KENNZEICHNUNGS-PFLICHT IM INFLUENCER MARKETING
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Eingereicht von Patrick Thaller Angefertigt am Institut für Unternehmensrecht Beurteiler Assoz. Univ.-Prof. Dr. Thomas Wolkerstorfer KENNZEICHNUNGS- Dezember 2020 PFLICHT IM INFLUENCER MARKETING Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Linz, 10.12.2020 Unterschrift
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter.
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................ II 1. Ausgangslage und Problemstellung ...................................................................................... 1 2. Spezialgesetzliche Kennzeichnungspflichten bei werblichen Beiträgen ................................ 2 2.1. Kennzeichnungspflicht nach § 26 MedienG .......................................................................... 2 2.2. Kennzeichnungspflicht nach § 31 AMD-G ............................................................................. 4 2.3. Transparenzpflicht nach § 6 ECG ......................................................................................... 5 3. Lauterkeitsrechtliche Bestimmungen .................................................................................... 6 3.1. Handeln im geschäftlichen Verkehr....................................................................................... 6 3.2. Kennzeichnungstatbestände ................................................................................................. 7 3.2.1. Unlauter durch Rechtsbruch - § 1 UWG.................................................................. 7 3.2.2. Verstoß gegen Z 11 der „Schwarzen Liste“ ............................................................. 7 3.2.3. Irreführung durch unterlassene Aufklärung - § 2 Abs 4 UWG ................................. 8 4. Die Kennzeichnung von Influencer-Beiträgen ....................................................................... 9 4.1. Bisherige Rechtsprechung in Österreich ............................................................................... 9 4.2. Rechtsprechung aus Deutschland zur Kennzeichnungspflicht von Influencer Inhalten ....... 11 4.2.1. Kennzeichnung in der „Hashtagwolke“.................................................................. 11 4.2.2. Kennzeichnung mit „#ad“ und „#sponsoredby“...................................................... 12 4.2.3. Geeignete Kennzeichnung für Influencer Inhalte .................................................. 13 4.2.4. Verlinkung selbstgekaufter Produkte .................................................................... 15 4.2.5. Information über Herkunft des Produkts in „Tap Tags“ .......................................... 17 4.2.6. Keine geschäftliche Handlung und Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks...... 20 5. Ausblick und Fazit............................................................................................................... 23 6. Literaturverzeichnis............................................................................................................. 27 I 10.12.2020 Patrick Thaller
Abkürzungsverzeichnis AMD-G Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz Art Artikel BGH Bundesgerichtshof BGBl Bundesgesetzblatt BVerfG Bundesverfassungsgericht bzw beziehungsweise dUWG deutsches Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb E Entscheidung ECG E-Commerce-Gesetz EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EuGH Gerichtshof der Europäischen Union etc et cetera gem gemäß BGl Gesetzblatt GRUR Fachzeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR-Prax Fachzeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht GRUR-RS Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechung hL herrschende/r Lehre idF in der Fassung idR in der Regel ieS im engeren Sinn iSd im Sinne der/des iSv im Sinne von ITRB Fachzeitschrift IT-Rechtsberater iwS im weiteren Sinne KG Kammergericht LG Landesgericht Lit Literatur ME Ministerialentwurf MedienG Mediengesetz MMR Der Newsletter zur Fachzeitschrift MMR – Zeitschrift für IT-Recht und Recht der Digitalisierung MR Medien und Recht OGH Oberster Gerichtshof ÖBA Österreichisches Bankarchiv II 10.12.2020 Patrick Thaller
ÖBl Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht OLG Oberlandesgericht RL Richtlinie sog so genannte/r/s Rsp Rechtsprechung stRsp ständiger Rechtsprechung UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb WK Wiener Kommentar WRP Wettbewerb in Recht und Praxis ZNER Zeitschrift für Neues Energierecht ZvertriebsR Zeitschrift für Vertriebsrecht zw zwischen III 10.12.2020 Patrick Thaller
1. Ausgangslage und Problemstellung Die Werbeform des Influencer Marketings charakterisiert sich dadurch, dass der Unternehmer für seine Waren und Dienstleistungen nicht unmittelbar selbst wirbt, sondern dafür Dritte heranzieht, die das Unternehmen bzw ihre Produkte gut in Szene setzen.1 Diese Personen besitzen meist eine starke Präsenz und ein hohes Ansehen in einem oder mehreren sozialen Netzwerken und beginnen oftmals am Anfang selbst – wenn auch nur latent – Bezug auf bestimmte Produkte, eine Marke oder eine Dienstleistung zu nehmen. Von ihren Abonnenten erhalten diese Personen oftmals tausende oder gar Millionen „Likes“ für ihre Beiträge. Für diese Art der gezielten oder auch nur als Nebeneffekt eintretenden Produktwerbung im Internet hat sich das sog „Influencer Marketing“ eingebürgert.2 Das Wort „Influencer“ stammt aus dem Englischen und wird seit dem 17. Jahrhundert im Sinne von „beeinflussen“ verwendet.3 Hintergrund der neuen Werbeform ist, dass zum einen die Möglichkeiten für Kommunikationsaktivitäten durch das Internet vielfältiger geworden sind und zum anderen, dass die Konsumenten der anbieterseitigen Kommunikation immer weniger vertrauen und dafür den Empfehlungen von Freunden, Bekannten oder Experten folgen. Influencer können somit Kaufimpulse bei den Konsumenten bzw bei ihren Followern auslösen.4 Mit der neuen, besonders authentischen Werbeform verschwimmt plötzlich der anfangs vorhandene private Bereich mit dem geschäftlichen. Was Unternehmenskommunikation und was persönliche Meinung ist, kann unter Umständen nicht mehr genau nachvollzogen werden.5 Den handelnden Influencern war lange gar nicht bewusst, dass sich eingehend mit ihrer Medienpräsenz gesetzliche Verpflichtungen als Medieninhaber nach MedienG,6 als audiovisueller Medienanbieter nach dem AMD-G,7 als Dienstleister der Informationsgesellschaft nach dem ECG8 und Wettbewerber nach UWG9 ergeben können.10 Eine dabei wesentliche Verpflichtung betrifft die sog Kennzeichnungspflicht bezahlter Werbung. Aufgrund einiger unterinstanzlichen Entscheidungen – speziell in Deutschland – sind Influencer für diese Thematik nunmehr sensibilisiert, jedoch besteht wegen der uneinheitlichen Linie der Rechtsprechung nach wie vor große Rechtsunsicherheit. 