Journal of Health Monitoring - Gesundheit von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen - RKI
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MÄRZ 2022 GESUNDHEITSBERICHTERSTATTUNG DES BUNDES AUSGABE 1 GEMEINSAM GETRAGEN VON RKI UND DESTATIS Journal of Health Monitoring Gesundheit von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen 1
Journal of Health Monitoring Inhaltsverzeichnis Gesundheit von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen Editorial Monitoring gesundheitlicher Vielfalt 3 über die Lebensspanne Focus Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten 7 und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS Focus Gesundheit von Menschen mit 28 Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland – Ausgewählte Indikatoren aus der Studie GEDA 2014/2015-EHIS Focus Zahnschmerzen, Zahnputzhäufigkeit und 52 zahnärztliche Kontrolluntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 2
Journal of Health Monitoring Monitoring gesundheitlicher Vielfalt über die Lebensspanne EDITORIAL Journal of Health Monitoring · 2022 7(1) DOI 10.25646/9567 Monitoring gesundheitlicher Vielfalt über die Lebensspanne Robert Koch-Institut, Berlin Unsere Gesundheit: Kein statischer Zustand, sondern viel- durch die Internationale Klassifikation der Funktionsfähig- Susanne Wurm mehr ein dynamisches Gleichgewicht, das Menschen in keit, Behinderung und Gesundheit (ICF) ein wichtiges Universitätsmedizin Greifswald allen Lebensphasen erhalten und immer wieder herstellen, Umdenken ein, indem das dynamische Gleichgewicht stär- im stetigen Zusammenspiel mit ihrer Umwelt. Dieses ker in den Mittelpunkt gerückt wurde. Bereits der verän- Eingereicht: 16.02.2022 Grundverständnis von Gesundheit hat seine Wurzeln in derte Titel dieser Klassifikation setzt ein Zeichen, denn Akzeptiert: 07.03.2022 Veröffentlicht: 30.03.2022 der Gründungspräambel der Weltgesundheitsorganisation Behinderung und Gesundheit schließen einander nicht aus. (WHO). Spätestens seit der Ottawa-Charta der WHO (1986) Vor allem macht die ICF deutlich, dass Gesundheitsschä- ist dieses Verständnis von Gesundheit zwar bekannt, aber digungen nicht zwangsläufig Aktivitäten einschränken und vielen nicht unbedingt gegenwärtig, wenn von „Gesund- soziale Beeinträchtigungen nach sich ziehen, sondern dass heit“ die Rede ist. Oftmals trennen wir weiterhin in die bei- dies entscheidend vom Zusammenspiel von umwelt- und den Pole Gesundheit und Krankheit. Besonders mit chro- personenbezogenen Faktoren abhängt. Wir können also nischen Krankheiten und Behinderungen wird schnell ein etwas tun – sowohl als Betroffene von Gesundheitsschä- statischer und damit ein dauerhafter, unveränderlicher digungen als auch in der Rolle der „Umwelt“. Wie sehr wir Zustand in Verbindung gebracht. Menschen in ihrem Bedürfnis nach Selbständigkeit unter- Doch die Forschung zeigt, dass auch chronische Erkran- stützen, sei es zum Beispiel durch private und professio- kungen durchaus veränderbar sind. Studien verweisen bei- nelle Hilfen, durch medizinischen und technologischen spielsweise darauf, dass durch Veränderungen im Lebens- Fortschritt, oder durch Wohnungs- und Städtebau, ist nicht stil Bluthochdruck deutlich gesenkt und Typ 2 Diabetes nur ein wichtiger Hebel, um Gesundheitsschädigungen nachhaltig reduziert werden kann [1, 2]; das sind nur zwei nicht zu Behinderungen und sozialen Handicaps werden von vielen Beispielen, die für unsere Lebensqualität und zu lassen. Es ist auch ein Ausdruck dessen, wie mitmensch- unsere Lebenserwartung von großer Bedeutung sind. lich wir unsere Gesellschaft gestalten. Auch unser Blick auf Einschränkungen und Behinderun- Die drei Focus-Artikel der aktuellen Ausgabe des Jour- gen hat sich über die letzten Jahrzehnte verändert. Das von nal of Health Monitoring von Laura Krause, Franziska Prütz, der WHO 1980 etablierte Internationale Klassifikationssys- Judith Fuchs und ihren Koautorinnen sensibilisieren für tem ICIDH beschrieb Krankheiten, Gesundheitsschädigun- die gesundheitliche Vielfalt über die Lebensspanne, indem gen (Impairments), Behinderungen (Disabilities) und sie Behinderungen und gesundheitliche Beeinträchtigun- deren soziale Folgen (Handicaps) in der Form einer Kau- gen von Kindern und Jugendlichen ebenso wie von jünge- salkette, so als wäre dies eine nahezu zwangsläufige ren und älteren Erwachsenen untersuchen. Alle drei Bei- Abfolge. Erst um die Jahrtausendwende leitete die WHO träge verdeutlichen den hohen Bedarf an Prävention, um Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 3
Journal of Health Monitoring Monitoring gesundheitlicher Vielfalt über die Lebensspanne EDITORIAL Folgeerkrankungen und -probleme zu vermeiden. Unab- Die WHO hat das laufende Jahrzehnt zur Dekade des hängig von ihrem Alter haben Menschen mit gesundheit- gesunden Älterwerdens erklärt und den Regierungen und lichen Herausforderungen ein höheres Risiko, weitere Gesellschaften dabei vier Aufgaben mitgegeben: Ältere gesundheitliche Probleme zu bekommen, wie an den Menschen müssen Zugang zu einer guten Langzeitpflege Ergebnissen zur Mundgesundheit von Kindern, depressi- haben; ältere Menschen sollten Zugang zu allen Formen ven Symptomen bei Erwachsenen sowie dem Mangel an gesundheitlicher Versorgung haben, einschließlich Präven- Unterstützung bei basalen Aktivitäten im Alter beispielhaft tion und Gesundheitsförderung; die physische und soziale sichtbar wird. Sie alle haben besondere Risiken, da sie jeden Umwelt und auch das wirtschaftliche Umfeld sollte Tag in weit größerem Maß auf ihre psychischen, sozialen, altersfreundlicher werden; und schließlich sollten negative finanziellen oder Wissensressourcen zurückgreifen müs- Altersstereotype, Vorurteile und Diskriminierungen gegen- sen als Menschen ohne vergleichbare gesundheitliche Her- über älteren Menschen bekämpft werden. Diese vier Ziele ausforderungen. Dadurch laufen sie stärker Gefahr, dass erfordern einen besonderen Blick auf die schnell wach- ihre Ressourcen erschöpft werden. Das gilt besonders für sende Gruppe der älteren Menschen. Ersetzen wir bei allen jene, die ohnehin schon geringere Ressourcen mitbringen. vier Zielen „ältere“ durch „alle“, wird zugleich deutlich, In den vergangenen