SEMPER! - Semperoper Dresden

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SEMPER! - Semperoper Dresden
ZWEI  2020 / 21

                  SEMPER!

  MAGAZIN
SEMPER! - Semperoper Dresden
abc-opix#: 2006-009 · Titel: resden – Magazin der Semperoper · DU: 19.06.2020 · ET: - · Das Dokument ist ohne Überfüllung/Trapping angelegt, vor weiterer Verarbeitung diese anlegen!
RÜCKGRAT ERKENNT
MAN AM HANDGELENK.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Liebes Publikum,

                                                                                                                                                                                                                                                             a t i o n 5 mm · Farbe: CMYB
Die Iron Walker von Wempe ist die Essenz einer zeitlos
modernen und zugleich sportlichen Uhr. Reduziert auf
das Wesentliche und kompromisslos in der Verarbeitung,
wird sie höchsten Ansprüchen gerecht, weil sie an einem
Ort gefertigt wurde, der wie kein zweiter in Deutschland
für exzellente Uhrmacherkunst steht: Glashütte in Sachsen.

                                                                                                                                                                                                                                                      d u +c Beschnitt
                                                                                                                                                                                                                                                                                               endlich wieder eine richtige Premiere –                    Komponisten Udo Zimmermann: »Weiße
                                                                                                                                                                                                                                                                                               und dann noch »Die Zauberflöte«! Wir                       Rose«. Wir erleben die letzten Stunden
                                                                                                                                                                                                                                                                                               alle freuen uns, fiebern wir doch schon                    von Sophie und Hans Scholl, deren Mut,

                                                                                                                                                                                                                                                  r Emm
                                                                                                                                                                                                                                                                                               seit Monaten darauf hin, wieder etwas                      gegen das Nazi-Regime aufzubegehren,

                                                                                                                                                                                                                                           i t ex 280
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Normalität erleben zu dürfen. Davon sind                   mit dem Tod bestraft wurde. Geht es bei
                                                                                                                                                                                                                                                                                               wir immer noch entfernt, aber schon klei-                  Zimmermann auch um konkrete histori-

                                                                                                                                                                                                                                 u n d L e212
                                                                                                                                                                                                                                                                                               ne Schritte machen Mut und Hoffnung.                       sche Menschen und Ereignisse, so weist

                                                                                                                                                                                                                       Z w e i · Format:
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Auf Normalität hoffen auch                                              das Stück weit darüber hin-
                                                                                                                                                                                                                                                                                               unsere beiden neuen Mit-                                                aus, wenn wir an die aktu-
                                                                                                                                                                                                                                                                                               arbeiterinnen der Semper-                                               ellen    anti-diktatorischen
                                                                                                                                                                                                                                                                                               oper Education, Hannah                                                  Bewegungen z.B. in Bela-

                                                                                                                                                                                                         r S e m p e rDresden
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Kawalek und Katrin Me-                                                  rus, Hongkong oder Thai-
                                                                                                                                                                                                                                                                                               raner. Mit großer Energie                                               land denken. Wie für alle
                                                                                                                                                                                                                                                                                               möchten sie mit unserem                                                 Aufführungen gelten auch

                                                                                                                                                                                              L e i t ·eAdresszeile:
                                                                                                                                                                                                                                                                                               jüngeren Publikum in Kin-                                               für Semper Zwei im Zu-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Vo r w o r t
                                                                                                                                                                                                                                                                                               dergärten, Schulen und Fa-                                              schauerraum und auf der
                                                                                                                                                                                                                                                                                               milien Workshops, Projekte                                              Bühne die Hygienevor-
                                                                                                                                                                                                                                                                                               und Führungen durchfüh-                                                 schriften des Freistaates
                                                                                                                                                                                                                                                                                               ren. Erfreulicherweise ist                                              Sachsen, dafür bitten wir

                                                                                                                                                                                         e r 2020)
                                                                                                                                                                                                                                                                                               die Nachfrage sehr groß,                                                unser Publikum weiterhin
                                                                                                                                                                                                                                                                                               aber seit März war es uns                                               um Verständnis. Weitere

                                                                                                                                                                                       (Juni
                                                                                                                                                                                                                                                                                               aus bekannten Gründen                                                   Highlights sind die Sym-

                                                                                                                                                                              tlerisch
                                                                                                                                                                  ß , K ü n sAutomatik
                                                                                                                                                                                                                                                                                               unmöglich, Angebote sowie Vorstellun-                      phoniekonzerte, Kammer- und Auffüh-
                                                                                                                                                                                                                                                                                               gen und Projekte für diese Altersgruppen                   rungsabende der Staatskapelle. Neu auf
                                                                                                                                                                                                                                                                                               zu realisieren. Umso besser, dass wir ab                   den Spielplan gekommen ist außerdem
                                                                                                                                                                                                                                                                                               November in Semper Zwei wieder losle-                      eine Dresdner Erstaufführung: drei kon-

                                                                                                                                                        e d W e– iHerrenuhr
                                                                                                                                                                                                                                                                                               gen können: mit »Schneewitte« und »Ka-                     zertante Aufführungen von Giuseppe
                                                                                                                                                                                                                                                                                               pelle für Kids« sowie mit »Pinocchio« in                   Verdis selten gespielter Oper »Attila«
                                                                                                                                                                                                                                                                                               einer sehr besonderen musikalischen                        in einer herausragenden Sänger*in-
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Erzählung von Simone Fontanelli. Hinzu                     nenbesetzung mit Georg Zeppenfeld,

                                                                                                                                                  n f r Walker
                                                                                                                                                                                                                                                                                               kommt eine Kammeroper des Dresdner                         Andrzej Dobber und Saioa Hernández.

                                                                                                                                              M a Iron
                                                                                                       abc-Job#: 324540 · Kunde: Wempe · Motiv:
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Bleiben Sie »negativ«,

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Manfred Weiß
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Künstlerischer Leiter Semper Zwei und Leiter Education der Semperoper Dresden

               Glashütte I/SA | Automatik | Edelstahl | Geprüftes Chronometer | 2.315 €
                           Dresden, An der Frauenkirche 20, T 0351.496 53 13
    und AN DEN BESTEN ADRESSEN DEUTSCHLANDS UND IN NEW YORK, PARIS, LONDON, WIEN, MADRID – WEMPE.COM
                         Gerhard D. Wempe Kg, Steinstraße 23, 20095 Hamburg
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      68
SEMPER! - Semperoper Dresden
Inhalt
                                                                                                                                                                          NAHAUFNAHME
                                                                                                                                                                          Faltenwurf
                                                                                                                                                                          Seite 11

                                                                                                                                                                          OPER IN ZAHLEN
                                                            Der Körper steht in einer                                                                                     Werkstätten
                                                            Ordnung des Realen, die                                                                                       Seite 19
                                                            von Lust, Schmerz, Tod
                                                            und Zeitlichkeit bestimmt                                                                                     EXTRA-TEXT
                                                            ist und dessen Sprache                                                                                        Isabel Dzierson »Vom Entzug der Freiheit«
                                                            sich nicht in unsere Spra-                                                                                    Seite 26
                                                            che übersetzen lässt. In
                                                            der Bildstrecke collagiert                                                                                    IN DIE NOTEN GESCHAUT
                                                            Bernd A. Hartwig das Sem-                                                                                     Felix Mendelssohn Bartholdy,
                                                            peroper Ballett                                                                                               Klaviertrio Nr. 2 c-Moll op. 66
                                                            Seite 4                                                                                                       Seite 33

                                                                                                                                                                          OPERNGALA MIT
                                                                                                                                                                          PREISVERLEIHUNG
                                                                                                                                                                          Preisträger Omer Meir Wellber
                                                                                                                                                                          Seite 34

                                                                                                                                                                          ABGESTAUBT
                                                                                                                             Vernunft, Natur und Weisheit: »Die Zauber-   Auf Lebenszeit!
                                                                                                                             flöte« kommt am 1. November in der           Seite 40
                                                                                                                             Neuinszenierung von Josef E. Köpplinger
Inhalt

                                                                                                                                                                                                                      Inhalt
                                                                                                                             auf die Bühne der Semperoper                 EDUCATION
                                                                                                                             Seite 12                                     Nicht mehr schweigen
                                                                                                                                                                          Seite 45
                                         Foto: Ian Whalen

                                                                                                                                                                          ATTILA
                                                                                                                                                                          Verdis frühes Meisterwerk
                                                                                                                                                                          Seite 46

                                                                                                                                                                          PREMIERENREZEPT
                                                                                                                  Im Dezember feiert Udo Zimmermanns                      Gedeihe mit Weile
                                                                                                                  »Weiße Rose«, eine der meistgespiel-                    Seite 52
                                                                                                                  ten zeitgenössischen Kammeropern, in
                                                                                                                  Semper Zwei Premiere                                    KLEINE LANDESKUNDE
                                                                                                                  Seite 22                                                Erwachsenwerden anderswo
                                                                                                                                                                          Seite 53
         Der italienische Komponist
         Simone Fontanelli fasst das                                                     Das neue Ensemble-
         berühmteste Märchen seines                                                      Mitglied Nikola
         Heimatlandes, »Pinocchio«, in                                                   Hillebrand stellt sich
         eine musikalische Erzählung                                                     2x2 Fragen                                                                       SPIELPLAN
         für Sprecher und Klarinette                                                     Seite 18                                                                         Seite 54
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                                                                                                                                                                          Seite 63

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                                                                                                                                                                          Kolumne von Helmut Krausser »Die tote
                                                                                                                                                                          Stadt bleibt tot«
                                                                                                                                        Foto: Ludwig Olah
                                                                                                                                                                          Seite 64

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            Der Körper steht in einer Ordnung des
            Realen, die von Lust, Schmerz, Tod und

                                                          Bernd A. Hartwig, Collage
            Zeitlichkeit bestimmt ist, und seine Spra-
            che lässt sich nicht in unsere Sprache
            übersetzen. Kommunikationshistorisch hat
            der Körper schon mit der Entstehung der

                                                                                      Ansichten
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            Schrift seine exklusive Bedeutung als zen-
            traler Ort des Wahrgenommen-Werdens
            eingebüßt. Diesen Verlust gewinnt er sich
            im Tanz wieder zurück.

