Klimabilanz von Elektroautos - Einflussfaktoren und Verbesserungspotenzial - myenergy
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Impressum Klimabilanz von Elektroautos Einflussfaktoren und Verbesserungspotenzial ERSTELLT IM AUFTRAG VON DANKSAGUNG Agora Verkehrswende m Rahmen des Projekts wurden zwischen Juni und Anna-Louisa-Karsch-Str. 2 | 10178 Berlin September 2018 zwei Workshops mit Beteiligten aus T +49 (0)30 700 14 35-000 Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Ministe- F +49 (0)30 700 14 35-129 rien und nachgeordneten Behörden durchgeführt. Diese www.agora-verkehrswende.de Workshops dienten als Informations- und Diskussions info@agora-verkehrswende.de plattform für die Klimabilanz von Elektroautos und deren Einflussparameter. Die Ergebnisse und Schluss folgerungen des Workshops sind in den vorliegenden PROJEKTLEITUNG Endbericht eingeflossen. Wir bedanken uns bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für Ihre fachliche Kerstin Meyer Expertise und die konstruktive Diskussion. Außerdem kerstin.meyer@agora-verkehrswende.de danken wir Matthias Deutsch, Philipp Litz und Andreas Jahn für hilfreiche Kommentare. Die Schlussfolgerun- gen und Ergebnisse dieser Veröffentlichung spiegeln DURCHFÜHRUNG jedoch nicht notwendigerweise die Meinungen der zuvor genannten Personen wider. Die Verantwortung für die ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Ergebnisse liegt ausschließlich bei Agora Verkehrswende Heidelberg GmbH und beim ifeu – Institut für Energie- und Umweltfor- www.ifeu.de schung Heidelberg GmbH. Autoren: Für ifeu: Hinrich Helms, Claudia Kämper, Dr.-Ing. Kirsten Biemann, Udo Lambrecht, Julius Jöhrens Für Agora Verkehrswende: Kerstin Meyer Lektorat: Anne Vonderstein Satz/Grafik: Juliane Franz, Agora Verkehrswende/ UKEX GRAPHIC Unter diesem QR-Code steht diese Publikation als PDF zum Download Titelbild: .stock.adobe.com/Patrick Daxenbichler zur Verfügung. Bitte zitieren als: Veröffentlichung: April 2019 Agora Verkehrswende (2019): Klimabilanz von Elektro- 22-2019-DE autos. Einflussfaktoren und Verbesserungspotenzial.
Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, ländern der Zellen (China, Japan, Korea) Kohlendioxid- Emissionen erzeugt. Unterm Strich hat deshalb ein zum Allgemeinwissen gehört die Erkenntnis, dass E-Auto in der Produktion einen größeren ökologischen Deutschland ein Autoland ist. Angesichts des Klima Rucksack als ein vergleichbarer Verbrenner; um diesen wandels müssen Autos jedoch klimaverträglicher Nachteil wettzumachen muss es einige Tausend Kilome- werden. Doch wann ist ein Auto klimaverträglich? Wenn ter mit möglichst CO₂-armem Strom zurücklegen. es elektrisch fährt? De jure ist das so, laut Zulassungs statistik emittieren Elektrofahrzeuge kein einziges Dennoch sind Elektrofahrzeuge gegenüber Verbrennern Gramm Kohlendioxid. Tatsächlich entsteht das klima- schon heute im Vorteil, mal mehr, mal weniger. Und der schädliche Gas jedoch sowohl bei der Produktion des Vorsprung wird wachsen, je schneller die Potenziale aus Fahrstroms als auch bei der Herstellung von Elektrofahr- geschöpft werden, die es im Hinblick auf CO₂-Minderung zeugen. Deshalb ist die Frage berechtigt, ob sie tatsäch- gibt sowohl über den Fahrstrom als auch bei der Batterie- lich klimaschonender sind als Benziner oder Diesel. Es herstellung. gibt bereits eine ganze Reihe solcher Klimabilanzen, doch deren Ergebnisse unterscheiden sich zum Teil deutlich. In der Konsequenz dieser Studie sehen wir uns darin bestätigt, dass die Elektromobilität der Schlüssel der Mit der vorliegenden Studie schaffen wir hoffentlich Energiewende im Verkehr ist. Gerade deswegen werden ein wenig mehr Klarheit. Das Institut für Energie- und wir uns in unserer zukünftigen Arbeit darum bemühen, Umweltforschung Heidelberg (ifeu) hat sich in unserem die Klimabilanz des Elektroautos weiter zu verbessern Auftrag umfangreich und sehr differenziert mit der auf dem Weg zur emissionsfreien Mobilität. Auch dafür Klimabilanz von Elektrofahrzeugen auseinandergesetzt. liefert uns die Studie hilfreiche Grundlagen. Fest steht: Noch fahren E-Autos in Deutschland mit Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Strom, der zur Hälfte aus Kohle und Erdgas erzeugt wird. Christian Hochfeld Hinzu kommt, dass die Herstellung von Batteriezellen Für das Team von Agora Verkehrswende viel Energie benötigt und darüber in den Herkunfts- Berlin, 20. März 2019 Zentrale Ergebnisse In allen untersuchten Fällen hat das Elektroauto über den gesamten Lebensweg einen Klimavorteil gegenüber dem Verbrenner. Mit den Fortschritten bei der Batterieentwicklung insbesondere durch effizientere Fertigungsprozesse, höhere Energiedichte, verbesserte Zellchemie und CO₂-ärmereren Strom bei der Herstellung kann die Klimabilanz der Batterie in den kommenden Jahren mindestens halbiert werden. Der Klimavorteil des Elektroautos wächst, wenn der Ausbau der Erneuerbaren im Rahmen der Energiewende forciert wird; denn die Antriebsenergie ist die wichtigste Einflussgröße auf die Klimabilanz. Die Batteriezell-Fertigung auf Basis eines möglichst hohen Anteils Erneuerbarer Energien, kann europäischen Ländern einen Standortvorteil verschaffen. Mehr Transparenz zur Klimabilanz der Batterien ist Voraussetzung, um weitere 5 Verbesserungspotenziale über den gesamten Lebensweg erschließen zu können. 3
Inhalt Vorwort3 01 | S chlussfolgerungen aus Sicht von Agora Verkehrswende 9 1.1 Schon heute: In allen untersuchten Fällen hat das Elektroauto über den gesamten Lebensweg einen Klimavorteil gegenüber dem Verbrenner 9 1.2 In Zukunft: Mit den Fortschritten bei der Batterieentwicklung kann die Klimabilanz der Batterie in den kommenden Jahren mindestens halbiert werden 10 1.3 Der Klimavorteil des Elektroautos wächst, wenn der Ausbau der Erneuerbaren im Rahmen der Energiewende forciert wird 11 1.4 Die Batteriezell-Fertigung auf Basis eines möglichst hohen Anteils Erneuerbarer Energien, kann europäischen Ländern einen Standortvorteil verschaffen 11 1.5 Mehr Transparenz zur Klimabilanz der Batterien ist Voraussetzung, um weitere Verbesserungspotenziale über den gesamten Lebensweg erschließen zu können 12 02 | H intergrund und Ziel der Studie 13 03 | E rgebnisse der Literaturauswertung 15 3.1 Rahmen der Metastudie 15 3.2 Bandbreite und Parameter der Gesamtbilanz 17 3.3 Bandbreite und Parameter der Nutzungsphase 19 3.4 Bandbreite und Parameter der Batteriebilanz 20 04 | E influss zentraler Parameter auf die heutige Klimabilanz 25 4.1 Sensitivitätsanalysen gegenüber einem Basisfall 25 4.2 Parameter der Fahrzeugnutzung 26 4.3 Parameter der Fahrzeugherstellung 38 4.4 Vergleich der Sensitivitäten 44 05 | V erbesserungspotenzial der Klimabilanz bis 2030 47 5.1 Ausblick auf die Batterieherstellung 47 5.2 Ausblick auf die Fahrzeugeigenschaften 48 5.3 Szenario der Klimabilanz für 2030 49 06 | F azit zur Klimabilanz von Elektroautos 53 07 | L iteraturverzeichnis 57 08 | A nhang 63 8.1 Literaturauswertung 63 8.2 Annahmen und wichtige Ergebnisse der eigenen Modellierung 64 8.3 Modellierung der Herstellung, Entsorgung und Wartung der betrachteten Fahrzeuge 65 4