1 Anderl/Seling, Social Media – Rechtssicherheit im Unternehmen, ecolex 2018, 535 (535). 2 Raffling/Wittmann, Werbung in sozialen Netzwerken, MR 2017, 163 (163). 3 Judt/Klausegger, Was ist eigentlich … Influencer Marketing? ÖBA 2020, 262 (262). 4 Judt/Klausegger, ÖBA 2020, 262 (262). 5 Laoutoumai, Influencer Marketing – Eine Rechtsprechungsübersicht, https://rechtdigital.blog/2019/04/06/influencer- marketing-eine-rechtsprechungsuebersicht/ (Stand 4.11.2020). 6 Bundesgesetz vom 12. Juni 1981 über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz – MedienG) BGBl 1981/314 idF I 2018/32. 7 Bundesgesetz über audiovisuelle Mediendienste (Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz – AMD-G) BGBl I 2001/84 idF I 2015/86. 8 Bundesgesetz, mit dem bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs geregelt werden (E-Commerce-Gesetz – ECG) BGBl I 2001/152 idF I 2015/34. 9 Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG BGBl 1984/448 idF I 2019/104. 10 Raffing/Wittmann, MR 2017, 163 (163). 1
2. Spezialgesetzliche Kennzeichnungspflichten bei werblichen Beiträgen 2.1. Kennzeichnungspflicht nach § 26 MedienG Nach dem sog „Trennungsgebot“ müssen „Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstige Beiträge und Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, […] in periodischen Medien als „Anzeige“, „entgeltliche Einschaltung“ oder „Werbung“ gekennzeichnet sein, es sei denn, daß Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können“. Damit das MedienG anwendbar ist, muss zunächst ein periodisches Medium vorliegen. § 1 Abs 1 Z 1 MedienG definiert den Begriff des Mediums "als jedes Mittel zur Verbreitung von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt in Wort, Schrift, Ton oder Bild an einen größeren Personenkreis im Wege der Massenherstellung oder Massenverbreitung". Dabei entscheidend ist die Art der Verbreitung. Öffentlich geführte Kanäle fallen jedenfalls unter diesen Medienbegriff.11 Unerheblich ist nunmehr, dass die Bestimmung anfangs für Zeitungen konzipiert wurde, da seit der MedienG-Novelle 200512 auch periodische elektronische Medien erfasst sind gem § 1 Abs 1 Z 5a MedienG. Nachdem Influencer ihre Inhalte selbst gestalten und die Abrufbarkeit durch Hochladen ihrer Inhalte auf eine Website veranlassen, sind sie als Medieninhaber iSd § 1 Abs 1 Z 8 lit c MedienG für die Einhaltung des Trennungsgebots verantwortlich.13 Schlussendlich muss das Kriterium der Entgeltlichkeit erfüllt sein, um das Tor zur Kennzeichnung zu öffnen. Ausreichend ist die Überlassung eines Vermögensvorteils jedweder Art, wobei allerdings ein synallagmatisches Verhältnis zw der geschalteten Anzeige und der Gegenleistung gegeben sein muss.14 Für die Anwendbarkeit von § 26 MedienG reicht es grundsätzlich aus, wenn dem Influencer unter anderem Produktproben zur Verfügung gestellt werden, sofern der Vermögensvorteil für die Veröffentlichung ursächlich ist. Ein bloß mittelbarer Vorteil ist hingegen nicht ausreichend und die Veröffentlichung stellt einen nicht kennzeichnungspflichtigen redaktionellen Beitrag dar, der Ausdruck der Meinungsäußerungsfreiheit gem Art 10 EMRK15 ist. Dies ist zum Beispiel dann gegeben, wenn dem Influencer die Produkte nur deshalb zugeschickt werden, um diese mittels Gewinnspiel dann seinen Followern zur Verfügung zu stellen. 11 Kubat, Kennzeichnungspflicht im Influencer-Marketing, ÖBl 2020/3, 8 (10). 12 Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz) geändert wird, BGBl I 1981/314 idF I 2005/49. 13 Feiler/Schmitt, Influencer Marketing und das medienrechtliche Trennungsgebot, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 255 (257). 14 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (10); Rami in Höpfel/Ratz, WK² MedienG § 26 Rz 2; OGH 29.9.1992, 4 Ob 60/92. 15 KONVENTION ZUM SCHUTZE DER MENSCHENRECHTE UND GRUNDFREIHEITEN, BGBl 1958/210 idF III 2018/139. 2 10.12.2020 Patrick Thaller
Von einem mittelbaren Vorteil ist auch dann auszugehen, wenn dem Influencer für eine Produktvorstellung lediglich die anfallenden Auslagen ersetzt werden.16 Besonders zu beachten ist die sog „Gefälligkeitsberichterstattung“. Für solche Beiträge wird gerade kein Entgelt geleistet, sondern die Veröffentlichung erfolgt bloß aus Gefälligkeit. Problematisch sind solche redaktionellen Beiträge zu sehen, die in Zusammenhang mit einer bezahlten Werbeanzeige veröffentlicht werden.17 Nach der Rsp18 liegt das erforderliche synallagmatische Verhältnis zw der Veröffentlichung und der Gegenleistung gerade nicht vor, wenn ein Unternehmer für ein Inserat oder eine Werbung bezahlt, der Medieninhaber darüber hinaus aber auch einen redaktionellen Beitrag veröffentlicht, der sich mit dem Unternehmen beschäftigt und werblichen Charakter annimmt. Nach Ansicht des OGH könne in diesen Fällen nur dann das geforderte Synallagma bejaht werden, wenn eine Gesamtleistung gekauft wird, also sowohl das Inserat als auch der redaktionelle Beitrag in seiner Gesamtheit bezahlt wird.19 Die Entscheidung zur Gefälligkeitsberichterstattung wird zu Recht in der Lit kritisiert. Die starre Anwendung des Elements der Entgeltlichkeit widerspricht dem Zweck der Regelung zur Kennzeichnungspflicht. Demnach soll es den Konsumenten ermöglicht werden, eine Beeinflussung seiner Meinungsbildung vorab zu erkennen. Nach der Entscheidung des OGH haben die handelnden Parteien die Möglichkeit, über die Kennzeichnungspflicht zu disponieren. Rechtspolitisch kann es aber nicht wünschenswert sein, wenn bloß für eine Werbeanzeige ein Entgelt vereinbart wird, nicht aber für den korrespondierenden redaktionellen Beitrag, sodass Letzterer dann von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen ist, da keine Gesamtleistung vorliegt. Um den Transparenzgedanken besser gerecht zu werden, wäre eine objektive Betrachtungsweise zielführender, die darauf abzielt, ob für die begleitende Berichterstattung zu einem Inserat idR ein Entgelt zu leisten wäre. Somit könnte bei entsprechendem werblichen Charakter des scheinbaren redaktionellen Beitrags von einer entgeltlichen Gesamtleistung ausgegangen werden, die in der Folge zu kennzeichnen ist.20 Diese Handhabe würde auch dazu beitragen, dass die derzeit – verständlicherweise – vorhandene Rechtsunsicherheit bei den Influencern aus dem Weg geräumt werden kann. Von der Kennzeichnungspflicht sind jedoch jene Veröffentlichungen ausgenommen, bei denen Zweifel über Entgeltlichkeit ausgeschlossen werden können. Die Offensichtlichkeit muss jedoch sofort und zweifelsfrei erkennbar sein. Als Maßstab für die Erkennbarkeit wird die 16 Feiler/Schmitt, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 255 (262); Raffling/Wittmann, MR 2017, 163 (165). 17 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (10). 18 OGH 26.9.2016, 4 Ob 60/16a. 19 OGH 13.6.2017, 4 Ob 98/17s. 20 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (10); Wiltschek, Unentgeltliche redaktionell gestaltete Anzeigen, ÖBl 2017/25, 88 (90). 3 10.12.2020 Patrick Thaller
