Keine Experimente in der Krise - Niederlande stimmen für Kontinuität

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Keine Experimente in der Krise - Niederlande stimmen für Kontinuität
März 2021

Europabüro Brüssel

Keine Experimente in der Krise –
Niederlande stimmen für Kontinuität
Liberale Parteien können zulegen, politische Linke verliert deutlich

Dr. Hardy Ostry, Kai Gläser

                                                   voor de Vrijheid (PVV) hinter sich. Mit rund 15
Bei den Parlamentswahlen in den Nieder-
                                                   Prozent der Stimmen fuhr D66 das beste Er-
landen sind die großen Überraschungen
                                                   gebnis der Parteigeschichte ein, was Spitzen-
ausgeblieben. Ministerpräsident Mark
                                                   kandidatin Sigrid Kaag, bisher Ministerin für
Rutte und seine rechtsliberale Volkspartij
                                                   Außenhandel und Entwicklungszusammen-
voor Vrijheid en Democratie (VVD) erhiel-
                                                   arbeit, zu einem spontanen Freudentanz auf
ten die meisten Stimmen und werden al-
                                                   einem Tisch in der Parteizentrale verleitete.
ler Voraussicht nach die nächste Regie-
                                                   Das Video dieser Tanzeinlage verbreitete
rung des Königreichs anführen. Die links-
                                                   sich am Wahlabend wie ein Lauffeuer und
liberalen Democraten 66 (D66) konnten
                                                   stand dabei symbolisch für den Erfolg der
deutlich zulegen und wurden zweit-
                                                   beiden liberalen Regierungspartner. Der
stärkste Kraft, vor den Rechtspopulisten
                                                   konservative Teil der Regierung konnte mit
um Frontmann Geert Wilders. Die Christ-
                                                   dem Wahlergebnis jedoch nicht zufrieden
demokraten und linke Parteien mussten
                                                   sein. Während der kleinste Koalitions-
dagegen Verluste hinnehmen und verlo-
                                                   partner, die calvinistische ChristenUnie (CU),
ren an Einfluss. Aufgrund der Corona-Pan-
                                                   ihr Ergebnis von 2017 (3,4 Prozent der Stim-
demie und den auch in den Niederlanden
                                                   men) halten konnte, musste der CDA um Fi-
wieder ansteigenden Neuinfektionen war
                                                   nanzminister und Spitzenkandidat Wopke
die Parlamentswahl auf drei Tage ge-
                                                   Hoekstra deutliche Verluste hinnehmen und
streckt worden. Älteren Bürgerinnen und
                                                   kommt nach vorläufigem amtlichen Ender-
Bürgern wurde zudem erstmals die Mög-
                                                   gebnis lediglich auf 9,5 Prozent der Stimmen.
lichkeit der Briefwahl eingeräumt.
                                                   Im Vergleich zum bereits ernüchternden
                                                   Wahlergebnis der letzten Parlamentswahl
Bereits als am 17. März gegen 21 Uhr die
                                                   sank die Zustimmung damit um weitere 2,6
Nachwahlbefragungen (Exit-Polls) bekannt-
                                                   Prozentpunkte. Parteichef Rutger Ploum
gegeben wurden, war absehbar, dass sich
                                                   übernahm für diese Niederlage die politi-
bei dieser außergewöhnlichen Parlaments-
                                                   sche Verantwortung und trat drei Tage nach
wahl die liberalen Parteien als Sieger fühlen
                                                   der Wahl zurück.
durften. Neben der größten Regierungspar-
tei VVD, die rund 22 Prozent der Stimmen auf
sich vereinen konnte und damit weiterhin
                                                   Politische Linke verliert an Zu-
deutlich stärkste Kraft ist, galt dies vor allem   spruch, Populisten legen zu
für den bislang drittstärksten Koalitions-         Mit Blick auf die Opposition kann konstatiert
partner D66. Dieser konnte in der Beliebtheit      werden, dass die linken und grünen Parteien
der Wählerinnen und Wähler nicht nur an            zum Teil deutlich an Zuspruch verloren ha-
den ebenfalls an der bisherigen Regierung          ben. Die linksgerichtete Socialistische Partij
beteiligten Christdemokraten (Christen-De-         (SP) verlor im Vergleich zu 2017 fast ein Drit-
mocratisch Appèl, CDA) vorbeiziehen, son-          tel ihrer Wähler und steht nur noch knapp
dern ließ auch die rechtspopulistische Partij      vor der sozialdemokratischen Partij van de
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Arbeid (PvdA), die ihr historisch schwaches    und in vielen Fällen auch etablierten Par-
