Kammerabend - Staatskapelle Dresden

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3. Kammerabend
»Variation«
Saison 2020/2021

29. Oktober 2020 · 20 Uhr
Semperoper
3. Kammerabend
D O N N E R S TA G   SEMPEROPER
2 9.1 0 . 2 0 2 0    DRESDEN
20 UHR

K A M M E R M U S I K A U S TA U S C H M I T D E M
GE WANDHAUSORCHE S TER LEIPZIG

  Omer Meir Wellber                                  Bratschen
  Leitung / Akkordeon / Cembalo                      Chaim Steller
  Jacob Reuven Mandoline                             Olaf Hallmann
                                                     Immo Schaar
                                                     Ivo Bauer
  Sinfonietta Leipzig
  1. Violinen
                                                     Violoncelli
  Tristan Thery
                                                     Moritz Klauk
  Franziska Mantel
                                                     Axel von Huene
  Sara Cymbron
                                                     Michael Peternek
  Erkki Louko
                                                     Michal Beck

  2. Violinen                                        Kontrabässe
  Lydia Dobler                                       Bernd Meier
  Tobias Haupt                                       Franziska Rau
  Annalena Kohde
  Lukas Stepp

Die Kammerabende der Sächsischen Staatskapelle Dresden werden im Rahmen der
orchestereigenen Kammermusik veranstaltet, die auf den 1854 von Kapellmitgliedern
gegründeten Dresdner Tonkünstler-Verein zurückgeht. Neben ihrem Dienst treten die
Musikerinnen und Musiker der Staatskapelle in diesen Veranstaltungen freiwillig und
lediglich durch ein symbolisches »Frackgeld« entlohnt auf.
Antonio Vivaldi (1687–1741)                Astor Piazzolla (1921–1992)
»Le quattro stagioni«                      »Las cuatro estaciones porteñas«
(Die vier Jahreszeiten) op. 8, Nr. 1–4     (Die vier Jahreszeiten von Buenos Aires),
                                           bearbeitet von Leonid Desyatnikov

Concerto f-Moll »L’inverno«
(Der Winter) op. 8, Nr. 4 RV 297
 1. Allegro non molto
 2. Largo
 3. Allegro
                                           »Invierno Porteño«
                                           (Der Winter in Buenos Aires)
Concerto E-Dur »La primavera«
(Der Frühling) op. 8, Nr. 1 RV 269
 1. Allegro. Guint’é la primavera
 2. Largo e pianissimo sempre.
    Il capraro che dorme
 3. Allegro. Danza pastorale
                                           »Primavera Porteño«
                                           (Der Frühling in Buenos Aires)
Concerto g-Moll »L’estate«
(Der Sommer) op. 8, Nr. 2 RV 315
 1. Allegro non molto.
    Languidezza per il caldo
 2. Adagio
 3. Presto. Tempo impetuoso d’estate
                                           »Verano Porteño«
                                           (Der Sommer in Buenos Aires)
Concerto F-Dur »L’autunno«
(Der Herbst) op. 8, Nr. 3 RV 293
 1. Allegro. Ballo e canto di villanelli
 2. Adagio. Dormienti ubriachi
 3. Allegro. La caccia
                                           »Otoño Porteño«
                                           (Der Herbst in Buenos Aires)
Zum Programm

