WU-Monitor Griechenland - zwölftes Mitglied der EWU
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Economics Euroland-Themen 26. Mai 2000 Nr. 85 WU-Monitor Griechenland – zwölftes Mitglied der EWU • Griechenland wird zum 1. Januar 2001 das zwölfte Mitgliedsland der EWU. Die EZB und die Europäische Kommission haben am 3. Mai 2000 ihre Konvergenzbe- richte vorgelegt, die bestätigen, dass Griechenland EWU-tauglich ist. Allerdings hat die EZB einige kritische Bemerkungen zur Nachhaltigkeit der erreichten Kon- vergenz angefügt. • Der Schuldenstand ist in den letzten Jahren nur recht langsam auf 104,4% des BIP (1999) gesunken. Zwar erwarten EZB und EU-Kommission, dass sich der Schul- denabbau gemäß des Konvergenzprogramms langsam weiter fortsetzt. Dennoch besteht für die EZB “Anlass zur Sorge, ob das Verhältnis des öffentlichen Schul- denstands zum BIP‚ hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Refe- renzwert nähert‘ und ob bereits eine auf Dauer tragbare Finanzlage erreicht wur- de.” • Bei der Bewertung des Disinflationsprozesses ist positiv hervorzuheben, dass Grie- chenland, das noch bis 1993 zweistellige Inflationsraten aufwies, auf einen klar stabilitätsorientierten Pfad eingeschwenkt ist. Allerdings hat die Regierung mit zahlreichen Einmalmaßnahmen das Erreichen des Inflationskriteriums beschleu- nigt. Hierzu zählten die Senkung von indirekten Steuern und informelle Preisab- sprachen mit der Industrie. • Mittelfristig bestehen Risiken für die Inflationsentwicklung. So bringt u.a. die im Vorfeld der EWU zu vollziehende Konvergenz der kurzfristigen Zinsen und des Wechselkurses Überhitzungsgefahren mit sich. Aufgrund des Wegfalls einer na- tionalen Geld- und Wechselkurspolitik kommen daher einer zurückhaltenden Lohn- und Fiskalpolitik in Zukunft ein großer Stellenwert zu. • Trotz der erfolgreichen Erfüllung der Konvergenzkriterien bleiben wichtige wirt- schaftspolitische Aufgaben zu lösen, damit die Wettbewerbsbedingungen der grie- Editor: chischen Unternehmen in der EWU verbessert werden. Von besonderer Bedeu- Ulrich Schröder +49 69 910-31704 tung sind Reformen des Arbeitsmarktes und des Sozialsystems, aber auch weite- ulrich.schroeder@db.com re Privatisierungen und die Deregulierung einzelner Märkte. Publikationsassistenz: Antje Stobbe, +49 69 910-31847 (antje.stobbe@db.com) Tamara Kurz +49 69 910-31702 Christian Fischer, +49 69 910-31836 (christian-b.fischer@db.com) tamara.kurz@db.com Internet: http://www.dbresearch.de Deutsche Bank Research Frankfurt am Main Deutschland E-mail: marketing.dbr@db.com Fax: +49 69 910-31877 DB Research Management Axel Siedenberg Norbert Walter
EWU-Monitor 2 Economics
EWU-Monitor Griechenland – zwölftes Mitglied Konvergenzkriterien Referenz- Ergebnis in der der EWU wert Referenzperiode 1 HVPI (% gg. Vj.) 2.4 2.0 Griechenland wird zum 1. Januar 2001 das zwölfte Mitgliedsland der EWU. Die EZB und die Europäische Kommission haben am 3. Mai Budgetdefizit (%) 3.0 1.6 2000 ihre Konvergenzberichte vorgelegt, die bestätigen, dass Griechen- Schuldenquote (%) 60.0 104.4 land – wenn auch mit einigen Einschränkungen – EWU-tauglich ist. Langfristige 7.2 2 6.4 Griechenland erfüllt formell die Maastrichter Kriterien (s. Tabelle). Aller- Zinsen (%) dings hat die EZB einige kritische Bemerkungen zur Nachhaltigkeit der 1) Durchschnitt der drei preisstabilsten Euroländer plus 1,5 Prozentpunkte. erreichten Konvergenz angefügt. Dies betrifft vor allen Dingen die In- 2) Durchschnitt der drei preisstabilsten Euroländer plus 2 flationsentwicklung, aber auch die Staatsverschuldung. Trotzdem dürfte Prozentpunkte. der offizielle Beschluß auf dem EU-Gipfel über die Aufnahme Griechen- lands in die EWU am 19./20. Juni in Portugal nur noch Formsache sein. Allerdings steht die Regierung von Premierminister Simitis, die am 9. April mit nur knapper Mehrheit wiedergewählt wurde (s. Tabelle), noch vor zahlreichen wichtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen. Hatte sich die Regierung in den vergangenen vier Jahren vor allem darauf konzentriert, die Konvergenzkriterien zu erfüllen, so müssen nun die strukturellen Probleme Griechenlands angepackt werden. Auch die nachhaltige Sicherung der makroökonomischen Stabilität ist von Ergebnis der Parlamentswahlen großer Bedeutung, damit Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit Stimmen (%) Sitze im Eurogebiet bewahrt, das sich durch hohe Preisstabilität auszeich- 1996 net. Der folgende Artikel gibt eine Einschätzung zur Konvergenzsituati- PASOK 41.5 162 on in Griechenland und zeigt die wirtschaftspolitischen Perspektiven Nea Demokratia 38.1 108 des Landes auf. Kommunisten 5.6 11 Linke Koalition 5.1 10 Budgetdefizit Maastricht-konform DHKKI 4.4 9 Im Gegensatz zu einigen EWU-Ländern der ersten Runde hat Grie- Andere 5.3 - chenland im Referenzjahr 1999 keine Probleme gehabt, die vorgeschrie- 2000 bene Defizitgrenze von 3% des BIP einzuhalten. Bereits 1998 wurde PASOK 43.8 158 die Maastrichter Grenze mit einem Fehlbetrag mit 3,1% nur knapp Nea