Jahren haben die Studien des RKI- dass eine Erreichung dieser Ziele der Vielfalt über die Gesundheitsmonitorings und die Gesundheitsberichterstat- gesamte Lebensspanne zugutekommt. tung an Vielfalt gewonnen. Migrationssensible Methoden der Datenerhebung wurden etabliert (Ausgabe 3/2019 des Korrespondenzadresse Prof. Dr. Susanne Wurm Journal of Health Monitoring, JoHM). Über die Gesundheit Universitätsmedizin Greifswald von Geflüchteten (Ausgabe 1/2021 des JoHM) und von les- Leitung der Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin bischen, schwulen, bisexuellen sowie trans- und interge- Institut für Community Medicine schlechtlichen Menschen wurde berichtet (Special Issue Walther-Rathenau-Str. 48 S1/2020 des JoHM). Die aktuelle Ausgabe liefert eine wich- 17475 Greifswald E-Mail: susanne.wurm@med.uni-greifswald.de tige, ergänzende Perspektive auf die gesundheitliche Vielfalt über die Lebensspanne. Diese begonnenen Perspektiven Zitierweise fortzusetzen, ist eine besondere Herausforderung. Wie kann Wurm S (2022) für jene Bevölkerungsgruppen ein möglichst repräsentatives Monitoring gesundheitlicher Vielfalt über die Lebensspanne. Abbild gewonnen werden, die für Studien schwer zu gewin- J Health Monit 7(1): 3–6. DOI 10.25646/9567 nen sind? Dies gilt besonders für ältere Menschen, die pfle- gebedürftig in der eigenen Häuslichkeit oder im Pflegeheim leben. Die COVID-19 Pandemie hat ein Brennglas darauf Die englische Version des Artikels ist verfügbar unter: gerichtet, wie schwierig ihre Lebenssituation oftmals ist. www.rki.de/journalhealthmonitoring-en Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 4
Journal of Health Monitoring Monitoring gesundheitlicher Vielfalt über die Lebensspanne EDITORIAL Interessenkonflikt Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1. Roerecke M, Kaczorowski J, Tobe SW et al. (2017) The effect of a reduction in alcohol consumption on blood pressure: a systematic review and meta-analysis. The Lancet Public Health 2(2):e108–e120 2. Hallberg SJ, Gershuni VM, Hazbun TL et al. (2019) Reversing Type 2 Diabetes: A Narrative Review of the Evidence. Nutrients 11(4) Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 5
Journal of Health Monitoring Monitoring gesundheitlicher Vielfalt über die Lebensspanne EDITORIAL Impressum Journal of Health Monitoring Herausgeber Robert Koch-Institut Nordufer 20 13353 Berlin Redaktion Johanna Gutsche, Dr. Birte Hintzpeter, Dr. Franziska Prütz, Dr. Martina Rabenberg, Dr. Alexander Rommel, Dr. Livia Ryl, Dr. Anke-Christine Saß, Stefanie Seeling, Dr. Thomas Ziese Robert Koch-Institut Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring Fachgebiet Gesundheitsberichterstattung General-Pape-Str. 62–66 12101 Berlin Tel.: 030-18 754-3400 E-Mail: healthmonitoring@rki.de www.rki.de/journalhealthmonitoring Satz Kerstin Möllerke, Alexander Krönke ISSN 2511-2708 Hinweis Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im International Lizenz. Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 6
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS Journal of Health Monitoring · 2022 7(1) DOI 10.25646/9569 Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungs Robert Koch-Institut, Berlin bedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS Judith Fuchs, Beate Gaertner, Franziska Prütz Abstract Robert Koch-Institut, Berlin Die Ausübung von Aktivitäten des täglichen Lebens ist ein wichtiger Bestandteil der Funktionsfähigkeit eines Menschen. Abteilung für Epidemiologie und Gesundheits- Falls Einschränkungen vorliegen, ist Unterstützung bei diesen Tätigkeiten erforderlich. Anhand von Daten der Studie GEDA monitoring 2019/2020-EHIS wird dargestellt, wie viele der in Privathaushalten lebenden Personen ab 55 Jahren in Deutschland Eingereicht: 05.01.2022 Einschränkungen in Alltagsaktivitäten aufweisen. Schwere Einschränkungen in den basalen (grundlegenden) Aktivitäten Akzeptiert: 04.03.2022 (z. B. der Nahrungsaufnahme) geben 5,8 % der Frauen und 3,7 % der Männer an. Der Anteil nimmt mit dem Alter zu, von Veröffentlicht: 30.03.2022 den ab 80-Jährigen sind 13,4 % der Frauen und 9,0 % der Männer betroffen. Schwere Einschränkungen bei den instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (z. B. Einkäufe erledigen) sind bei Personen unter 80 Jahren eher selten. Der Anteil bei den ab 80-Jährigen liegt bei den Frauen bei 35,9 % und bei den Männern bei 21,0 %. Bei Einschränkungen der basalen Aktivitäten erhalten 68,1 % der betroffenen Frauen und 57,5 % der Männer Hilfe und Unterstützung. Frauen berichten zudem häufiger über fehlende Unterstützung (48,8 % vs. 43,2 %). Bei den instrumentellen Aktivitäten ist die Lage etwas besser. Die Ergebnisse aus der Studie GEDA 2019/2020-EHIS zeigen, in welchen Bereichen des täglichen Lebens ältere und hochaltrige Menschen eingeschränkt sind, geben einen Eindruck, wer besonders betroffen ist und wo Unterstützungsleistungen nicht ausreichend sind. Sie liefern damit Anhaltspunkte, wo unterstützend angesetzt werden kann, um älteren Menschen einen langen Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen. AKTIVITÄTEN DES TÄGLICHEN LEBENS · ÄLTERE MENSCHEN · DEUTSCHLAND · GESUNDHEITSMONITORING 1. Einleitung die körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit abnimmt [2]. Die Erfassung der Einschränkungen in basalen und ins- Infolge des demografischen Wandels nimmt der Anteil der trumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens liefert älteren Menschen an der Bevölkerung zu; laut Angaben Anhaltspunkte, wo besondere Defizite vorhanden sind und des Statistischen Bundesamts wird die Zahl von Personen damit Möglichkeiten, die Gesamtsituation älterer Men- im Alter ab 67 Jahren zwischen 2020 und 2035 in Deutsch- schen zu verbessern [2–4]. land um 22 % steigen [1]. Dabei altern Menschen sehr unter- Die Zahl der Personen, die über Einschränkungen in schiedlich, allerdings steigt mit zunehmendem Lebensalter Aktivitäten des täglichen Lebens berichten, nimmt auch in die Wahrscheinlichkeit, dass Erkrankungen auftreten und Deutschland mit dem Alter zu [5]. Diese führen dazu, dass Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 7
