Aktuelle Sportgroßereignisse in Brasilien und deren Auswirkungen auf die Favelas

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Aktuelle Sportgroßereignisse in Brasilien und deren Auswirkungen auf die Favelas
Facharbeit im Grundkurs Erdkunde
      Gymnasium Rodenkirchen, Köln
         Fachlehrer/in: Fr. Ludwig
           Schuljahr: 2013/ 2014

Aktuelle Sportgroßereignisse
  in Brasilien und deren
   Auswirkungen auf die
          Favelas

              vorgelegt von:
             Nina Windgasse
           Rudolf-Buch-Straße 6
               50999 Köln

              11. April 2014

                                        1
Aktuelle Sportgroßereignisse in Brasilien und deren Auswirkungen auf die Favelas
Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG                                                    3

HAUPTTEIL                                                     4
      1 Was sind Favelas?                                     4
      2 Generelle Auswirkungen von Sportgroßereignissen       7
      3 Wie bereitet sich Brasilien auf die Ereignisse vor?   10
      4 Die Kritik an Brasiliens Vorgehen zur Vorbereitung    12
             4.1 Überblick über die Kritikpunkte              12
             4.2 Die Favela-Problematik im Detail             13
             4.3 Hätte es Alternativen gegeben?               17

SCHLUSSTEIL                                                   18

LITERATURVERZEICHNIS                                          20

ABBILDUNGSVERZEICHNIS                                         23

ERKLÄRUNG                                                     24

                                                                   2
Einleitung

„Genau hier soll die geplante Ringstraße verlaufen, und eine Ecke von unserem Haus
müsste auch noch abgeschnitten werden“,1 sagt Josè Araùjo. Josè Araùjo ist nur einer
von vielen betroffenen Favela-Bewohnern, deren Schicksal einen Schatten auf die
nahende Fußballweltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 in Brasilien
wirft. Das Land erhofft sich viel von diesem Großereignis und tut alles dafür, dass es
ein Erfolg wird, selbst wenn dabei Menschen aus ihrem Lebensraum vertrieben und
dieser dann vernichtet wird. Brasiliens Armenviertel, die Favelas, sollen dem Bau neuer
Stadien, Verkehrsanbindungen und anderer Anlagen weichen.

Die folgende Arbeit beschäftigt sich zu Beginn mit Favelas in Brasilien und den
Gründen, weshalb ein Land überhaupt ein Sportgroßereignis ausrichten möchte. Was
macht den Reiz daran aus? Dann wird ein Blick darauf geworfen, wie Brasilien mit den
Anforderungen umgeht. Zuletzt folgt dann die Kritik an Brasilien und Details zu den
Auswirkungen auf die Favelas.

Ich habe dieses Thema ausgewählt, weil die Sachlage hochaktuell und brisant ist und
dennoch relativ wenig Aufmerksamkeit von der Weltöffentlichkeit bekommt. Vor dem
Hintergrund eines positiven Ereignisses wie der Fußball-WM passieren Dinge, die es
unter menschlichem und sozialem Gesichtspunkt nicht geben dürfte. Sie wirken
regelrecht anachronistisch profitorientiert und wollen gar nicht so recht zu dem Spaß-
Event WM passen.

1
 http://www.amnesty.ch/de/aktuell/magazin/2011-3/brasilien-kritik-an-sozialen-saeuberungen,
5.04.14

                                                                                              3
Hauptteil

1 Was sind Favelas?

Favelas - die andere Stadt direkt vor der Haustür. Favelas werden die Armen- und
Elendsviertel Brasiliens genannt, von denen die ersten bereits Ende des 19. Jahrhunderts
entstanden sind. Heute leben etwa 20 bis 40 Prozent der Bewohner von Brasiliens
Großstädten in einer Favela2. Die Siedlungen wuchsen und wachsen immer weiter,
während sich die Lebensbedingungen dort nur unmerklich weiterentwickeln.

Allein in Rio de Janeiro wird von einer Anzahl von über 700 bis hin zu 1000 Favelas
ausgegangen. Favelas findet man an den Randzonen von großen Städten. Diese
Randzonen sind für „,normale‘ Bebauung“3 in der Regel ungeeignet, weil sie zum
Beispiel an Hängen liegen, an denen man wegen zu großer Gefahren eigentlich keine
Häuser bauen kann (vgl. Abb. 1).

(Abb. 1: Favela an einem Hang)4

Favelas sind meist informelle, das heißt ungeplante Siedlungen, deren Eigentumsfrage
ungeklärt ist. Sie werden auch als Marginalviertel bezeichnet. Die Mehrzahl der

2
  Vgl. E. Blum, P. Neitzke: FavelaMetropolis- Berichte und Projekte aus Rio de Janeiro und São Paulo,
Birkhäuser 2004, S. 8
3
  http://www.niesel.org/gew/ai4.php, 29.03.14
4
  http://latina-press.com/media/2010/01/Favelas.jpg, 7.04.14

                                                                                                        4
Bewohner fürchtet Vertreibung oder ähnliches, da sie keinen legalen Grundbesitz
vorweisen können. Formal gesehen haben sie kein Recht, in den Favelas zu wohnen.5

Die aus der Not heraus entstehenden illegalen Siedlungen fallen durch ihre mangelhafte
bis gar nicht vorhandene Infrastruktur auf. Nicht in jeder Favela ist die Situation
gleichermaßen untragbar, was zum großen Teil Hilfsprojekten zuzuschreiben ist.
Dennoch leben viele Menschen ohne auszureichende Grundversorgung. Es mangelt an
Kanalisationen, was dazu führt, dass bei starken Gewittern und Regengüssen die
Straßen oft unter Wasser stehen, welches mit Fäkalien, Urin und Chemikalien vermischt
ist. Dieses stinkende Wasser läuft dann in die Hütten der Menschen und es ist nichts
vorhanden, wodurch es wieder ablaufen kann. Auch gibt es nur eine eingeschränkte
Wasser- und Stromversorgung. Häufig entdeckt man in Favelas große Knäuel aus
Kabeln, in dem sich unentwirrbar zu allen Seiten wieder weitere Kabel verlieren. Solch
ein Knäuel entsteht, wenn Favela- Bewohner aus einem Stromnetz der Stadt
unerlaubterweise Strom abzapfen. Der Zustand der Wohnräume ist ebenfalls nicht
überall gleich. Man sieht die typischen Hütten aus Holz und Wellblech, aber auch enge
Häuser aus Stein, deren Qualität allerdings auch nicht hoch ist. Je nach Größe der
Familie werden noch weitere Etagen ergänzt, wodurch die Häuser noch mehr an
Stabilität verlieren (vgl. Abb. 2).

