Demokratie in Ägypten Toter Baum oder keimende Saat?

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Demokratie in Ägypten Toter Baum oder keimende Saat?
Demokratie in Ägypten
          Toter Baum oder keimende Saat?

                               DOI-Kurzanalysen
                                 Ausgabe Juni 2019

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Demokratie in Ägypten Toter Baum oder keimende Saat?
DOI-Kurzanalysen

    Amr Hamzawy*
    Demokratie in Ägypten
    Toter Baum oder keimende Saat?

    I. Einleitung                                           Dennoch stoßen diese autoritären Praktiken
                                                            unter der ägyptischen Bevölkerung auf keinen
    In der politischen Landschaft im heutigen               nennenswerten, demokratisch inspirierten
    Ägypten erinnert kaum etwas daran, dass in              Widerstand. Im Gegensatz zu den Jahren
    diesem Land vor wenigen Jahren ein                      zwischen 2011 und 2013, welche durch einen
    demokratischer Wandel versucht wurde.                   zunehmenden politischen Aktivismus gekenn-
                                                            zeichnet waren, ging al-Sisis Aufstieg zur
    Präsident Abdul Fatah al-Sisi, ein                     Macht mit einem Verschwinden verschiedener
    Armeeoffizier, regiert mit eiserner Hand.               Formen der friedlichen Bürgerbeteiligung
    Er ist bereits in seiner zweiten Amts-                  am öffentlichen Geschehen einher. Von be-
    periode, die 2022 hätte enden sollen und                grenzten Studenten- und Arbeiterprotesten
    laut der 2014 Verfassung seine letzte ge-               sowie wenigen kleinen Demonstrationen
    wesen wäre. Jedoch beschloss das                        anlässlich bekannt gewordener Fälle der
    Parlament, dessen Mehrheit sich aus                     Polizeibrutalität abgesehen, blieb die
    Gefolgsleuten des Präsidenten und seinen               „ägyptische Straße“ seit 2014 weitgehend
    Sicherheitsdiensten zusammensetzt, am                   ruhig.4 Zweifelsohne bedient sich Präsident
    16. April 2019 Ver-fassungsänderungen,                 al-Sisi     verschiedener     Legitimierungs-
    die die jetzige Amtsperiode bis 2024 ver-               strategien, wie etwa der Heranziehung des
    längerten und Präsident al-Sisi unter                  Kampfes gegen den auf der Sinai-Halbinsel
    anderem ermöglichen, bis 2030 im Amt zu                wütenden Terrorismus sowie des Kampfes
    bleiben.1 Die beschlossenen Verfassungs-                gegen den religiösen Extremismus als Haupt-
    änderungen bauen des Weiteren die                      gründe für das Verhalten seines Regimes. Er
    Präsidialbefugnisse gegenüber der Justiz              setzt auch populistische Akzente, religiöser
    aus und verleihen der Armee eine politische             sowie nationalistischer Prägung, wenn er im
    Rolle, in dem sie zur schützenden Macht                offiziellen Diskurs und in den staatlich über-
    staatlicher Stabilität erkoren wird. Auch im           wachten Medien sich als gleichermaßen
    April 2019 wurden die Verfassungs-                      gottergebenes wie weltgewandtes Oberhaupt
    änderungen in einem Referendum bewilligt.2             der ägyptischen Nation präsentiert, das für ein
                                                            tolerantes Religionsverständnis eintritt, die
    Seit seinem Aufstieg zur präsidialen Macht im           Verbesserung       der    Wirtschafts-     und
    Jahre 2014 erließ al-Sisi zahlreiche Gesetze,           Sicherheitslage effektiv vorantreibt und noch
    die darauf abzielten, das politische Leben und          dazu die Gleichstellung von Frauen in der
    den öffentlichen Raum kraft der Legalisierung           Gesellschaft forciert.
    autoritärer Praktiken zu kontrollieren: von
    einem neuen Kundgebungsgesetz, das die                  So referiert Präsident al-Sisi über den
    Genehmigung friedlicher Kundgebungen                    „gemäßigten Islam“ an islamischen Feier-
    nahezu unmöglich macht, zur Verab-                      tagen, eröffnet neue oder restaurierte
    schiedung neuer Regeln für staatliche                   Kathedralen der koptischen Gemeinschaft
    Universitäten, die akademische Freiheiten               an christlichen Feiertagen, verhandelt vor
    deutlich einschränken; von drakonischen                 laufender Kamera günstige Handelsverträge
    Mediengesetzen, welche die freie Meinungs-              mit Vertretern internationaler Großkonzerne,
    äußerung zu einem erheblichen juristischen              trifft sich regelmäßig mit dem Verteidigungs-
    Risiko machen, hin zu einem NGO-Gesetz,                 minister und dem Innenminister zwecks
    das Nichtregierungsorganisationen der                   Erörterung der Sicherheitslage und beauftragt
    vollständigen Überwachung einer aus den                 – ebenso vor laufender Kamera – sein
    Sicherheitsdiensten      zusammengesetzten              Kabinett, den rechtlichen Schutz der Frauen
    Behörde unterwirft.3                                    gegen häusliche Gewalt zu verbessern.

    +
        Amr Hamzawy lehrt als Politologe an der Stanford University in Kalifornien und ist zurzeit Fellow am
        Wissenschaftskolleg zu Berlin. Er war als liberaler Politiker Mitglied des demokratisch gewählten
        ägyptischen Parlaments, das sich nach dem Aufstand 2011 zusammensetze und nur wenige Monate tagte.
    1
        Zeit, Ägyptens Präsident Al-Sisi bekommt mehr Macht, 2019.
    2
        Zeit, Ägypter stimmen für Machterhalt von Al-Sissi, 2019.
    3
        Hamzawy, Egypt after the 2013 military coup: Law-making in service of the new authoritarianism, 2017.
    4
        Hamzawy, Egypt’s resilient and evolving social activism, 2017.