Demokratia 42.7 125 verfehlt. Im Jahr 1999 ist das Budgetdefizit dann weiter auf 1,6% ge- 5.5 11 Kommunisten schrumpft, ohne dass Griechenland in den letzten beiden Jahren nen- Linke Koalition 3.2 6 nenswerte Einmalmaßnahmen eingesetzt hätte. Die günstige konjunk- Andere 4.8 - turelle Lage dürfte bei der Rückführung des Budgetdefizits nur eine relativ geringe Rolle gespielt haben. So hat die OECD geschätzt, dass in Griechenland bei einer Verringerung der Potentiallücke um 1%-Punkt das Budgetdefizit konjunkturbedingt nur um 0,4%-Punkte zurückgeht. Die Potentiallücke hatte sich nach Berechnungen der EZB ausgehend von -1,1% (1997) im Jahr 1999 geschlossen. Über die entsprechenden Jahre haben konjunkturbedingte Mehreinnahmen und geringere Aus- gaben zum Abbau des Budgetdefizits nur wenig beigetragen. Wichtiger war der Abbau des strukturellen Defizits. Mit Blick auf die langfristige Tragfähigkeit der Lage der öffentlichen Haushalte ist her- Einnahmen-/ Ausgabenquote vorzuheben, dass die Rückführung des Defizits bei einer leicht rück- 60 läufigen Staatsausgabenquote mit einer Steigerung der Einnahmen- % BIP 55 quote einher ging. Bei der Steigerung der Einnahmen sind kräftig spru- Ausgaben 50 delnde Steuereinnahmen als wichtiger Einflußfaktor zu nennen. Be- sonders der Versuch, Steuerschlupflöcher zu schließen und die Steuer- 45 basis zu verbreitern, waren in diesem Zusammenhang von Bedeutung. 40 Auf der Ausgabenseite hat Griechenland vor allem von einem kräfti- 35 gen Rückgang der Zinsausgaben auf 7,4% des BIP (1999) profitiert. Einnahmen 30 Bestimmungsgründe waren nicht nur deutlich niedrigere Kapitalmarkt- 25 zinsen, sondern auch – bei einer inversen Zinsstrukturkurve – die Ver- längerung der durchschnittlichen Laufzeit der Staatsschuld von nur 1,63 20 Jahren (1994) auf 6,05 Jahre (1999). Zudem spielte der Abbau von 86 88 90 92 94 96 98 Economics 3
EWU-Monitor variabel verzinslicher Verschuldung zugunsten von festverzinslichen Ti- Staatsfinanzen teln (60,1% der Staatsschuld im Jahr 1999, 1997: 47,4%) eine Rolle. 20 % BIP Andere Ausgabenarten haben aber bestenfalls stagniert. Der Primär- Budgetdefizit überschuß des Gesamtstaates ist 1999 auf 5,8% des BIP angestie- 16 Zinszahlungen gen. 12 Fiskalpolitik: Risiko eines laxeren Kurses 8 Die günstigen Faktoren, die in der Vergangenheit zum Abbau der Fehl- beträge beigetragen haben, dürften auch in Zukunft Bedeutung behal- 4 ten und die Budgetentwicklung in Griechenland begünstigen. So sind die Einnahmen in den ersten beiden Monaten des Jahres 2000 weiter- 0 hin kräftig gestiegen (15,3% gg.Vj.). Auf der Ausgabenseite dürften po- 86 88 90 92 94 96 98 sitive Effekte geringerer Zinszahlungen und das Bestreben, im Jahr 2000 das Wachstum der Primärausgaben zu begrenzen, dazu beitragen, dass die ehrgeizigen Budgetziele der Regierung (2000: -1,2%) nicht unreali- stisch erscheinen. Budgetrisiken ergeben sich allerdings bei der Gegenfinanzierung der im Budget 2000 beschlossenen Steuererleichterungen für untere Ein- kommensgruppen und Familien mit Kindern sowie der höheren Unter- stützungszahlungen für Arbeitslose. Die damit verbundenen Einnah- meausfälle sollen durch die Erhöhung der Börsenumsatzsteuer finan- ziert werden. Dies könnte sich allerdings vor dem Hintergrund der jüng- Konvergenzplan 1999 - 2002 sten Korrektur am Aktienmarkt als risikoreich herausstellen. Darüber hinaus hat die Regierung im Wahlkampf weitere Steuergeschenke in 1999 2000 2001 2002 Höhe von GRD 390 Mrd. (1% des BIP) in den nächsten zwei Jahren BIP, % gg. Vj. 3.5 3.8 4.1 4.3 versprochen, die weitere Einnahmeausfälle darstellen. Insgesamt be- HVPI, % gg. Vj. 2.3 2.1 2.1 2.0 steht das Risiko, dass die Regierung auf einen expansiveren finanzpo- Budgetsaldo, -1.5 -1.2 -0.2 0.2 litischen Kurs einschwenken könnte, nachdem Griechenland der Wäh- % BIP rungsunion beigetreten ist. Dies wäre allerdings der makroökonomi- Öff. Schulden, 104.5 103.3 99.5 98.0 schen Stabilität eher abträglich. Darauf wies der ECOFIN-Rat schon bei % BIP der Annahme des letzten Konvergenzprogramms hin und unterstrich, dass bereits die bestehende Ausrichtung der Fiskalpolitik nur “das Mi- nimum” sei. Stellten sich Inflationsgefahren ein, so müsse eher ein noch restriktiverer Kurs eingeschlagen werden. Schuldenstand nur langsam rückläufig Trotz der relativ hohen Primärüberschüsse ist der Schuldenstand von seinem Höchststand von 111,3% des BIP (1996) nur recht langsam auf 104,4% (1999) gesunken. Dies übersteigt immer noch weit die im Maastrichter Vertrag vorgesehene Marke von 60%. Zwar erwarten EZB und EU-Kommission, dass sich der Schuldenabbau gemäß des Konver- genzprogramms langsam weiter fortsetzt. Danach soll die Schulden- quote auf 99,5% des BIP im Jahr 2001 fallen (s. Tabelle). Dennoch be- steht für die EZB “Anlass zur Sorge, ob das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP ‚hinreichend rückläufig ist und sich rasch ge- nug dem Referenzwert nähert‘ und ob bereits eine auf Dauer tragbare Fiskalkriterien Finanzlage erreicht wurde.” 