Aufmerksamkeit, Erfahrung und Sachkunde des durchschnittlichen Mitglieds des angesprochenen Publikums herangezogen.21 2.2. Kennzeichnungspflicht nach § 31 AMD-G Bei Influencer-Inhalten, die aus Videos bestehen, kann auch das AMD-G einschlägig sein. Grundvoraussetzung dafür ist das Vorliegen eines audiovisuellen Mediendienstes. Dieser wird in § 2 Z 3 AMD-G definiert als eine Dienstleistung, „deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze […] ist. Darunter fallen Fernsehprogramme und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf.“ Ob und unter welchen Bedingungen Videos von Influencern überhaupt unter „Sendungen“ zu subsumieren sind, wurde in der Lit22 bisher schon ausgeführt, wobei jedoch kein allgemein gültiger Schluss gezogen werden kann. Auch aus der Rsp kann nicht eindeutig gefolgert werden, ob Influencer unter diese Bestimmung fallen. Der EuGH stellte unter der zugrunde liegenden RL über audiovisuelle Mediendienste23 fest, dass Videos, die eine Tageszeitung ergänzend zu ihrem Internetauftritt anbietet, der RL unterliegen können24, reine Werbekanäle jedoch nicht.25 In der Zukunft kann die Diskussion, ob Beiträge von Influencern unter den Begriff der „Sendung“ fallen, außen vorgelassen werden, da mittlerweile die RL über audiovisuelle Mediendienste überarbeitet wurde. Die Änderungen waren bis 19. September 2020 in nationales Recht umzusetzen.26 In Österreich liegt derzeit der Ministerialentwurf vor.27 Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auch auf das soziale Netzwerk stellt darin das zentrale Thema der Änderungsrichtlinie dar.28 Durch die neue RL wird insbesondere der Begriff des „Video-Sharing- Plattform-Dienstes“ bzw des Anbieters eingeführt.29 Die RL über audiovisuelle Mediendienste erfasst nunmehr sowohl „Sendungen“ als auch „nutzergenerierte Videos“, die über „Video- Sharing-Plattform-Dienste“ bereitgestellt werden. Darunter fallen Plattformen wie YouTube, Instagram oder Facebook, sofern „der audiovisuelle Inhalt im Rahmen der Tätigkeit des sozialen 21 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (10); Leeb/Maisch, Social-Media-Stars und -Sternchen im rechtsfreien Raum? ZUM 2019, 29 (34). 22 Vgl Raffling/Wittmann, MR 2017, 163 (166). 23 Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (RL über audiovisuelle Mediendienste), ABl L 2010/95, 1. 24 EuGH 21.10.2015, C-347/14, New Media Online GmbH/Bundeskommunikationssenat Rz 24. 25 EuGH 21.2.2018, C-132/17, Peugeot Deutschland GmbH/Deutsche Umwelthilfe e.V. Rz 32. 26 Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten, Abl 2018/303, 69. 27 ME AMD-G 2020, 52/ME 27. GP. 28 ME AMD-G 2020, 52/ME 27. GP. Erläut. 29 Art 1 Abs 1 lit b und e RL (EU) 2018/1808. 4 10.12.2020 Patrick Thaller
Netzwerks nicht bloß untergeordneter Bedeutung ist oder nur einen geringfügigen Teil der Tätigkeiten des sozialen Netzwerks darstellt“.30 Durch diese Rahmenbedingungen werden die Regelungen der audiovisuellen Mediendienste für Influencer-Beiträge enorm an Bedeutung zunehmen, denn nutzergenerierte Videos sind „eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die unabhängig von ihrer Länge einen Einzeltatbestand darstell[en] und von einem Nutzer erstellt und von diesem oder einem anderen Nutzer auf eine Video-Sharing-Plattform hochgeladen“31 werden. Schlussendlich muss eine „kommerzielle Kommunikation auf Video-Sharing-Plattformen eindeutig als solche gekennzeichnet“32 werden. Diese liegt bei bezahlten Influencer-Beiträgen vor, denn darunter fallen „Bilder mit oder ohne Ton, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbildes natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dienen […] [und] einer Sendung oder nutzergenerierten Video gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten“33 sind.34 2.3. Transparenzpflicht nach § 6 ECG Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft haben nach dem ECG bestimmte Transparenzpflichten in Hinblick auf die kommerzielle Kommunikation zu beachten. Damit die Informationspflicht greift, muss nach der Legaldefinition gemäß § 3 Z 1 ECG „ein in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz auf individuellen Abruf des Empfängers bereitgestellter Dienst [vorliegen]“. Entgeltlichkeit iSd ECG wird sehr weit verstanden, weshalb auch Eigenwerbung und Drittfinanzierung durch Werbemittel darunter zu subsumieren sind. Anbieter, die auch nur mittelbar in Erwerbsabsicht handeln, fallen somit ebenfalls unter den Tatbestand der Entgeltlichkeit.35 Nach dem ECG kommt es auf eine iwS geschäftliche bzw unternehmerische Nutzung von sozialen Netzwerken an. Die geschäftliche Nutzung kann sich in der Entgegennahme von Werbeschaltungen, Sponsoring oder anderen Vorteilen manifestieren. Unerheblich ist dabei, ob der Dienst entgeltlich oder unentgeltlich bereitgestellt wird. Unter kommerzielle Kommunikation ist jede Kommunikation zu subsumieren, die der unmittelbaren oder zumindest mittelbaren Absatzförderung von Waren und Dienstleistungen oder des Images eines Unternehmens dient.36 30 ErwGr 5 RL (EU) 2018/1808. 31 Art 1 Abs 1 lit d RL (EU) 2018/1808. 32 ErwGr 46 RL (EU) 2018/1808. 33 Art 1 Abs 1 lit f RL (EU) 2018/1808. 34 Feiler/Schmitt, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 255 (260f). 35 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (12). 36 Raffling/Wittmann, MR 2017, 163 (166); OGH 22.12.2016, 6 Ob 244/16z. 5 10.12.2020 Patrick Thaller