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Herkunft der Sachbilanzdaten für die Batterie der untersuchten Studien 15 Abbildung 2: Vergleich der Treibhausgasemissionen eines Elektroautos pro Fahrzeugkilometer bezogen auf den gesamten Lebenszyklus 17 Abbildung 3: Vergleich des Beitrags einzelner Lebensabschnitte zu den Treibhausgasemissionen 19 Abbildung 4: Vergleich der Treibhausgasemissionen aus der Batteriefertigung bezogen auf eine Kilowattstunde Batteriekapazität22 Abbildung 5: Energieverbrauch und THG-Emissionen der Batterie herstellung nach unterschiedlichen Ansätzen 23 Abbildung 6: Schematische Darstellung Konzept Klimabilanz 25 Abbildung 7: Schematische Darstellung der Treibhausgasemissionen eines Verbrenner- und Elektro-Pkw in Abhängigkeit von der Lebensfahrleistung 27 Abbildung 8: Stromverbrauch von Elektroautos der Kompaktklasse 28 Abbildung 9: Bruttostromerzeugung in Deutschland 2017 nach Energieträgern (AGEB, 2018) 30 Abbildung 10: Klimawirkung der Strombereitstellung für verschiedene Bezugsräume, Szenarien und Anlagen 31 Abbildung 11: Treibhausgasemissionen der heutigen Beispielfahr- zeuge der Kompaktklasse über den Lebensweg in Abhängigkeit von der Lebensfahrleistung 32 Abbildung 12: Treibhausgasemissionen von heutigen reinen Stadt- (oben) und A utobahnfahrzeugen (unten) der Kompakt- klasse unter Berücksichtigung der Energiewende in Abhängigkeit von der Lebensfahrleistung 36 Abbildung 13: Treibhausgasemissionen der Fahrzeugherstellung und Entsorgung im Vergleich 38 Abbildung 14: Treibhausgasemissionen der Fahrzeugherstellung ohne Entsorgung von BEV und Benzin im Vergleich 39 Abbildung 15: Treibhausgasemissionen der Batterieherstellung und ihre Zusammensetzung (in kg CO₂-Äquivalenten pro kWh Batterie) 41 Abbildung 16: Beiträge der unterschiedlichen Materialien zu den Treibhausgasemissionen der Batterie 41 Abbildung 17: Treibhausgasemissionen der Strombereitstellung und Anteile an der Zellfertigung. 42 Abbildung 18: Treibhausgasemissionen von heutigen Elektroautos der Kompaktklasse unter Berücksichtigung der Energie- wende und unter unterschiedlichen Fertigungs- bedingungen in Abhängigkeit von der Lebensfahr- leistung 43 Abbildung 19: Einfluss der [auf der x-Achse] genannten Parameter variation auf die Klimabilanz des Basisfalls für eine Lebensfahrleistung von 150.000 km 44 5
Klimabilanz von Elektroautos | Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 20: Treibhausgasemissionen der Batterie bezogen auf eine Kilowattstunde Batteriekapazität heute und im Jahr 2030 (mit EU Fertigungsmix von 335 g CO₂-Äquivalenten pro kWh) 47 Abbildung 21: Entwicklung der Batteriekapazität aktueller Elektroautos 48 Abbildung 22: Treibhausgasemissionen von Beispielfahrzeugen der Kompaktklasse in einem Szenario für Neuzulassungen in 2030 in Abhängigkeit der Lebensfahrleistung50 Abbildung 23: Treibhausgasemissionen von Pkw der Kompakt- klasse pro gefahrenen Kilometer bei 150.000 km Lebensfahrleistung für Neuzulassungen in 2030 51 Tabelle 1: Auswahl einflussnehmender Randbedingungen in der Klimabilanz 18 Tabelle 2: Heute gängige Kathodenmaterialien für Li-Ionen-Batterien im Automobilbereich 21 Tabelle 3: Verbrauchswerte nach ifeu-Modellierung eines generischen Kompaktklassefahrzeugs 29 Tabelle 4: Im Rahmen der Literaturauswertung betrachtete Studien 63 Tabelle 5: Zentrale Annahmen und Ergebnisse der betrachteten Szenarien 64 6
Abkürzungsverzeichnis ADAC Allgemeiner Deutscher Automobil-Club AGEB Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen BEV Battery Electric Vehicle DE Deutschland Diesel Fahrzeuge mit Dieselmotor EC European Commission EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz EU European Union GREET Greenhouse Gases, Regulated Emissions, and Energy Use in Transportation (Model) ICCT International Council on Clean Transportation kg Kilogramm km Kilometer kW Kilowatt kWh Kilowattstunde LCA Life Cycle Assessment LCI Life Cycle Inventory LFP Lithium-Eisenphosphat (Zellchemie) LMO Lithium-Mangan-Oxid (Zellchemie) MJ Megajoule NCA Nickel-Cobalt-Aluminium (Zellchemie) NEFZ Neuer Europäischer Fahrzyklus NMC Nickel-Mangan-Cobalt (Zellchemie) Otto Fahrzeug mit Ottomotor (Benziner) PV Photovoltaik RoW Rest of the World TREMOD Tansport Emission Model (des ifeu) US EPA United States Environmental Protection Agency WLTP Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure 7
Klimabilanz von Elektroautos | Schlussfolgerung aus der Sicht von Agora Energiewende 8
01 | Schlussfolgerungen aus Sicht von Agora Verkehrswende Elektroautos sind lokal emissionsfrei und gelten als 1.1 Schon heute: In allen untersuch alternativer Antrieb, der für die Energiewende und den ten Fällen hat das Elektroauto Klimaschutz im Verkehr von zentraler Bedeutung ist. Soll über den gesamten Lebensweg der Verkehr in Deutschland die Klimaschutzziele für den Sektor 2030 einhalten und bis zum Jahr 2050 weitestge- einen Klimavorteil gegenüber hend klimaneutral sein, dann müssen Elektrofahrzeuge dem Verbrenner. bereits im Jahr 2030 mehr als die Hälfte der Neuzulas- sungen ausmachen.1 Um einzelne Aspekte der Klimabilanz von Elektrofahr- zeugen genauer zu beleuchten, wurden in einem zweiten Es ist jedoch eine kontrovers diskutierte Frage, wie Teil der Studie eigene Modellierungen vorgenommen. klimafreundlich Elektrofahrzeuge tatsächlich sind, wenn Hierfür wurde ein Basisfall definiert: ein Fahrzeug der man sie – über ihren gesamten Lebensweg betrachtet Kompaktklasse in Elektro-, Benziner und Dieselver- – mit konventionellen Benzinern oder Dieseln ver- sion mit einer Gesamt-Fahrleistung von 150.000 km. gleicht. Weil die Sachverhalte komplex sind, herrscht Das bilanzierte Elektrofahrzeug hat im Basisfall eine in der Öffentlichkeit Unsicherheit über die gesamte 