H
           eutzutage bestreitet wohl niemand, dass Antonio Vivaldis »Le quattro
           stagioni« op. 8 Nr. 1–4 zu den vertrautesten Werken der sogenannten
           klassischen Musik gehören. Angesichts dessen kann man sich kaum
           vorstellen, dass die Serie von vier Violinkonzerten, die den Jahres-
lauf widerspiegeln, der breiten Musikwelt noch fast unbekannt ist, als sie Louis
Kaufman an den letzten Dezembertagen des Jahres 1947 in der New Yorker
Carnegie Hall für die Schallplatte einspielt. Um einen zu Neujahr beginnenden
Musikerstreik zu umgehen, möchte der Geiger die Produktion unbedingt noch im
alten Jahr abschließen und wird extrem ungeduldig. Erst kurz vor Mitternacht des
Silvesterabends beendet er die anstrengende Aufnahmesitzung.
        Als Konzertmeister für die Filmmusik von mehr als 400 Streifen, darunter
»Vom Winde verweht« und »Casablanca«, hat Kaufman ein Gespür für Trends.
So fällt ihm auch auf, dass sich zunehmend nicht nur Fachleute für Vivaldi inte-
ressieren: Der italienische Verlag Ricordi veröffentlicht 1947 eine vollständige
Ausgabe der Instrumentalwerke des Venezianers, Marc Pincherles bahnbrechende
Vivaldi-Biografie erscheint kurz darauf. Tatsächlich tritt die eilig produzierte
Schallplatte, die schnell zum Bestseller wird, einen Hype los, der bis heute nicht
endet: Innerhalb kürzester Zeit avancieren die »Vier Jahreszeiten« zum meistauf-
genommenen Musikstück sowie zum allgegenwärtigen akustischen Hintergrund
in Hotellobbys, Boutiquen und Bars – ganz zu schweigen vom massenhaften
Erscheinen des Anfangsmotivs in diversen Filmen, Serien und Werbespots, wo es
als Symbol für Stil, Anspruch und Hochkultur steht.
        Vivaldis »Vier Jahreszeiten« wurden erstmals 1725 in Amsterdam in
einer Sammlung von zwölf Konzerten mit dem Titel »II cimento dell’armonia e
dell’inventione« (Der Wettbewerb zwischen Harmonie und Erfindung) veröffent-
licht. Aber anscheinend waren die Konzerte gar nicht neu: In seiner Widmung an
Graf Wenzel Morzin erklärte der Komponist, dass er die Werke, »die vor langer
Zeit schon bei eurer Hoheit großzügige Gunst gefunden haben«, in verbesserter
Version und mit illustrierenden Sonetten komplettiert in sein op. 8 aufgenommen
habe. Es ist daher unklar, wann Vivaldi seine »Jahreszeiten« komponierte und ob
sie ursprünglich für Morzin entstanden.
        Die Amsterdamer Ausgabe enthält nicht nur vier höchstwahrscheinlich von
Vivaldi selbst geschriebene Sonette, sondern auch Stichworte und beschreibende
Bildunterschriften, die direkt in der Partitur abgedruckt sind und dort die Zeilen
der Gedichte mit ihrer musikalischen Umsetzung verbinden.
        Unzweifelhaft ist diese szenische Malerei für die Faszination der »Vier
Jahreszeiten« verantwortlich. Denn obwohl es schon vor Vivaldi programmatische
Tonschöpfungen gab, sind diese Konzerte in Fülle, Brillanz und Einfallsreichtum
einzigartig: Vögel zwitschern, Blätter rascheln, Wind heult, Donner grollen, ein
Hund bellt. Bis zu Haydns »Jahreszeiten« (1801) und Beethovens »Pastorale« (1808)
findet man nichts Vergleichbares, und auch hier gilt, was Beethoven später zu seiner
Symphonie schreibt: »Selbst ohne Beschreibung wird man das Ganze erkennen«.

