Kleinstädte in Deutschland - Urbanität. Vielfalt. Perspektiven. Hintergrundinformationen zum Kongress
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Kleinstädte in Deutschland Urbanität. Vielfalt. Perspektiven. Hintergrundinformationen zum Kongress Foto: Plan und Praxis
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Hintergrundinformationen zum Kongress Kleinstädte in Deutschland – Statistiken und generelle Trends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Das Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ . . . . . . . . . . . . . . . 13 Lage und Zukunft der Kleinstädte in Deutschland – Bestandsaufnahme zur Situation der Kleinstädte in zentralen Lagen. . . . . . . . . . . 15 Hidden Champions – Stabilisierungs- und Entwicklungsfaktoren von Kleinstädten in peripheren Lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Inhalt 2
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Kleinstädte in Deutschland – Statistiken und generelle Trends Was eine Kleinstadt ist, darüber existieren unterschiedliche DK Vorstellungen. Vereinfachend werden Kleinstädte i. d. R. über ihre Einwohnergröße von anderen Stadttypen unterschieden. Kiel In der Definition des BBSR wird auch die von den Bundeslän- Rostock dern festgelegte zentralörtliche Funktion berücksichtigt. Da- Hamburg Schwerin nach gilt als Kleinstadt, wenn eine Gemeinde oder die größte Bremen Gemeinde innerhalb eines Gemeindeverbandes1 mindestens PL 5.000 bis maximal 20.000 Einwohner oder mindestens grund- Hannover Berlin zentrale Funktion mit mittelzentraler Teilfunktion besitzt. NL Magdeburg Potsdam Bielefeld Cottbus Bedeutung von Kleinstädten in Deutschland Essen Dortmund Halle/S. Düsseldorf Kassel Leipzig Erfurt Köln Dresden Chemnitz Aktuell (Stand 31.12.2016) gibt es 2.112 Kleinstädte in Deutsch- Bonn land. Sie umfassen 163 Tausend km² Fläche und damit rund BE Frankfurt/M. 45 Prozent der gesamten Bundesfläche. 24,3 Millionen oder Wiesbaden CZ Mainz etwa 30 Prozent aller Einwohner leben in Kleinstädten. LU Mannheim Nürnberg Saarbrücken Hinter diesem allgemeinen Bild verbirgt sich eine große Vielfalt FR Stuttgart von Kleinstädten – nicht nur im Bundesgebiet sondern auch in- Ulm nerhalb der Bundesländer. Kleinstädte unterscheiden sich ext- AT rem hinsichtlich ihrer Gemeindefläche und Einwohner. München Freiburg i.Br. CH Die flächen-kleinste Kleinstadt ist Eichwalde in Brandenburg 100 km © BBSR Bonn 2018 Kleinstädte mit 2,8 km², die größte Südtondern in Schleswig-Holstein mit größere Kleinstädte ab 10.000 Einwohnern 594,4 km². Die kleinste Kleinstadt gemessen an der Bevölkerung kleine Kleinstädte unter 10.000 Einwohnern Großstädte (100.000 Einwohner und mehr) ist Ellefeld in Sachsen mit 2.578 Einwohnern, die größte Rhein- Mittelstädte (20.000 bis 100.000 Einwohner) Selz in Rheinland-Pfalz mit 40.768 Einwohnern. Landgemeinden (unter 5.000 Einwohner) Abbildung 1: Kleinstädte in Deutschland Die Gruppe der Kleinstädte kann noch einmal in eine Teilmenge Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR; Geometrische der 876 größeren Kleinstädte mit 10 bis 20.000 Einwohner und Grundlage: Gemeindeverbände (generalisiert), 31.12.2016 © GeoBasis-DE/ der 1.236 kleineren Kleinstädte unter 10.000 Einwohner unter- BKG; Bearbeitung: A. Milbert Gemeinden Fläche Bevölkerung Anteil in % Anteil in % Anteil in % 50 50 50 40 40 40 30 30 30 20 20 20 10 10 10 78 617 2.112 1.727 13 56 163 125 26,1 23,6 24,3 8,6 0 0 0 Groß- Mittel- Klein- Land- Groß- Mittel- Klein- Land- Groß- Mittel- Klein- Land- städte städte städte gemeinden städte städte städte gemeinden städte städte städte gemeinden Anzahl Gemeinden und Gemeindeverbände Gemeindefläche in 1.000 km² Bevölkerung in Millionen Abbildung 2: Gemeinden, Flächen und Bevölkerung nach Stadt- und Gemeindetyp Quelle: Laufende Raumbeobachtung (1) Aus Gründen der bundesweiten Vergleichbarkeit basiert die Einordnung der Städte und Gemeinden auf den rund 4.500 Gemeindeverbände anstelle der rund 11.100 Gemeinden; vgl. www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/StadtGemeindetyp/StadtGemeindetyp_node.html Kleinstädte in Deutschland – Statistiken und generelle Trends 3
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Anzahl Kleinstädte Fläche von Kleinstädten* Bevölkerung von Kleinstädten* Anteil an Minimum Median Maximum Anteil an Minimum Median Maximum % aller absolut Landesflä- Landesbevöl- Kommunen che in % km² kerung in % absolut Bundesland Baden-Württemberg 303 65,6 55,6 5,3 53,2 315,5 39,0 5.091 12.712 33.324 Bayern 493 34,6 39,0 4,6 49,8 278,3 35,7 3.427 8.280 20.005 Brandenburg 97 48,5 40,4 2,8 104,7 420,2 40,8 5.324 9.298 19.279 Hessen 246 57,2 58,0 4,4 40,6 142,1 40,1 5.036 9.452 20.051 Mecklenburg-Vorpommern 42 36,2 33,2 16,2 182,7 570,7 29,3 5.366 10.484 20.566 Niedersachsen 239 55,3 56,0 16,1 99,0 561,2 37,1 5.189 11.859 29.192 Nordrhein-Westfalen 184 46,5 40,5 22,4 67,2 275,5 13,1 5.071 12.336 20.038 Rheinland-Pfalz 106 55,2 53,7 9,0 71,4 465,3 45,4 7.705 16.634 41.326 Saarland 42 80,8 67,4 7,6 35,2 111,0 52,2 6.029 12.228 18.864 Sachsen 144 46,2 46,8 4,6 51,9 166,0 33,9 2.602 8.407 20.299 Sachsen-Anhalt 80 65,6 58,3 29,7 123,5 523,9 36,4 5.419 9.304 19.953 Schleswig-Holstein 74 43,3 37,3 5,4 39,7 594,4 35,6 4.976 13.229 39.566 Thüringen 62 28,3 26,4 7,9 60,6 170,3 25,2 3.380 7.478 19.149 Bund insgesamt 2.112 46,6 45,6 2,8 59,8 594,4 29,4 2.602 10.518 41.326 Tabelle 1: Kleinstädte in den Bundesländern (Stand 2016) * Angaben beziehen sich auf die Gemeinden / den Gemeindeverband gesamt, während Kriterien zur Definition auf die größte Gemeinde im Gemeindeverband bezogen werden. Quelle: Laufende Raumbeobachtung des BBSR teilt werden. Des Weiteren ist es sinnvoll, Kleinstädte auch nach ihrer Lage im Bundesgebiet zu unterscheiden, also ob sie zentrale Lage periphere Lage sehr sehr gesamt sehr zentral, zentral, peripher oder sehr peripher von den Zent- zentral peripher zentral peripher ren und Agglomerationen liegen.2 Größere Kleinstadt 227 360 252 37 876 Kleine Kleinstadt 125 475 525 111 1.236 Die 925 Kleinstädte in peripherer Lage stehen vor anderen Her- gesamt 352 835 777 148 2.112 ausforderungen als die 1.187 Kleinstädte in zentraler Lage, was 1.187 925 in den nachfolgenden Abbildungen zur demografischen Ent- Tabelle 2: Kleinstädte nach Größenklasse und Lage wicklung und zu Beschäftigung und Arbeitsmarkt deutlich wird. Quelle: Laufende Raumbeobachtung des BBSR % 1990 bis 2016 % 2006 bis 2016 8 8 6 6 4 4 2 2 0 0 Großstädte Kleinstädte -2 -2 Mittelstädte Landgemeinden -4 -4 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2006 2008 2010 2012 2014 2016 Bund insgesamt Abbildung 3: Bevölkerungsentwicklung nach Stadt- und Gemeindetyp Quelle: Bevölkerungsfortschreibung des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung (2) Vgl. www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/Raumtypen2010_vbg/Raumtypen2010_alt.html?nn=44327 Kleinstädte in Deutschland – Statistiken und generelle Trends 4
