HELLERAU Magazin #2 2020 - SLUB: Qucosa

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HELLERAU Magazin #2 2020 - SLUB: Qucosa
HELLERAU Magazin   #2 – 2020
HELLERAU Magazin #2 2020 - SLUB: Qucosa
Inhaltsverzeichnis

2    Editorial                          27   Wanaset Yodit
                                             Laila Soliman
4    Schlachthof 5
     Statements von Maxim Didenko,      28   Happy New Ear
     Vladimir Rannev, AJ Weissbard,          Ensemble Modern
     Olaf Katzer
                                        30   TANZPAKT
8    Abschied                                Begegnung Dresden – Hamburg
     Solistenensemble
     Kaleidoskop und Solist*innen       36   Residenzen
     des Niedersächsischen                   Gizem Aksu
     Staatsorchesters
                                        40   Mitmachen
10   Last but not last                       Jenny Coogan über ArtRose

                                                                                  shift change. SCHICHTWECHSEL, Irina Pauls (DE), Foto: Matthias Zielfeld
     Lina Majdalanie und Rabih Mroué
                                        43   Gesichter in HELLERAU
12   CYNETART                                Werner Lange
     Ulf Langheinrich
                                        44   Bündnis internationaler
14   Festival ARBEIT                         Produktionshäuser
     Texte und Interviews von und mit        Interview zur Journalistenakademie
     andcompany&Co., Antje Ehmann,           und Statements von Künstler*innen
     Daniel Kötter, Irina Pauls              während des Corona-Lockdowns

22   4:3 Kammer Musik Neu               48   Freundeskreis
                                             HELLERAU
24   Isadora Duncan
     Jérôme Bel                         52   Service, Förderer und
                                             Impressum
25   Learning Feminism from Rwanda
     Flinn Works und                    54   Highlights
     Künstler*innen aus Ruanda               September 2020 bis Januar 2021

26   Hexploitation
     She She Pop
HELLERAU Magazin #2 2020 - SLUB: Qucosa
Liebe Besucher*innen und Freund*innen             Sie und viele Solo-Selbstständige, der ge-       entstanden – eine abenteuerliche Reise in die   Im Dezember präsentieren wir die Gruppe
von HELLERAU,                                     samte breit aufgestellte Kultursektor            polnische Geschichte und Tradition und deren    Flinn Works mit „Learning Feminism from
                                                  wurden hart von dem Virus und den Folge-         Verwicklung mit Kunst und Kulturpolitik.        Rwanda" zum Thema, was Europa von der
mit dem Auftreten von COVID-19 wurde und          maßnahmen getroffen.                               Im Themenschwerpunkt ARBEIT! im               Geschlechtergerechtigkeit in Ruanda
wird unser Leben stärker denn je auf einer           Umso mehr ist uns der Live-Wiederein-           Rahmen des Jahres der Industriekultur         lernen kann. Und schließlich freuen wir uns
Zeitachse mit der Zäsur davor und danach             stieg in die Spielzeit 2020/21 ein künstle-     Sachsen widmen sich die Berliner              auf eine neue Ausgabe von „4:3“, die
eingeteilt. Aber diese Zeiten und unser              risches, inhaltliches und soziales Anlie-       Gruppe andcompany&Co und Mitglieder           CYNETART, das Festival Fast Forward
Agieren sind nicht getrennt voneinander zu           gen. HELLERAU startet mit einem Reigen          des ehemaligen Arbeiterchores Schwedt         des Staatsschauspiels in verändertem
betrachten. Neben der neuen Zeitrechnung             von internationalen Koproduktionen,             in „Neue Horizonte: Eternity für alle!“       Format, Tanzgastspiele von Paula Rosolen
gewinnen Zahlen eine andere Dimension:               die lange vorbereitet und in den letzten        der Kybernetikforschung in der DDR der        mit „FLAGS“ und Jérôme Bel mit „Isadora
Auf der einen Seite gibt es große Verlust-           Wochen und Monaten immer wieder                 1960er Jahre und den digitalen Risiken        Duncan“, die Wiederaufnahme des
rechnungen, finanzielle Einbrüche, je nach           adaptiert wurden. Die meisten Projekte          und Chancen für eine gerechtere Gesell-       „Geometrischen Balletts“ von Ursula Sax
Land und Region Hilfspakete oder den                 waren von Anfang an als dialogische             schaft heute. Die Gruppe Kötter/Israel/       und Katja Erfurth, das Projekt „Wieder da!“
nackten Kampf ums Überleben. Auf der                 Kooperationen zwischen Künstler*innen           Limberg behandelt mit „Gold & Coal“           von Antje Pfundtner und die Winter­
anderen Seite erscheint jede*r Infizierte            aus verschiedenen Ländern angelegt.             Themen wie Umweltzerstörung, Arbeiter­­       akademie von TANZPAKT Dresden, die neue
einzeln in Statistiken. Man könnte meinen,           Wir hoffen, dass wir gemeinsam mit den          rechte und den ungezügelten Raubbau           Produktion „Hexploitation“ von She She
damit ist die Wichtigkeit von einzelnen              Künstler*innen flexibel auf Veränderun-         – sowohl an natürlichen wie auch mensch­      Pop und vieles mehr. Aber vor allem freuen
Menschenleben bereits garantiert. Aber               gen der internationalen Lage reagieren          lichen Ressourcen – in Sachsen und            wir uns auf die vielen neuen Begegnungen
wenn wir uns die Auswirkung der Pande­mie            können, mit unterschiedlichen Formaten,         in Regionen des globalen Südens. Rimini       mit Ihnen, unserem treuen Publikum!
weltweit anschauen, sehen wir, welche                Präsenzen vor Ort und mit Teilhabe aus          Protokoll/Stefan Kaegi werden ihr
Unterschiede es in den verschiedenen Welt­           der Ferne.                                      emotionales, humanoides Roboterstück
regionen in Bezug auf die Rettung von             Wir beginnen mit der Uraufführung von              „Uncanny Valley/Unheimliches Tal“ end-        Carena Schlewitt
Menschenleben gibt.                               „Schlachthof 5“ nach dem Kultroman von             lich auch in Dresden zeigen.                  und das Team von HELLERAU
     Unterschiedliche, heftige Krisen waren       Kurt Vonnegut, einem russisch-deutschen
     schon vor COVID-19 da – autokratisch,        Musiktheaterprojekt mit der Komposition
     antidemokratisch regierte Länder, Krie-      von Vladimir Rannev und in der Regie von
     ge, schwerwiegende Folgen der Klima­         Maxim Didenko, die beide im Januar dieses
     krise, die immer größer werdende Sche-       Jahres beim Russland-Festival „Karussell“
     re zwischen Arm und Reich u.v.m. Die         in HELLERAU das Publikum begeisterten.
     Corona-Krise hat viele Probleme und          Vonnegut liefert unserer Saison ein bemer-
     Themen weltweit wie unter einem Brenn-       kenswertes Motto: „Alle Zeiten, die Ver­
     glas verstärkt sichtbar gemacht. Sie         gangenheit, die Gegenwart und die Zukunft,
     hat partiell auch gezeigt, wie ein solida­   haben immer existiert und werden immer
     risches Denken und Handeln gelingen          existieren. Wie kann ein ganzer Planet in
     kann. Wie gehen wir in der Zukunft mit       Frieden leben?“ Eine weitere Uraufführung
     diesen Erfahrungen um? Und was               präsentieren das Solistenensemble Kalei-
     kann Kunst in diesen Zeiten leisten?         doskop und Solist*innen des Niedersächsi-
Wir haben in HELLERAU in den letzten Mo­          schen Staatsorchesters Hannover mit
naten gespürt, dass sowohl Verlässlich-           dem Stück „Abschied“. Das außergewöhnli-
­keit wie auch Flexibilität, neues Denken und     che Projekt „Last but not last“ ist durch
 Handeln gefragt sind. Unsere Partner, die        die Zusammenarbeit der beiden international
 Künstler*innen haben kurzfristig ihre Projek­    renommierten Künstler*innen aus Beirut
 ­te geändert, sie verschoben und dabei           Rabih Mroué und Lina Majdalanie mit dem
  ihre künstlerische Kreativität ausgeschöpft.    Performing Arts Institute Warschau
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In jedem
                                   Wir erinnern uns – permanent. Manchmal sind es gute Er-        die Bombardierung von Dresden. Er erzählt über das Grau-
                                   innerungen, manchmal schlechte, manche Erinnerungen            en des Krieges und macht zugleich das Erinnern selbst zum
                                   verblassen, andere schienen längst vergessen und sind          Thema. Sein Roman ist Collage, Satire, Biografie, Science
                                   plötzlich wieder da. Wir tragen alle Persönlichkeiten, die     Fiction und alles zugleich: Fragmentarisch-ausschnitthaft
                                   wir einmal waren und vielleicht auch im Alter sein werden,     wandert die Romanerzählung durch unterschiedliche Zeit­
                                   bereits in uns. „Alle Augenblicke – Vergangenheit, Gegen-      ebenen und lässt persönliche Erfahrung und Erlebtes mit
                                   wart und Zukunft – waren immer vorhanden, werden im-           Fiktion zusammenlaufen.