120 Schuldenstand, % des BIP 9897 94 93 99 96 95 Bestandsanpassungen der Staatsschuld (stock-flow adjustments) ha- 92 00 91 90 90 ben nach Berechnungen der EZB zwischen 1995 und 1999 14% des BIP (von 1999) ausgemacht und damit den Rückgang der Schuldenquo- 88 87 89 60 te in entsprechendem Ausmaß verzögert. Die Höherbewertung der 84 86 83 85 Auslandsschuld durch die Abwertung der GRD war ein wichtiger Ein- 82 30 flußfaktor (1999 3% des BIP), denn die staatlichen Fremdwährungs- 80 81 schulden betragen immer noch ca. ein Drittel der gesamten Schuld des 0 griechischen Staates. Da hiervon die Hälfte nicht in EUR notiert ist, 0 3 6 9 12 15 18 dürften Wechselkursänderungen des EUR auch in Zukunft ein Risiko Budgetdefizit, % des BIP für die Schuldenentwicklung in Griechenland darstellen. Darüber hin- 4 Economics
EWU-Monitor aus war die Übernahme von Verbindlichkeiten öffentlicher Unterneh- men ein nicht zu vernachlässigender Faktor, der auf die Notwendigkeit von Effizienzsteigerungen und Privatisierungen im öffentlichen Sektor hinweist. Das Ausmaß der Bestandsanpassungen wird noch deutli- cher, wenn man den Rückgang der Staatsverschuldung den Erlösen aus Privatisierungen gegenüberstellt. So wurden im Jahr 1998 Einnah- men in Höhe von 2,3% des BIP durch Privatisierungen erzielt, 1999 3,3%. Demgegenüber sank die Schuldenquote im Jahr 1999 nur um einen Prozentpunkt gegenüber dem Vorjahr. Selbst wenn man derartige Bestandsanpassungen vernachlässigt, dürfte Griechenland erst in weiter Zukunft eine Schuldenquote von 60% erreichen können (s. Tabelle). Modellrechnungen der EZB zufolge müßte unter gegebenen Annahmen ab 2001 ein Budgetüberschuß von 0,8% bzw. ein Primärüberschuß von 5,6% erzielt werden, damit die Schul- denquote im Jahr 2009 die Marke von 60% erreicht. Dies spiegelt die immensen fiskalischen Anstrengungen wider, die Griechenland auch GRD & Leitkurs in künftigen Jahren vor sich hat, um den Maastrichter Kriterien zu ge- 300 nügen. Darüber hinaus sind strukturelle Anpassungen im öffentlichen 310 Sektor notwendig (s.u.), die das Ausmaß von Bestandsanpassungen GRD/EUR reduzieren und auf diesem Weg eine schnellere Absenkung der Staats- 320 verschuldung ermöglichen. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, 330 weil die bevorstehende Überalterung der Bevölkerung in Verbindung mit strukturellen Problemen im Bereich der Alterssicherung den Staat 340 Neuer vor implizite Zahlungsverpflichtungen stellt, die sich mittelfristig nega- Alter Leitkurs Leitkurs 350 tiv auf die Schuldenquote auswirken könnten. 360 Mitgliedschaft im Wechselkursverbund des EWS M J S D M J S D M J S D 1998 1999 2000 2001 Entscheidendes Element der Wirtschaftspolitik auf dem Weg in die EWU bildete die Wechselkurspolitik. Nach der Währungskrise Ende 1997 ist Griechenland im März 1998 mit einer Abwertung dem Wech- selkursverbund des EWS beigetreten und nahm zusammen mit Däne- Griechenland: Berechnungen zur Konvergenz der öffentlichen Schuldenstände (a) Auf der Basis des gesamten Finanzierungssaldos (in % des BIP) Bruttogesamtverschuldung Gesamter Finanzierungssaldo Gesamter Finanzierungssaldo, der mit einer Verringerung des Schuldenstandes (a) (Defizit: (-); Überschuss: (+)) auf 60 % des BIP vereinbar ist 1999 2000 1999 2000 2004 2009 2014 104.4 103.7 -1.6 -1.3 6.7 0.8 -0.8 (b) Auf der Basis des primären Finanzierungssaldos (in % des BIP) Bruttogesamtverschuldung Primärer Finanzierungssaldo Primärer Finanzierungssaldo, der mit einer Verringerung des Schuldenstandes (b) auf 60 % des BIP vereinbar ist 1999 2000 1999 2000 2004 2009 2014 104.4 103.7 5.8 5.8 11.7 5.6 3.9 Quelle: Europäische Kommission (Frühjahrsprognose 2000) und eigene Berechnungen. (a) Aus den Berechnungen geht hervor, dass die Schuldenquote in den Jahren 2004, 2009 und 2014 auf jeweils 60% sinken würde, wenn der gesamte Finanzierungssaldo für 2000 wie geschätzt ausfällt und ab 2001 auf einem Stand von jeweils 6,7%, 0,8% bzw. -0,8% des BIP gehalten würde. Dem liegen die Annahmen zugrunde, dass sich die Trend-Wachstumsrate des realen BIP 2000, wie von der Kommission geschätzt, auf 3,1% beläuft, die Inflationsrate 2%. Bestandsanpassungen der Staatsschulden (stock-flow adjustments) bleiben außer Betracht. (b) Aus den Berechnungen geht hervor, dass die Schuldenquote in den Jahren 2004, 2009 und 2014 auf jeweils 60% sinken würde, wenn der primäre Finanzierungssaldo für 2000 wie geschätzt ausfällt und ab 2001 auf einem Stand von jeweils 11,7%, 5,6% bzw. 3,9% des BIP gehalten würde. Dem liegen die Annahmen zugrunde, dass sich die Trend-Wachstumsrate des realen BIP 2000, wie von der Kommission geschätzt, auf 3,1% beläuft, die Inflationsrate 2% und der Nominalzins 6% beträgt. Bestandsanpassungen (stock-flow adjustments) bleiben außer Betracht. Economics 5