                       Professor Gerd Uecker,
            ehemaliger Intendant der Semperoper Dresden

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Die Collagen der Serie sind für die Saisonvorschau
des Semperoper Ballett 2020/21 aus Fotos von
Ian Whalen entstanden.
Die gesamte Saisonbroschüre des Semperoper
Ballett »NEXT« finden Sie online unter:
semperoper.de/ihr-besuch/publikationen.html

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SEMPER! - Semperoper Dresden
THEATERPREIS
                  »DER FAUST« FÜR
                  WILLIAM FORSYTHE
                  Der Choreograf William Forsythe erhält
                  den deutschen Theaterpreis »Der Faust«
                  für sein Lebenswerk. Auch das Semper-
                  oper Ballett ist ihm durch zahlreiche Cho-
                  reografien wie »Steptext«, »Impressing
                  the Czar« und »Artifact Suite« eng ver-
                  bunden. Aaron S. Watkin, Ballettdirektor
                  des Semperoper Ballett, erinnert sich
                  gern an die schon frühe Zusammenarbeit
                  mit William Forsythe zurück, als er selbst
                  noch als Tänzer tätig war: »Abgesehen                      GURRE-LIEDER AUF CD
                  von dem kreativen Genie, das William                       Mit der Aufführung von Arnold Schön-

                                                                                                                         Bernd A. Hartwig, Fotograf
                  Forsythe ist, erinnere ich mich, dass ich                  bergs »Gurre-Liedern« in der Semper-
                  als Tänzer beim Ballett Frankfurt zum ers-                 oper am 10. März 2020 mit insgesamt 305
kurz und bündig

                  ten Mal in meiner Karriere sowohl geistig                  Mitwirkenden und in Zusammenarbeit

                                                                                                                                                                                                                                             Nahaufnahme
                  als auch körperlich so gefordert wurde,                    mit dem Gustav Mahler Jugendorchester,
                  dass mein Gehirn am Ende eines jeden                       dem MDR-Rundfunkchor und dem Säch-
                  Arbeitstages voll und eigentlich genauso                   sischen Staatsopernchor schlossen Chef-
                  müde war wie mein Körper. William feier-                   dirigent Christian Thielemann und die
                  te die Einzigartigkeit all seiner Tänzer*in-               Sächsische Staatskapelle ihre ursprüng-
                  nen als Individuen. Er gab uns allen das                   lich geplante Konzertsaison 2019/20 früh-
                  Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein,                     zeitig ab. Auf Wunsch der Musiker*innen
                  und hat ein echtes Talent, allen Künst-                    wurden die »Gurre-Lieder« professionell,
                  ler*innen, die das Glück haben, mit ihm                    aber zunächst nur zu dokumentarischen
                  zu arbeiten, Selbstvertrauen einzuflößen.«                 Zwecken mitgeschnitten – ein Glücksfall,
                                                                             der die Neuerscheinung der nun veröf-
                                                                             fentlichten CD überhaupt möglich mach-
                                                                             te. Die Aufnahme ist ab dem 6. November

                                                                                                                                                                         Faltenwurf
                                                                             2020 im Handel erhältlich.

                                                                                                                                                      Vorhang auf! Aber wie? Der für die Semperoper sondereingefärbte bordeauxfarbene
                                                                                                                                                      Hauptvorhang ist mit hundertprozentiger Faltenzugabe 18 Meter x 12 Meter groß
                                             PROGRAMMHEFTE                                                                                            und besteht aus schwerem Samt mit einem Flächengewicht von 650 Gramm pro Qua-
                                             Ab sofort sind wieder Programmhefte zu                                                                   dratmeter. Die Rückseite ist mit schwarzem Molton hinternäht, um Schallschutz und
                                             den Vorstellungen zu erwerben erwerben!                                                                  Blickdichtigkeit zu gewährleisten. Ist es dann soweit, wird der Scherenvorhang moto-
                                             An den Eingangstüren zum Saal sowie                                                                      risch angetrieben, um ihn möglichst schnell für das Publikum öffnen zu können. Als
                                             auch im Vorverkauf in der Schinkelwache                                                                  Bestandteil der Bühnenmaschinerie lässt er sich vertikal (griechischer Zug) von zwei
                                             kann man die Publikationen nun wieder für                                                                Positionen aus bewegen: zum einen mit der Steuerung der Bühnenmaschinerie, zum
                                             4 Euro kaufen und sich so entsprechend                                                                   anderen vom Inspizientenpult aus. Hier kann auch die Geschwindigkeit eingestellt
                                             auf die Aufführung einstimmen oder auch                                                                  werden, bis zu maximal 1,2 Metern pro Sekunde. Am Ende einer Vorstellung sitzt
                                             im Nachklang für nähere Informationen                                                                    allerdings auch das Publikum mit am Steuer: Solange das nämlich noch applaudiert,
                                             belesen.                                                                                                 wird der Vorhang immer wieder geöffnet.

                                                                 10                                                                                                                           11
SEMPER! - Semperoper Dresden
MIT DEN AUGEN
                                                                EINES KINDES
                                               Anfang November feiert die Neuproduktion von »Die Zauberflöte« ihre Premiere.
                                                  Ein bedeutendes Datum, ist doch die Inszenierung von Josef E. Köpplinger
                                                unter der Musikalischen Leitung des Ersten Gastdirigenten Omer Meir Wellber
                                                  die erste Opernpremiere seit Schließung des Hauses am 12. März 2020 …

                  Johann Casimir Eule, Autor

                                                                                                                                                                  Die Zauberflöte
Die Zauberflöte

                                               Was für ein Beginn! Ein verängstigter und verwirrter     Auftrag gegeben hatte, das Libretto verfasste und
                                               junger Mann stolpert, verfolgt von einer Riesen-         selbst in der Rolle des Mensch-Vogel-Mischwesens
                                               schlange durch einen Wald, und fällt vor Schreck in      Papageno bei der Uraufführung auf der Bühne stand.
                                               Ohnmacht; gerettet wird er von drei geheimnisvollen      Das Musiktheaterleben Wiens war im 18. Jahrhundert
                                               Damen, die der Schlage im Nu den Garaus machen           äußerst rege, die Konkurrenz zwischen den vom Hof
                                               und verschwinden. Wieder erwacht, hält der junge         finanzierten Theatern sowie den frei wirtschaftenden
                                               Mann ein Mischwesen aus Vogel und Mensch für sei-        Vorstadtbühnen groß – und man muss es sicherlich als
                                               nen Retter und stellt sich diesem selbstbewusst als      einen der größten Coups des Theaterleiters Schikane-
                                               »Prinz« vor. Die drei Damen überreichen dem »Prin-       der ansehen, dass es ihm gelang, mit Mozart einen
                                               zen« das Portrait eines jungen Mädchens, er verliebt     der wichtigsten Opernkomponisten für sein Projekt
                                               sich auf der Stelle. Die höchst erregte Mutter des       gewonnen zu haben.
                                               Mädchens – eine Königin – beauftragt den »Prinzen«,               Damit war der Theaterunternehmer Schikane-
                                               ihre Tochter aus den Fängen eines gefährlichen und       der gewappnet, um sich gegenüber seinem größten
                                               mächtigen Herrschers zu befreien. Als Hilfsmittel er-    Konkurrenten, dem Leiter des Leopoldstädter Thea-
                                               hält der »Prinz« eine Flöte, drei Knaben als Wegweiser   ters, Karl Marinelli, in Position zu bringen, und eben-
                                               … und besagtes Mischwesen als Begleiter. Wer jetzt       falls eine Oper der neuen und äußerst populären Gat-
                                               unter den jüngeren Leser*innen an »Guardians of the      tung der »Zauberoper« auf die Bühne zu bringen. Dem
                                               Galaxy« oder ähnlich gelagerte Geschichten aus der       Libretto dienten dabei verschiedene Quellen zur Inspi-
                                               Welt von Marvel & Co denkt, liegt nicht ganz falsch.     ration: Das Märchen »Lulu oder die Zauberflöte« von
                                               Nur, dass es sich bei diesem Einstieg in eine reich-     August Jacob Liebeskind von 1788, Christoph Martin
                                               lich denkwürdige Anti-Heldengschichte um Wolfgang        Wielands »Oberon« aus dem Jahre 1785, aber auch
                                               Amadeus Mozarts Oper »Die Zauberflöte« mit einem         der aktuell aus dem französischen übersetzte Roman
                                               Libretto von Emanuel Schikaneder handelt …               »Sethos« von Abbé Jean Terrasson von 1731 sowie
                                                       »Die Zauberflöte«, 1791 am Theater auf der       das heroisch-komische Singspiel das »Sonnenfest der
                                               Wieden – einem Vorstadttheater Wiens – uraufge-          Brahminen« von Karl Friedrich Hensler von 1790.
                                               führt, ist das letzte Werk Mozarts. Den rasch einset-             An der Fülle der Vorlagen ist bereits die in-
                                               zenden internationalen Erfolg dieses Werkes konn-        haltlich weitgespannte Ambition zwischen Populär-
                                               te der Komponist nicht mehr selbst erleben. Umso         kultur, Hochliteratur und Ägyptenmode erkennbar –
                                               wichtiger war der Erfolg hingegen für Emanuel            die dann auch unmittelbar ihren Niederschlag in der
                                               Schikaneder, der als Theaterimpresario das Werk in       Fülle der Motive und der Formzitate in der Oper selbst

