Japan in der globalen Finanzkrise - Nadine Burgschweiger
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Nummer 3 2009 ISSN 1862-359X Japan in der globalen Finanzkrise Nadine Burgschweiger Am 17. November 2008 gab die japanische Regierung offiziell bekannt, dass sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach ihrer bislang längsten Konjunkturerholung der Nachkriegszeit erstmals seit 2001 erneut in einer Rezession befinde. Als Reaktion darauf hat die Regierungskoalition ein 75 Bio. Yen umfassendes Konjunkturpaket aufgelegt. Analyse: Die globale Finanzkrise, die im Sommer 2007 mit der Subprime-Hypothekenkrise in den USA ihren Anfang nahm, erreichte Japan erst vergleichsweise spät und ließ den Finanzsektor weitgehend unberührt, wirkt sich aber seit Mitte 2008 zusehends ver- heerend auf die Gesamtwirtschaftslage aus. Das Wirtschaftswachstum fiel im zweiten Quartal drastisch und blieb auch im dritten und vierten Quartal im negativen Bereich. Die grundlegenden Ursachen dieser Entwicklung werden in den vorgeschlagenen Maßnahmen der Regierung nicht hinreichend berücksichtigt, weshalb sie von vielen Beobachtern als verfehlt und kurzsichtig angesehen werden. Während Anfang 2008 die Finanzmärkte weltweit von der US-amerikanischen Immobilienkrise in Mitleidenschaft gezogen worden waren, profitierten die japa- nischen Finanzinstitute zunächst von den Erfahrungen und Umstrukturierungen seit der Bankenkrise 1997-99. Sie konnten sogar ihre globale Wettbewerbsposition stärken und wichtige Anteile auf dem internationalen Markt erwerben. Nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers und der Schwächung der Aktienmärkte gegen Ende 2008 ist allerdings ihr Optimismus geschwunden. Dass die japanische Wirtschaft dann insgesamt wider Erwarten verhältnismäßig stark von den Auswirkungen der Krise getroffen wurde, hat – neben der hohen Bewertung der Landeswährung – im Wesentlichen strukturelle Ursachen, vor allem die starke Abhängigkeit von externer Nachfrage und der eng bemessene Spielraum für fiskal- und geldpolitische Maßnahmen. Diese strukturellen Schwächen sind von der japanischen Regierung seit der „ver- lorenen Dekade“ in den 1990er Jahren nicht nachhaltig behoben worden. Eine Auflösung des Reformstaus ist in der gegenwärtigen politischen Situation jedoch nicht zu erwarten. Schlagwörter: Japan, globale Finanzkrise, Rezession, Konjunkturpaket www.giga-hamburg.de/giga-focus
1. Einleitung dem Ende des Zweiten Weltkrieges zunächst ein Ende gefunden. Die letzte Stagnation erlebte die ja- Die Finanzkrise, die im Sommer 2007 mit drasti- panische Wirtschaft zur Zeit der Bankenkrise in den schen Wertverlusten der Subprime-Hypotheken Jahren 1997-99, zu der viele Beobachter Parallelen verbriefungen auf dem US-Immobilienmarkt be- in der gegenwärtigen Entwicklung sehen. gann, breitete sich seit Anfang 2008 auch auf wei- Die nachfolgenden Kapitel sollen zunächst die tere Finanzprodukte aus und zog die USA in japanische Erfahrung darlegen und klären, wie eine Rezession. Beobachter erwarten, dass die US- sich die US-Immobilienkrise auf die japanische Wirtschaft ihre stärkste Kontraktion der Nach Wirtschaft auswirkte. Dabei sollen die gegenwär kriegsgeschichte erleben wird, bevor sie 2010 tigen Ereignisse und die Reaktionen von Regie wieder auf einen Wachstumspfad zurückfinden rung und Zentralbank analysiert sowie mit der kann. Zunächst gingen viele Ökonomen davon Vergangenheit in Beziehung gesetzt werden. aus, dass das starke Wachstum der Entwicklungs- und Schwellenländer einen Abschwung der Welt wirtschaft abfedern könne. Dies hat sich leider 2. Japans Krisenerfahrung nicht bestätigt, da die USA mit dem größten Leis tungsbilanzdefizit der Welt nach wie vor eine be- Die Hypothekenkrise in den USA erinnert in ih- stimmende Größe im globalen Handel darstellen. rem Verlauf stark an die Bankenkrise, die Japan Durch den Rückgang der finanziellen Ausstattung 