              (Abb. 2: Beispiel einer Favela)6

5
    Vgl. (auch folgendes) mit http://www.niesel.org/gew/ai4.php, 29.03.14
6
    http://www.niesel.org/gew/img/rio_favela_3.jpg, 7.04.14

                                                                                    5
Die meisten Bewohner einer Favela kommen auf der Suche nach Arbeit in die urbanen
Gebiete, die sogenannte Land-Stadt-Wanderung. Das Arbeitsangebot in Städten ist
dabei ein Pull-Faktor, das Unterangebot auf dem Land ein Push-Faktor. In den meisten
Fällen verfügen sie nicht über die nötigen Kenntnisse für qualifizierte Arbeiten,
geschweige denn eine Ausbildung, sind also keine gelernten Arbeitskräfte. Sie finden
dann oftmals gar keine regelmäßige Arbeit oder nur solche, die sehr schlecht bezahlt ist,
und die sonst niemand annehmen möchte, z.B. informelle Arbeit in Fabriken. Als Folge
dessen können sich die Zugewanderten keinen besseren Wohnraum innerhalb der Stadt
leisten und müssen sich in die Favelas an den Stadtrand zurückziehen. Das Leben dort
entspricht dann aber nicht dem, was sich die Menschen durch die Landflucht erhofft
haben.

So herrscht in den Favelas auch große Kriminalität. Favelas sind die Stützpunkte vieler
Drogenkartelle. In jeder Favela gibt es eine Organisation, die das Sagen hat und somit
die Kontrolle über alles und jeden, der dort lebt. Körperverletzungen und sogar Morde
sind hier für alle alltäglich. Man wächst damit auf, dass Männer mit Waffen an jeder
Ecke stehen und sogar Kinder schon früh den Umgang mit einer solchen erlernen, die
sogenannten „Kindersoldaten“7. Außerdem herrscht fast durchgehend Krieg zwischen
verschiedenen Kartellen, die alle ihr Revier abstecken wollen. Gerät man da zwischen
die Fronten, gibt es keinen Ausweg mehr. „Andauernd machen die Drogenbanditen hier
Ausgangssperre - dann dürfen wir sogar bei Affenhitze nicht mal den Kopf aus der Tür
stecken - oder sind geliefert - die legen jeden um, der sich nicht dran hält!“8 So
beschreibt eine Favela- Bewohnerin die Situation. Favelas liegen außerhalb der Regeln
und Gesetze des Landes und der Stadt, jede Favela hat ihre eigenen.

„Es gibt eine ökonomische, politische, soziale und kulturelle wechselseitige
Abhängigkeit zwischen Favela und Stadt.“9 Dies sagt Maria Lúcia Petersen von der
Stadtverwaltung Rio de Janeiros zu der Interdependenz von Favela und der anliegenden
Stadt. Auf ökonomischer Ebene besteht diese Abhängigkeit darin, dass – gäbe es keine
Favelas – in Industrie und Handel möglicherweise Profit ausbleiben würde, da
notwendige Leistungen durch fehlende billige Arbeitskräfte langsamer oder gar nicht

7
  Vgl. http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/schulfernsehen/kindergangster-von-
rio104.html, Demmelhuber, S., Eklkofer, V., 29.03.14
8
  http://www.trend.infopartisan.net/trd0403/t360403.html, Hart, K., 29.03.14
9
  E. Blum, P. Neitzke: FavelaMetropolis, S. 47; vgl. auch Folgendes bis Ende des Abschnitts mit S. 47ff.,
29.03.14

                                                                                                            6
erfüllt werden. Außerdem erledigen viele Favela-Bewohner hilfreiche Arbeiten im
Alltag, wie z.B. das Bewachen von Autos, das Spazierenführen des Hundes oder
Arbeiten im Haushalt. Zudem findet der, zwar recht geringe, aber dennoch vorhandene,
Konsum der Favela- Bewohner hauptsächlich in der Stadt statt.

Der soziale und auch städtebauliche Aspekt der gegenseitigen Abhängigkeit sieht
folgendermaßen aus: Durch die unmittelbare Nähe zur Stadt bieten sich den Favelas
auch bessere Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Es gibt bereits einige Projekte, z.B.
das „Favela-Bairro“-Programm, bei denen ein Teil der Steuern an eine angrenzende
Favela gezahlt wird. Es werden außerdem Verkehrsanbindungen integriert, sodass eine
Favela von außerhalb besser erreichbar ist, Freizeitangebote, Schulen, medizinische
Einrichtungen, Supermärkte, und andere Dinge, die zur Urbanisierung beitragen,
werden gebaut. So haben die Stadtbewohner neue „öffentliche Räume“10 dazu
gewonnen und die Favelas bekommen ihre Abschottung nicht mehr überall zu spüren.
Projekte wie diese sind wiederum auch notwendig, damit es bald in möglichst vielen
Favelas Hoffnung auf Besserung gibt.

Hier wird also deutlich, dass jegliche Veränderung auf Seiten der Favelas positive und
auch negative Risiken für die angrenzende Stadt in sich birgt. Eine Abschaffung der
Viertel scheint damit ohne auch negative Konsequenzen für die Stadt kaum möglich.

2 Generelle Auswirkungen von Sportgroßereignissen

Ob es die Olympischen Spiele sind oder die Fußballweltmeisterschaft, alle wollen sie
austragen. Im Jahre 2014 hat Brasilien die „Ehre“, gleich durch die Austragung beider
Events die Aufmerksamkeit der Welt auf sich zu ziehen. Doch was macht es für ein
Land so reizvoll, sich einer so großen Herausforderung wie einem Sportgroßereignis zu
stellen? Was für positive Auswirkungen erhofft es sich? Wiegen diese die negativen
tatsächlich auf?
In der folgenden Grafik sind die drei Hauptfelder, auf die Sportgroßveranstaltungen
Wirkung ausüben, dargestellt11: Ökonomische, Ökologische und Soziale Wirkungen.