Bei unabhängigen Äußerungen über ein Unternehmen, insbesondere bei solchen ohne Gegenleistung, liegt hingegen keine kommerzielle Kommunikation vor. Unter die Ausnahmebestimmung des § 3 Z 6 lit b ECG fallen aber ferner nur deskriptive Äußerungen oder sachliche Tests. Setzt sich ein Influencer intensiver und über längere Zeit mit Produkten auseinander, bewirkt dies – Stichwort Gefälligkeitsberichterstattung – zumindest eine mittelbare Absatzförderung. Auch die Voraussetzung des individuellen Abrufs ist gegeben. Der Inhaber eines Kanals befüllt diesen in zeitlichen Abständen mit Inhalten und belässt diese für unbestimmte Zeit auf seinem Kanal. Für die Nutzer bzw Follower ergibt sich so die Möglichkeit, nach deren Wünschen den entsprechenden Beitrag auszuwählen und – individuell – zu konsumieren. Gemäß § 6 Abs 1 ECG trifft den Dienstanbieter die Pflicht, „dass eine kommerzielle Kommunikation, die Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft ist oder einen solchen Dienst darstellt, klar und eindeutig als solche erkennbar ist.“ Außerdem ist der Dienstanbieter dazu verpflichtet, „die natürliche oder juristische Person, die die kommerzielle Kommunikation in Auftrag gegeben hat,“ erkennbar zu machen.37 § 6 ECG entspricht im Wesentlichen den verwandten Bestimmungen in § 26 MedienG und § 31 AMD-G. Als Besonderheit fordert § 6 ECG nicht nur eine Kennzeichnung, die klar und eindeutig den kommerziellen Charakter zu erkennen gibt, sondern auch die genaue Offenlegung des Auftraggebers.38 3. Lauterkeitsrechtliche Bestimmungen 3.1. Handeln im geschäftlichen Verkehr Neben den spezialgesetzlichen Kennzeichnungspflichten spielt das UWG in der Influencer Problematik die durchaus wichtigere Rolle. Zunächst ist dafür ein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Grundvoraussetzung. Nach stRsp des OGH zählt dazu „jede selbstständige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit, […] ohne daß Gewinnabsicht notwendig wäre. Vielmehr genügt eine selbständige, zu wirtschaftlichen Zwecken ausgeübte Tätigkeit, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt.“39 Im Influencer Marketing kann zum einen der Unternehmer, der selbst wirbt oder einen Dritten damit beauftragt, oder aber auch der beauftragte Influencer potentieller Adressat der Regelungen nach dem UWG sein. Es reicht aus, dass der Influencer eine Handlung setzt, die objektiv geeignet ist, fremden Wettbewerb zu fördern. 37 Raffling/ Wittmann, MR 2017, 163 (167). 38 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (12). 39 OGH 16.4.1996, 4 Ob 2007/96t. 6 10.12.2020 Patrick Thaller
Selbstverständlich unterliegt der Influencer auch dem UWG, wenn er selbst als Unternehmer auftritt, um sein eigenes wirtschaftliches Fortkommen zu fördern.40 In den Fällen, in denen dem Influencer ein Entgelt oder ein sonstiger Vorteil, wie etwa Produktzusendungen gewährt werden, kann ohne Weiteres von einer Handlung im geschäftlichen Verkehr ausgegangen werden. Bei Werbeeinschaltungen ohne Gegenleistung ergeben sich aktuell große Probleme, die zu einer Rechtsunsicherheit führen. Speziell das verfassungsrechtlich verankerte Grundrecht der Meinungsfreiheit steht im Spannungsverhältnis zu den Bestimmungen des UWG.41 3.2. Kennzeichnungstatbestände 3.2.1. Unlauter durch Rechtsbruch - § 1 UWG Nach dem lauterkeitsrechtlichen Offenkundigkeitsprinzip und dem damit eng verbundenen Wahrheitsgrundsatz ist es wettbewerbswidrig, eine Werbemaßnahme so darzustellen, dass sie dem Umworbenen nicht erkennbar wird.42 Kommt ein Influencer insbesondere den Informationspflichten aus § 26 MedienG, § 31 AMD-G sowie § 6 ECG nicht nach, liegt ein Vorsprung durch Rechtsbruch als unlautere Geschäftspraktik vor. Wird ein Influencer-Beitrag nicht als Werbung gekennzeichnet, wird der angesprochene Verkehrskreis den Beitrag als objektive Information auffassen. Demnach kann es zu einer Nachfrageverlagerung kommen, die der unterlassenen Kennzeichnung geschuldet ist. Konsumenten setzen sich gerade wegen der fehlenden Kennzeichnung näher mit dem Beitrag auseinander und jene Mitbewerber, die sich gesetzeskonform verhalten, erleiden dadurch einen Nachteil.43 3.2.2. Verstoß gegen Z 11 der „Schwarzen Liste“ Wenn das UWG zur Anwendung kommt, sind inhaltlich gleich mehrere Tatbestände relevant. Der OGH judizierte, dass § 26 MedienG und Z 11 des Anhangs zum UWG im Wesentlichen dieselben Ge- und Verbote enthalten.44 Nach Z 11 der sog „Schwarzen Liste“ bzw Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten, ist es jedenfalls unlauter, wenn redaktionelle Inhalte zur Verkaufsförderung eingesetzt werden, der Unternehmer diese Maßnahmen bezahlt hat und dies nicht aus dem Inhalt oder aus für Konsumenten klar erkennbaren äußeren Umständen eindeutig hervorgeht.45 Grundvoraussetzung ist somit das Vorliegen eines redaktionellen Inhalts, 40 Heidinger/Handig/Wiebe/Frauenberger/Burgstaller in Wiebe/Kodek, UWG² § 1 Rz 101; Willems, Influencer als Unternehmer, MMR 2018, 707. 41 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (12). 42 OGH 29.9.1992, 4 Ob 60/92, ÖBl 1992, 205. 43 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (15) 44 OGH 14.7.2009, 4 Ob 62/09k. 45 Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG² Anhang zu § 2 Rz 113ff. 7 10.12.2020 Patrick Thaller
der dann gegeben ist, wenn eine objektiv neutrale Berichterstattung vorliegt und durch das Medienunternehmen selbst erscheint.46 Hierbei muss in Bezug auf Influencer Marketing nach der Art der Werbung bzw nach dem verwendeten Medium unterschieden werden. Kanäle wie YouTube oder Blogs werden gewöhnlicherweise einen solchen Inhalt aufweisen, da sich diese Plattformen gerade durch regelmäßige, oft thematisch gegliederte Beiträge auszeichnen.47 Nicht ganz einheitlich wird in der Lit jedoch die Frage beantwortet, ob bei bloßen „Posts“ auf Facebook oder Instagram ein redaktioneller Inhalt vorliegt. Zwar mag nach dem herkömmlichen Verständnis die Voraussetzung einer Redaktion sein, die Informationen in einer zur Veröffentlichung geeigneten Form aufzubereiten, doch ist diese strenge Anwendung verfehlt, da hier von einem traditionellen Printmedium ausgegangen wird. Influencer setzen sich sehr akribisch mit ihren Beiträgen auseinander und selektieren ihre Beiträge abgestimmt auf das entsprechende Zielpublikum. Hier sollte auch wieder der Zweck der Regelung in den Vordergrund gerufen werden. Geht ein durchschnittlich informierter Verbraucher von redaktionell aufbereiteten Berichten aus, sollte die in Frage stehende Regelung greifen. Für den Konsumenten macht es idR keinen Unterschied, ob die Beiträge