                                                                                                    13
SEMPER! - Semperoper Dresden
Bühnenwelten, die die Fülle der Figuren, Bilder und          »Zauberflöte« trug. Bei ihm versucht Monostatos, an-
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                                                                                                                                 übersetzt.                                                   Pamina und Tamino zu töten. Sarastro weiß dies zwar
                                                                                                                                         Und wenn sie nicht gestorben sind, dann le-          zu verhindern, das Kind wird allerdings lebend in ei-
                                                                                                                                 ben sie noch heute? Wer wissen will, wie es weiter-          nen Sarg eingeschlossen und muss gerettet werden.
                                                                                                                                 geht, kann das unter anderem bei keinem Geringe-             Und Papageno und Papagena, die unter Kinderlosig-
                                                                                                                                 ren als Johann Wolfgang von Goethe nachlesen, der            keit leiden, bekommen von Sarastro drei aus golde-
                                                                                                                                 sich lange mit dem Gedanken einer Fortsetzung der            nen Eiern schlüpfende Vogelkinder …

                                                                                                                                 Wolfgang Amadeus Mozart                                      Premiere
                                                                                                                                 DIE ZAUBERFLÖTE                                              1. November 2020, 18 Uhr

                                                                                                                                 Deutsche Oper in zwei Aufzügen                               Vorstellungen
                                                                                                                                 Libretto von Emanuel Schikaneder                             4., 5., 7., 14., 21., 29. November & 4., 12., 22.
                                                                                                                                                                                              Dezember 2020
                                                                                                                                 In deutscher Sprache mit deutschen                           Karten ab 12 Euro
                                                                                                                                 und englischen Übertiteln
                                                                                                                                                                                              Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Semperoper – Förderstiftung

                                                                                                                                 Musikalische Leitung
                  finden sollte. Wolfgang Amadeus Mozart bezeichnete      Linke’schen Bade im Jahre 1793 durch die Theater-      O mer Meir Wellb er/Evan Ro gis t er
Die Zauberflöte

                                                                                                                                                                                                                                                                        Die Zauberflöte
                  sein Werk selbst als »Teutsche Oper«, und es enthält    truppe des Impresarios Seconda erlebte das Werk        Inszenierung Jo s ef E. Kö p p lin ger                                        WOLFGANG AMADEUS MOZART
                  beziehungsweise zitiert sowohl Elemente der traditi-    in der Hofoper und später in der Semperoper 17         Bühnenbild Walt er Vo gelw eid er                                         DIE ZAUBERFLÖTE
                  onsreichen italienischen Opera seria und der Opera      Neuinszenierungen. Besonders zu erwähnen ist,          Kostüme Dagmar Mo rell
                  buffa – folgt aber vor allem der sich im 18. Jahrhun-   neben der Erstaufführung, u.a. die zweite Inszenie-    Choreografie Ric ard a Regin a L ud igkeit
                  dert etablierenden Form des deutschen Singspiels        rung – nun im Morettischen Opernhaus in der Re-        Licht Fab io An t o c i
                  und hierbei wiederum der lokalen Besonderheit der       gie von Caterino Mazzolà (der unter anderem für        Chor C o rn elius Vo lke

                                                                                                                                                                                                  Semperoper
                  sogenannten Wiener Kasperl- und Zauberoper. Die-        Mozart das Libretto von »La Clemenza di Tito« be-      Dramaturgie Jo h an n C as imir Eule

                                                                                                                                                                                                                                              Dresden
                  ses Genre war vor allem beim Vorstadtpublikum aus       arbeitete). Diese wurde wohl in Ermangelung eines
                  Bürgern, Handwerkern und Arbeitern beliebt und          deutschsprachigen Ensembles auf Italienisch unter      Sarastro Ren é Pap e/G eo rg Zep p en feld
                  zeichnete sich durch ein Handlungsgefüge aus, in        dem Titel »Il flauto magico« aufgeführt. Erst ab der   Königin der Nacht Nikola Hillebrand/
                  dem – ganz wichtig – die Liebe zwischen den Protago-    dritten Neuinszenierung aus dem Jahre 1818 unter       Julia Sit ko vet s ky
                  nist*innen zwar am Ende siegt, bis zu diesem Happy      der Musikalischen Leitung von keinem anderen als       Pamina Tuuli Takala/So fia Fo min a
                  End aber unzählige möglichst fantastische Gefahren      Carl Maria von Weber, der bekanntlich auch das neu     Tamino Seb as t ian Ko h lh ep p /Jo s ep h Den n is
                  überwunden werden müssen. Das umfangreiche Per-         eingerichtete Deutsche Operndepartement leitete,       Papageno Seb as t ian Wart ig
                                                                                                                                                                                                               Premiere 1. November 2020
                  sonal bestand dabei nicht nur aus Menschen, sondern     wurde die »Die Zauberflöte« dann durchgehend auf       Erste Dame Ut e Selb ig/Ro xan a In c o n t rera/
                  vor allem auch aus Geistern, Zauberern, wilden Tie-     Deutsch gesungen und gespielt.                         Men n a C az el
                  ren, guten und bösen Mächten, die dem Geschehen                Für Regisseur Josef E. Köpplinger steht im      Zweite Dame St ep an ka P uc alko va/
                  überraschende und möglicherweise nicht immer »lo-       Zentrum der Geschichte das Erwachsenwerden des         An n a Kud rias h o va- St ep an et s /An gela L ieb o ld
                  gische« Wendungen zu geben vermochten. Daneben          Prinzen Tamino, und er erzählt die Geschichte aus      Dritte Dame C h ris t a May er/Mic h al Do ro n
                  war der Aufwand der Inszenierungen maßgeblich für       den Augen eines Kindes – des kleinen Tamino, der       Monostatos Simeo n Es p er/Aaro n Pegram
                  den Erfolg, und besagter Karl Marinelli vom Leopold-    unversehens in eine ihm unbegreifliche und überfor-    Sprecher Markus Marquardt/Alexandros Stravrakakis
                  städter Theater war ein Meister spektakulärer Zauber-   dernde Welt aus Magie, Rätsel und vielen Abenteu-      Papagena Kat erin a vo n B en n igs en /
                  opern zur Musik von Wenzel Müller, die das Publi-       ern gerät. Während Tamino zu Beginn der Handlung       Julia Muz y c h en ko
                  kum begeisterten. So zum Beispiel auch das Singspiel    noch recht unbeholfen auf die Bühne und durch das      Erster Priester Mat eus z Ho ed t /Do ğukan Kuran
                  »Kaspar, der Fagottist, oder: Die Zauberzither«, das    Geschehen stolpert, macht er zusammen mit seinem       Zweiter Priester G erald Hup ac h /B eo mjin Kim
                  nur wenige Monate vor Mozarts »Zauberflöte« seine       Begleiter Papageno und zum Schluss Seit an Seit mit    Erster Geharnischter Jürgen Müller/G erald Hup ac h /
                  Uraufführung erlebte. Mozart hat selbstverständlich     Pamina eine erstaunliche Wandlung hin zum würdigen     Aaro n Pegram
                  eine der Vorstellungen besucht, fand aber nach eigner   Nachfolger Sarastros durch. Walter Vogelweider und     Zweiter Geharnischter Matthias Henneberg/
                  Aussage nichts Besonderes daran …                       Dagmar Morell haben für diese Reise eine Bühnen-       L aw s o n An d ers o n
                  Wie nicht anders zu erwarten, nimmt »Die Zauber-        und Bilderwelt erschaffen, die mit ausdrucksstar-
                  flöte« auch in Dresden einen besonderen Stellen-        ken Fantasiekostümen ebenso aufwartet wie durch        Sächsischer Staatsopernchor Dresden
                  wert ein. Seit ihrer Dresdner Erstaufführung im         wandelbare Räume, Projektionen und labyrinthische      Sächsische Staatskapelle Dresden

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SEMPER! - Semperoper Dresden
allgemeingültige »Zauberflöte« interessiert mich        »Die Zauberflöte« ist eines der meistaufgeführten Wer-
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                                                                                                                                                                          das wird nicht so einfach, da die Komposition nicht     ihre Frische und Vitalität, so dass sie jeden Moment
                                                                                                                                                                          so viele Ecken und Kanten hat. Es herrscht in vielen    aufs Neue berührt und begeistert?
                                                                                                                                                                          Melodien derselbe Grundton, eine ähnliche Atmo-                 OMER MEIR WELLBER: Die Staatskapel-
                                                                                                                                                                          sphäre vor. Ein Schlüssel werden auch hier die Tempi    le Dresden und ich haben bisher vielleicht 150 Mo-
                                                                                                                                                                          sein. Bei den Da Ponte-Opern habe ich viele sehr        zart-Aufführungen gemeinsam gestaltet. »Die Zau-
                                                                                                                                                                          schnelle Tempi gewählt; das ist bei der »Zauberflöte«   berflöte« wird eine Frucht dieser Freundschaft, wir

                     VOLKSOPER, MUSICAL
                                                                                                                                                                          unter Umständen nicht immer richtig … und vor al-       machen einfach weiter in unserer Erkundung Mozarts.
                                                                                                                                                                          lem muss man sich Szene für Szene neu entscheiden:      Es herrscht zwischen uns eine besondere musikali-
                                                                                                                                                                          Haben wir es hier mit einer Volksoper, einer Kinder-    sche Kommunikation, die sehr auf Spontanität und der
                                                                                                                                                                          oper, dem ersten Musical der Welt oder einer Opera      gemeinsamen Erfahrung basiert. Und vor allem: Es