EWU-Monitor mark seit dem 1. Januar 1999 am EWS II teil. Im Januar 2000 wurde Harmonisierte Verbraucherpreise der Leitkurs der GRD gegenüber dem EUR um 3,5% auf GRD/EUR 9 340,75 aufgewertet. Während der ganzen Zeit waren weite Bänder von % gg. Vj., gleit. 12M Durchschn. 8 +/- 15% gültig. Die GRD notierte – unterstützt von einer hohen Diffe- 7 renz der Geldmarktzinsen zu den EWU-Teilnehmerländern – ausschließ- lich oberhalb des Leitkurses, zeitweise bis zu 9%. 6 5 Das Wechselkursarrangement war in mehrfacher Hinsicht für Griechen- 4 land vorteilhaft. Die Abwertung um ca. 13% im März 1998 und der gleichzeitige EWS-Beitritt haben nach der Finanzmarktkrise Ende 1997 3 ein glaubwürdiges Wechselkursarrangement erst ermöglicht. Dieses 2 stellte die Voraussetzung für die EWU-Vorbereitungen dar. Die weiten 1 Schwankungsbänder erlaubten gleichzeitig, dass die GRD deutlich über 0 dem Leitkurs notieren konnte. Enge Bänder wie im Fall Dänemarks 97 98 99 00 hätten eine deutlich schwächere GRD bedeutet (s. Grafik). Durch die weiten Bänder, die der GRD nach der Abwertung 1998 eine erneute Kräftigung erlaubten, wurde der inflationäre Effekt der GRD-Abwertung 1998 abgemildert und das Erreichen des Inflationskriteriums unterstützt. Mit Blick auf die EWU-Mitgliedschaft und die drohenden Inflationsrisi- ken (s.u.) wertete Griechenland den Leitkurs im EWS II Anfang 2000 Importpreis-Deflator *) dann wieder auf. Der neue Leitkurs ist voraussichtlich der Konversions- 16 kurs zum EUR. Ziel war es dieses Mal, den preistreibenden Effekt zu % gg. Vj. 14 begrenzen, der entstanden wäre, wenn sich die GRD kräftig um ca. 8% auf ihren Leitkurs im Vorfeld des EWU-Beitritts hätte abschwächen 12 müssen. Dieser hätte zusammen mit der monetären Lockerung im 10 Vorfeld der EWU und den Auswirkungen einiger Sonderfaktoren Inflati- 8 onsrisiken mit sich gebracht. Der preistreibende Effekt einer schwä- cheren Währung ist auf diese Weise gemildert worden, da die GRD 6 vom Zeitpunkt der Aufwertung des Leitkurses im Januar 2000 gerech- 4 net nur noch eine Abschwächung von ca. 3% bis zum Jahresende zu 2 vollziehen hatte. Es wird deutlich, dass Griechenland in den letzten zwei Jahren eine sehr geschickte Wechselkurspolitik verfolgte, die in den 0 Dienst des Inflationszieles gestellt wurde und die möglichen Spielräu- 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 me des Maastrichter Regelwerkes ausnutzte. *) Vor 1996 nationale Definition, danach Berechnung nach ESA 95 Doch keine Punktlandung beim Inflationskriterium Das Inflationskriterium stellte für Griechenland die höchste Hürde dar, die es auf dem Weg in die EWU zu bewältigen galt. Während es lange Zeit nach einer Punktlandung aussah, sank der 12M-Durchschnitt der griechischen Verbraucherpreisinflation aufgrund einer Veränderung der Zusammensetzung des Warenkorbes des HVPI im März 2000 auf 2% und damit deutlich unter den Referenzwert (2,4%). Bei der Bewertung des Disinflationsprozesses ist positiv hervorzuheben, dass Griechen- Lohnstückkosten & land, das noch bis 1993 zweistellige Inflationsraten aufwies, auf einen Vergütung pro Beschäftigtem *) klar stabilitätsorientierten Pfad eingeschwenkt ist. Das Land hat somit 25 eine deutliche Abkehr von der zuvor bestehenden “Indexierungsgesell- % gg. Vj. schaft” vollzogen. Hierzu hat die seit 1995 verfolgte Politik der starken 20 Drachme beigetragen, bei der die Drachme zunächst an einen Wäh- Vergütung rungskorb der wichtigsten Handelspartner, später an den ECU bzw. pro Beschäftigtem 15 EUR gebunden wurde. Ausnahme war die Abwertung der GRD 1998, die einen leichten Anstieg der Inflation nach sich zog. Auch die stabili- 10 tätsorientierte Lohnpolitik hat in den letzten beiden Jahren die Disinfla- tion begünstigt. In einem zweijährigen Abkommen wurden Lohnstei- Lohnstück- 5 gerungen im privaten Sektor von 4,7% 1998 bzw. 2,8% 1999 verein- kosten bart, ungefähr so hoch wie die erwartete Inflationsrate. Zusammen 0 mit dem Verfall der Rohstoffpreise in Folge der Asienkrise hat dieses 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 günstige makroökonomische Umfeld bis Mitte 1999 zu einer zügigen *) Vor 1996 nationale Definition, danach Absenkung der Inflation beigetragen. Berechnung nach ESA 95 6 Economics
EWU-Monitor Allerdings hat die Regierung auch mit zahlreichen Einmalmaßnahmen das Erreichen des Inflationskriteriums beschleunigt. Hierzu zählten die Senkung von indirekten Steuern – im Referenzzeitraum nach EZB-Schät- zung in Höhe von 0,9%-Punkten – und informelle Preisabsprachen mit der Industrie (gentleman’s agreements). Dieses Vorgehen ist insofern bedenklich als durch derartige Maßnahmen keine nachhaltig niedrige- ren Inflationsraten herbeigeführt werden können. Vielmehr dürften sich im Gegenteil negative Effekte auf die Preisentwicklung durch das Aus- laufen von Basiseffekten bzw. zurück gestauten Preisdruck ergeben. Dies wird um so deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass 1998 ca. 10% der in den Verbraucherpreisindex eingehenden Güter von gentleman’s agreements betroffen waren, 1999 sogar ca. ein Drittel. Dementsprechend bestehen nicht zu vernachlässigende Inflationsrisi- ken, auf die die EZB in ihrem Konvergenzbericht kritisch hingewiesen BIP & Potenziallücke hat. 5 5 % gg. Vj. %-Punkte 