von einer Redaktion oder einem Einzelnen stammen. Jedoch muss zumindest ein Mindestmaß an redaktionell aufbereiteten Informationen gegeben sein, um zur Meinungsbildung beitragen zu können. Die Präsentation nur einzelner Fotos von Produkten eines Unternehmens wird für die Anwendung der Z 11 der „Schwarzen Liste“ wohl nicht ausreichen.48 Schlussendlich muss auch das Element der Entgeltlichkeit erfüllt sein. Auch hier ist jedweder Vorteil vom Entgeltbegriff umfasst und setzt nicht eine Bezahlung in Geld voraus.49 3.2.3. Irreführung durch unterlassene Aufklärung - § 2 Abs 4 UWG Als lex generalis erfasst § 2 Abs 4 UWG sämtliche Äußerungen im Internet bzw in sozialen Netzwerken, wie „Posts“ auf Facebook oder Instagram. Angefangen von den ohnehin in Z 11 erfassten Beiträgen, aber darüber hinaus auch all jene Veröffentlichungen, die keinen redaktionellen Inhalt besitzen, oder bei denen sich das Bezahlerfordernis nicht nachweisen lässt. Als Ausnahmetatbestand greift auch hier die unmittelbare Erkennbarkeit des werblichen Zwecks aus den Umständen. Liegt diese vor, kann von der Kennzeichnung abgesehen werden. Unter § 2 Abs 4 UWG können auch solche Influencer-Beiträge subsumiert werden, die in ihrem objektiven Erscheinungsbild werbliche Ausmaße annehmen. Die bereits erwähnte Entscheidung des OGH50 deutet zwar in eine andere Richtung und der OGH geht davon aus, dass für Beiträge mit 46 Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG37 Anhang zu § 3 III Rz 11.2; BGH 6.2.2014, I ZR 2/11 Rz 24, GOOD NEWS II. 47 Lehmann, Lauterkeitsrechtliche Risiken beim Influencer Marketing, WRP 2017, 772 (773). 48 Gerecke, Kennzeichnung von werblichen Beiträgen in Online-Marketing, GRUR 2018, 153 (156). 49 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (14). 50 OGH 26.9.2016, 4 Ob 60/16a. 8 10.12.2020 Patrick Thaller
werblichem Überschuss keine Kennzeichnungspflicht bestehe. Wie oben aber bereits erörtert, kann dies nicht dem Transparenzgedanken und somit dem Zweck der Regelung entsprechen, wenn die handelnden Parteien über die Kennzeichnung disponieren können. Die Verbraucher sollen nicht zu einer geschäftlichen Handlung verleitet werden und somit bedarf es einer objektiven Beurteilung des kommerziellen Zwecks.51 Demzufolge ist, wie vom BGH judiziert, eine Kennzeichnungspflicht auch für Gefälligkeitsberichterstattung anzunehmen, sofern redaktionelle mit werblichen Inhalten vermischt werden und dies für den Verbraucher nicht auf den ersten Blick erkennbar ist.52 § 2 Abs 4 UWG knüpft die Unlauterkeit außerdem an eine Täuschungseignung und Relevanz. In der Regel dürfte diese Voraussetzung keine Hürde darstellen, zumal den Influencer-Beiträgen durch die Verschleierung der Werbung mehr Glaubwürdigkeit geschenkt wird als offengelegten Werbebeiträgen und es gerade deswegen zu unüberlegten Entscheidungen der Marktteilnehmer kommen kann.53 4. Die Kennzeichnung von Influencer-Beiträgen 4.1. Bisherige Rechtsprechung in Österreich In Österreich haben sich die Höchstgerichte noch nicht mit einem klassischen Fall aus dem Influencer Marketing hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht befassen müssen. In diesem Zusammenhang sind jedoch insbesondere zwei Entscheidungen erwähnenswert, die sich auf § 26 MedienG bezogen haben. Zum einen betrifft es die bereits erwähnte Entscheidung zur „Gefälligkeitsberichterstattung“.54 Hier ging es um eine Gratiszeitung, in der neben Werbeanzeigen von lokal ansässigen Unternehmen unentgeltliche redaktionelle Beiträge über diese Unternehmen veröffentlich wurden. Zum anderen musste der OGH sich mit einem Beitrag unter dem Titel „Wie steuert man Autos“ auseinandersetzen, der eine Werbung des Finanzministeriums für den Kauf sparsamer Autos darstellte.55 Im erstgenannten Fall führte der OGH aus, dass „der durchschnittlich aufmerksame und kritische Leser heute davon ausgeht, dass auch redaktionelle Beiträge in periodischen Medien nicht 'neutral' sind und keine absolute Objektivität in Anspruch nehmen können, weil sie von - zumeist auch namentlich genannten - Journalisten stammen, die ihre persönliche Meinung zum Ausdruck bringen“. Erschließen sich für den durchschnittlichen Leser an der Eigenschaft der Publizierung als redaktionelle Inhalte keine Bedenken, bedarf es nach Ansicht des OGH auch bei vorliegender Unentgeltlichkeit dieser Beiträge ebenso keiner Kennzeichnung, wenn der Beitrag aus Gefälligkeit 51 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (14). 52 BGH 31.10.2012, I ZR 205/11 Rz 24, Preisrätselgewinnauslobung V. 53 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (14). 54 OGH 26.9.2016, 4 Ob 60/16a. 55 Korn, OGH 8.6.1993, 4 Ob 57/93, MR 1993, 153. 9 10.12.2020 Patrick Thaller
eine Berichterstattung kommerziellen Charakters mit werblichem Überschuss enthält. Legt man diese Entscheidung auf unentgeltliche Influencer-Beiträge um, wäre ein Verzicht auf die Kennzeichnung die Folge.56 Zu beachten ist jedoch, dass es hier um eine Printausgabe einer Zeitung ging und sohin ist fraglich, ob der OGH bei einem Influencer Sachverhalt auch auf eine subjektive Erkennbarkeit abstellt. Wie bereits erörtert, wäre eine objektive Betrachtungsweise zielführender und würde auch dem Transparenzgedanken mehr entsprechen. Im zweitgenannten Fall sprach sich der OGH ebenfalls gegen eine Kennzeichnungspflicht aus. Demnach soll nicht die Einschätzung ex ante, sondern ex post sein, sodass auch ein Inhalt, der zunächst redaktionell wirkt, dessen Werbecharakter nach dem Lesen offensichtlich deutlich wird, nicht gekennzeichnet werden muss. Der Werbecharakter muss jedoch so deutlich erkennbar sein, dass keine Täuschungseignung zu befürchten ist. Der Maßstab ist dafür sehr streng anzulegen.57 Somit kann auch diese Entscheidung des OGH nicht so im Raum stehen gelassen werden, sondern bedarf einer näheren Betrachtung. Das OLG Wien vertrat in diesem Fall nämlich die gegenteilige Auffassung, wodurch es nicht ausreiche, „wenn das Publikum erst nach dem Lesen des gesamten Textes einer Veröffentlichung deren Charakter als Werbung zweifelsfrei erkennt“.58 An dieser Stelle wird ein Blick nach Deutschland geworfen. Eine sehr ähnliche Rechtsnorm ist etwa § 10 des Landespressegesetzes von Baden-Württemberg59. Demnach muss der Werbecharakter einer Veröffentlichung alsbald für den Leser erkennbar sein. Sohin auf den ersten Blick, weshalb auch das Gesetz auf die äußere Anordnung und Gestaltung einer Veröffentlichung abstellt und nicht auf den Inhalt. Wäre der Inhalt auch mitzuberücksichtigen, wäre der Adressat gezwungen, sich erst einmal näher damit zu befassen, womit die unlautere Absicht, die mit der Tarnung der Anzeige verfolgt wurde, bereits ihr Ziel erreicht hätte. Für einen werbetreibenden wird es keine Schwierigkeiten bereiten, dass der Schwerpunkt der Werbung am Anfang platziert wird und so den an der Werbung nicht interessierten Leser durch die Tarnung doch zu erreichen. Es sei bereits zu spät, wenn der Leser – in Verkennung des Werbecharakters der getarnten Veröffentlichung – zu lesen beginne. Umgelegt auf den österreichischen Fall hätte es einer Kennzeichnung bedurft, da der Inhalt einer Anzeige für die Kennzeichnungspflicht keinen wie auch immer gearteten Einfluss hat.60 56 Neuhauser, Wenn Influencer Post vom Anwalt erhalten, Der Standard 2019/41/02. 