35-kWh-Batterie und verbraucht 16 kWh pro 100 km. Klimawirkung von Elektroautos. Die vorliegende Studie Die Batterie wird während der Lebensdauer des Fahr- hat zum Ziel, die zentralen Einflussparameter auf die zeugs nicht ausgetauscht. Der vergleichbare Benziner Klimabilanz von Elektroautos herauszuarbeiten und zu verbraucht 5,9 Liter und der ebenfalls vergleichbare zeigen, welche Verbesserungspotenziale es gibt.2 Darauf Diesel kommt auf einen Verbrauch von 4,7 Liter pro aufbauend werden robuste Aussagen zur Klimabilanz 100 km. Für den Basisfall wurde ein gemischtes Fahr- von Elektroautos abgeleitet. profil gewählt, welches an den ADAC Ecotest angelehnt ist.3 Insgesamt wurden fünf Fälle genauer betrachtet: der Es ist offensichtlich: Themen rund um Elektrofahrzeuge Basisfall (Energiewende geht weiter) sowie zwei alter- und speziell Batterieforschung sind ein sich schnell native Annahmen zum Strommix: In „Sensitivität Strom entwickelndes Feld. Die Herausforderung für eine Arbeit 2016“ bleibt der deutsche Strommix in Zukunft auf dem wie diese besteht darin, einerseits wissenschaftlich so Niveau von 2016 und in „Sensitivität Photovoltaik“ wird aktuell und detailliert wie möglich zu sein, andererseits beim Strom reiner Solarstrom verwendet. Zwei weitere möglichst klare Aussagen zu treffen. Bei allen verblei- Variationen beziehen sich auf Anwendungsfälle des benden Unsicherheiten halten wir die hier getroffenen Fahrzeugs im Stadtverkehr und auf Autobahnen. Aussagen dennoch für richtungssicher. In allen untersuchten Fällen hat das Elektroauto einen Im ersten Teil der Studie wurden 23 aktuelle Veröffentli- Klimavorteil gegenüber dem Verbrenner. Dieser Vorteil chungen zur Klimabilanz von Elektroautos ausgewertet. ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Im Basisfall ist der Diese Metaanalyse zeigt, dass Klimabilanzen stark von Vorteil nach 150.000 km deutlich, mit einer Emissi- den zugrundeliegenden Annahmen abhängig sind und onsverminderung über die Lebensdauer von 24 Prozent divergierende Ergebnisse zum großen Teil auf unter- (verglichen mit dem Benziner) bzw. 16 Prozent (vergli- schiedliche Rahmenbedingungen zurückzuführen sind. chen mit dem Diesel). Selbst für die „Sensitivität Strom Für eine öffentliche und politische Auseinandersetzung 2016“ hätte das Elektroauto weiterhin einen Klimavorteil mit den Ergebnissen von Klimabilanzen für Elektroautos gegenüber dem Verbrenner, und zwar etwa 12 Prozent ist es daher wichtig, die zentralen Grundannahmen zu gegenüber dem Benziner und 3 Prozent gegenüber dem kennen und transparent zu machen. Diesel. Käme nur noch reiner Solarstrom zur Anwendung, läge der Vorteil des Elektrofahrzeugs bei etwa 50 Prozent. 1 Agora Verkehrswende (2018); Agora Energiewende (2017). 2 Die vorliegende Studie ist auf die Untersuchung rein batterieelektrisch angetriebener Fahrzeuge im Vergleich zu 3 Weitere zentrale Annahmen der eigenen Modellierung Benzinern und Dieselfahrzeugen beschränkt. siehe Tabelle 5. 9
Klimabilanz von Elektroautos | 01 | Schlussfolgerungen aus Sicht von Agora Verkehrswende Im Basisfall liegt die Fahrleistung, ab der das untersuchte zesse, höhere Energiedichte, verbesserte Zellchemie und Elektrofahrzeug insgesamt besser wird als der Benziner, CO₂-ärmereren Strom bei der Herstellung. bei gut 60.000 km; der Punkt, an dem es besser ist als der vergleichbare Diesel, liegt bei zirka 80.000 km. Für die Darstellung des Basisfalls wurde der durch- schnittliche Strommix in den heutigen Herstellungs- Elektrische Stadtfahrzeuge mit entsprechend kleinerem ländern (vorwiegend sind das China, Japan, Korea und Akku erreichen diesen sogenannten break even point die USA) entsprechend ihrem jeweiligen Anteil an der bereits ab 40.000 km, und nach 100.000 km liegt ihr Batteriefertigung hinterlegt. Betrachtet man stattdessen Vorteil gegenüber einem Benziner bei 29 Prozent. In der den durchschnittlichen europäischen Strommix für die Stadt sind Elektrofahrzeuge besonders effizient und kön- Zellfertigung, führt das in Kombination mit den oben nen dadurch auch bei deutlich niedrigeren Lebensfahr- genannten anderen Faktoren zu einer deutlichen Verbes- leistungen einen Klimavorteil erreichen. Ein Spezialfall serung der Werte. Für ein Elektrofahrzeug, das im Jahr sind elektrische Carsharing- und Ridesharing- bzw. 2030 zugelassen wird, ergäben sich nach 150.000 km Ridepoolingfahrzeuge, die gemeinschaftlich genutzt im Zusammenspiel mit der erwarteten Energiewende in werden. Sie werden im Vergleich zu einem durchschnitt- Deutschland deutliche Klimavorteile von 41 bzw. 35 Pro- lichen Privatfahrzeug wesentlich intensiver genutzt. Bei zent gegenüber einem vergleichbaren Benziner respek- einer Batterieauslegung wie in „Sensitivität Stadt“ ange- tive Dieselauto. Der Klimavorteil würde sich hier schon nommen, würde ein elektrisches Carsharingfahrzeug ab nach etwa 30.000 km einstellen. Dies liegt zum einen etwa zwei Jahren im Einsatz einen Netto-Klimavorteil am Verbesserungspotenzial der Zellfertigung und zum haben. Für ein Ridesharing- bzw. Ridepoolingfahrzeug anderen am weiteren Fortschreiten der Energiewende. In dürfte der break even point noch deutlich früher eintre- Deutschland sorgt die Energiewende für die deutlichste ten. Verbesserung der Klimabilanz von Elektrofahrzeugen. Im Extremfall, dass Fahrzeuge mit größerem Akku aus- Auch bei höherer Batteriekapazität (60 kWh) wären schließlich auf der Autobahn für Langstrecken genutzt unter diesen Annahmen nach 150.000 km deutliche werden, zahlt nach 150.000 km jeder weitere Kilometer Vorteile sichtbar: von 33 bzw. 27 Prozent gegenüber auf den Klimaschutz ein. Es müssen also hohe verbren- dem Benziner bzw. dem Diesel, der Schnittpunkt zum nungsmotorische Fahrleistungen ersetzt werden, um im Nettovorteil entstünde hier ab 50.000 km. Gleichwohl reinen Autobahnbetrieb einen Vorteil zu erreichen. Nach wird hier ersichtlich, dass steigende Batteriekapazitäten 200.000 km zeichnet sich hier ein Vorteil von 7 Prozent durch weitere Verbesserungen bei der Batterieherstel- ab – verglichen mit einem Diesel, der nur auf der Auto- lung auszugleichen sind. bahn fährt. Schlussfolgerungen Auch wenn in allen untersuchten Fällen Elektrofahr- 1.2 In Zukunft: Mit den Fortschritten zeuge schon heute klimafreundlicher als vergleichbare bei der Batterieentwicklung kann Verbrenner fahren; ist ihre Klimabilanz in den kom- menden Jahren weiter zu verbessern. Dafür gilt es, mit die Klimabilanz der Batterie in den folgenden Handlungsempfehlungen den politischen den kommenden Jahren mindes Rahmen zu schaffen. tens halbiert werden. Ein Ausblick auf die Verbesserungspotenziale der Batte- rieherstellung ergibt, dass die Treibhausgasemissionen der Batterieherstellung sich bis 2030 halbieren könn- ten. Wichtige Einflussfaktoren sind hier eine höhere Energiedichte bedingt durch effizientere Fertigungspro- 10