2                                        Deutsches Orient-Institut
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Demokratie in Ägypten

Für seine Rundum-Betreuung der Belange                   dieses Vertrauensverlustes war fortan der
Ägyptens verlangt al-Sisi im Gegenzug, dass              Demokratiegedanke, der sein positives
sich ‚die Ägypter‚ hinter ihn stellen und die            öffentliches Echo einbüßte. Davon erholt hat
Einschränkung ihrer politischen Rechte in                sich der Demokratiegedanke bis zum
Kauf nehmen.                                             heutigen Tage nicht.

Trotz einiger neuer Elemente sind diese                  Drittens, die Entzauberung des Demokratie-
Legitimierungsstrategien autoritärer Praktiken           gedankens und die Akzeptanz autoritärer
den Bürgern nicht neu, da sie, obgleich in               Praktiken gehen mit einer dramatischen
verschiedenen Varianten, seit der Entstehung             Veränderung in der Interessenlage der
der Republik im Jahre 1952 zum festen                    Bevölkerungsmehrheit einher.
Inventar ägyptischer Regime gehören. Neu
ist aber das breite Vertrauen, das die Be-               Wie unabhängige Meinungsumfragen be-
völkerungsmehrheit jenen Strategien nach                 legen, stellt die Verbesserung der wirtschaft-
Jahren der Skepsis, ja des Unbehagens,                   lichen Lage gegenwärtig die Hauptpriorität
wieder schenkt. Den Ursachen dieses Phäno-               der Mehrheit dar (nahezu 90 Prozent der
mens unangefochtener autoritärer Praktiken               Bevölkerung). Die Bildung einer demo-
und fehlenden demokratischen Widerstands                 kratischen Regierung sieht hingegen eine
nachzugehen, ist das Ziel dieser Analyse.                schwindende Minderheit von lediglich drei
                                                         Prozent als eine Priorität.5 Die Zustimmung
Meines Erachtens lassen sich hierzu drei                 für ein demokratisches Ägypten war 2011
Ursachen       voneinander     unterscheiden:            erheblich höher, doch dies galt auch für die
Erstens, die nachhaltige Delegitimierung des             Hoffnung der Mehrheit auf eine Verbesserung
demokratischen Aufstandes aus dem Jahr                   der Wirtschafts- und Sicherheitslage nach
2011. Präsident al-Sisi und sein Regime be-              dem demokratischen Aufstand. Sobald
treiben diese, indem sie im offiziellen Diskurs          aber jene Hoffnung sank, sank auch die
demokratische Forderungen mit den Ge-                    Zustimmung zur Demokratie. Folgerichtig
fahren eines ausbrechenden Chaos gleich-                 unterstützte 2013 eine Vielzahl der Bürger
setzen und die Angst vor dem Verlust der                 eine Beendigung des demokratischen
Staatlichkeit Ägyptens nachdrücklich schüren.            Experiments und verband mit der wieder-
                                                         hergestellten autoritären Regierung die
Zur Erinnerung: Weite Teile der ägyptischen              Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen.
Gesellschaft hatten im Januar 2011 ein Ende              Meinungsumfragen aus den Jahren 2016-
der autoritären Herrschaft Hosni Mubaraks                2018 bestätigen, dass mehr und mehr
gefordert und schließlich seine Absetzung                Ägypter die Wirtschafts- und Sicherheitslage
herbeigeführt. Es folgte eine politische                 inzwischen positiver beurteilen.6 Und das,
Öffnung, die den Ägyptern freie Wahlen                   obwohl sich die Armutsrate auf dreißig
und weitgehende Mobilisierung in der Zivil-              Prozent, die Inflationsrate auf vierzehn
gesellschaft bescherte. Diese Öffnung war                Prozent und die Arbeitslosigkeit auf neun
dennoch nur von kurzer Dauer. Sie endete im              Prozent belaufen.
Juli 2013 mit der Absetzung eines gewählten
Präsidenten und dem Aufstieg zur Macht des               Ägypten lebt heute wieder im Zeitalter eines
damaligen Verteidigungsministers al-Sisi.                populären Autoritarismus.

Zweitens, der Vertrauensverlust unter der                II. Zur Delegitimierung des demokratischen
Bevölkerungsmehrheit        hinsichtlich     der         Aufstands 2011
Rolle der Zivilgesellschaft. Die Zerstrittenheit
der ägyptischen Zivilgesellschaft, das un-               Präsident al-Sisi bezeichnet die Proteste, die
demokratische      Politikverständnis      ihrer         im Jahr 2011 über den Nahen Osten hin-
säkularen und islamistischen Akteure                     weggefegt waren, stets als „einen auf einer
sowie ihre Unfähigkeit, auf die alltäglichen             fehlerhaften Diagnose basierenden falschen
Bedürfnisse der Bürger einzugehen, re-                   Umgang mit den Krisen der arabischen
sultierten zwischen 2011 und 2013 in einem               Länder“.7 So hätten die „Vorfälle“ von 2011
erheblichen Vertrauensverlust. Hauptopfer                Ägypten geschadet und sowohl den Staat

5
    Tavana, Egypt five years after the uprisings – findings from the Arab Barometer, 2017.
6
    Ibid.
7
    Handawy, Al-Sisi: Januarrevolution ist die falsche Behandlung für die falsche Diagnose, 2018; Hamzawy,
    Nur der General weiss, was das ägyptische Volk zu wollen hat, 2018.