57 Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG² Anhang zu § 2 Rz 130. 58 OLG Wien 19.3.1993, 4 R 18/93. 59 Gesetz über die Presse (Landespressegestz) vom 14.1.1964, GBl. 1964, 11 idF GBl. 2018, S. 129. 60 Korn, OGH 8.6.1993, 4 Ob 57/93, MR 1993, 153. 10 10.12.2020 Patrick Thaller
4.2. Rechtsprechung aus Deutschland zur Kennzeichnungspflicht von Influencer Inhalten In Deutschland sind in jüngster Zeit einige – durchaus strenge – Entscheidungen zu der Frage ergangen, ob und wie Beiträge von Influencern gekennzeichnet werden müssen. Die Entscheidungen sind grob in zwei Fallgruppen zu untergliedern. Bei den ersten Entscheidungen stand außer Streit, dass die Influencer eine Gegenleistung erhalten haben. Die Gerichte hatten sich hauptsächlich nur mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der kommerzielle Charakter der Beiträge ausreichend gekennzeichnet war. In der Folge mussten sich die Gerichte aber mit Sachverhalten auseinandersetzen, bei denen die Influencer gerade keine Gegenleistung von den Unternehmen erhalten haben. Sohin war in diesen Entscheidungen die Kernfrage, ob unbezahlte Influencer-Beiträge auch unter die Kennzeichnungspflicht fallen können. 4.2.1. Kennzeichnung in der „Hashtagwolke“ Als eines der ersten Gerichte in Deutschland hatte sich das OLG Celle61 mit einem Verfahren zur Influencer Werbung zu befassen. In einem Instagram-Beitrag wurde für eine Sonderaktion für Make-Up bei der Drogeriekette Rossmann geworben. Mit dem Begriff „#ad“ an zweiter Stelle einer sog Hashtagwolke wurde der Beitrag gekennzeichnet. Die Hashtagwolke bestand insgesamt aus sechs Hashtags. Das OLG Celle kam entgegen der Vorinstanz62 zu der Entscheidung, dass dadurch ein lauterkeitsrechtlicher Verstoß vorlag. Zunächst bejahte das OLG, dass der Beitrag eine geschäftliche Handlung darstellte, da dadurch der Absatz von Kosmetika gefördert werden sollte und der Influencer eine Vergütung erhalten habe.63 Weiters habe der Influencer den kommerziellen Zweck nicht hinreichend gekennzeichnet. Bemängelt wurde die Positionierung der Kennzeichnung. Demnach reiche das Hashtag „#ad“ jedenfalls dann nicht zur Kennzeichnung des kommerziellen Charakters aus, wenn er sich am Schluss des Posts und dort an zweiter Position von insgesamt sechs Hashtags befinde. Es könne nicht damit gerechnet werden, dass ein durchschnittlicher Leser der Zielgruppe das Hashtag an dieser Stelle auffassen werde. Nur diejenigen Leser, die vorhaben den Links zu folgen, werden auf das Hashtag aufmerksam werden. Dies treffe aber nicht auf eine signifikante Zahl von Lesern zu.64 Das OLG hielt zudem fest, dass die farbliche Absetzung des Hashtags vom sonstigen Text für die Beurteilung irrelevant sei, denn diese erleichtere dem Leser, gerade am Schluss des relevanten Inhalts das Lesen des Beitrags zu beenden. Schlussendlich erteilte das OLG dem Vorbringen, wonach eine Kennzeichnungspflicht aufgrund der offenkundigen Umstände entbehrlich sei, eine 61 OLG Celle 8.6.2017, 13 U 53/17, ZNER 2017, 492. 62 LG Hamburg 8.3.2017, 23 O 5/17, openJur 2020, 8946. 63 OLG Celle 8.6.2017, 13 U 53/17 Rz 7, ZNER 2017, 492. 64 OLG Celle 8.6.2017, 13 U 53/17 Rz 11 f, ZNER 2017, 492. 11 10.12.2020 Patrick Thaller
klare Absage. Der kommerzielle Zweck ergäbe sich nicht aus den konkreten Umständen, insbesondere nicht aufgrund der professionellen Qualität der Fotos, denn der Influencer habe weitere Fotos gleicher Qualität gepostet, die nicht wie Schnappschüsse wirkten.65 Im Ergebnis ist dieser Entscheidung zuzustimmen. Vorrangig hatte sich das Gericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Kennzeichnung „#ad“ an der besagten Stelle ausreichend ist oder nicht. Dem Transparenzgedanken, wonach auf den ersten Blick der kommerzielle Zweck ersichtlich sein muss, ist damit nicht genüge getan. Das Gericht hätte wohl in gleicher Weise geurteilt, wenn das Hashtag „#ad“ an erster Stelle oder gar allein unter dem Beitrag gestanden wäre. Ob die Kennzeichnung „#ad“ grundsätzlich adäquat ist, hat des Gericht nicht beurteilt.66 Dem wird aber wohl ablehnend gegenüberzustehen sein, da der Maßstab für die Erkennbarkeit des Werbecharakters sehr streng anzulegen ist. Fraglich ist demnach, ob ein Durchschnittsnutzer von Instagram die Abkürzung „ad“ für „Werbung“, als englische Abkürzung von „advertisement“ versteht. Aufgrund der Kürze des Hashtags sind Influencer jedenfalls gut beraten, wenn diese Kennzeichnung nicht verwendet wird. Dem Gericht ist in der Begründung, dass Leser die Hashtags unter den Beiträgen kaum wahrnehmen, nicht zuzustimmen. Je nach Länge des Beitrags liest ein durchschnittlich aufmerksamer Nutzer durchaus die Hashtags, im Übrigen gerade aufgrund der farblichen Absetzung.67 4.2.2. Kennzeichnung mit „#ad“ und „#sponsoredby“ In einem sehr ähnlich gelagerten Fall veröffentlichte eine Bloggerin 15-mal Fotos mit diversen Kosmetik- und Modeartikeln. Das KG Berlin68 ging insbesondere deshalb von einem kommerziellen Zweck aus, da es der Ansicht war, dass die Bloggerin mit der Präsentation der Produkte deren Absatz fördern wollte. Das Gericht ging auch davon aus, dass die Bloggerin iSd Entgeltlichkeit irgendwie geartete Vorteile (Rabatte, kostenlose Proben, …) aufgrund der Beiträge erhalten habe.69 Im Kern der Entscheidung ging es um zwei Beiträge, die mit dem Hashtag „ad“ bzw „#sponsoredby“ gekennzeichnet waren. Das Gericht verwies im erstgenannten Fall auf die zuvor erörterte Entscheidung des OLG Celle. Hinsichtlich der zweitgenannten Kennzeichnung verwies das Gericht auf eine Entscheidung des BGH.70 Dabei genügte der Hinweis „sponsored by“ in 65 OLG Celle 8.6.2017, 13 U 53/17 Rz 14 ff, ZNER 2017, 492; Schonhofer/Detmering, #AD #SPONSOREDBY #SCHLEICHWERBUNG – Die rechtlichen Voraussetzungen des Influencer-Marketings und ihre Umsetzung in der Praxis, WRP 2018, 1171 (1173). 66 OLG Celle 8.6.2017, 13 U 53/17 Rz 10, ZNER 2017, 492. 67 Gerecke, GRUR 2018, 153 (159). 68 KG Berlin 11.10.2017, 5 W 221/17, openJur 2018, 8988. 69 KG Berlin 11.10.2017, 5 W 221/17 Rz 33, openJur 2018, 8988. 70 BGH 6.2.2014, I ZR 2/11, GOOD NEWS II. 12 10.12.2020 Patrick Thaller
