JENSEITS DER MACHT PRIVATER ARBEITGEBER 2 / 2023
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STANDPUNKTE 2 / 2023 MAYA JOHN JENSEITS DER MACHT PRIVATER ARBEITGEBER FÜR EINE KOMMUN ALISIERUNG VON ENTLOHNTER HAUSARBEIT Mit einer Kommunalisierung von entlohnter Hausarbeit folgt von Afrika an dritter Stelle. In der Europäischen Union könnten die prekären und individualisierten Bedingungen, (EU), auf die ein vergleichsweise geringer Anteil aller welt- unter denen sie in der Regel erbracht wird, verändert wer- weit tätigen Haushaltsangestellten entfällt, arbeiten mehre- den. Über den derzeitigen Rechtsrahmen hinaus ist eine re Hunderttausende mit einem Migrationshintergrund – auf- Formalisierung der Hausarbeit nur dann möglich, wenn ei- grund diskriminierender Regelungen für die Erteilung von ne staatliche Einrichtung zum zentralen Arbeitgeber wird. Arbeitserlaubnissen häufig «unangemeldet». Die steigen- Durch die Kommunalisierung der Hausarbeit würde diese zu de Nachfrage nach Hausangestellten in weiten Teilen Euro- einem Gemeingut und die Hausangestellten würden zu An- pas ist auf die sich zuspitzende Care-Krise zurückzuführen. gestellten des öffentlichen Diensts. Dies käme nicht nur den Dies, zusammen mit der zunehmenden Informalisierung des Hausangestellten zugute, sondern auch den meisten Haus- Sektors, zieht eine beispielslose Zahl von Migrantinnen aus halten und Familien, die diese Dienste in Anspruch nehmen. Asien, Afrika und zunehmend auch aus Osteuropa an, die in Die Kosten für die Kommunalisierung der Hausarbeit würden die EU-Staaten kommen, um mit Hausarbeit ein Einkommen kollektiv über Gemeindesteuern getragen werden. Die Vor- zu erzielen. aussetzungen für ein solches Vorhaben sind gerade güns- Die insgesamt große quantitative Bedeutung diese Wirt- tig, da sich in einigen europäischen Ländern und in Teilen schaftssektors auf globaler Ebene und die spezifischen Ar- Lateinamerikas in den letzten Jahren ein Trend zur Rekom- beitsbedingungen rechtfertigen eine genaue Untersuchung munalisierung bestimmter Dienstleistungen und öffentlicher der Probleme, die diese Branche kennzeichnen, insbeson- Versorgungseinrichtungen abzeichnet. In den Ländern, in dere des stark personalisierten Arbeitgeber-Arbeitnehmer- denen die Kommunen jetzt schon für das Gros der sozialen Verhältnisses. Trotz der Verhandlungen im Rahmen der ILO, und infrastrukturellen Versorgung der eher mittellosen Be- die im Übereinkommen (Nr. 189) für Hausangestellte (2011) völkerung zuständig sind, könnte Hilfe bei der Hausarbeit di- mündeten, gehören zu den besonderen Merkmalen dieses ROSA LUXEMBURG STIFTUNG rekt als kommunale Dienstleistung angeboten werden. Sektors neben dem stark privaten Charakter der Arbeitsver- hältnisse weiterhin die Feminisierung dieser Art von Lohnar- EINLEITUNG beit, eine Konzentration von Frauen, die besonders ausbeu- Der Arbeitsplatz von Hausangestellten unterscheidet sich tungsgefährdet sind, sowie eine fehlende Wertschätzung von anderen Arbeitsplätzen, über die aufgrund ihrer Präsenz der geleisteten Arbeit, die unter anderem in Form von un- im öffentlichen Leben relativ viel bekannt ist. Er ist atypisch, bezahlten Überstunden sowie niedrigen und stagnierenden weil es sich dabei um das Zuhause anderer Menschen han- Löhnen zum Ausdruck kommt. Das Übereinkommen 189 delt, um einen sehr privaten Bereich. Aus der Sicht der Ar- verlangt Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen, beitsmarktforschung ist dieser atypische Arbeitsplatz wie wirksame Beschwerdemechanismen und die Einhaltung eine Art schwarzes Loch, in dem die Beschäftigten ver- von Rechts- und Kontrollvorschriften etc. Paradoxerweise schwinden und aus dem so gut wie keine Informationen hat man sich just zu einem Zeitpunkt auf diese Ausstattung nach außen dringen. von privaten Hausangestellten mit mehr Rechten geeinigt, Nichtsdestotrotz verweisen die Daten, die uns vorliegen, an dem sich der Staat bereits vielerorts aus der Regulierung auf einige eindeutige Trends. Einem Bericht der Internatio- von Arbeitsbeziehungen zurückgezogen hat, selbst im soge- nalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahr 2021 zufolge nannten formellen Sektor. Angesichts dieser Tatsache und ist die Mehrheit der Hausangestellten weltweit in zwei Re- der wachsenden Zahl von Hausangestellten ist es notwen- gionen beschäftigt: etwa die Hälfte (50,6 %) in Asien und dig, die traditionell für diesen Bereich der bezahlten Arbeit im pazifischen Raum und ein Viertel in den Amerikas, ge- vorgesehenen Interventionen kritisch zu überdenken.