                                           Deutsches Orient-Institut                                         3
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    als auch die Gesellschaft erheblichen Risiken         Bevölkerung“, mit der, so al-Sisi, die „Tore
    ausgesetzt. Für den Präsidenten und die               der Hölle“ geöffnet worden seien.
    herrschende Elite des Landes, die aus Ang-
    ehörigen des Militärs sowie der Sicherheits-          Genau diese Aussagen offenbaren das
    apparate und der staatlichen Bürokratie               autoritäre Politikverständnis des ägyptischen
    besteht, waren die damaligen „Vorfälle“               Präsidenten: Sie degradieren die Bürger
    schlicht unheilvoll und sie sollten sich unter        des bevölkerungsreichsten arabischen
    keinen Umständen wiederholen.                         Landes zu politisch unreifen Menschen, die
                                                          dem Staat und der Gesellschaft erheblichen
    Der vom Präsidenten verwendete Begriff der            Schaden zugefügt haben, als sie ‘un-
    „Vorfälle“ soll vergessen machen, dass den            überlegt‚‘ die Demokratie einforderten. Der
    Protesten von 2011 eine umfangreiche                  Präsident wirft somit seinen Bürgern
    demokratische Mobilisierung vorausging.               Ahnungslosigkeit vor, da sie kurzweilig dem
    Unter Vorfällen (im Arabischen: aḥdāṯ)                Glauben verfallen waren, ihre Lebensrealität
    werden in der Politik eher spontane oder              durch einen Demokratisierungsprozess
    unerwartete Handlungen verstanden. Im                 ändern zu können.
    offiziellen Diskurs Ägyptens gab es diesen
    Sprachgebrauch schon vor 2011: Der                    Dieses autoritäre Politikverständnis zwingt die
    Brotaufstand im Januar 1977 etwa oder die             Bürger in die völlige Abhängigkeit gegenüber
    Brotproteste paramilitärischer Truppen im             dem allwissenden Regime, das mit dem Staat
    Oktober 1986 wurden ebenfalls von den                 gleichgesetzt wird. Nur das Regime verfügt
    damaligen Präsidenten Sadat und Mubarak               über das Monopol zu wissen, was Ägypten
    als „Vorfälle“ bezeichnet und erhielten somit         wirklich guttut. Nur die Machthaber können
    den Anstrich singulärer, sogar krimineller            Veränderungen einführen oder Reformen
    Aktionen. Damals wie heute geht es den                durchsetzen. Nur sie wissen, wie das Wohl
    Herrschenden darum, Bürgerproteste als                des Landes geschützt werden kann. Und
    gewalttätiges Vergehen an der Stabilität des          dazu gehört, dass sich der demokratische
    Landes zu delegitimieren.                             Aufstand von 2011 nicht wiederholen darf. Die
                                                          Bürger sollen dem Präsidenten und seinen
    Natürlich waren die Proteste von 2011 nicht           Gefolgsleuten vertrauen, Ägypten vor der
    gewaltfrei. Islamistische und andere Gruppie-         Katastrophe neuer Proteste bewahren zu
    rungen hatten Gewalt gegen Polizeiwachen,             können, gegebenenfalls muss dafür eben
    Gefängnisse und andere Orte staatlicher               auch die Unterdrückung ‘uneinsichtiger‚
    Macht ausgeübt. Doch der Gewalt aus Teilen            Bürger in Kauf genommen werden.
    des Volkes war die staatliche Gewalt voraus-
    gegangen. Und dennoch verliefen die Pro-              III. Zur Zerstrittenheit der Zivilgesellschaft
    teste weitgehend friedlich, wie die Bilder vom
    Tahrir-Platz und anderer Orte bewiesen. Was           Dem Regime und seinem autoritären Politik-
    dem demokratischen Aufstand von 2011                  verständnis steht heute eine geschwächte
    objektiv nicht angelastet werden kann,                und zerstrittene ägyptische Zivilgesellschaft
    dichtet ihm der vorbelastete Ausdruck der             gegenüber. Diese Zivilgesellschaft, die 2011
    „Vorfälle“ nachträglich an.                           mit ihren zahlreichen Netzwerken junger
                                                          Aktivist/innen, den traditionellen und sozialen
    Den demokratischen Aufstand gegen                     Medien sowie säkularen und islamistischen
    Mubarak als „fehlgeleitet“ zu bezeichnen, hat         politischen Strömungen am demokratischen
    aber noch einen zusätzlichen Nutzen: So wird          Aufstand beteiligt war, wird durch restriktive
    das Jahr 2011 als der eigentliche Grund               Gesetze und repressive Maßnahmen des
    der heutigen schwierigen Wirtschafts- und             Regimes unter Druck gesetzt und infolge
    Sicherheitslage    Ägyptens       dargestellt.        marginalisiert.9
    Präsident al-Sisi behauptete in jüngsten
    Reden, dass der „humanitäre, finanzielle und          Dennoch resultiert die Marginalisierung der
    moralische Preis, den Ägypten bezahlt hat“            ägyptischen Zivilgesellschaft nicht nur aus
    nicht so hoch gewesen wäre, „wenn die                 den Machtpraktiken des Regimes, sondern
    herrschenden Zustände vor 2011 gleich-                auch aus der ideologischen Zerstrittenheit
    geblieben wären“.8 Stattdessen war es                 ihrer Akteure und aus ihrem eigenen un-
    aber diese unüberlegte „Bewegung der                  demokratischen Politikverständnis.