Printmedien nicht, um den Anzeigecharakter kenntlich zu machen. Das KG münzte diese Entscheidung auf den Influencer Sachverhalt um und folgte der Entscheidung.71 In diesem Zusammenhang ist auch das Urteil des LG München72 zu analysieren. Aufbauend auf der genannten BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2014 entschied auch das LG, dass die Kennzeichnung mit „sponsored“ oder „sponsored by“ nicht als ausreichende Kenntlichmachung gewertet werden könnten. Nach Ansicht des Gerichts bringe diese Kennzeichnung dem durchschnittlich aufmerksamen Konsumenten nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass es sich nicht mehr um einen redaktionellen Beitrag, sondern um eine Werbung handle. Bemängelt wurde unter anderem, dass der Hinweis nicht in deutscher Sprache verfasst war, sodass diejenigen Leser, die der englischen Sprache nicht mächtig sind, ihn nicht verstehen könnten. Unter dieser Prämisse werden die Zweifel an der Kennzeichnung „#ad“ nochmal bestärkt. Die Abkürzung des englischen Wortes „advertisement“ für Werbung wird bei einem durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher nicht für eine hinreichende Aufklärung sorgen. Ganz so eindeutig ist das bei der Kennzeichnung „#sponserdby“ jedoch nicht. Auch wenn man der englischen Sprache nicht mächtig ist, klingt „sponserd“ oder „sponserd by“ phonetisch sehr ähnlich dem deutschen Wort „sponsern“. Der maßgebliche Verkehrskreis, der Facebook, Instagram etc nutzt, wird „#sponsoredby“ als Hinweis auf einen finanziell unterstützten Beitrag und damit als Werbung verstehen.73 4.2.3. Geeignete Kennzeichnung für Influencer Inhalte Kommt man zu dem Entschluss, dass eine Anzeige zu kennzeichnen ist, muss man sich im zweiten Schritt die Frage nach der Art der Kennzeichnung stellen. Grundsätzlich muss eine Kennzeichnung sofort und ohne jeden Zweifel ersichtlich sein. Ob in der Folge eine Kennzeichnung als ausreichend zu bewerten ist, muss im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles bewertet werden, die in einer Wechselwirkung stehen. Abzustellen ist hierbei auf einen durchschnittlich aufmerksamen Nutzer des sozialen Netzwerks. Zu würdigen sind insbesondere der Wortlaut, der Standort und eine etwaige Hervorhebung der Kennzeichnung.74 4.2.3.1. Wortlaut der Kennzeichnung Für den Wortlaut der Kennzeichnung empfiehlt es sich, sich auf den Wortlaut des § 26 MedienG zu stützen. Demnach findet man dort als zu benützende Bezeichnungen die demonstrative 71 KG Berlin 11.10.2017, 5 W 221/17 Rz 41, openJur 2018, 8988. 72 LG München 31.7.2015, 4 HK O 21172/14, Bayern.Recht. 73 Gerecke, GRUR 2018, 153 (158); Troge/Wessing, Herausforderung: Influencer-Marketing, GRUR-Prax 2018, 87 (88); Raab, KG: Kennzeichnungspflicht bei Influencer-Marketing auf Instagram, MMR-Aktuell 2018, 401819. 74 Schonhofen/Detmering, WRP 2018 1171 (1175). 13 10.12.2020 Patrick Thaller
Aufzählung der Begriffe „Anzeige“, „entgeltliche Einschaltung“ oder „Werbung“. Man wird davon ausgehen können, dass die vom Gesetzgeber gewählten Ausdrücke für eine Kennzeichnung im Social-Media-Bereich ausreichend sind. Andere Bezeichnungen sind insofern zulässig, als sie für den angesprochenen Verkehrskreis denselben Erklärungswert aufweisen und dadurch die Zweifel über die Entgeltlichkeit der Veröffentlichung beseitigt werden.75 Als eine Alternative wird sich die Kennzeichnung „Bezahlte Kooperation“ oder „Bezahlter Inhalt“ anbieten, weil hier unmissverständlich darauf hingewiesen wird, dass der Influencer für den Inhalt ein Entgelt erhalten hat.76 Im Gegensatz dazu sollten gerade in Hinblick auf die deutsche Rsp die Kennzeichnungen „ad“ oder „sponsoredby“ vermieden werden. An dieser Stelle sei jedoch nochmal die ablehnende Haltung gegenüber der Entscheidung des KG Berlin77 festgehalten, worin der Begriff „sponsoredby“ als ungenügende Bezeichnung erachtet wurde. Zum einen stehen englischsprachige Begriffe nicht per se einer transparenten Kennzeichnung entgegen und zum anderen müssen bei Beiträgen von Influencern in sozialen Netzwerken die Besonderheiten des Internets berücksichtigt werden. Auf Plattformen wie Facebook oder Instagram ist es üblich, dass englische Bezeichnungen verwendet werden, wie unter anderem „Like“ oder „Share“. Es würde gerade dem modernen und globalen Verkehrsverständnis nicht entsprechen, wenn nur deutschsprachige Begriffe zugelassen werden würden. Der Influencer sollte jedoch zur Kennzeichnung dieselbe Sprache verwenden, in dem der Beitrag gehalten ist. Präsentiert der Influencer seinen Inhalt in englischer Sprache, sollten auch entsprechende Übersetzungen wie „funded cooperation“, „paid content“ oder „advertisement“ verwendet werden.78 Die Rechtsunsicherheit in der Welt der Influencer wird mit immer häufiger werdenden Überkennzeichnungen wie „unbezahlte Werbung“ weiter zum Ausdruck gebracht. Wenn die Kennzeichnung darauf abzielt, dass kein Geld ieS geflossen ist, sondern lediglich Produktzusendungen oder Einladungen erfolgten, verkennt diese Kennzeichnung den Entgeltcharakter. Ausreichend ist jedweder vermögenswerter Vorteil, der auch in einer Ersparnis liegen kann, die sich durch die Überlassung von Produkten verwirklicht. Sollte für den Influencer- Beitrag hingegen tatsächlich kein Vorteil in der Sphäre des Werbenden eingetreten sein und handelt er mit der gebotenen redaktionellen Qualität, ist auch eine Kennzeichnung als „unbezahlte Werbung“ überflüssig, da in dieser Konstellation gerade kein zu kennzeichnender Beitrag vorliegt. Durch diese Kennzeichnung wird erst recht der Irreführungstatbestand erfüllt, da dem Nutzer von 75 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (15). 76 Feiler/Schmitt, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 255 (268). 77 KG Berlin 11.10.2017, 5 W 221/17, openJur 2018, 8988. 78 Schonhofen/Detmering, WRP 2018 1171 (1175); Feiler/Schmitt, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 255 (268); Lichtnecker, Neues aus dem Social Media-Marketing, MMR 2018, 515 (516); Mach, Influencer-Marketing: „Raus aus der Grauzone – hinein in die rechtliche Problemzone“, WRP 2018, 1166 (1170); Henning-Bodewig, Influencer- Marketing – der „Wilde Westen des Werbens“? WRP 2017, 1415 (1419); Ahrens, Influencer Marketing – Regulierungsrahmen und Konsequenzen seiner Anwendung (Teil 1), GRUR 2018, 1211 (1213). 14 10.12.2020 Patrick Thaller