1997-99 erlebte. Auch jener Krise war zunächst von Unternehmen und Konsumenten sowie die sin- ein überhöhter Anstieg der Vermögenspreise vor- kende Nachfrage auf dem Weltmarkt folgten in der ausgegangen, der sich vor allem auf den Immo zweiten Hälfte des Jahres 2008 auch die anderen biliensektor konzentrierte und grundlegend darauf großen Industrienationen den Vereinigten Staaten, zurückzuführen war, dass die Kapitalmärkte zuvor nach zwei aufeinander folgenden Quartalen nega- ohne eine ausreichende Anpassung des betref- tiven Wachstums, in die Rezession. Es wird erwar- fenden Regelsystems liberalisiert wurden. Neben tet, dass die Weltwirtschaft 2009 insgesamt um fast einer schwachen Unternehmensführung machte ei- einen Prozentpunkt schrumpfen wird (Schneider ne entsprechende Studie des Internationalen Wäh et al. 2009: 3-5; Demirguc-Kunt/Servén 2009: 2). rungsfonds zudem vor allem den Bankensektor Nachdem die Krise zunächst auf die Finanzmärkte selbst als Ursache für den Ausbruch verantwort- beschränkt blieb, verschärfte sie sich zusätzlich, lich. Dieser hatte seinen Kunden unter Vernachlässi als die US-Investmentbank Lehman Brothers Mit- gung angemessener Bonitätsprüfungen immer ris- te September 2008 ihre Insolvenz bekannt geben kantere Geschäfte angeboten. Der Verfall der Vermö musste, und griff seit Ende Oktober 2008 zu- genspreise setzte von 1990 an dann eine Krise in nehmend auch auf die reale Wirtschaft über. Gang, in der die Zahl uneinbringlicher Kredite im- Dies lag vor allem daran, dass die Banken ihre mer weiter zunahm (Kanaya/Woo 2000). Kreditkonditionen verschärften, weil ein Großteil Kurz vor dem Ausbruch der Bankenkrise galt der entstandenen Wertverluste von ihnen getra- der japanische Finanzsektor noch als einer der gen und ihre Eigenkapitalquote wieder angehoben stärksten der Welt. Umso erstaunlicher war es, dass werden musste. es über ein Jahrzehnt dauerte, bis sich Japan von Auf diese Weise verschlechterte sich die wirt- diesem Rückschlag erholt hatte. Der halbherzige schaftliche Lage auch in Japan seit dem zweiten Umgang mit dem Platzen der Vermögenspreisblase Quartal 2008 deutlich. Obgleich die japanischen gilt als wichtigste Ursache für die Rezession der Finanzmärkte zunächst relativ wenig von der japanischen Wirtschaft in den 1990er Jahren, die globalen Finanzkrise betroffen waren und einige oft auch als „verlorene Dekade“ bezeichnet wird. Unternehmen sogar von der Schwäche ihrer inter- Viel zu lange verschwiegen Regierung und Ban nationalen Wettbewerber profitierten, ähnelte die kensektor die tatsächlichen Auswirkungen und makroökonomische Situation dennoch sehr der das Ausmaß der Problemkredite. Erst nachdem im in den USA oder Europa. Am 17. November 2008 Zuge der Asienkrise 1997/98 mehrere große und musste die Regierung in Tokyo offiziell bekannt angesehene Finanzinstitute – darunter Nissan Life geben, dass Japan erstmals seit 2001 wieder in ei- Insurance und Yamaichi Securities – Insolvenz an- ne Rezession geraten sei. Damit hatte die bislang meldeten, reagierte die Regierung viel zu spät da- längste Konjunkturerholung des Inselstaates seit mit, die Banken massiv mit Kapital zu versorgen GIGA Focus Asien 3/2009 --
und deren uneinbringliche Darlehen aufzukaufen. Finanzsektor war bei den Unternehmensakquisitio Insgesamt wurden Haushaltsmittel in Höhe von nen am aktivsten und verbuchte etwa 21 Prozent 12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (ca. 60 Bio. des Gesamtvolumens. Die größten Akquisitionen Yen) für den Wiederaufbau der Banken gebunden, waren die Anteilskäufe bei Morgan Stanley durch doch eine ausreichende Rekapitalisierung konnte Mitsubishi UFJ Financial Group für 948 Mrd. Yen durch die zurückhaltende und ineffiziente Mittel sowie der Erwerb von Millennium Pharmaceuticals verteilung nicht erfolgen. Die Notenbank (Bank of durch Takeda Pharmaceutical für 899,8 Mrd. Yen Japan – BOJ) wechselte