Moment
                                   mer vorhanden sein“, heißt es in Kurt Vonneguts Roman
                                   „Schlachthof 5“. Er hat in seinem Text für dieses Phänomen     Das Team um den russischen Theaterregisseur Maxim
                                   des Erinnerns unterschiedlicher Phasen eines Lebens eine       Didenko hat eine neue Bühnenfassung von „Schlachthof
                                   kongeniale Übersetzung gefunden.                               5“ entwickelt, die im September in HELLERAU uraufge-
                                                                                                  führt wird.
                                   Es sind nicht irgendwelche Erinnerungen, die Vonnegut
                                   verarbeitet, sondern Erinnerungen an eines der schreck-        Johannes Kirsten, Dramaturg und Autor des Librettos der
                                   lichsten Kapitel des 20. Jahrhunderts. Vonnegut erlebte als    musikalischen Bühnenfassung sprach mit dem künstleri-

alles
                                   junger amerikanischer Soldat in deutscher Gefangenschaft       schen Team der Produktion.

                                                                             dierung von Dresden ist. Beim Lesen        prägt mich bis heute. Mein Theater ist
                                                                             wurde mir klar, dass es um sehr viel       ein sehr physisches Theater. Weil wir
                                                                             mehr geht – um Gewalt, um die Verar-       „Schlachthof 5“ als freies Projekt von
                                                                             beitung eines Traumas, vor allem aber      Anfang an so entwickelt haben, wie

sichtbar
                                                                             um Erinnerung. Ich mag die Idee des        wir es wollten, haben wir nicht Schau-
                                                                             Buches, dass Vergangenheit, Gegen-         spieler*innen, sondern Sänger*innen
                                                                             wart und Zukunft im selben Moment          und Tänzer*innen für die Umsetzung
                                                                             stattfinden. Dieser Gedanke ist sehr       engagiert. Wenn ich in Russland arbei-
                                                                             nah an dem, wie ich die Realität wahr-     te, muss ich normalerweise mit The-
                                                                             nehme. Ich empfinde es als eine wun-       aterschauspieler*innen arbeiten, die
                                                                             derbare Herausforderung, einen Weg         nicht wirklich gute Tänzer*innen sind.
                                                                             zu suchen, wie man durch Theatermittel     Die Idee, „Schlachthof 5“ als eine Mi-

machen
                                                                             die Gleichzeitigkeit der Zeiten erzählen   schung aus Musik, Tanz und Theater
                                                                             oder erfahrbar machen kann – dass un-      zu realisieren, entstand auch aus dem
                                                                             sere Geburt, unsere Kindheit und unser     Kontext des Aufführungsortes, dem
                                                                             Tod im selben Moment stattfinden und       Festspielhaus und seiner Geschichte.
                                                                             eigentlich Vergangenheit und Zukunft       Hier spielen Tanz und zeitgenössische
                                                                             nicht wirklich existieren, sondern wir     Musik eine große Rolle. Das ist vielleicht
                                                                             nur das Hier und Jetzt haben, in dem       nicht der leichteste Weg, die Geschich-
                                                                             alles enthalten ist.                       te des Buches zu erzählen, aber diese
                                                                             „Schlachthof 5“ ist 75 Jahre nach dem      Schwierigkeit inspiriert mich mehr, als

                                   Maxim Didenko                             Ende des Krieges der beste Stoff für ein
                                                                             Projekt in Dresden. Der Zweite Welt-
                                                                                                                        dass es mich abschreckt. Wegen der
                                                                                                                        Corona-Situation haben wir, um mit den
                                   Regie                                     krieg ist ein Thema, das alle Nationen     Abstandsregeln umgehen zu können,
Musiktheater „Schlachthof 5“                                                 Europas miteinander verbindet – in mei-    das Raumkonzept noch einmal komplett

nach dem Roman                     Als das Team von HELLERAU Kontakt
                                   mit mir aufnahm und mir anbot, ein
                                                                             nem Fall Russland und Deutschland. Ich
                                                                             hatte dann noch die Idee, mit dem Ame-
                                                                                                                        geändert. Es wurde also im Vorberei-
                                                                                                                        tungsprozess immer komplizierter und
von Kurt Vonnegut                  gemeinsames Projekt zu entwickeln,        rikaner AJ Weissbard als Bühnenbild-       ich merkte, dass mich das umso mehr
                                   habe ich begonnen, mich stärker mit       ner zu arbeiten und so drei Nationen       gereizt hat.
                                   der Geschichte Dresdens zu beschäf-       des Zweiten Weltkrieges in dem Projekt
                                   tigen und Bücher mit einem Bezug zur      miteinander zu verbinden.
                                   Stadt zu lesen. Von Kurt Vonneguts        Wie wir den Stoff jetzt umsetzen, hat
                                   „Schlachthof 5“ hatte ich schon einmal    seinen Ausgangspunkt in meinen Wur-
                                   gehört, wusste aber nicht mehr, dass      zeln in HELLERAU. Ich war hier Per-
                                   es eigentlich ein Buch über die Bombar-   former bei der Gruppe DEREVO. Das

SCHLACHTHOF 5                  4   MUSIKTHEATER                                                                                                                5
HELLERAU Magazin #2 2020 - SLUB: Qucosa
thode der Darstellung eines verbalen      jetzt für die Bühne adaptieren, dann
                                           Textes in dieser Partitur mit der von     muss unsere Interpretation für ein Pu-
                                           Heinrich Schütz. Stilistisch geht es      blikum von heute funktionieren. Aber so
                                           natürlich um völlig andere Dinge, aber    wie der rote Faden des Romans unvor-
                                           ich habe für mich selbst unerwartet be-   hersehbar springt, änderte sich auch
                                           merkt, dass Olaf in Bezug auf die Ver-    unsere Herangehensweise an den Stoff,
                                           tonungsstruktur des Textes Recht hat.     da unser eigener Kontext und unsere
                                           Auch wenn der Roman sehr durch Zeit       Wahrnehmung der Welt in den letzten
                                           und Raum springt, bemühe ich mich um      Monaten radikal umgekrempelt wurden.
                                           eine durchlaufende Musik­entwicklung.     Bei der ersten Annäherung an das Pro-
                                           Es gibt keine Epochenporträts oder        jekt haben wir versucht, den architek-
                                           Handlungsorte, denn für Billy Pilgrim,    tonischen Charakter des Festspielhau-

Vladimir Rannev                            den Helden des Romans, ist der Krieg
                                           kein Abenteuer, sondern eine Erfahrung
                                                                                     ses mit dem fließenden Gedankenraum
                                                                                     unseres Erzählers und seines Univer-
Komposition                                schmerzhafter Reflexion und Selbstbe-     sums zu verbinden. Es war ein Exkurs
                                           obachtung.                                durch traditionelle Präsentationen im
„Schlachthof 5“ ist der Roman eines                                                  Festspielhaus, der jedoch den Rahmen
amerikanischen Autors über seine Er-                                                 sprengte. Ein späterer Ansatz führte
lebnisse im Zweiten Weltkrieg, über                                                  zu einer klassischeren und beschei-
die Bombardierung von Dresden, die                                                   deneren Interpretation. Dann kam die
er miterlebte und über die Schwierig-                                                Corona-Tragödie dazwischen.
keit zu erinnern. Wir setzen den Stoff                                               Die Herausforderung der COVID­-19-
jetzt als russisch-amerikanisch-deut-                                                Pandemie hat das Leben auf der ganzen
sches Team um. Letztlich aber sind                                                   Welt und in jeder Branche erschüttert.                                                 haltig im Gedächtnis. Einmal ein großer    rhythmische Struktur fällt sofort auf. Die
die Nationalitäten damals und heute                                                  In der Kunst stellen wir uns auf neue                                                  Neonaziaufmarsch vor ein paar Jahren.      Tonhöhen haben ihre Grundlage in der
nicht wichtig. Die wahren Grenzen zwi-                                               Herausforderungen ein, was die Zu-                                                     Die menschenleere Stadt und das gro-       Erzählung und wirken äußerst suggestiv.
schen den Kriegsfeind*innen in beiden                                                sammenarbeit und die Realisierung                                                      ße Polizeiaufgebot waren gespens-          Im besten Fall wird ein Zustand geschaf-
Weltkriegen und zahlreichen nachfol-                                                 von Projekten, die Begegnung mit dem                                                   tisch. Positiver ist eine Erinnerung an    fen, in dem wir die Normalität vergessen
genden lokalen Kriegen lagen nicht                                                   Publikum und viele weitere Herausfor-                                                  die Gedenkveranstaltung vor zwei, drei     und erfahrbar wird, was der Roman mit
zwischen Völkern, sondern zwischen                                                   derungen angeht. Diese einzigartige                                                    Jahren auf dem Heidefriedhof, die ich      Worten erzählt. Die größte Herausfor-
Verbrecherregierungen, deren egois-                                                  Situation hat uns veranlasst, das Kon-                                                 zusammen mit dem Jungen Ensemble           derung für uns als AuditivVokal ist das
tische Interessen Blut forderten, und                                                zept für „Schlachthof 5“ in HELLERAU                                                   umrahmen durfte.                           Eintauchen in Vladimirs Kosmos und
Menschen, die diese Verbrecher*innen                                                 zu überdenken, um die Sicherheit von                                                   Vonneguts Roman habe ich erst jetzt in     seinem Verlangen zu folgen, sich trotz
regieren ließen mit der Konsequenz,                                                  Publikum und Darsteller*innen zu ge-                                                   Vorbereitung auf das Projekt gelesen.      der packenden Rhythmen ganz dem na-
Blut für ihre Interessen zu vergießen.                                               währleisten und dennoch ein künstle-                                                   Ich konnte mir nur schwer vorstellen,      türlichen Singen hinzugeben.
Die einen hatten gut gelernt, wie die                                                risches Arbeiten zu ermöglichen.                                                       wie aus so einer heterogenen Erzählung
anderen zu manipulieren sind und wie       AJ Weissbard                              In unserer Interpretation von „Schlacht­                                               ein Theaterabend werden kann.              Eine Koproduktion von tristan Production und