4 4 Inflationsdruck mittelfristig wahrscheinlich 3 BIP (links) 3 Während derzeit die Inflation von ihrem Tiefpunkt im August und Sep- 2 2 tember 1999 (2% gg.Vj.) vor allem bedingt durch den Ölpreiseffekt wieder ansteigt (April: 2,6%, März: 3,1%), treten mittelfristig funda- 1 1 mentale Risikofaktoren in den Vordergrund. Nicht nur muß die Bank 0 0 von Griechenland ihren Leitzins, der Mitte Oktober 1999 noch bei 12% -1 -1 lag (derzeit 8,75%), bis Ende 2000 auf EZB-Niveau absenken (voraus- -2 -2 sichtlich 4,5%). Auch die GRD wird sich bis zu diesem Zeitpunkt um Potenziallücke (rechts) -3 -3 4½ % im Vergleich zum Jahresdurchschnitt 1999 abgeschwächt ha- 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 ben. Schließlich könnte sich binnenwirtschaftlicher Preisdruck einstel- len, da sich die Potenziallücke nach EZB-Berechnungen bereits 1999 geschlossen hat. Hinzu kommen strukturelle Faktoren, die das monetäre Umfeld lok- kern. So hatte die Zentralbank im April 1999 Maßnahmen zur Eindäm- mung des Wachstums der Kreditvergabe an den privaten Sektor im- plementiert, da sie befürchtete, dass die kräftige Kreditexpansion die Inflation anheizen könnte. Überstieg das Wachstum von vergebenen Konsumenten- und Unternehmenskrediten sowie Handelsfinanzierun- gen die Schwelle von 12% p.a., so mußten die betroffenen Banken für Kreditwachstum 6 Monate unverzinsliche Einlagen für den Betrag der Ausleihungen 22 % gg. Vj. hinterlegen, der über die festgesetzte Schwelle hinausging. Diese 20 Privater Sektor Regelung wurde Ende März 2000 wieder aufgehoben, was einer wei- 18 teren Lockerung der Geldpolitik gleichkommt. In die gleiche Richtung 16 wirkt die noch zu vollziehende Senkung des Mindestreservesatzes von 14 derzeit 12% auf EZB-Niveau (2%). Allerdings will in diesem Fall die 12 Bank von Griechenland Presseberichten zufolge die entstehenden Über- 10 schußreserven vor dem EWU-Beitritt in Anleihen umtauschen, um 8 Gesamt anfängliche überflüssige Liquidität abzuschöpfen. 6 4 Nach der geglückten Aufnahme in die Europäische Währungsunion ver- F A J AOD F A J AOD F A J AOD F bleiben für Griechenland noch erhebliche Herausforderungen. Eine da- 97 98 99 00 von ist die Sicherstellung einer dauerhaft niedrigen Inflationsrate – wichtig auch, um die Wettbewerbsfähigkeit griechischer Unternehmen in der EWU nicht zu beeinträchtigen. Dabei kommt sowohl der Fiskal- politik und der Lohnpolitik in den kommenden Monaten große Bedeu- tung zu. Presseberichten zufolge haben sich die wichtigste griechische Gewerkschaft (GSEE) und Arbeitgeber auf Lohnerhöhungen von 3,5% in 2000 bzw. 3,3% in 2001 geeinigt. Nach zwei Jahren der Lohnzurück- haltung sind dies erstmalig wieder Erhöhungen, die über die erwarte- te Inflationsrate hinausgehen, aber vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren durchschnittlich nicht unerheblichen Produktivitätsge- winne dennoch relativ moderat ausgefallen sind. Wir erwarten in die- Economics 7
EWU-Monitor sem und in nächstem Jahr einen Anstieg der Verbraucherpreise um gut 3%. Konjunktur: Investitionen und Exporte tragen Wachs- tum Zinsen Der Konvergenzprozeß wurde durch kräftiges BIP-Wachstum unterstützt 25 (1999: 3,3%). Die wichtigste Wachstumskraft ist weiterhin die Investiti- % onstätigkeit. Die privaten Investitionen haben vor dem Hintergrund der 20 stark gestiegenen Kreditnachfrage kräftig zugelegt, obwohl bei deut- 3M Depositen lich rückläufigen Nominalzinsen die Realzinsen bis Ende 1999 kaum 15 gesunken sind. Auch die öffentlichen Investitionen, die durch EU-Trans- fers gestützt werden, bleiben ein bedeutender Impuls. Griechenland 10 hat in den letzten Jahren im Rahmen der Strukturhilfe der EU knapp EUR 22 Mrd. erhalten und wird auch zwischen 2000 und 2006 wieder Realzins 5 auf diese Quelle zurückgreifen können. Im Gegensatz zu den anderen, geförderten europäischen Ländern, die nur Steigerungsraten von 5% 0 verzeichnen konnten, sind die Überweisungen nach Griechenland für 95 96 97 98 99 00 den genannten Zeitraum um 13% angehoben worden. Damit dürften auch künftig die öffentlichen Investitionen ein wichtiger Konjunkturmo- tor bleiben. Auch die Olympischen Spiele in 2004, die zahlreiche Inve- stitionsprojekte mit sich bringen, dürften stimulierend wirken. Der pri- vate Verbrauch nimmt hingegen eher unterdurchschnittlich zu. Hierzu dürften die kaum über die Inflationsentwicklung angestiegenen Löhne beigetragen haben. 