10
  E. Blum, P. Neitzke: FavelaMetropolis, S. 54 (vgl. auch letzten beiden Abschnitte)
11
  http://www.grin.com/de/e-book/120319/regionalwirtschaftliche-bedeutung-eines-
sportgrossereignisses-in-der-region, 30.03.14, F. Vincena: Regionalwirtschaftliche Bedeutung eines
Sportgroßereignisses in der Region Wien, Grin 2005, S. 13 (neu abgetippt auf Grund von Unschärfe)

                                                                                                     7
(Abb. 3: Klassifizierung der Wirkung von Sportgroßveranstaltungen)

Die Grafik veranschaulicht, auf wen oder was (schwarz) die drei Wirkungsbereiche (rot)
Einfluss verüben. Die Bevölkerung des jeweiligen Veranstaltungsortes beispielsweise
bekommt alle Bereiche zu spüren, in jedem sowohl die negativen als auch die positiven
Folgen. Die ökonomischen Wirkungen hinterlassen ihre Spuren bei vielen Instanzen des
Veranstaltungsortes, wie z.B. verschiedenen Gewerben. Die sozialen Wirkungen treffen
die Bevölkerung des Ortes und die Besucher der Veranstaltung.
Im Folgenden wird genauer erklärt, durch welche Vorgänge die einzelnen Wirkungen
erzielt werden und wie sich diese auswirken.

In dem Bereich der ökologischen Wirkungen begegnet man hauptsächlich negativen
Effekten. Immer deutlich sichtbar ist natürlich die Nutzung unbebauter Flächen,
beispielsweise zum Bau neuer Stadien – schädlich für die Natur, nützlich für die
Wirtschaft. Ein weiterer ökologisch bedenklicher Punkt ist die durch den
Massenansturm und die damit verbundene Reisetätigkeit der Menschen hervorgerufene

                                                                                    8
Luft- und Umweltverschmutzung. Die CO2-Emissionen steigen, es wird mehr Müll
produziert, der Energieverbrauch steigt und der Lärmpegel ist erhöht.12

Die    beiden    anderen      Wirkungsbereiche       zeigen     eher    positive    Effekte     von
Sportgroßveranstaltungen auf ein Land.
Soziale Wirkungen: Diese Veranstaltungen sind internationale Events, die die
Aufmerksamkeit der gesamten Welt auf sich ziehen. Ein Land lädt ein, alle anderen
kommen. Es findet ein kultureller Austausch statt und eben vor allem die Kultur des
Gastgeberlandes gewinnt an Popularität dadurch, dass so viele Menschen in das Land
reisen und sich mit ihr auseinandersetzen. Das kann sich auch im Tourismus nach Ende
der Veranstaltung noch bemerkbar machen. Zudem ist ein größeres soziales
Miteinander erkennbar, die Kommunikation nimmt zu und es werden neue Kontakte
geknüpft. Die „Steigerung der lokalen Identität“13 ist ebenfalls eine positive Folge durch
den Bedeutungszuwachs des Veranstaltungsortes. Die Bewohner fühlen sich stärker mit
ihm verbunden und versuchen seine Vorteile noch deutlicher herauszustellen. Negative
soziale Folgen werden in Kapitel 4 erläutert.

Den meisten positiven Auswirkungen begegnet man im ökonomischen Bereich, der
mutmaßlich für diejenigen, die über eine Bewerbung des Landes entscheiden, auch der
wichtigste ist. Ein Land erhofft sich einen wirtschaftlichen Aufschwung. Ein erster
Punkt sind die steigenden Einnahmen in verschiedenen Bereichen, z.B. im Einzelhandel
(vgl. Grafik) und in der Hotelbranche, die durch die hohen Besucherzahlen verursacht
werden. Zudem entstehen durch eine Sportgroßveranstaltung viele neue Arbeitsplätze,
die besetzt werden müssen und dankbar angenommen werden. Auch zusätzliche
Veranstaltungen (vgl. Grafik) im Rahmen der Sportgroßveranstaltungen steigern den
Profit. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die „Steigerung des Bekanntheitsgrads der
Region“14, was den Tourismus in den kommenden Jahren ankurbelt, also langfristig von
Vorteil ist. Weiter spielt auch der Bau neuer Einrichtungen, wie z.B. neuer Stadien,
Hotels oder anderer Freizeitmöglichkeiten, eine Rolle, da dadurch die Attraktivität der
Region für die Öffentlichkeit steigt. Sie wird moderner und passt sich der Exklusivität
des Events an. Dafür nimmt man auch zahlreiche Sanierungsarbeiten in Kauf.
Außerdem erwähnenswert ist die Verbesserung und Erneuerung der Infrastruktur. Um

12
   Vgl. http://www.vwl.uni-mannheim.de/rv/RVGans2007.pdf, Gans, P., 30.03.14, S. 8
13
   http://www.sportministerium.at/files/doc/Studien/20050705SalzburgSportsEcon1.pdf, Helmenstein,
C., Kleissner, A., Moser, B., 30.03.14, S. 8
14
   http://www.sportministerium.at/files/doc/Studien/20050705SalzburgSportsEcon1.pdf, 31.03.14, S. 8

                                                                                                  9
den Besuchern das Vorwärtskommen zu erleichtern, werden neue Straßennetze und
Verkehrsanbindungen gebaut, die auch den Bewohnern des Ortes später noch das Leben
erleichtern.

Insgesamt erfährt das Land durch das Ausrichten eines solchen Ereignisses höheres
internationales Ansehen und es wird „zusätzliche Wertschöpfung“15 ausgelöst, die der
Wirtschaft des Landes auch langfristig – so wird erhofft - zugute kommt.

3 Wie bereitet sich Brasilien auf die Ereignisse vor?

Eine Sportgroßveranstaltung wie die Fußballweltmeisterschaft auszurichten erfordert
eine intensive Planung und viele Vorbereitungen in verschiedenen Gewerken.
Von neuen Sportstätten über Hotels bis hin zur Überholung von Verkehrssystemen
muss alles bedacht werden, damit allen Teilnehmern und Besuchern eine möglichst
reibungslos verlaufende Veranstaltung geboten werden kann.
In diesem Jahr hat Brasilien diese große Verantwortung auf sich geladen und geizt nicht
mit Investitionen und Mühen, um die zwölf zur Austragung ausgewählten Städte
herzurichten.

Der erste wichtige Punkt bei einem Sportgroßereignis sind gute, taugliche, sichere und
repräsentative Sportstätten, da sich dort alles konzentriert. Der Hauptteil des Events
spielt sich dort ab und die ganze Welt schaut per Fernsehübertragung zu. Brasilien hat
die Spiele auf zwölf Stadien aufgeteilt, von denen die eine Hälfte von Grund auf saniert,
die andere Hälfte sogar neu errichtet wurde. Für die rund 600.000 erwarteten Besucher16
muss die Platzanzahl in den Stadien erhöht werden. Ein Neubau ist die „Arena da
Amazônia“ in Manaus. Für dieses luxuriöse Gebilde zahlte Brasilien mehr als 200
Millionen Euro. Doch es geht noch gewaltiger: Für die Sanierung des Maracanã-
Stadions in Rio de Janeiro stellt das Land 300 Millionen bis 400 Millionen Euro bereit.
Dadurch wurden beide Stadien zum Ziel massiver Kritik.

