Klappe.film.II - Kulturchannel

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Klappe.film.II - Kulturchannel
Nr. 65 · März 06 · e 2,91

                                                                                                                      E
                                                                                                  DIE BRUCKE
                                                                                            kärnten•kunst•kultur

                                                                                      U R
                                                                              K U L T
02Z032603M · Verlagspostamt 9020 Klagenfurt · Erscheinungsort Klagenfurt

                                                                           klappe.film.II       die bruecke zu     alle kulturtermine
                                                                                                                   im märz 06
                                                                                                film.kino.kultur   www.bruecke.ktn.gv.at
P. b. b. GZ
Klappe.film.II - Kulturchannel
L
Maria Lassnig
      Körperbilder
                                                                      Li eb e Le se ri n, li eb
                                                                                                er Le se r
                                                                          Denk’ ich an Deutschland in der Nacht/Dann

                                                                      A
                                                                          bin ich um den Schlaf gebracht, hatte
                                                                          Heinrich Heine (heuer 150. Todestag)
      body awareness painting                                             gedichtet. Nun, wenn wir an den Öster-
                                                                          reichischen (und auch deutschen) Film
16. Februar bis 28. Mai 2006

                                                                      I
                                                                          denken, dann ging es uns lange ähnlich.
                                                                          Doch die Zeiten haben sich geändert und
                                                                          heute wird uns höchstens der Schlaf
                                                                          geraubt, weil die Kultur- oder Film-

                                                                      R
                                                                          sendungen so spät ausgestrahlt werden.
                                                                          Um die heimische Kunst der bewegenden und
                                                                          bewegten Bilder ist es derzeit gut
                                                                          bestellt, wie die vielen Auszeichnungen

                                                                      O   und Nominierungen zeigen (Darwins Night-
                                                                          mare, Grbavica, We feed the World, u.a.)
                                                                          – und zur Hoch.Zeit dieses Mediums
                                                                          (Biennale, Berlinale, Diagonale bzw. Film-
                                                                      T
                                                                          preise wie César, Golden Globe, Oscar) ist
                                                                          der Schwerpunkt im März, der ansonsten den
                                                                          Frauen gehört (siehe links), darauf
                                                                          gerichtet. Apropos: Eine Neueinführung
                                                                      I

                                                                          wird uns künftig regelmäßig durch die
                                                                          Ausgaben begleiten - passend zum Landes-
                                                                          Schwerpunkt Literatur in diesem Jahr:
                                                                      D

                                                                          Kärntner Sagen neu erfunden und gegen-
                                                                          wärtig erzählt - remixed und reloaded
                                                                          sozusagen.
                                                                          Haben wir Jubiläen wie 100 Jahre sloweni-
                                                                      E

                                                                          scher Film, 200. Geburtstag H. C. Andersen
                                                                          und Adalbert Stifter, 100. Elias Canetti,
                                                                          Manès Sperber etc. kürzlich erst in der
                                                                          Brücke gefeiert, so werden wir dem Jahres-
                                                                          regenten gemäß Mozart weiter mit ungewöhn-
                                                                          lichen Beiträgen huldigen ( diesmal z. B.
                                                                          Uraufführung von Dieter Kaufmanns Requiem
                                                                          nach Josef Winklers Novelle). Natürlich

Internationaler Frauentag                                                 betreiben wir nicht nur Nabelschau,
                                                                          sondern werfen auch Blicke über die
Landeshauptmann und Kulturreferent laden                                  Grenzen – sowohl geographisch, als auch
am 8. März alle Frauen herzlich ein:                                      inhaltlich und künstlerisch, womit sich
Programm ab 17 Uhr, Empfang 20 Uhr.                                       der Kreis von Geschichte und Geschichten
                                                                          wieder schließt.
Eintritt frei im MMKK für Frauen in der
Zeit vom 6. – 12. März!                                                   Viel Lese- und Schauvergnügen dabei
                                                                          wünscht Ihr bruecken.bauer

                      Burggasse 8/Domgasse · A 9020 Klagenfurt
                      T.+43(0)463.536.30542· F. +43(0)463.536.30514
                      Di bis So 10 bis 18 Uhr · Do 10 bis 20 Uhr          Günther M. Trauhsnig
                      E. office@ktn.gv.at · www.mmkk.at
Klappe.film.II - Kulturchannel
Inhalt
D i e B r ü c k e – k ä r n t e n . k u n s t . k u l t u r · N r. 6 5 , M ä r z 0 6

  4     horizonte/aviso
  5     tipp
        Am.Abstellgleis
        Performance Andrea Latritsch-Karlbauer und Arge Sozial

                                                                                       Foto: Paravent 2003/Goldgruber
        da.schau.her
  7     Tassilo Blittersdorff, Zeilenbild (1991)
        denk.mal
  9     „Kino Schloss Velden“ am Wörthersee
        kärnten.art
10      Körperbilder.Body awareness painting
        Große Maria Lassnig Personale im MMKK
11      John Malkovich ist Gustav Klimt
        Aus dem Filmtagebuch von Horst Dieter Sihler                                                                               atelier.besuch
                                                                                                                                   Matthias Boeckl wurde
        kärnten.art                                                                                                                fündig auf der Suche
12      Zwischen Bild und Objekt                                                                                                   nach konkreter Kunst
        Atelierbesuch bei Eric M. Kressnig                                                                                         in Österreich – Eric
                                                                                                                                   Kressnig ist mit vier    Impressum
        schwerpunkt.literatur                                                                                                      anderen spannenden       Herausgeber, Medieninhaber und Copyright
14      Nassfeld, März 2006                                                                                                        Künstlern in der         sowie Verantwortlicher Redakteur
                                                                                                                                   Ausstellung „Spring“     Landeskulturabteilung – Öffentlichkeitsarbeit
        Sagen.haftes von Bernd Liepold-Mosser
                                                                                                                                   präsent.    Seite 12
                                                                                                                                                            und Kulturmarketing
        vorlese.prvo branje                                                                                                                                 Mag. Günther M. Trauhsnig
                                                                                               Foto: Helge Bauer

17      Jürgen Lagger, Die Geschichte vom Lastkran                                                                                                          Tel. 050-536-30 5 38
                                                                                                                                                            e-mail: guenther.trauhsnig@ktn.gv.at
        w o r t . f ü r. w o r t
                                                                                                                                                            Redaktionelle Mitarbeiter dieser Ausgabe:
18      Geschlossene Gesellschaft                                                                                                                           Matthias Boeckl, Annemarie Fleck, Geraldi-
        Über Jürgen Lagger: Öffnungen                                                                                                                       ne Klever, Gerda Krainer, Bernd Liepold-
        klang.figuren                                                                                                                                       Mosser, Mona Decker-Mathes, H. C. Mayer,
20      Tod auf dem Marktplatz                                                                                                                              Michaela Monschein, Alfred Ogris, Andrea
                                                                                                                                                            Pollach, Arnulf Rohsmann, H. D. Sihler, Ilse
        Rom-Film. Uraufführung von Kaufmanns vertonter Winkler Novelle
                                                                                                                                                            Schneider, Mahnaz Tischeh, Günther M.
        sprung.brett                                                                                                                                        Trauhsnig, Josef K. Uhl, Slobodan Zakula
23      Eine Sängerin, die genau weiß, was sie will                                                                                sagen.haftes             Redaktionsbüro
        Stationen: Stadttheater Klagenfurt, Volksoper Wien, Semperoper Dresden                                                     Mystery-Autor Bernd      9020 Klagenfurt, Burggasse 8,
                                                                                                                                   Liepold-Mosser hat       Tel. 050-536-30 5 38
        spuren.suche                                                                                                               speziell für die         Fax: 050-536-30 5 39
24      Von der Ökonomie, der Politik und der Ästhetik                                                                             Brücke ein neues         e-mail: guenther.trauhsnig@ktn.gv.at
                                                                                                                                   Kärntner Sagenbuch
        Genese und Form des Mediums Film – international und national                                                                                       Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben
                                                                                                                                   verfasst. Den Auftakt
                                                                                                                                                            die Meinung der Autoren wieder. Die Redakti-
27      Stories for the exhausted                                                                                                  macht die Karnische
                                                                                                                                   Region.                  on behält sich vor, Beiträge bei Bedarf zu
        Sofa surfen „über der Stadt“ von Tomte bis Lou Reed
                                                                                                                                                 Seite 14   kürzen oder zu ändern. Zur Verfügung
28      Filmische Horizonte in der Diagonale                                                                                                                gestelltes Text- oder Bildmaterial wird (wenn
        Starker Kärntenbezug beim Festival des österreichischen Films                                                                                       nicht anders vermerkt) nicht retourniert.
                                                                                               Foto: Bockerer/Filmarchiv Austria