                      ODER OPERA SERIA?
                                                                                                                                                                          seria zu tun?                                           darf nicht zu »sauber« werden. Wir müssen die Musik,
                                                                                                                                                                                                                                  das Musizieren lebendig halten. Jede Note, jeden Ak-
                                                                                                                                                                          Was ist für Sie das zentrale Thema?                     zent immer wieder mit neuem Leben versehen. Diesen
                                                                                                                                                                                  OMER MEIR WELLBER: Das sehe ich genau- besonderen gemeinsamen Mozart-Weg mit den Musi-
                                                                                                                                                                          so wie Josef E. Köpplinger: Es ist eine Geschichte ker*innen der Staatskapelle Dresden fortzusetzen, das
                               Interview mit dem Ersten Gastdirigenten Omer Meir Wellber                                                                                  des Erwachsenwerdens. Und wieder ist im Vergleich ist meine Idee bei der »Zauberflöte«.
                                                                                                                                                                          zu den anderen Opern verblüffend, wie einfach die-
                                                                                                                                                                          se Geschichte im Grunde ist: Die Paare kommen bei Und zum Schluss: Worauf freuen Sie sich bei den Auf-

                                                                                                                                         Johann Casimir Eule, Interview
                                                                                                                                                                          Mozart sonst nie so einfach zusammen, wie in der führungen der »Zauberflöte« besonders?
                                                                                                                                                                          »Zauberflöte«. Gleichzeitig gibt es eine schwierige             OMER MEIR WELLBER: Konkret vor allem
                                                                                                                                                                          Mutterfigur und einen abwesenden Vater, es werden auf die Posaunen! Die Posaunen spielen in der »Zau-
Die Zauberflöte

                                                                                                                                                                                                                                                                                           Die Zauberflöte
                                                                                                                                                                          große philosophische Fragen aufgeworfen ... aber die berflöte« eine herausragende Rolle, was bis dahin in
                                                                                                                                                                          Prüfungen für die Paare sind dann wieder recht ein- der Mozartzeit nicht so der Fall war. Bei »Don Gio-
                                                                                                                                                                          fach zu bestehen. Der Widerspruch zwischen der ein- vanni« kommen sie nur am Ende, in den traditionel-
                                                                                                                                                                          fachen Musik und den komplizierten Themen bleibt len Messen hatten sie die Aufgabe, den Chor zu ver-
                                                                                                                                                                          auch hier ein Rätsel. Und: Wie oder was verbindet doppeln. Und in der »Zauberflöte« bringen sie eine
                  Omer Meir Wellbers Begeisterung für die Opern             dass seine letzte Oper, musikalisch gesehen, so ein                                           mich mit den Charakteren? Manchmal empfinde ich sehr interessante Farbe, stehen sie für die Dimension
                  Wolfgang Amadeus Mozarts geht vor allem auf sei-          einfaches Stück ist? »Don Giovanni« ist musikalisch                                           das alles fast als etwas oberflächlich – und das größte des Religiösen, das Mythologische. Und allgemein
                  ne Erfahrungen mit »Così fan tutte«, »Don Giovanni«       viel komplexer, jede Sinfonie, die Mozart gegen Ende                                          Rätsel oder die interessanteste Person ist dabei Mo- freue ich mich wirklich auf die Fortsetzung unseres
                  und »Le nozze di Figaro«, die er als Dirigent in der      seines Lebens komponierte, ist sehr originell ... »Die                                        zart selbst, die sich über alles spannt.                gemeinsamen Mozart-Musizierens …
                  Semperoper Dresden sammeln konnte, zurück. Nun            Zauberflöte« erklingt dabei ein bisschen wie für Kin-
                  ist der Erste Gastdirigent der Semperoper Dresden         der gemacht, wirklich seltsam ... Vielleicht gibt uns
                  mit der Musikalischen Leitung der Neuproduktion           Miloš Forman in seinem Film »Amadeus« einen rich-
                  von »Die Zauberflöte« befasst.                            tigen Hinweis: Der immer jugendliche, verspielte
                                                                            Charakter Mozarts hat bis zum Schluss eine große

                                                                                                                                                                          ... und das größte
                  In Ihrem Mozart-Buch »Die Angst, das Risiko und die       Rolle gespielt. Mir kommt es vor, als wäre Mozart
                  Liebe« berichten Sie über Ihre Erfahrungen mit den drei   in seinem Leben bis zum 30. Lebensjahr immer er-
                  Mozart/Da Ponte-Opern. Aus Ihrer Sicht setzen diese       wachsener geworden und in den letzten Jahren wie-
                  sich mit grundlegenden Bestimmungen des menschli-         der zum Kind. Dabei bleibt er auch hier widersprüch-

                                                                                                                                                                          Rätsel oder die
                  chen Seins – »Don Giovanni« mit der Angst, »Le nozze      lich. Er ist mild und nicht richtig mild, zart, aber nicht
                  di Figaro« mit dem Risiko und »Così fan tutte« mit der    richtig zart ...
                  Liebe – auseinander. Für was steht »Die Zauberflöte«?
                           OMER MEIR WELLBER: Die drei genannten            Welche Aufgabe kommt Ihnen dabei als Dirigent zu?
                  Opern sind auf der Ebene des Menschseins sehr ein-
                  fach ... Die Grundbestimmungen werden in den Cha-
                  rakteren der Opern vielfältig gespiegelt und durchge-
                                                                                   OMER MEIR WELLBER: Man hat praktisch
                                                                            nichts zu tun, so einfach erscheint es. Wo beginnt
                                                                            dann die Arbeit? Für mich bedeutet die Arbeit an der
                                                                                                                                                                          interessanteste
                                                                                                                                                                          Person ist dabei
                  führt. Bei der »Zauberflöte« ist das ganz anders. Wir     »Zauberflöte« hier in Dresden nicht mehr und nicht
                  befinden uns in gewisser Weise auf einem ganz an-         weniger als die Fortsetzung unserer gemeinsamen
                  deren Niveau der Erzählung, das Werk hat eine stark       Arbeit an den Da Ponte-Opern. Wir fangen nicht
                  mythologische Aura, die Handlung findet auf vielen        neu an, sondern setzen eine intensive und lebendige

                                                                                                                                                                          Mozart selbst ...
                  Ebenen statt, es gibt viele komplexe und auch wider-      Zusammenarbeit fort. Dabei werde ich wieder am
                  sprüchliche Situationen und Beziehungen. Gleich-          Hammerklavier mitspielen, viel improvisieren, wir
                  zeitig verblüfft mich immer wieder: Wie kommt es,         werden viel gemeinsam ausprobieren. Eine objektive,

                                                                        16                                                                                                                                                     17
Werkstätten
             DIE KÖNIGIN DER NACHT                                             WAS IST DIE HERAUSFORDE-
             DRÄNGT IHRE TOCHTER                                               RUNG DER ARIE »DER HÖL-
             ZU EINEM MORD. MACHT                                              LE RACHE KOCHT IN MEINEM
             SIE DAS ZU EINER                                                  HERZEN«?

                                                                                                                                                                                                             2
             SCHLECHTEN MUTTER?                                                Ich denke jede/r Sänger*in würde mir zustimmen,
             Die Königin der Nacht ist eine sehr vielschich-                   dass besonders auf solch berühmten Fach-Arien
             tigen Figur. Klar treiben ihre Wut, ihr Hass und
             ihre Bitterkeit sie zu furchtbaren Taten, aber wie
             jeder Bösewicht hat auch sie eine Vergangen-
             heit. Es gibt natürlich Gründe, warum sie zu der
                                                                               ein gewisser Druck liegt. Für mich ist es wichtig,
                                                                               meine eigene, ehrliche Interpretation zu kreieren.
                                                                                                                                                                                                                                                                  280
                                                                                                                                                                                                                                                                 Paar Schuhe werden im Durchschnitt bei einer
             Frau wurde, die sie ist. Eine Frau, die verletzt und
                                                                                                                                                                                                                                                                 Opernaufführung benötigt. Diese werden vom
             gedemütigt wurde. Diese Wunden sind am Ende
                                                                                                                                                                                                                                                                 Schuhfundus bereitgestellt oder auch eingekauft.
             leider größer als ihre Mutterliebe.                                                                                                                                                             Meter lang ist der Stiel der größten
                                                                                                                                                                                                                                                                 Spezialanfertigungen jedoch übernimmt natür-
                                                                                                                                                                                                             Theatermalbürste mit einem Bürs-
                                                                                                                                                                                                                                                                 lich die Schuhmacherei. 4 Tage Arbeit kostete
                                                                                                                                                                                                             tenkopf von 26 cm x 1 cm.
                                                                                                                                                                                                                                                                 der aufwendigste Schuh: der Hufschuh aus der
                                                                                                                                                                                                                                                                 Oper »Faust«.

                             2x2

                                                                                                                                                                Anni Lehmann und Allegra Seebaß, Recherche
                      Fragen                                                                                                                                                                                                                12

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Semperoper in Zahlen
                                                                                                                                    Allegra Seebaß, Interview
                                                                                                                                                                                                             50
                                                                                                                                                                                                                                             Kilogramm wiegt das Kos-

                        an Nikola                                                                                                                                                                                                            tüm der Konstanze aus »Die
2x2 Fragen

                                                                                                                                                                                                                                             Entführung aus dem Serail«.