Ergebnis aus dem Jahr 2017 (rund sechs Pro-    teien konnten auch Vertreterinnen und Ver-
zent der Stimmen) in diesem Jahr wieder-       treter von ausgesprochenen Partikularinte-
holte. Die grüne Partei GroenLinks (GL) hal-   ressen (z.B. Partei für die Tiere, Bauernpar-
bierte ihr Ergebnis aus dem Jahr 2017 na-      tei, Partei 50+) einige Sitze erringen.
hezu und kommt nun auf nur noch 5,2 Pro-
zent der Stimmen. Dies ist vor allem vor dem   VVD in der Fläche stark, einzelne
Hintergrund interessant, dass die Debatte      Hochburgen anderer Parteien
über den Klimawandel und die politischen
Entscheidungen zur Reduktion der Treib-        Ein Blick auf die regionale Verteilung der
hausgase auch in den Niederlanden in vol-      Stimmen unterstreicht die starke Stellung
lem Gange sind.                                des Wahlsiegers VVD, die in gut zwei Drittel
                                               der Stimmbezirke die Mehrheit gewinnen
Am entgegengesetzten Ende des politischen      konnte und dabei sowohl im ländlichen
Spektrums konnten die Rechtspopulisten zu-     Raum als auch in urbanen Gegenden erfolg-
sammengenommen leicht zulegen. Zwar            reich war. D66 etablierte sich vor allem in
musste die PVV von Geert Wilders im Ver-       den Wahlbezirken in und um die Metropolen
gleich zur letzten Parlamentswahl leichte      Amsterdam und Rotterdam und konnte die
Verluste hinnehmen, diese wurden jedoch        Anzahl der gewonnenen Stimmbezirke im
vom wiedererstarkten Forum voor Democra-       Vergleich zur Wahl 2017 deutlich ausbauen.
tie (FvD) aufgefangen, welches mit fünf Pro-   Die Christdemokraten fuhren die besten Er-
zent mehr als doppelt so viele Stimmen auf     gebnisse weiterhin im Norden (Provinzen
sich vereinen konnte wie beim letzten Ur-      Friesland und Groningen) und im Osten des
nengang. Darüber hinaus schaffte es die Par-   Landes (Provinzen Drenthe und Overijssel)
tei JA21, eine Abspaltung des FvD, mit 2,4     ein, verloren jedoch auch hier einige Bezirke
Prozent der Stimmen ebenfalls ins Parla-       an die politischen Mitbewerber, allen voran
ment und hob den Stimmenanteil der             die VVD. Die rechtspopulistische PVV konnte
rechtspopulistischen und ausgesprochen         trotz Verlusten einige Stimmbezirke in der
europaskeptischen Parteien über das Ni-        Provinz Limburg verteidigen, wo die Partei
veau von 2017.                                 aufgrund ihres aus dieser Region stammen-
                                               den Spitzenkandidaten traditionell gut ab-
Parlamentarische Fragmentie-                   schneidet. Weitere Parteien konnten ein-
rung nimmt weiter zu                           zelne Stimmbezirke für sich gewinnen, kön-
                                               nen damit jedoch nicht verbergen, dass die
Insgesamt schafften 17 der 37 angetretenen
                                               VVD ihrem Anspruch als Volkspartei bei die-
Parteien und Wahlbündnisse den Sprung in
                                               ser Parlamentswahl gerecht geworden ist.
die Zweite Kammer der Generalstaaten (ver-
gleichbar mit dem Deutschen Bundestag) –
                                               Starke Personalisierung des Wahl-
so viele wie nie zuvor. Die hohe Anzahl der
Parteien im Parlament und die damit einher-    kampfes bei VVD und D66
gehende politische Fragmentierung ergibt       Ähnlich wie bei anderen europäischen Wahl-
sich aus der Tatsache, dass das niederländi-   entscheidungen dürfte für viele Wählerinnen
sche Parlament keine Sperrklausel kennt        und Wähler von VVD und D66 die Person des
und daher jede Partei vertreten ist, die ge-   Spitzenkandidaten bzw. der Spitzenkandida-
nug Stimmen für einen einzigen der 150         tin eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Sitze in der Zweiten Kammer für sich gewin-    Obwohl Mark Rutte schon seit zehn Jahren
nen kann. In den vergangenen Jahren ent-       im Amt ist – eine für niederländische Verhält-
sprach dies einer faktischen Sperrklausel      nisse sehr lange Zeit – genießt er in weiten
von etwa 0,67 Prozent der Stimmen. In der      Teilen der Bevölkerung nach wie vor großen
abgelaufenen Legislaturperiode waren be-       Rückhalt. Auch sein im Vergleich zu den
reits 15 Parteien/Wahlbündnisse im Parla-      Nachbarländern weniger restriktives Ma-
ment vertreten, eine Zahl die mit dem Wahl-    nagement der Corona-Pandemie hält die
ergebnis der vergangenen Woche nochmals        Mehrheit der Bevölkerung für den richtigen
überboten wurde. Neben den klassischen         Weg. Die Wahl der VVD dürfte daher in nicht
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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wenigen Fällen auch eine persönliche Wahl       traditionell liberal aufgestellten Niederlan-
des „Krisenmanagers“ Mark Rutte gewesen         den jedoch aufhorchen.
sein. Bei einer erneuten Wahl zum Minister-
präsidenten wäre Rutte in wenigen Monaten       Bisherige Koalition mit parlamen-
der am längsten amtierende Ministerpräsi-       tarischer Mehrheit