                                           Bühne
Hass beiläufig und gleichgültig wie Waf-                                             hof 5“ wird in jedem Moment alles                                                      Die Mehrdimensionalität, die sich jetzt    HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste.
                                                                                                                                                                                                                       Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes so-
fen produziert werden kann. Vonneguts                                                sichtbar sein; es wird eine Theaterin­                                                 schon abzeichnet, übt eine große Fas-
                                           und Kostüme
                                                                                                                                                                                                                       wie durch die Landeshauptstadt Dresden, Amt für
Roman ist wichtig, weil er den kriminel-                                             stallation sein, die Zuschauer*innen                                                   zination aus. Die Wort-Ton-Beziehung       Kultur und Denkmalschutz, die Stiftung Kunst und
len Charakter des Krieges als Tätigkeit                                              und Performer*innen in einem ge-                                                       ist für mich natürlich das Spannendste,    Musik für Dresden sowie durch die Kulturstiftung
                                                                                                                                                                                                                       des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme wird
von Verbrecherregierungen aufdeckt         Als ich in meiner Jugend „Schlachthof     meinsamen Raum versammelt. Die Zu-                                                     also wie die Inhalte des Romans auch mit
– egal, ob deutsch, amerikanisch oder      5“ las, bemühte ich mich sehr darum,      schauer*innen gestalten ihre persön-       Olaf Katzer                                 Musik fasslich oder sinnlich erfahrbar
                                                                                                                                                                                                                       mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundla-
                                                                                                                                                                                                                       ge des vom Sächsischen Landtag beschlossenen
russisch. Leider hat das an Aktualität
nicht verloren. Wie lässt sich so ein
                                           den roten Faden in diesem Roman
                                           zu finden. Jetzt, beim Wiederlesen in
                                                                                     liche Reise durch den Stoff, indem sie
                                                                                     ihren eigenen Schwerpunkt wählen und
                                                                                                                                Musikalische                                gemacht werden können. Was bisher
                                                                                                                                                                            komponiert ist und wie Vladimir mit der
                                                                                                                                                                                                                       Haushaltes.

Stoff in Musik übersetzen?                 Vorbereitung für dieses Projekt, war      ihre eigenen Erfahrungen kuratieren.       Leitung                                     Zeitstruktur umgeht, um den Gedanken
In dieser für ein Vokalensemble kom-       mir die Narration überhaupt nicht         Die Unmöglichkeit, ein vollständiges                                                   des Romans der Gleichzeitigkeit von                   24. – 27.09.2020
ponierten Oper gibt es keine heroi-        mehr wichtig. Ich folgte vielmehr den     Bild vermittelt zu bekommen, korres-       Seit 2005 bin ich in Dresden und wohne      Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft           Schlachthof 5 (Uraufführung)
schen Chöre und aufregenden Arien.         Andeutungen und Assoziationen des         pondiert mit den momentan vorherr-         in derselben Straße, in der vor dem Krieg   erfahrbar zu machen, gefällt mir sehr.                    nach dem
Es ist vielmehr eine konzentrierte, in-    Romans und entdeckte das Buch noch        schenden Fragen: Was ist sicher, was       auch meine Urgroßeltern gelebt haben,       Vladimir hat dem Parameter Tonhöhe              Roman von Kurt Vonnegut
trovertierte Erzählung, ein Monolog,       einmal vollkommen neu. Wie man eine       ist mit uns geschehen und was kann die     bis sie in einen Vorort umgezogen sind.     eine eigene Substanz gegeben. Er hat                   Maxim Didenko,
der zwischen den acht Stimmen des          Geschichte wahrnimmt, wird stark vom      Zukunft bringen?                           In Dresden ist es unmöglich, die Be-        die Tonhöhe ihrer westeuropäischen          Vladimir Rannev, Johannes Kirsten,
Ensembles kontrapunktiert wird. Der        Kontext des/der Leser*in beeinflusst.                                                deutung des 13. Februar 1945 für die        Funktion entrissen. Wir haben ein Ton­                 AJ Weissbard,
musikalische Leiter der Produktion,        Ein Gedanke, der umso wichtiger im                                                   Stadt nicht wahrzunehmen. Zwei unter-       spektrum, und die jeweilige Tonhöhe            AuditivVokal Dresden (RU/DE)
Olaf Katzer, verglich einmal die Me-       Theater ist. Wenn wir diesen Roman                                                   schiedliche Momente blieben mir nach-       ist teilweise dem Zufall überlassen. Die            Musik/Theater/Tanz

SCHLACHTHOF 5                                                                                                             6     MUSIKTHEATER                                                                                                                         7
HELLERAU Magazin #2 2020 - SLUB: Qucosa
ABSCHIED UND BEGINN
NEUN, die zweiteilige Kooperation zwischen dem Berliner So-        die Körperlichkeit der Musik sowie der Musiker*innen selbst in   sich aus unauffälligen, nur selten in den Fokus unserer Auf-    Gleichzeitig werden Musiker*innen des Niedersächsischen
listenensemble Kaleidoskop, HELLERAU – Europäisches Zen-           den Mittelpunkt stellt. Sie bilden keinen einheitlichen, homo-   merksamkeit rückenden Routinen und Nebensächlichkeiten          Staatsorchesters, die sonst im Opernhaus die großen Werke
trum der Künste und der Staatsoper Hannover, nimmt zwei            gen zusammenspielenden Klangkörper, wie es das Musizieren        eine Choreografie.                                              der Opern- und Konzertliteratur spielen, gemeinsam mit Mit-
Monumente der Orchesterliteratur zum Ausgangspunkt: Die            von Sinfonien im klassischen Orchester nahelegt. Vielmehr        Der zweite Teil des Stückes ist von Wiederholungen und          gliedern des Solisten­ensembles auf der Bühne stehen. Ge-
9. Sinfonien von Ludwig van Beethoven und Gustav Mahler.           wird die Heterogenität der Spieler*innen und ihre individuelle   der Überlagerung heterogenen Klangmaterials bestimmt.           meinsam werden so neue Darstellungsformen von Musik und
Beide Werke, 1824 bzw. 1912 uraufgeführt, markieren An-            Auseinandersetzung mit dem Werk ernst genommen und im            Ein Atem-Chor überlagert sich mit stimmlichen, gestischen       Musiktheater erprobt und mit den Produktionen „Abschied“
fang und Ende der großen romantischen Form. Beethovens             Bühnenraum sicht- und hörbar gemacht. Die Musiker*innen          und musikalischen Fragmenten zu einer fast humoristisch         und „Beginn“ auf die Bühnen der beiden Häuser gebracht.
„Neunte“, bis heute an Popularität kaum übertroffen, sollte        werden zu aktiven Erzähler*innen von und mit ihrer Musik.        wirkenden Collage. Unter anderem inspiriert von Orlando
                                                                                                                                                                                                    Im Rahmen des Projektes NEUN in Zusammenarbeit von Solistenensemble Kalei-
seine letzte Sinfonie bleiben. Als Schlüsselwerk der sinfoni-                                                                       di Lassos Chorwerken der Renaissance entsteht in Zusam-         doskop mit HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste und der Staatsoper
schen Musik bereitete sie jedoch den Boden für nachkom-            Abschied                                                         menarbeit mit dem US-amerikanischen Komponisten Ethan           Hannover, gefördert im Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes.
mende Komponist*innen der Romantik. Rund 90 Jahre spä-             Der letzte Satz „Adagio. Sehr langsam und noch zurückhal-        Braun dafür neue Musik. Es entsteht ein Mit- und Nebenei-
                                                                                                                                                                                                    „Abschied" wird gefördert von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.
ter scheute Mahler zunächst die Arbeit an seiner 9. Sinfonie,      tend“ aus Gustav Mahlers 9. Sinfonie bildet den Ausgangs-        nander einzelner Stimmen und individueller Rhythmen; ein        Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage
da er fürchtete, neben Beethoven, Schubert, Bruckner und           punkt für das Musiktheater „Abschied“. Der erste Teil der        hoffnungsvoller Ausblick auf den Anfang nach dem Ende.          des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Dvořák nicht über diese Zahl hinauszukommen und mit ihr            zweijährigen Kooperation stellt die Frage, wie sich nach ei-
seinen eigenen Tod zu komponieren. Tatsächlich beschreibt          nem Ende ein neuer Anfang finden lässt. Aus der aktuellen        Die Kooperation
Mahler dann mit der kurz vor seinem Tod entstandenen und           Krisensituation heraus erkunden die finnische Choreografin       Im Rahmen des Programms Doppelpass der Kulturstiftung des                                                 NEUN
erst danach zum ersten Mal aufgeführten 9. Sinfonie den            Milla Koistinen, der Künstler Ladislav Zajac, Musiker*innen      Bundes verbünden sich das Solistenensemble Kaleidoskop und                                 Doppelpass-Projekt mit Solistenen-
Abschied vom Leben und den Übergang in den Tod – und               des Staatsorchesters Hannover sowie der Regisseur und            die beiden Institutionen HELLERAU und die Staatsoper Han-                                      semble Kaleidoskop (DE) und
gleichzeitig den Übergang in eine neue Epoche.                     Komponist Michael Rauter mit dem Solistenensemble Ka­            nover auf verschiedenen Ebenen. Da (neue) Formen des Mu-                                   Solist*innen des Niedersächsischen
Als „Abschied“ und „Beginn“ werden diese beiden Werke              leidoskop die Zeitspanne zwischen einem abgeschlossenen          siktheaters von allen drei Partnern auf sehr unterschiedliche                                     Staatsorchesters (DE)
durch das Solistenensemble Kaleidoskop neu bearbeitet auf          Davor, zu dem es keine Rückkehr gibt, und einem noch un-         Weise, mit anderen Mitteln und Arbeitsstrukturen entwickelt
die Bühne gebracht. Das bekannte musikalische Material wird        gewissen Danach.                                                 werden, will diese Kooperation neue Impulse setzen.                                               Fr/Sa 02./03.10.2020
jeweils nur in kleiner Besetzung gespielt und performativ, klan-   Das „Adagio“, ein langsamer und erhabener Abgesang               Das Festspielhaus Hellerau, in den 1910er Jahren zur glei-                                      Abschied (Uraufführung)
glich und räumlich neu interpretiert. Durch diese Aneignung        des monumentalen Werkes, wird für „Abschied“ in eine             chen Zeit wie Mahlers letztes Werk entstanden, bereitete mit                                    HELLERAU – Europäisches
werden die Kompositionen vom überwältigenden Pathos des            neu arrangierte und choreografierte Fassung für elf Strei-       seinem offenen Bühnenraum und der Idee des rhythmisch                                              Zentrum der Künste
großen Orchesterwerks befreit und das Potenzial der Werke          cher*innen und eine Tänzerin überführt. Extrem verlang-          ausgebildeten Menschen den Weg für interdisziplinäres Ar-
freigelegt. Das Solistenensemble Kaleidoskop und die Musi-         samt gespielt, verschwindet der romantische Gestus hinter        beiten in der deutschsprachigen Theater- und Tanzwelt. Die                                            November 2020
ker*innen des Niedersächsischen Staatsorchesters schaffen          stehenden Klängen. Immer leiser werdend, bewegt sich die         Strukturen dieser Experimentierbühne treffen auf diejenigen                                        Beginn (Uraufführung)
damit ein Musiktheater, das Hörgewohnheiten verschiebt und         Musik ihrem Verschwinden entgegen. Gleichzeitig entfaltet        der Staatsoper und bringen sich so gegenseitig in Bewegung.                                         Staatsoper Hannover