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Demografische Entwicklung von Kleinstädten % 1990 bis 2016 % 2006 bis 2016 20 20 In der langfristigen Perspektive seit 1990 haben Kleinstädte im 15 15 10 10 Durchschnitt am stärksten von der Bevölkerungsentwicklung 5 5 profitieren können, nämlich ein Plus von 5,2 Prozent. Das star- 0 0 ke Bevölkerungswachstum der Kleinstädte insgesamt findet in -5 -5 -10 -10 den Jahren 2002 bis 2004 sein vorläufiges Ende. Dies ist der Zeit- -15 -15 punkt, an dem die Verluste der Großstädte erst stagnieren und -20 -20 sich dann langsam in Wachstum umkehren. So ist die Entwick- -25 1990 1995 2000 2005 2010 2015 -25 2006 2008 2010 2012 2014 2016 lung der Kleinstädte in den letzten zehn Jahren insgesamt erst größere kleine Kleinstädte größere kleine Kleinstädte von Schrumpfung mit einer Erholung und Wachstum ab 2013/14 sehr zentral peripher zentral sehr peripher geprägt. Von 2006 bis 2016 verzeichnen die Kleinstädte ein Minus von 0,6 Prozent. Abbildung 4: Bevölkerungsentwicklung der Kleinstädte nach Lage Quelle: Bevölkerungsfortschreibung des Bundes und der Länder, Laufende Aber nicht alle Kleinstädte konnten mit dem langfristigen bun- Raumbeobachtung desdeutschen Bevölkerungswachstum mithalten. Während die Gruppe der zentral und sehr zentral liegenden Kleinstädte im Saldo je 1.000 Einwohner Durchschnitt seit 1990 einen Zuwachs von 15 bis 19 Prozent ver- 12 zeichneten, verloren Kleinstädte vor allem in sehr peripheren 10 Lagen zwischen 13 und fast 24 Prozent. Die Suburbanisierung 8 bis Mitte der 2000er Jahre verhieß auch für peripher gelegene Kleinstädte im Durchschnitt ein leichtes Bevölkerungsplus. In 6 den letzten zehn Jahren konnten allerdings fast nur noch die 4 Kleinstädte in sehr zentraler Lage Bevölkerung gewinnen. 2 1,7 -1,7 1,3 4,5 4,6 8,7 10,4 9,4 7,7 4,2 0 Eine Quelle des Bevölkerungswachstums ist die Zuwanderung -2 aus dem In- und Ausland. Zur Jahrtausendwende hatten die Bund Groß- Mittel- Klein- Land- insgesamt städte städte städte gemeinden Großstädte als einzige Kategorie Wanderungsverluste zu ver- zeichnen. Auch die jüngsten Stabilisierungs- und Wachstums- Durchschnitt 1998-2000 phasen aller Städte- und Gemeindetypen beruhen auf Zuwande- Durchschnitt 2013-2015 rung, vornehmlich der Flüchtlings- und Auslandzuwanderung in 2014 und 2015. Je peripherer Kleinstädte liegen, desto geringer Abbildung 5: Wanderungssaldo nach Stadt- und Gemeindetyp bzw. negativer war das Wanderungssaldo um die Jahrtausend- Quelle: Bevölkerungsfortschreibung des Bundes und der Länder, Laufende wende und desto geringer fällt die aktuelle Zuwanderung aus. Raumbeobachtung Durchschnitt 1998-2000 Durchschnitt 2013-2015 Saldo je 1.000 Einwohner Saldo je 1.000 Einwohner 10 10 6 6 7,2 6,7 9,5 9,1 8,3 7,4 6,8 2,5 7,4 1,9 9,2 5,4 4,6 5,0 2 2 -8,6 -0,2 -2 -2 -6 -6 -10 größere Kleinstädte -10 sehr sehr sehr sehr zentral peripher zentral peripher zentral peripher zentral peripher kleine Kleinstädte Abbildung 6: Wanderungssaldo der Kleinstädten nach Lage Quelle: Bevölkerungsfortschreibung des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung Kleinstädte in Deutschland – Statistiken und generelle Trends 5
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 An den Wanderungsbewegungen sind nicht alle Bevölkerungs- Die überproportionale Abwanderung junger Erwachsener be- gruppen gleichermaßen beteiligt. Jüngere Bevölkerungsgrup- schleunigt die Alterung in den betroffenen Städten und Gemein- pen, vor allem zwischen 18 und 30 Jahren sind mobiler als ältere den; die Zuwanderung verlangsamt sie in den Zuwanderungs- oder Kinder. Überdies ist die Wanderungsaktivität in den mobilen gemeinden. Weil die Kleinstädte in sehr peripherer Lage stark Bevölkerungsgruppen geschlechterselektiv. von Abwanderung betroffen waren und am wenigsten von der Zuwanderung in den letzten Jahren profitiert haben, ist die Be- völkerung dort am stärksten gealtert. Durchschnittsalter 2016 Entwicklung des Durchschnittalters Entwicklung des Durchschnittalters 2000 bis 2016 2006 bis 2016 Jahre Jahre Jahre 50 6 6 5 5 40 43,9 42,4 44,4 44,8 44,9 4 4 30 3 3 20 2 2 10 3,2 1,0 3,6 4,5 5,1 1,7 0,2 1,9 2,6 2,9 1 1 0 0 0 Bund Groß- Mittel- Klein- Land- Bund Groß- Mittel- Klein- Land- Bund Groß- Mittel- Klein- Land- insgesamt städte städte städte gemeinden insgesamt städte städte städte gemeinden insgesamt städte städte städte gemeinden Abbildung 7: Durchschnittsalter nach Stadt- und Gemeindetyp Quelle: Bevölkerungsfortschreibung des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung Durchschnittsalter 2016 Entwicklung des Durchschnittalters Entwicklung des Durchschnittalters 2000 bis 2016 2006 bis 2016 Jahre Jahre Jahre 50 7 7 6 6 40 43,9 44,5 45,1 47,7 5 5 43,8 44,3 45,2 47,0 30 4 4 20 3 3 2 2 größere 3,9 4,4 4,4 6,4 2,5 2,5 3,4 Kleinstädte 4,9 2,2 10 4,1 4,6 6,0 2,3 2,7 2,8 3,3 1 1 kleine Kleinstädte 0 0 0 sehr sehr sehr sehr sehr sehr zentral peripher zentral peripher zentral peripher zentral peripher zentral peripher zentral peripher Abbildung 8: Durchschnittsalter der Kleinstädte nach Lage Quelle: Bevölkerungsfortschreibung des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung Kleinstädte in Deutschland – Statistiken und generelle Trends 6
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Beschäftigtenentwicklung und Arbeitsmarkt von Kleinstädten 15 % 12 Die Anzahl sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze hat nach Jahren der Krise und Stagnation bundesweit seit 2005 fast 9 überall stark zugenommen. Für Städte jeder Größenordnung 6 ist die Entwicklung im Durchschnitt gleich lautend. Kleinstädte 3 konnten von 2000 bis 2016 die sozialversicherungspflichtige Be- 0 schäftigung um insgesamt knapp 14 Prozent steigern. Sie liegen mit dieser Rate mit den Großstädten gleichauf. -3 -6 Auch hier zeigt sich in der Gruppe der Kleinstädte eine Abhän- -9 gigkeit von der Lage hinsichtlich ihrer Arbeitsplatzentwicklung. Zwar können die Kleinstädte in allen Lagen ihre Beschäftigung -12 2000 2005 2010 2015 seit 2005 steigern, aber die Entwicklung der Kleinstädte in peri- pheren Lagen ist weniger dynamisch und kann die Verluste der Großstädte Mittelstädte Kleinstädte Landgemeinden Bund insgesamt Jahre 2000 bis 2005 nicht ausgleichen. Besonders stark ist die Beschäftigung in Kleinstädten in zentralen Lagen gestiegen mit Abbildung 9: Beschäftigtenentwicklung 1990 bis 2016 nach Stadt- und insgesamt 24 bis knapp 30 Prozent. Gemeindetyp Quelle: Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit, Laufende Die ungünstigere Arbeitsplatzentwicklung in Kleinstädten in peri- Raumbeobachtung pheren Lagen schlägt sich in einer leicht überdurchschnittlichen Arbeitslosenquote nieder. Generell gilt ansonsten für Kleinstädte % insgesamt, dass die Arbeitslosigkeit niedriger ist als in Groß- und 30 Mittelstädten sowie niedriger als der Bundesdurchschnitt. 