                                                                                                                                                            Aboannahme
29      Über den verhaltenen Glamour des österreichischen Films
                                                                                                                                                            Kulturabteilung des Landes Kärnten, Elisa-
        Interview mit dem Leiter des österreichischen Filminstituts
                                                                                                                                                            beth Pratneker,
        innen.aussen                                                                                                                                        Telefon 05-0536-30 5 82,
30      Die Bewegung der Kamera                                                                                                                             Fax 05-0536-30 5 00,
        Poetisch reduzierte Filmkunst: Andri                                                                                                                e-mail:elisabeth.pratneker@ktn.gv.at
                                                                                                                                                            Kulturtermine
32      Film als psychologisches Phänomen                                                                                                                   Jaqueline Krassnitzer
        Die Klagenfurterin Tanja Mairitsch als Regisseurin in Los Angeles                                                                                   e-mail: bruecke@ktn.gv.at
                                                                                                                                                            Fax: 050-536-30 5 39
        blick.punkt
                                                                                                                                                            Grafik
34      Literatur-Kino                                                                                                                                      Harald Pliessnig
        35 Jahre Literaturzeitschrift Unke
                                                                                                                                                            Satz und Lithos
                                                                                                                                   medium.film              TextDesign GesmbH,
        kult.brille
                                                                                                                                   Wir sind national        Tel. (0463) 26 13 72-10
36      Der Kärntner Fürstenstein                                                                                                  und international
                                                                                                                                                            Druck
        Zur Geschichte von Österreichs ältestem Rechtssymbol                                                                       auf Spurensuche der
                                                                                                                                                            E. Ploetz GmbH, Tel. (04352) 2423
                                                                                                                                   Geschichte und Gene-
38      horizonte                                                                                                                  se gegangen, haben       Verlagspostamt
                                                                                                                                   den Leiter des Film-     9020 Klagenfurt
39      buch.musik.tipps                                                                                                                                    Einzelpreis d 2,91
                                                                                                                                   instituts befragt
        lust.auf.kultur                                                                                                            und zur Diagonale        Abonnement
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40      Kärntner Kulturkalender                                                                                                                Seite 24     inkl. KulturCard Kärnten,         K U L T
                                                                                                                                                                                                      U R

43      Galerien / Ausstellungen                                                                                                                            Porto und Versand.
                                                                                                                                   Titel: Mystery
45      Kino                                                                                                                                                www.bruecke.ktn.gv.at
Klappe.film.II - Kulturchannel
H       O       R        I     Z       O       N       T       E

Zurück nach Dalarna!, OmU/Preview, Schweden
2004, Regie: Maria Blom

frauen.filmtage
Volkskino und Referat für Frauen und
Gleichbehandlung des Landes kooperie-
ren wieder anlässlich des internationalen
Frauentages. Das Ergebnis: Auch heuer
wieder gibt es von 7. bis zum 11. März eine
ganze Woche Filme für Frauen und das
(für weibliche Kinobesucherinnen) zum
Nulltarif - Reservierungen unter 0463-
319880 (siehe auch Kinoprogramm
Seite 46).
Gleich zu Beginn der Frauenfilmtage
bietet das Volkskino mit „Zurück nach
Dalarna“ (Masjävlar) eine exklusive Pre-
view. Ein fesselndes Provinz-Melodram
über das Wiedersehen dreier egozentri-
scher Schwestern. Eine Tragikomödie von
wunderbarem Humor, der zu Herzen geht,
knochentrocken und zärtlich zugleich. Mit
dem Schwedischen Filmpreis ausgezeich-
net, faszinierte sie dort mehr als eine
Millionen Zuschauer. Bei einer weiteren
Erstaufführung (EA) werden die
Geschlechterrollen einmal anders be-
leuchtet. „Stage Beauty“: in den 1660ern
beschließt der englische König Charles II,
dass Männer in weiblichen Rollen den
echten Frauen auf der Bühne weichen
sollten. Richard Eyre (Iris) inszenierte
einen hinreißenden Blick auf Londons
traditions- und ruhmreiche Theaterge-
schichte. Etwas ernster und nachdenkli-
cher ist „Der Tag, an dem ich zur Frau
wurde“, ebenfalls EA. In dem Episodenfilm
schildert die iranische Regisseurin Marziy-
eh Meshkini drei Lebensabschnitte und
somit drei Schicksale von drei Frauen.
Fünf weitere Filme von/für Frauen runden
das Programm ab.        TH
Der Tag, an dem ich zur Frau wurde, OmU, Iran
2000, Regie: Marziyeh Meshkini                  Wort.Bild.Keim
                                                Mit seinen Bildern überschreitet Gustav Januš die Grenzen vom Tag in die
                                                Nacht, von der Wirklichkeit zur Fiktion, vom Sein zum Nichts, von der Farbe zu
                                                ihrer Transzendierung. Auf die Wirklichkeit richtet der Künstler sein Augen-
                                                merk. Jenseits von Versuch und Irrtum geht er als Lyriker und Maler unbeirrt
                                                seinen Weg der Formen und Farbensprache, sodass der Titel seines neuesten
                                                Buches „Mein Wort keimt auf als Bild/Moja beseda klije navzgor kot slika“
                                                (Wieser Verlag) treffende Erfüllung findet. Die Galerie Šikoronja in Rosegg zeigt
                                                ab 17. März (19 h) die neuesten Arbeiten von Gustav Januš. Einführende Worte:
                                                Siegmund Kastner.        SK

                                                4   Die Brücke 65 – März 06
Klappe.film.II - Kulturchannel
ander schneidet, schneidet dem Herr-
                                          gott die Fersen ab). Die Sprachbau-
                                          steine kommen aus dem jüngsten
                                          Erfolg des Kärntner Autors Leichnam
                                          – seine Familie belauernd (Suhr-
                                          kamp). Die Regie und freie Zusam-
                                          menstellung aus diesem sarkasti-
                                          schen, teilweise ironisch-witzigen
                                          Text teilen sich Gerhard Fresacher
                                          und A. W. Grill. Für die Musik ist
Alte.Lumpen                               Richard Klammer verantwortlich.
Ein Konzert in der Landhausbuch-          Premiere: 30. März, 20 h (Mehr darüber
handlung? von der Jeunesse?? mit          in einem ausführlichen Gespräch mit
Franzobel??? Ja! Am 9. März 19.30 h       den beteiligten Künstlern in der
gibt er mit Bertl Mütter Highlights.      April-Brücke!)     GMT
Advanced Caberet oder Oide Hoda’n
zum Besten. Bertl Mütter (Posaune,
Euphonium) bläst das Publikum mit
burleskem, selbstironischem Spiel in
die lustige, skurrile Welt Franzobels,
des österreichischen Jungstars der
Lyrik-Avantgarde und Bachmann-
Preisträgers. Piccolo-Jeunesse für
Kinder bringt wiederum am 25. März
2006, 17 h Mozart the Goodman der
Vienna Clarinet Connection ins
Klagenfurter Konzerthaus.       ID
                                                                                   tipp

                                                                                   Am.Abstellgleis
                                                                                   Mit einer Welturaufführung bringt Andrea
                                                                                   Latritsch-Karlbauer in Kooperation mit der
                                                                                   Arge Sozial am Hauptbahnhof Villach
                                                                                   einen einmaligen Zug in’s Rollen: „Am
                                                                                   Abstellgleis“ macht die Ausgrenzung von
                                                                                   Menschen, die am Rande der Gesellschaft
                                          Bühnen.Clown                             leben, transparent. Ein alter ausrangierter
                                          Alf Poier ist der Clown unter den        Zugwaggon als Symbol bietet den Teilneh-
                                          Philosophen und der Philosoph unter      mern die Möglichkeit, in einer künstleri-
                                          den Clowns. Sein neues Programm          schen Intervention ihre Lebensgeschichten
                                          Kill Eulenspiegel gibt uns Einsichten    zu präsentieren. Diese Geschichten sind
                                          in seine irrwitzige Gedankenwelt.        berührend, real und machen bewusst, dass
                                          Aber wer ist er wirklich? Tötet sich     jeder von uns in eine scheinbar ausweglose
                                          der Clown selbst, um nicht (von den      Situation kommen kann. Gleichzeitig weckt
                                          Medien) getötet zu werden? Kommt         der Mythos des fahrenden Volkes, der Vaga-
                                          es zum Duell Poier gegen Poier? Oder     bunden, des Tramps romantische Vorstel-
Ein.Stück.Winkler                         ist das neue Programm vielleicht         lungen von Freiheit, Unabhängigkeit und
Zum großen Auftakt der Freien Büh-        nichts weiter als einer der zahllosen    unerfüllten Sehnsüchten in uns, so die
ne Kärnten im Artecielo (siehe Feber-     PR-Gags, mit denen der Song-Contest      Multimedia-Künstlerin, von der Idee, Kon-
Brücke) hat sich das Klagenfurter         Triumphator einst ganz Europa            zept und Regie stammen. Das Video hat
Ensemble (ke) unter der Leitung von       narrte? Egal - am 21. März steht er      Reinhard Latritsch und den Raum Gerhard
Gerhard Lehner viel vorgenommen:          dank der Kulturinitiative Bleiburg im    Fillei gestaltet. Die Performance wurde von
Nicht weniger als eine Welturauf-         Hotel Altes Brauhaus Breznik auf der     Latritsch-Karlbauer gemeinsam mit den
führung soll’s sein: genauer „ein         Bühne. Und diese ist für ihn einer der   Klienten der Arge Sozial, die auch als
Stück von Josef Winkler“ (Bild). Soviel   wichtigsten Plätze um sich gesell-       Darsteller mitwirken, aus Gesprächen und
steht fest. Am Titel wird noch gefeilt    schaftlichen Zwängen und Normen          Theaterimprovisationen entwickelt,. Ab 10.
(Papst Benedikt XVI. Du sollst den        entziehen zu können. Am 29. März         März, 19 h, werden die Besucher der multi-
Herrgott nicht bei den Füßen herun-       folgt dort C.J. Chenier & The Red Hot    medialen Inszenierung in der Bahnhofs-
terziehen oder Wer das Brot unterein-     Louisiana Band (USA)!      AO            halle abgeholt und in den Gepäckswagon
                                                                                   gebracht. Einsteigen!       GMT