Es muss natürlich auch dafür gesorgt werden, dass genügend Betten für die Besucher
zur Verfügung stehen. Um dieses gewährleisten zu können, müssen neue Hotels in

15
     http://www.sportministerium.at/files/doc/Studien/20050705SalzburgSportsEcon1.pdf, 31.03.14, S. 8
16
     http://www.wm-2014.net/wm-2014-austragungsorte-alle-stadien, 2.04.14

                                                                                                   10
verschiedenen Preisklassen entstehen, damit sich jeder Besucher einen Aufenthalt
leisten und diesen auch genießen kann.
Auch zwischen den Spielen sollen sich die Besucher wohlfühlen und Abwechslung
geboten bekommen. Dafür werden beispielsweise neue Restaurants, Bars und
Einkaufszentren eröffnet17. Diese sollen auch die Kauflust der Besucher steigern. Neue,
hochwertigere Gebäude verlocken mehr zum Geldausgeben als ältere.

Außerdem bemüht sich Brasilien um die Erneuerung der Infrastruktur und der
Verkehrssysteme. Es werden Straßennetze erweitert und neu gebaut. Auch der
öffentliche Nahverkehr, sprich Untergrundbahnen, Busverbindungen und Hochbahnen,
wird ausgebaut.18
Doch bei all den städtebaulichen Vorbereitungen kommt es immer wieder zu
Verzögerungen, weshalb der Zeitplan schon längst überschritten wurde.

Ein ganz anderer, ebenfalls sehr wichtiger Punkt, ist Sicherheit. Diese ist gerade in
Brasilien ein heikles Thema, da es dort, wie schon erklärt, viel Kriminalität gibt. Vor
allem in den Favelabereichen kommt es oft zu Ausschreitungen. Auf Grund dessen
verfolgt die Regierung Brasiliens eine sogenannte „Befriedungspolitik“. Diese Politik
hat zum Ziel, die Gewalt in den Favelas in den Griff zu bekommen, die vor allem durch
das Drogenmilieu ausgeübt wird. Um dies zu realisieren, schickt die Regierung Polizei
und Soldaten in die betroffenen Bereiche. Sie führen Razzien durch, oft mit gepanzerten
Fahrzeugen. Übergriffe können so aber nicht ganz verhindert werden.19 In Rio de
Janeiro werden die meisten Anstrengungen zur Befriedung unternommen.

All diese Vorbereitungen führen für die Favelas in eine schier auswegslose Situation:
Um mehr Platz für Stadien, Straßen, Attraktionen und so weiter zu schaffen und auch
weil der Kampf gegen die Kriminalität sehr mühselig ist, geht die Regierung radikal
gegen die Favelas und deren Existenz vor. Hinter den Kulissen arbeitet Brasilien an der
Abschaffung der Favelas und der Zwangsumsiedlung ihrer Bewohner.

17
   Vgl. http://www.spiegel.de/reise/staedte/rio-de-janeiro-vorbereitung-fuer-die-fussball-wm-a-
905789.html, Käufer, T., 2.04.14
18
   Vgl. http://www.s-ge.com/sites/default/files/Fussball-WM%202014%20NEXT.pdf, Matter, M.,
3.04.14, S. 2
19
   http://www.epo.de/index.php?option=com_content&view=article&id=9972:brasiliens-regierung-
setzt-auf-qbefriedungspolitikq&catid=106:fifa-wm-brasilien&Itemid=100065,
http://www.welt.de/politik/ausland/article126380643/Soldaten-besetzen-vor-WM-ein-Elendsviertel-
von-Rio.html, Boldt, K., 4.04.14

                                                                                                  11
4 Die Kritik an Brasiliens Vorgehen zur Vorbereitung

4.1 Überblick über die Kritikpunkte

Die Fußballweltmeisterschaft ist ein internationales Event, das den Sportsgeist und das
Miteinander wecken soll. Doch in diesem Jahr trüben viele negative Kritiken an
Brasiliens Vorbereitungen den Glanz.

Der erste Kritikpunkt bezieht sich auf den Bau der neuen Stadien. Die
Arbeitsbedingungen auf den Baustellen sind unzureichend. Durch den Zeitdruck, der
auch durch zahlreiche Verzögerungen entstanden ist, arbeiten die Arbeiter Tag für Tag
unter Hochdruck, während bei den Sicherheitsvorkehrungen eingespart wird. Man
spricht von einer regelrechten Ausbeutung der Arbeitskräfte20 (s. Kap. 2: soziale
Wirkungen). Es gab bereits mehrere Todesfälle, wie z.B. einen 22-Jährigen, der von
dem Dach der „Arena Amazônia“ in Manaus gestürzt ist21. In São Paulo starben zwei
Arbeiter beim Zusammenbruch eines Krans.22 Nachrichten wie diese lassen die
repräsentativen Neubauten in einem schlechten Licht erscheinen.

Kritisiert werden auch die gewaltigen Kosten für die Stadien. Die bereits angesprochene
„Arena Amazônia“ z.B. kostet über 200 Millionen Euro, das entspricht circa 500
Millionen brasilianische Reais. Zwar gibt diese eindrucksvolle Arena der WM ihren
luxuriösen Touch, doch nach Abpfiff des Finales wird sich die Arena mit ihren über
40.000 Sitzplätzen lange Zeit erstmal nicht mehr füllen. Obwohl der Fußball in
Brasilien eine große Rolle spielt, verkaufen sich die Tickets für Spiele der regionalen
Mannschaften im Raum um Manaus herum nicht gut. Es wird also sehr schwer werden,
die Instandhaltung regelmäßig zu bezahlen (s. Kap. 2.: ökonomische Wirkungen
langfristig). Befürworter des Stadions versuchen, die Zweifel mit Aussichten darauf,
dass das Stadion nicht nur für den Fußball genutzt werden könne, zu zerstreuen.23
Dennoch kommt es immer häufiger zu Protesten, die in Ausschreitungen enden.

