücksichtigen und Region würde es sicher ermöglichen, rascher bilaterale nicht vorwiegend auf die Interessen der EU zugeschnit- Abkommen (etwa mit Brasilien und Argentinien) abzu- ten werden. schließen, die keineswegs allumfassend sein müssten, sondern spezielle Interessen auf beiden Seiten berück- Die polarisierende Politik von US-Präsident Trump ge- sichtigen könnten. Die komplette Verregelung der EU- genüber den südlichen Nachbarn hat nicht nur den USA, Beziehungen in Form von Assoziierungsabkommen hat sondern auch den EU-Beziehungen zu Lateinamerika sich für viele Staaten der Region keineswegs als Königs- sehr geschadet sowie die von unterschiedlichen Folgen weg erwiesen; zumal der Aufwand das Ergebnis oft nicht der Globalisierung ausgelöste Fragmentierung der Regi- gerechtfertigt zu haben scheint. on noch weiter verstärkt. Die Bereitschaft zur instituti- onellen intra- und interregionalen Kooperation ist trotz Ob sich die derzeitige Hoffnung der EU erfüllen wird, gegenteiliger offizieller Versicherungen und präsidialer die nach fast 20 Jahren mit vielen Unterbrechungen Besuchsdiplomatie sehr reduziert. Zudem verringert die geführten Verhandlungen mit dem Mercosur aufgrund Priorität der Systemstabilisierung nach innen bei vielen der Antifreihandelspolitik von US-Präsident Trump zü- Akteuren in Lateinamerika auch die Bereitschaft zur Un- terstützung der geschwächten internationalen liberalen Ordnung und fördert – wie auch in anderen Teilen der 3. UNASUR (Unión de Naciones Suramericanas; Union Südamerikani- scher Nationen). Welt – die Etablierung autoritärer Strukturen. 12
WOLF GRABENDORFF | TRUMP »MAUERT« UND AKTUALISIERT DIE MONROE-DOKTRIN Ausblick Die ausgesprochene Abneigung von US-Präsident Trump gegenüber Lateinamerika verändert nicht nur den (un-) diplomatischen Umgangston zwischen den Politiker_in- nen der westlichen Hemisphäre, sondern beginnt auch den interamerikanischen Grundkonsens aufzukündigen, der von Trumps Vorgänger Obama erheblich gefördert worden war. Doch die Trump Doctrine gegenüber La- teinamerika besteht offensichtlich gerade darin, seinen Wähler_innen aus rein innenpolitischen Motiven eine nahezu kriegerische, aber vor allem rhetorische Oppo- sition gegen die außenpolitischen Konzepte Obamas vorzuführen, ohne freilich substanzielle Änderungen an den Strategien der Obama-Regierung vorzunehmen oder bestenfalls mit solchen zu drohen (Weeks 2017). Diese Vorgehensweise lässt sich sowohl in der Kuba- als auch in der Venezuela-Politik der Trump-Administration erkennen und ist selbst in den komplizierten NAFTA- Verhandlungen sichtbar. Inwieweit die Modifizierung der Trump-Doktrin durch die neu verkündete Tillerson-Doktrin mit den Schwerpunkten Wirtschaftswachstum, Sicherheit und Demokratie sowie der Betonung der »gemeinsamen Werte« in den Amerikas (Tillerson 2018) das stark belaste- te Verhältnis zu Lateinamerika verändern kann, wird sich erst gegen Ende der Amtszeit Trumps erkennen lassen. Vornehmlich sind es jedoch der politische Stil und das populistische Auftreten von US-Präsident Trump, die in Lateinamerika zu generellen Bedenken über die Zukunft der Demokratie in der Region führen. In den zahlreichen anstehenden Wahlen in diesem Jahr in Lateinamerika ist eine Vorbildfunktion Trumps durchaus vorstellbar und zu befürchten, vor allem mit Blick auf die langen his- torischen Erfahrungen in der Region mit populistischen Führungspersönlichkeiten. So wäre eine Devise wie »Mexico first« oder »Brazil first«, unabhängig von den ideologischen Konzepten des jeweiligen Kandidaten, aber mit der Aussicht auf einen Wahlerfolg durch einen stark polarisierenden Wahlkampf und einer Perspektive auf ähnliche wirtschaftliche Erfolge, durch eine Strategie und ein Auftreten, wie es US-Präsident Trump vorlebt, durchaus denkbar. Der Modellcharakter der Regierungs- führung von Trump, sowohl nach innen als auch nach außen, könnte für die anfälligen Demokratien Latein- amerikas vielleicht gravierender sein als die politischen »Querschläger«, denen sich einige Staaten der Region von seiner Regierung bisher ausgesetzt sahen. 13
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