                                                                                                        Die Brücke 65 – März 06   5
Klappe.film.II - Kulturchannel
aviso
         Kurz.Krimis
         Schauplatz für den ersten in Österreich
         ausgeschriebenen Krimipreis ist der
         Tatort Internet.
         Weitere Rahmenvorgabe: max. 20.000
         Zeichen. Initiatorinnen sind die Krimiau-
         torinnen Susanne Schubarsky und Fran
         Henz. Zu verlieren gibt’s nichts, zu ge-
         winnen: eine Woche in einem Kärntner
         4-Sterne-Hotel, ein Notebook, eine Wo-
         che Schreiburlaub auf einer Berghütte.
         Und die 25 spannendsten Einsendungen
         werden zu einer Anthologie zusammen-
         gefasst, die im Herbst 2006 im Wieser-
         Verlag erscheint. Die Preisverleihung
         erfolgt im Rahmen der Buchwoche.
         Vorsitzende der Jury ist Sister in Crime
         Beatrix M. Kramlovsky. Mitmachen dür-
         fen alle Autoren deutscher Feder. Einsen-
         deschluss: 31. März. www.kaerntner-
         krimipreis.at

         Prix.Ars.Electronica
         Der internationale Wettbewerb für
         CyberArts, wird 2006 bereits zum 20. Mal
         ausgeschrieben. Neben den klassischen
         Kategorien Interaktive Kunst, Net Vision,    Künstlerhaus.Retrospektive
         Computer Animation/Visual Effects und        1956 verunglückte Anton Marcolin in Klagenfurt mit seinem Motorroller. Er war
         Digital Musics sind die Digital Commu-       28 Jahre alt, Vater einer 2-jährigen Tochter, Absolvent der Akademie der Bilden-
         nities, und auch das Kunst- und Techno-      den Künste Wien. Vier Jahre zuvor war er zu seiner Familie nach Eberstein und
         logiestipendium [the next idea] ausge-       zu Anna, einer jungen Lehrerin, zurückgekehrt, der er beim Schifahren auf der
         schrieben. Prix Ars Electronica: Ende der    Saualpe begegnet war (Foto). Erst jetzt wieder in Erinnerung gerufen, wird er
         Einreichfrist 17. März. Details und Anmel-   trotz seinem nur kleinen Œuvre, von Kunstexperten als einer der wichtigsten
         dung nur online: http://prixars.aec.at       Bildhauer Österreichs bezeichnet. Anlässlich seines 50. Todestages wurde von
                                                      seiner Tochter Angelika Elliott ein Buch herausgegeben, das Tomas Hoke gestal-
         Zeichen.Kunst                                tete (Tipp Seite 39), der dazu auch eine Retrospektive im Künstlerhaus kuratiert
         Zum 3. Mal ist der AMI Award Lines on        (Eröffnung 23. März, 19 h) – zugleich startet die Ausstellung [‘kindrid] von Julie
         Paper mit Unterstützung der Oberöster-       Hayward und Gerold Tusch (siehe April-Brücke).         GG
         reichischen Landesmuseen ausgeschrie-
         ben. Bei diesem mit 10.000 Euro dotier-
         ten Kunstwettbewerb gibt es keine
         Einschränkung in Hinblick auf Alter oder                                                Pech haben, auf der falschen Seite
         Nationalität. Eingeladen sind alle Künst-                                               auszusteigen, stehen Sie plötzlich vor
         ler, die sich intensiv mit allen Formen                                                 dem absoluten Nichts. Und in diesem
         der Zeichnung(en) auseinandersetzen.                                                    Moment werden Sie den Schmerz in
         Zeitraum der Einsendung an die Landes-                                                  den Liedern von Amanshauser &
         galerie Linz (Museumstrasse 14, 4010                                                    Wenzl nachvollziehen können. Martin
         Linz) ist vom 7. März bis 7. April. Infos:                                              Amanshauser (Autor, Reisejournalist)
         kultstein@kultstein.at                                                                  und Franz Wenzl (Musiker, Labelbe-
                                                                                                 treiber) stellen die Früchte ihrer zwei-
         Ta n z w o r k . s h o p 5 0 +                                                          jährigen Zusammenarbeit vor: deut-
         TANZ.improvisation und TANZ.training                                                    sche Texte zu Elektronikmusik, wun-
         bzw. Ausdruckstanz für Frauen ab 50                                                     derschöne Liebeslieder, liebevoll ar-
         bietet das Artemis Generationentheater                                                  rangiert. 1 Email und 9 Songs umfasst
         an. Referentin für beide Workshops ab                                                   die brandneue CD Auf der falschen
         20. bzw. 22. März im Diözesanhaus Klagen-                                               Seite von Ikebukuro. Tränen, Glück und
         furt ist die Tänzerin und Choreografin       I k e b u k u r o . To k y o               große Gefühle gibts gratis dazu von
         Alenka Hain. Anmeldungen nimmt eben-         Waren Sie schon einmal in der japani-      Musilmuseum und Verein Innenhof-
         dort die Katholische Frauenbewegung          schen Hauptstadt Tokyo? Wenn Sie im        kultur. Wann? 20. März im Cafe im
         entgegen: Tel.: 0463/ 5877–2431.             dortigen U-Bahnhof Ikebukuro das           Künstlerhaus in Klagenfurt. RS

6   Die Brücke 65 – März 06
Klappe.film.II - Kulturchannel
horizonte

                                                                       E
Foto: Timón Solinis

L i t e r a . To u r                      m i s s . v e r. s t a n d e n
Mit seinem Buch „Anprobieren eines        Die Galerie Freihausgasse Villach           da.schau.her
Vaters“ (Geschichten und Erwägun-         zeigt Verstanden – Missverstanden.
gen. Diogenes, 2004) wird Erich Hackl     Stellungnahmen von Künstlerinnen            tassilo blittersdorff
                                                                                      zeilenbild [1991],
heuer im Rahmen der Reihe                 und Künstlern. part 2 ab 7. März, 19 h.     grafit, kupfer, elektrolyt auf leinwand
Literatour.at zum ersten Mal im           Zeitgenössische Kunst wird in der           75 cm x 50 cm
Musil-Haus zu Gast sein. Der in Wien      Öffentlichkeit oft missverstanden.
lebende Erzähler, Drehbuchautor und       Interviews und Texte bildender              was wie ein konstruktivistisches
Übersetzer vor allem iberischer und       Künstler geben den Rezipienten der          gemälde aussieht, hat den pinsel nie
iberoamerikanischer Literatur liest       Arbeiten die Möglichkeit, das Werk in       gesehen. es ist klar gegliedert in 10
am 30. März, 19.30 h. Schlichtes          einem neuen Licht zu sehen. Die             zeilen und eine helle restfläche, kolori-
Protokoll, Reportage, Kurzroman oder      Ausstellung bietet eine Chance zur          stisch formuliert in beschränkter pa-
Essay, die Ordnung der Enzyklopädie,      Klärung von Missverständnissen              lette von anthrazit und kupfer.
der Chronologie oder des Alphabets:       bzw. zur Erfassung der künstleri-           der künstler hat die geometrische
Hackl probiert für jedes Schicksal eine   schen Positionen. Die Projektidee           struktur entworfen und die umset-
andere Erzählform an und aus und          und Regie stammt von Christian              zung ins bild durch eine galvanische
adelt so die Pflicht des Erinnerns zur    Gmeiner, als Kuratorin wirkt Renate         methode vorgegeben. er selbst tritt als
literarischen Kür, notierte Martin        M. Obud. Im Bild: Meina Schellander.        maler nicht auf. er hat, was durch
Halter über den Autor in der                 GMT                                      jahrhunderte den geniestatus des
Frankfurter Allgemeinen Zeitung.                                                      malers begründet hatte, an eine tech-
    HS                                                                                nische instanz abgetreten.
                                                                                      das automatische malen mit schwach-
                                                                                      strom, leitfähigem grafit und drahte-
                                          gehört.gesehen                              lektroden bildet einen prozess ab, der
                                          Dem Kulturverein akku schiefling ist        vom künstler eingeleitet wird, und der
                                          es gelungen, den steirischen Kabaret-       sich nach und nach verselbständigt.
                                          tisten Mike Supancic zu einem seiner        schwankungen der stromstärke und
                                          seltenen Auftritte in Kärnten einzula-      der konzentration der salzlösung
                                          den. Das Stimm- und Parodienwunder          bewirken formen mit einem vermeint-
                                          präsentiert sein neues Programm am          lich hohen grad von zufälligkeit. die
                                          31. März. um 20 Uhr im Jugendgäste-         hatte einst die händische informelle
                                          haus Cap Wörth. In Form einer zwei-         malerei geprägt. nicht kalkuliertes
                                          stündigen Radioshow gerät unter             bestimmt die detailform.
                                          Beschuss, wer in Medien- und Polit-         entgegen aller musealen anforderun-
                                          welt Rang und Namen hat. Dabei              gen bleibt der materiale zustand des
                                          verzichtet er auf triviales Politkabarett   werkes nicht stabil. die fortschreitende
                                          und greift auf die Charaktereigen-          oxidation ändert langsam die farb-
                                          schaften seiner Opfer zurück, um            struktur; kristalle blühen aus.
                                          diese gnadenlos in ein neues Licht zu       der wunsch nach endgültigkeit wird
                                          rücken. All das verpackt im Format          vom werk selbst zurückgewiesen.
                                          bekannter Fernseh- und Rundfunk-            veränderung ist hier nicht identisch
                                          sendungen, die „Radio Supancic“             mit verfall. die differenz müsste ein
                                          adaptiert. Gesellschaftskritik im           subjekt festlegen, und das kommt hier
                                          großen Stil bleibt nicht aus. ID            nicht vor.    ar