20
   Vgl. http://www.solidar.ch/data/0DF06392/Dossier_layout_de.pdf, 5.04.14
21
   Vgl. http://www.welt.de/sport/fussball/wm-2014/article122947758/Schon-wieder-zwei-Tote-auf-
den-WM-Baustellen.html, 5.04.14
22
   Vgl. http://www.spiegel.de/sport/fussball/wm-2014-schwerer-unfall-auf-stadionbaustelle-in-sao-
paulo-a-936018.html, 5.04.14
23
   Vgl. ganzen Abschnitt mit: http://www.welt.de/sport/fussball/wm-2014/article116947831/Brasilien-
baut-das-absurdeste-WM-Stadion-der-Welt.html, Flörke, S., 5.04.14

                                                                                                  12
Zu allem Überfluss steht die Arena Amazônia im Amazonasgebiet, sprich
Regenwaldgebiet. Das bedeutet, dass es dort besonders heiß, schwül und feucht wird,
was für die Spieler und auch die Stadionbesucher gleichermaßen von Nachteil ist.

Der Aspekt, der die meiste Entrüstung auslöst, hängt mit den Favelas zusammen. Wie
bereits erwähnt will Brasiliens Regierung die Favelas nämlich nicht nur befrieden,
sondern noch viel extremer gegen sie vorgehen. Wie dieses Vorgehen im Detail
aussieht, wird im nächsten Kapitel behandelt.

Als kleines Zwischenfazit kann man aber sagen, dass in Brasilien vor Beginn der WM
bereits einiges schief läuft, Brasilien zum Teil zu weit geht.

4.2 Die Favela-Problematik im Detail

Das Zitat aus der Einleitung (siehe S. 3) gibt bereits einen Einblick in das, was den
Favelas und ihren Bewohnern im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft angetan wird.
Doch die Probleme und Fehltritte der Regierung reichen noch weiter.

In den letzten zwanzig Jahren wurden im Rahmen von Sportgroßereignissen, besonders
den Olympischen Spielen, schon über zwei Millionen Menschen aus ihrem Umfeld
vertrieben,24 nicht nur in Brasilien, auch beispielsweise vor vier Jahren in Südafrika. In
diesem Jahr kommt eine enorme Zahl von über 250.000 Menschen in Brasilien dazu.25
Und dass alles nur, um für die WM 2014 und Olympia 2016 „aufzuräumen“.26 Doch
viele erkennen, dass die Regierung diese Ereignisse als eine Art sehr nützlichen
Vorwand nehmen, „schon länger bestehende Tendenzen in den brasilianischen Städten
fortzuschreiben“27, also schon länger überlegte Umstrukturierungen, die vorher noch
weniger hätten durchgesetzt werden können, vorzunehmen.

24
   Vgl. http://www.graemegreen.org/Features/tabid/65/articleType/ArticleView/articleId/184/A-Kick-In-
The-Favelas.aspx, Green, G., 5.04.14
25
   Vgl. http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/allg_Texte/LN_Dossier9.pdf, 5.04.14, S. 5
26
   Vgl. http://www.spiegel.de/reise/aktuell/polizeieinsatz-in-den-favelas-rio-raeumt-auf-fuer-olympia-a-
665453.html, Kremp, M., 5.04.14
27
   http://www.amnesty.ch/de/aktuell/magazin/2011-3/brasilien-kritik-an-sozialen-saeuberungen,
5.04.14

                                                                                                     13
Diese „Aufräumarbeiten“ gehen von dem Versuch der Friedensstiftung bis hin zum
Abriss der Favela. Wie schon erläutert, investiert das Land viel in die Erneuerung der
Infrastruktur, also beispielsweise den Straßenbau. Dazu werden nicht nur bestehende
Straßen ausgebessert, sondern auch neue gebaut. Wo aber diese neuen Straßen gebaut
werden befinden sich an vielen geplanten Strecken Favelas. Das Gleiche gilt für
Gelände, die für einen Stadionbau vorgesehen sind. Oder aber die Favela „verschändelt“
einfach nur die Landschaft um eine Austragungstätte herum. Brasiliens Regierung hat
also angefangen, Räumungen, Zwangsumsiedlungen und Abrisse anzuordnen. Die
Durchsetzung erfolgt in aller Radikalität: Bulldozer und Abrissbirnen rollen an und
zerstören das Zuhause der Favela-Bewohner.

„Die Richtung ist klar: Es geht um ‚soziale Säuberung‘ mit anschließender
Gentrifizierung. Die Armen sollen aus den zentraler gelegenen Regionen [noch weiter]
an die Peripherie abgedrängt werden.“28 So beschreibt Sérgio Baierle von der NGO
Cidade, einer Gesellschaft, die sich für die Favelas einsetzt, die Situation. Eine Folge
von Gentrifizierung ist die Aufwertung und Wertsteigerung eines Stadtteils. Kommt es
dazu,     müssen      jedoch      die    unteren,      ärmeren      sozialen     Schichten          den
Modernisierungsarbeiten weichen, da sie sich den Wohnraum nicht mehr leisten
können.29
Dazu kommt, dass das Anrücken der Fahrzeuge oft ohne Vorankündigung geschieht
und die Entschädigung danach ziemlich dürftig ausfällt. „Ich sah, wie die Maschine
mein Tor zertrümmerte. Ich wollte da reingehen, aber ein junger Mann hielt mich
zurück. Ich versuchte nochmal, aber er ließ mich nicht. Ich wollte da rein, um mich vor
die Tür zu stellen und zu sehen, ob ich sie nicht stoppen könnte. So naiv war ich […]“30
Auch diese Worte zeigen, wie hilflos die Favela-Bewohner gegenüber der Regierung
sind. Gegner dieser Vorgehensweise sprechen von Menschenrechtsverletzung und
gründen sogenannte „WM-Volkskomitees“, die sich für die Rechte der Bewohner
einzusetzen versuchen.31 Es gibt viele Proteste und Massendemonstrationen. Dennoch
werden die Menschen in abgelegenere Zonen umgesiedelt, in den die Grundversorgung
oftmals noch mangelhafter ist als in ihrem ursprünglichen Zuhause. Auch ist die

28
   http://www.amnesty.ch/de/aktuell/magazin/2011-3/brasilien-kritik-an-sozialen-saeuberungen,
5.04.14
29
   Vgl. http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/brasilien-umsiedlungen-fuer-wm-und-olympia-
12762804.html, Käufer, T., 5.04.14
30
   http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/allg_Texte/LN_Dossier9.pdf, 5.04.14, S. 13
31
   Vgl. http://www.dw.de/zwangsumsiedlungen-f%C3%BCr-wm-und-olympia/a-16272434, Frey, L.,
5.04.14