Ich behaupte, dass die hochgradig personalisierte Natur Darüber hinaus hat sich der immer lauter werdende Ruf dieses Arbeitsverhältnisses durch eine Übertragung in die nach einer speziellen Gesetzgebung für Hausangestellte als Verantwortung der Kommunen aufgehoben werden könn- Sackgasse erwiesen. In den südasiatischen Ländern, die te. Eine stärkere Vergesellschaftung und Formalisierung von nach und nach eine solche Gesetzgebung eingeführt haben, Hausarbeit kann nur mithilfe eines Paradigmenwechsels ge- beschränken sich die Regierungen auf Fragen der Weiterbil- lingen: Der Staat muss in diese Arbeitsverhältnisse unmit- dung und der Sozialversicherung. Zentrale Änderungen, die telbar eingreifen und damit deren Funktionsweise grund- die Grundlagen des Arbeitsvertrags und die Art der Arbeit legend verändern. Ausgehend von einigen historischen betreffen, das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung Erfahrungen und einer kritischen Auseinandersetzung mit gewährleisten und eine aktive Regulierung der Arbeitsver- den lokalen Realitäten werden in diesem Text Maßnahmen träge durch den Staat garantieren, wurden nicht in Angriff für eine stärkere Vergesellschaftung der (bezahlten) Hausar- genommen. beit durch den Staat beschrieben. Von solchen Maßnahmen Vor dem Hintergrund des schwachen Organisationsgrads würde alle Hausangestellten sowie alle Klassen von Haushal- von Hausangestellten und des Umstands, dass mit dem ten profitieren, nicht nur wenige Bessergestellte. steten Zustrom neuer (migrantischer) Arbeitskräfte Kollek- tivverhandlungen unterlaufen werden, birgt die bestehen- LÜCKEN IN DER AKTUELLEN GESETZGEBUNG de Sozialgesetzgebung für Hausangestellte die Gefahr, In 108 Ländern, die die ILO im Jahr 2021 untersuchte, sind dass die Durchsetzung ihrer Rechte weitgehend dem Staat 88 Prozent aller Hausangestellten – Berichten zufolge mit überlassen bleibt. Was aber, wenn der Staat sich passiv ver- aufsteigender Tendenz – zumindest teilweise vom allgemei- hält und/oder reaktionär ist, was, wenn die Beschäftigten nen nationalen Arbeitsrecht sowie von weiteren Arbeitsge- weitgehend unorganisiert sind und nicht in der Lage, ihre setzen und untergeordneten Bestimmungen erfasst. Das ist Rechtsansprüche geltend zu machen oder wahrzunehmen? jedoch kein Indikator dafür, wie weitreichend sie geschützt Und selbst dort, wo Hausangestellte organisiert sind, darf sind. Es gibt Länder, in denen Hausangestellte nicht als nicht übersehen werden, dass diese Organisierung meist lü- «Arbeitnehmer*innen» anerkannt sind. Von daher gelten für ckenhaft ist und ihre Geschichte äußerst wechselhaft. Da- sie auch mehrere wichtige Arbeitsgesetze nicht, etwa solche her wäre es falsch, sich auf den existierenden wohlfahrts- zu gewerkschaftlicher Organisierung, zur Streitschlichtung, staatlichen Regelungen auszuruhen, denn diese machen zum Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung, zu Lohnfort- die Beschäftigten tendenziell zu Leistungsempfängern und zahlungen, Entschädigungen, Mutterschaftsurlaub etc. Das stärken sie nicht in ihrer Rolle als Rechtssubjekt. In der Tat heißt, die meisten Personen, die in Privathaushalten beschäf- passt diese Form von sozialstaatlichen Maßnahmen gut zu tigt sind – und das sind vorwiegend mittellose Migrantinnen, dem um sich greifenden Deregulierungsparadigma. Anstatt rassistisch diskriminierte Menschen sowie Angehörige vul- die Bereitschaft der Arbeiter*innen zu stärken, für besseren nerabler Minderheiten und stigmatisierter Kasten – sind an Schutz und Arbeitsbedingungen zu kämpfen, wird die staat- ihrem