                                                                                                            Die Brücke 65 – März 06   7
Klappe.film.II - Kulturchannel
horizonte

                   E
                                                                                                Lassnig.Power
                                                                                                Die Villacher Ausstellung Woman
                                                                                                Power von Maria Lassnig in der
                                                                                                white8 zeigt Kupferstiche, die als
                                                                                                Meisterwerke der Zeichenkunst zu
                                                                                                werten sind. Sie entstammen einer
                                                                                                Sonderedition von 1986, wobei die
                                                                                                Künstlerin eigenhändig und höchst
                                                                                                differenziert in der Farbgebung die
                                                                                                Arbeiten koloriert hat. Die Blätter
                                                                                                zeigen Körperbewusstseinsformen
                                                                                                vorwiegend aus der New Yorker Zeit
                                                                                                (1968-1979). In den in sich geschlosse-
                                                                                                nen Kompositionen konzentriert sich
                                                                                                die Künstlerin vor allem auf die
                                                                                                Körperregionen von der Mitte ab-
                                                                                                wärts. Der Kopf versinkt immer mehr
                                                                                                im Rumpf. Die sich ständig verän-
                                                                                                dernde Befindlichkeit der Künstlerin
                                                                                                filtert die aus dem Außen- und Um-
                                                                                                raum ankommenden Informationen.
                                                                                                Vernissage: 24. März, 19 Uhr.   DA

                                                                                                N a t u r. D i a l o g
                                                                                                In den Dialog mit der Natur tritt
                                                                                                Gerda Obermoser-Kotric in ihren
            Un.Sinn                                                                             Arbeiten auf Holz und Papier und
            Anna Blume oder Lyrik von Kurt                                                      Leinwand (Waqua-Technik). Die bildli-
            Schwitters durchwachsen mit/um-            U n t e r. V e r s c h l u s s           che Umsetzung basiert auf Symbol-
            rahmt von/transportiert durch Musik        Was ein anderer sagen oder singen        sprache und Emotionslauf in einem
            hat der philosophierende Bass Dietmar      würde, versuche ich zu zeichnen: Alois   dynamischen Reigen. In einem harmo-
            Pickl zusammengestellt. Unterstützt        Köchl bereitet eine große Personale      nischen Lichtfluidum ist ein Ineinan-
            wird er dabei von Christoph Hofer          vor, die neue, bisher „unter             der, Nebeneinander und Miteinander
            (Akkordeon), Emil Kriütof (Schlagzeug)     Verschluss“ gehaltene Arbeiten           möglich. Umwandlungen werden
            und Gilbert Sabitzer (Saxophon). Ein       zeigen und mit finanzieller Hilfe von    bildhaft festgehalten (mit Renate
            Abend für Menschen, die Ironie ver-        Kunstfreunden auf die Beine gestellt     Obud im Gespräch). Die Ausstellungs-
            tragen und Parodie schätzen. Denn          wird. Einen kleinen Einblick gibt die    palette der Schülerin der Professoren
            der Dadaist Kurt Schwitters (1887-         Ausstellung neuer Zeichnungen im         Kusdas und Canaval reicht von New
            1948) war zugleich Schriftsteller,         Atelier Berndt in Wolfsberg ab           York (1994) über Belgien, Ungarn und
            Maler, Bildhauer, Avantgardist und         16. März, 19.30 h. Sehr klare Formen     Italien bis (zurück aus Tirol) nach
            einer der Väter des Prinzips Collage. In   auf meist großen Flächen und wun-        Kärnten, wo sie wieder einmal in
            seinen Lautgedichten bestimmt die          derbare Farben geben einen Eindruck      Villach ausstellt - bis 25. März in der
            rhythmische Struktur den Verlauf -         der neuen Arbeiten, darunter noch        Köllpassage. Näheres dazu von
            am 3. März, 19.30 h, im Maria Saaler       nie in Ausstellungen gezeigte Blätter    Brigitte Holzer bei der Vernissage
            Haus der Begegnung.        AA              wie „Burundi“.       AF                  am 10. März, 19 h!    GT

8   Die Brücke 65 – März 06
Klappe.film.II - Kulturchannel
Franz Baumgartner: Kino Velden, Entwurf für
                                                                                  die Gestaltung der Bühnenwand (ca. 1924)

                                                                                  denk.mal!
                                                                                  „Kino Schloss Velden“
                                                                                  Wörthersee, Seecorso 10
                                                                                  Eine eigenständige Kinoarchitektur, wie sie
                                                                                  beispielsweise in Berlin u. a. von den Archi-
                                                                                  tekten Bruno Taut, Oskar Kaufmann, Hans
                                                                                  Poelzig, Fritz Wilms oder Erich Mendelsohn
                                                                                  entwickelt wurde, sucht man hierzulande
                                                                                  vergebens. In Österreich mit seiner heraus-
                                                                                  ragenden Schauspiel- und Operntradition
Kunst.Dom                                                                         wurden Kinos oft wie Theater konzipiert,
Die Kunstinstallation im Dom zu
                                                                                  für deren Fassaden- und Innenraumgestal-
Klagenfurt von Aschermittwoch bis
                                                                                  tung man auf die bewährten Vorbilder der
Ostern wird wieder versuchen,
                                                                                  Gründerzeit, insbesondere auf die Theater-
menschliche Grunderfahrungen mit
                                                                                  bauten der Firma Fellner und Helmer,
Kunstformen unserer Zeit auszu-
                                                                                  zurückgreifen konnte.
drücken. Thematisch ist es diesmal
                                                                                  In diesem Kontext ist auch das heute stark
auf die Darstellung der christlichen
                                                                                  veränderte, ehemalige Kino im seeseitig
Heilsflüssigkeiten Wasser und Blut
                                                                                  gelegenen, von Gewölben des 16. Jahrhun-
konzentriert. Der Bühnenbildner
                                                                                  derts bestimmten Erdgeschoss des ehema-
Reinhard Taurer (Foto) konzipierte
                                                                                  ligen Renaissanceschlosses Velden zu se-
eine 3-teilige raumhohe Installation,
                                                                                  hen: Architekt Franz Baumgartner gelang
die in der Tradition der großen Fa-
                                                                                  bei seinem Umbau in den 1920er Jahren
stentücher des Landes steht. Dieses      w e l t t h e a t e r. t a g             eine eindrucksvolle Synthese von histori-
Tuch ist jedoch aus gespannten           Renommierte Theaterleute (u.a.
                                                                                  scher Bausubstanz und zeitgenössischer, im
Nylonfäden gewoben, an denen             Cocteau, Miller, Olivier, Barrault,
                                                                                  Stil der Wiener Werkstätte gehaltener
Tropfen nach unten fließen. Es ist ein   Weigel, Neruda, Albee, Havel) wurden
                                                                                  Ornamentik. Der einfühlsame Umgang des
dynamisches Objekt, das zugleich         für den Welttheatertag am 27. März
                                                                                  „Wörthersee-Architekten“ mit noch erhal-
dem Tiroler Video-Künstler Pepi Öttl     um Botschaften gebeten, in denen sie
                                                                                  tenen historischen Bauteilen aus den Zei-
als Fläche für seine Projektionen        sich mit Bedeutung und Wirkung der
                                                                                  ten der Erbauung um 1590 unter dem
dient. Die Kunstintervention wird        Bühnenkunst im gesellschaftlichen
                                                                                  Freiherrn Bartlmä Khevenhüller und der
auch 2006 von der Dommusik mit           Kontext auseinandersetzen - heuer
                                                                                  Neugestaltung der Jahre 1891/ 92 durch den
Konzerten begleitet: z.B. der Berliner   ist Víctor Hugo Rascón Banda dran.
                                                                                  Architekten Wilhelm Heß wird hoffentlich
Messe von Arvo Pärt, (1. März), oder     Geboren 1948 in Chihuahua wurde
                                                                                  beim derzeitigen Umbau und der Erweite-
Marcel Dupré - Kreuzweg op.              der Dramatiker zu einer mexikani-
                                                                                  rung des Schlosses zu einem Luxushotel
für Orgel (Klaus Kuchling) mit Paul      schen Leitfigur. 1979 schrieb er sein
                                                                                  durch die Architekten Jabornegg und Pállfy
Claudél Texten (31. März 19.30) -        erstes Theaterstück „Voces en el
                                                                                  eine Fortsetzung finden.      GK
mehr über das Projekt in der             umbral“ (Stimmen auf der Schwelle).
nächsten Brücke! FB                      Darin zeichnet der vielfache Preisträ-
                                         ger das Leben einer Deutschen und
                                         einer Tarahumara-Frau zwischen
                                         Höhepunkt und Verfall der Berg-
                                         bauindustrie nach. Sein Gesamtwerk
                                         umfasst 50 Theaterstücke und zahl-
                                         reiche Drehbücher. Tipp am 25. März
                                         im Schloss Krastowitz: Jahreshaupt-
                                         versammlung des Amateurtheater-
                                         verbandes (www.theater-service-
                                         kaernten.com).      AT