                                                                                                     14
Entfernung      zu    beispielsweise     medizinischen       Versorgungseinrichtungen          oder
Lebensmittelgeschäften viel weiter und durch fehlende Anbindungen schwer zu
bewältigen.32 Als weitere Folge verlieren viele Bewohner außerdem ihren Arbeitsplatz,
da er entweder mit ihrem Haus abgerissen wird oder aber durch die Entfernung zur
Stadt nicht mehr erreichbar ist. Außerdem sind die Möglichkeiten zur Bildung in der
Peripherie, also den Randzonen, noch eingeschränkter, was die Aussicht der Jugend auf
ein besseres Leben verschlechtert. Zudem gibt es in Brasilien derzeit einen
Immobilienboom, durch welchen Mietpreise sowieso immer mehr ansteigen. Folglich
können sich die ärmeren Bewohner der früheren Favelas immer weniger anständigen
Wohnraum leisten und bleiben mit einer schlechteren Wohnsituation als vorher zurück.
Entschädigungen gibt es in der Regel nicht.

Eine betroffene Favela ist die Favela „Vila Autódromo“ in Rio de Janeiro. Die Favela
gilt als eines der friedlichsten Armenviertel und dennoch soll es komplett vernichtet
werden. An seine Stelle soll der neue Olympia-Park treten. Die Bewohner der Vila
wehren sich gegen die Pläne, von denen ihnen niemand berichtet hat. Nur durch Zufall
haben die circa 1000 Menschen von dem drohenden Unheil erfahren. Die
Favelagemeinschaft versucht, gemeinsam mit Hilfe von außerhalb und dem Vorlegen
von Plänen die Regierung davon zu überzeugen, ihren Wohnraum doch besser
anzupassen, zu urbanisieren, und nicht zu vernichten. Doch ihre Vorschläge finden kein
Gehör.33

Eine andere betroffene Favela ist die Favela „Metro“. Sie befindet sich in der Nähe des
Maracanã-Stadions und soll ebenfalls zwangsgeräumt werden. Die Menschen haben
hier auf einer Mauer entlang einer Straße eine Botschaft für die Augen der Welt
hinterlassen (Abb. 4).34

32
   Vgl. http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/allg_Texte/LN_Dossier9.pdf, 5.04.14, S. 5
33
   Vgl. http://www.dw.de/zwangsumsiedlungen-f%C3%BCr-wm-und-olympia/a-16272434, 6.04.14
34
   http://www.graemegreen.org/Features/tabid/65/articleType/ArticleView/articleId/184/A-Kick-In-The-
Favelas.aspx, 6.04.14

                                                                                                 15
(Abb. 4: roadside wall, Favela Metro, Rio de Janeiro)

Die Mauer zeigt einen kleinen Jungen in brasilianischem Trikot und gequältem,
traurigem Gesicht. Daneben zerstört ein Fußball mit Totenkopfgesicht eine Mauer, aus
der Blut spritzt. In der unteren rechten Ecke sieht man zwei Zeichen, das eine mit einem
Haus, das andere mit einer Familie. Beide sind in rot durchgestrichen und darüber ist zu
lesen: Thanks you Fifa (Danke, Fifa). Über der Szene steht auf portugiesisch
geschrieben: Zerstören unsere Gemeinde für den World Cup. Das Werk drückt sehr
ausdrucksstark aus, was den Menschen angetan wird und wie ignorant das Land mit den
Schwächeren umgeht.

“I used to like the World Cup and support Brazil’s national team, But at the next one, I
won’t be able to.”35 Übersetzt heißt diese Äußerung eines langjährigen Bewohner der
Favela: “Ich habe die WM immer gemocht und das brasilianische Nationalteam
unterstützt, aber bei der nächsten WM werde ich dazu nicht mehr in der Lage sein.”
Dieses Statement zeigt, dass derzeit in Brasilien genau das Gegenteil dessen vorgeht,
was die WM und die Olympiade eigentlich erreichen wollen. Das Verhalten der
Regierung und anderer Mitarbeiter ist menschenunwürdig, vielen Menschen werden
Grundrechte genommen, sie werden abgeschoben als wären sie der Müll, der auf ihren
Straßen liegt. Dies alles entzweit die Gesellschaft des eigenen Landes.

35
  http://www.graemegreen.org/Features/tabid/65/articleType/ArticleView/articleId/184/A-Kick-In-The-
Favelas.aspx, 6.04.14

                                                                                                16
4.3 Hätte es Alternativen gegeben?

Hätte man die Menschenrechtsverletzungen nicht umgehen und trotzdem die
Infrastruktur ausbauen können? Diese Frage stellt man sich automatisch, wenn die
Vorgänge in Brasilien zur Vorbereitung auf die WM und die Olympiade einmal bekannt
sind.

Es ist eine sehr komplexe Frage, auf die es je nach Blickwinkel unterschiedliche
Antworten gibt, weil viele Einflussfaktoren existieren und außerdem die beteiligten
Parteien unterschiedlichen Zielen folgen.

Selbstverständlich hätte es die Möglichkeit gegeben, die Menschenrechtsverletzungen
und Existenzzerstörungen zu umgehen. Wie bereits am Beispiel der Favela Vila
Autódromo angesprochen, gab es Pläne zur Urbanisierung und Sanierung der Favelas.
Die     Regierung     hat   diese    nicht    berücksichtigt.     Denn     hier    kommen       die
Interessenskonflikte ins Spiel. Unter anderem kostet die Umsetzung solcher Pläne Geld,
das die Entscheider mutmaßlich nicht bezahlen wollten.

Natürlich hätte man sich auch – theoretisch – auf weniger Stadien beschränken können,
um das eingesparte Geld dann anders zu investieren. Allerdings kann Brasilien nicht
unabhängig von der Fifa handeln und entscheiden. Es gibt bestimme Vorgaben, an die
sich das Gastgeberland auch halten muss. Und die Anforderungen sind hoch. Die Fifa
ist zudem auch ein Partner, der sich massiven Vorwürfen der Kommerzialisierung des
Fußballs bis hin zu Korruptionsbeschuldigungen ausgesetzt sieht.36
Schnell ist man dann an dem Punkt des Zweifels an dem gesamten System der
Sportgroßereignisse. Sie machen beispielsweise den Fußball zu einem kommerziellen
und materialistischen Produkt, von dem jeder möglichst viel abhaben möchte. Jeder
denkt nur an seinen Gewinn.
Auf der Ebene der konkreten Handlungen gäbe es also Alternativen, die aber
wahrscheinlich durch das Gesamtsystem der Gewinnmaximierung einzelner Gruppen
und durch die zu geringe Unterstützung der Armen sowie dem Fehlen von Unterstützern
mit politischem Einfluss nicht zum Tragen kommen.