nur sehr langsam zu einer (Nihon Keizai Shinbun, 27.12.2008, S. 14). expansiven Geldpolitik und hob die faktisch bei Dennoch ist im japanischen Finanzsektor nach Null liegenden Leitzinsen im Jahr 2000 zu früh dem Zusammenbruch der US-Investmentbank wieder an, noch bevor die Deflation endgültig Lehman Brothers und angesichts der schwachen überwunden war. Den Durchbruch brachte schließ- Aktienmärkte gegen Ende 2008 der Optimismus lich erst 2002 der Wirtschaftswissenschaftler Heizô mehr und mehr gewichen. Im Kalenderjahr 2008 Takenaka, der unter Premierminister Jun’ichirô fiel der Nikkei-Index insgesamt mit 42,1 Prozent Koizumi als Vorsitzender der Finanzaufsicht ein im Jahresvergleich in historischer Höhe und brach konsequentes Umstrukturierungsprogramm („Ta- damit den bisherigen Negativrekord von 1990. Die kenaka-Plan“) für die Banken auflegte. Dieses sechs größten japanischen Bankengruppen gaben zwang die Institute dazu, ihre uneinbringlichen Ende 2008 bekannt, dass sie für das laufende Kredite offenzulegen, aus ihren Bilanzen zu tilgen Geschäftsjahr mit einem Rückgang ihrer Gewinne und Kapitalerhöhungen vorzunehmen. Die Banken auf etwa die Hälfte des Vorjahresniveaus rechnen. wurden zu Zusammenschlüssen angehalten und Um ihre Eigenkapitalquote wieder anzuheben, erhielten nur noch unter strengen Auflagen staat- reagieren sie zusehends mit einer Rückführung liche Unterstützung (Kanaya/Woo 2000: 28-33; Ho der Kredite. In der Folge zeichnet sich – ähnlich shi/Kashyap 2008: 3-17; Currie 2009). wie auch schon während der Bankenkrise in den Von diesen Maßnahmen konnte der japani 1990er Jahren – eine Verschärfung der Kreditkon sche Finanzsektor nach dem Zusammenbruch der ditionen ab, die vor allem kleinen und mittelstän- Kapitalmärkte in den USA und Westeuropa im dischen Unternehmen die Fremdfinanzierung er- Verlauf des Jahres 2008 zunächst profitieren. Da schwert. So musste in Japan 2008 eine Rekordzahl die Finanzinstitute in den Jahren zuvor risiko von 33 öffentlich gehandelten Gesellschaften Kon- vermeidend investiert hatten, beschränkten sich kurs anmelden, insgesamt stieg die Zahl der Un ihre Schäden im Zusammenhang mit der US- ternehmenszusammenbrüche um 11 Prozent auf Hypothekenkrise mit 15,5 Mrd. US-Dollar auf ge- das höchste Niveau seit 2003 (Tokyo Shoko Re rade einmal zwei Prozent der weltweiten Verluste. search 2009). Der hohe Anteil der Firmen, die aus Viele von ihnen waren darüber hinaus dank der Mangel an Betriebskapital aufgeben mussten, legt abgebauten Problemkredite, des starken Yen und nahe, dass die wachsende Zurückhaltung und Ri ihrer guten Liquidität in der Lage, ausländische sikovermeidung der Darlehensgeber eine wesent- Unternehmen aufzukaufen, deren Marktwerte auf- liche Ursache für den Anstieg darstellte. Auch dass grund der globalen Finanzkrise deutlich eingebro- die Unternehmen in der Dezember-Umfrage der chen waren. Mit diesen strategischen Investitionen Notenbank zum Wirtschaftsklima (Tankan) die Be- konnten sie ihre globale Wettbewerbsposition stär- reitschaft der Banken zur Darlehensvergabe als ken und wichtige Anteile auf dem internationalen gering bewerten, belegt das Vorhandensein einer Markt erwerben, zumal ihre Erwartungen an den „Kreditklemme“. japanischen Binnenmarkt angesichts Überalterung und Schrumpfen der Bevölkerung seit längerem sinken (Bloomberg, 17.11.2008). 3. Auswirkungen auf die Im Jahr 2008 haben japanische Firmen insgesamt Gesamtwirtschaftslage eine Rekordsumme von 78,2 Mrd. US-Dollar für den Erwerb ausländischer Unternehmensanteile Obgleich die Schäden der globalen Finanzkrise in- ausgegeben – etwa dreimal so viel wie im Jahr nerhalb der großen japanischen Geldinstitute ver- davor. Dies steht im starken Gegensatz zum et- hältnismäßig überschaubar erscheinen, hat der Ab wa 40-prozentigen Rückgang auf dem weltwei- schwung der anderen großen Volkswirtschaften ten Markt der M&A (mergers and acquisitions). Der bremsende Wirkung auf die japanische Konjunktur. GIGA Focus Asien 3/2009 --