                                                                                                          Die Brücke 65 – März 06   9
Klappe.film.II - Kulturchannel
kärnten.art

                          E
 Maria Lassnig
 1919 geboren in Kappel am Krappfeld, lebt und
 arbeitet in Wien und Kärnten.
 1939 Matura, Ausbildung zur Volksschullehre-
 rin
 1941–44 Studium an der Akademie der bildenden
 Künste Wien bei Wilhelm Dachauer, Ferdinand
 Andri und Herbert Boeckl
 1945 Rückkehr nach Klagenfurt; erstes Atelier
 am Heiligengeistplatz; Treffpunkt von Dich-
 tern u. Malern, u.a. von Michael Guttenbrun-
 ner, Arnold Clementschitsch und dem surreali-
 stischen Dichter Max Hölzer

                                                           Foto: LPD/Bodner
 1948 Erste »Körperbewusstseins-Zeichnung«
 1951 Umzug nach Wien, erstes Paris-Stipendi-
 um: Bekanntschaft mit Gisèle und Paul Celan,
 trifft André Breton und Benjamin Péret
 1952 Zweiter Paris-Aufenthalt, Mitglied des
 Art Clubs, Wien
 1954 Rückkehr nach Wien an die Akademie der
 bildenden Künste in die Klasse Gütersloh,                                    LHStv. Strutz mit Giselbert Hoke, dem im Herbst eine Ausstellung im MMKK gewidmet sein wird
 Bekanntschaft mit der Wiener Gruppe (Oswald
 Wiener, Gerhard Rühm, H.C. Artmann, Friedrich
 Achleitner)
 1960 erste Einzelausstellung in der Galerie
 St. Stephan, Wien
 1961–68 Atelier in Paris
                                                                              K ö r p e r b i l d e r. B o d y
 1968–80 Atelier in New York
 1970–72 Besuch eines Zeichentrickkurses an
 der School of Visual Arts in New York
                                                                              awareness painting
 1978 DAAD-Stipendium in Berlin
 1980 repräsentiert Österreich auf der Bienna-                                Große Maria Lassnig Personale im MMKK
 le von Venedig zusammen mit Valie Export
 1980–97 Lehrstuhl an der Hochschule für                                      Das Museum Moderner Kunst Kärnten                nal positioniert. In ihren Werken re-
 angewandte Kunst, als erste Professorin für
 Malerei an einer Akademie im deutschsprachi-
                                                                              (MMKK) bringt derzeit die Ausstellung            flektiert sie das konventionelle und
 gen Raum                                                                     der international bekannten Kärntne-             avantgardistische Bildrepertoire, hin-
 1981 in ihrer Meisterklasse wird das erste
                                                                              rin Maria Lassnig unter dem Titel „Kör-          terfragt traditionelle Repräsentations-
 Zeichentrickfilmstudio gegründet
 1982 Teilnahme an der documenta 7, Kassel                                    perbilder. Body awareness painting”.             muster und Bildgattungen. Die Kör-
 1988 Großer Österreichischer Staatspreis,                                    Damit sind in Klagenfurt erstmalig die           per-Bild-Erfahrung erklärt sie sowohl
 Wien
 1997 Teilnahme an der documenta X, Kassel                                    Werke von der inzwischen zu Welt-                zum Thema ihrer Kunst als auch zum
 1998 Oskar Kokoschka-Preis, Wien                                             rang gekommenen und gefeierten                   Thema ihrer künstlerischen Praxis. In
 2002 Ehrenring der Universität für angewandte
 Kunst, Wien                                                                  Künstlerin dem Publikum in so kom-               ihren signifikanten Sinnbildern setzt
 2003 Maria Lassnig vertritt Österreich auf                                   pakter und komprimierter Form zu-                sich Maria Lassnig vor allem mit der
 der ersten Biennale in Peking, China
 2004 Max Beckmann Preis der Stadt Frankfurt
                                                                              gänglich, wie Kulturreferent LHStv.              Frage nach der Körperrepräsentation,
 a. M.                                                                        Martin Strutz bei der feierlichen Eröff-         also dem ganzheitlichen Körperbild in
 2005 Verleihung des Österreichischen Ehren-
                                                                              nung betonte. Die gut besuchte Aus-              der Malerei auseinander. Der Körper
 zeichens für Wissenschaft und Kunst, Aufnahme
 in die Österreichische Kurie für Kunst                                       stellungseröffnung wurde dem Motto               wird als Objekt oder Bild erfahrbar, die
                                                                              „Kärnten lebt Kultur“ auf allen Ebenen           Grenzen zwischen Bild und Körper
                                                                              gerecht, unterstrich Strutz, der sich            werden permanent verschoben. Die
                                                                              sehr erfreut darüber zeigte, dem hei-            großformatige Einzelausstellung läuft
                                                                              mischen Kunstpublikum eine solch                 bis 28. Mai im MMKK in der Burggasse.
                                                                              einmalige Ausstellung bieten zu kön-             Der Katalog dazu kommt aus dem
                                                                              nen. Nach Jahren sei es endlich gelun-           Snoeck Verlag und kostet 24 Euro.
                                                                              gen, diese international anerkannte                 Seit 4. Februar läuft im Grazer
                                                                              Künstlerin hier zeigen zu können, was            Kunsthaus die Ausstellung Zwei oder
                                                                              für das gesamte kulturelle Geschehen             Drei oder Etwas von einer der wichtigs–
                                                                              in Kärnten von Bedeutung sei.                    ten lebenden österreichischen Male-
                                                                                In der in Kooperation mit der Samm-            rinnen, Maria Lassnig (1919) und der
                                                                              lung Essl, Klosterneuburg zusammen-              kalifornischen Bildhauerin Liz Larner
                                                                              gestellten Schau liegt der Schwer-               (1960). Ab Mitte März wird Lassnigs
                                                                              punkt der Auswahl auf den Werken                 gesamtes filmisches Schaffen anläss-
                                                                              aus dem Zeitraum von der Mitte der               lich der Diagonale (siehe auch Seite
                                                                              60er Jahre bis 2003. Der Fokus liegt             28) ebenfalls in Graz gezeigt. Strutz:
                                                                              auf der Malerei der 80er Jahre. Neben            Ich sehe das nicht als Konkurrenz, son-
                                                                              den Bildern stellen die Präsentation             dern als fruchtbare Ergänzung mit
                                                                              ihrer Filme und die bisher kaum ge-              anderen Bildern. Wir in Kärnten, das
                                                                              zeigten Skulpturen einen weiteren                war mein ausdrücklicher Wunsch,
                                                                              Schwerpunkt der Ausstellung dar. Die             wollen im Vorfeld der großen Ausstel-
                                                                              ausgestellten Werke repräsentieren               lung ‚Kunst nach 1945’ die heimischen
                                                                              zeitlich den Rahmen, in dem sich Ma-             Künstler mit Maria Lassnig an der
                                                                              ria Lassnig als Künstlerin internatio-           Spitze präsentieren.     SN
 Während die Fußball-WM in Deutschland und die Heim-EM 2008 noch auf uns
 wartet, formiert sich bereits „die Abwehr“ (2000, Öl auf Leinwand) im MMKK

10   Die Brücke 65 – März 06
WELT
KINO
WELTEN                                        Aus dem Film-Tagebuch von Horst Dieter Sihler
E

Der US-Star vor einem Jugenstil Bild des Österreichers. Und Nikolai Kinski als Egon Schiele sowie mit dem chilenischen Regisseur Raùl Ruiz.