Arbeitsplatz verhältnismäßig schutz- und rechtlos. liche Regulierung vor allem dazu genutzt, die Interessenver- Selbst wenn einige Gesetze von den Regierungen geän- tretung von Beschäftigten einzuschränken und zu krimina- dert werden, betrifft das meist nicht alle wichtigen Bereiche, lisieren. sodass das arbeitsrechtliche Regelwerk in mehreren Ländern sehr inkohärent ist und den in Privathaushalten Beschäftig- AKTUELLE INITIATIVEN UND DEREN GRENZEN ten nur wenig nützt. Nehmen wir zum Beispiel den Fall der Was es braucht, ist ein Konzept der Intervention, das alle As- sogenannten Live-in-Hausangestellten. Da der Wohnsitz von pekte und Vorgänge abdeckt, die mit entlohnter Hausarbeit vielen Hausangestellten mit dem ihres Arbeitgebers iden- verbunden sind: den Anwerbungsprozess, Migration und tisch ist und es sich dabei um einen privaten Bereich handelt, Aufenthaltssicherung, Auftragsvergabe, Lohnzahlung etc. ist die Regelung der Arbeitszeiten äußerst schwierig, was zu Dies würde zum einen ein gründliches Überdenken der Ein- einer Situation führt, die der Sklaverei ähnelt. Während der wanderungspolitik in Ländern erfordern, die eine große Zahl «Arbeitnehmerstatus» auf einer quantifizierbaren Arbeitszeit von in Privathaushalten arbeitenden Migrant*innen aufneh- beruht, bleiben Vollzeit-Live-in-«Haushaltshilfen» an infor- men, aber auch einen Wandel in der Politik der Entsende- melle Arrangements mit ihren Arbeitgebern gefesselt. Denn länder. Beide sind Glieder langer globaler Betreuungsketten. solche Vereinbarungen sind nahezu unmöglich zu regulieren Noch wichtiger sind jedoch konkrete Schritte, die die voll- und die in ihrem Rahmen geleistete Arbeit ist äußerst schwer ständige Umgestaltung des Arbeitsprozesses erleichtern, zu quantifizieren. Mehrere Studien, darunter auch neuere indem sie den Staat zum vertragsschließenden Arbeitgeber der ILO, zeigen, dass Live-in-Hausangestellte skandalös lan- machen. ge Wochenarbeitszeiten haben, und das in lateinamerikani- Dies würde den Hausangestellten die überaus mühseligen schen Ländern, in denen Hausangestellte relativ gut organi- Verhandlungen ersparen, die sie häufig mit mehreren Arbeit- siert sind. gebern gleichzeitig führen müssen und die in einer Art von Diese Probleme gelten auch für viele südasiatische Länder, Privatsphäre stattfinden, die von den Arbeitgebern dominiert in denen Familie häufig Jugendliche oder gar Kinder aus länd- wird. In dem Moment, in dem der Staat zum zentralen Ar- lichen Gegenden zu sich holen, damit diese mit ihnen leben beitgeber wird, wird es einfacher für die Hausangestellten, und für sie arbeiten, mit der Begründung, dass sie sich im Ge- ihre Rechte als Beschäftigte wahrzunehmen. Zum einen ha- genzug um sie «kümmern» und ihnen eine «Ausbildung» er- ben sie es nur mit einer einzigen Instanz zu tun, zum anderen möglichen. Die Schwierigkeit, die Arbeitszeiten zu regulieren ist ein solches Arbeitsverhältnis durch die Logik des öffent und zu kontrollieren, trifft auch auf Au-pairs zu, also auf junge lichen Dienstes geprägt, obwohl der konkrete Arbeitsplatz Menschen, die ein Visum für ein Land erhalten, um dort eine eine Privatwohnung ist. Sprache zu lernen und als Gegenleistung für die Erfahrung In welchem Verhältnis steht ein solcher Vorschlag zur des «kulturellen Austauschs» bei einer Familie arbeiten. grundlegenden Umgestaltung des Arbeitsprozesses zu ak- 2
tuellen Praktiken und politischen Überlegungen, etwa Gut- ARBEITSWELTEN IM WANDEL UND scheinmodellen1 oder Steuerermäßigungen für Personen HAUSARBEIT HEUTE oder Familien, die Hausangestellte und/oder Pflegekräfte Die Geschichte der öffentlichen bzw. staatlichen Regulierung beschäftigen? Dort, wo Regierungen solche Maßnahmen von Arbeitsbeziehungen zeigt deutlich, wie durch die Nicht- ergriffen haben, waren die Erfolge sehr bescheiden. Dies beachtung der Arbeitsverhältnisse in Privathaushalten sich liegt daran, dass hier erst am Ende des Prozesses eingegrif- der individualisierte und informelle Charakter einer ansonsten fen wird, also erst dann, wenn es um die Entlohnung bzw. sehr