Beobachter gehen davon aus, dass die gegenwärtige zu bereinigen, da sie den japanischen Finanzsek- Rezession länger andauern wird als die letzte, die tor als vergleichsweise stabil einschätzten (Bank of Japan nach der Bankenkrise Ende der 1990er Jahre Japan 2009). 20 Monate lang lähmte. Nachdem die zweitgröß- Die hohe Bewertung der japanischen Währung te Volkswirtschaft der Welt bis zum ersten Quartal schadet der Exportindustrie, da sie die Ausfuhren 2008 ihre längste Aufschwungphase nach dem relativ verteuert und damit die ohnehin schwache Ende des Zweiten Weltkrieges genießen konnte, Nachfrage auf Japans Exportmärkten weiter senkt. wird für die nächsten ein bis zwei Jahre eine lang Besorgnis erregend ist insbesondere, dass auch die anhaltende Periode negativen Wachstums erwar- Ausfuhren nach Ostasien, allen voran nach China, tet. Die OECD sieht für Japan zudem das höchste deutlich zurückgingen. Damit ist ein Ausgleich der Risiko unter allen Industrienationen, 2009 erneut in Verluste in den USA und Europa nicht mehr zu eine Deflation zu geraten. erwarten. Eine der entscheidenden Ursachen dafür ist die Durch den Rückgang der Exporte sinken zu- starke Abhängigkeit Japans von seiner Export nächst die Unternehmensgewinne. Im ersten Ge wirtschaft. Deren Gewinne machen zurzeit etwa schäftshalbjahr lagen diese bereits durchschnitt- 10 Prozent der Gesamtgewinne japanischer Un lich ein Viertel unter den Vorjahresergebnissen, ternehmen aus und haben sich seit 2002 mehr als und auch das zweite Halbjahr wird keine Erho verdreifacht. Im selben Zeitraum stieg der Anteil lung bringen. In der Folge werden weniger In der externen Nachfrage am Bruttoinlandsprodukt vestitionen getätigt, die Produktion wird einge- (BIP) von 11,4 auf 17,6 Prozent. Dagegen geht die schränkt und damit werden auch weniger Ar Binnennachfrage, die mit 57 Prozent nach wie vor beitskräfte beschäftigt. Im Dezember 2008 wuchs den Großteil des BIP stellt, immer weiter zurück. die Arbeitslosenquote so schnell wie seit 41 Jah- Dieser Trend wird auch in den kommenden Jahren ren nicht mehr, da viele heimische Großunterneh anhalten, da die Bevölkerung Japans immer älter men umfassende Entlassungen – gerade im Kreis wird und die Zahl der inländischen Konsumenten nicht regulär beschäftigter Zeitarbeiter – vorge- durch den Geburtenrückgang zusehends schrumpft. nommen hatten. Dies wirkt sich wiederum negativ Hinzu kommt, dass mit der Zunahme nichtregu- auf die Konsumausgaben der privaten Haushalte lärer Beschäftigungsverhältnisse die Kaufkraft der aus. Daneben wird es für die Unternehmen im- Japaner tendenziell nachlässt. Infolgedessen ori- mer schwieriger, ausreichend Betriebskapital zu entieren sich die japanischen Unternehmen noch bilden. Diese Entwicklung verstärkt sich zusätz- stärker in Richtung externer Märkte und erhöhen lich durch die eingeschränkten Möglichkeiten der damit die Exportabhängigkeit ihres Landes immer Fremdfinanzierung. weiter (Nakamoto 2008). Unter diesen Umständen ist nicht davon aus- Ein weiterer Faktor für die Verschärfung der zugehen, dass die bislang von der Regierung anvi- Krise in Japan ist die Aufwertung des Yen gegen- sierte Wachstumsrate von 1,3 Prozent im Fiskaljahr über anderen Währungen. Der nominale effektive 2008 noch erreicht werden kann. Das reale BIP Wechselkurs der japanischen Währung kletterte schrumpfte im zweiten Quartal 2008 um 0,6 Pro im Januar 2009 auf ein Rekordhoch von 388 Zäh- zent, nachdem es im vorangegangenen Quartal lern. Insgesamt wertete der Yen 2008 um 17 Pro sogar um 0,9 Prozent eingebrochen war. Erstmals zent auf, gegenüber dem US-Dollar stieg er im seit sieben Jahren wiesen die Kennzahlen zwei Dezember 2008 sogar zwischenzeitlich auf ein 13- Quartale in Folge ein negatives Wachstum aus Jahre-Hoch von 87 Yen je US-Dollar. Gerade die und