D
            er 1992 gestorbene Argentinier Astor Piazzolla war in seiner Doppelrolle
            als Bandoneon-Spieler und Komponist einer der aufregendsten Musiker
            Südamerikas. Mit mehreren Ensembles spielte er zunächst klassischen
            Tango, bevor er den Tango Nuevo kreierte. Wesentlich für diesen Schritt
war das Studium in Paris bei Nadia Boulanger, die ihm riet, seine Herkunft nicht
zu verleugnen. Piazzollas »Las cuatro estaciones porteñas« entstanden zwischen
1964 und 1970 als Einzelwerke. Die »Vier Jahreszeiten von Buenos Aires« wurden
zwar für ein Quintett aus Violine, Kontrabass, Klavier, Gitarre und Bandoneon
geschrieben, aber schon bald vielfach bearbeitet – so auch in der heute zu hörenden
Fassung von Leonid Desyatnikov.
         Im Gegensatz zum Vorbild handelt es sich bei diesen »Jahreszeiten« um einsät-
zige Konzerte. Dennoch ließ sich der Argentinier von Vivaldi inspirieren, inhaltliche
Verwandtschaften sind durchweg hörbar. Spannend werden derartige Bezüge vor
allem, wenn sie sich auf Konträres beziehen: etwa wegen der Verschiebung der Jahres-
zeiten auf der Erde (wenn im Norden Sommer ist, ist im Süden Winter) oder infolge der
durch die geographische Lage bedingten klimatischen Unterschiede.
         Beispielhaft wird dies beim Vergleich der »Winter«: Vivaldi zeichnete klirrende
Kälte, das Zähneklappern ist förmlich spürbar. Ganz anders ist der südliche Winter, in
dem das Leben keineswegs einfriert, aber dennoch langsamer läuft. Piazzolla zeigte
dies mit einer Kadenz, in der sich liedhafte und dramatische Passagen abwechseln,
bevor der Satz mit Pizzicati und Trillern verklingt. Das Jahr endet in Buenos Aires in
aller Stille. Aber wenn man genau hinhört, ist in Europa gerade Sommer …
         Piazzollas »Jahreszeiten« sind melodisch und rhythmisch vom Tango Nuevo
geprägt, dessen neutönend-aggressive Klänge sich bisweilen bedrohlich aufbauen.
Hier erklärt sich auch der Titelzusatz »porteño«: Gewöhnlich beschreibt dieses Wort
einen Menschen, der im Hafenviertel lebt. Tatsächlich interessierte den Komponisten
vor allem die Lebenswelt derer, die ums tägliche Überleben kämpfen: ihre Konflikte,
ihre Leidenschaft. Anstelle von Naturvorgängen bieten diese »Jahreszeiten« darum
seelische Einblicke und Emotionen, die nicht nur im Frühling regelrecht explo-
dieren können.
                                                                         HAGEN KUNZE
Omer Meir Wellber gehört zu den führenden Dirigenten für Opern- und Orchester-
repertoire. Zurzeit teilt er seine Zeit zwischen seinen Positionen als Chefdirigent des
BBC Philharmonic, Music Director des Teatro Massimo Palermo, Erster Gastdirigent
der Semperoper Dresden sowie Music Director des Raanana Symphonette in Israel.
Er steht regelmäßig am Pult zahlreicher erstklassiger Ensembles weltweit, so etwa
beim London Philharmonic Orchestra, dem Gewandhausorchester Leipzig, dem
Swedish Radio Symphony Orchestra, dem NDR Elbphilharmonie Orchester und
dem Tonhalle-Orchester Zürich. Trotz seiner weltweiten Engagements pflegt Omer
Meir Wellber eine enge Verbindung zu Ensembles in seiner Heimat Israel. Mit dem
Raanana Symphonette setzt er sich besonders für Musikvermittlung und -erziehung
ein, zudem ist er Botschafter der Non-Profit-Organisation Save a Child’s Heart. Omer
Meir Wellber hat im Herbst 2019 seinen ersten Roman »Die vier Ohnmachten des
Chaim Birkner« im BerlinVerlag veröffentlicht.

Jacob Reuven hat sich als einer der gefragtesten israelischen Mandolinisten der
letzten Jahre etabliert. Er ist als Solist mit einigen der besten israelischen Orchester
und Ensembles aufgetreten, darunter das Israel Philharmonic Orchestra, das Jeru-
salem Symphony Orchestra, die Israeli Sinfonietta, das Israel Chamber Orchestra
und das Twenty First Century Ensemble. Er spielte unter der Leitung von Dirigenten
wie Zubin Mehta, Mstislaw Rostropowitsch, Sir Antonio Pappano, Mendi Rodan und
Zsolt Nagy und mit internationalen Orchestern wie dem Orquestra de la Comunitat
Valenciana und auf Festivals wie dem Mandolines de Lunel, den Dresdner Musikfest-
spielen und den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci. Jacob Reuven wurde mit dem
ersten Preis der bedeutenden International Plectro Rioja Competition ausgezeichnet.
Er spielt eine speziell angefertigte Mandoline des israelischen Geigenbauers Arik
Kerman. Reuven ist ein enthusiastischer Kammermusiker und Gründer des preisge-
krönten Kerman Mandolin Quartetts, des Israeli Mandolin Soloists Ensemble, des
16 Saiten Mandolin Duo und des Duo Mantar.