                                                                                                                                                                                                                                                                           5,5
                        Hillebrand
                     Die Sopranistin Nikola Hillebrand
                   ist seit Beginn der Spielzeit 2020/21
                   Mitglied des Solistenensembles und                                                                                                                                                        Meter lang und 18 Meter hoch ist der
                 interpretiert u.a. die Königin der Nacht                                                                                                                                                    Rundhorizont für die Produktion »Orlan-
                             in »Die Zauberflöte«                                                                                                                                                            do«, die größte Malerei der Werkstätten
                                                                                                                                                                                                             der Sächsischen Staatstheater für die
                                                                                                                                                                                                             Semperoper.
             IN DER OPER GEHT ES                                                                                                                                                                                                                                            Tonnen Farbe werden im Jahr im
             UM DIE ENTWICKLUNG                                                                                                                                                                                                                                             Malsaal verbraucht, allein 1350 Ki-
             VON GEISTIGER REIFE.                                              WAS VERBINDEN SIE                                                                                                                                                                            logramm davon sind schwarz.
             W A S B E I N H A LT E T D I E -                                  MIT MOZART?

                                                                                                                                                                                                                                                               15
             SER PROZESS FÜR SIE?
                                                                                                                                                                                                                                       120
                                                                               Mozart ist für mich die perfekte Verbindung von
             Ich finde es wahnsinnig interessant, wie wenig                    Wort und der puren, immer die menschliche Emo-
             die geistige Reife eines Menschen an sein Al-                     tion treffenden Musik. Sie wird nie alt und man
             ter gebunden ist. Es gibt Kinder, die sind schon                  kann immer wieder neue Farben und Nuancen
             weiter als so mancher Erwachsene. Ein weiterer                    entdecken, egal, wie oft man sie schon gehört                                                                                             Stunden dauert ungefähr die
             faszinierender Aspekt von geistiger Reife ist für                 hat. Die Einfachheit und Natürlichkeit der Mu-                                                                                            Anfertigung eines einzelnen
             mich, wie wir oft auf uns und unsere Handlun-                     sik macht Mozart zu einem der anspruchsvolls-                                                                                             Kostümes von den ersten
             gen zurückblicken und feststellen, wie reif man                   ten und gleichzeitig spannendsten Komponisten                                                                                             Skizzen bis zur tatsächlichen
             sich zum damaligen Zeitpunkt gefühlt hat und                      überhaupt, sowohl für den Interpreten/die Inter-                                                                                          Fertigstellung.                          Meter Stoff werden ungefähr in
             wie falsch man doch lag.                                          pretin als auch für die Zuhörenden.                                                                                                                                                einem barocken Kleid verarbei-
                                                                                                                                                                                                                                                                  tet, wovon nur ein Teil sichtbar
                                                                                                                                                                                                                                                                  ist. Zu diesen Stoffen gehören Jac-
                                                    Wolfgang Amadeus Mozart, DIE ZAUBERFLÖTE                                                                                                                                                                      quard, Dupionseide, Organza und
                              1., 4., 5., 7., 14., 21., 29. November & 4., 12., 22. Dezember 2020, Karten ab 12 Euro                                                                                                                                              Mesh-Gewebe.      Hinzu    kommen
                                                                                                                                                                                                                                                                  Köperband, Stahlband, Magneten,
                                          Mehr über »Die Zauberflöte« finden Sie auf S. 12 und S. 52                                                                                                                                                              Haken, Ösen und Druckknöpfe.

                                                                       18                                                                                                                                                                                      19
Ach, wir sind ja
gern zufrieden;
denn das Glück ist

                                                                                                               Freitext
so verschieden.
                 »Das tolle Tier, im Magen hier, das bellte so, das glaube mir! Rallalala, rallalala, Hunger
                 ist ein tolles Tier, Rallalala, rallalala, beißt und kratzt, das glaube mir!«, singt
                 der Vater in feuchtfröhlicher Stimmung, als er abends aus dem Wirtshaus
                 nach Hause kommt und seine Frau sich am Tisch vor leeren Tellern um die Zu-
                 kunft sorgt – nichtsahnend, dass ihre Kinder Hänsel und Gretel sich gera-
                 de im dunklen Wald verirren, während sie Essen für die Familie sammeln …

                 Engelbert Humperdinck, HÄNSEL UND GRETEL
                 6., 19., 21. & 26. Dezember 2020, Karten ab 11 Euro
DER VATER        Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Semperoper – Förderstiftung

            20                                                        21
Gegen das
                                             Vergessen
                     Im Dezember feiert die Neuinszenierung von Udo Zimmermanns
                  »Weiße Rose«, eine der meistgespielten zeitgenössischen Kammeropern,

                                                                                                                              B i a n c a H e i t z e r, A u t o r i n
                                         in Semper Zwei Premiere
Weiße Rose

             Als am 18. Februar 1943 Joseph Goebbels’ »Sport-         Musik Dresden uraufgeführt wurde, standen die un-
             palastrede« durch die Radios erschallte, flatterte von   terschiedlichen Phasen des politischen Widerstands
             der Galerie des Lichthofes der Münchner Universität      der gesamten Gruppe im Mittelpunkt. Rund 20 Jahre
             das sechste Flugblatt der studentischen Widerstands-     später widmete sich Zimmermann dem Stoff erneut,
             gruppe »Weiße Rose« herunter. Die Botschaft: Nach        diesmal jedoch in Form einer intimen Kammerfas-
             der Katastrophe von Stalingrad dürfen die Deutschen      sung, in der er auf dokumentarisch angelegte Szenen
             nicht länger die Augen verschließen und es ist höchs-    und Handlungsstränge komplett verzichtete. In 16
             te Zeit, sich gegen den Nationalsozialismus aufzuleh-    assoziativ auseinander hervorgehenden Szenen wird
             nen. Noch vor Ort wurden die Mitglieder Hans und         in »Weiße Rose« die Gedanken- und Gefühlswelt der
             Sophie Scholl festgenommen und vier Tage später,         inhaftierten Geschwister Scholl herausgestellt, die
             unter dem Vorsitz des keifenden Präsidenten des          als einzige Figuren, stellvertretend für die weiteren
             Volksgerichtshofs, Roland Freisler, zusammen mit         Mitglieder der Gruppe, im Stück agieren. »Ich war
             ihrem Freund Christoph Probst zum Tode verurteilt.       der Ansicht, wir müssten von dem historischen Fall
                     Der Dresdner Komponist Udo Zimmermann            der Scholls abstrahieren. Es geht um eine Geschichte
             setzte sich musikalisch gleich zweimal auf unter-        mit zwei jungen Menschen, die vor einer Hinrichtung
             schiedliche Weise mit dem sensiblen Thema des            stehen, die eine psychisch-physische Grenzsituation
             Schicksals der Gruppe auseinander. In der ersten         erleben«, so Udo Zimmermann. In Rückblenden,
             Fassung, einer großangelegten Oper in acht Bil-          Traumerzählungen und inneren Monologen erinnern
             dern und sieben Rückblenden mit insgesamt 14             sich die Geschwister in ihrer letzten Stunde an die
             Rollen, die 1967 im Opernstudio der Hochschule für       Natur, an Begegnungen mit den Eltern und den

                                                                  22                                                                                                     Foto: Ludwig Olah   23
Udo Zimmermann                                                   SEMPERDIALOG
                                                                                                                               WEISSE ROSE
                                                                                                                                                                                             MÖGLICHKEITEN
                                                                                                                               Szenen für zwei Sänger und Instrumentalisten                 DES WIDERSTANDS
                                                                                                                               Libretto von Wo lfgan g W illas c h ek
                                                                                                                                                                                   SemperDialog ist die Veranstaltungsreihe der Semper-
                                                                                                                               In deutscher Sprache                                oper, bei der ausgehend von einer Neuproduktion ak-
                                                                                                                                                                                   tuelle Fragen unserer Gesellschaft diskutiert werden.
                                                                                                                               Musikalische Leitung Johannes Wulff-Woesten         Die Kammeroper »Weiße Rose« des Dresdner Kompo-
                                                                                                                               Inszenierung & Bühnenbild Stephan Grögler           nisten Udo Zimmermann aus dem Jahre 1986 erzählt
                                                                                                                               Kostüme Véro n iq ue Sey mat                        in Rückblenden und Traumbildern von den letzten
                                                                                                                               Licht Marc o Diet z el                              Stunden der Geschwister Hans und Sophie Scholl, die
                                                                                                                               Dramaturgie B ian c a Heit z er                     als Mitglieder der studentischen Widerstandsgruppe
                                                                                                                                                                                   »Weiße Rose« 1943 auf Flugblättern zum Widerstand
                                                                                                                               Hans Scholl Fran z Xaver Sc h lec h t               gegen den Nationalsozialismus aufriefen und dafür
                                                                                                                               Sophie Scholl Elis ab et h Do p h eid e             mit dem Tode bezahlten. Im Wechsel der politischen
                                                                                                                                                                                   Systeme haben sich Formen und Möglichkeiten des
                                                                                                                               Sächsische Staatskapelle Dresden                    politischen Widerstands geändert – gleichwohl wird
                                                                                                                                                                                   auch heute wieder darüber diskutiert, wie, warum und
              Foto: Ludwig Olah                                                                                                Premiere                                            in welcher Form Widerstand möglich und/oder gebo-
                                                                                                                               5. Dezember 2020, 17 Uhr                            ten ist. Auf dem Podium befinden sich Ines Geipel,
                                                                                                                                                                                   Professorin an der Hochschule für Schauspielkunst
                                                                                                                               Vorstellungen                                       »Ernst Busch« und vielbeachtete Autorin, Dr. André
                                                                                                                               6., 8., 9., 11. & 13. Dezember 2020                 Postert vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitaris-
Weiße Rose