erfüllten damit die gängige Definition ei- relative Stabilität der japanischen Finanzmärkte ner Rezession. Im vierten Quartal verschlech- sorgte für einen zusätzlichen Aufwärtsdruck der terte sich die Wirtschaftslage noch weiter. Der Währung. So nahm die Mehrzahl inländischer in Wachstumsrückgang des BIP vergrößerte sich auf stitutioneller Investoren wegen der weltweit sin- 3,3 Prozent, was auf Jahresbasis einem Minus von kenden Aktienpreise eine Rückführung ihres aus- 12,7 Prozent entsprach und damit weit über den ländischen Kapitals vor. Daneben wählten viele Kontraktionswerten in den USA und der EU lag. ausländische Geldinstitute den Yen, um ihre Risiken Seit dem Ölschock 1974 hat die japanische Wirt schaft nicht mehr so schnell an Wachstum verloren. Die externe Nachfrage (Exporte abzüglich Importe) Wechselkurs zwischen einer Währung und einem Korb aus fiel im vierten Quartal zudem deutlich um 3 Prozent, den Währungen der wichtigsten Handelspartner. GIGA Focus Asien 3/2009 --
Abbildung 1: Quartalswachstum des japanischen BIP 10 Quartalswachstum (auf Jahresbasis) 5 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 -5 -10 -15 Quartal Reales Wachstum Nominales Wachstum Quelle: Cabinet Office (Tokyo), 2009 die Kapitalinvestitionen gingen um 2,9 Prozent und Geldpolitik lässt das niedrige Leitzinsniveau je- die Konsumausgaben um 0,4 Prozent zurück. Aus doch kaum noch zu. Die BOJ äußerte sich wie- den vorläufigen Berechnungen des Cabinet Office derholt besorgt hinsichtlich der Zurückhaltung ergibt sich für das Kalenderjahr 2008 ein Rückgang von Banken und anderen Finanzinstituten, neue des realen japanischen Wirtschaftswachstums um Kredite zu vergeben. Damit könnten die niedri 0,7 Prozent, was deutlich unter den Erwartungen gen Zinssätze nicht ausreichend in die Wirtschaft führender Wirtschaftsinstitutionen liegt (Cabinet durchsickern und für positive Impulse sorgen. Office 2009). Die OECD hatte für Japan erst im lau- Um dieser Entwicklung zu begegnen und die fenden Kalenderjahr 2009 mit einer Kontraktion Geldbeschaffung des Unternehmenssektors zu er- gerechnet. Insgesamt geht sie zudem davon aus, leichtern, lockerte die japanische Notenbank im dass die japanische Wirtschaft frühestens Ende Dezember 2008 unter anderem die Kriterien für die 2010 in eine Konjunkturerholung zurückfindet (sie- Bonitätsbeurteilung von Unternehmensanleihen, he Abbildung 1). die sie von den Geldinstituten als Sicherheiten ak- zeptiert. Dies soll die Finanzinstitute im Land befä- higen, mehr Geld von der Notenbank zu erhalten 4. Reaktionen von Regierung und Zentralbank und dieses dann an die Unternehmen weiterzu- geben. Des Weiteren sind eine Wiedereinführung Die Krise hat die Regierungen und geldpolitischen einer Notkreditfazilität für die Finanzinstitute und Institutionen weltweit in nie dagewesenem Umfang eine Flexibilisierung des Fondsangebots, unter an- reagieren lassen. Es folgten Leitzinssenkungen, derem durch den Verkauf von Geldmarktpapieren staatliche Bankenrettungspakete und vielfältige mit Rückkaufsvereinbarungen, geplant. Maßnahmen zur Konjunkturbelebung. Die Regierungskoalition kündigte im Dezember Auch in Japan versuchen Regierung und 2008 an, die bislang verfolgte Politik der Ausga- Notenbank, die negativen Auswirkungen der glo- benkürzungen vorerst auszusetzen, um die Wirt balen Krise in Grenzen zu halten. So nahm die schaft verstärkt unterstützen zu können. Das zu die- BOJ im Oktober erstmals seit sieben Jahren eine sem Zweck vorgeschlagene neue Konjunkturpaket Senkung des Leitzinses vor und verringerte den soll insgesamt 75 Bio. Yen umfassen. Die Summe Zinssatz für ungesicherte Tagesanleihen zunächst ist auf drei Haushaltsentwürfe aufgeteilt worden, von 0,5 Prozent auf 0,3 Prozent. Ende Dezember die stufenweise als Wachstumsimpetus wirken sol- folgte daraufhin eine weitere Senkung auf 0,1 Pro- len. Nachdem im Oktober bereits der erste Nach zent. Mehr Raum für eine weitere Lockerung der tragshaushalt in Höhe von 1,8 Bio. Yen für das lau- GIGA Focus Asien 3/2009 --