36
  Vgl. http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball-wm-2006/nachrichten/fifa-die-geldmaschine-auf-dem-
zuerichberg-1331482.html, Mrusek, K., ; http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/fifa-korruption-
blatter-bekennt-sich-froehlich-zur-mitwisserschaft-11818404.html, Simeoni, E., 7.04.14

                                                                                                17
Schlussteil

In den vorhergehenden Kapiteln wurde sich mit Sportgroßereignissen, dem, was
Brasilien sich von der Fußball-WM 2014 (und der Olympiade 2016) erhofft und dem,
was das Land dafür – im positiver wie negativer Hinsicht - tut, beschäftigt.
Abschließend soll über den Status quo hinaus gegangen werden: Um einen Ausblick
darauf zu geben, was Brasilien langfristig erwarten kann, bietet sich Südafrika als
Beispiel an.

Südafrika hat im Jahre 2010 die Fußballweltmeisterschaft ausgerichtet und ist mit
ebenso vielen Hoffnungen nicht nur auf Wirtschaftswachstum an die Arbeit gegangen.
Durch die WM hat das Land hinsichtlich seines Images zwar einen großen Sprung nach
vorn gemacht, doch in wirtschaftlicher Hinsicht haben sich die Anstrengung für die
Austragung weniger rentiert.

Auch Südafrika war stolz auf seine prächtigen neuen Stadien, doch nun stehen einige
fast leer und verschlingen nur Geld zur Instandhaltung. In Brasilien wird vermutet, dass
es sich so ähnlich abspielen wird. Woher wird man in diesem Fall dann das Geld
nehmen?
In Südafrika wurden auch keine langfristigen, festen Arbeitsplätze geschaffen. Nach
dem kurzen Aufschwung während der WM ist die Zahl der Arbeitslosen nun wieder
genauso hoch wie vorher. Es wurde also folglich weder eine Senkung der Armut noch
einer Reduzierung der Obdachlosenzahlen erreicht. Da auch Brasilien ähnlich große
Probleme mit der Armut hat, könnte es dort langfristig genauso aussehen.
Außerdem wurden durch die Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs auch die
Preise für Fahrkarten erhöht, sodass sich weniger Menschen eine Fahrt leisten können.
Ein weiterer Punkt waren die stetig steigenden Kosten bei den Vorbereitungsarbeiten.
Auch diese Entwicklung kann man in Brasilien beobachten. Je mehr vorher ausgegeben
wird, desto mehr muss auch wieder eingenommen werden, um Gewinn zu erzielen. In
Südafrika kamen aber letztendlich weniger Besucher als kalkuliert: Anstatt der
erwarteten 483.000 Besucher waren es nur circa 373.00037. Ergeht es Brasilien genauso,
werden WM und Olympiade zur Schuldenfalle.38

37
  http://www.touring-afrika.de/afrika-blog/2010/10/04/die-bilanz-der-wm-in-sudafrika/, 6.04.14
38
  Vgl. Abschnitte mit: http://www.touring-afrika.de/afrika-blog/2010/10/04/die-bilanz-der-wm-in-
sudafrika/ ; http://www.t-online.de/sport/fussball/international/id_43162088/wm-2010-in-suedafrika-

                                                                                                 18
Betrachtet man nun diese Folgen in Südafrika, ist es zweifelhaft, ob es sich für Brasilien
zukünftig auch in wirtschaftlicher Hinsicht gelohnt haben wird, solche radikalen
Schritte gegangen zu sein. Das Land erhofft sich eine Menge von den beiden
Sportgroßereignissen und versucht mit aller Kraft, auch all das zu erreichen, was es sich
erhofft. Doch die Zerstörung von Existenzen kann schon nicht durch einen
wirtschaftlichen Erfolg aufgewogen werden. Wenn dieser dann auch noch ausbleibt,
bleiben einige wenige Wochen der Euphorie, die ein Land nur noch näher an einen
sozialen Abgrund bringen.

durchwachsene-bilanz.html ; http://www.kosa.org/documents/11-03erbe_der_wm.pdf, Kramer, K., S
2/3 , 6.04.14