dent in der niederländischen Geschichte und
einer der dienstältesten Regierungschefs der    Mit Blick auf eine mögliche Regierungsbil-
Europäischen Union (gemeinsam mit Angela        dung kann festgehalten werden, dass die
Merkel und dem ungarischen Ministerpräsi-       bisherige Koalition aus VVD, CDA, D66 und
denten Viktor Orbán).                           CU im neu gewählten Parlament eine Mehr-
                                                heit hätte und ausweislich der letzten Zahlen
Auch bei D66 spielte die Spitzenkandidatin      auf 78 von 150 Sitzen kommen würde (VVD:
eine herausgehobene Rolle. In den Wochen        34 Sitze, D66: 24 Sitze, CDA: 15 Sitze, CU: 5
und Tagen vor der Wahlentscheidung kristal-     Sitze). Im Laufe des Wahlabends hatte es
lisierte sich immer stärker heraus, dass        zwischenzeitlich so ausgesehen, als wäre
Sigrid Kaag trotz aller Widrigkeiten eines      auch eine Drei-Parteien-Koalition im Bereich
überwiegend virtuell geführten Wahlkamp-        des Möglichen – dies bestätigte sich später
fes mit ihrer charismatischen Art zahlreiche    jedoch nicht. Ministerpräsident Rutte kün-
Bürgerinnen und Bürger ansprechen konnte        digte noch am Abend der Wahl an, bald mit
und damit maßgeblich zum verbesserten Er-       den Gesprächen zu beginnen, um dem Land
gebnis ihrer Partei beigetragen hat.            möglichst schnell eine handlungsfähige Re-
Betrachtet man die Themen, die den Wahl-        gierung präsentierten zu können. Dies ist vor
kampf bestimmten, nahm die Bewältigung          allem vor dem Hintergrund von Bedeutung,
der Corona-Pandemie die größte Rolle ein.       dass die gegenwärtige Regierung bereits vor
Die meisten Parteien stimmen grundsätzlich      dem Wahltag nur noch geschäftsführend im
mit der Stoßrichtung der bisherigen Regie-      Amt war, nachdem sie Mitte Januar wegen ei-
rung überein, wollen bei der wirtschaftlichen   nes mehrere Jahre zurückliegenden Beihil-
Erholung jedoch unterschiedliche Schwer-        fenskandals geschlossen ihren Rücktritt er-
punkte setzen, um sicherzustellen, dass die     klärt hatte. Diese zwischenzeitliche Krise
Niederlande nicht nur wirtschaftlich, son-      scheint bei der Wahlentscheidung der meis-
dern auch gesellschaftlich und sozial ge-       ten Niederländerinnen und Niederländer je-
stärkt aus der Krise hervorgehen. Daneben       doch keine, oder zumindest nicht die ent-
spielten Themen wie der Zustand des Ge-         scheidende, Rolle gespielt zu haben. Vor vier
sundheitssystems, die Rolle des Staates und     Jahren dauerten die Verhandlungen zur Re-
der Klimaschutz eine Rolle. Mark Rutte und      gierungsbildung 220 Tage, sodass sich zahl-
seine VVD verstanden es dabei nach einhelli-    reiche Beobachter auch in diesem Jahr auf
ger Meinung der politischen Beobachter, ei-     einen langwierigen Prozess einstellen.
nen Kurswechsel zu vollziehen und sozio-        Neben der grundsätzlichen Frage, ob alle
ökonomisch weiter nach links zu rücken.         vier bisherigen Koalitionspartner die ge-
Statt des über Jahrzehnte verfolgten Kon-       meinsame Arbeit fortsetzen wollen, wird der
zepts des Neoliberalismus, welches den          Erfolg der Verhandlungen auch von der
Staat bestmöglich einzuhegen versucht, be-      Frage abhängen, ob die neuen Kräfteverhält-
tonte Rutte im Wahlkampf immer wieder die       nisse im Bündnis adäquat wiedergegeben
Notwendigkeit staatlichen Eingreifens, wenn     werden können. Da D66 eine ausgesprochen
die Liberalisierung einzelner Bereiche (etwa    pro-europäische Partei ist, wird sie aller Vo-
des Gesundheitswesens oder des Woh-             raussicht nach darauf pochen, dass ihre In-
nungsmarkts) zu weit gehe. Wie weit diese       halte und Wahlversprechen in diesem Be-
geschickt platzierten Ankündigungen, wel-       reich stärker zur Geltung kommen, als dies
che sich laut Umfragen mit der Mehrheits-       in den letzten Jahren der Fall war, in denen
meinung im Land decken, in den kommen-          die Niederlande auf europäischer Ebene
den Jahren tragen, muss zwar abgewartet         häufig Maximalforderungen stellten und –
werden, die bloße Ankündigung ließ in den
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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etwa als Mitglied der sogenannten „Sparsa-      Stimmabgabe zu ermöglichen. Dabei griff
men Vier“ – auf Konfrontationskurs mit süd-     man – typisch niederländisch – auch zu aus-
europäischen Mitgliedsstaaten gingen.           gefallenen Methoden, wie „Drive-in-Wahllo-
                                                kalen“ oder der Abstimmung in zu Wahlloka-
Neue Impulse in der niederländischen Euro-
                                                len umgewandelten Kirchen.
papolitik könnte auch eine weitere mögliche
Koalition setzen, die rechnerisch denkbar
                                                Fazit
wäre. In dieser Option würde die CU durch
die pan-europäische Partei VOLT ersetzt, die    Die liberalen Parteien sind als große Gewin-
2,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinen       ner aus den niederländischen Parlaments-