konkreten Ausbeutungsform von Arbeit verstärkt hat. die Subventionierung der Löhne geht. Es ist aber notwendig, Dabei sollte nicht vergessen werden, dass in früheren Zeiten sich auch auf den Beginn des Arbeitsprozesses zu konzen- alle Arbeitsbeziehungen als privat angesehen wurden, als et- trieren, darauf etwa, wie Arbeitsplätze verteilt werden, und was, das sich auf die häusliche Sphäre oder den Hof bezog. auf die nachfolgenden Phasen und Aspekte, die auch sehr Das Zusammentreffen einer großen Zahl von Arbeiter*innen wichtig sind: zum Beispiel die Verlängerung bzw. Neuver- an entscheidenden Punkten der kapitalistischen Wertschöp- handlung von Arbeitsverträgen, Fragen der Arbeitsaufsicht, fungskette und ihre sichtbare kollektive Mobilisierung gegen die Beilegung von Streitigkeiten etc. Im begrenzten Umfang ausbeuterische Arbeitsverhältnisse an neuen Arbeitsstätten tragen bereits existierende Formen der Korporatisierung von wie den Fabriken haben diese Perspektive jedoch verändert: Hausarbeit, etwa von staatlicher Seite anerkannte und Haus- Seitdem gelten Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen wirtschafts- oder Dienstleistungsunternehmen, zu einer Ent- nicht länger als Privatsache oder werden dem Bereich des personalisierung der Hausarbeit bei. Allerdings bleiben die Häuslichen zugeordnet, sondern stehen für den öffentlichen Angebote privater Agenturen und Firmen jenen vorbehalten, Bereich der gesellschaftlichen Verhältnisse. die sich deren hohen Preise leisten können. Einkommens- Im Gegensatz zu Erwerbstätigen mit gesetzlich geregelten schwache Haushalte haben nichts davon. Außerdem gilt: Arbeitsverhältnissen sind zahlreiche informell Beschäftigte, Solange private Unternehmen mit ihrer Tätigkeit Gewinne darunter auch Hausangestellte, nach wie vor verschiedenen erzielen müssen und im Wettbewerb mit anderen stehen, vertraglichen Verpflichtungen – in der Regel in der Form von sind die Anreize, gegen Arbeitsvorschriften zu verstoßen mündlichen Absprachen – unterworfen, die sehr zu ihrem und zum Beispiel «undokumentierte» Arbeitsmigrantinnen Nachteil sind. Der überwiegend persönliche, familiäre Cha- zu schlechteren Bedingungen zu beschäftigen, groß. In An- rakter des Arbeitsplatzes von Hausangestellten gilt in vielen betracht dessen bieten die bereits vereinzelt zum Einsatz ge- Teilen der Welt als ideologische Rechtfertigung für die Nicht- kommenen Instrumente (Gutscheinsystem, Steuervergüns- regulierung dieses Sektors durch die öffentliche Hand (den tigungen etc.) nur wenig Aussicht auf Besserung. So ist es Staat). Hier gibt es einen seltsamen Stillstand trotz des allge- beispielsweise nicht gelungen, mit ihnen die Ausbreitung meinen Trends im 19. und 20. Jahrhundert hin zur (Re-)Kom- von informellen und besondere Ausbeutung ermöglichen- munalisierung diverser Leistungsbereiche wie die Wasser- den Arbeitsvereinbarungen zwischen einzelnen Haushalten versorgung, Müllabfuhr, Straßenreinigung etc., worauf wir und Hausangestellten (häufig Migrantinnen ohne Papiere) später noch einmal zurückkommen werden. einzudämmen. Mit anderen Worten: Das Lohnarbeitsverhältnis von Haus- In vielen Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen angestellten wird als Privatangelegenheit zwischen zwei Par- beobachten wir eine rasche Zunahme der Anzahl digitaler teien betrachtet, womit die konkreten bürgerlichen Vertrags- Plattformunternehmen, die Haus- und Pflegedienste zu nied- prinzipien, die diesem Arbeitsverhältnis zugrunde liegen, rigeren Preisen vermitteln. Hausangestellte, die über solche in den Hintergrund treten. Das erleichtert dem Staat, wie in digitalen Plattformen ihre Arbeitskraft anbieten, werden oft vielen Teilen der Welt zu beobachten ist, Hausangestellten ih- als Selbstständige eingestuft, weswegen sie, selbst wenn ih- ren Status als Rechtssubjekt abzusprechen. Im Ergebnis fin- re Arbeit überwacht wird und sie in einem Abhängigkeits- den sich in den für diesen Beschäftigungszweig geltenden verhältnis stehen, in der Regel von bestimmten Arbeitsrech- Rechtsvorschriften etliche Ungereimtheiten