                                                                                                                                                                                                                                                    Weiße Rose
                                                                                                                               Karten 16 Euro                                      musforschung sowie die Produktionsdramaturgin Bi-
                                                                                                                                                                                   anca Heitzer. Moderator Andreas Berger führt durch
                                                                                                                                                UDO ZIMMERMANN                     die Gesprächsrunde, die aus einer Mischung von
                                                                                                                                              WEISSE ROSE                          Impulsvortrag, Podiumsdiskussion und Publikumsge-
                                                                                                                                                                                   spräch besteht. Gerahmt wird die Veranstaltung mit
             Freunden, aber auch an schreckliche Erlebnisse an        zu Beginn des Stücks an das Geräusch einer Guillo-                                                           musikalischen Beiträgen.
             der Front und die Furcht davor, dass Kinder in die       tine erinnern.
             Deportation geschickt werden könnten. Keine hero-                Inszenieren wird Zimmermanns Kammeroper                                                              SEMPERDIALOG

                                                                                                                                Semperoper

                                                                                                                                                                        Dresden
             ischen Märtyrerfiguren zeigt Zimmermann in seiner        der Schweizer Regisseur und Bühnenbildner Stephan                                                            Moderation Andreas Berger,
             Kammeroper, sondern zwei junge Menschen, mit all         Grögler, die Musikalische Leitung liegt in den Händen                                                        leitender Redakteur des Ressorts »Kultur«, MDR Sachsen
             ihren Ängsten, inneren Kämpfen und Zweifeln.             von Johannes Wulff-Woesten. »Wir freuen uns sehr,
                    Für die kunstvolle Textcollage des Librettos      Udo Zimmermanns Kammeroper ›Weiße Rose‹ nach                                                                 Auf dem Podium:
             arbeitete der Dramaturg und Autor Wolfgang Wil-          der Dresdner Erstaufführung im Kleinen Haus 1987                                                             Prof. Ines Geipel, Hochschule für Schauspielkunst »Ernst
             laschek sowohl mit den handschriftlichen Aufzeich-       und der letzten Vorstellung 1989 nun endlich wieder                                                          Busch« und Autorin; Dr. André Postert, Hannah-Arendt-Ins-
             nungen und Briefen von Hans und Sophie Scholl als        spielen zu können. Zimmermann hat für diese Stadt                                                            titut für Totalitarismusforschung, Dresden; Bianca Heitzer,
             auch mit Texten aus der Bibel und Gedichten von          eine große Bedeutung, er wurde hier geboren, war                       Premiere 9. Oktober 2020
                                                                                                                                                                                   Dramaturgin der Neuproduktion »Weiße Rose«
             Dietrich Bonhoeffer, Franz Fühmann und Tadeusz           Mitglied im Kreuzchor und hat sowohl für die Mu-
             Różewicz. Udo Zimmermann zufolge sei es wich-            sikhochschule als auch für die Staatsoper durch sein                                                         10. Dezember 2020, 19 Uhr, kostenfreier Eintritt
             tig, dass sich die Dramaturgie des Stücks von aller      Wirken viel erreicht. Er ist eine Identifikationsfigur                                                       Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden
             Opernkonvention löse und szenische Offenheit für         für die Neue Musikszene und das Musiktheater des                                                             In Kooperation mit Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen e.V.
             Poesie, Traum und Utopie ermögliche: »Die Gren-          20. Jahrhunderts war ihm immer besonders wich-
             zen zwischen Realität und Irrealität bleiben fließend.   tig«, erklärt Johannes Wulff-Woesten. Stephan Grög-
             Das Werk sollte keine historische Rückschau liefern,     ler, der die Kammeroper bereits in Frankreich und
             sondern gleichnishaft unsere Zeit, unsere Haltungen      der Schweiz inszeniert hat, wird das Stück in Semper
             und Überzeugungen in Frage stellen, Vergangenheit        Zwei in einem von ihm entworfenen Bühnenbild neu
             als Parabel der Gegenwart sein.« Für die Kammer-         entwickeln: »Wir haben für Semper Zwei eine Raum-
             fassung entschied sich Zimmermann für »klassische«       situation geschaffen, in der das Publikum zwischen
             Orchesterinstrumente, denen er jedoch ungewohnte         den Sänger*innen auf der Szene und dem Orchester im
             Farben entlockt. Weiche Klänge von Altflöte und          Rücken sitzen wird. Zimmermanns besonderes Klang-
             Streichern wechseln sich ab mit extremen Inter-          spektrum wird also unmittelbar zu erleben sein, und
             vallsprüngen und harten Akkorden, die gleich             die Zuschauer*innen sind mittendrin im Geschehen.«

                                                                  24                                                                                                              25
Was richtet der Verlust der freien Verfügung über          Gesellschaft einen so herausgehobenen Stellenwert
                                                               Zeit und Raum in den Menschen an, die in einem Ge-         besitzt. Bei meinen persönlichen Begegnungen ging
                                                               fängnis leben? Wer in eine solche Institution kommt,       es aber meist um anderes, um ganz konkrete Dinge:
                                                               verliert seine Freiheit grundlegend. Es gibt keine         dass man die Familie nicht sehen darf, die Kommu-
                                                               freien Entscheidungen mehr, wie ich meinen Tag ge-         nikation eingeschränkt ist oder dass man sich nachts
                                                               stalte, alles ist von den Strukturen bis ins Kleinste      nicht noch schnell ein Bier beim Späti oder einen
                                                               bestimmt – was ich essen muss, wann ich ins Bett           Döner holen kann. Gerade solche Selbstverständ-
                                                               gehe, also auch ganz banale Dinge. Wir denken in           lichkeiten sind Manifestationen von Freiheit, die Ge-
                                                               unserem eigenen Alltag gar nicht darüber nach, wie         fangenen enorm wichtig sind, ohne dass sie darüber
                                                               viele Dinge wir ständig frei entscheiden und darum         theoretisch nachdenken würden.
                                                               können wir uns auch kaum vorstellen, was es bedeu-                  Andererseits hatte ich mit einem Gefangenen
                                                               tet, wenn das nicht mehr möglich ist. Wahlfreiheit ist     zu tun, der nach unvorstellbaren 16 Jahren Isolations-
                                                               eine Dimension von Freiheit, die den meisten Gefan-        haft jetzt in Sicherungsverwahrung lebt und sehr viel
                                                               genen in ihrer Erfahrungswelt besonders wichtig ist,       über das Wesen der Freiheit reflektiert. Er hatte uns
                                                               und nicht so sehr der Wert der Freiheit in einem phi-      eine seiner Zeichnungen für die Ausstellung überlas-
                                                               losophischen oder politischen Sinne.                       sen und meine bürokratische Copyright-Anfrage da-
                                                                       Der Kontakt zu Familie und Freunden ist im         hingehend beantwortet, wir könnten das Blatt gern
                                                               Gefängnis stark eingeschränkt, man lebt in einer           verwenden, denn es sei das einzige an ihm, was frei
                                                               Zwangsgemeinschaft mit Leuten zusammen, die man            sei – das war seine moderne Version von »die Gedan-
                                                               sich nicht ausgesucht hat, mit denen man irgendwie         ken sind frei«.
                                                               klarkommen muss. Inhaftierte finden sich in einem                   Wahrscheinlich ist es so, dass zukünftig auch
                                                               dichten Geflecht sozialer Machtbeziehungen wieder.         die Formen des Strafens individualisiert werden

                                    Isabel Dzierson, Autorin
                                                               Viele Gesprächspartner*innen berichten und bekla-          müssten. Möglicherweise bringt eine Haftstrafe den

                     Vom Entzug
                                                               gen, dass ihr Alltag stark von Gewalt und einer mas-       einen tatsächlich auf den rechten Weg zurück, wäh-
                                                               kulinen Kultur geprägt ist. Transsexuelle Menschen         rend die andere sich immer tiefer in eine kriminelle
E x t r a - Te x t

                                                                                                                                                                                    E x t r a - Te x t
                                                               werden beispielsweise geächtet, Genderstereotype           Laufbahn verstrickt – und umgekehrt. Wenn wir uns
                                                               und eine heteronormative Sexualität spielen in der         solche differenzierten Betrachtungen nicht zumuten,