konnte und nach aktuellem Stand mit drei        wahlen hervorgegangen und werden aller
Abgeordneten in die Zweite Kammer einzie-       Voraussicht nach auch die neue Regierung
hen wird. Nach dem ersten Wahlerfolg im         anführen. Die Christdemokraten und die po-
Zuge der Europawahl 2019 schaffte die dezi-     litische Linke haben an Einfluss verloren, ers-
diert pro-europäische Partei in den Nieder-     tere haben jedoch weiterhin die Chance, in
landen erstmals den Sprung in das nationale     der Regierung zu bleiben und die Geschicke
Parlament eines EU-Mitgliedsstaats. Die         des Landes aktiv mitzugestalten. Mit Blick
Mehrheit eines solchen Bündnisses wäre mit      auf die Ausrichtung der Regierungsarbeit
76 von 150 Sitzen jedoch denkbar knapp. Au-     kann davon ausgegangen werden, dass sich
ßerdem hätte eine solche Koalition – anders     mit dem gewachsenen Einfluss von D66 vor
als die bisherige Regierung – keine Mehrheit    allem der europapolitische Ton der nieder-
in der Ersten Kammer der Generalstaaten         ländischen Regierung ändert. War Mark
(Senat), was die Umsetzung politischer Pro-     Rutte in den vergangenen Monaten – nicht
jekte schwieriger machen würde.                 zuletzt im Zuge der äußerst zähen Verhand-
                                                lungen über den Mehrjährigen Finanzrah-
Ministerpräsident Rutte wollte sich am Wahl-
                                                men (MFR) und das Aufbauprogramm „Next
abend noch nicht in die Karten schauen las-
                                                Generation EU“ – häufig als „Mister No“ be-
sen und betonte lediglich, dass die bisherige
                                                zeichnet worden, könnte der zweitstärkste
Koalition gute Arbeit geleistet habe und man
                                                Koalitionspartner auf mehr Entgegenkom-
in D66 und CDA natürliche Partner habe. Ob
                                                men in europapolitischen Fragen drängen.
es über diese Ankündigung hinaus neue
                                                Da die zweitstärkste Kraft in der Koalition
Partner im Bündnis geben wird, werden die
                                                traditionell auch das Finanzressort über-
kommenden Wochen zeigen.
                                                nimmt, könnten die Niederlande künftig
                                                auch in der Runde der EU-Finanzminister
Wahl unter Corona-Bedingungen
                                                eine weniger konfrontative Haltung einneh-
verläuft reibungslos
                                                men.
Die Tatsache, dass die Parlamentswahl unter
                                                Mit Blick auf die deutsch-niederländischen
Pandemiebedingungen stattfand, wirkte sich
                                                Beziehungen dürfte sich der sehr konstruk-
nicht negativ auf ihre Durchführung aus. Mit
                                                tive und freundschaftliche Austausch der
einer Wahlbeteiligung von über 80 Prozent
                                                vergangenen Jahre auch unter einer neuen
gaben so viele Menschen ihre Stimme ab wie
                                                Regierung fortsetzen. Das bisherige Kabinett
selten zuvor. Um den Andrang an den Wahl-
                                                unterhielt enge Kontakte ins benachbarte
lokalen so überschaubar wie möglich zu hal-
                                                Nordrhein-Westfalen sowie nach Berlin und
ten, öffneten landesweit über 1.500 Wahllo-
                                                hat eine Reihe von bilateralen Vorhaben in
kale bereits in den beiden Tagen vor dem ei-
                                                den Bereichen Wirtschaft, Politik und Gesell-
gentlichen Wahltermin, um besonders vom
                                                schaft angeschoben, welche auch in den
Coronavirus gefährdeten Bürgerinnen und
                                                kommenden Jahren fortgesetzt werden sol-
Bürgern die Möglichkeit zu geben, ohne In-
                                                len. Da die Niederlande Deutschlands zweit-
fektionsgefahr ihre Stimme abzugeben.
                                                wichtigster Handelspartner nach der Volks-
Menschen ab 70 Jahren wurde zudem erst-
                                                republik China sind, können gut nachbar-
mals in der niederländischen Geschichte die
                                                schaftliche Beziehungen zwischen beiden
Möglichkeit der Briefwahl eingeräumt. Am
                                                Staaten nicht hoch genug eingeschätzt wer-
Wahltag selbst hatten deutlich mehr Wahllo-
                                                den.
kale als üblich geöffnet, um eine sichere
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                   März 2021
                                                                                                       4