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS Personen in der Teilhabe und Autonomie eingeschränkt mit Aktivitätseinschränkungen zeigen, dass der selbstein- GEDA 2019/2020EHIS und auf Unterstützung angewiesen sind. Im Zuge der geschätzte Gesundheitszustand Prädiktor für nachfolgende Fünfte Folgeerhebung der Studie Gesundheit in demografischen Entwicklung wird die Zahl der Betroffenen Einschränkungen ist [8]. Deutschland aktuell zukünftig weiter ansteigen. Gesundheitsbedingte Einschränkungen des Alltagsle- Datenhalter: Robert Koch-Institut Unklar ist, wie viele Personen in der aktuell in Deutsch- bens werden mit dem Global Activity Limitation Indicator land lebenden Allgemeinbevölkerung ab 55 Jahren Ein- (GALI) erfasst, der die Internationale Klassifikation der Ziele: Bereitstellung zuverlässiger Informationen schränkungen in Alltagsaktivitäten aufweisen, in welchen Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) [4] über den Gesundheitszustand, das Gesundheits- verhalten und die gesundheitliche Versorgung der Bereichen sie besonders beeinträchtigt sind und welchem als konzeptionellen Rahmen verwendet und als globales, Bevölkerung in Deutschland, mit Möglichkeit zum Personenkreis Unterstützung in der Ausübung von Alltags selbstberichtetes Maß für die Einschränkung der Teilhabe europäischen Vergleich aktivitäten fehlt. Weiterhin von Interesse ist eine Beschrei- fungiert [9]. Studiendesign: Telefonische Querschnitterhebung bung des Zusammenhangs mit weiteren Gesundheitsin- Seh- und Hörbehinderungen stehen in signifikantem dikatoren und soziodemografischen Variablen [6]. Zusammenhang mit Einschränkungen bei den Aktivitäten Grundgesamtheit: Deutschsprachige Bevölke- Im Rahmen der Studie Gesundheit in Deutschland aktu- des täglichen Lebens, wobei keine geschlechtsspezifi- rung ab 15 Jahren in Privathaushalten, die über Festnetz oder Mobilfunk erreichbar sind ell (GEDA) werden Einschränkungen bei Tätigkeiten im schen Unterschiede festgestellt wurden. Die frühzeitige Zusammenhang mit der Körperpflege und Haushaltstätig- Erkennung und wirksame Behandlung von Seh- und Hör- Stichprobenziehung: Zufallsstichprobe von Fest- netz- und Mobilfunknummern (Dual-Frame- keiten erhoben. Das Ziel des Beitrags ist es, das Vorliegen behinderungen sind wichtig, um Einschränkungen bei Verfahren) aus dem Stichprobensystem des von Einschränkungen in Aktivitäten des täglichen Lebens den alltäglichen Verrichtungen zu verhindern und die ADM (Arbeitskreis Deutscher Markt- und (Infobox) bei Menschen ab 55 Jahren in Deutschland nach Unabhängigkeit älterer Menschen zu verbessern [10]. Sozialforschungsinstitute e. V.) Geschlecht und Altersgruppen zu beschreiben. Zusätzlich Auch Mobilitätseinschränkungen gehen oft Einschrän- Stichprobenumfang: 23.001 Teilnehmende erfolgt eine Charakterisierung eingeschränkter und nicht kungen der basalen (grundlegenden) und instrumentel- eingeschränkter Personen nach krankheitsrelevanten und len Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL/IADL-Ein- Datenerhebungszeitraum: April 2019 bis September 2020 soziodemografischen Merkmalen. Auch soll aufgezeigt schränkungen) voran und können so als Anhaltspunkt für werden, ob eingeschränkte Personen ausreichend Unter- präventive Maßnahmen dienen [11]. GEDA-Erhebungswellen: GEDA 2009 stützung erhalten. Dies dient der Identifizierung von Per- Bei den möglichen soziodemografischen Einflussfak- GEDA 2010 sonen, die deutlich von Einschränkungen betroffen sind, toren spielt neben dem Alter das Geschlecht für die GEDA 2012 und der Darstellung von Präventionspotenzialen und Ver- Gesundheit insgesamt und damit auch für das ADL/ GEDA 2014/2015-EHIS GEDA 2019/2020-EHIS sorgungsbedarfen. IADL-Geschehen eine zentrale Rolle [12]. Niedrige Bildung Mit der Selbsteinschätzung des Gesundheitszustands und Armut sind Risikofaktoren für ADL- und IADL-Ein- Mehr Informationen unter liegt ein Indikator vor, der die Wahrnehmung der eigenen schränkungen [13, 14]. Darüber hinaus hat auch die Fami- www.geda-studie.de Gesundheit abbildet und dabei nicht nur die körperliche lienzusammensetzung einen bedeutsamen Einfluss, wie Gesundheit, sondern auch den psychologischen Status und Ergebnisse aus der irischen Längsschnittstudie zeigen [15]. die Lebensqualität umfasst [7]. Analysen im Zusammenhang Aus den USA und aus der SHARE-Studie ist bekannt, dass Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 8
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS sich städtische und ländliche Regionen in der Häufigkeit 2.2 Indikatoren Infobox von Einschränkungen unterscheiden [16, 17]. Basale und instrumentelle Aktivitäten Einschränkungen bei Aktivitäten des täglichen Lebens des täglichen Lebens (ADL/IADL) 2. Methode Bei der Erfassung der Einschränkungen bei Aktivitäten Nach der Internationalen Klassifikation der Funk- 2.1 Studiendesign und Stichprobe des täglichen Lebens im Alltag wurde auf international tionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) etablierte Instrumente des European Health Interview ist eine Aktivitätsbeeinträchtigung eine Schwierig- GEDA ist eine bundesweite Querschnittbefragung der in Surveys (EHIS) zurückgegriffen [26]. Die Fragen messen keit oder die Unmöglichkeit, die ein Mensch haben kann, eine bestimmte Aktivität durchzuführen. Deutschland lebenden Wohnbevölkerung (Infobox). Die die Fähigkeit und die erhaltene oder benötigte Hilfe in Die Erfassung der Einschränkungen von Aktivitä- GEDA-Studie wird seit 2008 im Auftrag des Bundesminis- Bezug auf fünf basale Aktivitäten (ADL) in Anlehnung an ten des täglichen Lebens erfolgt in Forschung und Praxis häufig mit Hilfe von zwei Instrumenten, teriums für Gesundheit vom Robert Koch-Institut (RKI) in Katz et al. [18] und sieben instrumentelle Aktivitäten die Einschränkungen in den sogenannten basa- mehrjährigen Abständen durchgeführt und ist ein Bestand- (IADL) des täglichen Lebens in Anlehnung an Lawton and len Aktivitäten (activities of daily living, ADL) und teil des Gesundheitsmonitorings am RKI [21, 22]. Die fünfte Brody [20] (Infobox). Die Teilnehmenden wurden jeweils den instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (instrumental activities of daily living, Folgeerhebung, GEDA 2019/2020-EHIS, fand zwischen April gefragt, ob sie normalerweise Schwierigkeiten hätten, die- IADL) erfassen. 