                                                                                                                                              Fotos: FILMladen
John Malkovich ist Gustav Klimt
Raúl Ruiz, ein Chilene, der in Paris            (F 1968) nach Calderons „Das Leben ein          Unbestritten großartig ist nur John
lebt, drehte einen Film über Gustav             Traum“, „Genealogien eines Verbre-              Malkovich in der Titelrolle. Er spielt
Klimt (ab 24. März im Filmstudio Vil-           chens“ (F 1996) oder nach Proust „Le            ohne alle Manierismen und trägt da-
lach). Das kommt gerade recht, denkt            Temps Retrouvè“ (Die wiedergefun-               mit den Film und dessen Ungereimt-
man, jetzt, wo Österreich geraubte              dene Zeit, F 1999). Würde mir dieser            heiten.
Klimt-Werke zurückgeben muss und                Mann Klimt näher bringen können?                   Am gleichen Tag sehe ich auf arte
viele plötzlich Klimt-Fans sind, die              Das Dekor, das Design, die Kostüme            das koreanische Meisterwerk „Im
vorher nicht mal wussten, wer das ist.          sind eine Augenweide für Jugendstil-            Rausch der Farben und der Sinne“
Auch im Film werden einige Klimt-               Fans. Bizarre Details gibts aber ge-            (Goldene Palme, Cannes 2003), in
Bilder geklaut, aber das war um 1900            nug: Die k.u.k. Skelett-Collage zu Be-          dem ein Künstler, etwa zur selben
und der Dieb war Klimt selber, der              ginn (Schädel vom Russen, Arme aus              Zeit wie Klimt, in der untergehenden
seine im Staatsauftrag gemalten Bil-            Wien, Beine vom Serben). Der Zeitlu-            koreanischen Monarchie um kreative
der aus der Sezession zurückholte.              pen-Slapstick, wenn Klimt Adolf Loos            Erfüllung ringt. Auch hier geht es um
Kurz vorher hatte er damit in Paris,            eine Torte ins Gesicht drückt. Das              die Schönheit des Dekorativen, der
bei der Weltausstellung, noch Furore            Kunst-Palaver im Café Central, wo               Vertiefung des Ornamentalen, aber
gemacht und in Wien wurden sie als              Klimt und Schiele gemeinsam eine                Kunstbilder und Filmbilder sind hier
dekadent skandalisiert. Aber das                Zeichnung skizzieren. Wenn Georges              deckungsgleich. Ein unfairer Ver-
kennt man ja. Das hat sich in hundert           Melies, der erste Kino-Magier, Klimt            gleich? Doch die Fernseh-Dramatur-
Jahren kaum verändert.                          in Paris einen Film vorführt und der –          gie in Ruiz´ Klimt-Film ist dem rebel-
  Ich war aus anderem Grund neugie-             ein Frauenheld, der überall seine Bäl-          lischen Gestus von Klimt, der aus der
rig auf diesen Klimt-Film, weil ich             ger verstreut – sich danach auf die             schwülen Makart-Zeit kam, geradezu
Raúl Ruiz noch von seiner chileni-              Suche nach seiner Muse begibt und               gegenläufig. Ein zweiter Klimt-Film
schen Zeit her kannte. Noch unter Al-           zuhause unterm Mikroskop fasziniert             wäre notwendig. Noch notwendiger
lende drehte er „L´Expropiacion“ (Die           seine Syphilis-Bazillen studiert. Im            aber einer über Schiele, der die orna-
Enteignung, Chile 1972), eine Art revo-         Grunde leidet aber der Film unter sei-          mentalen Schönheiten Klimts auf die
lutionärer Experimentalfilm, sehr un-           ner simplen TV-Film-Dramaturgie                 brutale, expressive Nacktheit des
zeitgemäß damals mit seiner Kritik              und Ästhetik. Der fast 30 Jahre jünge-          Menschen reduzierte. Aber ich sehe
an der Unidad Popular, ein intellektu-          re Schiele besucht Klimt auf dem To-            hierzulande kaum jemand, der die
elles Vexierspiel und barocker Stil-            tenbett und dann wird alles brav in             nötige Distanz dazu aufbringt. Viel-
Wirrwarr, der auch alle seine späteren          Rückblenden erzählt. Am Ende sehnt              leicht sollte man einen Koreaner, ei-
Filme kennzeichnen sollte, wie „Erin-           man sich fast nach ein bisschen Hol-            nen Japaner oder Chinesen damit be-
nerungen an die Erscheinungen“                  lywood-Pomp und Augenschmaus.                   auftragen ...

                                                                                                                         Die Brücke 65 – März 06                 11
Eric M. Kressnig, geb. 1973 in Klagenfurt; 1996 – 2001 Studium der Malerei und Grafik
an der Akademie der bildenden Künste, Wien, Diplom mit Auszeichnung, Meisterklassen-
preis; 2001 Förderungsstipendium der Sussmann Stiftung; 2002 Preisträger
BA/CA-Kunstpreis. Reihe von Gruppen- und Einzelausstellungen in Wien und Kärnten.

Weitere Kressnig-Projekte 2006 (Kärnten): Stadtgalerie Klagenfurt – Ankäufe (Sommeraus-
stellung); Kunstsymposium Bleiburg im Oktober.

Zwischen Bild
und Objekt
Atelierbesuch bei Eric M. Kressnig
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            Oft schon ist sie totgesagt worden,           Kunstszene nichts Außergewöhnli-          dären „Vaters der Neuen Malerei“,
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            ebenso oft ist sie wiederauferstan-           ches. Schon seit den Zeiten von Anton     eine Meisterschule für Grafik leitet.
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            den – die konkrete Kunst. Jung und            Kolig & Co. war die Konfrontation mit     Kressnig lernte dort auch entspre-
            wild – das gilt in Österreich in der Re-      der Großstadtkultur, die Teilnahme an     chend profund Drucktechniken, bevor
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            gel als Erfolgsformel für aufstreben-         ihren Kunstforen die einzige Möglich-     es ihn unwiderstehlich zur Malerei
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            de Malertalente. Eric M. Kressnig             keit für Kärntner Künstler, sich am in-   zog. Aber es ist eine besondere, eine
            zeigt jedoch, dass es auch anders             ternationalen Diskurs zu beteiligen.      ungewöhnliche Malerei, die er prakti-
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            geht, subtiler, klarer, systematischer.       Immer noch führt der Weg in der Re-       ziert. Betritt man sein Atelier in der
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            Und auf hohem künstlerischen Ni-              gel über die Wiener Akademie. Eric        Vorgartenstraße in Wien-Leopold-
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            veau.                                         Kressnig absolvierte hier seine Studi-    stadt, so stolpert man als Erstes über
              Eric M. Kressnig ist ein Kärntner, der      en bei Gunther Damisch, der als Nach-     ein riesiges „Kofferobjekt“, das aus
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            in Wien lebt. Das ist gerade in der           folger von Max Melcher, des legen-        vielfältig klappbaren Holzplatten
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12    Die Brücke 65 – März 06
Fotos: Goldgruber
Galerie 3 SPRING. Caroline, Gernot Fischer-Kondratovitch, Ferdinand Götz, Eric M. Kressnig,
Katarina Schmidl; 5 Künstler präsentieren Arbeiten zum Thema SPRING – wortwörtlich genommen
„Spring!” oder in der Übersetzung „Frühling”. 5 Räume, 5 Positionen zeitgenössischer Kunst.
Ausstellung von 9. März (19 h) bis 14. April.