3FBMFSFGGFLUJWFS8FDITFMLVST Der Export war 1999 – trotz der Kosovo-Krise – mit realen Zuwachsra- ten von über 6% eine wichtiger Impuls für die Konjunktur. Griechen- land konnte seine Wettbewerbsposition auf den Exportmärkten aus- bauen, obwohl der reale effektive Wechselkurs sich nach der nomina- len Abwertung im März 1998 nur wenig abgeschwächt hat. Der Wachs- tumsbeitrag des Außenhandels war 1999 allerdings wegen des kräfti- gen Importwachstums schwach negativ. Auch künftig dürfte Griechen- land von guten Exportaussichten profitieren. Sowohl die Abschwächung der GRD im Vorfeld des EWU-Betritts als auch die günstige Konjunktur in den anderen EU-Staaten, die Griechenlands Haupthandelspartner sind, werden zu einem kräftigen Exportwachstum beitragen. In Griechenland könnte sich – ebenso wie in vielen anderen Industrie- ländern – die Konjunktur eher noch besser entwickeln als derzeit ange- nommen. Derzeit erwarten wir ein BIP-Wachstum von 3 ½% 2000 und 4% im Jahr 2001. Bei einer geschlossenen Potenziallücke und der bis zum EWU-Beitritt am 1. Januar 2001 bevorstehenden weiteren mone- tären Lockerung bestehen Gefahren einer Überhitzung, der die Wirt- schaftspolitik aufgrund der Eingliederung in der EWU und dem Wegfall einer nationalen Geld- und Wechselkurspolitik wenig entgegenzuset- zen hat. Daher kommen Fiskal- und Lohnpolitik, aber auch der Struktur- Deutsche Bank Research Prognose: politik, in Zukunft ein besonderer Stellenwert zu. 1998 1999 2000 2001 BIP (real), % gg Vj. 3.7 3.3 3.5 4.0 Strukturpolitik von großer Bedeutung Privater Verbrauch 2.1 2.6 1.8 2.2 Staatsverbrauch 2.0 0.0 0.5 0.5 Vor dem Hintergrund des immer noch hohen Schuldenstandes, der durch Anlageinvestitionen 8.1 7.5 9.6 10.0 den defizitären öffentlichen Sektor in der Vergangenheit kräftig in die Exporte 4.2 6.2 6.5 8.0 Höhe getrieben worden ist, sowie der inhärenten Inflationsrisiken ist Importe 1.9 5.1 5.4 5.7 Griechenland in der Vergangenheit immer wieder aufgefordert worden, Inflation % gg Vj. 4.8 2.7 3.2 3.1 sich mehr der Strukturpolitik zu widmen. Preissenkungen für die Pro- Budgetsaldo % BIP -3.1 -1.6 -1.5 -0.7 dukte (bisher) öffentlicher Unternehmen, die bei steigender Produktivi- Öff. Schulden % BIP 105 104 102 100 tät dieser Unternehmen infolge Privatisierung und Deregulierung mög- Handelsbil. Mrd USD -16.5 -17.0 -17.4 -18.8 Leistungsbil. Mrd USD -3.9 -4.0 -4.4 -5.0 lich würden, könnten nicht nur den gesamtwirtschaftlichen Preisanstieg % BIP -3.2 -3.2 -3.5 -3.5 mindern. Auch Kostenersparnisse für weit genutzte Vorprodukte dürf- Arbeitslosenquote, % 11.2 11.3 11.0 10.5 8 Economics
EWU-Monitor ten positive gesamtwirtschaftliche Wachstumseffekte mit sich brin- Arbeitslosigkeit & BIP-Wachstum gen. Neben zügigeren Fortschritten bei der Privatisierung öffentlicher 6 12 Unternehmen, wird Griechenland auch zur Reform der sozialen Siche- % gg. Vj. % 5 11 rungssysteme sowie zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes gemahnt. BIP (links) 4 10 Premierminister Simitis will sich in seiner gerade begonnenen Amts- 3 zeit neben der Fortführung des Privatisierungsprozesses und der Libe- 9 2 ralisierung des Energie- und Telekommunikationsmarktes bis 2001 ver- 8 stärkt dem Thema “Sozialstaat” widmen. In diesem Zusammenhang 1 7 sind einige sozialpolitisch motivierte Steuermaßnahmen geplant. Dar- 0 Arbeitslosenrate über hinaus steht der Arbeitsmarkt im Fokus. Denn die 1998 eingelei- -1 (rechts) 6 teten Arbeitsmarktreformen, die bspw. einige Maßnahmen zur Flexi- -2 5 bilisierung des Arbeitsmarktes beinhalteten, haben nicht zu einem 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 Durchbruch bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geführt. Die Ar- beitslosenquote ist mit über 11% trotz des kräftigen BIP-Wachstums immer noch hoch und in den letzten Jahren weiter angestiegen. Zwar ist dies auch auf die stärkere Registrierung von Arbeitslosen aufgrund der Einführung von Trainingsprogrammen im Jahr 1998 zurückzufüh- ren. Aber auch der Abbau des Personalüberhangs in öffentlichen Un- ternehmen dürfte zum Anstieg der Arbeitslosigkeit beigetragen ha- ben. Die Regierung will daher in der kommenden Legislaturperiode Geplante (Teil-)Privatisierungen/ 300.000 neue Arbeitsplätze schaffen und erneut die Fortbildungsmög- Verkauf von Unternehmensanteilen lichkeiten verbessern. Darüber hinaus ist eine Reform des Alterssicherungssystems vorge- Agricultural Bank sehen. Hier sieht sich die griechische Regierung einem besonders drän- genden Problem gegenüber. Aufgrund der starken Überalterung der Commercial Bank Bevölkerung – nach Hochrechnungen der Weltbank dürfte der Anteil Hellenic Industrial Development Bank der über 65-jährigen an der Arbeitsbevölkerung von gut 25% im Jahr Hellenic Petroleum 2000 auf über 40% im Jahr 2030 steigen – ist das derzeitige Pensions- system schweren Belastungen ausgesetzt. Zudem sind das Ungleich- Olympic Airways gewicht zwischen individueller Beitrags- und Rentenzahlung sowie ein OTE Hellenic Telecom niedriges Renteneintrittsalter Problemfelder. Nach OECD-Schätzungen Piraeus Port Authority beträgt der Gegenwartswert der nicht gedeckten zukünftigen Pensi- onsverpflichtungen 200% des BIP. Vor dem Hintergrund der ohnehin Thessaloniki Port Authority hohen Schuldenquote verdeutlicht dies die Dringlichkeit einer Reform Public Power Corporation (DEH) der Pensionskassen. Hellenic Vehicle Industry (ELVO) Erste Maßnahmen zur Konsolidierung sind 1998 getroffen worden. Diese sollten die Transparenz und Komplexität des Systems reduzie- Hellenic Aerospace Industry ren (z.B. Verringerung der Zahl der Pensionsfonds) und Ersparnisse