Agora Verkehrswende | 01 | Schlussfolgerungen aus Sicht von Agora Verkehrswende 1.3 Der Klimavorteil des Elektro zeuge tatsächlich deutlich effizienter als vergleichbare autos wächst, wenn der Ausbau Verbrenner, doch auch aus Wind und Sonne erzeugter Strom muss sparsam verwendet werden. der Erneuerbaren im Rahmen der Energiewende forciert wird. Drittens wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromver- Elektrofahrzeuge emittieren beim Fahren weder Luft- brauch laut Koalitionsvertrag bis 2030 auf 65 Prozent schadstoffe noch Kohlendioxid. Emissionen entstehen zu erhöhen.6 Allerdings lag im Jahr 2018 der Zuwachs allerdings bei der Herstellung des Fahrstroms. Damit ist bei der Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien der Strommix eine entscheidende Einflussgröße für die mit 12,4 Terawattstunden unter dem Durchschnitt der Klimabilanz von Elektrofahrzeugen. Aktuell stammt in letzten fünf Jahre. Ein Wachstum auf diesem Niveau Deutschland noch mehr als jede dritte Kilowattstunde reicht nicht aus, um das von der Regierung vereinbarte aus Kohlekraftwerken. Damit Elektrofahrzeuge ihr volles Ziel von 65 Prozent zu erreichen.7 Deswegen sollte die Potenzial beim Klimaschutz ausschöpfen können, ist der Bundesregierung den Ausbau der Erneuerbaren Energien Strommix weiter zu dekarbonisieren. beschleunigen. Will Deutschland sein Klimaziel für 2030 im Verkehrs- sektor erreichen, müssen bis dahin etwa 10 bis 12 Millio- 1.4 Die Batteriezell-Fertigung auf nen Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen unter- Basis eines möglichst hohen wegs sein – mit deutlich saubererem Strom als heute.4 Anteils Erneuerbarer Energien, Zwar sorgen die CO₂-Bepreisung im Rahmen des europä- ischen Emissionshandels und der geplante Ausbau der kann europäischen Ländern einen Erneuerbaren Energien (EE) dafür, dass Strom in den Standortvorteil verschaffen. nächsten Jahren schrittweise klimafreundlicher wird. Doch werden diese Maßnahmen nicht ausreichen, damit Bestrebungen, eine europäische Zellfertigung zu etablie- Deutschland seine Klimaziele zuverlässig erreichen wird. ren, sind vor dem Hintergrund der Studie zu begrüßen. Weil der Strommix in vielen EU-Staaten CO₂-ärmer ist Es ist deshalb notwendig, dass die Bundesregierung die als der Strommix in den bisherigen Zellfertigungslän- Dekarbonisierung des Stromsektors weiter vorantreibt: dern, wäre die Ansiedlung der Zellfertigung in EU- Erstens soll der Stromverbrauch bis 2030 mithilfe von Staaten ein Beitrag zur Dekarbonisierung. Zusätzlich Effizienzmaßnahmen deutlich reduziert werden, um den wird sich die CO₂-Intensität des Stroms in Europa durch erwarteten Mehrverbrauch aus dem Wärme- und dem die Umsetzung der bereits beschlossenen Gesetze bis Verkehrssektor im Zuge der Sektorenkopplung abzufe- 2030 weiter verbessern. Zudem können dann auch wei- dern.5 tere Anreize für eine effiziente Zellfertigung im Rahmen der europäischen Gesetzgebung gesetzt werden. Die Zweitens bestehen beim Stromverbrauch von Elektroau- EU-Kommission hat für Europa das Ziel gesetzt, bei der tos große Bandbreiten – selbst bei vergleichbaren Fahr- Produktion nachhaltiger Batterien eine weltweit füh- zeugen der Kompaktklasse. Mittelfristig ist es bedeut- sam, auch ihren Stromverbrauch zu verringern und die 6 Es gibt den Einwand, nationale Klimaschutzmaßnahmen Effizienz der Fahrzeuge über entsprechende politische im Stromsektor würden zu mehr Emissionen in anderen EU-Ländern führen, weil dann in Deutschland weniger Rahmenbedingungen zu fördern. Zwar sind Elektrofahr- Emissionszertifikate gebraucht würden. Doch dieser soge- nannte Wasserbetteffekt des EU-Emissionshandels besteht 4 Vgl. Agora Energiewende (2017), Agora Verkehrswende seit der letzten Reform nicht mehr, da neue Regelungen im (2018) europäischen Emissionshandelssystem dafür sorgen, dass 5 Momentan verbrauchen Elektrofahrzeuge nur einen nationale Klimaschutzinstrumente auch zur Löschung von Bruchteil des Stroms in Deutschland. Gleichwohl ist eine Zertifikaten führen (vgl. Agora Energiewende; Öko-Institut kontinuierliche Evaluation der Stromnachfrage durch den 2018). Verkehrssektor ratsam. 7 Vgl. Agora Energiewende (2019), S. 5. 11
Klimabilanz von Elektroautos | 01 | Schlussfolgerungen aus Sicht von Agora Verkehrswende rende Rolle zu spielen.8 Dafür ist allerdings ein gesetzge- Wissenschaftliche Erkenntnisse bilden eine Grundlage berischer Rahmen notwendig. für politische Entscheidungen. Damit diese Erkenntnisse möglichst präzise gewonnen werden können, ist die Ein Instrument könnte eine europäische Kennzeichnung Datenbasis zu verbessern. In einem ersten Schritt sollte für Traktionsbatterien sein. Kennzeichnungsvorschriften die EU-Kommission eine Studie beauftragen, die ano- gibt es in der Europäischen Union bereits für viele Haus- nymisiert aktuelle Daten zur Klimabilanz von Batterien haltsgeräte sowie für Autoreifen.9 Aufbauend darauf erhebt und öffentlich bereitstellt. Einen ersten Anhalts- könnten auch ordnungsrechtliche Instrumente einge- punkt könnten Benchmarks bestimmter Industriever- setzt werden. So könnte die EU-Kommission prüfen, den bände bieten, die in anderen Bereichen bereits existie- Geltungsbereich der Ökodesign-Richtlinie auf Trakti- ren. So erhebt die Clean Cargo Working Group jährlich onsbatterien zu erweitern.10 So könnte beispielsweise CO₂-Emissionsfaktoren für die weltweiten Handelsrou- diskutiert werden, dass in Elektrofahrzeugen nur Zellen ten von Frachtschiffen, der vorerst letzte Bericht basiert verwendet werden, bei deren Herstellung ein bestimmter auf den Daten von mehr als 3.000 Schiffen.11 CO₂-Wert pro Kilowattstunde Speicherkapazität einge- halten wird. Dies hätte einen zweifachen Nutzen: die Kli- Darüber hinaus könnte man anstreben eine Art Clearing mabilanz von Elektrofahrzeugen würde sich verbessern House für Batteriedaten zu schaffen, in dem Daten zu und es entstünde ein Anreiz, Strom für die Zellfertigung Batterie-Produktionsprozessen und den dabei ver- sowohl in der EU als