fende Fiskaljahr 2008 aufgelegt wurde, steht die Bevölkerung laut Umfragen mittlerweile auf ein- Zustimmung für den zweiten Ergänzungshaushalt stellige Prozentsätze gesunken ist – zumal voraus- noch aus. Der Haushaltsentwurf für das Fiskaljahr sichtlich spätestens im September 2009 Neuwahlen 2009, das im April dieses Jahres beginnt, wurde da- anstehen (Sakajiri 2008; Fackler 2009). gegen am 27. Februar 2009 vom Parlament abge- Trotz seines erheblichen Umfangs fehlt es dem segnet. Mit 88,5 Bio. Yen liegt dieser fast 7 Prozent neuen Konjunkturprogramm an einer klaren Vi über dem des vorangegangenen Jahres und ist der sion, die auf eine langfristige Stärkung der japa- größte, der in Japan bislang aufgestellt wurde. nischen Wirtschaft gerichtet ist. Problematisch ist Premierminister Taro Aso begründete den Umfang vor allem, dass überfällige strukturelle Reformen damit, dass „besondere Maßnahmen“ notwendig nicht konkret angegangen werden, obgleich die seien, um mit der „besonderen Situation“ umgehen Kernprobleme in der gegenwärtigen Krisensitua zu können (Nikkei Weekly, 29.12.2008, S. 3). tion umso deutlicher zutage treten. Doch gerade Konkret ist unter anderem geplant, die Prä die negativen Auswirkungen der globalen Finanz fekturverwaltungen mit zusätzlichen lokalen Steu krise auf die japanische Wirtschaft tragen dazu erbeihilfen in Höhe von 1 Bio. Yen beim Aufbau bei, dass der politische Wille, um solche Reformen der benachteiligten ländlichen Gebiete zu unter- durchzusetzen, zugunsten kurzfristiger Maßnah stützen. Den regionalen Behörden werden bei der men schwindet. Die jetzige Regierung macht eher Verwendung dieser Mittel keine besonderen Res die von Koizumi angestoßenen Deregulierungen triktionen auferlegt. Auf dem Arbeitsmarkt will für den Anstieg sozialer Ungleichheiten verantwort- die Regierung für mehr Beschäftigung sorgen, lich als eine Weiterführung des Kurses anzustre- indem sie Unternehmen subventioniert, die nicht ben. Insgesamt scheint die Liberaldemokratische regulär angestellte Zeitarbeitskräfte in eine regu- Partei seit dem Rücktritt Koizumis 2006 wieder in läre Vollzeitanstellung überführen. ihr traditionelles Muster zurückgefallen zu sein Der noch ausstehende zweite Nachtragshaushalt und hält an ihren althergebrachten wirtschaftspo- für das Fiskaljahr 2008, das am 31. März 2009 en- litischen Rezepten fest, die sich vor allem darauf det, sieht zur Belebung des privaten Konsums zu- konzentrieren, öffentliche Infrastrukturprojekte zu dem vor, Barauszahlungen von insgesamt 2 Bio. fördern. Dieses Verhalten trübt die Aussichten auf Yen an die privaten Haushalte auszuschütten. weitere tiefgreifende Neuerungen (Nakamoto 2008; Dabei sollen an jeden Einwohner mit ständigem Fackler 2009). Aufenthaltsstatus jeweils 12.000 Yen ausgezahlt Zudem lässt die exzessive Ausgabenpolitik werden, wobei Japaner im Alter von unter 18 und nicht auf eine baldige Gesundung des defizitä- über 65 Jahren darüber hinaus weitere 8.000 Yen ren Staatshaushaltes hoffen, dessen Langzeitver- erhalten sollen (Nikkei Weekly, 29.12.2008, S. 3). schuldung bereits jetzt die höchste aller Industrie Der Plan stößt vor allem in den Reihen der länder ist und Ende März 2010 voraussichtlich Opposition auf vehementen Widerstand und wird 157,5 Prozent des BIP betragen wird. Für eine lang- dort als Geldverschwendung und Bestechung von fristige Wachstumsperspektive sollte die Regie Wählern kritisiert. Tatsächlich gehen auch füh- rung nach Angaben des Japan Research Institute rende Wirtschaftsforschungsinstitute davon aus, statt oberflächlicher und kurzfristiger Symptom dass die einmalige Ausschüttung – ähnlich wie behandlungen Schritte unternehmen, die die Ex schon die Ausgabe der Konsumgutscheine im Jahr portabhängigkeit Japans vermindern und das 1999 – nicht zu dem erwünschten Durchbruch im Wirtschaftswachstum mehr auf den inländischen Privatkonsum führen wird. Sie schätzen, dass diese Konsum ausrichten. Hierzu zählen unter anderem Maßnahme bestenfalls einen lediglich kurzzeitigen eine Senkung der Unternehmenssteuer sowie die 0,1-prozentigen Anstieg des BIP bewirken könne Schaffung von Arbeitsplätzen im Gesundheits- und nicht dazu geeignet sei, die Konjunktur mittel- und Betreuungssektor durch Deregulierungen. bis langfristig anzukurbeln. Auch die Bevölkerung Daneben mahnen Beobachter insbesondere im spricht sich laut Umfragen mehrheitlich gegen ei- Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung eine ne solche Maßnahme aus. Die Regierungskoalition stärkere Öffnung Japans gegenüber ausländischen will dennoch nicht von diesem Vorhaben abrücken. Investoren und Arbeitskräften an (Nikkei Weekly, Vieles spricht also dafür, dass die Barauszahlungen 29.12.2008, S. 3; Nakamoto 2008). in erster Linie der schwindenden Popularität Asos Auftrieb verschaffen sollen, dessen Rückhalt in der GIGA Focus Asien 3/2009 --
5. Ausblick Literatur Ministerpräsident Aso wiederholte in den letzten Benes, Nicholas (2008): Japan’s Lessons for Manag Monaten mehrfach, dass die japanische Krisen ing the Crisis, in: Far Eastern Economic Review, erfahrung brauchbare Lösungsansätze für den Um- 171(8), S. 20-24. gang mit den aktuellen globalen Finanzmarkt Cabinet Office (2009): Development of Real GDP problemen bieten könne. Tatsächlich kann seine (Quarterly), seasonally adjusted series, 16.02., Auffassung grundsätzlich geteilt werden, jedoch www.esri.cao.go.jp/en/sna/qe084/maine1.pdf muss darauf hingewiesen werden, dass Tokyos (Zugriff am 24.02.2009). Handeln Ende der 1990er Jahre deutlich nahe- Currie, Duncan (2009): What Japan Did Wrong, legt, bestimmte Fehler nicht zu wiederholen. Weil in: AEI Short Publications, American Enterprise Regierung und Notenbank viel zu langsam rea- Institute for Public Policy Research, 17.02., www. gierten und die Finanzinstitute zum Teil jahrelang aei.org/publications/filter.all,pubID.29396/pub_ das tatsächliche Ausmaß ihrer Problemkredite ver- detail.asp (Zugriff am 24.02.2009). schwiegen, waren die volkswirtschaftlichen Kosten Demirguc-Kunt, Asli / Servén, Luis (2009): Are letztlich sehr hoch (vgl. Benes 2008: 20). All the Sacred Cows Dead? Implications of the Anders als in der Bankenkrise waren es jedoch Financial Crisis for Macro and Financial Policies, strukturelle Schwächen, die Ende 2008 dazu führ- Policy Research Working Paper, 4807, January, ten, dass die japanische Wirtschaft unverhältnismä- World Bank. ßig stark unter der globalen Konjunkturschwäche Fackler, Martin (2009): Japan’s governing party eingebrochen ist. Vor allem zwei Charakteristika faces political extinction, in: International Herald wirkten hier als treibende Kräfte: die starke Ab Tribune, 20.02., www.iht.com/articles/2009/02/20/ hängigkeit des Landes von externer Nachfrage so asia/20japan.php (Zugriff am 23.02.2009). wie der sehr begrenzte Spielraum für fiskal- und Hoshi, Takeo / Kashyap, Anil K. (2008): Will the U.S. geldpolitische Maßnahmen. Die hohe Bewertung Bank Recapitalization Succeed? Lessons from des Yen gegenüber anderen wichtigen Währungen Japan, NBER Working Paper, No. 14401, Decem beschleunigte die Entwicklung zusätzlich. Auf ber, Cambridge: National Bureau of Economic grund der Reformmüdigkeit der beiden Nachfolger Research. Koizumis sind die strukturellen Probleme bislang Kanaya, Akihiro / Woo, David (2000): The Japanese nicht nachhaltig angegangen worden und auch Banking Crisis of the 1990s: Sources and Lessons, die jüngsten Ansätze der Regierung zur Kon IMF Working Paper, WP/00/7, January, Interna junkturbelebung lassen nicht auf eine langfristige tional Monetary Fund. Strategie schließen. Nakamoto, Michiyo (2008): Grey-sky thinking, in: Japans Wirtschaft ist aus der Bankenkrise und Financial Times, 27.11., S. 9. dem instabilen Wachstum der vergangenen zwei Sakajiri, Nobuyoshi (2008): Mr. Aso’s Cynical „Sti Jahrzehnte grundsätzlich effizienter und stabiler mulus“, in: Far Eastern Economic Review, No- hervorgegangen. Sowohl das vergleichsweise ge- vember, www.feer.com/economics/2008/novem sunde Fundament des Finanz- und Unterneh ber/Mr.