Corinth Canal generieren (bspw. Begrenzung der Möglichkeit, gleichzeitig zu arbei- Thessaloniki Water Company ten und Rente zu beziehen). Eine “große” Rentenreform, die sich dem grundsätzlichen Finanzierungsproblem annimmt und eine konzeptio- nelle Neuorientierung beinhaltet, steht aber noch aus. Bei der Durch- setzung der Strukturreformen könnte sich die Regierung allerdings aufgrund der nur knappen Mehrheit im Parlament mit den politischen Realitäten konfrontiert sehen, was den Reformprozeß verzögern könn- te. Privatisierungen sollen voran getrieben werden Bereits zum EWS-Beitritt im März 1998 hatte die griechische Regie- rung ein umfangreiches Privatisierungsprogramm angekündigt. Darüber hinaus wurden Maßnahmen eingeleitet, um die Effizienz von Manage- ment und Betrieb öffentlicher Unternehmen zu erhöhen. Im Gegen- satz zu den seit 1992 begonnenen Teilprivatisierungen, die den Schwer- punkt im produzierenden Gewerbe (Schiffbau, Minen, Zement) legten, konzentrierte sich der 1998 vorgestellte Plan auf die Verkehrs- sowie Ver- und Entsorgungsinfrastruktur. Er beinhaltete aber auch den Ver- Economics 9
EWU-Monitor kauf von Anteilen an Banken. Die Einnahmen aus Privatisierungen über- stiegen mit GRD 2,6 Bio. in 1998 und 1999 weit die Erwartungen von GRD 800-1000 Mrd. (1998) bzw. GRD 300-500 Mrd. (1999). Grundsätzlich weist der Privatisierungsprozeß in die richtige Richtung und ist aufgrund des noch hohen Staatseinflusses in der Wirtschaft zu begrüßen. Positiv hervorzuheben ist weiterhin, dass sich die Wettbe- werbssituation im Bankensektor u.a. aufgrund des Rückzugs des Staa- tes, aber auch wegen zahlreicher Fusionen, deutlich verbessert hat. Der Privatisierungsprozeß geriet jedoch immer wieder ins Stocken. So kamen einige geplante Teilprivatisierungen bisher noch nicht zustande (so z.B. im Fall der Hafenbetriebe von Thessaloniki und Piräus). Andere Projekte konnten nur deutlich später umgesetzt als ursprünglich ge- plant. So führte bspw. Druck von gewerkschaftlicher Seite dazu, dass 51% der Ionian Bank nicht wie ursprünglich beabsichtigt im August 1998 vom Staat veräußert werden konnten, sondern erst im April 1999. Für das laufende Jahr sind zumindest weitere große Schritte geplant (siehe Tabelle), so dass der eingeschlagene Weg weiter verfolgt wird. Auch wenn die Regierung versprochen hat, den Privatisierungprozeß künftig zu beschleunigen, bleibt abzuwarten wie zügig die angekündig- ten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Lediglich für die – bis- her aufgeschobene – Liberalisierung des Telekommunikations- und En- ergiemarktes gibt es eine von der EU gesetzte Frist bis zum Jahr 2001.1 Schließlich ist kritisch anzumerken, dass die zu vermutenden Effizienz- gewinne bei einigen Privatisierungsprojekten möglicherweise eher ge- ring bleiben werden. Denn der Staat sicherte sich bisher in vielen Fäl- len mit 51% immer noch die Mehrheitsbeteiligung, so dass Struktur- veränderungen erschwert werden dürften. Offen bleibt, ob sich die Zinsen Regierung künftig verstärkt von Mehrheitsbeteiligungen trennen wird. 20 20 Hier gab es vor und nach dem Wahlkampf unterschiedliche Botschaf- % % ten von seiten der Regierung. So versprach Premierminister Simitis im 15 15 Wahlkampf den Angestellten der Staatsbetriebe, dass seine Regierung 3M Dep. die Kontrolle des Staates über die betroffenen Unternehmen behält. 10 10 Doch schon kurz nach der Wahl erklärte Wirtschaftsminister Papanto- niou, dass man sich selektiv und wenn notwendig von staatlichen Mehr- heitsbeteiligungen an einigen Unternehmen trennen wolle. Bisher be- 5 10J Bonds 5 stehen nur vereinzelte Pläne, den Staatsanteil auf unter 50% zu redu- zieren. 0 0 MMJ S N J MMJ S N J MM J S N J M Ausblick: Finanzmärkte werden Konvergenz vollzie- 1998 1999 2000 2001 hen Der EWU-Beitritt Griechenlands ist der Regierung Simitis gelungen. Trotz dieses Erfolges bleiben wichtige wirtschaftspolitische Aufgaben zu lö- sen, damit die erreichte makroökonomische Stabilität gesichert und die Wettbewerbsbedingungen der Unternehmen in der EWU verbes- sert werden. Dabei sind vor allem eine zurückhaltende Lohn- und Fis- Leitzinsen kalpolitik von Bedeutung, da die im Vorfeld der EWU zu vollziehende 21 % Konvergenz der kurzfristigen Zinsen und des Wechselkurses Überhit- 19 zungsgefahren mit sich bringt. Darüber hinaus stehen aber auch struk- 17 turelle Reformen auf der Agenda. Von besonderer Bedeutung sind Re- 14T. Dep. Lombardsatz 15 formen des Arbeitsmarktes und des Sozialsystems, aber auch weitere Privatisierungen und die Deregulierung einzelner Märkte. 13 11 Tagesgeld 9 1 7 Im Telekommunikationsbereich behält OTE bis Ende 2000 das Festnetzmonopol, da- nach werden weitere Lizenzen vergeben, wofür die DEH (public power corporation) AM J J A S O N D J F MAM J J A O N D J F MAM schon Interesse angemeldet hat. Die DEH wiederum hat bis zum 19.02.2001 das Mo- 1998 1999 2000 nopol zur Erzeugung, Weiterleitung und dem Verkauf von Strom. 10 Economics