    8
        Hassani und Hassan, Al-Sisi: Mangelnde Wahrnehmung ist der wahre Feind… was 2011 geschah war die
        falsche Behandlung für die falsche Diagnose, 2018.
    9
        Hamzawy, Legislating authoritarianism: Egypt’s new era of repression, 2017.

4                                      Deutsches Orient-Institut
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Demokratie in Ägypten

Säkulare politische Strömungen – diese                    Friedensbereitschaft der einflussreichsten
setzen sich in Ägypten aus liberalen, linken              islamistischen Bewegung, der Muslimbruder-
und nationalistischen Bewegungen zu-                      schaft geglaubt, da die Anfänge dieser Be-
sammen – dämonisieren heute nach einer                    wegung in der ersten Hälfte des vergangenen
kurzen Phase der Kritik am Regime und nach                Jahrhunderts nicht gewaltfrei verlaufen waren.
einer noch kürzeren Phase des Schulter-                   Im säkularen Umfeld wurde und wird auch an-
schlusses mit der Muslimbruderschaft                      gezweifelt, dass die Muslimbruderschaft die
(zwischen 2005 und 2011) den Islamismus                   Legitimität des ägyptischen Nationalstaats an-
zum Haupthindernis der Demokratie. Sie                    erkennt, da die Bewegung in ihrem Diskurs
setzen die Hoffnung abermals in einen                     stets auf variierende Staatskonzepte verweist.10
modernen Staat, der die Aufgabe hat, rück-
wärtsgewandte islamistische Bewegungen                    Vor allem jedoch resultiert das Unbehagen
zu zerschlagen und säkulare Strukturen                    säkularer Strömungen am Islamismus aus
zu fördern.                                               dessen auf Religion basierenden totalen
                                                          Wahrheitsanspruch, der im fundamentalen
In der säkularen Weltanschauung sind die                  Gegensatz zu einem demokratischen Politik-
Entstehung von Demokratie, die Einleitung                 verständnis und einem freiheitlichen Gesell-
von Demokratisierungsprozessen, ja die Eta-               schaftsbild steht. Es waren die Symptome
blierung der Rechtsstaatlichkeit willkommene,             jenes islamistischen totalen Wahrheits-
dennoch zweitrangige Errungenschaften.                    anspruchs zwischen 2011 und 2013,
                                                          welche die säkularen Strömungen gegen die
Unter den Vorzeichen dieses undemo-                       Islamisten aufbrachten und schlussendlich
kratischen Politikverständnisses waren                    zur säkularen Unterstützung der Macht-
säkulare Strömungen im Sommer 2013                        übernahme durch die Armee führten.
bereit, die Machtübernahme durch die Armee
zu unterstützen und gravierende Menschen-                 Wenn ein Referendum über Verfassungs-
rechtsverletzungen gegen Islamisten still-                änderungen zu einem ‚Jihad‘ (zum heiligen
schweigend zu akzeptieren.                                Krieg) gegen das säkulare Ägypten verklärt
                                                          wird (März 2011), wenn eine eindeutige
Zur Erinnerung: Nach Massenprotesten                      Anerkennung gleicher Rechte für ägyptische
gegen den demokratisch gewählten islami-                  Kopten nie erfolgt (2011-2013), wenn die
stischen Präsidenten Muhammad Mursi hatte                 Verfassung als letztgültiger Referenzrahmen
der damalige Verteidigungsminister al-Sisi im             der Politik und des Verhaltens staatlicher
Juli 2013 Mursi abgesetzt, die 2012 ver-                  Organe nicht anerkannt wird und durch
abschiedete Verfassung außer Kraft gesetzt                unklare Verweise auf das islamische Recht in
und eine Übergangsregierung unter Be-                     Zweifel gezogen wird (2011-2013), wenn
teiligung zahlreicher säkularer Politiker ge-             Wahlen zu religiösen Momenten umgedeutet
bildet. Es folgte eine Gewalteskalation                   und Wählerfronten entlang eines faschistisch
zwischen staatlichen Organen und Islamisten,              konstruierten Dualismus von gläubigen und
in deren Zuge die Sicherheitsdienste                      ungläubigen Ägyptern gebildet werden (2011-
gravierende Menschenrechtsverletzungen                    2013), dann ergibt sich eine soziale und
verübten. Es folgten aber auch die all-                   politische Wirklichkeit, in der die Verun-
mähliche Marginalisierung der an der Über-                sicherung säkularer Strömungen greifbar ist.
gangsregierung beteiligten säkularen Politiker            Und so war Ägyptens Wirklichkeit zwischen
sowie der Aufstieg zur Präsidialmacht von                 2011 und 2013.
al-Sisi und – durch ihn unterstützt –von einer
neuen Offizierselite der Armee, des Geheim-               Als klar wurde, dass die Islamisten sowohl die
dienstes und des Innenministeriums.                       Religion wie auch ihr gesellschaftliches
                                                          Kapital (Dienstleistungen) zum Erfolg an den
Dass säkulare Strömungen die Beendigung                   Wahlurnen zu nutzen wussten und ihre
des kurzlebigen demokratischen Experiments                Dominanz im Parlament und in der Exekutive
2011-2013 als einen akzeptablen Preis für                 zwischen 2011-2013 zu einer Monopol-
die Zerschlagung der Islamisten betrachteten,             stellung in der Politik ausbauen wollten,
hat tiefgreifende Gründe, die in der sozialen             zogen die säkularen Strömungen kurzerhand
und politischen Entwicklung Ägyptens ver-                 die Beendigung des demokratischen Experi-
wurzelt sind. So haben säkulare Politiker und             ments vor und unterstützten die Armee, die
Intellektuelle nie an eine vollständige                   ihrerseits die Islamisten loswerden wollte.