Ungewöhnlich und untypisch schaut es im Atelier des Künstlers aus – aber wiederum charakteristisch für seine Arbeiten

besteht, in deren hohlen Innenraum             sind die Seitenkanten der Keilrahmen            ternationale „Fraktion“ der zeitgenös-
färbige Kunststoffscheiben eingebaut           nicht einmal grundiert, um so die               sischen Klassiker, die penibel das Ver-
sind und so einen bewohnbaren                  raue Natürlichkeit des Leinens noch             hältnis von Farbe und Form in stark
Innenraum suggerieren. Einige klare            besser zur Geltung kommen zu las-               materialorientierter Ausrichtung un-
Scheiben außen sind in schwarzer               sen. Was zeigen die Bilder? Auf den er-         tersuchen. Also Bildträger, Farbmate-
Farbe mit abstrakten Motiven verse-            sten Blick nicht viel, geometrische,            rie und Farbkörper in das Repertoire
hen. Also raumhaltige Malerei, denkt           hellblaue, weiße und matt schim-                ihrer künstlerischen Mittel mit einbe-
sich der noch nichts ahnende Besu-             mernde Farbflächen, rasterartige                ziehen. Frank Stella ist ein derartiger
cher, eine Art Installationskunst, die         Strukturen, die einander im rechten             Klassiker, der jedoch für Kressnigs Ge-
malerische Werte vielleicht nur über           Winkel zu durchdringen scheinen.                schmack ein wenig zu expressiv, ein
das Beschreiten dreidimensionaler              Doch der zweite Blick verrät mehr.              wenig zu plastisch-theatralisch da-
Objekte erschließt. Weit gefehlt. Das          Schließlich sind die Bilder ja explizit         herkommt. Näher ist ihm die Arbeit
Kofferobjekt war nur ein Auftakt, ein          „dreidimensional“, und so ist der Be-           von François Morellet, der in feineren
erster Versuch, ein Herantasten an die         trachter auch verführt, sie von allen           Strukturen arbeitet und seine ab-
Grenzen konkreter Raum-Malerei. Der            Seiten zu betrachten, nicht nur in der          strakt-geometrischen Farb-Körperun-
Rest des Ateliers – ein Wiener Klassi-         einen zentralen starren Bildachse, wie          tersuchungen meist auf die traditio-
ker, wenn man so will, in einem der            das bei „klassischer“ Malerei üblich            nelle Bildfläche bezieht. Und genau
schönen, großen, alten Gemeindebau-            ist. Sobald man das tut, erkennt man,           dieser Bereich ist es, der Kressnig in-
ten der 1920er Jahre gelegen, mitten           dass es hier um mehr geht als nur um            teressiert – das Zwischenreich zwi-
in einem ebenso klassischen ehemali-           abstrakte formale Experimente. Denn             schen Bild und Objekt, jener Bereich,
gen Wiener Arbeiterbezirk (heute ist           Kressnig wählt die Zusammenset-                 wo es auf Licht, Farbe und Materie an-
es ein Zuwandererbezirk) – bietet              zung seiner Farben auf subtile Weise            kommt. Und um das zu zeigen, müs-
dreidimensionale       Überraschungen          unterschiedlich. Es gibt Oberflächen,           sen die Formen naturgemäß stark re-
nur noch im überschaubaren Format.             die mehr Licht reflektieren und sol-            duziert werden, um nicht vom wah-
Aber die Dreidimensionalität der Ma-           che, die weniger Licht spiegeln. Und so         ren Thema abzulenken: dem Verhält-
lerei bleibt eines der wichtigsten The-        zeigt sich bei „Schrägblick“ auf die            nis von Farbe und Materie, Licht und
men der Kunst von Eric Kressnig. Man           Bilder, dass dem feinen Unterschied             Form. – Kressnig hat noch viel vor und
trifft auf auffallend „dicke“ Bilder –         der Farbtöne zwischen den einzelnen             er wird zweifellos auch noch viel er-
Leinen und Mollino, das über mehrere           Bildelementen, den man bei frontaler            reichen. Nach einer Ausstellung in der
Zentimenter tiefe Keilrahmen ge-               Betrachtung wahrnimmt, ein ebenso               Villacher Galerie „white8“, in der er
spannt ist. Und auf ein weiteres „ge-          feiner Unterschied der Lichtreflexion           ein großes Stück Wandmalerei reali-
bautes“ Objekt, das wie ein Paravent           entspricht, den man erst in der seitli-         siert hatte, stehen für heuer noch
am Boden steht. Auf einem schlanken,           chen Betrachtung erkennt. Es würde              Wandzeichnungen in der Wiener „Edi-
quaderförmigen Sockel aus Pappel-              zu weit führen, alle Rezepturen darzu-          tion Splitter“ und bei „Nexus Art Con-
sperrholz erhebt sich ein „Screen“, der        stellen, die Kressnig in langwierigem           sulting“ auf dem Programm. Kressnig
aus flachen Aluprofilen wie gewoben            Experimentieren entwickelt hat, um              arbeitet aber auch in „klassischen“
erscheint. In den rechteckigen Zwi-            derart subtile Unterschiede – die in            grafischen Metiers, etwa wird er dem-
schenfeldern hat Kressnig matt                 der fotografischen Reproduktion der             nächst sequentielle Holzschnitte aus-
getönte Plexiglasscheiben eingesetzt.          Bilder kaum zur Geltung kommen –                stellen. Auch sie sind modular aufge-
Das fremdartige Stück ist gleichzeitig         erzielen zu können. Wichtig ist, dass           baut, scheinen einzelne geometrische
Bild und Objekt, färbiges Muster und           sie ein Thema sind, und wichtig ist,            Motive endlos zu wiederholen, was sie
plastisches Erlebnis. Und das soll es          dass diese Art von konzentrierter, prä-         aber in Wahrheit nicht tun – jedes De-
wohl auch sein, in diesen Arbeiten, es         ziser und dennoch nicht langweiliger            tail unterscheidet sich vom anderen.
geht um das Darstellen und Auskos–             Elementar-Malerei heute wieder für                Der Grundstein ist gelegt, die
ten gestalterischer Grundelemente. –           einen jungen Künstler ein Thema sein            ersten Ausstellungen erfolgreich be-
Doch nun zur aktuellen Arbeit von              kann. Kressnig stellt sich damit von            stritten, Arbeitsstipendien folgen.
Eric Kressnig, der Malerei. Wie schon          Anfang an in eine bestimmte Kunst-              Kressnig wird die Sache der konkre-
beschrieben, fallen seine Bilder zuerst        diskussion, die weit über Österreich            ten Kunst in Österreich spannend
durch ihre Plastizität auf, teilweise          hinausgeht. Es geht dabei um jene in-           bereichern.      Matthias Boeckl

                                                                                                                                        Die Brücke 65 – März 06   13
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           Fotograf: Helge Bauer

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schwer.punkt

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sagen.haft: Mit diesem Text beginnt eine Serie von neuen „Geschichten aus
Kärnten“ passend zum Literaturschwerpunkt des Landes 2006. Die „Kärntner
Sagen Remixed and Reloaded“ hat der ausgezeichnete Klagenfurter Autor Bernd
Liepold-Mosser speziell für DIE BRUECKE verfasst. Sie sind jeweils einer
Region gewidmet. Den Auftakt macht die Karnische Region. Für die passenden
Stimmungsfotos dazu aus den verschiedenen Landesteilen sorgt Helge Bauer als
Fotoreporter der Brücke. In den nächsten Ausgaben findet nicht nur eine
Fortsetzung der „sagenhaften“ Geschichten statt, sondern es wird auch das
Literaturprojekt näher vorgestellt.

Nassfeld, März 2006
von Bernd Liepold-Mosser

Der Parkplatz war ein einziges Feld aus Schlamm. Zwischen           schuhe über die Finger und ließ den Motor an.
aufgewühlten Erdwülsten und den Profilabdrücken von                   Die Armada aus blechernen, nach Motoröl und Diesel
Autoreifen standen Lachen geschmolzenen Schnees im                  stinkenden Raupen setzte sich in Bewegung und schwärm-
Farbton von Milchkaffee. Zwei an geteerten Holzmasten               te über die Pisten aus, die sich als graue Bänder über die
befestigte Flutlichtstrahler warfen ihren diffusen Licht-           Hänge zogen. Die Kakophonie der Alarmpiepser wurde all-
schein über das Areal, auf dem nur mehr vereinzelte Fahr-           mähliche leiser, und bald waren die Fahrzeuge nicht mehr
zeuge abgestellt waren.                                             als langsam aufwärtsstrebende Lichtpunkte, die in den dif-
  Christof Bogner überquerte den Platz. Er war zehn Minu-           fusen Nebel eintauchten.
ten zu spät, und in seinem Kopf hämmerten noch immer
die Erinnerungen an den Streit mit Monika, der ihn davon            Die Heizung blies auf Volltouren, und Christof brannten
abgehalten hatte, rechtzeitig loszufahren. Die feuchte Luft         die Augen. Aus dem batteriebetriebenen Kofferradio
kroch unter die Haut, und er zog den Reißverschluss seines          schepperte ein Song der Bee Gees, der Christof an Monika
Parkas bis unter das Kinn zu. Der gebrochene Schistock ei-          denken ließ. Er rekonstruierte die Auseinandersetzung
nes Kindes steckte in einem Schneehaufen, der wie der               und hatte plötzlich keine Schwierigkeiten mehr, Monikas
übrige Matsch rund um den Parkplatz schmutzig grau ein-             Vorhaltungen zu verstehen.
gefärbt war. Er passierte eine Bretterbude, an der es nach             Sein Fahrzeug walzte sich an der Schneise von blau-
verschüttetem Glühwein, Gewürznelken und Erbrochenem                schimmernder Tannen am Boden der Senke vorbei, und
roch.                                                               Christof legte einen niederen Gang ein, um die sogenannte
  Die anderen Männer vom Trupp waren schon auf dem                  Sattelabfahrt aufwärts zu kriechen.
Weg zu der Phalanx aus Pistengeräten, die neben der Lift-              Der Flackerschein der eingeschalteten Warnleuchten
station abgestellt waren. Nur Bruno, ein fast zwei Meter            pulsierte über verwaiste Lifthütten und Holzzäune. Die Bü-
langer Hüne, dessen dürre Beine in halbhohen Stiefel aus            gel des Schlepplifts hingen wie fremdartige Vogelscheu-
Dachshaar steckten, wartete, bis Christof bei ihm ange-             chen in der Luft. Von der ausgeleierten Federung seines
kommen war.                                                         mit einer karierten Wolldecke überschlagenen Schalensit-
  „Scheißwetter“, brummte Bruno zur Begrüßung und sog               zes auf- und abgeschaukelt musste sich Christof gegen den
an seiner Zigarette.                                                Gedanken wehren, ein Versager zu sein. Er hatte seinen 30.
  „Der Schnee schmilzt uns unterm Arsch weg“, erwiderte             Geburtstag hinter sich gebracht, ohne etwas Nennenswer-
Christof ohne den geringsten Anflug eines Lächelns.                 tes erreicht zu haben. Sein Medizin-Studium dümpelte seit
  Aus einer Hütte oberhalb der Straße hörte man Stim-               Jahren dahin, und die Beziehung zu Monika war in einem
men, die den banalen Refrain eines volkstümlichen Schla-            Gefängnis aus lähmenden Konflikten, trostlosen Alltagsri-
gers mitgröhlten.                                                   tualen und fehlender Zukunftsperspektive eingekerkert. Er
   „Wir müssen ins ‚Loch’“, sagte Bruno, schnippte den Zi-          ließ seinen Blick zu den bizarren Schatten der ihn umge-
garettenstummel in den Schnee und setzte sich mit behä-             benden Gipfel hinauf gleiten, und wurde das Gefühl nicht
bigen Schritten in Bewegung.                                        los, vom Leben irgendwie beschissen worden zu sein.
  Christof verscheuchte sein Unbehagen, das ihn regelmäßig             In diesem Moment entdeckte Christof den dunklen
überkam, wenn er dazu abkommandiert war, die Pisten auf             Schatten einer Gestalt, die eine Rinne zum Trogkofel auf-
der anderen Seite des Rudniggrabens zu präparieren.                 wärts stieg. Christof kniff die Augen zusammen, um sicher
  Er folgte Bruno zu seinem Fahrzeug, kletterte zur Fahrer-         zu gehen, dass es sich nicht um eine Täuschung handelte.
kabine hinauf, zog sich seine ausgebeulten Arbeitshand-             Aber da war tatsächlich jemand in den Bergen unterwegs.