auch weltweit weiter zu dekarboni- wendeten Rohmaterialien anonym gesammelt und sieren. teilweise aggregiert aufbereitet werden. Dadurch würde Transparenz bezüglich des Energieeinsatzes und der Emissionen geschaffen werden, ohne wettbewerbsrele- 1.5 Mehr Transparenz zur Klimabilanz vante Daten preiszugeben. Ansätze hierfür finden sich der Batterien ist Voraussetzung, möglicherweise bei der European Platform on Life Cycle Assessment, die vom Gemeinsamen Forschungszentrum um weitere Verbesserungspoten der Europäischen Kommission betrieben wird und die ziale über den gesamten Lebens Datenbereitstellung für Öko- und Klimabilanzen zum Ziel weg erschließen zu können. hat.12 Bisher liegen nur wenige öffentliche Primärdaten über Batteriematerialien und Herstellung vor. Es ist abzuse- hen, dass im Bereich der Zellfertigung in kurzen Zeiträu- men weiterhin große Fortschritte stattfinden, sowohl in Hinblick auf die Zellchemie als auch auf den Energieein- satz im Fertigungsprozess. Dadurch kann das Problem entstehen, dass die veröffentlichten Klimabilanzen nicht mit den realen Entwicklungen der Batterietechnologie Schritt halten und einen bereits veralteten Stand der Technik reflektieren. 8 European Commission (2018). 9 Verordnung (EG) Nr. 1222/2009. 10 Die Ökodesign-Richtlinie hat das Ziel, die Umweltverträg- lichkeit energieverbrauchsrelevanter Produkte von der Wiege bis zur Bahre zu verbessern, insbesondere dann, wenn angemessene Anforderungen an die umweltrelevan- ten Eigenschaften von Produkten auf Ebene der EU-Mit- gliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können 11 BSR (2017). vgl. UBA (2016), RL 2009/125/EG, Erwägungsgrund 41. 12 European Commission (2016). 12
02 | H intergrund und Ziel der Studie Elektroautos gelten als ein wichtiger Baustein für die plausiblen Annahmen zu rechnen ist. Als Klimabilanz Dekarbonisierung des Verkehrssektors. Allerdings stehen gelten dabei die Treibhausgasemissionen während des Elektrofahrzeuge immer wieder in der Kritik – aus- gesamten Lebenszyklus (Herstellung, Betrieb, Produktion gerechnet auch, weil sie tatsächlich oder vermeintlich des Stroms bzw. des Kraftstoffs) eines batterieelektri- nichts zum Klimaschutz beitragen. In der Berichterstat- schen Autos im Sinne eines ökobilanziellen Ansatzes. Im tung der Massenmedien lassen sich regelmäßig zwei Vordergrund steht dabei der Vergleich des Elektroautos wiederkehrende Aspekte identifizieren: mit einem vergleichbaren Verbrennerfahrzeug (Ben- zin oder Diesel). Während eine echte Ökobilanz noch • Elektroautos sind klimaschädlicher als Verbrenner, weitere Umweltwirkungskategorien berücksichtigt, wie weil es in Deutschland so viel Kohlestrom gibt. zum Beispiel Versauerung oder Eutrophierung, wird im • Elektroautos sind klimaschädlich, weil bei der Rahmen dieses Projekts nur die Klimawirkung betrachtet. Produktion des Elektroautos (insbesondere bei der Produktion der Batterie13) mehr Emissionen entstehen Vorweg sei angemerkt, dass allein der Wechsel des als bei der Produktion eines Verbrenners. Antriebskonzeptes und damit des Energieträgers zu kurz greift, um die national und international beschlossenen Hinzu kommt, dass in der öffentlichen Debatte nicht Klimaschutzziele zu erreichen. Darüber hinaus ist eine sauber unterschieden wird zwischen verschiedenen umfassende Mobilitätswende erforderlich, mit dem Ziel, Effekten, die mit der Elektromobilität in Zusammenhang den Endenergieverbrauch im Verkehr zu senken, ohne stehen. Neben der Klimawirkung werden auch Effekte die Mobilität einzuschränken. Die Diskussion einer auf die Luftqualität, auf die Rohstoffverfügbarkeit und solchen Mobilitätswende ist allerdings nicht Gegenstand auf soziale Rahmenbedingungen, beispielsweise beim dieser Studie. Abbau von Rohstoffen, diskutiert. Zur Klimabilanz von Elektroautos liegen mittlerweile zwar einige Studien Im Rahmen dieser Studie werden zunächst aktuelle vor; diese sind aber häufig nicht direkt miteinander Klimabilanzen von Elektrofahrzeugen im Rahmen einer vergleichbar. Mitunter werden die Studienergebnisse Metastudie analysiert. Dabei werden Bandbreiten der darüber hinaus auch unterschiedlich interpretiert. Am Klimagasemissionen und ihre zentrale Einflussparameter Ende weiß der interessierte Laie nicht, woran er sich identifiziert. Anschließend werden diese Einflussfakto- orientieren kann. ren sowohl im Bereich der Fahrzeugnutzung als auch im Bereich der Fahrzeugherstellung anhand der Bilanzie- Weil die Zusammenhänge tatsächlich komplex sind, rung eines eigenen Beispielfahrzeugs näher analysiert. dominiert nach wie vor Unsicherheit über die Klima- Ziel dieser eigenen Bilanzierung ist es, die einzelnen wirkung von Elektroautos. Das Projekt „Klimabilanz Einflussfaktoren isoliert und prägnant darzustellen. von Elektroautos – Einflussfaktoren und Verbesse- rungspotenzial“ der Agora Verkehrswende dient dazu, Die dargestellten Einflussparameter zeigen in mehrfa- unterschiedliche Ergebnisse verschiedener Klima cher Hinsicht Verbesserungspotenziale auf, die abschlie- bilanzierungen zu erklären, die Diskussion für Politik ßend analysiert werden. Auf diese Weise entsteht ein und Verbraucher zu systematisieren und die Ergebnisse Mehrwert für die politische Debatte. transparent darzustellen. Das bedeutet, dass die zentralen Einflussparameter auf die Klimabilanz von Elektroautos herauszuarbeiten sind und aufzuzeigen ist, mit welchen Verbesserungspotenzi- alen bei der Herstellung von Elektroautos (insbesondere bei der Batterieherstellung) und bei deren Nutzung unter 13 Der Begriff „Batterie“ wird in dieser Studie synonym mit dem Begriff „Akku“ verwendet, gemeint ist immer eine wiederaufladbare Batterie. 13
Klimabilanz von Elektroautos | 02 | Hintergrund und Ziel der Studie 14