ABSCHIED                                                                                                                      8     MUSIKTHEATER                                                                                                                           9
HELLERAU Magazin #2 2020 - SLUB: Qucosa
Rekonstruktion und Konstruktion von Geschichte
                                              Carena Schlewitt im Gespräch mit Lina Majdalanie, Rabih Mroué, Marta Keil und
                                                   Grzegorz Reske über den Rechercheprozess für „Last but not last“

                         Marta und Grzegorz, ihr habt dieses langfristige Forschungs-          haben uns in unserem Arbeitsprozess geholfen. Popu-
                         projekt zu Geschichte und Transformationsprozessen mit                lismus, Nationalismus, die Einmischung der Religion in
                         Bezug auf Polen initiiert. Und ihr habt dazu Lina Majdalanie          die Politik, historische Mythen und Nationalhelden usw.
                         und Rabih Mroué, zwei bekannte, in Berlin lebende Künst-              nehmen heute leider überall auf der Welt wieder zu. Aber
                         ler*innen aus Beirut eingeladen. Was war euer Impuls, euer            in jedem Land oder in jeder Gesellschaft manifestiert
                         Interesse an diesem Thema und dieser Konstellation?                   sich diese Entwicklung unterschiedlich, gibt es andere
                               Für uns kam die radikale populistische Wende, die sich          Wurzeln, eine andere Bildsprache, eine andere Imagi-
                               2015 in Polen vollzog, überraschend. Wir beobachten             nation ... Wir wollten verstehen, wie sich diese Entwick-
                               und reflektieren bereits seit einiger Zeit signifikante         lung im Verhältnis zur eigenen, besonderen Erfahrung
                               soziale Veränderungen in Polen und sehen, wie die wirt-         und Geschichte in jeder Stadt artikuliert. Und auch hier
                               schaftlichen und sozialen Ungleichheiten zunehmen,              war es sehr hilfreich, sowohl Unterschiede als auch Ge-
                               aber eine so schnelle und radikale politische Wende             meinsamkeiten zu untersuchen und bereit zu sein, alles
                               haben wir nicht erwartet. Teilweise auch, weil wir selber       als überraschend oder auch seltsam zu betrachten. Wir
                               mittendrin waren und an dem anstrengenden Kultur-               wollten unwissend und ohne Herablassung an das Thema
                               kampf teilgenommen haben. Aus diesem Grund haben                herangehen und wie ein Kind ganz naiv fragen, warum
                               wir beschlossen, Künstler*innen einzuladen, die die             und wie etwas geschieht.
                               komplexe politische und soziale Situation Polens aus        Was wurde für euch schließlich zum gemeinsamen Arbeits-
                               ihrer eigenen, externen Perspektive betrachten können       ansatz, aus dem der Theaterabend entstanden ist?
                               und die höchstwahrscheinlich Mechanismen und Inter-             Ein wichtiger Punkt war Linas und Rabihs Beobachtung
                               dependenzen sehen, die für uns unsichtbar bleiben. Die          dessen, was in letzter Zeit zu einer polnischen Obses-
                               Wahl von Lina und Rabih lag für uns auf der Hand: Wir           sion geworden ist: historische (und fiktionale!) Rekons-
                               haben schon früher mit ihnen gearbeitet und bewun-              truktionen. Eine Welle von Nachstellungen vergangener
                               dern ihre langjährige künstlerische Forschung über              oder phantasievoller Ereignisse, die in letzter Zeit im
                               Erinnerung und Repräsentation sowie ihre einzigartige           ganzen Land zu sehen sind. Als ob wir unsere Geschich-
                               Verflechtung von Persönlichem und Politischem. Ent-             te ständig neu erzählen müssten, als ob ihre gegenwär-
                               scheidend war für uns vor allem die Methode von Lina            tige Version nicht heroisch oder attraktiv genug wäre.
                               und Rabih, Fiktion als politisches Mittel einzusetzen,          Wir haben daraufhin ein sehr „banales und unbedeu-
                               um die Realität zu verstehen.                                   tendes“ Ereignis aus dem Jahr 2016 ausgewählt, es
                         Lina und Rabih, im Rahmen des Arbeitsprozesses habt ihr               durchforstet und analysiert, bis sich vor unseren Augen
                         Warschau und Dresden viele Male besucht – wie habt ihr                überraschenderweise eine ganze Welt offenbarte, die
                         aus eurer sozialen und künstlerischen Perspektive die                 mit dem Diskurs der heutigen herrschenden Klasse
                         Gesellschaften, die Städte, die historischen Aspekte, die             in Polen zusammenhängt, ein Diskurs, der auf Fiktion
                         Menschen wahrgenommen?                                                und Realität aufbaut und sich von der alten Geschichte
                               Wir wollten bei unseren Aufenthalten in Dresden, War-           Polens bis heute erstaunlich ausbreitet.
                               schau und auch Leipzig versuchen, die Besonderheit
                               jeder Stadt heute im Zusammenhang mit ihrer Vergan-         Rechercheprozess und Produktion: HELLERAU – Europäisches Zentrum der
                                                                                           Künste und Performing Arts Institut Warschau, Gefördert durch die Bundes-
                               genheit zu verstehen. Diese drei Städte haben eine lange    zentrale für politische Bildung. Koproduktion: Residenz, Schauspiel Leipzig.
                               kommunistische Regimevergangenheit. Natürlich ist die
                               moderne Geschichte jeder Stadt vielschichtig und kom-
                               plex, besonders für zwei Künstler*innen, die aus einem
                               anderen Kontext kommen. Aber wir haben uns dabei                                              Fr/Sa 09./10.10.2020
                               ertappt, wie wir neben unseren persönlichen Erfahrun-                                            Last but not last
                               gen auch Assoziationen zwischen den drei Städten und                                    Lina Majdalanie & Rabih Mroué (LB)
                               unserer Stadt Beirut gebildet haben. Sowohl Unterschie-                                 Zeichnungen: George Khoury (JAD)
                               de als auch Gemeinsamkeiten zwischen den vier Städten                                             Performance

LAST BUT NOT LAST   10   PERFORMANCE                                                                                                                               11
HELLERAU Magazin #2 2020 - SLUB: Qucosa
VORTEX
Ulf Langheinrich