Die Sinfonietta Leipzig wurde 1996 gegründet. Fernab von sicheren und ausge-
tretenen Pfaden des etablierten Kulturbetriebs experimentieren die Mitglieder
des Gewandhausorchesters gern genreübergreifend und loten immer wieder die
Grenzen zwischen Konzert, Inszenierung, Installation und Performance aus.
        Das Ensemble gastierte unter anderem im HAU-Theater Berlin, in einem
ausgedienten Schwimmbad, im Festspielhaus Hellerau, in der Berliner Philharmonie,
auf einem Friedhof, in der Oper Leipzig, im Gewandhaus zu Leipzig, auf der New
Yorker Flatiron Plaza, im Berliner Konzerthaus sowie auf verschiedenen Festivals.
        Dirigenten wie Roger Epple, Johannes Kalitzke, Matthias Pintscher, Peter
Hirsch, Arturo Tamayo, Stefan Asbury und Sänger wie Roman Trekel, Claudia
Barainsky, Mojca Erdmann, Johannes Chum und Dietrich Henschel eröffnen
zusammen mit der Sinfonietta Leipzig neue Perspektiven auf bekannte und
unbekanntere Werke. Neben dem Konzertrepertoire widmet sich das Ensemble
in Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Peter Konwitschny oder Anna Viebrock
auch dem Musiktheater. 2006 veröffentlichte die Sinfonietta Leipzig eine CD mit
Musik von Johannes Harneit.
Vorschau

»Variation«: 4. Kammerabend
M I T T W O C H 1 8 .1 1 . 2 0 2 0 U H R
SEMPEROPER
Mitglieder der Sächsischen
Staatskapelle Dresden und Gäste

Felix Mendelssohn Bartholdy
Klaviertrio c-Moll op. 66

Francis Poulenc
Sonate für Flöte und Klavier

Guillaume Connesson
»Techno Parade« für Flöte, Klarinette und Klavier

Francis Poulenc
Sextett Bläserquintett und Klavier

»Variation«: 1. Aufführungsabend
D O N N E R S TA G 2 6 .1 1 . 2 0 2 0 U H R
SEMPEROPER
Gaetano d’Espinosa Dirigent
Christa Mayer Alt
Reinhard Krauß Violine
Sächsische Staatskapelle Dresden

Edward Elgar
Serenade e-Moll op. 20 für Streicher

Jörg Herchet
Konzert für Violine, Alt und Orchester
(Uraufführung)

Georges Bizet
Symphonie Nr. 2 C-Dur »Roma«
H YG I E N E R E G E L N                           Kammermusik der Sächsischen
                                                   Staatskapelle Dresden
                                                   Gegründet 1854 als Tonkünstler-
                      Tickets sind personen­       Verein zu Dresden
                                                   Verantwortlich:
                      gebunden und nicht über-     Friedwart Christian Dittmann
                      tragbar. Beim Einlass ist    Christoph Bechstein

                      ein geeigneter Identitäts-
                                                   I M P R E SS U M
                      nachweis vorzuzeigen!
                                                   Sächsische Staatskapelle Dresden
                                                   Chefdirigent Christian Thielemann
     1,5 m            Bitte halten Sie überall     Spielzeit 2020 | 2021
                      den Mindestabstand           H E R AU S G E B E R
                      von 1,5 m ein.               Die Sächsische Staatskapelle Dresden
                                                   ist ein Ensemble im
                                                   Staatsbetrieb Sächsische Staatstheater –
                      Der Konzertbesuch ist nur    Staatsoper Dresden
                      ohne Krankheits­symptome     Theaterplatz 2, 01067 Dresden

                      möglich.                     © Oktober 2020

                                                   G E S C H Ä F TS F Ü H R U N G
                      Es besteht durchgehend       Peter Theiler
                                                   Intendant der Staatsoper
                      Mundschutzpflicht –          Wolfgang Rothe
                      auch, wenn der Sitzplatz     Kaufmännischer Geschäftsführer

                      eingenommen wurde.           R E DA K T I O N
                                                   Christoph Dennerlein
                      Der Mundschutz muss
                                                   TEXT
                      mitgebracht werden.          Der Einführungstext von Hagen Kunze ist ein
                                                   Originalbeitrag für dieses Programmheft.
                      Bitte beachten: Der Aufzug   G E STA LT U N G U N D SAT Z
                      steht nur eingeschränkt      schech.net
                                                   Strategie. Kommunikation. Design.
                      zur Verfügung.
                                                   DRUCK
                                                   Union Druckerei Dresden GmbH
                      Die Garderobe kann nicht
                      abgegeben werden.            Private Bild- und Tonaufnahmen
                                                   sind aus urheberrechtlichen Gründen
                                                   nicht gestattet.
                      Das Konzert hat
                      keine Pause.                 W W W. STA ATS K A P E L L E - D R E S D E N . D E

                      Es wird keine gastro-
                      nomische Versorgung
                      ­angeboten.
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