10
     Hamzawy, Egyptian liberals and their anti-democratic deceptions: A contemporary sad narrative, 2017.

                                            Deutsches Orient-Institut                                        5
Demokratie in Ägypten Toter Baum oder keimende Saat?
DOI-Kurzanalysen

    Die Tatsache, dass die herrschende                  Das Resultat war eine Polarisierung der
    Offizierselite   um       Präsident     al-Sisi     Politik durch einen säkular-religiösen
    zwischen 2013 und 2019 nach und nach                Dualismus und ein Versagen der ägyptischen
    die Beteiligung säkularer Politiker an der          Zivilgesellschaft, einen demokratietragenden
    Regierung      reduzierte     und     säkulare      Konsens zu entwickeln. Dem folgte eine
    Aktivist/innen verfolgte, die das autoritäre        Wende der Muslimbruderschaft hin zum ultra-
    Politikverständnis des Regimes kritisierten,        konservativen Gedankengut der Salafis, die
    bewegte die Mehrheit der säkularen                  sich weder zu gleichen Bürgerrechten für
    Strömungen nicht dazu, in einen friedlichen         ägyptische Kopten noch zur Gleichstellung
    Widerstand gegen den Autoritarismus zu              von Frauen in der Gesellschaft bekannten
    gehen. Das säkulare Ägypten wirkt eher wie          und es vehement ablehnten, die Verfassung
    erstarrt. Es verharrt in der Vorstellung eines      als letzte Instanz anzuerkennen. Das Resultat
    Bündnisses mit dem Regime, das es so nicht          waren die Schlachtrufe der „langen Bärte“
    mehr gibt. Es widersetzt sich der An-               nach der Islamisierung des Staats und
    erkennung       seiner      gesellschaftlichen      der Gesellschaft, die Kopten und säkulare
    Marginalität und seines Verlustes an                Ägypter beunruhigten (die Verfassung von
    demokratischer Glaubwürdigkeit.                     2012). Ebenso folgte daraus ein Wetteifern
                                                        unter den Islamisten, ein Bündnis mit der
    Auf der anderen Seite stigmatisieren                Armee und dem Sicherheitsapparat zu bilden,
    islami-stische Strömungen politische und            in dessen Zuge erhebliche Menschenrechts-
    intellektuelle Anhänger des modernen                verletzungen zwischen 2011 und 2013 in
    Staats und des säkularen Ägyptens als               Kauf genommen worden waren.
    eigentliche Ursache des politischen Übels
    des Autoritarismus und des moralischen              Als die Bildung einer Allianz zwischen der
    Verfalls der Gesellschaft. Um die                   Muslimbruderschaft und der Armee während
    Gesellschaft ganzheitlich von oben gemäß            der Präsidentschaft Mursis (2012-2013) jedoch
    bestimmter Deutungen des Islam und einer            scheiterte und die militärische Führung sich
    am islamischen Recht ausgerichteten                 dazu entschlossen hatte, die Regierungs-
    Politik (siyāsa šarciyya in arabischer              gewalt an sich zu reißen, fanden die Muslim-
    Sprache) neu zu gestalten, bedarf es aus            brüder keine Verbündeten, um sich wirksam
    islamistischer Sicht der Übernahme                  dagegen zu stemmen. Säkulare Politiker und
    des Staatsapparats, und zwar mit Hilfe              Intellektuelle schlugen sich mehrheitlich auf die
    religiös orientierter Oppositions- und              Seite der Armee. Säkulare Aktivist/innen, die
    Mobilisierungsaktivitäten sowie anhand der          den Aufstand von 2011 führten, vertrauten der
    Beteiligung an Wahlen, die sowohl in                Bruderschaft inzwischen nicht mehr und zogen
    der Politiksphäre (wie in Parlaments-               es vor, sich aus dem Machtkampf zwischen
    und Präsidentschaftswahlen) als auch auf            der Bewegung und der Armee heraus-
    der intermediären Ebene der Zivil-                  zuhalten. Sogar einige Salafis, die die
    gesellschaft (Gewerkschaften, Berufs-               Brüder zu ultrakonservativem Handeln ver-
    verbände       und     Studentenverbände)           leiteten, hatten die Machtübernahme durch
    entfaltet werden sollen.                            die Armee gebilligt.

    So hatten islamistische Strömungen den              Das undemokratische Politikverständnis
    demokratischen Aufstand von 2011 aufge-             der Bruderschaft rächte sich. Den Preis
    fasst und beteiligten sich nach anfänglicher        zahlte aber das ganze ägyptische Volk, das
    Unentschlossenheit daran. Zwischen 2011             sich mit der Beendigung des demokratischen
    und 2013 nutzten die Muslimbrüder und               Experiments und mit der Entstehung eines
    andere Islamisten das demokratische Experi-         neuen autoritären Regimes konfrontiert sah.
    ment, um in die Politiksphäre ein- und die          Denn die Verfolgung der Muslimbruderschaft
    Zivilgesellschaft zu durchbrechen. Vor allem        führte zu Menschrechtsverletzungen und der
    die Muslimbrüder reduzierten gleich nach der        Aufstieg der neuen Offizierselite bedeutete
    Absetzung des damaligen Präsidenten                 eine Kehrtwende in der Politik, weg von
    Mubarak ihren Gebrauch des demokratischen           der Öffnung der Jahre 2011-2013 und zurück
    Gedankens auf ein einziges Element, die             zum autoritären Regieren der vielen Jahr-
    Beteiligung an Wahlen. Sie zeigten sich mehr        zehnte vor 2011.
    gewillt, mit den ultrakonservativen Salafi
    Brüdern zu kooperieren, und suchten die             Das undemokratische Politikverständnis
    Nähe der Armee.                                     säkularer und islamistischer Strömungen,