25 20 Je kleiner die Städte und Gemeinden, desto niedriger ist der Arbeitsplatzbesatz, also die lokale Versorgung der erwerbsfä- 15 higen Bevölkerung mit sozialversicherungspflichtigen Arbeits- 10 plätzen. Im Allgemeinen gleichen die Erwerbspersonen das feh- 5 lende mangelnde Angebot durch Auspendeln aus, weshalb die 0 Arbeitslosigkeit vergleichsweise niedrig ist. Zu beachten ist der leicht höhere Arbeitsplatzbesatz in Kleinstädten in peripherer -5 und sehr peripherer Lage. Hier wird die höhere Bedeutung der -10 Kleinstädte als Versorgungszentren in diesen Lagen deutlich. -15 2000 2005 2010 2015 Auch in anderer Hinsicht haben Kleinstädte in peripherer Lage größere kleine Kleinstädte größere kleine Kleinstädte eine andere Versorgungsfunktion für die eigene Bevölkerung sehr zentral peripher und die ihres Umlands als zentrale Kleinstädte. Durch die demo- zentral sehr peripher grafische Entwicklung sind diese Funktionen jedoch gefährdet. Abbildung 10: Beschäftigtenentwicklung 1990 bis 2016 nach Stadt- und Das Forschungsfeld „Potenziale von Kleinstädten in peripherer Gemeindetyp Lage“ widmet sich daher den peripher gelegenen Kleinstädten Quelle: Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit, Laufende und ihren spezifischen Entwicklungsstrategien. Raumbeobachtung Kleinstädte in Deutschland – Statistiken und generelle Trends 7
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Arbeitslosenquote* 2016 Arbeitsplatzbesatz 2016 Arbeitslosenquote* 2016 Arbeitsplatzbesatz 2016 % Beschäftigte je 100 erwerbsfähige Einwohner % Beschäftigte je 100 erwerbsfähige Einwohner 10 80 10 80 70 70 8 8 60 60 6 50 6 50 40 40 4 30 4 30 3,9 4,3 5,4 10,0 20 47,8 46,7 60,5 60,2 63,0 46,9 2 3,2 3,7 4,3 7,5 38,6 39,7 43,7 45,8 6,1 8,2 6,3 4,5 4,0 20 58,1 72,0 33,2 2 10 10 0 0 0 0 sehr zentral peripher sehr sehr zentral peripher sehr Bund Groß- Mittel- Klein- Land- Bund Groß- Mittel- Klein- Land- zentral peripher zentral peripher insgesamt städte städte städte gemeinden insgesamt städte städte städte gemeinden größere Kleinstädte kleine Kleinstädte Abbildung 11: Arbeitsmarkt nach Stadt- und Gemeindetyp Abbildung 12: Arbeitsmarkt in Kleinstädten nach Lage * Die Erwerbspersonen auf Gemeindeebene werden von der BA nicht * Die Erwerbspersonen auf Gemeindeebene werden von der BA nicht ausgewiesen; Schätzung der Erwerbspersonen über die kreisspezifische ausgewiesen; Schätzung der Erwerbspersonen über die kreisspezifische Erwerbsquote und Gemeindebevölkerung im erwerbsfähigen Alter als Basis Erwerbsquote und Gemeindebevölkerung im erwerbsfähigen Alter als Basis für die Arbeitslosenquote; Quelle: Arbeitslosen- und Beschäftigtenstatistik für die Arbeitslosenquote; Quelle: Arbeitslosen- und Beschäftigtenstatistik der BA, Laufende Raumbeobachtung der BA, Laufende Raumbeobachtung Der Wachstumsdruck der Großstädte und Agglomerationen startet die Bundesregierung die „Initiative Kleinstädte in wirkt sich dagegen häufig auch auf die Kleinstädte in zentraler Deutschland“. In 2019 wird der Bericht zur „Lage und Zukunft Lage aus. Das Forschungsprojekt „Lage und Zukunft der Klein- der Kleinstädte in Deutschland“ umfassende Statistiken und städte in Deutschland – Bestandsaufnahme zur Situation der Entwicklungstrends der Kleinstädte sowie den Stand der Res- Kleinstädte in zentralen Lagen“ untersucht einerseits die mög- sortforschung und der Städtebauförderung präsentieren. lichen Entwicklungspfade der Kleinstädte in zentralen Lagen sowie Handlungsstrategien, die eigene Entwicklung zu steuern und die Stadtstruktur zu gestalten. Die hier vorgestellten Statistiken belegen die hohe Bedeutung Ansprechpartner der Kleinstädte als Wohn- und Wirtschaftsstandorte in Deutsch- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Referat I 6 – Stadt-, Umwelt- und Raumbeobachtung land. Der Vielfältigkeit der Kleinstädte und ihren unterschied- Antonia Milbert lichen Herausforderungen muss mit verschiedenen Strategien Telefon: 0228 / 99401-2256 begegnet werden. Der Bedeutung und Aufgabe entsprechend antonia.milbert@bbr.bund.de Kleinstädte in Deutschland – Statistiken und generelle Trends 8
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen Kleinstädte in peripheren Lagen außerhalb der größeren Städte sind damit zugleich wichtige Entwicklungs- und Stabili- Zentren sind unabdingbar, um sich dem Ziel gleichwertiger sierungspole für ihr Umland. Lebensverhältnisse in ländlichen und städtischen Regionen zu nähern. Aber vor welchen spezifischen Herausforderun- Seit Mitte der 2000er Jahre verlieren Kleinstädte in peripheren gen stehen diese Städte in Deutschland? Welche konkreten Lagen jedoch an Bevölkerung. Sie stehen vor der Aufgabe, Infra- Potenziale für die Entwicklung der Kommunen sind vorhanden strukturen und Versorgung aufrechtzuhalten, umzubauen und und wie lassen sich diese erfolgreich in Wert setzen? Wie sich auf eine älter werdende Gesellschaft einzustellen. Lange sind Prozesse so zu gestalten, dass Zivilgesellschaft und Ver- Zeit wurden neue Arbeitsplätze als Schlüssel für Stabilisierung waltung erfolgreich zusammenwirken? Diese Fragen gilt es und Entwicklung gesehen. Die Zahlen der Statistik zeigen je- zu beantworten, um die Funktionen von Kleinstädten in peri- doch, dass dies nicht immer zutrifft. Die Situation von Kleinstäd- pheren Lagen zu stärken und weiterzuentwickeln. ten in peripheren Lagen ist komplexer und dabei vielschichtig und unterschiedlich. Ziele Angesichts veränderter Rahmenbedingungen ist es für die klei- Das ExWoSt-Forschungsfeld greift die besondere räumliche Be- nen Städte in peripheren Lagen wichtig, sich ihrer Situation, deutung der über 900 Kleinstädte in peripheren Lagen auf. Ziel der Herausforderungen und eigenen Möglichkeiten bewusst zu des Forschungsfeldes ist es, Kleinstädte in peripheren Lagen bei sein. Sie müssen ihre Funktion und Ziele neu bestimmen und der Ausschöpfung ihrer Entwicklungspotenziale zu unterstützen. ihre (unentdeckten) Potenziale erkennen, heben und in Wert Die Untersuchung der spezifischen Handlungsbedingungen und setzen. Im Wettbewerb der Städte um junge Menschen, Fami- die Identifizierung