oder kommt es ten und sozialer Absicherung ausgeschlossen bleiben. Den vielerorts zu keiner konsequenten Anwendung von Gesetzen, größten Nutzen von solchen Arrangements haben neben die die Rechte von Hausangestellten eigentlich stärken sollen. den Unternehmen die Haushalte mit Unterstützungsbedarf, Wir sehen zudem, wie dort, wo es kaum staatliche Regu- die von dem einfachen Zugang zu relativ preiswerten Dienst- lierungen gibt, eine Standardisierung der Löhne und Arbeits- leistungen von flexiblen Beschäftigten profitieren. bedingungen von Hausangestellten kaum möglich ist und Daher sollten wir uns für neue Formen der öffentlichen Be- eine wirksame gewerkschaftliche Organisierung erschwert reitstellung von Arbeitskraft und Dienstleistungen einsetzen wird. Weiterhin haben die Arbeitgeber das Sagen und üben (oder alte Formen wiederbeleben), die für verschiedene Ar- eine weitreichende Macht über die von ihnen in ihrem Haus ten der sozialen Reproduktion erforderlich sind. Im Falle der oder ihrer Wohnung Beschäftigten aus. Sie maßen sich an, Hausarbeit könnten wir mit solch einem Ansatz zwei Fliegen Ankläger und Richter in einer Person zu sein, bestrafen ver- mit einer Klappe schlagen: Erstens würde es befreiend für meintlichen Diebstahl, «Ungehorsam» etc. mit Lohnabzug die Hausangestellten sein, wenn der personalisierte, infor- und anderen Repressalien – eine Praxis, die von ihrem Wohl- melle Charakter ihres Arbeitsverhältnisses dadurch aufgeho- wollen Abhängigen in eine sehr prekäre Lage bringt. Diese ben wird, dass der Haushalt, in dem sie tätig sind, in Zukunft ist bei Vollzeit-Live-ins besonders ausgeprägt, da ihr gesam- nicht länger gleichzeitig ihr Arbeitgeber ist. Und zweitens tes Leben und ihr Zugang zum öffentlichen Leben von ihren würde damit der herrschenden geschlechtsspezifischen Arbeitgebern bestimmt wird. Die Macht der privaten Arbeit- Arbeitsteilung entgegengewirkt (ungleiche Verteilung von geber, insbesondere in Gated Communities, zeigt sich nicht Hausarbeit und Betreuungsaufgaben innerhalb der Familien) nur in stagnierenden Löhnen, sondern auch in der Existenz und vor allem denjenigen Frauen und Kindern geholfen, die von «Verhörräumen», separaten Dienstaufzügen, rechtswid- in einkommensschwachen Haushalten leben und bislang die rigem Einsperren und in der Ausübung zügelloser körper 3 Hauptlast der Hausarbeit zu tragen haben. licher und verbaler Gewalt.
Diese Nabelschnur, die Hausangestellte über Privatperso- Trends der Rekommunalisierung sind auch in Teilen Latein- nen als Arbeitgeber mit ihrer Lohnarbeit verbindet, gehört amerikas zu beobachten. In mehreren Ländern, in denen ein durchtrennt. Oder einfacher ausgedrückt: Es bedarf einer großer Teil der Bevölkerung unter extremer Armut leidet und veränderten Arbeitsbeziehung durch den Wechsel des zen- das Privatkapital Investitionen in bestimmte Bereiche für un- tralen Arbeitgebers. Die Notwendigkeit dieser Veränderung rentabel hält, erbringen die Kommunen weiterhin öffentliche liegt auf der Hand, denn solange einzelne Personen/Haushal- Dienstleistungen. te oder private Vermittlungsagenturen diejenigen sind, die Dieses Comeback hat sich auf zweierlei Weise vollzogen. den Lohn auszahlen, werden diese aufgrund des damit ver- Zum einen werden kommunale Unternehmen neu gegrün- bundenen Macht- und Dominanzverhältnisses weiterhin die det oder ausgebaut, zum Beispiel durch den Zusammen- Arbeitsbedingungen und das Lohnniveau diktieren. Dabei schluss mehrerer Kommunen. Zum anderen haben Städte reicht eine staatliche Kontrolle von in diesem Sektor tätigen und Gemeinden Einrichtungen und Dienstleistungen rekom- Vermittlungsagenturen oder Unternehmen nicht aus, solan- munalisiert, indem sie Anteile zurückerwerben, die zuvor an ge der Staat auf eine aktive Regulierung des eigentlichen Ar- private Unternehmen verkauft wurden, oder indem sie Auf- beitsverhältnisses zwischen den Hausangestellten und de- träge für zuvor ausgelagerte Dienstleistungen nach dem ren (Haupt-)Arbeitgeber, das heißt den sie beschäftigenden Auslaufen der jeweiligen Konzessionsverträge