                     der Freiheit
                                                               Gefängniswelt eine sehr viel größere Rolle als in der      machen wir es uns in der überkommenen Vorstellung
                                                               sich in dieser Hinsicht liberalisierenden Gesellschaft     bequem, die Institution Gefängnis würde schon al-
                                                               draußen. Auch das sind Aspekte von eingeschränkten         les von ganz alleine regeln. In Wahrheit bleibt das
                                                               Freiheiten.                                                Gefängnis aber ohne den Einsatz erheblicher finan-
                                                                       Mit der Entstehung des modernen Gefäng-            zieller Mittel und die engagierte Arbeit von Psycho-
                                                               nisses im 18. Jahrhundert ging eigentlich ein hu-          log*innen und Sozialarbeiter*innen eine reine Aufbe-
                                                               manitärer Paradigmenwechsel einher. Vereinfacht            wahrungsanstalt, in der wir die Problemfälle unserer
                                                               gesagt sollten grausame körperliche Bestrafungen           Gesellschaft entsorgen.
                                                               ersetzt werden durch den bloßen Entzug der Frei-                    Haftstrafen sind für die meisten unter uns ein
                                                               heit. Das Kalkül war: Wenn ich den Straftätern die         extrem emotionales Thema, das darum von der Po-
                                                               Freiheit nehme – die in der Aufklärung soeben als          litik nicht gerne auf die Tagesordnung gesetzt wird.
                                                               individuelles Recht entdeckt und postuliert worden         Wenn ich höre, dass jemand eine furchtbare Tat be-
                                                               war – werden sie ihre Tat bereuen und wieder zu            gangen hat, denke auch ich impulsiv – okay, diese
                                                               anständigen Bürgern werden. In der Hoffnung auf            Person muss doch jetzt irgendwie bestraft werden!
                                                               einen solchen kathartischen Automatismus liegt der         Das ist offenbar ein ganz natürlicher menschlicher
                                                               Konstruktionsfehler des Gefängniswesens, der bis           Reflex, den man sich nicht abgewöhnen oder verbie-
                                                               heute nachwirkt – trotz aller sinnvollen Bemühun-          ten kann. Aber man sollte offen darüber diskutieren,
                                                               gen um Resozialisierung.                                   wo der Reflex herkommt und wo er hinführt. Dieses
                                                                       Ich möchte noch einmal auf den Begriff der         tiefsitzende Bedürfnis nach Strafe muss zu einer in
                                                               Freiheit zurückkommen. Am Anfang meiner Recher-            der Gesellschaft – bei Opfern wie bei Tätern – akzep-
                                                               che zur Ausstellung »Im Gefängnis. Vom Entzug der          tierten Lösung führen, zu einem Zustand, dass wir
                                                               Freiheit«, hatte ich die Vorstellung, das Schlimmste       mit dieser Person wieder zusammenleben möchten –
                                                               ist der Freiheitsentzug selbst, weil Freiheit in unserer   darauf läuft es doch am Ende hinaus.

                                                                       Isabel Dzierson ist die Kuratorin der Sonderausstellung »Im Gefängnis. Vom Entzug der Freiheit«,
                                                                         die bis Mai 2021 im Deutschen Hygiene-Museum in einer Koproduktion mit dem Internationalen
                                                                        Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum in Genf und dem Musée des Confluences in Lyon zu sehen ist.

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Nicht stehenbleiben
                          Mit zwei zusätzlichen Konzerten präsentieren sich die Sächsische
                          Staatskapelle Dresden und ihr Chefdirigent Christian Thielemann
                                     zum ersten Mal gemeinsam im Kulturpalast

                 »Die Kunst will von uns, daß wir nicht stehenblei-                       schon in den ersten Takten, die die Gepflogenheiten
                 ben«, brachte Ludwig van Beethoven in einem sei-                         der Gattung geschickt unterlaufen: Das Klavierkon-
                 ner Konversationshefte seine Kunstauffassung auf                         zert Nr. 4 G-Dur op. 58 beginnt als erstes seiner Art
                 den Punkt. Der Stillstand, von dem Beethoven hier                        überhaupt mit einem Soloeinsatz des Klaviers, das
                 spricht, ist natürlich ein Erstarren in Konventio-                       lyrisch gehaltene Violinkonzert D-Dur op. 61 mit vier
                 nen, ein sich Begnügen mit dem Status quo und                            leisen Paukenschlägen. Mit dem Pianisten Rudolf
                 nicht die lähmende Wirkung eines neuartigen Vi-                          Buchbinder und dem Geiger Nikolaj Szeps-Znaider
                 rus auf das Musikleben. Aber hier wie dort ver-                          sind im Kulturpalast zwei hochkarätige Solisten zu
                 langt die Kunst nach neuen Wegen. Für Orchester                          erleben.
                 bedeutet das in diesen Tagen, alle Mittel zu nutzen,                             Zur Seite stehen den Solokonzerten jeweils
                 um ihrem Publikum wieder jene unmittelbare Be-                           Werke, die – ganz im Sinne Beethovens – Neues wa-

                                                                                                                                                                        Christoph Dennerlein, Autor
                 gegnung mit Musik zu ermöglichen, die es nur im                          gen: Arnold Schönberg ist erst 25 Jahre alt, als er in
Sonderkonzerte

                 Konzertsaal geben kann. Deshalb bieten die Säch-                         seinem Opus 4 das Prinzip der Tondichtung ins Kam-
                 sische Staatskapelle und ihr Chefdirigent Christian                      mermusikalische überträgt. Bei der Uraufführung
                 Thielemann am 27. Oktober und 3. November kurz-                          noch ein Skandal, ist »Verklärte Nacht«, das in der
                 fristig zwei zusätzliche Sonderkonzerte im Dresdner                      Bearbeitung für Streichorchester erklingt, mit seiner
                 Kulturpalast an.                                                         spätromantischen Klangsprache heute eines der be-
                          Dass dabei die Musik des Jubilars Ludwig                        liebtesten Werke des Komponisten. Dem Violinkon-
                 van Beethoven im Mittelpunkt steht, dessen 250.                          zert Beethovens steht eines von Robert Schumanns
                 Geburtstag in diesem Jahr bislang kaum gebührend                         unkonventionellsten Werken gegenüber: Weder bloß
                 gefeiert werden konnte, liegt in der Natur der Sache.                    Konzertouvertüre noch Symphonie bahnen sich die
                 So konsequent wie kaum ein Komponist vor ihm hat                         drei dynamischen Sätze Ouvertüre, Scherzo und Fi-
                 Beethoven in seinen Werken – widrigen äußeren                            nale op. 52 einen Weg zwischen den Gattungen.
                 Umständen zum Trotz – immer wieder Grenzen über-                                 Eingeleitet werden die beiden Abende jeweils
                 schritten und künstlerisches Neuland erschlossen.                        von einer der selten zu hörenden Blechbläserfanfa-
                 Zwei kurz nacheinander entstandene Solokonzerte                          ren von Richard Strauss, die den Komponisten von
                 illustrieren diese unbändige Innovationslust jeweils                     ungewohnter Seite zeigen.
                                                                                                                                  Foto: Michiel Hendryckx

                                                      SONDERKONZERT STAATSKAPELLE & THIELEMANN I
                        Dirigent C hr i sti an Thi el em ann, Klavier R ud o l f B uch b i n d e r, Sä ch s i s ch e St a a t s k a p e l l e Dre s d e n
                                 R i c h a rd St ra u s s , Wiener Philharmoniker Fanfare für Blechblasinstrumente und Pauken
                                                  L u d w i g v an B e e t h o v e n , Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58
                                 A r n o l d Sc h ö n b e rg , »Verklärte Nacht«, Fassung für Streichorchester vom Komponisten
                                                     27. Oktober 2020, 20 Uhr, Kulturpalast, Karten ab 13 Euro
                                                            Karten über den Kartenservice des Kulturpalastes

                                                    SONDERKONZERT STAATSKAPELLE & THIELEMANN II
                      Dirigent Chr i sti an Thi el em ann, Violine Ni k o l a j Sz e p s - Z n a i d e r, Sä ch s i s ch e St a a t s k a p e l l e Dre s d e n
                          Richa rd St ra u s s , Fanfare für Blechbläser und Pauken zur Eröffnung der Musikwoche der Stadt Wien
                                                     L u d w i g v an B e e t h o v e n , Violinkonzert D-Dur op. 61
                                              R o b e r t S ch u m a n n , Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur op. 52
                                                  3. November 2020, 20 Uhr, Kulturpalast, Karten ab 13 Euro
                                                          Karten über den Kartenservice des Kulturpalastes

                                                                                                                                                                  Foto: xxxx
                                                                                      28                                                                                                              Foto: Matthias Creutziger
Eine Dresdner Premiere
                                                                                                                             Mit einer Uraufführung des Dresdner Komponisten Jörg Herchet
                                                                                                                                gibt Gaetano d’Espinosa sein Konzertdebüt als Dirigent im
                                                                                                                                   1. Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle

                                                                                                                  Bereits 2005 stellte Gaetano d’Espinosa, zu dieser           Als Gesangssolistin des »Konzerts für Violine, Alt und

                                                                                                                                                                                                                                        Va r i a t i o n : 1 . A u f f ü h r u n g s a b e n d
Va r i a t i o n : 1 . A u f f ü h r u n g s a b e n d

                                                                                                                  Zeit stellvertretender Konzertmeister der 1. Violi-          Orchester« komplettiert Kammersängerin Christa
                                                                                                                  nen der Staatskapelle, sein eigenes Violinkonzert in         Mayer, seit 2001 Mitglied im Ensemble der Semper-
                                                                                                                  einem Aufführungsabend vor. Nun tritt der gebür-             oper, die Besetzung dieser besonderen Dresdner
                                                                                                                  tige Sizilianer als Dirigent erstmals selbst ans Pult        Premiere. Auch Gaetano d’Espinosas dirigentische