2019 und September 2020 mittels computergestützter tele- se Tätigkeit ohne Hilfe auszuführen. Antwortkategorien ADL umfassen die grundlegenden Tätigkeiten der fonischer, vollstrukturierter Interviews statt. Die Erhebung waren „Keine“, „Einige“, „Große Schwierigkeiten“ und Erfüllung der Grundbedürfnisse wie zum Beispiel Essen, Körperhygiene, Aufstehen, Ankleiden oder basierte auf einer Zufallsstichprobe von Festnetz- und Mobil- „Es ist mir nicht möglich“. Die IADL enthielten als zusätz- Toilettenbenutzung. Die am häufigsten verwende- funknummern (Dual-Frame-Verfahren) [23]. Die Grundge- liche Antwortkategorie „Nicht zutreffend (habe ich nie ten Indizes wurden 1963 von Katz et al. [18] und samtheit umfasste die in privaten Haushalten lebende Bevöl- versucht bzw. getan)“. Für die Auswertungen zu vorhan- 1965 von Mahoney und Barthel [19] veröffentlicht. IADL umfassen weitergehende Aufgaben des täg- kerung ab 15 Jahren, deren üblicher Aufenthaltsort zum denen Einschränkungen wurden die Variablen dichotomi- lichen Lebens, deren Bewältigung komplexer ist. Zeitpunkt der Datenerhebung in Deutschland liegt. Insge- siert: „Große Schwierigkeiten/Tätigkeit nicht möglich“ Hierunter werden zum Beispiel Aktivitäten wie Telefonieren, Einkaufen, Erledigen von Bankge- samt haben 23.001 Personen mit verwertbaren Interviews gegenüber „Keine/einige Schwierigkeiten bzw. nicht schäften, Haushaltsführung, Einnahme von Medi- an GEDA 2019/2020-EHIS teilgenommen (12.101 Frauen, zutreffend“. Auf dieser Basis wurden die Variablen zu den kamenten und Nutzung von Transportmitteln 10.838 Männer, 62 andere Geschlechtsidentität bzw. keine jeweiligen ADL- beziehungsweise IADL-Einschränkungen gefasst. IADL werden mittels eines Scores erfasst, der auf den Arbeiten von Lawton und Brody aus Angabe). Die Responserate betrug nach den Standards der generiert. Personen, die mindestens eine ADL- bezie- dem Jahr 1969 [20] basiert. American Association for Public Opinion Research 21,6 % hungsweise IADL-Einschränkung angaben, wurden als Fortsetzung nächste Seite [24]. Eine ausführliche Darstellung der Methodik sowie Ein- ADL- beziehungsweise IADL-eingeschränkt definiert. ordnung der Responserate von GEDA 2019/2020-EHIS fin- Bei Personen mit einer ADL- beziehungsweise IADL-Ein- det sich an anderer Stelle [25]. Fragen zu Einschränkungen schränkung wurde der Erhalt von Hilfe mit folgender Frage in Alltagsaktivitäten wurden erst ab einem Alter von 55 Jah- analysiert: „Denken Sie nun an Tätigkeiten im Zusammen- ren gestellt, sodass die vorliegende Stichprobe 12.985 Per- hang mit der Körperpflege und weiteren persönlichen sonen umfasst (7.086 Frauen, 5.871 Männer, 28 andere Bedürfnissen (ADL) beziehungsweise Tätigkeiten im Haus- Geschlechtsidentität bzw. keine Angabe). halt (IADL), bei denen Sie Schwierigkeiten haben, sie ohne Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 9
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS Hilfe auszuführen. Haben Sie normalerweise Hilfe bei Sie eine chronische Krankheit oder ein lang andauerndes Infobox (Fortsetzung) diesen Tätigkeiten?“ mit den Antwortoptionen „Ja, bei gesundheitliches Problem? Damit gemeint sind Krank- mindestens einer Tätigkeit“ und „Nein“. Die jeweils erhal- heiten oder gesundheitliche Probleme, die mindestens In GEDA 2019/2020-EHIS werden ADL über die Variablen Essen oder Trinken, sich von einem Bett tene Unterstützung wurde mit „Ja“ beziehungsweise 6 Monate andauern oder voraussichtlich andauern wer- oder Stuhl erheben oder sich darauf niederlassen, „Nein“ kodiert. In einer weiteren Frage wurde bei Perso- den“. Antwortmöglichkeiten umfassten „Ja“, „Nein“ oder An- und Ausziehen, Toilettenbenutzung und Baden oder Duschen (in Anlehnung an Katz et al. nen mit Unterstützung erfragt, ob mehr Hilfe benötigt „Weiß nicht“. 1963) erfasst. IADL werden über die folgenden wird, bei Personen ohne Unterstützung, ob Hilfe benötigt Die gesundheitsbedingten Einschränkungen des All- Tätigkeiten erfasst: Mahlzeiten zubereiten, das wird. „(Mehr) Unterstützung benötigt“ wurde dann defi- tagslebens wurden mit dem Global Activity Limitation Indi- Telefon benutzen, Einkäufe erledigen, Medika- menteneinnahme organisieren (z. B. Pillendose niert, wenn nach Selbstangaben mehr Hilfe oder Hilfe cator (GALI) über Selbstangabe der Befragten erfasst [27]. vorbereiten), leichte Hausarbeit erledigen (z. B. benötigt wurde. Die Frage lautete „Sind Sie durch ein gesundheitliches Pro- Geschirr spülen), gelegentlich schwere Hausarbeit blem bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens einge- erledigen (z. B. Fußböden wischen) und Organi- sation finanzieller und alltäglicher Verwaltungs- Kovariablen schränkt?“ (Antwortkategorien: stark eingeschränkt, mäßig angelegenheiten (z. B. Rechnungen bezahlen) (in Mit den drei Fragen des sogenannten Minimum European eingeschränkt, nicht eingeschränkt). Eingeschränkte Per- Anlehnung an Lawton und Brody 1969). Health Module (MEHM) [27] wird summarisch die Selbst- sonen wurden zusätzlich gefragt, ob die Einschränkungen Quelle: Adaptiert nach Gaertner et al. 2019 [5] einschätzung der allgemeinen Gesundheit, das Vorhan- „Weniger als 6 Monate“ beziehungsweise „6 Monate und densein chronischer Krankheiten und gesundheitsbeding- länger“ andauerten. Der Zeitraum „Mehr als 6 Monate“ te Einschränkungen des Alltagslebens erfasst. Das MEHM wurde auf europäischer Ebene entwickelt, um dem ist Bestandteil des Europäischen Surveys zu Einkommen Umstand einer längerfristigen Einschränkung Rechnung und Lebensbedingungen (EU-SILC) und des EHIS und lie- zu tragen [28]. Für die Analysen wurde dieses Konzept über- fert europaweit vergleichbare Angaben zur subjektiven nommen; Personen, die seit mehr als sechs Monaten ein- Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustands. geschränkt waren, werden als längerfristig gesundheitlich Der selbsteingeschätzte allgemeine Gesundheitszu- eingeschränkt definiert. Alle anderen Personen gelten als stand wird entsprechend einer Empfehlung der Weltge- nicht längerfristig eingeschränkt. sundheitsorganisation (WHO) mit folgender Frage erfasst: Einschränkungen des Sehvermögens wurden folgender- „Wie ist Ihr Gesundheitszustand im Allgemeinen?“. Die maßen erfasst: „Haben Sie Schwierigkeiten beim Sehen, Befragten wurden gebeten, eine von fünf vorgegebenen selbst wenn Sie Ihre Brille oder Kontaktlinsen tragen? Wür- Antwortmöglichkeiten auszuwählen. Für die Auswertung den Sie sagen… keine, einige, große Schwierigkeiten oder wurden diese dichotomisiert, wobei: „Sehr gut“, „Gut“, es ist mir nicht möglich“. Für die Auswertungen wurden „Mittelmäßig“ und „Schlecht“, „Sehr schlecht“ zusam- diese dichotomisiert: keine schwerwiegenden Schwierig- mengefasst wurden [27]. Das Vorliegen einer chronischen keiten (keine und einige Schwierigkeiten) und schwerwie- Krankheit oder eines lang andauernden gesundheitlichen gende Schwierigkeiten (große Schwierigkeiten oder es ist Problems wurde über die folgende Frage erhoben: „Haben mir nicht möglich). Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 10