neu verge- Haushalten, verzichtet. Die Lösung besteht darin, Hausan- ben. An diese Rekommunalisierungswelle können wir an- gestellte zu Angestellten von Stadt- oder Kommunalverwal- knüpfen, wenn wir uns für die Stärkung der Rolle des Staates tungen zu machen. Alles andere läuft auf lediglich punktuelle im Bereich der entlohnten Hausarbeit einsetzen. Interventionen und paternalistische staatliche Maßnahmen Die Frage ist: Was wäre, wenn der Staat private Akteure hinaus. Die Behörden würden nur dann einschreiten und ersetzen und selbst die Rolle des Anwerbers von Arbeitskräf- kontrollieren, wenn sie es selbst für angebracht halten. ten einnehmen würde, wenn Behörden für die Koordinierung der Einsätze von Haushaltsangestellten verantwortlich wä- DER AUSWEG: KOMMUNALISIERUNG ren, deren Löhne auszahlen und somit als deren Hauptarbeit- Anstatt die in Privathaushalten Beschäftigten gegen die geber fungieren würden? Wir sollten tatsächlich anfangen, enorme Macht eines privaten Arbeitgebers oder gar gegen uns ernsthafter damit zu beschäftigen, was die Kommuna- eine Vielzahl von privaten Arbeitgebern in Stellung zu brin- lisierung eines Großteils der Hausarbeit in unserer Gesell- gen, eröffnet sich mit der vorgeschlagenen Kommunalisie- schaft bewirken und möglicherweise langfristig erleichtern rung die Option, vereinter und gezielter für standardisierte könnte. Arbeitsnormen zu kämpfen. Wenn entlohnte Hausarbeit Wir gehen davon aus, dass die Kommunen in einer Über- zu einer öffentlichen (kommunal oder staatlich) geregelten gangsphase die Hausarbeit kommunalisieren könnten, in- Dienstleistung und Arbeit wird, bietet dies vielfältige Mög- dem sie in großem Umfang Arbeitsagenturen einrichten, lichkeiten, die ausgelotet werden sollten. die Hausangestellte je nach ihren erworbenen Fähigkeiten Überall auf der Welt finden sich Präzedenzfälle und Bei- und dem Bedarf an Privathaushalte vermitteln und sich um spiele für die Kommunalisierung von Aufgabenbereichen die Lohnfindung kümmern. In einem solchen Format oder und Versorgungseinrichtungen, die zum Teil mit stigma- frühen Phase der Kommunalisierung würden die privaten tisierten Tätigkeiten einhergehen, darunter die Abfallwirt- Haushalte weiterhin den größten Teil des Lohns für die Haus- schaft, oder die von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse angestellten zahlen, aber nicht direkt an die Beschäftigten, sind wie die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, sondern an die kommunalen Agenturen. der öffentliche Nahverkehr, Kinderbetreuung, Altenpflege, In einer fortgeschrittenen Phase der Kommunalisierung Assistenz für Menschen mit Behinderung etc. Es sind diese würde die kommunale Verwaltung selbstverständlich ei- Formen der kommunalen Kontrolle und Verwaltung, insbe- ne Steuer erheben, um damit die Kosten für die Aufnah- sondere mittels eigener Betriebe und Beschäftigter, die für me von vielen Hausangestellten in den öffentlichen Dienst unser Anliegen besonders relevant sind. finanzieren zu können. Diese Gemeindesteuer wäre am In den 1930er- und 1940er-Jahren setzte sich in den eu- besten zu ergänzen durch eine Zusatzgebühr, die wohlha- ropäischen Ländern, in denen sich ein sozialdemokratischer bende Haushalte zu entrichten hätten und die für einen Teil Wohlfahrtsstaat oder ein sozialistisches System herausgebil- des Gehalts der kommunalen Hausangestellten verwendet det hatte, die Auffassung durch, der öffentliche Dienst bzw. werden könnte. Mit diesen Zusatzeinnahmen wäre es für ei- staatliche oder kommunale Verwaltungen und ihr Personal ne Stadt oder Gemeinde viel einfacher, diese Arbeitskräfte seien am besten geeignet, Dienstleistungen im Interesse des wie ihre eigenen Angestellten zu bezahlen. Die Gemeinden Gemeinwohls zu erbringen. Dementsprechend wurden per- würden ein System zur Kontrolle und Beilegung von Strei- sonenbezogene soziale Dienstleistungen und viele weitere tigkeiten sowie Gremien einrichten, die sich zu gleichen Tei- öffentliche Versorgungsleistungen direkt von den lokalen len aus Vertreter*innen des Staates, der