6                                     Deutsches Orient-Institut
Demokratie in Ägypten

welches sie mit der Offizierselite teilten, ist               stützt; und belagert vom Regime mit Repres-
somit für das Scheitern der Demokratie                        salien     der    Sicherheitsdienste   sowie
verantwortlich gewesen.                                       juristisch veranlassten Ausreiseverboten und
                                                              Freiheitsstrafen.
Genau wie den säkularen Strömungen,
die in der Gegenwart erstarrt sind und die                    Aber nur dort, wo diese wenigen demo-
sich die Ergebnisse ihres undemokratischen                    kratisch gesinnten Aktivist/innen agieren,
Handelns nicht vor Augen führen, fehlt es                     kristallisieren sich antiautoritäre Ansätze
den Islamisten bis zum heutigen Tage                          heraus – sei es an den Universitäten, in
an selbstkritischen Einschätzungen ihrer                      Berufsverbänden, wie etwa in den Verbänden
sozialen und politischen Rolle in den Jahren                  der Ärzte und Journalisten, in Menschen-
vor 2013. Hier sind keine Unterschiede                        rechtsinitiativen oder in den sozialen Medien.
zwischen den in Ägypten gebliebenen und                       Es ist nur dort, dass eine demokratische
den im Exil (im Nahen Osten wie in Europa)                    Saat keimt. Politisch jedoch, abgesehen von
lebenden Islamisten erkennbar. Vor allem                      selteneren Mobilisierungsmomenten seit
die Muslimbruderschaft, deren Führung sich                    2013, die vor allem angesichts polizeilicher
größtenteils hinter Gittern befindet, verharrt                Gewalt zustande kamen, tun sich jene
entweder in einer Weltanschauung, in der                      demokratisch gesinnten Aktivist/innen vor
sie vornehmlich Opfer sind; sie untermauern                   allem durch Boykottstrategien zusammen und
dies mit den Menschenrechtsverletzungen                       fühlen sich vom Volk unbeachtet.
gegen ihre Mitglieder und dem dies-
bezüglichen Schweigen der Mehrheit                            IV. Die veränderte Interessenlage der
säkularer Strömungen. Oder sie üben                           Bevölkerungsmehrheit
sich in einer Radikalisierung, die zur
Entstehung von gewaltbereiten Splitter-                       Und die gewöhnlichen Bürger? Wie stehen
gruppen führt.                                                sie zu den Akteuren der Politik? Fühlen sie
                                                              sich betrogen um das Demokratisierungs-
Dem in der ägyptischen Zivilgesellschaft tief-                potenzial, das sich nicht entfalten durfte?
verwurzelten undemokratischen Politik-                        Interessieren sie sich noch überhaupt für die
verständnis sind seit 2011 nur wenige säku-                   Entstehung einer demokratischen Regierung?
lare und islamistische Aktivist/innen ent-                    Wie ist ihre Interessenslage gegenwärtig?
kommen. Sie waren entschieden gegen die
religiöse Aufladung der Referenda und                         Die Wahlbeteiligungsrate, die sich zwischen
Wahlen, gegen die nicht konsensfähige                         2011 und 2013 nah an der 50-Prozent-Marke
Verfassung aus dem Jahre 2012 sowie gegen                     aufhielt, ist seit 2013 auf etwa 25 Prozent
die Absetzung des gewählten islamistischen                    gesunken. Gegenwärtige Meinungsumfragen
Präsidenten ohne demokratisches Verfahren                     – ich stütze mich hierzu auf die Meinungsum-
2013. Obwohl sie im öffentlichen Leben                        fragen des von der Princeton University
nicht mehr als eine kleine Minderheit dar-                    geleiteten Projekts des Arab Barometers –
stellen, sind sie von den großen Akteuren der                 belegen, dass die Mehrheit der Ägypter
Politik verfolgt und verteufelt worden –                      gegenwärtig von der Forderung nach
ausgeschlossen aus den Reihen säkularer                       Demokratie abrückt.
Strömungen, die mit dem Regime zu-
sammenarbeiten; ausgeschlossen aus dem                        Im Jahr 2011 unterstützte eine nahezu
finanziell starken Establishment der Muslim-                  80-prozentige Mehrheit die Bildung einer
bruderschaft, das linientreue Brüder unter-                   demokratischen Regierung (s. Tabelle 1).

Tabelle 1. Unterstützer und starke Unterstützer eines demokratischen Systems nach Bildungsniveau und Alter.
Quelle: The Arab Barometer Project, Egypt Five Years after the Uprisings, 2017.

                              Urban                                                      Rural
                               77%                                                       80%

 Less than High School Diploma           High School Diploma         Associate Degree          College Degree
                 75%                               83%                       78%                     77%
          Age Group 18-25                   Age Group 26-35           Age Group 36-45            Age Group 46+

                 80%                               78%                       79%                     78%

                                              Deutsches Orient-Institut                                          7
DOI-Kurzanalysen

    Grafik 1. Bewertung von Demokratie und Regierung in Ägypten.
    Quelle: The Arab Barometer Project, Egypt Five Years after the Uprisings, 2017.