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS Einschränkungen des Hörvermögens wurden über zwei Auswertungen nach Geschlecht nicht ausgewiesen. Für die Fragen erfasst: „Haben Sie Schwierigkeiten, zu hören, was Analysen wurde das Alter in Jahren in die Altersgruppen 55 in einem Gespräch mit einer anderen Person in einem ruhi- bis 64, 65 bis 79 und 80 Jahre und älter unterteilt. Für die gen Raum gesagt wird, selbst wenn Sie ein Hörgerät tra- Haushaltsgröße wurde eine dichotome Variable erstellt: gen?“ und „Haben Sie Schwierigkeiten, zu hören, was in Personen, die angaben, in einem Einpersonenhaushalt zu einem Gespräch mit einer anderen Person in einem laute- leben und Personen, die angaben, in einem Mehrperso- ren Raum gesagt wird, selbst wenn Sie ein Hörgerät tra- nenhaushalt zu leben, unabhängig vom Haushaltstyp (Paar gen?“ jeweils mit den Antwortmöglichkeiten: „Würden Sie mit oder ohne Kinder, alleinerziehend u. a.). Die Bildungs- sagen… keine, einige, große Schwierigkeiten oder es ist mir niveaus wurden nach CASMIN-Klassifikation (Comparative nicht möglich“. Für die Auswertungen wurden diese in einer Analyses of Social Mobility in Industrial Nations) mithilfe dichotomen Variable als Schwierigkeiten beim Hören schulischer und berufsbildender Bildungsabschlüsse einer zusammenfasst: keine schwerwiegenden Schwierigkeiten niedrigen, mittleren und hohen Bildungsgruppe zugewie- (jeweils keine oder einige Schwierigkeiten) und schwerwie- sen [29]. Beim Einkommen wurde das imputierte Äquiva- gende Schwierigkeiten (mindestens einmalig große Schwie- lenzeinkommen (nach Haushaltsgröße und -zusammen- rigkeiten oder es ist mir nicht möglich). setzung gewichtetes Einkommen, fehlende Angaben Mobilitätseinschränkungen wurden mit den Fragen: werden geschätzt) verwendet und Personen, denen weni- „Haben Sie Schwierigkeiten einen halben Kilometer, also ger als 60 % des Medianeinkommens zur Verfügung stand, 500 Meter auf ebenem Gelände ohne Gehhilfe zu gehen?“ als unterhalb der Armutsgrenze lebend erachtet. Für die und „Haben Sie Schwierigkeiten eine Treppe mit 12 Stufen Gemeindegröße wurde die Variable politische Gemeinde- hinauf- oder hinabzusteigen?“ erhoben. Für die Auswer- größenklasse (kategorisiert Stand: 13.12.2018) verwendet, tungen wurden diese in einer dichotomen Variable als die in vier Kategorien eingeteilt ist: ländlich (< 5.000 Ein- Mobilitätseinschränkungen zusammengefasst: keine wohner), kleinstädtisch (5.000 – < 20.000 Einwohner), mit- schwerwiegenden Einschränkungen (jeweils keine oder telstädtisch (20.000 – < 100.000 Einwohner) und großstäd- einige Schwierigkeiten) und schwerwiegende Einschrän- tisch (100.000 Einwohner und mehr). kungen (mindestens einmalig große Schwierigkeiten oder es ist mir nicht möglich). 2.3 Statistische Auswertung Zur Beschreibung von Geschlechterunterschieden wurde die Geschlechtsidentität verwendet. Die Befragten Die Prävalenzen werden insgesamt oder stratifiziert nach konnten angeben, welchem Geschlecht sie sich zugehörig Geschlechtsidentität, Alters- und Bildungsgruppen mit fühlen (Frau, Mann, andere Geschlechtsidentität). Auf- 95 %-Konfidenzintervallen (95 %-KI) dargestellt. Bei den grund der geringen Fallzahlen werden Personen, die eine Prävalenzen handelt es sich um Schätzwerte für den andere oder keine Geschlechtsidentität angaben, in den Anteil der zu einem Zeitpunkt betroffenen Personen in Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 11
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS der Zielgruppe. Ihre Präzision kann mithilfe von Konfi- Alle Analysen wurden mit Stata 17.0 (Stata Corp., Col- denzintervallen beurteilt werden – breite Konfidenzinter- lege Station, TX, USA, 2017) durchgeführt. Um die Gewich- valle deuten auf eine größere statistische Unsicherheit tung angemessen bei der Berechnung von Konfidenzin- der Ergebnisse hin. tervallen und p-Werten zu berücksichtigen, wurden alle Um Abweichungen der Stichprobe von der Bevölke- Analysen mit den Surveyprozeduren von Stata 17.0 durch- rungsstruktur zu korrigieren, wurden die Analysen mit geführt. Es wird von einem statistisch signifikanten Unter- einem Gewichtungsfaktor durchgeführt. Im Rahmen der schied zwischen Gruppen ausgegangen, wenn der ent- Datengewichtung erfolgte zunächst eine Designgewichtung sprechende p-Wert („Pearson 2 statistic for two-way 5,8 % der Frauen und 3,7 % für die unterschiedlichen Auswahlwahrscheinlichkeiten tables”, d. h. Pearsons chi²-Statistik) kleiner als 0,05 ist. der Männer ab 55 Jahren sind (Mobilfunk und Festnetz). Anschließend erfolgte eine Anpassung an die amtlichen Bevölkerungszahlen bezogen 3. Ergebnisse bei mindestens einer basalen auf Alter, Geschlecht, Bundesland und Kreistyp (Stand: 3.1 Einschränkungen bei basalen Aktivitäten Aktivität des täglichen 31.12.2019). Zusätzlich wurde die Stichprobe an die Bil- des täglichen Lebens (ADL) Lebens (ADL) eingeschränkt, dungsverteilung im Mikrozensus 2017 nach der Internati- dieser Anteil nimmt mit onalen Standardklassifikation für das Bildungswesen Einzelne ADL-Einschränkungen wurden von Frauen und dem Alter zu. (ISCED-Klassifikation) angepasst [30]. Männern insgesamt sehr selten angegeben (0,3 % bis 4,5 %, Annex Tabelle 1). Bei einzelnen Einschränkungen wurde bei Anteil (%) 45 den 80-jährigen und älteren Frauen und Männern im Ver- 40 gleich zu den unter 80-Jährigen signifikant häufiger ange- geben, Schwierigkeiten beim Baden oder Duschen (11,1 % 35 bzw. 7,1 %) und beim Erheben oder Niederlassen vom Bett 30 oder Stuhl (4,6 % bzw. 4,4 %) zu haben. 25 Der Anteil an Personen, die mindestens in einer ADL 20 schwere Einschränkungen aufweisen, ist mit 5,8 % bei Frauen und 3,7 % bei Männern gering. Es zeigte sich eine 15 signifikante Zunahme mit dem Alter auf 13,4 % bei Frauen 10 und 9,0 % bei Männern ab 80 Jahren (Abbildung 1). Abbildung 1 5 Prozentualer Anteil an Personen, die mindestens eine schwere ADL-Einschränkung angeben, nach Geschlecht und Alter 55 – 64 65 – 79 ≥ 80 Gesamt Altersgruppe (Jahre) (gewichtete Analysen) Frauen Männer Quelle: GEDA 2019/2020-EHIS ADL = basale Aktivitäten des täglichen Lebens Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 12