Privathaushalte und Behörden und ihrem Personal erbracht, während in diesem der Hausangestellten zusammensetzen und die Löhne und Bereich tätige gemeinnützige und wohltätige Organisatio- Sozialleistungen regelmäßig überprüfen sollen. Auf diese nen zunehmend verdrängt wurden. Wie wir jedoch wissen, Weise würde die Kommune zum Hauptarbeitgeber werden gab es Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre mit und gleichzeitig sicherstellen, dass auch ärmere Haushal- dem Vormarsch neoliberaler Überzeugungen eine Umkehr te Zugang zu qualitativ hochwertigen Haushalts- und Pfle- dieses Trends. gedienstleistungen haben. Wirtschaftlich schwache Haus- Mitte der 2000er-Jahre führte die Unzufriedenheit mit pri- halte, die Mühe haben, die Pflege ihrer kranken und alten vaten Dienstleistern trotz der anhaltenden, nicht zuletzt von Angehörigen selbst zu organisieren und/oder mittellose der EU forcierten Marktliberalisierung in etlichen Ländern zu Schwangere, die Hilfe bei der Hausarbeit benötigen, wä- einem Comeback öffentlicher/kommunaler Einrichtungen ren somit de facto die größten Nutznießer*innen einer sol- und Betriebe, etwa im Energie- und Wassersektor. Solche chen Kommunalisierung, die darauf abzielt, auch weitere 4
persönliche Dienstleistungen zu einem öffentlichen Gut zu ren macht und deutlich über die bestehenden lückenhaften machen. sozialstaatlichen Absicherungen und Arbeitsschutzgesetze Mit der Überführung von Hausangestellten in die Zustän- hinausweist. Denn diese sind, wie wir gesehen haben, nicht digkeit des Staates würde entlohnte Hausarbeit zu einer öf- in der Lage ist, den hochgradig individualisierten Arbeitge- fentlichen Leistung bzw. Aufgabe werden, was das Arbeitge- ber-Arbeitnehmer-Verhältnissen von Hausangestellten wir- ber-Arbeitnehmer-Verhältnis in dieser wachsenden Branche kungsvoll etwas entgegenzusetzen. Es liegt auf der Hand, grundlegend transformieren würde. Von einer Verlagerung dass bei dem Versuch der Formalisierung der Hausarbeit und der Verantwortung für ihre Arbeitsbedingungen auf die öf- ihrer stärkeren Vergesellschaftung der Fokus auf der Verän- fentliche Hand würden Hausangestellte enorm profitieren. derung des personalisierten Charakters dieser Arbeit und Damit gäbe es für sie die Aussicht, sich endlich aus ihrer des entsprechenden Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis- äußerst prekären Lage befreien zu können, die eng mit der ses liegen und die enorme Macht der privaten Arbeitgeber in Abdrängung ihres Arbeitsverhältnisses in die Privatsphä- diesem Bereich gebrochen werden muss. Um diesen Teil der re verbunden ist. Zudem müssten sie nicht länger mit einer Arbeitswelt regulieren zu können, muss letztlich der Staat als Vielzahl von Arbeitgebern gleichzeitig verhandeln, wie es bei Hauptarbeitgeber einspringen. Wenn wir wirklich wollen, einer großen Anzahl von teilzeitbeschäftigten Hausange- dass sich am Status von Hausangestellten etwas Entschei- stellten in Lateinamerika, Asien, Afrika und der Pazifikregion dendes ändert, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns für der Fall ist. die grundlegende Neustrukturierung ihrer Arbeitsbeziehun- Entscheidend ist, dass kommunale Einrichtungen (öffent- gen einzusetzen. liche Vermittlungsagenturen, sogenannte Lohnausschüsse Bis es zu einer umfassenden Vergesellschaftung von Auf- etc.) Hausangestellten wesentlich mehr Raum für die ge- gaben der sozialen Reproduktion kommt und Hausarbeit aus werkschaftliche Organisierung und die Durchsetzung ihrer der Isolation der Privatsphäre in den Bereich der öffentlichen kollektiven Interessen bieten können. Dies ist die Vorausset- vergesellschafteten Arbeit überführt werden kann, steht als zung dafür, dass umfassende Arbeitsschutz- und Sozialstan- Zwischenschritt ihre Kommunalisierung an. Die Zeichen da- dards in diesem Sektor nicht länger ein unerfüllbarer Traum für stehen gut und wir können viel mit einer solchen Forde- bleiben. Ein weiterer Vorteil wäre: Die von den Kommunen rung gewinnen. Gerade in den zurückliegenden Jahren gab in den verschiedenen Stadtteilen