„Ich denke, erlebte Wirklichkeit ist eine Halluzination. Wirk-   In Bildern ist alles das tot, was unsterblich werden sollte,      derungen richtet, so sind ihm doch auch Kontexte, soziale
lich ist sie nicht dadurch, dass sie physikalisch stimmt,        erloschen im Moment der Bilderzeugung. Ihre Erzeugung             Settings und Gesten von zentraler Bedeutung:
sondern dadurch, dass wir das Erleben glauben. Träume            ist ein vampiristischer Akt. Eine Anmaßung. Ich versuche              „Die unterschiedlichen Auflösungserscheinungen, die
etwa sind geeignet, eine so überzeugende Wirklichkeitshal-       durch eine Art von Auflösung des Gemeinten ein Bild hinter        im Rahmen von VORTEX verhandelt werden, spiegeln ge-
luzination zu generieren, dass diese unabhängig von Physik       den Bildern zu destillieren, zu raffinieren. Dieser Versuch ist   sellschaftliche Prozesse der Gegenwart wider. Es scheint,
als echt erlebt wird. Es scheint, als sei die Generierung von    immer ein vergeblicher! Insofern sind gerade jene Arbeiten,       als werde zu Beginn noch eine Ikonisierung des exotischen
wirklichkeitsgleichen Vexiermustern, mit immer diskreteren       die mit menschlichem Abbild operieren, auch Arbeiten über         Anderen problematisiert, präsentiert als kollektive (weib-
Pixeln, immer schnelleren Bildsequenzen, in immer höherer        Verlangen und Scheitern.“                                         liche) Multitude. Doch die sich vollziehende Überwindung
Ausdifferenzierung, das eine Ziel, in dem sich ästhetische          Wenn sich in den Arbeiten von Ulf Langheinrich das In-         des Menschlichen und dann des Körperlichen evoziert völ-
und technologische Forschung einig sind: die Approximation       teresse vor allem auf die Materialität der Medien, auf ihre       lig andere Themen. Eigentlich geht es um Vereinzelung und
des Virtuellen an die Glaubwürdigkeit des Traumes. Wenn die      Physik, auf Fragen zu Konsistenzen und Konsistenzverän-           Isolation. Um Verlust als zentrale Erfahrung des Seins in der
Granularität der generierten Muster                                                                                                Welt. Vor allem geht es um den Verlust des Vertrauens in die
an der Systemgrenze menschlicher                                                                                                   Richtigkeit des Gewussten. Und es geht um Nicht-Verstehen,
Sinne als solche nicht mehr erkennbar                                                                                              um Nicht-Verstehen-Wollen als Akt der Emanzipation von der
ist, wenn ein VR-Environment endlich                                                                                               Geschwätzigkeit des Seins.“
die menschliche Enttäuschungsfähig-                                                                                                    Die Uraufführung von VORTEX ist ein interdisziplinä-
keit überwältigt hat und die Halluzina-                                                                                            res, internationales Projekt: eine Kollaboration zwischen
tion als nie zuvor erlebte Wirklichkeit                                                                                            den Städten Le Havre, Maubeuge, Dresden und Bochum.
überzeugt, dann rufe ich mir entzückt                                                                                              VORTEX findet als hybrides Bühnenereignis statt, das un-
zu: Ich träume nur.“ (Ulf Langheinrich)                                                                                            terschiedliche Künste miteinander reagieren lässt, um neue
   Ulf Langheinrich ist wohl eher ein                                                                                              ästhetische Formen zu generieren. Die mesmerisierende
besessener Forscher als ein Träumer,                                                                                               Wirkung von Ulf Langheinrichs Licht- und Bildwelten in eine
sein Blick ist scharf, aber eben auch                                                                                              tanzbare Live-Choreografie zu transcodieren, ist die Leis-
entrückt: „Mich interessiert die Kre-                                                                                              tung der jungen italienischen Künstlerin Maria Chiara de’
ation sehr spezifischer ästhetischer                                                                                               Nobili, die derzeit ihren Masterabschluss für Choreografie
Zustände oder akustischer Felder, die                                                                                              an der Palucca Hochschule in Dresden vorbereitet.
sich durch Eigenschaften wie Tempe-                                                                                                                                                                                       CYNETART – VORTEX
ratur, Konsistenz oder Viskosität be-
                                                                                                                                   Ulf Langheinrich, 1960 in Wolfen geboren, verließ 1984 die damalige DDR. In Wien
schreiben lassen. Die Arbeit mit Tän-                                                                                              gründete er 1991 zusammen mit Kurt Hentschläger GRANULAR-­SYNTHESIS.                   Fr/Sa 16./17.10.2020
zer*innen und die Präsentation von                                                                                                 Das Duo schuf wegweisende monumentale Multimedia-Installationen und Per-             VORTEX (Uraufführung)
Abbildungen menschlicher Emotion in                                                                                                formances. Danach als Solokünstler international erfolgreich, lebte er lange       Maria Chiara de’ Nobili und Ulf
                                                                                                                                   Zeit in Ghana und Hongkong, seine Arbeiten werden weltweit präsentiert. Seit
Gesicht und Körper werfen zusätzli-                                                                                                2016 ist er Künstlerischer Leiter des Festivals CYNETART in HELLERAU.                    Langheinrich (DE)
che und andere Fragestellungen auf,                                                                                                CYNETART 2020 ist eine Veranstaltung der Trans-Media-Akademie Hellerau
das war schon zu Zeiten von MODELL                                                                                                 im Rahmen der Aktivitäten des Netzwerk | Medien | Kunst Dresden in Koope-                 So 18.10.2020
                                                                                                                                   ration mit HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste sowie der SHAPE
5 (GRANULAR-SYNTHESIS 1994) so.                                                                                                    Plattform.                                                                              Deep Surroundings
Seitdem geht es mir immer auch um                                                                                                                                                                                     Kiran Kumar, Simina Oprescu,
Identifikation und Projektion, um Se-                                                                                              Gefördert aus Mitteln der Landeshauptstadt Dresden, Amt für Kultur und                      Aloïs Yang,
                                                                                                                                   Denkmalschutz sowie gesponsert durch die Ostsächsische Sparkasse Dres-
xualität und Sterblichkeit, das trifft                                                                                             den und kofinanziert durch eine Plattform-Förderung aus dem Programm               Hugo Esquinca (IN/RO/FR/CZ)
jedenfalls in meinen Arbeiten so zu.                                                                                               KREATIVES EUROPA der Europäischen Kommission.                                              Tanz/Musik

CYNETART                                                                                                                    12     FESTIVAL                                                                                                             13
HELLERAU Magazin #2 2020 - SLUB: Qucosa
Arbeit!
                                                                                23.10. – 01.11.2020               Das Themenfestival ARBEIT! behandelt den Begriff Industriekul-
                                                                                                                  tur nicht als Rückschau, sondern schlägt einen inhaltlichen Bogen
                                                                                Zeitgenössische Positionen        zwischen der Industrialisierung und den Transformationspro-
                                                                                zum Jahr der                      zessen bis hinein in die heutige postindustrielle Gesellschaft mit
                                                                                Industriekultur in Sachsen        ihrer digitalen Arbeits- und Lebenswelt – mit besonderem Fokus
                                                                                                                  auf Sachsen und Ostdeutschland.

Arbeit!
                                                                                Di 06.10. 20:00 Uhr               Mo 26.10. 18:00 Uhr               Sa 31.10. 16:00 Uhr
                                                                                Dienstagssalon mit Max            Tanz-Workshop für alle!           Choreografie der Arbeit
                                                                                Rademann – ARBEIT! Spezial        Mit Irina Pauls (DE)              Gespräch mit Carena
                                                                                Zu Gast: Die Arbeit (DE)          Anmeldung an                      Schlewitt, Antje Ehmann
                                                                                Musik/Gespräch                    workshop@hellerau.org             und Irina Pauls

                                                                                Fr 23.10. 18:00 Uhr               Di 27.10. 18:00, 21:00 Uhr        Sa 31.10. 18:00 Uhr
                                                                                Sa 24.10. 15:00, 18:00 Uhr        Nature & Culture w/               Konsequenzen globalen

Arbeit!
                                                                                So 25.10. 15:00, 18:00 Uhr        Pantha Du Prince                  Rohstoffabbaus zwischen
                                                                                Uncanny Valley/                   „Conference of Trees“             Leipzig und Papua
                                                                                Unheimliches Tal                  & Andrew Pekler                   Gespräch mit Daniel Kötter
                                                                                Rimini Protokoll (Stefan Kaegi)   „Tristesse Tropique“              und Gästen
                                                                                & Thomas Melle, Münchner          Eine Veranstaltung von DAVE
                                                                                Kammerspiele (CH/DE)              Musik                             + Installationen
                                                                                Performance                                                         23.10. – 01.11.2020
                                                                                                                  Fr 30.10./Sa 31.10. 19:30,        (an allen Veranstaltungstagen
                                                                                Fr 23.10. 20:00 Uhr               20:00, 20:30, 21:00 Uhr           ab einer Stunde vor
                                                                                Sa 24.10. 20:00 Uhr               So 01.11. 16:00, 16:30,           Veranstaltungsbeginn)
                                                                                Neue Horizonte:                   17:00, 17:30 Uhr
                                                                                Eternity für alle!                Gold & Coal                       Eine Einstellung zur Arbeit
                                                                                andcompany&Co. feat.              Daniel Kötter/Sarah Israel/       Antje Ehmann/Harun Farocki
                                                                                Arbeitertheater (DE)              Elisa Limberg (DE)                (DE), Videoinstallation
                                                                                Performance                       Performance
                                                                                                                                                    Arbeiter verlassen die Fabrik
                                                                                Sa 24.10. 16:30 Uhr               Sa 31.10.2020 13:00, 14:30 Uhr    Harun Farocki (DE)
                                                                                Arbeit wieder sichtbar            So 01.11.2020 15:00 Uhr           Videoinstallation
                                                                                machen                            shift change.
                                                                                Panel mit Alexander Karschnia     SCHICHTWECHSEL                    D.I.Y Experience
                                                                                (Theatermacher, Autor),           Irina Pauls (DE)                  Alexander Buers (DE)
                                                                                Eva Renvert (Bildungswissen-      Performance                       Befahrbare Installation
Gefördert im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser
von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
                                                                                schaftlerin), Sönke Zehle
Gefördert von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Diese Maßnahme        (Medientheoretiker), Kolja        Sa 31.10. 15:30 Uhr
wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsi-
schen Landtag beschlossenen Haushaltes.                                         Möller (Politikwissenschaftler)   Eine Einstellung zur Arbeit       Das ganze
                                                                                und Mitgliedern des               Ausgewählte Filme                 Festivalprogramm unter
                                                                                Arbeitertheaters Schwedt          aus Marseille                     www.hellerau.org/arbeit
                                                                                                                  Filmpräsentation