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           Christof griff zum Walkie-Talkie, um Bruno anzufunken, er-        Am nächsten Tag wachte Christof mit einem schweren
           hielt aber keine Antwort. Wahrscheinlich hatte Bruno wie-       Kopf auf. Monika war bereits zur Arbeit gegangen. Er
           der einmal vergessen, das Funkgerät einzuschalten.              schüttete eine Tasse mit lauwarmem Kaffee hinunter, be-
             Christof stieg auf die Bremse, würgte den sechszylindri-      vor er sich auf den Weg zur Talstation machte.
           gen Motor ab und schwang sich aus dem Cockpit. Die sche-          Scharen von Menschen strömten aus den Bussen mit slo-
           menhafte Gestalt war hundertfünfzig, vielleicht zweihun-        wenischen, deutschen und ungarischen Kennzeichen, und
           dert Meter von ihm entfernt und stieg mit kräftigen Schrit-     vor den Kassenschaltern hatten sich lange Schlangen ge-
           ten den Steilhang hinauf. Christof überlegte nicht lange        bildet. Es roch nach Sonnencreme, Benzin und Schweiß.
           und begann, der Gestalt zu folgen. Der Schnee war weich         Christof drängte sich an den Menschen vorbei und betrat
           und matschig, dass er bis zu den Knien einsank. Aber sollte     den Personalraum.
           er sich davon abhalten lassen, einen Menschen vor dem si-         „Ein Fundstück der letzten Nacht“, murmelte Christof
           cheren Tod zu retten?                                           und legte den Schipass auf einen Schreibtisch, an dem ein
             Der Hang führte steil bergauf, und es dauerte keine zehn      Student mit Aknenarben im Gesicht auf einen Computer-
           Minuten, bis die Luft in seinen Lungen brannte und sich         bildschirm starrte und gleichzeitig in die Tastatur häm-
           ein heißer Schmerz in seinen Oberschenkeln ausbreitete.         merte. Christof wandte sich zum Gehen, als Horst Marin,
           Doch wie sehr er sich auch abmühte, der Abstand zu der          der stellvertretende Leiter der Bergrettung, den Raum be-
           Gestalt blieb gleich, ja er schien sich sogar noch zu ver-      trat.
           größern. Sie hatte mittlerweile schon die ersten Felswände        „Du hattest heute Nacht mehr Glück als Verstand“, sagte
           erreicht und verschwand in einer Mulde.                         Horst und klopfte Christof auf die Schulter. Sein glattra-
             Die Dunkelheit war auf beklemmende Weise fahl, und            siertes Gesicht war braungebrannt, und auf seinen wulsti-
           Christof beschlich ein unangenehmes Gefühl. Der zwi-            gen Lippen lag eine dicke Schicht mit rosafarbener Schutz-
           schen den Wolken hindurchschimmernde Mond erinnerte             creme.
           an eine Lache verschütterter Milch, und es sah aus, als hät-      „Unsere Männer sind seit Stunden damit beschäftigt,
           te jemand einen gigantischen Kübel mit nasskalter               deinen Ratrac aus dem Schnee zu schaufeln“, sagte Horst.
           Waschlauge in den Graben gekippt.                               „Warum warst du eigentlich nicht im Fahrzeug, als die La-
             Christof folgte den aufwärts führenden Fußspuren. Mehr        wine abgegangen ist?“.
           als einmal rutschte er ab und stürzte in den Schnee. Doch         „Ich hatte so etwas wie einen Schutzengel“, antwortete
           er rappelte sich jedes Mal wieder auf, um seine Verfolgung      Christof.
           fortzusetzen. Bald hatte auch er die letzten von Wind und         Horsts Blick fiel auf den Schipass. Er trat näher und be-
           Wetter zerzausten Föhren hinter sich gelassen. Als er direkt    trachtet ihn mit zusammengekniffenen Augen. Die Buch-
           neben der Fußspur einen abgerissenen Schipass entdeckte,        staben waren trotz der Plastikhülle verlaufen, aber das
           steckte er ihn mit einer automatischen Geste in die Tasche      Foto war noch einigermaßen gut zu erkennen. Es zeigte ei-
           seines Parkas, ohne weitere Aufmerksamkeit darauf zu ver-       nen dunkelhaarigen Mann, der Christof entfernt an Eros
           wenden.                                                         Ramazotti erinnerte.
             Er war wie besessen davon, die Gestalt einzuholen und           „Unglaublich“, stieß Horst verwundert aus. „Das ist doch
           mobilisierte seine letzten Kräfte. Plötzlich brach ein ohren-   dieser Italiener, der vor drei Jahren von einer Lawine ver-
           betäubendes Krachen und Grollen in die Stille und hallte        schüttet worden ist. Seltsam, dass wir seine Leiche bis heu-
           von den umliegenden Felswänden wider. Christof riss sich        te noch nicht gefunden haben.“
           herum und wurde Zeuge, wie sich ein zwanzig, dreißig,             Christof gierte es nach frischer Luft, und er stürmte aus
           vielleicht sogar vierzig Meter breites Schneebrett löste und    dem Raum. Der Streit mit Monika, die schemenhafte Ge-
           an ihm vorbei in den Graben hinunter donnerte, wo es sein       stalt in den Bergen, der verlorene Schipass ... er wusste
           Pistenfahrzeug unter sich begrub. Christof war wie benom-       nicht, was er davon halten sollte. Er blickte über den von
           men von diesem überwältigenden Schauspiel der Natur,            Menschen wimmelnden Vorplatz der Liftstation, und ver-
           und in seinem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus.        spürte das tiefe Bedürfnis, noch einmal ganz von vorne an-
           Angesichts der Jahrmillionen, in denen die ihn umgeben-         zufangen.
           den Felswände, Zinnen und Grate entstanden waren, war             Die Piste aus Kunstschnee streckte sich wie eine mon-
           sein lächerliches Leben nicht mehr als ein Wimpernschlag.       ströse Zunge über den schmutzig brauen Berghang ins Tal.
           Gleichzeitig wurde er von einem Schwindel erfasst, mit          Christof spürte, wie ein milder Frühlingswind über seine
           dem ihm zu Bewusstsein kam, gerade um ein Haar mit              Schläfen strich.
           dem Leben davongekommen zu sein. Als er sich endlich              Die verwaschene Wolkendecke hatte inzwischen aufge-
           wieder umdrehte, um die Verfolgung der mysteriösen Ge-          rissen und ließ zum ersten Mal seit Wochen einen Zipfel
           stalt aufzunehmen, war diese nirgends mehr zu sehen.            blauen Himmels erkennen.

16   Die Brücke 65 – März 06
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