EWU-Monitor Der Geldpolitik verbleibt bis zum EWU-Beitritt, die kurzfristigen Zinsen Zinsdifferenz zu 10J-Bunds auf das Niveau des Leitzinses der EZB abzusenken. Zentralbankgou- 400 verneur Lucas Papademos führte dazu aus, dass die Zinskonvergenz Bp. graduell und mit Vorsicht vollzogen werde, um die erreichte Preisstabi- Griechenland 300 lität nicht zu gefährden. Der größte Teil der Konvergenz am kurzen Ende – derzeit befindet sich der Leitzins noch 500 Bp. über dem der 200 EZB – wird u.E. erst in Q4 stattfinden. Dabei wird die EZB der BoG in den nächsten Monaten aber “entgegenkommen”, indem sie die Leit- Portugal zinsen um 75 Bp. anhebt. Die GRD wird sich in den nächsten Monaten Italien 100 Monate bis zum in dem bestehende Wechselkursarrangement kontrolliert und unter- EWU-Qualifikationstest stützt von gelegentlichen Interventionen der Zentralbank um noch ca. 0 1% auf den Leitkurs abschwächen. 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Schließlich ist die Konvergenz am langen Ende der Zinsstrukturkurve noch unvollständig. So beträgt die Renditedifferenz zu deutschen Bun- desanleihen immer noch 80-90 Bp. und liegt noch weit über dem ver- gleichbaren Niveau der Erstrundenkandidaten. Die Unsicherheit über die Nachhaltigkeit der Konvergenz, insbesondere bei der Inflationsper- formance, sowie die stark inverse Zinsstrukturkurve dürften ein schnel- leres Absinken der langfristigen Zinsen verhindert haben. Der Spread wird sich allerdings auf absehbare Zeit auf die Liquiditäts- und Boni- tätsprämie verengen. Weitere Impulse für diesen Prozeß dürften evtl. vom EU-Gipfel im Juni und – am wichtigsten – von weiteren Leitzins- senkungen der BoG ausgehen. Antje Stobbe, +49 69 910-31847 (antje.stobbe@db.com) Christian Fischer, +49 69 910-31836 (christian-b.fischer@db.com) Economics 11
EWU-Monitor ISSN 1430-7383 (in englischer Sprache: "EMU Watch") Der EWU-Monitor befaßt sich mit Spezialfragen zur Europäischen Währungsunion; sie bringt beispiels- weise Auswirkungen der EWU auf die Kapitalmärkte sowie Sonderstudien, wie z.B. zum Zahlungsver- kehr oder zur Umstellung von börsennotierten Wertpapieren. Der EWU-Monitor erscheint in unregelmä- ßiger Folge mit 5-10 Ausgaben p.a. im Umfang von 8-24 Seiten. Zuletzt sind in dieser Reihe erschienen: Nr. Thema Erschienen am 84 Budgetausgleich in Euroland? 14. April 2000 83 Inflation targeting: was kann die EZB daraus lernen? 27. April 2000 82 Osteuropa und die EWU: Wirtschaftsbeziehungen und 10. Februar 2000 Beitrittsperspektiven 81 Die EZB und die Lohnrunde 2000 26. Januar 2000 80 Zuviel Währungsreserven in der EWU? 30. Dezember 1999 79 Der Rentenmarkt in der Europäischen Währungsunion 29. Oktober 1999 78 Refinanzierungsfähige Sicherheiten des Eurosystems - 5. Oktober 1999 Zulassungskriterien und -verfahren 77 EWU stärkt Integration der Immobilienmärkte 14. Juli 1999 Deutsche Hypothekenbanken expandieren in Europa 76 Die Geldpolitik der EZB: Anspruch und Wirklichkeit 9. Juli 1999 75 Die Schweiz - Insel im Euroland 8. Juli 1999 74 EZB-Zinsperspektiven 7. Juli 1999 73 Finanzvermögen in Euroland: Angleichung des Anlageverhaltens? 8. Juni 1999 72 Vom Franc-CFA zum Afro-Euro 1. Juni 1999 Einzelausgaben und Abonnements sind erhältlich bei: Deutsche Bank Research Marketing 60272 Frankfurt am Main E-mail: marketing.dbr@db.com Fax: +49 69 910-31877 Alle Deutsche Bank Research-Produkte sind auch via E-mail erhältlich. Sie erhalten die elektronische Ausgabe im Durchschnitt vier Tage früher als die gedruckte Veröffentlichung. Wenn Sie Interesse am E-mail-Bezug haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Kundenberater oder an das DB Research Marketing-Team: marketing.dbr@db.com © 2000. Deutsche Bank AG, DB Research, D-60272 Frankfurt am Main, Bundesrepublik Deutschland (Selbstverlag). Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research“gebeten. Die in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten. Eine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben können wir nicht übernehmen, und keine Aussage in diesem Bericht ist als solche Garantie zu verstehen. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Verfassers/der Verfasser wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen dar. Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Meinungen können sich ohne vorherige Ankündigung ändern. Weder die Deutsche Bank AG noch ihre assoziierten Unternehmen übernehmen irgendeine Art von Haftung für die Verwendung dieser Publikation oder deren Inhalt. Die Deutsche Bank Securities Inc. hat unter Anwendung der gültigen Vorschriften die Verantwortung für die Verteilung dieses Berichts in den Vereinigten Staaten übernommen. Die Deutsche Bank AG London und Morgan Grenfell & Co., Limited, die beide der Securities and Futures Authority unterstehen, haben unter Anwendung der gültigen Vorschriften die Verantwortung für die Verteilung dieses Berichts im Vereinigten Königreich übernommen. Druck: HST Offsetdruck GmbH, Dieburg. Print: ISSN 1430-7383 / Internet: ISSN 1435-0742
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