ARBEIT!                                                                    14   FESTIVAL                                                                                          15
HELLERAU Magazin #2 2020 - SLUB: Qucosa
Neue Horizonte für historische Stoffe
                        Die Bildungswissenschaftlerin Eva Renvert im Gespräch mit
                                dem Theaterkollektiv andcompany&Co. über
                           ihr aktuelles Stück „Neue Horizonte: Eternity für alle!“

Ihr beschäftigt euch mit der „Horizonte“-Inszenierung, ei-            „digitale Unsterblichkeit“ – in einer Gesellschaft, die von
nem Stück, das DDR-Theatergeschichte geschrieben hat                  krasser Ungleichheit geprägt ist. Daher auch der Titel:
und das in Verbindung mit Themen wie Arbeitertheater                  „Eternity für alle!“ Das könnte in nicht allzu ferner Zu-
oder Kybernetik steht. Wie ist die Idee entstanden und was            kunft eine reale politische Forderung sein. Heiner Müller
interessiert euch an dem Stoff?                                       hat allerdings noch eine andere mögliche Entwicklung
      Am Anfang stand das Interesse für Kybernetik. Von               vorhergesehen – das Verschwinden des Menschen. Kurz
      der stolzen neuen Leitwissenschaft ist heute begrifflich        vor seinem Tod erzählte er Alexander Kluge: „Wichtig im
      fast nur die Bezeichnung der „Cyberattacke“ geblie-             Universum ist nicht das organische Leben, sondern die
      ben. Doch es gibt gute Gründe, sich mit der Geschichte          Information, wenn sich herausstellt, dass die Computer
      der Kybernetik zu beschäftigen: Die Kybernetik war ein          – dass die Maschinen – die Informationen besser trans-
      Vorläufer der heutigen Netzwerk- und Systemtheorien.            portieren können als der Mensch, wenn der Mensch als
      Insofern ist sie gewissermaßen von Anfang an in das             Vehikel nicht mehr ausreicht, dann muss der Compu-
      Web 2.0 eingegangen. Es geht um die Verbindung von              terforscher oder Spezialist beitragen zur Vernichtung
      Kommunikation und Kontrolle. Heiner Müller hat das              der Menschheit, damit die Computer den Transport der
      auf verblüffende Weise vorhergesehen: „Jeder sein               Informationen übernehmen.“
      eigner Spitzel!“                                           Werdet ihr in dieser Inszenierung wieder dokumentarisch
Das Stück gibt es in zwei Bearbeitungen: von Gerhard Win-        arbeiten und wie geht ihr vor?
terlich, der es für das Arbeitertheater des Petrolchemischen          Wir haben zunächst Interviews – zeitgemäß via Zoom – mit
Werkes 1968 in Schwedt schrieb, und von Benno Besson und              den damaligen Beteiligten als Expert*innen ihrer eige-
Heiner Müller, die es 1969 für die Volksbühne Berlin adap-            nen Geschichte geführt. Diese digitale Interview-Form
tierten. Wie geht ihr mit diesen zwei Vorlagen um?                    passte gut zum Thema, da es laut Müller um die „Ein-
      Müller hat hier ausnahmsweise mal so gearbeitet wie             führung der Kybernetik in soziale Beziehungen“ geht.
      wir immer arbeiten – als „embedded writer“ in einem             Uns interessieren dabei v.a. die Theorien von Georg
      Stückentwicklungskollektiv: „Alle dichten mit!“. Das            Klaus, der als „perfekte Synthese aus Marx und Luhmann“
      Stück war zwar kein Erfolg, hatte aber durchaus Wir-            gefeiert wird. Er hatte vorgeschlagen, Knöpfe am Fern-
      kung: Es prägt die Volksbühne bis heute. Es wird auch           seher zu installieren, damit die Bevölkerung zur „Perfekti-
      von uns zwei Fassungen geben: eine, die in Schwedt              onierung der Demokratie“ direkt abstimmen könne. Dazu
      mit ehemaligen Beteiligten des Arbeitertheaters ent-            ist es nie gekommen. Ein kleines Update der Demokra-
      wickelt wird, und eine spätere Version mit Schauspie-           tie – nicht nur technisch – könnte hier sicherlich auch           Der Journalist Klaus Taubert war 1970 bei der „Ost-             niert, um aus der Ferne beim Installieren der Software zu
      ler*innen.                                                      heute nicht schaden.                                              seewoche“ in Rostock Zeuge von Walter Ulbrichts                 helfen. Um die Einzelinterviews in einer höheren Qualität
Das Stück ist ja an Shakespeares „Sommernachtstraum“             Inwieweit werdet ihr den Umgang mit der Geschichte der                 Vorschlägen einer effektiveren Volkswirtschaft, inklu-          einzufangen, haben wir via Kurier unseren Camcorder
angelehnt und spielt mit mehreren Ebenen. Inwieweit fließt       DDR thematisieren?                                                     sive Bildungsreform, technischer Innovation und um-             nach Schwedt geschickt. Den haben die Gesprächspart-
dieses Moment in eure Inszenierung ein?                               Uns haben schon immer die Momente interessiert, in                fassender Computerisierung. Tauberts Artikel wurde              ner*innen dann selbst mit Hilfe der Fernanleitung von
      Uns interessiert es, mit ehemaligen Mitgliedern des             denen sich in der Geschichte ein Türchen geöffnet hat,            damals verhindert und kurz danach bekanntgegeben,               uns aufgebaut. Das war total spannend, weil es ja auch so
      Arbeitertheaters Schwedt zusammenzuarbeiten, die                das kurz danach bereits wieder verschlossen wurde.                dass Ulbricht die Macht an Honecker abgeben würde,              eine soziale Komponente hat, jetzt Menschen mit Technik
      damals sich selbst als Arbeiter*innen gespielt haben.                                                                             der diese radikalen Pläne begrub.                               und Know-how auszustatten, die ansonsten gar nicht
      Der Autor Gerhard Winterlich war inspiriert von Georg                                                                         Welche Herausforderungen gab es in eurem Arbeitspro-                teilhaben würden an dieser Form von Kommunikation –
      Klaus, dem „Godfather der DDR-Kybernetik“. 1968 er-                                                                           zess?                                                               ein Aufbruch zu „neuen Horizonten“.
      schien dessen Spieltheorie, die davon ausgeht, dass alle                                Fr/Sa 23./24.10.2020                      Ein Stück zu entwickeln ohne physischen Kontakt – das
      Zuschauenden im Theater mitspielen, da sie ein „inneres                            Neue Horizonte: Eternity für alle!             passt zum Thema. Wir haben wochenlang einen immen-        Eine Produktion von andcompany&Co. in Koproduktion mit HAU Hebbel
      Modell der Außenwelt“ besäßen. Letztendlich geht es um                                    andcompany&Co.                          sen Aufwand betrieben, um alle Senioren*innen mit Vi-     am Ufer Berlin, Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt am Main, HELLERAU
                                                                                                                                                                                                  – Europäisches Zentrum der Künste, FFT Düsseldorf und Uckermärkische
      die aktuelle Debatte der Verschmelzung von Mensch und                                 feat. Arbeitertheater (DE)                  deo für Proben via Videokonferenz fit zu machen. Unsere   Bühnen Schwedt. Die Produktion wird gefördert durch: Hauptstadtkultur-
      Maschine. Der „neue Horizont“ unserer Zeit ist eine Art                                      Performance                          Mitarbeiter*innen haben mit einigen stundenlang telefo-   fonds und die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa.