03 | Ergebnisse der Literaturauswertung 3.1 Rahmen der Metastudie sondere für die Daten zur Batterieherstellung; dazu liegen nur wenig primäre Industriedaten vor. Damit greift eine Die vorliegende Metastudie zur Klimabilanzierung von große Zahl aktueller Ökobilanzen auf wenige zentrale Elektroautos liefert einen Überblick über die Bandbreite Studien zur Batterieherstellung zurück, die in Abbil- an Ergebnissen aus 23 bereits vorhandenen Studien und dung 1 in ihrer Vernetzung vereinfacht dargestellt sind. identifiziert zahlreiche Einflussfaktoren auf die Klima- bilanz. Die Titel der ausgewählten Studien sind Tabelle Im Rahmen der vorliegenden Metastudie wird zunächst 4 im Anhang zu entnehmen. Ausgewertet wurden dabei ein Grobscreening von Studien auf Fahrzeugebene überwiegend Ökobilanzen (LCA = Life Cycle Assessment) durchgeführt. Anschließend erfolgt eine Detailanalyse einzelner Fahrzeuge und Batterien, aber auch die Ergeb- von Klimabilanzen zur Herstellung von Lithium-Ionen- nisse einiger bereits vorhandener Metastudien. Batterien, die ein wichtiger Baustein der Gesamtbilanz sind. Bei der Analyse der Datengrundlagen verschiedener Studien wird offenbar, dass es zwar auf internationaler Ebene eine große Anzahl von Klimabilanzen zu Elektro autos und Lithium-Ionen-Batterien gibt, die meisten davon aber bei genauerer Betrachtung der Sachbilanz daten auf andere Studien zurückgreifen14. Das gilt insbe- 14 Vgl. auch Peters et al. (2017). Herkunft der Sachbilanzdaten für die Batterie der untersuchten Studien Abbildung 1 Ambrose & Kendal Notter et al. 2016 2010 Peters et al. Bauer et al. 2017 US-EPA. 2013 2015 Romare & Dahllöf 2017 Rydh & Sandén 2005 Majeau-Bettez Ellingsen et al. Ellingsen et al. et al. 2011 2014 2016 ICCT 2018 Hischier et al. 2007/ Messagie Eocinvent 2 2017 GaBi Gains & Cuenca 2012 2000 Helms et al. 2016 Zackrisson et al. 2010 Daimler AG ADAC 2014 2018 Dunn et al. Hawkins et al. 2016 RECHARGE BattPaC 2013 2018 Dunn et al. 2015 Dunn et al. 2012/GREET database mainly primary/secondary only secondary (primary LCI*) primary data metastudy metastudy + LCA data data * Das Life Cycle Inventory (LCI) ist die Datengrundlage zur Berechnung des Life Cycle Assessments (LCA). Eigene Darstellung verändert nach (Peters et al., 2017) 15
Klimabilanz von Elektroautos | 03 | Ergebnisse der Literaturauswertung Exkurs: Interpretationshilfe für Klima- oder Ökobilanzen von Elektroautos Die Ergebnisse einer Ökobilanz sind ohne die Kenntnis von Annahmen und methodischen Rahmen- bedingungen nur schwer zu interpretieren und miteinander zu vergleichen. Die Beantwortung der folgenden Leitfragen hilft bei der Einordnung der Ergebnisse: 1. Wer hat die Bilanz für welches Fahrzeug erstellt oder beauftragt? Bilanzen von Fahrzeugherstellern können häufig auf detaillierte Primärdaten zurückgreifen, bilden aber oft nur ein bestimmtes Fahrzeugmodell und bestimmte Produktionsbedingungen ab. Wissen schaftliche Bilanzen versuchen dagegen in der Regel, bestimmte Fahrzeugtypen repräsentativ abzubilden. 2. Welche Wirkungskategorien werden in der Ökobilanz betrachtet? (z. B. Klimawirkung, Eutrophierung, Versauerung) Erst wenn mehrere Wirkungskategorien betrachtet werden, können Aussagen über die Umwelt- wirkungen insgesamt getroffen werden. Eine reine Klimabilanz deckt nur einen Teil der Umwelt- wirkungen ab. 3. Werden alle Lebensphasen eines Fahrzeugs betrachtet? (dazu zählen u. a. Herstellung, Nutzung, Entsorgung) Manche Studien vernachlässigen bestimmte Lebensphasen (z. B. Entsorgung) oder nehmen nur einzelne Phasen in den Fokus. 4. Welcher Strommix wurde berücksichtigt? (z. B. nationaler Mix, EU-Mix, Ökostrom oder auch marginaler Strommix) Hier geht es insbesondere um den Fahrstrom, aber auch um den Energiemix, der für die Fahrzeug- bzw. Batterieherstellung genutzt wird. Die meisten Bilanzen rechnen mit einem durchschnittlichen nationalen Strommix, Marginalbetrachtungen können davon deutlich abweichen (siehe Kapitel 4.2.2). 5. Ist die Fahrzeugauslegung vergleichbar? (z. B. Größenklasse, Batteriegröße) Es können erhebliche Unterschiede zwischen einem Kleinwagen und einem Mittelklasse-Pkw bestehen, auch die Batteriegröße hat einen relevanten Einfluss. 6. Woher stammen die Batteriedaten und wie aktuell sind sie? (Verwendung von Sekundärdaten oder Primärdaten?) Die Verwendung von Sekundärdaten spiegelt mit hoher Wahrscheinlichkeit einen veralteten tech- nologischen Stand wider. Es ist sinnvoll, die Energiedichte, die Zellchemie und den Energieeinsatz in der Fertigung zu kennen, da Batteriedaten häufig wenig transparent dargestellt sind. 16
Agora Verkehrswende | 03 | Ergebnisse der Literaturauswertung 3.2 Bandbreite und Parameter der Abbildung 2 vergleicht die Ergebnisse der Klimabilanz Gesamtbilanz ausgewählter Studien für Elektroautos (Treibhausgase- missionen in g CO2-Äquivalenten pro km). Die Band- Obwohl die Methode der Ökobilanzierung eine standar- breite der Ergebnisse ist groß, die Unterschiede sind disierte Vorgehensweise ist15, lassen sich die Ergebnisse jedoch auch auf unterschiedliche Annahmen zurückzu- unterschiedlicher Ökobilanzen teilweise trotz gleicher führen und beruhen nicht zwingend auf technologisch funktionaler Einheit (z. B. kg CO2-Äquivalente pro Fahr- bedingten Unterschieden zwischen verschiedenen zeugkilometer) nur schwer direkt miteinander verglei- Fahrzeugen. chen. Die Unterschiede der Ergebnisse sind auf unter- schiedliche Annahmen hinsichtlich der Nutzung, auf Die genauere Betrachtung des Bilanzgegenstands und unterschiedliche Systemgrenzen und auf unterschiedli- der angenommenen Randbedingungen der Studien zeigt che Randbedingungen der Bilanzierung zurückzuführen. zentrale Einflussfaktoren auf die Bilanz. Diese lassen Ohne genaue Kenntnis der Annahmen können verschie- sich der Nutzungs- und Herstellungsphase zuordnen dene Studien kaum miteinander verglichen werden. und sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Türkis markiert sind besondere Treiber für die gesamte Bilanz, die sich von anderen Studien unterscheiden. Hier sind in der Nutzungsphase neben großen Unterschieden zwischen 15 Mit der Methode der Ökobilanz nach ISO 14040/44 liegt Verbrauchswerten und Lebensfahrleistungen vor allem ein wissenschaftlich fundiertes und standardisiertes Ver- die unterschiedlichen Strommixe von Bedeutung. Die fahren vor, um die Umwelteffekte eines Produktsystems zu Klimabilanz der Batterieherstellung weist besonders berechnen. große Unterschiede auf. Vergleich der Treibhausgasemissionen eines Elektroautos pro Fahrzeugkilometer bezogen auf den gesamten Lebenszyklus Abbildung 2 250 bezogen auf den gesamten Lebenszyklus 200 [g CO₂-Äq./ km ] 150 100 50 0 0] 3] ] ] 7] ] ] 6] 6] ] ] 14 17 15 18 17 18 01 01 01 01 01 20 20 20 20 20 20 .2 .2 .2 .2 .2 e l. l. C G CT al al al al al a ta gi DA rA [IC et et et et et sa et re [A le es lo n ns en s r m e lm te ro r [M au ki ie gs ai ot he e w [M [D [B [H llin [N a [C [H [E Anmerkung: Zum Teil wurden in den Studien mehrere unterschiedliche Fahrzeuge bilanziert. Zwecks bestmöglicher Vergleichbarkeit wurde für diese Darstellung, falls möglich, eine ähnliche Fahrzeugklasse gewählt. Eigene Darstellung durch ifeu 17