                                                                                                19
LITERATURVERZEICHNIS

1) Blum, E. / Neitzke, P. (Hg.): FavelaMetropolis-Berichte und Projekte aus Rio de
   Janeiro und São Paulo. Birkhäuser 2004.
2) www.amnesty.ch (5.04.2014). „Kritik an ‚Sozialen Säuberungen‘“ In: Amnesty –
   Magazin der Menschenrechte. September 2011.
   http://www.amnesty.ch/de/aktuell/magazin/2011-3/brasilien-kritik-an-sozialen-
   saeuberungen.
3) http://www.niesel.org/gew/ai4.php (29.03.2014)
4) http://latina-press.com/media/2010/01/Favelas.jpg (7.04.2014)
5) http://www.niesel.org/gew/img/rio_favela_3.jpg (7.04.2014)
6) www.br.de (29.03.2014). Demmelhuber, S./Eklkofer, V.: „Die Kindergangster von
   Rio“. In: BR.de. 10.11.2011.
   http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/schulfernsehen/kindergangster-von-
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7) www.trend.infopartisan.net (29.03.2014). Hart, K.: „Favela-Schicksale-
   Kaum Hoffnung auf bessere Zeiten in den Großstadtslums - „Zukunft? So Gott
   will...“. In: trend onlinezeitung.
   http://www.trend.infopartisan.net/trd0403/t360403.html.
8) www.grin.com (30.03.2014). Vincena, F.: Regionalwirtschaftliche Bedeutung eines
   Sportgroßereignisses in der Region Wien. Grin 2005.
   http://www.grin.com/de/e-book/120319/regionalwirtschaftliche-bedeutung-eines-
   sportgrossereignisses-in-der-region.
9) www.vwl.uni-mannheim.de          (30.03.2014).   Gans,   P.:   “Regionalökonomische
   Auswirkungen von Events – mit Beispielen aus der Metropolregion Rhein-Neckar“.
   In: Universität Mannheim.
   http://www.vwl.uni-mannheim.de/rv/RVGans2007.pdf.
10) www.sportministerium.at (30./31.03.2014). Helmenstein, C./Kleissner, A./Moser,
   B.: „Ökonomische Wirkungen von Sportgroßveranstaltungen“. In: Destination
   Salzburg. Juni 2005.
   http://www.sportministerium.at/files/doc/Studien/20050705SalzburgSportsEcon1.pd
   f.
11) www.wm-2014.net (2.04.2014) „WM 2014 Austragungsorte – alle Stadien & das
   Reiseziel Brasilien zur WM 2014“.
   http://www.wm-2014.net/wm-2014-austragungsorte-alle-stadien.
                                                                                    20
12) www.spiegel.de (2.04.2014). Käufer, T.: „WM-Ausrichter Rio de Janeiro:
   Warmlaufen für den Party-Marathon“. In: Spiegel online. 15.06.2013.
   http://www.spiegel.de/reise/staedte/rio-de-janeiro-vorbereitung-fuer-die-fussball-
   wm-a-905789.html.
13) www.s-ge.com (3.04.2014). Matter, M.: “Brasilien - Investitionen für die Fussball-
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   http://www.s-ge.com/sites/default/files/Fussball-WM%202014%20NEXT.pdf.
14) www.epo.de    (4.04.2014).      Boldt,   K.:   „Brasiliens   Regierung   setzt      auf
   ‚Befriedungspolitik‘". In: entwicklungspolitikonline. 2.04.2014.
   http://www.epo.de/index.php?option=com_content&view=article&id=9972:brasilie
   ns-regierung-setzt-auf-qbefriedungspolitikq&catid=106:fifa-wm-
   brasilien&Itemid=100065,http://www.welt.de/politik/ausland/article126380643/Sol
   daten-besetzen-vor-WM-ein-Elendsviertel-von-Rio.html.
15) www.solidar.ch (5.04.2014). „WM Brasilien 2014 – (K)Ein Fest Für Alle“.
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16) www.welt.de (5.04.2014). „Schon wieder zwei Tote auf den WM-Baustellen“. In:
   Die Welt (online). 15.12.2013.
   http://www.welt.de/sport/fussball/wm-2014/article122947758/Schon-wieder-zwei-
   Tote-auf-den-WM-Baustellen.html.
17) www.spiegel.de (5.04.2014). „WM 2014 in Brasilien: Tote bei schwerem Unfall auf
   Stadionbaustelle“. In: Spiegel online. 27.11.2013.
   http://www.spiegel.de/sport/fussball/wm-2014-schwerer-unfall-auf-
   stadionbaustelle-in-sao-paulo-a-936018.html.
18) www.welt.de (5.04.2014). Flörke, S.: „Brasilien baut das absurdeste WM-Stadion
   der Welt“. In: Die Welt (online). 12.06.2013.
   http://www.welt.de/sport/fussball/wm-2014/article116947831/Brasilien-baut-das-
   absurdeste-WM-Stadion-der-Welt.html.
19) www.graemegreen.org (5/6.04.2014). Green, G.: „ A Kick In The Favelas”.
   25.04.2012.
   http://www.graemegreen.org/Features/tabid/65/articleType/ArticleView/articleId/18
   4/A-Kick-In-The-Favelas.aspx.
20) www.rosalux.de (5.04.2014). “Im Schatten Der Spiele“. In: Lateinamerika
   Nachrichten. September/ Oktober 2013.
   http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/allg_Texte/LN_Dossier9.pdf.

                                                                                        21
21) www.spiegel.de (5.04.2014). Kremp, M.: „Polizeieinsatz in den Favelas: Rio räumt
   auf für Olympia“. In: Spiegel online. 6.12.2009.
   http://www.spiegel.de/reise/aktuell/polizeieinsatz-in-den-favelas-rio-raeumt-auf-
   fuer-olympia-a-665453.html.
22) www.faz.net (5.04.2014). Käufer, T.: „Umsiedlungen für WM und Olympia“. In:
   Frankfurter Allgemeine (online). 21.01.2014.
   http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/brasilien-umsiedlungen-fuer-wm-und-
   olympia-12762804.html.
23) www.dw.de (5/ 6.04.2014). Frey, L.: „ Zwangsumsiedlungen für WM und
   Olympia“. In: DW.de. 28.09.2012.
   http://www.dw.de/zwangsumsiedlungen-f%C3%BCr-wm-und-olympia/a-
   16272434-1.
24) www.faz.net (7.04.2014). Mrusek, K.: „Die Geldmaschine auf dem Zürichberg“. In:
   Frankfurter Allgemeine (online). 17.06.2006.
   http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball-wm-2006/nachrichten/fifa-die-
   geldmaschine-auf-dem-zuerichberg-1331482.html.
25) www.faz.net (7.04.2014). Simeoni, E.: „Blatter bekennt sich fröhlich zur
   Mitwisserschaft“. In: Frankfurter Allgemeine (online). 12.07.2012.
   http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/fifa-korruption-blatter-bekennt-sich-
   froehlich-zur-mitwisserschaft-11818404.html.
26) www.touring-afrika.de (6.04.2014). „Die Bilanz der WM in Südafrika“. 4.10.2010
   http://www.touring-afrika.de/afrika-blog/2010/10/04/die-bilanz-der-wm-in-
   sudafrika/.
27) www.t-online.de (6.04.2014). „100 Tage nach WM: Stolz, Lasten und ein wenig
   Kater“. In: T online. 18.10.2010.
   http://www.t-online.de/sport/fussball/international/id_43162088/wm-2010-in-
   suedafrika-durchwachsene-bilanz.html.
28) www.kosa.org (6.04.2014). Kramer, K.: „Das Erbe der WM 2010 in Südafrika: eine
   erste Bilanz nach Abpfiff“. In: Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika. November
   2010.
   http://www.kosa.org/documents/11-03erbe_der_wm.pdf.

                                                                                       22
ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1: Favela an einem Hang………………………………………………………………4

2: Beispiel einer Favela………………………………………………………………..5

3: Klassifizierung der Wirkung von Sportgroßveranstaltungen……………………….8

4: roadside wall, Favela Metro, Rio de Janeiro……………………………………….16

                                                                     23
ERKLÄRUNG

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe
verfasst und keine anderen als die im Quellenverzeichnis angegebenen Hilfsmittel
verwendet habe. Insbesondere erkläre ich, dass ich alle wörtlichen und sinngemäßen
Übernahmen aus anderen Werken in jedem einzelnen Fall als solche kenntlich gemacht
habe.

        _________________________                       _________________________

                  Datum                                          Unterschrift

                                                                                     24
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