konkreter Potenziale und Entwicklungsstrate- lien, Arbeitsplätze, Kaufkraft und Besucher scheint es unerläss- gien von Kleinstädten stehen dabei im Vordergrund. lich zu sein, sich seiner eigenen Stärken und Entwicklungs- chancen bewusst zu werden. Hier setzte das Forschungsfeld Anlass „Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen“ an. Ziel war es, genauer zu untersuchen, wo diese Kleinstädte stehen und Als Wohn- und Arbeitsstandorte, als Orte der Versorgung, Be- welche Potenziale, Strategien und Maßnahmen für eine quali- gegnung, Kultur und Bildung übernehmen die über 900 Klein- tätvolle, nachhaltige Stadtentwicklung erfolgversprechend sein städte in peripheren Lagen für ihre fast 10 Millionen Einwohner können. wichtige Funktionen. Viele hoch spezialisierte Unternehmen haben dort ihren Standort. Deren Mitarbeitern wie der Bevöl- Gestaltung des Forschungsfeldes kerung bieten sie eine besondere, eigene Lebensqualität. Die Der Forschungsansatz stellt die Stadtgesellschaft in den Vorder- grund und nicht allein die Stadt als gebauten Raum. Kooperative Lernendes Kleinstadtplanung Netzwerk Als Modellvorhaben wurden im Frühjahr 2015 in einem bundes- Erfahrungswerkstätten Bürgerbeteiligung weiten Wettbewerb acht Kleinstädte ausgewählt: Bad Loben- Lernende Ausstellung Szenariowerkstätten Kleinstadtakademie stein (Thüringen), Beverungen (Nordrhein-Westfalen), Groß- Jugend-BarCamps ExWoSt schönau (Sachsen), Kastellaun (Rheinland-Pfalz), Malente Forschungsfeld (Schleswig-Holstein), Mücheln (Sachsen-Anhalt), Rodewisch Transfer und (Sachsen) und Zell am Harmersbach (Baden-Württemberg). Kleinstadtforschung Öffentlichkeitsarbeit Forschungsfragen Internetplattform Das ExWoSt-Forschungsfeld wurde anhand von vier Themenfel- ExWoSt-Info Fachaufsätze dern strukturiert (Abbildung 13): Kleinstadtkongresse (1) Kooperative Kleinstadtplanung: Kern des Forschungsfeldes Abbildung 13: Themenfelder des Forschungsfeldes waren Prozesse einer gemeinschaftlichen Kleinstadtent- Quelle: Hochschule Neubrandenburg wicklung mit dem Ziel einer (Neu-)Orientierung und Zu- Weitere Informationen www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/FP/ExWoSt/ Forschungsfelder/2015/PotenzialeKleinstaedte/ PotenzialeKleinstaedte_node.html Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen 9
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 kunftsvision, die von der Kleinstadtgemeinschaft getragen und umgesetzt werden kann. Das Forschungsfeld bot den Modellvorhaben für diesen Prozess einen methodischen Phase 1 Phase 2 Phase 3 und organisatorischen Rahmen. Mit Hilfe einer Abfolge von Szenario- Phase 4 Faktoren und Diskussion Szenario- Szenariowerkstätten, die einen Szenarioprozess struktu- feld- bestimmung der Sprung in die Zukunft Szenario- entwürfe transfer rierten, und JugendBarCamps wurden sie in die Lage ver- setzt, einen kooperativen Prozess zu initiieren und umzuset- zen. Werkstatt I Februar bis Werkstatt II+III Juni bis Werkstatt IV Januar bis Werkstatt V + VI August bis (2) Lernendes Netzwerk: Das Forschungsfeld verstand sich als April 2016 Oktober 2016 Februar 2017 Oktober 2017 ein lernender Prozess. Dieser Ansatz wurde u. a. anhand fol- Abbildung 14: Struktur der Szenarioprozesse in den Modellvorhaben des gender Elemente realisiert: (a) sechs Erfahrungswerkstätten Forschungsfeldes als das zentrale Austauschformat über Probleme und strate- Quelle: Hochschule Neubrandenburg gische Ansätze der Kleinstadtentwicklung, (b) eine Lernende Ausstellung sowie (c) die konzeptionelle Vorbereitung einer Kleinstadtakademie, die neben dem Erfahrungsaustausch Kernaussagen aus dem Forschungsfeld und der Qualifizierung der Kommunen auch dem Aufbau und der Erweiterung eines Kleinstadtnetzwerkes dienen soll. Geht es um die Zukunft kleinerer Städte spricht vieles für (3) Kleinstadtforschung. (a) den Weg einer „kooperativen Kleinstadtentwicklung“ (4) Öffentlichkeitsarbeit und Transfer. (b) mit dem Ziel einer eigenen „kleinstädtischen Urbanität“. Szenarioprozesse (a) Kooperative Kleinstadtplanung Die Szenarioprozesse vor Ort basierten auf einem partizipativen Kleinstadtplanung muss neu gedacht werden! Wichtig ist die Prozess, in dem Akteure vor Ort Zukunftsbilder für ihre Stadt Entwicklung und Förderung von neuen Planungsmethoden und entwickelten (normative narrative Szenarien - eine quasi-lite- Planungsprozessen abseits von (ergänzender) klassischer Rah- rarische Erzählung über die gewünschte Zukunft der Kleinstadt menplanung und städtebaulichen Handlungskonzepten, die stär- ergänzt um eine Visualisierung). In allen Modellvorhaben wurde ker zukunftsorientiert und gemeinschaftlich getragen sind. So eine sogenannte Szenariogruppe mit ca. 25 Akteuren gebildet. können normative, narrative Szenarioprozesse ein Impulsgeber Insgesamt waren ca. 180 Akteure in die Szenarioprozesse in- und „Katalysator“ für einen gemeinschaftlichen Stadtentwick- volviert. Die Grundstruktur des Szenarioprozesses bildete eine lungsprozess sein. Abfolge von Szenariowerkstätten (Abbildung 14). Das aus dem Prozess hervorgehende Zukunftsbild wurde in den Kleinstädten Die gemeinsame Arbeit im Sinne einer kooperativen Kleinstadt- als Basis für die Erarbeitung einer strategischen Grundlage für planung fördert eine neue Planungskultur die weitere Stadtentwicklung (Handlungskonzept, Stadtentwick- –– partizipativ lungskonzept, Strategiepapier o. ä.) genutzt und wurde in kon- –– ganzheitlich orientiert und krete Umsetzungsprojekte überführt. –– strategisch fokussiert. Jugend-BarCamps Sie bietet große Potenziale, um die Ideen in konkreten Projekten umzusetzen. Denn sie: Das Verständnis der gemeinschaftlichen Kleinstadtentwicklung –– bricht etablierte Denkmuster in der Planung auf, schloss eine aktive Jugendbeteiligung in den Modellvorhaben –– erschließt individuelle Handlungsspielräume und ein. Hier fiel die Entscheidung auf das offene Format Jugend- –– setzt dabei vor allem auf die Offenheit und die Kreativität aller. BarCamp, ein weitgehend hierarchiefreies Format der Groß- gruppenmoderation, das dem OpenSpace sehr ähnlich ist. In Soziale Innovationen, Experimentieren und kollektives Lernen jedem der acht Modellvorhaben wurde ein solches Jugend-Bar- sind Schlüsselfaktoren für neue Wege zur Lösung der gemein- Camp durchgeführt. Jugendlichen sollte auf kreative und ihnen samen kommunalen Probleme. gerechte Weise, Raum und Möglichkeiten gegeben werden, ihre Sicht auf die Kleinstadt zu artikulieren, eigene Zukunftskonzep- Die Akteure aus Verwaltung und Politik in den Kleinstädten müs- te und Visionen zu entwickeln. Ein über die Durchführung der sen qualifiziert und gestärkt werden, um den Anforderungen einer Jugend-BarCamps hinausgehendes Ziel war, dass vor Ort eine kooperativen Kleinstadtplanung gerecht werden zu können – dies „Jugendbeteiligungskultur“ sowie entsprechende Strukturen durch Vernetzen, Austausch, Lernen, gute Beispiele, etc. – aber und Netzwerke entstehen. auch durch zusätzliche personelle Kapazitäten in der Verwaltung. Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen 10