                                                                                          Anne Nicolai, Autorin
                                                                                                                  im Konzert seiner ehemaligen Kolleg*innen. Im 1.             Laufbahn ist eng mit Dresden verbunden. Auf Anre-
                                                                                                                  Aufführungsabend der Staatskapelle 2020/21 prä-              gung von Fabio Luisi, damals Generalmusikdirektor
                                                                                                                  sentiert sich d’Espinosa mit einer Uraufführung von          der Semperoper, widmete er sich dem Dirigieren –
                                                                                                                  Jörg Herchet. Herchet, 1943 in Dresden geboren               und wurde kurz darauf sein musikalischer Assistent.
                                                                                                                  und zunächst an der hiesigen Hochschule, später              Die Lehrjahre zahlten sich aus: Bereits 2010 leitete
                                                                                                                  auch als Meisterschüler von Paul Dessau ausge-               d’Espinosa mit großem Erfolg eine Wiederaufnahme
                                                                                                                  bildet, galt lange Zeit als eigenwilliger Komponist,         von »La traviata« in Dresden; und erst im vergange-
                                                                                                                  dem über viele Jahre die öffentliche Anerkennung             nen Jahr überzeugte er, als er kurzfristig für Omer
                                                                                                                  in der DDR verwehrt blieb. Seine spezifischen kom-           Meir Wellber in Verdis »Nabucco« in der Semper-
                                                                                                                  positorischen Vorstellungen, die Abwendung von               oper einsprang. Sein Konzert-Debüt eröffnet Gaetano
                                                                                                                  der Tonsprache des Sozialistischen Realismus so-             d’Espinosa nun jedoch nicht mit italienischen Klän-
                                                                                                                  wie die Weigerung, Mitglied im Komponistenver-               gen, sondern mit Edward Elgars Streicherserenade op.
                                                                                                                  band der DDR zu werden, ließen Herchets Werke                20 – drei jugendliche »kleine Melodien«, die der bri-
                                                                                                                  vor allem im Ausland Beachtung und Beifall finden.           tische Komponist 1892 noch vor seinem Durchbruch
                                                                                                                  Für den Kammervirtuosen Reinhard Krauß schrieb               mit populären Werken wie »Pomp and Circumstan-
                                                                                                                  der inzwischen emeritierte Professor für Komposi-            ce« im heimatlichen Worcester zu einem dreisätzigen
                                                                                                                  tion der Dresdner Musikhochschule nun ein neues              Werk zusammenfasste. Zum Abschluss des Abends
                                                                                                                  Werk als Zeichen seiner Wertschätzung für dessen             erklingt Georges Bizets zweite Symphonie. Elf Jah-
                                                                                                                  jahrzehntelanges, erfolgreiches Wirken als Primari-          re lang erarbeitete und verbesserte Bizet seine von
                                                                                                                  us des Krauß-Quartetts weit über das Dresdner Mu-            einem dreijährigen Studienaufenthalt und den gro-
                                                                                                                  sikleben hinaus. Reinhard Krauß ist seit über vier           ßen italienischen Städten inspirierte C-Dur-Sympho-
                                                                                                                  Jahrzehnten eines der prägenden Mitglieder der               nie; von Venedig, Florenz und Neapel blieb letztlich
                                                                                                                  Staatskapelle.                                               jedoch lediglich: »Roma«.
                                                         Foto: Matthias Creutziger

                                                                                                                                                        VARIATION: 1. AUFFÜHRUNGSABEND
                                                                                                                                   Dirigent G aet an o d ’Es p in o s a, Alt C h ris t a May er, Violine Rein h ard Krauß
                                                                                                                                                        Säc h s is c h e St aat s kap elle Dres d en
                                                                                                                                                       Edward Elgar, Streicherserenade e-Moll
                                                                                                                                         Jörg Herchet, Konzert für Violine, Alt und Orchester (Uraufführung)
                                                                                                                                                      Georges Bizet, Symphonie Nr. 2 »Roma«
                                                                                                                                                     26. November 2020, 20 Uhr, Karten ab 6 Euro

                                                                                     30                                                                                      31
Spielarten des                                                                                                                                                                                                                                                 Seitenthema in Moll

                                                                                    Konzertierens
                                                                                Ton Koopman knüpft im 4. Symphoniekonzert
                                                                             mit Werken von Vivaldi und Haydn programmatisch
                                                                                    an die bedeutsame Kapellhistorie an
Va r i a t i o n : 4 . S y m p h o n i e k o n z e r t

                                                                                                                                                                                                                          Christoph Dennerlein, Autor

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  In die Noten geschaut
                                                         Eine nicht alltägliche Wertschätzung für eines der                 allerlei Spielarten des Konzertierens im Hervortreten

                                                                                                                                                                                                Felicitas Böhm, Autorin
                                                         größten Orchester seiner Zeit brachte Antonio Vival-               mehrerer Soloinstrumente in verschiedener Zusam-
                                                         di im Untertitel seines vermutlich in den 1720er-Jah-              menstellung, einzeln oder in der Gruppe.
                                                         ren entstandenen Concertos in g-Moll zu Papier: »Per                       Auch Joseph Haydn verstand sich bestens da-
                                                         l’orchestra di Dresda« – für die Dresdner Hofkapelle,              rauf, Klangkombinationen unterschiedlichster Solo-                                                                                                                                                                C7
                                                         die heutige Sächsische Staatskapelle. Obwohl der Ve-               instrumente für seine Werke zu nutzen. 1792, wäh-
                                                         nezianer selbst nie die Residenzstadt an der Elbe be-              rend er in London weilte und über die Maßen er-
                                                         sucht hatte, widmete er der Dresdner Hofkapelle sein               folgreich komponierte und rezipiert wurde, brillierte
                                                         das Konzertieren mehrerer Solist*innen in den Fokus                sein Schüler Ignaz Pleyel mit einem mehrere Solisten                                                                        Tage der Muße und Freiheit: »Ohne Frack, ohne Klavier, ohne Visiten-Karten, ohne Wagen und Pferde, aber
                                                         stellendes Werk. Doch wie kam es zu dieser Ehrung                  beschäftigenden Pariser Orchesterwerk in der briti-                                                                         auf Eseln, mit Feldblumen, mit Notenpapier und Zeichenbuch, mit Cécile und den Kindern, doppelt wohl«,
                                                         ohne eigenes Erleben?                                              schen Hauptstadt.                                                                                                           notiert Felix Mendelssohn Bartholdy in den Ferien des Jahres 1845 in Bad Soden am Taunus, der Heimat
                                                                 Die Verbindung zwischen Dresden und Ita-                           Kurz nach der Aufführung äußerste sich                                                                              seiner Frau Cécile. Hier entsteht sein zweites Klaviertrio c-Moll op. 66, aber von der ländlichen Idylle ist im
                                                         lien stellte Vivaldis Schüler Johann Georg Pisendel                Haydn zu ähnlichen Plänen in einem Brief nach                                                                               ersten Satz nicht viel zu spüren. Ein drängendes Mollmotiv beherrscht das Allegro energico con fuoco. Das
                                                         her, der ab 1712 erster Violinist und zudem von 1728               Wien: »Es wird einen blutig harmonischen Krieg ab-                                                                          kantable Seitenthema in Es-Dur kann sich dagegen kaum behaupten. Die Coda entfaltet schließlich die wilde
                                                         bis 1755 Konzertmeister der »Kgl. Pohlnischen und                  setzen zwischen dem Meister und Schüler, man fängt                                                                          Energie des Mollmotivs in einer gewaltigen Steigerung, die das Seitenthema gleichsam hinwegfegt. Als es
                                                         Churf. Sächßischen Capell- und Cammermusique«                      an, in allen Zeitungen davon zu sprechen.« Nur we-                                                                          kurz vor Schluss noch einmal erscheint, ist es ebenfalls nach Moll gewendet und kommt auch nach dem drit-
                                                         war. Pisendel war es auch, der Vivaldis Werke nach                 nige Tage später übernahm Haydns Verleger Johann                                                                            ten Anlauf, der auf einem Dominantseptakkord stehen bleibt, nicht zur erwarteten harmonischen Auflösung.
                                                         Dresden holte und somit das Elbtal für mehrere Jahre               Peter Salomon selbst den Violinpart der Urauffüh-                                                                           Unbeeindruckt führen die letzten Takte die Steigerung des Mollthemas zum Abschluss. Ein düsterer Satz, der
                                                         zum wichtigen Ort in der Pflege seines Œuvres au-                  rung der »Sinfonia concertante« – mit konzertanten                                                                          das gängige Bild des »heiteren« Mendelssohn gehörig ins Wanken bringt.
                                                         ßerhalb Italiens erhob. Das Werk zählt zur Gattung                 wie symphonischen Elementen verbindet Haydn hier
                                                         der »Concerti con molti Istromenti« und arbeitet mit               gekonnt das Beste aus beiden Gattungen.

                                                                                                     VARIATION: 4. SYMPHONIEKONZERT                                                                                                                                                                 VARIATION: 4. KAMMERABEND
                                                                                                               Dirigent Ton Ko o p m a n                                                                                                                Violine An s elm Telle, Violoncello Simo n Kalb h en n , Klavier Mas umi Sakagami, Flöte Sab in e Kit t e l, Klarinette
                                                            Violine Matt hi as Wol l ong , Violoncello Nor be r t A n ge r, Oboe Cé l i n e M o i n e t , Fagott T h o m a s E b e r h a rd t                                                              Fab ian Dirr, Oboe Vo lker Han eman n , Horn Klaus G ay er, Fagott P h ilip p Zeller, Klavier Paul Rivinius
                                                                                                    S äc hsi sc h e St a a t s k a p e l l e Dre s d e n                                                                                                                           Felix Mendelssohn Bartholdy, Klaviertrio Nr. 2 c-Moll op. 66
                                                                                              Johann S eb as t i a n B a ch , Orchestersuite Nr. 4                                                                                                                                            Francis Poulenc, Sonate für Flöte und Klavier
                                                                                                     J o s e p h Ha y d n , Sinfonia concertante                                                                                                                                Guillaume Connesson, »Techno Parade« für Flöte, Klarinette und Klavier
                                                                                         A n t o ni o V i v a l d i , »Concerto per l’orchestra di Dresda«                                                                                                                               Francis Poulenc, Sextett für Bläserquintett und Klavier
                                                                                             G eorg Fr i ed r i ch H ä n d e l , »Feuerwerksmusik«
                                                                                               13., 14. & 15. November 2020, Karten ab 6 Euro                                                                                                                                                18. November 2020, 20 Uhr, Karten 10 Euro

                                                                                                                         32                                                                                                                                                                                      33
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