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS 3.2 Einschränkungen bei instrumentellen Aktivitäten der Frauen, 2,3 % der Männer). Das Telefon zu benutzen des täglichen Lebens (IADL) bereitet nur einer sehr geringen Anzahl der Befragten Prob- leme, was sich auch durch den Erhebungsmodus (Telefon- Insgesamt ist die jüngste Altersgruppe relativ selten von interview) erklären lässt. IADL-Einschränkungen betroffen. Bei allen Einschränkungen Ähnlich wie bei den ADL ist der Anteil von Personen, gibt es eine Zunahme der Häufigkeit mit steigendem Alter. die mindestens eine schwere IADL-Einschränkung ange- Die am häufigsten genannte Einschränkung ist „gelegent- ben, bei den Personen unter 80 Jahren eher gering. Der lich schwere Hausarbeit erledigen“. Sie wird insgesamt von Anteil steigt allerdings bei den ab 80-Jährigen deutlich an 13,9 % der Frauen und 7,9 % der Männer angegeben, wobei und liegt in dieser Altersgruppe bei den Frauen bei 35,9 % Als häufigste basale Frauen (33,5 %) und Männer (19,6 %) in der Altersgruppe ab und bei den Männern bei 21,0 % (Abbildung 2). Alltagseinschränkung werden 80 Jahren signifikant häufiger davon berichten (Annex Tabel- von den Frauen und Männern le 2). An zweiter Stelle steht mit einer Prävalenz von 7,6 % 3.3 Charakterisierung von Personengruppen mit ab 80 Jahren mit 11,1 % und (Frauen) beziehungsweise 3,9 % (Männer) „Einkäufe erledi- Einschränkungen in basalen und instrumentellen gen“, auch hier häufiger bei den Hochaltrigen (Frauen 19,6 %, Alltagsaktivitäten 7,1 % große Schwierigkeiten Männer 9,1 %). An dritter Stelle steht die Organisation finan- beim Baden oder Duschen zieller und alltäglicher Verwaltungsangelegenheiten (3,1 % Im Folgenden werden die Ergebnisse des Vergleichs von angegeben. Personen mit und ohne Einschränkungen in basalen und Anteil (%) 45 instrumentellen Alltagsaktivitäten im Hinblick auf die 40 Gesundheitsindikatoren dargestellt. Es zeigt sich, dass bei beiden Geschlechtern ADL- beziehungsweise IADL-einge- 35 schränkte Personen signifikant häufiger beim Gesundheits- 30 zustand, bei den gesundheitsbedingten Einschränkungen 25 (Global Activity Limitation Indicator, GALI), dem Vorliegen von chronischen Krankheiten, dem Seh- und Hörvermögen 20 und der Mobilität Einschränkungen angegeben werden 15 (Abbildung 3 und Annex Tabelle 3). Etwa jede zweite Person 10 mit ADL-Einschränkung (49,0 % der Frauen, 55,4 % der Män- Abbildung 2 ner) gibt einen schlechten oder sehr schlechten Gesund- 5 Prozentualer Anteil an Personen, die heitszustand an, während dies bei den Personen ohne mindestens eine schwere IADL-Einschränkung angeben, nach Geschlecht und Alter 55 – 64 65 – 79 ≥ 80 Gesamt ADL-Einschränkung etwa jede zehnte Person betrifft (9,2 % Altersgruppe (Jahre) bzw. 11,1 %). Ähnliche Ergebnisse zeigen sich für IADL-Ein- (gewichtete Analysen) Frauen Männer Quelle: GEDA 2019/2020-EHIS IADL = instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens schränkungen (Abbildung 4 und Annex Tabelle 3). Noch Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 13
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS deutlicher unterscheiden sich in ihren Alltagsaktivitäten Seh- beziehungsweise Höreinschränkungen werden in eingeschränkte Befragte hinsichtlich gesundheitsbedingter der Bevölkerung ab 55 Jahren von wenigen Befragten ange- Einschränkungen (GALI): 63,3 % der Frauen und 63,0 % geben, treten aber bei den Personen mit ADL-/IADL-Ein- der Männer mit ADL- und 50,6 % der Frauen und 58,2 % schränkung signifikant häufiger auf (Annex Tabelle 3). der Männer mit IADL-Einschränkung geben diese an. Bei Besonders deutlich ist der Unterschied bei den Mobilitäts- den Personen ohne ADL- oder IADL-Einschränkungen ist einschränkungen: Etwa zwei Drittel der ADL-/IADL-einge- es nur etwa jede zehnte Person. schränkten Frauen und Männer geben diese an; insbeson- Nur ein geringer Anteil Der überwiegende Anteil der Befragten mit ADL-/IADL-Ein- dere Frauen mit ADL-Einschränkung (85,8 %). der unter 80-Jährigen ist schränkungen ist seit mindestens sechs Monaten chronisch Bei den soziodemografischen Angaben zeigt sich, dass von instrumentellen krank: 84,8 % der Frauen und 86,3 % der Männer mit ADL- ADL- beziehungsweise IADL-eingeschränkte Befragte häu- und 84,1 % der Frauen und 85,4 % der Männer mit IADL-Ein- figer über eine niedrige Bildung und ein geringeres Ein- Einschränkungen des schränkungen geben dies an (Abbildung 3, Abbildung 4 und kommen verfügen und häufiger in Einpersonenhaushalten täglichen Lebens (IADL) Annex Tabelle 3). Dagegen geben 60 % der Personen ohne leben als nichteingeschränkte Personen (Annex Tabelle 4). betroffen, dagegen von ADL-/IADL-Einschränkung an, chronisch krank zu sein. Bei den Personen mit ADL-Einschränkung weisen 58,8 % den ab 80-Jährigen Anteil (%) 100 35,9 % der Frauen und 90 21,0 % der Männer. 80 70 60 50 40 30 20 10 Abbildung 3 Prozentuale Anteile der Schlechter/ Starke Einschränkungen Seit mind. sechs Schwerwiegende Schwerwiegende Schwerwiegende Mobi- Gesundheitsindikatoren nach Geschlecht sehr schlechter durch Krankheit Monaten chronisch Sehschwierigkeiten Hörschwierigkeiten litätseinschränkungen und ADL-Einschränkung Gesundheitszustand krank (Laufen, Treppensteigen) (gewichtete Analysen) Frauen mit ADL Frauen ohne ADL Männer mit ADL Männer ohne ADL Quelle: GEDA 2019/2020-EHIS ADL = basale Aktivitäten des täglichen Lebens Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 14