beschäftigten Hausange- es einen verstärkten Trend hin zur Rekommunalisierung von stellten könnten als Einzelperson oder als Teil von Kollektiven privatisierten Versorgungseinrichtungen und Dienstleistun- Augen und Ohren offenhalten und wichtige Informationen gen, an den sich hier anknüpfen lässt. Das Allerwichtigste für die Stadtverwaltung zusammentragen und weiterleiten: scheint mir jedoch, die Frage, wie Hausarbeit anders orga- etwa zu weiterhin bestehenden Einzelarbeitsverträgen, nicht nisiert werden kann, zu einem Thema zu machen, das nicht angemeldeten (neuen) Hausangestellten auf der Suche nach nur die Hausangestellten, sondern die gesamte Gesellschaft Arbeit, Fällen von Überausbeutung und Missbrauch sowie etwas angeht. auf Abwegen geratenen kommunalen Hausangestellten. Die Kommunalisierung der Hausarbeit ist ein entschei- Maya John ist Historikerin und lehrt an der Universität von Delhi. dender Schritt, um den Staat in diesem Bereich der sozia- Sie hat zum Verhältnis zwischen Kaste, Geschlecht und Arbeits- len Reproduktion eine klare Aufgabe und Rolle zuzuweisen, markt, zur Entwicklung des Arbeitsrechts in Indien, zu geschlechts aber sie stellt tendenziell auch eine Aufwertung der Ansprü- spezifischen Gesetzen am Arbeitsplatz und Protesten gegen che von Frauen an den Staat dar. Während Frauen aus der Vergewaltigungen in Indien geforscht und veröffentlicht. In ihrer Oberschicht einen Großteil der anfallenden Hausarbeit an jüngsten Arbeit befasst sie sich mit politischen Maßnahmen in Angestellte delegieren und damit einigen negativen Aus- der Corona-Pandemie. John arbeitet mit Gewerkschaften von wirkungen der patriarchalen Aufteilung zwischen privat Hausangestellten, Krankenpfleger*innen, Müllwerker*innen und und öffentlich ausweichen können, bleibt dem überwiegen- Lehrer*innen zusammen. Sie ist Vorsitzende der Gharelu Kamgar den Teil der Frauen aus der Arbeiterklasse und der Working Union (Gewerkschaft von Hausarbeiterinnen). Poor kaum eine Chance, der Plackerei, die alltägliche Haus- arbeit mit ihren oftmals zermürbenden Routinen bedeuten 1 Bei diesem System subventioniert der Staat einen Teil der Ausgaben für haushaltsnahe Dienstleistungen, indem er Gutscheine ausgibt, die zum Beispiel bei einer privaten Agen- kann, zu entkommen. Sie lässt ihnen kaum freie Zeit und be- tur eingelöst werden können. Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung sieht für Familien, schränkt ihren Zugang zu einer regulären bezahlten Beschäf- Alleinerziehende und pflegende Angehörige, die Personen in ihrem Haushalt beschäftig- ten, neben einem Gutscheinmodell eine Unterstützung durch Steuererleichterungen vor tigung außerhalb von Heim und Herd. Viele verbringen auf (Anm. d. Red.). diese Weise ihr halbes Leben als «Nicht-Personen» oder als «Dienstmädchen» ihrer eigenen Familien. Vor allem an diese Frauen, die sich nicht von der einsamen, alltäglichen Haus- arbeit freikaufen können, und nicht an eine gesellschaftliche IMPRESSUM Minderheit sollten sich unsere programmatischen Lösungen STANDPUNKTE 2/2023 erscheint online richten. und wird herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung V. i. S. d. P.: Alex Wischnewski SCHLUSSFOLGERUNGEN Straße der Pariser Kommune 8A · 10243 Berlin · www.rosalux.de Im Hinblick auf die immer mehr um sich greifende Deregu- ISSN 1867-3171 lierung der Arbeitsbeziehungen und den inhärent privatisier- Redaktionsschluss: Dezember 2022 ten Charakter der Hausarbeit in ihrer derzeitigen Form erwei- Lektorat: TEXT-ARBEIT, Berlin Layout/Satz: MediaService GmbH Druck und Kommunikation sen sich die von der ILO gemachten Vorstöße zur Stärkung der Rechte von Hausangestellten als höchst unzureichend. Diese Publikation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit Gegenwärtig besteht ein dringender Bedarf an einem An- der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie wird kostenlos abgegeben satz, der den Staat bzw. die Kommunen zu zentralen Akteu- und darf nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden.
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