sozialen Netzwerken nicht klar zu erkennen gegeben wird, ob der Beitrag im Auftrag eines Unternehmens geschalten wird oder bloß eine Meinungsäußerung des Influencers darstellt.79 4.2.3.2. Standort der Kennzeichnung Neben dem Wortlaut ist auch der Standort der Kennzeichnung von Bedeutung. Es ist nicht ausreichend, wenn sich der kommerzielle Zweck des Influencer-Beitrags erst aus näherer Betrachtung ergibt. Eine Kennzeichnung ist jedenfalls ausreichend, wenn diese am Anfang des Textes platziert wird. Zum Teil wird vertreten, dass die Kennzeichnung auch ausreichend ist, wenn ein hinreichend klarer Begriff wie „Werbung“ selbst an letzter Stelle einer Hashtagwolke gesetzt wird. Angesichts der strengen Handhabe in der deutschen Rsp wird diese Auslegung aber wohl zu weitgehend sein. Werden viele Hashtags gesetzt, nimmt die Aufmerksamkeit der Nutzer vom ersten bis zum letzten Hashtag immer mehr ab. Will man den kommerziellen Charakter als Hashtag kennzeichnen, sollte der Begriff am Anfang einer Hashtagwolke platziert werden.80 4.2.3.3. Hervorhebung der Kennzeichnung Die Ansicht des OLG Celle,81 wonach die unterschiedliche Farbgebung von Text und Hashtags nicht dazu führt, dass die Kennzeichnung in Hashtalkwolken wahrgenommen wird, ist abzulehnen. Eine optische Hervorhebung durch farbliche oder drucktechnische Gestaltung deutet ebenfalls auf eine ausreichende Kennzeichnung hin, denn dadurch wird die Kennzeichnung leichter von den Nutzern wahrgenommen.82 4.2.4. Verlinkung selbstgekaufter Produkte Eine sehr harte Entscheidung traf das LG Berlin83 im Fall gegen die Influencerin Vreni Frost. Die Influencerin hat auf Instagram etwa 50.000 Abonnenten und postete Fotos zu Produkten inklusive der Verlinkung der jeweiligen Unternehmen. Eine Kennzeichnung für den kommerziellen Charakter unterblieb, denn die Influencerin behauptete, dass sie für die Beiträge keine Vergütung oder sonstigen geldwerten Vorteile erhalten habe. Die Verlinkung sei nur erfolgt, um ein häufiges Fragen nach der Herkunft der Produkte zu vermeiden.84 Das Gericht sah darin jedoch eine geschäftliche Handlung und nahm zunächst ein Verhalten zur Wettbewerbsförderung fremder Unternehmen an. Nachdem die Influencerin die Produkte im Zusammenhang mit ihrer Person präsentierte, erwecke sie für diese Produkte großes Interesse bei ihren Followern. Durch die Verlinkung auf die Instagram Accounts der jeweiligen Unternehmen 79 Kubat, ÖBl 2020/3, 8 (15); Jaworski/Kraetzing, Influencer-Marketing: nicht nur lauterkeitsrechtlich eine Herausforderung, GRUR-Prax, 302 (304). 80 Schonhofen/Detmering, WRP 2018 1171 (1176). 81 OLG Celle 8.6.2017, 13 U 53/17, ZNER 2017, 492. 82 Schonhofen/Detmering, WRP 2018 1171 (1176). 83 LG Berlin 24.5.2018, 52 O 101/18, openJur 2018,14. 84 LG Berlin 24.5.2018, 52 O 101/18 Rz 21, openJur 2018,14. 15 10.12.2020 Patrick Thaller
fördere sie deren Produktabsatz.85 Für irrelevant hielt es das Gericht, dass die Produkte auf eigene Kosten der Influencerin erworben wurden. Die Präsentation der Produkte mit den Links der Unternehmen diene objektiv der Absatzförderung und damit kommerziellen Zwecken. Die Unternehmen könnten sich dem interessierten Publikum präsentieren und Waren im Online-Shop anbieten. Die Influencerin verfolge das Ziel, die geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher in Bezug auf die beworbenen Produkte zu beeinflussen. Die Verlinkung auf die Unternehmensseiten spreche dagegen, dass dadurch nur ein Nachfragen über die Herkunft der Produkte vermieden werden solle. Eine Verlinkung – insbesondere auf den gesamten Shop – wäre nicht erforderlich gewesen.86 Für das Gericht war die nicht unerhebliche Anzahl an Abonnenten auch ausschlaggebend. Demnach soll ein privates Handeln schon deshalb nicht möglich sein. Die Darstellung von Produkten durch einen nicht unbedeutenden Influencer sei demnach tauglich, die Aufmerksamkeit von Unternehmen zu bekommen und darauf basierend wirtschaftliche Geschäftsbeziehungen aufzubauen, aus der sich dann wiederum wirtschaftliche Vorteile für die Influencer ergeben könnten. Aufgrund der Anzahl an Abonnenten und der bereits vorhandenen Bekanntheit könne sich die Influencerin nicht durch private Motive gegen eine Kennzeichnungspflicht wehren, denn sie handle zugunsten ihres eigenen Unternehmens. Die versuchte private Motivation könne nicht präzise von einer gewerblichen Motivation abgegrenzt werden.87 Diese Entscheidung hatte zu einer großen Verunsicherung geführt, denn demnach müsste praktisch jeder Beitrag gekennzeichnet werden und widerspricht auch dem Leitfaden der Landesmedienanstalten zur Werbekennzeichnung bei Social-Media-Angeboten.88 Das KG Berlin89 hatte sich mit dem Urteil in weiterer Folge auseinanderzusetzen und schränkte das überaus harte Urteil etwas ein. Zunächst bejahte auch das KG eine geschäftliche Handlung der Influencerin. Denn eine solche liege bei jedem Verhalten einer Person für das eigene oder ein fremdes Unternehmen vor, wenn damit die Förderung des Absatzes objektiv zusammenhängt. Influencer handeln zum einen zur Förderung ihres Unternehmens, indem sie durch eine Aufwertung ihres Images und einer Erhöhung ihrer Zahl an Abonnenten ihren Marktwert steigern. Zum anderen liege aber auch darin eine geschäftliche Handlung, dass Influencer durch Verlinkungen objektiv und unmittelbar auch ein fremdes Unternehmen fördern.90 85 LG Berlin 24.5.2018, 52 O 101/18 Rz 29, openJur 2018,14. 86 LG Berlin 24.5.2018, 52 O 101/18 Rz 31, openJur 2018,14. 87 LG Berlin 24.5.2018, 52 O 101/18 Rz 34, openJur 2018,14; Schonhofen/Detmering, WRP 1171 (1173ff); Mallick/Weller, „Authentisch, glaubwürdig, aber nicht privat“ – Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Influencer Marketing, WRP 2018, 1289. 88 Kreißig, Leitfaden der Medienanstalten – Werbekennzeichnung bei Social-Media-Angeboten, https://www.die- medienanstalten.de/service/downloads (Stand 14.11.2020). 89 KG Berlin 8.1.2018, 5 U 83/18, GRUR 2019, 543. 90 KG Berlin 8.1.2018, 5 U 83/18 Rz 21 ff, GRUR 2019, 543. 16 10.12.2020 Patrick Thaller
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