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Dies gilt sowohl für die für den Zukunftsprozess Verantwortlichen in der Verwaltung und der Kommunalpolitik, als auch für die in- volvierten Akteure der Stadtgesellschaft. Bürgerliches Engage- ment und Beteiligung ist gleichzeitig Potenzial und Erfolgsfaktor. Finanzielle und personelle Ressourcen: Die Begleitung eines Prozesses kooperativer Kleinstadtplanung bedarf finanzieller wie personeller Ressourcen, um seinen kontinuierlichen Fort- gang abzusichern. Ein komplexer Prozess braucht eine Person, die als Impulsgeber und Triebkraft fungiert und voll hinter dem Prozess steht. Aber nicht nur der Prozess des gemeinsamen Planens bedarf einer abgesicherten Unterstützung. Gerade die bereits parallel begonnene und sich anschließende Umsetzung der entwickelten Projekte bindet langfristig viele Ressourcen. Foto: Hochschule Neubrandenburg Zur Nutzung der gemeinsam erschlossenen neuen Möglichkei- ten braucht es daher eines entsprechenden Finanzrahmens und personeller Begleitung. Zum Abschluss der Modellvorhaben haben die beteiligten Klein- städte aus ihrer Sicht wichtige Erfolgsfaktoren und Hemmnisse Umsetzung der Projekte: Die langfristige Akzeptanz eines Pro- von Prozessen kooperativer Kleinstadtplanung zusammengefasst. zesses hängt in starkem Maße von der Wahrnehmbarkeit seiner konkreten Ergebnisse ab. Neben den sich durch Kooperation Rückhalt aus der Kommunalpolitik: An erster Stelle braucht es ergebenden weichen Effekten wie neue Netzwerke, gemeinsa- vor Ort den Mut, sich auf einen gemeinsamen kooperativen me Lerneffekte, neue Identitäten steht die Umsetzung der ent- Prozess einzulassen. Insbesondere die Kommunalpolitik muss wickelten Projekte für den Erfolg des Prozesses. Ratsam ist es, gewillt sein, aus der Bottom-up-Perspektive entstehende Ideen die Umsetzung erster kleiner, machbarer Projekte bereits paral- und Lösungsansätze aufzunehmen und auch dauerhaft zu unter- lel zum Planungsprozess anzustoßen, um seine Wirksamkeit zu stützen. Ein klares und starkes Signal von „oben“ kann so einen zeigen. Wichtig ist hier auch die Information über Fortschritte Widerhall von „unten“ erzeugen. Kooperative Stadtentwicklung bei der Projektentwicklung. sollte Chefsache sein. Erfahrungsaustausch und gemeinsames Lernen: Der Austausch Gute Begleitung: Eine qualifizierte externe Moderation stellt für mit anderen Kleinstädten kann wertvolle Impulse für die eigene den Prozess vor Ort einen methodischen Rahmen zur Verfügung, Arbeit liefern. Vielerorts sind bereits Ideen entstanden, die An- der den gemeinsamen Weg der Akteure in der Kleinstadt struktu- haltspunkte für die Lösung der im Prozess identifizierten Pro- riert und unterstützt. Darüber hinaus sind externe Impulse und der bleme bieten. Es geht dabei darum, das Prinzip der Problem- Blick von außen hilfreich, um neue Perspektiven zu erschließen. lösung zu verstehen und auf die eigene Situation anzuwenden. Diese Erkenntnisse können gerade im Austausch erschlossen Beteiligung und Information: Die Wahl der richtigen aktivieren- werden. den Beteiligungsformate ist wichtig, um zielgruppengerecht die Mitwirkung eines möglichst repräsentativen Ausschnitts der (b) Kleinstädtische Urbanität Stadtgesellschaft zu erreichen. Darüber hinaus geht es zum einen darum, gemeinsam einen ganzheitlichen, querschnitts- Es gibt eine eigene Urbanität in der Kleinstadt. Es ist eine bür- orientierten Blick auf die Entwicklungsbedingungen der Klein- gergetragene Urbanität, die auf Wohnen, Lebensgefühl und stadt zu erarbeiten. Zum anderen muss den beteiligten Akteuren Lebensqualität, auf Vielfalt, Lebendigkeit und Kreativität in den in kommunikativen, kreativen Formaten eine Möglichkeit eröff- Kernstädten oder Ortsteilen zielt. Soziale, auf die Menschen und net werden, einen ergebnisoffenen gedanklichen Sprung in die deren Zusammenleben bezogenen Aspekte machen zu großen Zukunft zu vollziehen. Neben Beteiligung spielt auch Information Teilen dieses Lebensgefühl aus. Mangels einer Breite an An- über den Prozess eine große Rolle, um die Stadtgesellschaft geboten müssen sich der Kleinstädter bzw. die Kleinstädterin über den Fortgang des Prozesses und seine Ergebnisse auf dem um Manches selbst kümmern, was einem in der Großstadt eine Laufenden zu halten und deren Akzeptanz zu fördern. ausdifferenzierte Verwaltung oder Dienstleistungsökonomie ab- nehmen könnte. Dies bietet im Gegenzug die Möglichkeit, dass Motivation und Engagement: Eine hohe und andauernde Moti- eigene Vorstellungen von Lebensqualität vor Ort gestaltet und vation aller am Prozess Beteiligten ist eine wichtige Ressource. verwirklich werden können. Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen 11
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 In den Szenarioprozessen haben sich die Mitglieder der Szena- riogruppen mit den Potenzialen, den Einflussfaktoren auf die Ent- wicklung ihrer Stadt sowie den Zielen und Wünschen für die Zu- kunft in einem moderierten Prozess auseinandergesetzt. Dabei hat sich gezeigt, dass bestimmte Themen und Handlungsfelder in allen Modellvorhaben relevant waren: –– Wohnen, Lebensqualität und Lebensgefühl sind für die Zukunft wichtig. Die Wohnungsnachfrage in Kleinstädten ist nicht mehr vorrangig auf das Einfamilienhaus begrenzt, sondern differen- ziert sich stärker aus. Es geht um gute Bedingungen für das eigene Leben und neue Einwohner, weniger um Arbeitsplätze. –– Mobilität und Erreichbarkeit der nächsten Zentren sowie die Anbindung der Ortsteile an die Kernstadt sind für alle Bevöl- Foto: pixabay.com kerungsgruppen wichtig. Bahnverbindungen und regionale Schnellbuslinien gewinnen an Bedeutung. Gut vernetzte, alter- native und flexible Mobilitätsformen sollen die innergemeind- Klassische Handlungsfelder müssen mit neuen Konzepten unter- liche und kleinregionale Anbindung sichern. Mobilitätsdreh- setzt werden, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern. Es geht in scheibe ist der Bahnhof. einem weiteren Sinne darum, Innovationspotenziale zu erken- –– Sozialer Zusammenhalt, Engagement, Identität und Image sind nen, innovationsfreundliche Strukturen und Räume zu schaffen, wichtig für die Zukunft der Kommunen. Tragende Säulen hier- die es den Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürgern, Unter- für sind die örtliche Vereinslandschaft und Gemeinschafts- und nehmen und Akteuren erlauben, eine Vielfalt von Initiativen zu Kommunikationsorte. Jugendliche wollen ihre eigenen Orte. entwickeln und die Lebensqualität, Wertschöpfung und Versor- –– Für die wirtschaftliche Entwicklung gewinnen im Bewusst- gung innerhalb der Region zu stärken. sein der Szenariogruppen Wissensökonomie und Dienstleis- tungen sowie Lebensqualität auf der Grundlage der eigenen Stärken an Bedeutung. Kreative Orte und kreative Köpfe sol- len gefördert, Bildung gestärkt und Hochschulen als Partner Veröffentlichungen gewonnen werden. BBSR (Hrsg.): Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen, Ex- –– Tourismus in der Kleinstadt ist ein Querschnittsthema, das vie- WoSt-Informationen 50/1, Bonn, September 2016. le Aspekte der Lebensqualität berührt. Touristische Angebote BBSR (Hrsg.): Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen, Ex- und Infrastrukturen kommen sowohl den Gästen als auch der WoSt-Informationen 50/2, Bonn, Januar 2018. Einwohnerschaft zugute. BBSR (Hrsg.): Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen, Ex- –– Die Digitalisierung wird in vielen Handlungsfeldern als Teil WoSt-Informationen 50/3, Bonn, Juni 2018. neuer Lösungen und Strategien verstanden. Sie bietet Mög- BBSR (Hrsg.): Expertise Kleinstädte – Sammlung von Ideen | Beispielen | Projekten | Szenarien zur Entwicklung zukunftsfähiger Kleinstädte, lichkeiten anderer Erreichbarkeiten, Vernetzungen und An- BBSR-Online-Publikation 19, Bonn, 2017. gebote. Ob die Digitalisierung dazu genutzt werden kann, die BBSR (Hrsg.): Urbane Kleinstädte, Bonn, 2018. ortsgebundenen Nachteile der Kleinstadt durch ortsunab- hängiges Agieren und Kooperationsnetze über das Internet Ansprechpartner zu kompensieren, bleibt offen. Ihre Wirkungen auch in Bezug Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) auf neue Arbeits- und Lebensformen ist (vorerst noch) mit vie- Referat SW I 7 len Unsicherheiten verbunden. Prof. Dr. Hagen Eyink, Silke Andresen –– Wenn mit den bisher genutzten Instrumenten Ziele der Klein- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) stadtentwicklung nicht erreicht werden können, wird Koope- Referat I 7 – Baukultur und Städtebaulicher Denkmalschutz Lars Porsche ration als ein wesentlicher Lösungsansatz aufgegriffen. Dies Hochschule Neubrandenburg gilt sowohl für die Zusammenarbeit in der jeweiligen Klein- Institut für kooperative Regionalentwicklung stadt selbst (Kooperation nach innen) als auch für die Zusam- Prof. Dr. Peter Dehne, Dr. Jens Hoffmann, Heidrun Hiller menarbeit auf überörtlicher Ebene (Kooperation nach außen). Brodaer Straße 2, 17033 Neubrandenburg Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen 12
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Das Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ Das Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Ge- DK meinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ wurde im Jahr 2010 von Bund und Ländern gestartet. Ziel des ! Kiel Programms ist es, Klein- und Mittelstädte in den ländlichen ! Rostock Räumen als wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zentren zu ! Hamburg ! Schwerin stärken und als Ankerpunkte der Daseinsvorsorge auch für Bremen ! die Zukunft handlungsfähig zu machen. Das Programm hat mit PL seinem überörtlichen Ansatz maßgeblich zur Bewusstseins- Berlin ! Hannover ! ! NL Potsdam bildung für die Herausforderungen, vor allem aber die spezi- ! ! Magdeburg Bielefeld fischen Potenziale dieser Städte beigetragen. Cottbus ! Essen ! Dortmund Halle/S. ! ! Leipzig Düsseldorf ! ! ! Anlass und Ziele der Förderung Kassel Dresden Erfurt ! ! Köln ! Bonn ! Chemnitz ! BE Angesichts des demografischen und wirtschaftlichen Wandels Wiesbaden ! CZ stehen viele Städte und Gemeinden in ländlichen Räumen vor ! ! Frankfurt/M. Mainz LU besonderen Herausforderungen. Wie lebenswert und zukunfts- Mannheim ! ! Nürnberg fähig kleinere Städte und Gemeinden sind, hängt entscheidend ! Saarbrücken von ihren Infrastrukturangeboten und attraktivem Wohnraum für FR Stuttgart ! alle Generationen ab. Eine veränderte und vielfach rückläufige Ulm ! Nachfrage sowie die kostenbedingte Aufgabe von wichtigen ! ! München AT Freiburg i.Br. örtlichen Bezugspunkten der Daseinsvorsorge bedeutet erheb- liche Funktions- und Attraktivitätsverluste für die Versorgung der CH 100 km Stadt-/Gemeindetyp Bevölkerung und auch für das städtebauliche Umfeld. Gleichzei- Mittelstadt Großstadtregionen tig wachsen auch in kleineren Städten die Anforderung an quali- Kleinstadt Gebiete außerhalb von Großstadtregionen Landgemeinde tätsvolles Wohnen und ein urbanes Umfeld. interkommunale Maßnahme © BBSR Bonn 2017 Abbildung 15: Städte und Gemeinden im Städtebauförderprogramm (Stand 2016) Um die Kommunen als Wohn- und Versorgungsstandorte zu Quelle: BBSR Bonn 2017. Datenbasis: Städtebauförderungsdatenbank stärken, gewinnt die Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen des BBSR. Geometrische Grundlage: Gemeinden, Länder (generalisiert), hinweg an Bedeutung. Das Programm „Kleinere Städte und Ge- 31.12.2015 © GeoBasis-DE/BKG meinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ richtet sich daher gezielt an Kommunen, die Kooperationen mit ihren Umlandgemeinden eingehen und gemeinsame Strategien zur Handlungsschwerpunkte Sicherung der Daseinsvorsorge und Lebensqualität umsetzen. Im Rahmen städtebaulicher Gesamtmaßnahmen werden Kom- Um die Kommunen zu unterstützen, stellt der Bund Finanzhilfen munen unterstützt, ihre Infrastrukturen der Daseinsvorsorge wie im Rahmen der Städtebauförderung für das Programm bereit. Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, Orte der Begegnung Förderfähig sind zum einen die Vorbereitung und Begleitung der und des bürgerschaftlichen Engagements oder Einrichtungen in Gesamtmaßnahmen in den Kommunen durch den Bereichen Gesundheit, Versorgung, Familie bedarfsgerecht –– die Erarbeitung überörtlich abgestimmter integrierter Ent- anzupassen und zu modernisieren. Zudem können sie ihre Stadt- wicklungskonzepte als gemeinsame Handlungsstrategie für und Ortskerne durch Maßnahmen der Innenentwicklung stärken die Kommunen, und damit wichtige Zukunftsinvestitionen anstoßen. Durch die –– der Aufbau strategischer Netzwerke zur überörtlichen Koope- verstärkte Zusammenarbeit der Kommunen können tragfähige ration (einschließlich eines Kooperationsmanagements) sowie Angebote geschaffen und die Lebensqualität in der Region wirk- –– Maßnahmen zur Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements sam gestärkt werden. und der Öffentlichkeitsarbeit. Weitere Informationen www.staedtebaufoerderung.info/StBauF/ DE/Programm/StaedteGemeinden/ staedteGemeinden_node.html DAS STÄDTEBAUFÖRDERPROGRAMM „KLEINERE STÄDTE UND GEMEINDEN – ÜBERÖRTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND NETZWERKE“ 13