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS Abbildung 4 Anteil (%) 100 Prozentuale Anteile der Gesundheitsindikatoren nach Geschlecht 90 und IADL-Einschränkung 80 (gewichtete Analysen) 70 Quelle: GEDA 2019/2020-EHIS 60 50 40 30 20 33,5 % der Frauen ab 10 80 Jahren und 19,6 % der Schlechter/ Starke Einschränkungen Seit mind. sechs Schwerwiegende Schwerwiegende Schwerwiegende Mobi- gleichaltrigen Männer geben sehr schlechter durch Krankheit Monaten chronisch Sehschwierigkeiten Hörschwierigkeiten litätseinschränkungen große Schwierigkeiten an, Gesundheitszustand krank (Laufen, Treppensteigen) Frauen mit IADL Frauen ohne IADL Männer mit IADL Männer ohne IADL gelegentlich schwere IADL = instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens Hausarbeit zu erledigen. der Frauen und 61,0 % der Männer eine niedrige Bildung zeigen sich für die IADL-Einschränkungen. Personen mit und 4,3 % beziehungsweise 10,6 % eine hohe Bildung auf; ADL- oder IADL-Einschränkung leben häufiger alleine als bei Personen ohne ADL-Einschränkung weisen 43,4 % der Personen ohne Einschränkungen: bei den Frauen beträgt Frauen und 42,1 % der Männer eine niedrige und 10,9 % der Anteil fast drei Viertel, bei den Männern sind es jeweils beziehungsweise 21,1 % eine hohe Bildung auf. Bei den um die 60 %, während nur etwa die Hälfte der Frauen und Personen mit IADL-Einschränkung geben 61,0 % der Frauen etwa 40 % der Männer ohne Einschränkungen alleine lebt. und 52,0 % der Männer eine niedrige Bildung und 5,0 % In Bezug auf die Gemeindegrößen (städtisch/ländlich) zei- beziehungsweise 13,1 % eine hohe Bildung an; bei Perso- gen sich keine Unterschiede. nen ohne IADL-Einschränkung sind dies 41,2 % der Frauen und 42,1 % der Männer beziehungsweise 11,5 % der Frauen 3.4 Erhaltene und fehlende Unterstützung in der und 21,5 % der Männer. Unterhalb der Armutsgrenze leben Ausübung von ADL und IADL 30,6 % der Frauen und 29,3 % der Männer mit ADL-Ein- schränkungen, aber nur 18,7 % der Frauen und 15,4 % der Die Mehrheit der Personen mit Einschränkungen in einer Männer ohne ADL-Einschränkungen. Ähnliche Ergebnisse basalen Aktivität des täglichen Lebens (68,1 % der Frauen Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 15
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS Tabelle 1 Frauen Männer Prozentualer Anteil von Personen Altersgruppe (Jahre) Altersgruppe (Jahre) mit erhaltener und fehlender Unterstützung 55 – 64 65 – 79 ≥ 80 Gesamt 55 – 64 65 – 79 ≥ 80 Gesamt bei vorliegenden ADL beziehungsweise IADL ADL-Einschränkung ADL-Einschränkung Einschränkungen nach Geschlecht und Alter n 50 104 111 265 n 30 70 52 152 (gewichtete Analysen) Erhaltene 61,6 56,1 79,0 68,1 Erhaltene 54,3 61,7 54,6 57,5 Unterst. (%) Unterst. (%) Quelle: GEDA 2019/2020-EHIS (95 %-KI) (42,4 – 77,8) (41,3 – 69,9) (64,9 – 88,4) (59,0 – 76,0) (95 %-KI) (28,4 – 78,1) (44,3 – 76,5) (32,2 – 75,3) (44,7 – 69,3) (Mehr) Unterst. 53,7 50,2 46,0 48,8 (Mehr) Unterst. 35,0 54,0 35,6 43,2 benötigt (%) benötigt (%) (95 %-KI) (35,2 – 71,2) (36,4 – 64,2) (32,6 – 60,0) (39,9 – 57,8) (95 %-KI) (15,4 – 61,4) (37,7 – 69,5) (18,3 – 57,8) (31,8 – 55,3) IADL-Einschränkung IADL-Einschränkung n 160 308 310 778 n 105 160 147 412 Erhaltene 79,3 80,9 90,6 85,3 Erhaltene 66,7 74,5 77,5 73,1 Unterst. (%) Unterst. (%) Einschränkungen bei (95 %-KI) (68,6 – 87,1) (72,0 – 87,5) (85,1 – 94,1) (81,1 – 88,8) (95 %-KI) (52,4 – 78,4) (62,3 – 83,8) (66,3 – 85,8) (66,1 – 79,1) (Mehr) Unterst. 55,7 48,0 36,0 43,6 (Mehr) Unterst. 48,6 51,9 33,1 44,2 Alltagsaktivitäten können mit benötigt (%) benötigt (%) dem weiblichen Geschlecht, (95 %-KI) (44,5 – 66,3) (39,6 – 56,6) (28,2 – 44,5) (38,3 – 49,1) (95 %-KI) (35,0 – 62,5) (30,9 – 63,6) (23,1 – 44,9) (37,1 – 51,6) höherem Alter, einer niedrigen Gesamt Altersgruppe (Jahre) Bildung, einem schlechten 55 – 64 65 – 79 ≥ 80 Gesamt Gesundheitszustand sowie ADL-Einschränkung und 57,5 % der Männer) (Tabelle 1) gibt an, normalerweise n 80 174 163 417 Hilfe bei diesen Tätigkeiten zu erhalten. Frauen erhalten krankheitsbedingten Erhaltene 54,6 57,6 71,7 63,1 Unterst. (%) im Durchschnitt häufiger Hilfe als Männer. Allerdings Einschränkungen in schwankt der Anteil der Personen, die (mehr) Hilfe benö- (95 %-KI) (38,3 – 70,0) (46,3 – 68,1) (58,8 – 81,8) (55,5 – 70,0) Verbindung gebracht werden. (Mehr) Unterst. 50,3 51,0 42,9 47,4 tigen, je nach Altersgruppe und Geschlecht zwischen 35,0 % benötigt (%) und 53,7 %. (95 %-KI) (34,5 – 66,0) (40,4 – 61,6) (31,7 – 54,8) (40,2 – 54,7) IADL-Einschränkung Hinsichtlich der Hilfe und Unterstützung bei IADL-Ein- n 265 468 457 1.190 schränkung zeigt sich, dass der überwiegende Anteil der Erhaltene 74,3 78,7 87,1 81,4 Befragten nicht auf sich alleine gestellt ist; bei 85,3 % der Unterst. (%) (95 %-KI) (65,7 – 81,3) (71,8 – 84,3) (82,3 – 90,8) (77,8 – 84,5) Frauen und 73,1 % der Männer gibt es Personen im Umfeld, (Mehr) Unterst. 27,9 28,0 29,2 28,3 die Hilfe leisten. Allerdings fehlt auch hier in Abhängigkeit benötigt (%) von Geschlecht und Altersgruppe jeder zweiten oder drit- (95 %-KI) (24,0 – 32,3) (24,7 – 31,5) (25,0 – 33,8) (26,1 – 30,7) ten Person die Unterstützung, die sie hier benötigen würde ADL = basale Aktivitäten des täglichen Lebens, IADL = instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens, KI = Konfidenzintervall, Unterst. = Unterstützung (Tabelle 1). Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 16