ARBEIT!                                                                                                                      16     FESTIVAL                                                                                                                        17
Timika                                                         Leipzig
                                                                                                              Zwei Tage hatten wir mit Mangun in den Tailings verbracht,     Für einen Moment herrscht betretenes Schweigen wäh-
                                                                                                              ihm und seinen Kollegen beim Goldwaschen zugesehen und         rend des Recherche-Interviews und man hört nur noch das
                                                                                                              abends seinen Geschichten zugehört. Zwei Tage hatten wir       Rauschen der nahen Autobahn A38. Wir sitzen im Berg-
                                                                                                              gemeinsam mit dem lokalen Dokumentarfilmer Yonri Revolt        bau-Technik Park bei Leipzig zwischen Markleeberger und
                                                                                                              und unserer 360°-Kamera die Abraum-Landschaft doku-            Störmthaler See. Von den Führerhäuschen der hier ausge-
                                                                                                              mentiert – einen 6 km breiten und 60 km langen Streifen,       stellten Braunkohlebagger könnte man die Segelboote auf
                                                                                                              der die weltgrößte Kupfer- und Goldmine am Nemangkawi          dem sulfathaltigen Wasser in den Landschaftslöchern des
                                                                                                              Gipfel (4884 m, kolonialer Name: Carstensz-Pyramide) mit       ehemaligen Tagebaus Espenhain sehen. Mehrere Wochen
                                                                                                              dem Regenwald rund um die Bergarbeiterstadt Timika und         waren wir mit 360°-Kamera und Mikrofon in den idyllischen
                                                                                                              den Mangrovenwäldern an der Südküste Papuas, Indone-           Bergbau-Nachfolge-Landschaften unterwegs. Die weiße
                                                                                                              sien, verbindet. Im grau-opaken, quecksilberhaltigen Ab-       Wasserdampf-Fahne des Braunkohle-Kraftwerks Lippen-
                                                                                                              raum-Schlamm wächst buchstäblich kein Gras mehr, aber          dorf war dabei unser ständiger Begleiter. Und jetzt sitzen
                                                                                                              der goldene Schimmer auf den Sandbänken verweist auf           wir peinlich berührt zwischen den ausrangierten rostenden
                                                                                                              das eigentliche Ziel der Träume der Goldwäscher, die sich      Zeugen einer verschwindenden Industrie einem älteren Mann
                                                                                                              in temporären Camps hier niedergelassen haben. Hier gibt       gegenüber und schweigen. Wolf-Dietrich Chmieleski, ehe-
                                                                                                              es weder Elektrizität noch Trinkwasser oder Schutz gegen       maliger Bergmann und heute Touristenführer des Vereins
                                                                                                              Dauer-Regen und Mücken – man arbeitet für ein Verspre-         Bergbau-Technik-Park e.V., wischt sich eine Träne von der
                                                                                                              chen in die Zukunft. Mangun hatte angeboten, voranzugehen      Wange und entschuldigt sich, bevor er weiterspricht.
                                                                                                              und uns den sichersten Fußweg durch die Flussbetten zu-        Eine Stunde lang hatte er uns mit fester Stimme große Zahlen
                                                                                                              rück nach Timika zu zeigen. Denn nicht die Chemikalien im      an den Kopf geworfen, unter denen wir uns nicht so recht
                                                                                                              Wasser bilden hier die reale Gefahr, sondern die tödlichen     etwas vorstellen konnten: Kubikmeter Abraum, Kubikmeter
                                                                                                              Strömungen des Flusses. Mangun wollte nach zwei Wochen         Kohle, Quadratkilometer und Tonnenlasten, Alternativlosigkeit
                                                                                                              im Goldwäscher-Camp mal wieder seine Familie besuchen.         im Energiesektor der DDR. Dann kam er auf jenen Moment
                                                                                                              Mit ihr war er, wie viele seiner Kollegen, vor 10 Jahren aus   zu sprechen, den er bei jeder Führung durch den Technikpark
                                                                                                              anderen Teilen Indonesiens nach Timika gezogen, um als         wieder erzählt und erlebt: die Sprengung der Abraum-Förder-

Zwei
                                                                              30.10. – 01.11.2020             illegaler Goldwäscher seine Zukunft zu vergolden. Nach zwei    brücke des Tagebaus Espenhain am 7. Mai 1997 – die symboli-
                                                                                   Gold & Coal                Stunden Fußweg durch die Tailings, zurück auf der Straße,      sche Demontage einer historischen Arbeit, nun entsorgt auf
                                                                           Daniel Kötter/Sarah Israel/        steigen wir in das erste materialisierte Symbol der Zukunft:   der Deponie der Geschichte. Chmieleski stand da mit seinen
                                                                              Elisa Limberg (DE)              Manguns nagelneuen Kompakt-SUV, ausgekleidet mit oran-         Bergbau-Kumpels, nur wenige Jahre nach dem staatlichen

Bilder von
                                                                                  Performance                 gefarbenem Kunstleder und 16 Lautsprecherboxen, die uns        Systembruch, und erlebte also den Bruch im System seiner
                                                                                                              bei der Fahrt durch Timika mit Techno beschallen. Vor dem      beruflichen und individuellen Identität. Und 22 Jahre später, in
                                                                                Sa 31.10.2020                 kleinen Laden des einzigen lokalen Goldhändlers halten wir     dem wiederkehrenden Moment der Erinnerung, läuft Wolf-Die-
                                                                            Konsequenzen globalen             an. Auf die Brief-Waage auf dem Counter legt Mangun sein       trich Chmieleski noch diese Träne über die Wange, Resultat

Arbeit
                                                                           Rohstoffabbaus zwischen            kleines Plastikbeutelchen mit dem Goldstaub, Resultat von      einer gesellschaftlichen Abwertung von Arbeit und Destillat
                                                                              Leipzig und Papua               zwei Wochen Arbeit und kapitalisierbares geologisches          einer individuellen, nie offiziell sanktionierten Trauerarbeit in
                                                                           Gespräch mit Daniel Kötter         Destillat einer zerstörten Landschaft.                         vermeintlich blühenden Landschaften.
                                                                                 und Gästen

Der Performance-Parkour „Gold & Coal“ von            Leipzig. Gemeinsam mit dem Experimentalmusi-
Daniel Kötter, Sarah Israel und Elisa Limberg be-    ker Ikbal Lubys, dem Performer Darlane Litaay, der
schäftigt sich mit lokalen und globalen Einflüssen   Aktivistin Agustina Helena Kobogau, der bildenden
des Rohstoffabbaus auf Landschaften und das          Künstlerin Anna Zett und dem Choreografen und
Zusammenleben von Menschen. Zwei massive,            Tänzer Hermann Heisig begeben sich die Zuschau-
weithin sichtbare Eingriffe aus verschiedenen Zei-   er*innen auf eine immersive Reise durch vergan-
ten werden in einer Parallelmontage untersucht:      gene und gegenwärtige Energie-Landschaften.
                                                                                                                                                                             Eine Produktion von Kötter/Israel/Limberg in Koproduktion mit Residenz
Timika, die aktuell größte Kupfer- und Goldmine                                                                                                                              Schauspiel Leipzig, PACT Zollverein Essen und Ethnictro Java.
der Welt in West Papua/Indonesien, sowie das         Der Künstler Daniel Kötter berichtet von zwei prä-
                                                                                                                                                                             Gefördert im Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes und im
stillgelegte Braunkohle-Tagebaugebiet rund um        genden Begegnungen im Rechercheprozess. →                                                                               Koproduktionsfonds des Goethe-Instituts.

ARBEIT!                                                                                                  18   FESTIVAL                                                                                                                            19
Eine Einstellung
                                                                                                                                      zur Arbeit

                                                                                                                                                                                                                                       23.10. – 01.11.2020
                                                                                                                                                                                                                                   Eine Einstellung zur Arbeit
                                                                                                                                                                                                                                Nach einer Idee von Antje Ehmann
                                                                                                                                                                                                                                       und Harun Farocki.
                                                                                                                                                                                                                                 Ein Projekt von Antje Ehmann,
                Maschinen, Energien, Geräusche, Materialien                                                                                                                                                                        Luis Feduchi und Eva Stotz
                                                                                                                                                                                                                                        Videoinstallation
                                   Leonie Kusterer, künstlerische Referentin in HELLERAU,
                                            sprach mit der Choreografin Irina Pauls
                                   über ihr neues Stück „shift change. SCHICHTWECHSEL”.