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Auf der Basis der Strategieentwicklung und integrierter Ent- wicklungskonzepte können Investitionen in die Infrastruktur der Daseinsvorsorge, das Wohnumfeld und den öffentlichen Raum in den Kommunen gefördert werden. Dazu gehören: –– bauliche Maßnahmen zur Anpassung und Sanierung öffentli- cher, sozialer und kultureller Einrichtungen, –– die Sanierung und der bedarfsorientierte Umbau leerstehen- der Gebäude (zum Beispiel zu flexibel nutzbaren Multifunk- tionshäusern für eine wohnortnahe Versorgung) und –– Maßnahmen zur Innenentwicklung sowie zur Schaffung und Erhaltung von Grün- und Freiflächen bzw. zur Barrierearmut oder -freiheit von Gebäuden und Flächen. Mehrgenerationenpark in Kierspe, Nordrhein-Westfalen Programm stößt auf breite Resonanz Foto: Plan und Praxis Bis einschließlich 2017 wurden 611 Gesamtmaßnahmen in das Städtebauförderprogramm aufgenommen. Über 1.200 Kommu- nen sind mit eigenen Maßnahmen oder im Rahmen interkommu- naler Kooperationen beteiligt. Rund 95 Prozent der Kommunen sind kleinere Städte und Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwoh- nern, rund 5 Prozent sind kleinere Mittelstädte zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Städte und Gemeinden wurden bis einschließlich 2017 mit rund 428 Millionen Euro Bundesmitteln im Programm (Verpflich- tungsrahmen) gefördert. Die Bundesmittel werden durch Mittel der Länder und Kommunen in der Regel in jeweils gleicher Höhe Energieeffiziente Sanierung und Erweiterung einer Kita in der Gemeinde ergänzt. 2018 ist eine Fortsetzung des Programms in Höhe von Neuhardenberg im Mittelbereich Seelow, Brandenburg 70 Millionen Euro Bundesmitteln vorgesehen. Foto: Plan und Praxis Engagement der Kommunen und Förderung tragen zu neuen Qualitäten bei Veröffentlichungen In vielen Kommunen konnten in den letzten acht Jahren ge- BBSR (Hrsg.): Zweiter Statusbericht zum Städtebauförderprogramm meinsame Strategien zur Sicherung der Daseinsvorsorge und „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Lebensqualität entwickelt, öffentlich genutzte oder leerstehen- Netzwerke“, 2018. de Gebäude umgebaut, Infrastruktureinrichtungen angepasst BBSR (Hrsg.): Interkommunale Kooperationen in der Städtebauförde- rung, 2018. und Grün- und Freiräume den Nutzerinnen und Nutzern über- geben werden. Eine aktive Innenentwicklung trägt zunehmend BMUB (Hrsg.): Zukunftsweisende Ansätze in kleineren Städten und Gemeinden. Strategien und Projekte aus dem Städtebauförderungs- dazu bei, das Wohnen in den Stadt- und Ortskernen zu stärken programm, 2017. und eine zukunftsfähige Infrastruktur zu sichern. Dabei hat sich vielerorts auch eine neue Prozesskultur entwickelt; Kooperation Ansprechpartner und Beteiligungsprozesse sind ein wichtiger Garant für nachhal- Bundestransferstelle Kleinere Städte und Gemeinden tige Maßnahmen. Gleichwohl besteht gerade in kleineren Kom- Plan und Praxis GbR, Ingenieurbüro für Stadt- und Regionalplanung E-Mail: transferstelle-ksg@planundpraxis.de munen mit begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen Handlungsbedarf, um die begonnenen Prozesse und Maßnah- Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) Referat SW I 7 men zu verstetigen. Angesichts veränderter gesellschaftlicher Prof. Dr. Hagen Eyink, Silke Andresen und demografischer Rahmenbedingungen gilt es auch in Zu- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) kunft, kleinere Städte und Gemeinden als Ankerpunkte in der Referat I 4 Region zu stärken. Dr. Karin Veith DAS STÄDTEBAUFÖRDERPROGRAMM „KLEINERE STÄDTE UND GEMEINDEN – ÜBERÖRTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND NETZWERKE“ 14
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Lage und Zukunft der Kleinstädte in Deutschland – Bestandsaufnahme zur Situation der Kleinstädte in zentralen Lagen Die Rolle von Kleinstädten in ländlichen oder als peripher ein- DK gestuften Regionen als Knotenpunkte des Städtenetzes ist all- gemein anerkannt und erfährt jüngst in der Forschung stärke- re Beachtung, so auch im ExWoSt-Forschungsfeld „Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen“. Kleinstädte in zentra- PL len Lagen, welche in den letzten Jahren eine sehr dynamische Damme Velten Wildau Entwicklung erfahren, stehen bislang nicht im Fokus. Diese NL Hiddenhausen Lücke soll das Forschungsprojekt schließen. Forschungsprojekt Aue Nidda BE CZ Neu-Anspach Ziel des Forschungsprojektes ist es, aktuelle Themen, Fragestel- LU Püttlingen lungen und Herausforderungen von Kleinstädten in zentralen FR Lagen zu identifizieren und Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzei- gen. Die Erfahrungen der Kleinstädte werden dabei in ihren je- AT weiligen stadtregionalen Verflechtungen und Zusammenhängen CH zentrale Lage betrachtet. Diese Kontexte sind wichtig, um die Entwicklungen, Ergebnisse und Einschätzungen erklären zu können. Was unter- Abbildung 16: Die acht ausgewählten Fallstudienstädte scheidet Kleinstädte in zentralen Lagen jenseits der aktuellen Quelle: BBSR 2018 Entwicklungsdynamik von Kleinstädten in peripheren Lagen? Welche Schlussfolgerungen lassen sich für Stadtentwicklungs- strategien ziehen? Ergebnisse einer Haushaltsbefragung Methoden Um die Einschätzungen der Bewohnerschaft dieser acht Städte besser kennen zu lernen, ihre Zufriedenheit mit dem Leben in der Das Forschungsprojekt umfasste zwei Phasen: In einer deutsch- Stadt, aber auch ihre Wünsche und Bedürfnisse hinsichtlich der landweiten quantitativen Analyse wurden die Kleinstädte in Infrastrukturen und Dienstleistungen in der Stadt zu erfahren, zentralen und in peripheren Lagen nach einheitlichen Kriterien wurde mit Unterstützung der Verwaltungen jeweils eine Haus- in Gruppen eingeordnet. Bevölkerungswachsende und bevöl- haltsbefragung durchgeführt. kerungsschrumpfende Kleinstädte in einem wachsenden oder schrumpfenden regionalen Umfeld ergeben vier Stadtentwick- Die Ergebnisse zeigen: Die Menschen sind mit ihrer Lebenssi- lungstypen (jeweils Zeitraum 2000 bis 2014). Anhand der sechs tuation recht zufrieden. Überraschend ist, dass in allen Städten Faktoren Baualter, Arbeitszentralität und Wirtschaftsattraktivität, ähnliche Wertungen abgegeben wurden, obwohl sich die Städte Erreichbarkeit höherwertiger Infrastrukturen, Grundversorgungs- sehr unterscheiden. Am