Auf den CDA kommt in den nächsten Wo-           Konsequenzen das Wahlergebnis mittelfris-
chen die Aufarbeitung des ernüchternden         tig für die Rolle der Christdemokratie in den
Wahlergebnisses zu, welches nicht wenige        Niederlanden hat, kann zum jetzigen Zeit-
Beobachter auch mit den parteiinternen Ent-     punkt noch nicht abgesehen werden und
wicklungen im Vorfeld der Wahl in Verbin-       hängt unter anderem auch von der Frage ab,
dung bringen. Nachdem die Partei sich zu-       ob der CDA der nächsten Regierung angehö-
nächst für Gesundheitsminister Hugo de          ren wird oder nicht.
Jonge als Spitzenkandidat ausgesprochen
                                                Die Tatsache, dass Parlamentswahlen auch
hatte, trat dieser wenige Wochen später von
                                                in Zeiten von wieder steigenden Corona-
diesem Posten zurück, um sich als Minister
                                                Neuinfektionen sicher durchgeführt werden
vollumfänglich auf die Bewältigung der Pan-
                                                können, kann in anderen europäischen Staa-
demie fokussieren zu können. In der Folge
                                                ten, welche in den kommenden Wochen und
übernahm         Kabinettskollege    Wopke
                                                Monaten nationale Wahlen durchführen
Hoekstra diese Aufgabe, obwohl er vor der
                                                werden, durchaus als positives Signal aufge-
ersten Wahl eines Spitzenkandidaten unter
                                                nommen werden.
dem Hinweis zurückgezogen hatte, dass er
seine Rolle eher als Minister und weniger als
Spitzenkandidat für die Parlamentswahl
sehe. Dieser Widerspruch blieb bestehen
und ließ sich wohl auch für den ein oder an-
deren Wähler nicht restlos auflösen. Welche

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

Dr. Hardy Ostry
Leiter
Europabüro Brüssel
www.kas.de/bruessel

hardy.ostry@kas.de

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von „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter
gleichen Bedingungen 4.0 international”,
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