    2016 aber sank die Unterstützung für eine                      Ägypten lässt sich deutlich mit drama-
    demokratische Regierungsform auf 53                            tischen Veränderungen in der öffentlichen
    Prozent. Eine 21 Prozent starke Gruppe der                     Wahrnehmung der Wirtschafts- und
    Bevölkerung sprach sich sogar für die                          Sicherheitslage sowie im Hinblick auf das
    Bildung einer undemokratischen Regierung                       öffentliche Vertrauen in die politischen
    aus (s. Grafik 1).                                             Akteure der Zivilgesellschaft verbinden.

    Die schwindende Unterstützung für die                          So beurteilten im Jahre 2013 nur sieben
    Demokratie unter den Menschen in                               Prozent der Bevölkerung die wirtschaftliche

    Grafik 2. Dramatischer Wandel in der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Lage.
    Quelle: The Arab Barometer Project, Egypt Five Years after the Uprisings, 2017.

8                                           Deutsches Orient-Institut
Demokratie in Ägypten

Grafik 3. Hauptsorgen der Ägyptern 2016.
Quelle: The Arab Barometer Project, Egypt Five Years after the Uprisings, 2017.

Lage als gut, während im 2016, drei Jahre                      nahezu 90 Prozent. Die Bildung einer demo-
nach der Beendigung des demokratischen                         kratischen Regierung sieht hingegen eine
Experiments, 30 Prozent mit der Wirtschaft                     kleine Minderheit von drei Prozent der Bevöl-
zufrieden waren (s. Grafik 2).                                 kerung als eine Priorität (s. Grafik 3).

In diesem Zusammenhang ist es wichtig                          Noch dramatischer ist die öffentliche Ein-
anzumerken, dass eine große Mehrheit der                       schätzung der Sicherheitslage: Abgerutscht
Ägypter die Verbesserung der wirtschaftlichen                  von einer eher positiven Einschätzung von 52
Lage als ihre oberste Priorität erachtet –                     Prozent im Jahr 2011 auf nur 19 Prozent im

Grafik 4. Sicherheitswahrnehmung.
Quelle: The Arab Barometer Project, Egypt Five Years after the Uprisings, 2017.

                                               Deutsches Orient-Institut                                       9
DOI-Kurzanalysen

     Grafik 5. Vertrauen in politische Institutionen.
     Quelle: The Arab Barometer Project, Egypt Five Years after the Uprisings, 2017.

     Jahr 2013, dann angestiegen auf 79 Prozent                     jenes Vertrauen in die Zivilgesellschaft und in die
     im Jahre 2016 – erneut drei Jahre nach der                     politischen Parteien im gleichen Zeitraum
     Beendigung des demokratischen Experi-                          erheblich. So rutschten politische Parteien auf
     ments (s. Grafik 4).                                           der Skala des Bürgervertrauens von 58 Prozent
                                                                    im 2011 auf 20 Prozent im 2016 ab (s. Grafik 5).
     Während das Bürgervertrauen in die staatlichen
     Organe, allen voran in die Armee, zwischen                     Die heutige Auffassung der Bevölkerungs-
     2011 und 2016 gleich hoch geblieben ist, sank                  mehrheit in Ägypten bezüglich der Demokratie

     Grafik 6. Vertrauen in schrittweisen politischen Wandel.
     Quelle: The Arab Barometer Project, Egypt Five Years after the Uprisings, 2017.

10                                           Deutsches Orient-Institut
Demokratie in Ägypten

scheint daher deckungsgleich mit dem               Bevölkerungsmehrheit, die ihre Hoffnung
aktuellen Diskurs des autoritären Regimes,         hinsichtlich der Verbesserung ihrer Lebens-
der den demokratischen Aufstand von 2011           bedingungen abermals auf das autoritäre
und die darauffolgenden politischen Ver-           Regime setzt. Diese Mehrheit wünscht sich
änderungen – oder regimetreu die „Vorfälle“        zwar, dass das Regime neben seinen
von 2011 – negativ darstellt und als für die       Bemühungen, die Wirtschafts- und Sicher-
Zukunft unerwünscht bezeichnet. So gab             heitslage zu verbessern, die Korruption
2016 eine Mehrheit von 82 Prozent zu               bekämpft (48 Prozent der Bevölkerung). Ob
verstehen, dass politische Reformen, wenn          das Regime aber demokratisch legitimiert ist
überhaupt, nur graduell eingeführt werden          oder ob sein Handeln durch Prinzipien der
sollen und dass die Regierung diese                Menschenrechte geleitet wird, ist wenn
Einführung kontrollieren soll (das Bürger-         überhaupt zweitrangig.
vertrauen in die Regierung lag bei 65
Prozent 2016, s. Grafik 6).                        Um den Titel dieser Analyse abschließend
                                                   aufzugreifen: Das Bäumchen der Demo-
V. Abschluss                                       kratie, das zwischen 2011 und 2013
                                                   aus dem ägyptischen Boden gewachsen
Ist die Demokratie in Ägypten nun ein toter        ist, litt von Beginn an einem gehemmten
Baum oder eine keimende Saat? Die                  Wachstum und ist in den letzten Jahren
Analyse des Politikverständnisses des              abgestorben. Trotzdem keimt die Saat
Regimes und der Akteure der Zivilge-               der Demokratie noch in einigen Schlupf-
sellschaft, aber auch die Analyse der gegen-       löchern in der Zivilgesellschaft, wo sich
wärtigen Wahrnehmungsmuster und Inter-             vor allem junge Ägypterinnen dem Primat
essenlage      der    Bevölkerungsmehrheit         des Autoritarismus widersetzen und
deuten auf eine Abkehr von der Forderung           allmählich eine friedliche demokratische
nach demokratischem Regieren hin. Sie              Widerstandskultur artikulieren. Jene Kultur,
zeugen von der zentralen Stellung, ja vom          die an Universitäten und in Berufs-
Primat eines undemokratischen Politik-             verbänden, in den sozialen Medien sowie
verständnisses und von der Entzauberung            in der Untergrundmusikszene zu finden ist,
des Demokratiegedankens unter der                  lässt hoffen.