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS 4. Diskussion Faktor [34]. ADL- und IADL-Einschränkungen entstehen im Zusammenhang mit (Multi-)Morbidität und IADL geht ADL Mit den vorliegenden Ergebnissen liegen valide Daten über voran. Die vorliegenden Ergebnisse konnten deutlich auf- Einschränkungen in Alltagsaktivitäten bei einer großen zeigen, dass ADL-Eingeschränkte häufig durch Erkrankun- Stichprobe älterer Menschen ab 55 Jahren vor, die in gen beeinträchtigt sind. Deutschland in privaten Haushalten leben. Die Prävalen- Seh- und Höreinschränkungen sind in der Bevölkerung zen von ADL- beziehungsweise IADL-Einschränkungen sind ab 55 Jahren nicht sehr häufig und werden offenbar recht in Deutschland insgesamt niedrig. Etwa ein Zehntel der gut durch Hilfsmittel kompensiert. Diese wurden im Inter- Befragten weisen IADL-Einschränkungen auf, ein niedrige- view einbezogen, sodass die benannten Einschränkungen rer Anteil gibt ADL-Einschränkungen an (5,8 % der Frauen, gegebenenfalls mit Hilfsmitteln auftreten. Auch hier zeigt 3,7 % der Männer). ADL- und IADL-Einschränkungen kön- sich, dass ADL- und IADL-eingeschränkte Menschen häu- nen mit dem weiblichen Geschlecht, einem höheren Alter, figer betroffen sind, was das Risiko von weiterem Verlust einer niedrigeren Bildung, einem schlechteren Gesund- von funktionalen Kapazitäten erhöhen kann [35]. heitszustand, krankheitsbedingten Einschränkungen sowie Alleinlebende sind häufiger in der Ausübung von Alltags Seh-, Hör- und Mobilitätseinschränkungen in Verbindung tätigkeiten eingeschränkt als Personen in Mehrpersonen- gebracht werden. Ergebnisse aus der vorherigen GEDA- haushalten, wie auch andere Studien zeigen [36–38]. Dies Erhebung aus dem Jahr 2014 [5] zeigen ähnliche Zusam- birgt Implikationen für die Politik und die Versorgung in menhänge für Deutschland und den Staaten der Europäi- sich. Hier könnten Angebote zur Unterstützung von Allein- schen Union. lebenden möglicherweise schwerere Einschränkungen ver- Es zeigte sich, dass Frauen in allen drei Altersgruppen meiden, wenn zum Beispiel aufsuchende Hilfen zur Verfü- häufiger von Einschränkungen betroffen sind als Männer, gung gestellt werden könnten. was sich auch in vielen europäischen und außereuropäi- Ein Stadt-Land-Unterschied im Hinblick auf die Häufig- schen Studien findet [31–33]. In einer schwedischen Studie keit von Einschränkungen, die in einer Studie [39] gezeigt wird zudem gezeigt, dass Einschränkungen über die werden konnte, ist in der vorliegenden Studie nicht zu Geburtskohorten tendenziell abnehmen. Offen ist dabei sehen. Die GEDA-Daten zeigen keinen Zusammenhang allerdings, ob es sich dabei um eine wirkliche Reduktion zwischen Größe des Wohnorts und den Anteilen von ADL- handelt oder ob die Einschränkungen erst im späteren beziehungsweise IADL-Eingeschränkten. Lebensalter auftreten. Zudem zeigen sich Zusammenhänge mit der sozialen ADL- und IADL-Einschränkungen sind in aller Regel in Lage: Personen mit einer ADL- oder IADL-Einschränkung bestehenden chronischen Krankheiten begründet und die sind häufiger armutsgefährdet als Personen ohne eine ADL- Anzahl der Erkrankungen beziehungsweise das Vorliegen oder IADL-Einschränkung. Ähnliche Ergebnisse finden sich von Multimorbidität ist hierbei ein weiterer relevanter zum Beispiel in einer englischen Längsschnittstudie [40] Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 17
Journal of Health Monitoring Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und Unterstützungsbedarfe – Auswertungen der Studie GEDA 2019/2020-EHIS FOCUS mit der Schlussfolgerung, dass Initiativen zur Verbesse- Lage und zu Funktionseinschränkungen bei Bewohnerin- rung der sozialen Teilhabe und der sozialen Unterstützung nen und Bewohnern von Pflegeheimen. Es ist davon aus- älterer Menschen gefördert werden sollten. Gerade im Hin- zugehen, dass die Häufigkeiten der Einschränkungen unter blick auf Unterstützung, die beeinträchtigten und hochalt- diesen höher sind als bei Personen in Privathaushalten [46]. rigen Menschen häufiger fehlt, scheint hier Nachbesse- Darüber hinaus wurden vermutlich insbesondere die Anga- rungsbedarf vorzuliegen [41, 42]. Insgesamt scheint es ben zu schwerwiegenden Hörbeeinträchtigungen in der notwendig, Maßnahmen zur Verringerung oder Umkehr Allgemeinbevölkerung in GEDA 2019/2020-EHIS unter- der Einschränkungen der Alltagsaktivitäten bei älteren Men- schätzt, da diese die Teilnahme an einer telefonischen schen zur Anwendung zur bringen, indem zum Beispiel Befragung maßgeblich behindern. Zudem wurde in diesen auf kommunaler Ebene Bewegungsangebote oder präven- Fällen und auch bei anderen Faktoren, die die Teilnahme tive Hausbesuche durchgeführt werden. behindern (z. B. Sprechstörungen, kognitive Einschränkun- Der Hilfe- und Unterstützungsbedarf ist unterschiedlich gen oder krankheitsbedingte Abwesenheiten), auf die gut abgedeckt; bei Einschränkungen in den basalen Akti- Durchführung einer Proxy-Befragung verzichtet, sodass vitäten erhalten Betroffene seltener als bei Einschränkun- dies auch zu einer Unterschätzung von ADL- und IADL-Ein- gen in den instrumentellen Aktivitäten Hilfe und Unterstüt- schränkungen beigetragen haben könnte. Auch wurde, zung. Zudem scheinen je nach Altersgruppe und Geschlecht wenn nur einige Schwierigkeiten in der Ausübung von ADL etwa einem Drittel bis der Hälfte der Befragten mit Ein- oder IADL vorlagen, dies als keine Einschränkung in ADL schränkungen Unterstützung zu fehlen. Dies steht in Ein- oder IADL definiert. Methodische Studien sollten hier klä- klang mit Befunden aus anderen Studien [41, 43–45]. Kör- ren, inwieweit diese Definition in Bezug auf die dahinter- pernahe Unterstützungsleistungen sind möglicherweise liegenden Kompetenzdimensionen im Verhältnis zu den über informell Helfende weniger einfach zu erbringen als anderen Antwortkategorien vergleichbar sind. Unterstützung bei verschiedenen Haushaltstätigkeiten [46]. Die Datenerhebung erfolgte im Zeitraum 2019 bis Dies sollte für künftige Einschätzungen zum Beispiel im 2020 und schließt Zeiten strikter Eindämmungsmaßnah- Rahmen einer Begutachtung durch die medizinischen men während der COVID-19-Pandemie ein. Analysen zu Dienste der Krankenkassen im Bereich Selbstversorgung dadurch veränderten Teilnahmebereitschaften stehen aus. im Hinblick auf die Gewährleistung von Unterstützungs- Analysen beispielsweise zu Veränderungen im Unterstüt- leistungen beachtet werden. zungs- beziehungsweise Hilfebedarf in der Bevölkerung Als Limitation der Studie ist zu beachten, dass es sich ab 55 Jahren zeigten jedoch keine pandemiebedingten bei GEDA 2019/2020-EHIS um eine bevölkerungsbezogene Schwankungen [47]. Schließlich können durch das quer- Querschnittstudie handelt, basierend auf telefonischen schnittliche Design keine Aussagen zu den Ursachen, dem Befragungen in Privathaushalten. Die vorliegenden Daten Verlauf oder den Folgen von Alltagseinschränkungen ermöglichen daher keine Aussage zur gesundheitlichen gemacht werden. Journal of Health Monitoring 2022 7(1) 18
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