-Asos-Cynical-Stimulus (Zugriff am 11.12. menssektors als auch die geringe Verschuldung 2008). im privaten und geschäftlichen Bereich werden es Schneider, Stefan / Gräf, Bernhard / Just, Tobias sicher erleichtern, eine exportgetriebene Rezession (2009): Konjunkturausblick 2009: Deutsche Wirt- wie die jetzige zu überwinden. Die schnelle und schaft in stürmischer See, Deutsche Bank Re flexible Anpassung des industriellen Sektors an die search, 16.01., Frankfurt a. M. schwierigeren Umstände lässt ebenfalls auf eine Tokyo Shôkô Research (2009): Zenkoku kigyô tôsan baldige Erholung hoffen, sobald die externe jôkyô [Lage der landesweiten Unternehmenszu Nachfrage wieder steigt. Dennoch wird sich an sammenbrüche], 13.01., www.tsr-net.co.jp/new/ der starken Anfälligkeit der japanischen Wirtschaft zenkoku/monthly/1179453_807.html (Zugriff am gegenüber zyklischen Einbrüchen in der Welt 23.02.2009). wirtschaft nichts ändern, wenn die Regierung kei- nen deutlich entschlosseneren Kurs einschlägt, um den Reformstau abzubauen. GIGA Focus Asien 3/2009 --
Die Autorin Nadine Burgschweiger, M. A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am GIGA Institut für Asien-Studien. E-Mail: burgschweiger@giga-hamburg.de, Website: http://staff.giga-hamburg.de/burgschweiger. GIGA-Publikationen zum Thema GIGA Forum (2009): Der große Knall? Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Entwicklungsre gionen, 21.02.2009, Hamburg, www.giga-hamburg.de/index.php?file=090121_giga_forum.html&folder= wissenstransfer. Sangmeister, Hartmut (2009): Lateinamerika im Sog der Finanzkrise, GIGA Focus Lateinamerika, Nr. 1, www.giga-hamburg.de/dl/download.php?d=/content/publikationen/pdf/gf_lateinamerika_0901.pdf. Schucher, Günter (2009): In Defence of 8 per Cent. Job Creation Is a Top Priority for China’s Leaders, in: BusinessForum China, 2, S. 39-41. Schucher, Günter (2009): China’s Employment Crisis. Stimulus for policy change?, in: Journal of Current Chinese Affairs (im Erscheinen). Schüller, Margot (2009): China im Sog der internationalen Finanzmarktkrise, Vortrag, 21.01., Hamburg, www.giga-hamburg.de/content/wissenstransfer/ppp/ppt_schueller.pdf. Der GIGA Focus ist eine Open-Access-Publikation. Sie kann kostenfrei im Netz gelesen und heruntergeladen werden und darf gemäß den Bedingungen der Creative Commons-Lizenz Attribution No-Derivative Works 3.0 frei vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies umfasst insbesondere: korrekte Angabe der Erstveröffentlichung als GIGA Focus, keine Bearbeitung oder Kürzung. Das GIGA German Institute of Global and Area Studies – Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg gibt Focus-Reihen zu Afrika, Asien, Lateinamerika, Nahost und zu globalen Fragen heraus, die jeweils monatlich erscheinen. Der GIGA Focus Asien wird vom GIGA Institut für Asien-Studien redaktionell gestaltet. Die vertretenen Auffassungen stellen die der Autoren und nicht unbedingt die des Instituts dar. Die Autoren sind für den Inhalt ihrer Beiträge verantwortlich. Irrtümer und Auslassungen bleiben vorbehalten. Das GIGA und die Autoren haften nicht für Richtigkeit und Vollständigkeit oder für Konsequenzen, die sich aus der Nutzung der bereitgestellten Informationen ergeben. Wurde in den Texten für Personen und Funktionen die männliche Form gewählt, ist die weibliche Form stets mitgedacht. Redaktion: Günter Schucher; Gesamtverantwortlicher der Reihe: Andreas Mehler; Lektorat: Vera Rathje Kontakt: ; GIGA, Neuer Jungfernstieg 21, 20354 Hamburg www.giga-hamburg.de/giga-focus
Sie können auch lesen