Bibliography

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                                      Deutsches Orient-Institut                                    11
DOI-Kurzanalysen

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     Alle Online-Quellen wurden am 12. Juni 2019 verifiziert.

                                                  Impressum

       Herausgeber                                              Es wurden keine Abbildungen, Kopien
       Deutsches Orient-Institut                                oder Übertragungen gemacht ohne
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                                                                analysen geben ausschließlich die
       Kronenstraße 1                                           persönliche Meinung der Autoren wieder.
       10117 Berlin
       Tel.: +49 (0)30-20 64 10 21                              Autor
       Fax: +49 (0)30-30 64 10 29                               Prof. Dr. Amr Hamzawy
       doi@deutsches-orient-institut.de
       www.deutsches-orient-institut.de                         Chefredaktion
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                                                                Benedikt van den Woldenberg

       Copyright: Deutsches Orient-Institut                     Layout
       Alle Rechte vorbehalten.                                 David Gibson

12                                       Deutsches Orient-Institut
Vorstand / Kuratorium

Vorstand der Deutschen Orient-Stiftung                             Dr. Wolf-Ruthart Born
                                                                   Staatssekretär a.D.
Vorsitzender
                                                                   Peter Brinkmann
Philipp Lührs
Senior Vice President Global Head of Projects                      Journalist
Kuehne + Nagel (AG & Co.) KG
                                                                   Henner Bunde
Stellvertretende Vorsitzende                                       Staatssekretär der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie
                                                                   und Forschung Berlins
Professor Dr. O. Faruk Akyol
Direktor
yunus Emre Enstitüsü                                               Jürgen Chrobog
                                                                   Staatssekretär a.D.
Henry Hasselbarth                                                  Mitglied des Vorstandes des NUMOV
Hasselbarth Consulting                                             Inhaber, The Foxhall-Group

Helene Rang
                                                                   Joachim Düster
Stellvertretende Vorsitzende und Geschäftsführender
Vorstand des NUMOV                                                 Auswärtiges Amt a.D.
Inhaberin Helene Rang & Partner
                                                                   Thomas Ellerbeck
Mitglieder des Vorstandes                                          Mitglied des Beirats des NUMOV
                                                                   Mitglied des Vorstandes der TUI AG
H.E. Ali Bin Harmal Al Dhaheri
Chairman of the Executive Board of Governors
Abu Dhabi University                                               Prof. Dr. yousef Abdul Ghaffar
                                                                   Präsident der Kingdom University in Bahrain
Oliver Hermes
Vorsitzender des NUMOV                                             Günter Gloser
Vorsitzender des Vorstandes der WILO SE                            Staatsminister des Auswärtigen Amtes a.D.

Dr. Gunter Mulack
Direktor des Deutschen Orient-Instituts / Botschafter a.D.         Stephan Hallmann
                                                                   ZDF Zweites Deutsches Fernsehen, German Television
Prof. Dr. Martin Neumann, MdB                                      Foreign Affairs
Mitglied des Deutschen Bundestages
                                                                   Prof. Dr. Michael Köhler
Prof. Dr. Susanne Schröter
                                                                   EU-Kommission
Professorin für "Ethnologie kolonialer und postkolonialer
Ordnungen" an der Goethe-Universität Frankfurt
                                                                   Dr. Heinrich Kreft
Johannes Selle, MdB                                                Botschafter
Mitglied des Deutschen Bundestages
                                                                   Dr. Hubert Lang
Alf Sörensen
                                                                   Botschafter a.D.
General Manager
ABC International Bank plc, Frankfurt Branch
                                                                   Nizar Maarouf
Heino Wiese                                                        Sana Kliniken AG
Wiese Consult
                                                                   Matthias Meyer
Kuratorium der Deutschen Orient-Stiftung
                                                                   Botschafter a.D.
Präsident
                                                                   Prof. Detlef Prinz
Dr. Ralf Brauksiepe                                                Inhaber
Parlamentarischer Staatssekretär a.D.                              PrinzMedien
Managing Director der Vivawest GmbH
                                                                   Dr. Nicolas Christian Raabe
Vizepräsident
                                                                   Mitglied des NUMOV Juniorenkreises
Prof. Dr. Mathias Rohe
Rechtswissenschaftliche Fakultät                                   Dr. Gerhard Sabathil
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg                  Botschafter a.D.

Mitglieder des Kuratoriums
                                                                   Adem Sari
Abdolvahid Afsari                                                  Managing Director
Tehran University                                                  SARIAS Investment GmbH

Svenja Ahlburg                                                     Prof. Dr. jur. Dr. phil. Peter Scholz
Manager Governmental Affairs                                       Präsident des Amtsgerichts Charlottenburg
WILO SE
                                                                   Freie Universität Berlin
Klaus Uwe Benneter
Rechtsanwalt und Notar                                             Oltmann Siemens
HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH                              Vertreter der Weltbank a.D.

                                                       Deutsches Orient-Institut                                                     13
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