Deine Choreografien „Labora“ und „shift change. SCHICHT-                 liche Verästelung gearbeitet. Zudem erzeugt die Taktung      Das Künstler*innenpaar Antje Ehmann        wegter oder statischer Kamera, mit           Arbeitsverhältnisse in Warschau und
WECHSEL“ thematisieren das Bewegungsfeld serieller Ar-                   eine innere Pulsation, auf die sich der Körper einstellt.    und Harun Farocki führten von 2011 bis     Originalton oder einem Sound-Design;         Berlin niedergeschlagen hat. Am Ende
beitsprozesse in den Fabriken der Industrialisierung. Wie                Unser Körper reagiert nicht maschinell. Kann eine Bewe-      2014 in fünfzehn Städten weltweit Work-    fast alle Optionen sind gegeben, nur         des Jahres oder im Frühjahr 2021 ist
ist diese Werkgruppe entstanden?                                         gung genau wiederholt werden? Natürlich nicht. Also war      shops zum Thema Arbeit durch. Seit         darf nicht geschnitten werden. Gefilmt       eine Ausstellung in Warschau geplant,
      Mich interessieren anthropologische Aspekte. Als Cho-              für uns interessant, was mit den Körpern passiert, die in    2017 setzt Ehmann das Projekt zusam-       wird in einer Einstellung. Mit diesen        in der ausgewählte Filme, die vor und
      reografin beobachte ich Tänzer*innen im Arbeitspro-                langanhaltende Wiederholungen gezwungen werden und           men mit Eva Stotz und Luis Feduchi fort.   Mitteln soll eine genaue Untersuchung        während der Krise produziert wurden,
      zess. So habe ich gelernt, feinste Unterschiede in ihren           keinen Bezug zum/zur Partner*in aufnehmen.                   „Eine Einstellung zur Arbeit“ untersucht   des jeweiligen Arbeitsablaufs, seiner        gezeigt werden.
      Bewegungsabläufen zu erkennen. Und Orte inspirieren           Wie denkst du als Künstlerin über Arbeitswelten in der            die gegenwärtigen Bedeutungen, Bedin-      Choreografie und der Besonderheit
      mich zu künstlerischen Arbeiten. So war es auch mit           Zukunft nach?                                                     gungen und Sichtbarkeiten von Arbeit       der Tätigkeit möglich werden. Das so         Alle Filme sind auf der
      dem Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei „Spin-                 Wir sollten uns fragen, wie wir unser menschliches Zu-       im globalen Vergleich. Dabei geht es       entstandene Archiv von inzwischen            Projekt-Homepage
      ne“, der größten Spinnerei Kontinentaleuropas Anfang               sammenleben in Zukunft gestalten wollen.                     um die Produktion von Kurzfilmen, die      über 400 Filmen zum Thema Arbeit             www.labour-in-a-single-shot.net
      des 20. Jahrhunderts. Maschinen, Energien, Geräu-                  Mich beschäftigt, auf welches Körperwissen wir in            in Kooperation mit lokalen Filmema-        nimmt einen enzyklopädischen Cha-            zu sehen.
      sche, Materialien – es sind die Arbeitsbedingungen, de-            zukünftigen Technologien zurückgreifen wollen und            cher*innen und Videokünstler*innen in      rakter an, da es die vielfältigen Arbeits-
      nen sich der Körper unterordnen muss. Der Arbeitstakt              inwieweit uns das vom Produkt entfernt.                      Workshops durchgeführt wird. Ein wich-     realitäten eines globalen Kapitalismus       Das Projekt ist eine Zusammenarbeit
      ist es, der die Menschen in körperliche Abläufe zwingt.            Der Taktung sind wir nach wie vor unterworfen. Der Com-      tiger Referenzpunkt ist der Filmklassi-    dokumentiert.                                des Goethe-Instituts Warschau und der Harun
                                                                                                                                                                                                                              Farocki GbR.
      Er beeinflusst nicht nur unsere Körper, sondern auch               puter gibt uns den Arbeitstakt vor. Auch diese Arbeit wird   ker der Lumière-Brüder, die Ende des       Ehmann und Feduchi wollen „Eine Ein-
      unsere Beziehungen zueinander.                                     bald museal sein. Unser Körperverständnis wird sich          19. Jahrhunderts Arbeiterinnen beim        stellung zur Arbeit“ in Kooperation
Wie hast du deine Rechercheergebnisse auf die choreogra-                 in diesem Prozess der Technisierung wandeln. Welche          Verlassen der eigenen Lumière-Fabrik       mit Filmemacher*innen und Künst-
fische Ebene übertragen?                                                 Konsequenzen hat das auf unsere Lebenswelten?                filmten. Die Suche nach diesem Motiv in    ler*innen in Warschau und Berlin bis
      Ich habe mich mit der Energieübertragung bei Transmis-                                                                          den jeweiligen Workshop-Städten und        Oktober 2020 fortführen. Aufgrund
      sion-Maschinen beschäftigt. Die daraus resultierende                                                                            die Herstellung von Remakes namens         der Pandemie-Bedingungen wird die
      Taktung der Arbeitsbewegungen erzeugt durch ihre                                            Sa/So 31.10./01.11.2020             „Arbeiter verlassen ihren Arbeitsplatz“    Zusammenarbeit zunächst haupt-
      ständige Wiederholung im Körper eine andauernde feine                                 shift change. SCHICHTWECHSEL              ist Bestandteil des Projektes.             sächlich digital stattfinden. Eine gro-
      Resonanz. Mit dieser Resonanz auf bestimmte Körper-                                             Irina Pauls (DE)                Für alle Filme gilt: Es geht um Videos     ße Rolle wird natürlich auch die Frage
      teile habe ich mit Tänzer*innen bis in die kleinste körper-                                   Tanz/Performance                  von maximal 2 Minuten Länge; mit be-       spielen, wie sich die Corona-Krise auf

ARBEIT!                                                                                                                       20      FESTIVAL                                                                                                                          21
Zeit komponiert sie öfter und beson-
                                                                                        ders gern für Orchester, wobei sie ihre
                                                                                                                                    boxes“ wie Synthesizer oder Computer.
                                                                                                                                    Enno Poppe verwendet Klänge der sech-
                                                                                                                                                                             Ich möchte beson-     Weitere Programmpunkte bei „4:3“ sind
                                                                                                                                                                                                   aktuelle Arbeiten von Charlotte Triebus,
                                                                                        Werke als Solistin z.B. mit dem BBC         ziger und siebziger Jahre wie FM-Syn-    dere Hörerlebnisse    OEIN/PHOENIX16 (siehe dazu den Text
                                                                                        Concert Orchestra, London Contem-
                                                                                        porary Orchestra, den Düsseldorfer
                                                                                                                                    these oder Minimoog, die er dekonst-
                                                                                                                                    ruiert und neu zusammensetzt. Robert
                                                                                                                                                                                schaffen und       von Michael Ernst in diesem Magazin auf
                                                                                                                                                                                                   S. 28), Konzerte zum 85. Geburtstag von
                                                                                        Symphonikern, Orchestra Nationale de        Henke erforscht die Schönheit einfa-       die Perspektive     Helmut Lachenmann sowie Uraufführun-
                                                                                        Lyon oder Ensemble Modern aufführt.
                                                                                        „In meinen elektroakustischen Kom-
                                                                                                                                    cher Grafiken und Töne unter Verwen-
                                                                                                                                    dung von Computern aus den frühen
                                                                                                                                                                                des Zuhörers       gen der „Nächsten Generationen“: mit
                                                                                                                                                                                                   der Komponistenklasse Dresden und
                                                                                        positionen konzentriere ich mich auf        1980er Jahren, befragt die Ambivalenz    mit physikalischen    dem Ensemble Contemporary Insights.
                                                                                        Klangbewegungen, Raum und die Ver-
                                                                                        bindung von Klang mit umfassenden
                                                                                                                                    zwischen zeitgenössischer Ästhetik und
                                                                                                                                    der Verwendung inzwischen veralteter
                                                                                                                                                                               und räumlichen      4:3 Kammer Musik Neu wird gefördert durch den

                                                                                                                                                                              Mitteln erweitern.
                                                                                                                                                                                                   Musikfonds e.V. aus Mitteln der Beauftragten der
                                                                                        physikalischen Phänomenen. Ich möch-        und beschränkter Technologien.                                 Bundesregierung für Kultur und Medien.
                                                                                        te besondere Hörerlebnisse schaffen
                                                                                        und die Perspektive des Zuhörers mit
                                                                                        physikalischen und räumlichen Mitteln
                                                                                        erweitern. Dies ist z.B. in meinen Kom-
                                                                                        positionen „GABA-analog“ und „Opus
                                                                                        Infinity“ vorherrschend: Die Zuhören-
                                                                                        den treten buchstäblich in die Kompo-
                                                                                        sitionen ein und erhalten ihre eigene
                                                                                        Version der Komposition, je nachdem,
                                                                                        in welchem Winkel und in welcher Per-
                                                                                        spektive sie sich im Raum befinden.
                                                                                        In meinen Live-Elektronik- und Plat-

      Shiva
                                                                                        tenspieler-Performances recycle ich
                                                                                        Klang als Material und interpretiere ihn
                                                                                        neu, indem ich ihn mit taktilen Bewe-
                                                                                        gungen – fast wie in einer Choreogra-
                                                                                        fie – zwischen mir und sich drehenden

    Feshareki
                                                                                        Kreisen manipuliere. Damit verwandle
                                                                                        ich Klangmaterial in neue Dimensionen
                                                                                        und Perspektiven von unendlichen Pro-
                                                                                        portionen. Mit „Opus Infinity", meiner
                                                                                        Raumkomposition für Live-Elektronik,
                                                                                        Plattenspieler, verstärktes Ensemble
                                                                                        und Soundsystem (Uraufführung mit
                         Multidimensional                                               dem Ensemble Modern am 29. Februar
                                                                                        2020 in Frankfurt), habe ich ebenfalls
                             Thinking                                                   eine Vielzahl von Praktiken in einen mul-
                                                                                        tidimensionalen Prozess einbezogen –
                                                                                        und auch hier war das Publikum frei in
Shiva Feshareki ist eine am Experiment       erinnere ich eine Vielzahl von Model-      der Wahl seiner Perspektiven.“
interessierte Komponistin, die in ihrer      len des Denkens, kreativer Prozesse        Am 6. November 2020 wird in HELLERAU
Praxis Aspekte von Akustik, Elektronik,      und kreativer Zusammenarbeit. Auch         das Festival „4:3“ mit BLACKBOX er-
Kontext und Perspektive erforscht.           heute fühle ich mich besonders wohl,       öffnet, einem Konzertprogramm in
„Vielleicht hilft mir mein transnationaler   wenn ich mich zwischen verschiedenen       drei Teilen: Enno Poppes Komposition
und multikultureller Hintergrund, ver-       künstlerischen und sozialen Szenen be-     „Rundfunk“ (2018) für neun Synthesi-
schiedene Aspekte in meiner Musik mit        wege oder eine Außenseiterin in einem      zer, Robert Henkes Projekt „CBM 8032
Leichtigkeit und gleichzeitig Tiefe zu er-   Bereich oder einer Disziplin sein kann.“   AV“ (2019) für 5 Computer und die Ur-
forschen. In der Londoner Gegend, in         Inzwischen besitzt Shiva Feshareki ei-     aufführung einer neuen Spatial-Kompo-
der ich aufgewachsen bin, lebte ich in       nen Doktortitel für Musik vom Royal        sition von Shiva Feshareki. Alle Projekte
einer der sehr wenigen nicht-westlichen      College of Music (London) und zahlrei-     verbindet eine besondere Neugierde
Familien. Wenn ich dies mit meiner mul-      che Auszeichnungen wie den britischen      auf aktuelle wie „historische“ Techni-
tikulturellen Erziehung kombiniere, in       Komponist*innenpreis für Innovation        ken der elektronischen Musik, auf die                                                                                   06. – 08.11.2019
der ich vielfältige Perspektiven erlebte,    der Ivors Academy (2017). Seit einiger     Besonderheiten faszinierender „Black-                                                                               4:3 Kammer Musik Neu

4:3 KAMMER MUSIK NEU                                                                                                         22     FESTIVAL                                                                                                  23
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