positivsten wird in den Fallstudienstäd- funktionen, Besiedlung und Wohnzentralität lassen sich die Klein- ten jeweils die Wohnsituation bewertet, gefolgt von der Zufrie- städte in vier mehr oder weniger homogene Gruppen einteilen. denheit mit dem Leben in der Stadt. Leicht dahinter liegen die Die Regionen, in denen die Kleinstädte liegen, können mit Hilfe der Einschätzungen der Zufriedenheit mit den Verwaltungen bzw. drei Faktoren wirtschaftliche Leistung, Tourismuspotenzial und politischen Vertretungen und mit dem sozialen Zusammenhalt. sektorale Prägung, ebenfalls in vier Regionsgruppen eingeordnet Deutlich abweichende Einschätzungen betreffen erwartungs- werden. Aus der Kombination der drei Komponenten (Stadtent- gemäß die Fragen nach den infrastrukturellen Ausstattungen. wicklungstypen, Kleinstadttypen, regionaler Kontext) zeigt sich Der größte Handlungsbedarf besteht aus Sicht der Bevölke- bereits die starke Vielfalt von Kleinstädten. Die zweite qualitative rung in den Feldern schnelles Internet/Breitband, Fachärzte, Untersuchungsphase stützt sich auf acht Fallstudien. Die Städte Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, Polizei/Notfalldienst wurden auf Basis der Typisierung ausgewählt. sowie ÖPNV. Institut für Stadtforschung Weitere Informationen und Strukturpolitik GmbH www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/FP/ExWoSt/ Studien/2016/Kleinstaedte/ 01-start.html?nn=431364 LAGE UND ZUKUNFT DER KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – BESTANDSAUFNAHME ZUR SITUATION DER KLEINSTÄDTE IN ZENTRALEN LAGEN 15
KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – URBANITÄT. VIELFALT. PERSPEKTIVEN. // 26. UND 27. JUNI 2018 Zufriedenheit Zufriedenheit Zufriedenheit Zufriedenheit knappheit für die weitere Siedlungsentwicklung. Die Bereitstel- Leben in der Wohnsituation Verwaltung/ sozialer Stadt (E=0,12*) pol. Vertretung Zusammenhalt lung und Mobilisierung von Flächen für Wohnungsbau und für (E=0,22*) (E=0,18*) (E=0,17*) gewerbliche Ansiedlungen ist daher eine zentrale kommunale 1,5 Aufgabe. Nachnutzung, Revitalisierung sowie Leerstands- und 1,7 Flächenaktivierung im Sinne einer aktiven Innenentwicklung rü- 1,9 cken in den Fokus der Entwicklungsstrategien. Ferner sind de- 2,1 mografiebedingte Anpassungen von Gebäuden, Ortsteilen und 2,3 Infrastrukturen zu meistern. 2,5 2,7 Sicherung Nahversorgung/Daseinsvorsorge: Beides ist zentral Wildau Velten Aue Hiddenhausen für die Lebensqualität der Kleinstädte und wird vielfach unter „Fa- Damme Nidda Püttlingen Neu-Anspach Insgesamt milienfreundlichkeit“ strategisch verfolgt. Ziel ist eine langfristige Sicherung der Nah- und Grundversorgung, von mittelzentral be- Abbildung 17: Ergebnisse der Haushaltsbefragung zur Lebenssituation in den acht Fallstudienstädten (Zufriedenheit nach Schulnote) deutsamen Schulstandorten, medizinischen, kulturellen und so- * Signifikant auf 1 %-Niveau; Quelle: IfS, eigene Erhebung 2018 zialen Angeboten. Nachholbedarf besteht beim Kindertagesstät- tenausbau sowie der Entwicklung altersgerechter Wohnformen. Neben der Befragung erfolgten eigene Recherchen sowie Ex- Fachkräftesicherung/Arbeitsmarkt: Die Gewinnung und Sicherung perteninterviews. Über die Auswertung von Dokumenten und von Fachkräften für die örtliche Wirtschaft und Verwaltung, die Strategiepapieren sowie die Gespräche mit der Verwaltung, Gestaltung einer nachhaltigen Wirtschaftsstruktur, die Sicherung Wirtschaftsvertretern und Akteuren der Stadtgesellschaft soll- von Unternehmensstandorten sowie Aus-/Einpendlerbeziehun- ten das Vorgehen bzw. die Strategien in den Städten einerseits gen stehen hier im Fokus. Chancen werden in einer stärkeren An- sowie aktuelle Themen und Handlungsbedarfe der Stadtent- näherung von Wissenschaft und lokalen Unternehmen gesehen. wicklung andererseits erfasst werden. Stärkung der Innenstädte und Stadtzentren: Alle Kleinstädte Ergebnisse von Experteninterviews sehen hier einen wichtigen Schwerpunkt ihrer Entwicklungs- aktivitäten. Dazu gehören Funktionsstärkung und Aufwertung Alle acht Fallstudienstädte setzen sich aktiv für ihre Stadtent- stadtzentraler Bereiche sowie die Stärkung von Einzelhandel, wicklung ein. Sie verfügen über ein breites Spektrum an Kon- Gastronomie und Kultur. zept- und Planungsgrundlagen, wobei diese in unterschiedli- chem Maße als strategische Instrumente der Stadtentwicklung Ausbau regionaler/interkommunaler Kooperation: Der Ausbau genutzt werden. In allen Kommunen kommt der Beteiligung der und die Verstetigung regionaler und interkommunaler Koope- Bevölkerung an Planungsprozessen eine wichtige Bedeutung rationen ist für einen Teil der Kleinstädte bereits ein „klassi- zu, wenn auch in unterschiedlicher Form und Intensität. Aus- sches“ Handlungsfeld, das im Zuge der Standortsicherung und baufähig ist die Bündelung der vielen konzeptionellen Ansätze -entwicklung weiter an Bedeutung gewinnt. unter eine langfristige, gesamtkommunale Strategie. Vielerorts besteht eine Zusammenarbeit mit städtischen Akteuren oder Sozialer Zusammenhalt: Fordert auch und gerade Kleinstädte eine regionale und interkommunale Kooperation, die es im Zuge unter Wachstumsdruck, nämlich das Zusammenleben und die der aktuellen Herausforderungen weiter zu stärken gilt. Integration von Zuwanderern aus dem In- und Ausland in die Stadtgesellschaft, partiell das Problem der Segregation. Kleinstädte in zentralen Lagen weisen breit gefächerte Handlungsbedarfe und Entwicklungschancen auf Image/Identität/Stadtmarketing: In diesem Handlungsfeld liegen noch große Entwicklungsmöglichkeiten. Angesichts der Verän- Verkehr und Erreichbarkeit/nachhaltige Mobilität: Hier geht es derungsprozesse gilt es, die Identität und das Image der Stadt um die regionale, überregionale und innerstädtische Erreich- nach innen und außen zu stärken. barkeit, um SPNV- und ÖPNV-Anbindungen, Optimierung der Schnittpunkte einzelner Verkehrsträger und die innerörtliche Die Einschätzungen hinsichtlich des Handlungsbedarfs und Verkehrsbelastung oder -regelung. Insgesamt reicht der Hand- der Handlungsmöglichkeiten in den Kommunen sowie erste lungsbedarf weit über die kommunale Ebene hinaus. Schlussfolgerungen und Empfehlungen wurden im Rahmen einer zweitägigen Fachwerkstatt im BMI in Berlin mit Ver- Wohnen und Gewerbe: In vielen der wachsenden Kleinstädte treterinnen und Vertretern der Fallstudienstädte diskutiert besteht eine hohe Nachfrage nach Wohnraum und eine Flächen- und weiterentwickelt. LAGE UND ZUKUNFT DER KLEINSTÄDTE IN DEUTSCHLAND – BESTANDSAUFNAHME ZUR SITUATION DER KLEINSTÄDTE IN ZENTRALEN LAGEN 16
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