Klimabilanz von Elektroautos | 03 | Ergebnisse der Literaturauswertung Auswahl einflussnehmender Randbedingungen in der Klimabilanz Tabelle 1 [Notter et [Hawkins [Daimler [Bauer et [Helms et [Ellingsen [Mierlo et [Cheron [Messa [ICCT [ADAC al. 2010] et al. 2014] al. 2015] al. 2016] et al. al. 2017] et al. gie 2017] 2018] 2018] 2010] 2016] 2017] Treibhausgas (g CO2e/km) emissionen 162 197 150 210 199 146 51 105 90 130 150 Fahrzeug Kom- Kom- Ob. Kom- Klein- Ob. Kom- Kom- – – – klasse paktkl. paktkl. Mittelkl. paktkl. wagen Mittelkl. paktkl. paktkl. Nutzungsphase Lebens 150.000 150.000 160.000 240.000 168.000 180.000 209.596 250.000 – 150.000 150.000 fahrl. (km) Verbrauch 16,6– 100 km) 17 17,3 21,4 21,9 17 – 21,1 20 20,5 14,7 (kWh/ 17,9 zyklus Fahr NEFZ NEFZ NEFZ Real* Real* NEFZ – Real* Real* Real* EcoTest Strom CH EU EU CH/EU DE-2013 EU BE FR-2015 EU-2015 EU DE-2013 mix Herstellung (Batterie) Mix: Mix: LFP, LMO, LFP, chemie LMO NMC NCA LMO NMC NMC LMO Li-Ion NCA, LFP NCA, Zell NMC NMC Kapa (kWh) 34 24 – 25 27,3 26,6 – – 45 30 28 zität Energie (Wh/kg) 113 112 115 105 81,6 105 – – 118 100 – dichte Treibhausgasemis sionen Batterie (kg CO2e/kWh) 84 52,6 187,5 – 124 120 – – 55 175 129 (2mal) Anmerkung: Türkis markiert sind besondere Treiber für die gesamte Bilanz. * Es werden Fahrzyklen angesetzt, die weitgehend realistisches Fahrverhalten abbilden. 18
Agora Verkehrswende | 03 | Ergebnisse der Literaturauswertung 3.3 Bandbreite und Parameter der wodurch die Klimabilanz von Elektroautos kontinuier- Nutzungsphase lich verbessert wird. Viele der ausgewerteten Studien legen ihren Berechnungen einen mittleren EU-Strommix Aus den ausgewerteten Bilanzen geht hervor, dass die zugrunde; der damit verbundene Ausstoß an Treibhaus- Nutzungsphase mit einem Anteil von in der Regel deut- gasemissionen pro Kilowattstunde ist geringer als der lich über 50 Prozent an den Gesamtemissionen den größ- des deutschen Strommixes. ten Einfluss auf die Klimabilanz eines Elektroautos hat (siehe Abbildung 3). Die entscheidende Rolle spielt dabei Große Unterschiede zeigen sich auch beim angenommen die CO2-Intensität der Stromerzeugung, bei der Deutsch- Energieverbrauch der Fahrzeuge. Die Studien zeigen beim land mit seinem hohen Anteil an kohleerzeugtem Strom Verbrauch eine Bandbreite von 15 bis 22 kWh pro 100 km. deutlich schlechter abschneidet als Länder mit höheren Dabei ist die Fahrzeuggröße weitgehend vergleichbar, da Anteilen an Erneuerbaren Energien oder an Kern viele Studien ein Fahrzeug der Kompakt- oder Mittel- energie16 im Strommix. Deshalb ist die Klimabilanz eines klasse bilanzieren. Die Unterschiede im Verbrauch sind Elektroautos in Frankreich oder Belgien17 deutlich besser jedoch nicht nur auf die Fahrzeugeigenschaften, sondern als in Deutschland18. Andererseits erfolgt in Deutschland auch auf den zugrunde gelegten Fahrzyklus zurückzu- ein laufender Zubau erneuerbarer Erzeugungskapazität, führen. Einige Studien verwenden hier Herstellerangaben im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), die jedoch als wenig realistisch kritisiert werden.19 Andere Studien ver- 16 Ungeachtet der negativen Implikationen und ungelösten Probleme der Kernenergie (z. B. Endlagerung) schneidet sie suchen den realistischen Energieverbrauch auf der Straße bei einer rein klimabilanziellen Betrachtung vorteilhaft abzubilden und hinterlegen dafür eigene Annahmen in der gegenüber fossilen Energieträgern ab. Fahrzeugnutzung. 17 Siehe Cheron et al. (2017); Van Mierlo et al. (2017). 18 Siehe Helms et al. (2016). 19 Siehe hierzu Tietge et al. (2017). Vergleich des Beitrags einzelner Lebensabschnitte zu den Treibhausgasemissionen Abbildung 3 100 90 23 80 42 70 53 53 57 61 68 69 25 70 60 63 [%] 50 27 40 15 16 30 12 7 52 14 45 8 10 20 30 31 27 21 24 10 19 18 18 0 [Notter [Hawkins [Daimler [Bauer [Helms [Ellingsen [Cheron [Messagie [ICCT [ADAC et al. et al. AG et al. et al. et al. et al. 2017] 2018] 2018] 2010] 2013] 2014] 2015] 2016] 2016] 2017] Rest End of life Nutzungsphase Batterie-Herstellung Fahrzeug-Herstellung Eigene Darstellung durch ifeu 19
Klimabilanz von Elektroautos | 03 | Ergebnisse der Literaturauswertung Ein weiterer wichtiger Einflussparameter der Nutzungs- gleiche Nutzen unterstellt wird (z. B. gleiche Lebensfahr- phase ist die Lebensfahrleistung. Da die in Abbildung 2 leistung). Die durchschnittliche Kapazität der untersuch- dargestellte funktionale Einheit der Fahrzeugkilometer ten Studien liegt bei 25 kWh, repräsentiert jedoch bereits ist, hat die angenommene Lebensfahrleistung einen ältere Fahrzeugmodelle. Die neuesten Elektroautos am erheblichen Einfluss auf die Abschreibung der durch die Markt haben bereits eine Kapazität von deutlich über Batterieherstellung verursachten Treibhausgasemis- 30 kWh (z. B. e-Golf und Opel Ampera-e). Der Nachfrage sionen eines Elektroautos. Die meisten Studien gehen nach höherer Reichweite wird derzeit überwiegend durch von einer Lebensfahrleistung zwischen 150.000 km und steigende Kapazitäten begegnet, weshalb die Lasten aus 200.000 km aus. der Batterieherstellung weniger stark zurückgehen, als es der technologische Fortschritt erlauben würde. 3.4 Bandbreite und Parameter der Neben der Batteriegröße hat die Energiedichte (Energie Batteriebilanz inhalt bezogen auf das Gewicht) einen großen Einfluss auf die Klimabilanz. Eine höhere Energiedichte ermög- Die bei der Batterieherstellung verursachten Emissionen licht es, eine bestimmte Reichweite mit geringerem Bat- sind in der Phase der Fahrzeugherstellung für den größ- teriegewicht und damit auch mit geringerem Material- ten Unterschied zwischen Verbrenner- und Elektroauto einsatz zu erzielen. Die Energiedichte in den betrachteten verantwortlich. Nach Helms et al. (2016) liegt der Beitrag Studien variiert für das Gesamtsystem (Systemebene), der Batterie an der Klimawirkung der Fahrzeugher- bestehend aus Zellen, Gehäuse und Batteriemanagement, stellung für ein Kompaktklassefahrzeug bei 36 Prozent. zwischen 80 Wh/kg und 118 Wh/kg. Eine Speicherka- Bezogen auf den kompletten Lebensweg des Fahrzeugs pazität von einer Kilowattstunde wiegt also rund 10 kg. (inklusive Nutzungsphase) sind dies jedoch nur noch Mithilfe eigener Recherchen zu aktuellen Elektro 10 Prozent. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch autos und durch die Analyse weiterer Quellen20 wurden Ellingsen et al. (2016) mit 33 Prozent und 11 Prozent. Mit Energiedichten für unterschiedliche Fahrzeugkonzepte zunehmendem Ausbau der Stromerzeugung aus Erneu- und Batterietypen verglichen. NCA- und NMC-Zellen erbaren Energien wächst allerdings die Bedeutung der korrelieren dabei im Durchschnitt mit der höchsten Herstellungsphase für die Klimawirkung, da der Beitrag Energiedichte. Dieser Vorteil kann mögliche Nachteile der Nutzungsphase entsprechend sinkt. in der Umweltlast der Materialvorketten21 teilweise kompensieren. In den vergangenen Jahren hat sich die Tatsächlich liegen zu den durch die Batterieherstel- Energiedichte für Elektroautobatterien deutlich verbes- lung verursachten Treibhausgasemissionen nur wenige sert, ältere Daten bilden deshalb tendenziell eine niedri- belastbare und aktuelle Daten vor. Der Mangel an gesi- gere Energiedichte ab. Das Publikationsjahr der Studie ist cherten Primärdaten führt dazu, dass sich viele Studien hier jedoch nicht immer aussagekräftig, da auch neuere auf wenige Batterieherstellungsdaten berufen. Trotzdem Studien häufig auf ältere Daten zurückgreifen. werden sehr unterschiedliche Treibhausgasemissionen für die Batterieherstellung genannt (siehe Tabelle 1). Eine Die Zellchemie ist für die gesamte Fahrzeugbilanz zwar vergleichende Bilanzierung wird auch dadurch erschwert, von nachgelagerter Relevanz. Fokussiert man jedoch auf dass den Untersuchungen Batterien mit verschiedenen die spezifische Klimawirkung der Fahrzeugbatterien, Zellchemien zugrunde liegen (siehe Exkurs Lithium- ist dies eine auschlaggebende Größe. Heute werden in Ionen-Batterie). Den größten Einfluss auf die Bilanz hat Elektroautos hauptsächlich vier Lithium-Ionen-Zell- zunächst die Batteriegröße (Auslegung der Kapazität). chemien in der Kathode eingesetzt: LMO, LFP, NMC und In der Praxis können sich unterschiedliche Reichweiten NCA (siehe Tabelle 2). Die Materialzusammensetzung ist deutlich auf das Nutzerverhalten und die Lebensfahrleis- unterschiedlich und entsprechend mit unterschiedli- tung auswirken. Diese Effekte werden in Kapitel 4.2.4 an Fallbeispielen illustriert. Festzuhalten bleibt für die Inter- 20 Vgl. etwa Batt-DB von Stenzel et al. (2014); Safari (2018). pretation von Klimabilanzen, dass eine größere Batterie 21 In NMC- und NCA-Zellen kommen Nickel und Kobalt zum sich zunächst negativ auf die Gesamtbilanz des Fahrzeugs Einsatz, die gegenüber anderen Zellchemien (z. B. LMO und auswirkt, wenn für verschiedene Batteriegrößen der LFP) eine deutlich klimaintensivere Materialvorkette haben. 20
Agora Verkehrswende | 03 | Ergebnisse der Literaturauswertung Exkurs Lithium-Ionen-Batterie Eine Lithium-Ionen-Batteriezelle besteht im Wesentlichen aus einer Kathode, einer Anode, einem Elektrolyten, einem Separator und einem umgebenden Zellgehäuse. In großen Lithium-Ionen-Batte- rien für Fahrzeuge werden mehrere Zellen in Module zusammengeschaltet und in einem Batteriepack verbunden. Das erfordert zusätzlich ein Batteriemanagement, ein Kühlsystem und ein stabiles Batte- riegehäuse. Die Kathode bildet in der Lithium-Ionen-Technologie eine zentrale Komponente. Im Automobilbereich kommen heute in der Kathode mehrere Lithiumverbindungen mit verschiedenen Eigenschaften zum Einsatz (vgl. Tabelle 2). Heute gängige Kathodenmaterialien für Li-Ionen-Batterien im Automobilbereich Tabelle 2 Verbindung Abkürzung Strukturformel Nickel-Mangan-Kobaltoxid NMC LiNi1/3Mn1/3Co1/3O2 Nickel-Kobalt-Aluminiumoxid NCA LiNi0,8Co0,15Al0,05O2 Eisenphosphat LFP LiFePO4 Manganoxid LMO LiMn2O4 Köhler (2013) chen Umweltlasten verbunden. Dabei zeigen NMC- und menge ausmachen, ist der materialseitige Einfluss der NCA-Zellen etwas höhere Klimalasten in den Vorketten Zellchemie auf die Gesamtbilanz begrenzt. der eingesetzten Materialen, haben jedoch in der Regel eine höhere Energiedichte. Die materialseitige Klima- Für die Batteriebilanz wichtiger als die eingesetzte bilanz muss daher nicht zwingend schlechter sein, da Zellchemie ist jedoch der Energieeinsatz in der weniger Material pro Kilowattstunde eingesetzt wird. Zellfertigung. Hierzu liegen nur wenige primäre Industriedaten vor, entsprechend groß sind die Eine Analyse der eingesetzten Zellchemie in aktuel- Unsicherheiten. Die Bandbreite der Klimawirkung der len Elektroautos zeigt, dass derzeit überwiegend auf Batterieherstellung ist in den untersuchten Studien NMC- und NCA-Zellen zurückgegriffen wird.22 Die besonders groß: Sie reicht von 39 bis 275 kg CO2-Äqui- größten Zellhersteller am Markt sind unter anderem LG valenten pro Kilowattstunde (kWh). In der Mehrzahl Chem (NMC), Samsung SDI (NMC) und Panasonic (NCA). der Studien werden allerdings Angaben zwischen 100 LFP-Zellen werden schon seit vielen Jahren genutzt und bis 200 kg CO2-Äquivalenten pro kWh gemacht; das sind auf dem chinesischen Markt (insbesondere bei BYD) grenzt den typischen Bereich stärker ein (siehe Abbil- sehr weit verbreitet23; im europäischen Markt spielen sie dung 4). In einem ersten Differenzierungsschritt lässt kaum noch eine Rolle. LMO-Zellen kommen heute noch sich der Energieverbrauch nach Zellherstellung und häufig zum Einsatz, allerdings überwiegend in Kombina- Batteriemontage untergliedern. Die Zellherstellung ist tion mit NMC- und NCA-Zellen. Da die Kathodenmateri- deutlich energieintensiver als der letzte Prozessschritt alien jedoch nur einen kleinen Teil der Gesamtmaterial- der Batteriemontage24 und erfolgt heute überwiegend in Ostasien durch die großen Zellhersteller wie LG 22 Vgl. Schmuch et al. (2018). 23 Vgl. Einhorn; Kim (2018). 24 Siehe Romare; Dahllöf (2017). 21
Klimabilanz von Elektroautos | 03 | Ergebnisse der Literaturauswertung Chem, Panasonic, BYD, Samsung.25 Die Batteriemontage 2. Bottom-up-Modellierung: Bei diesem Ansatz wird wird häufig direkt von den Automobilherstellern über- für jeden Prozessschritt der Energieeinsatz abgeleitet nommen. oder berechnet. Das führt zwar zu einem höheren Detaillierungsgrad, aber unter Umständen auch zur Die große Bandbreite der Ergebnisse wird auch durch Unterschätzung des gesamten Energieverbrauches. zwei grundsätzliche Modellierungsansätze erzeugt (vgl. Das Ergebnis sind überwiegend niedrige Verbräuche: Abbildung 5): 0–10 MJ/kWh pro Zelle28. 1. Top-down-Zuweisung unter Verwendung von (meist Neuere LCAs basierend auf studienorientierten Primär- sekundären) Industriedaten26: Hierbei wird der ge- daten29 deuten auf einen sehr hohen Energieverbrauch samte Energieverbrauch einer Fabrik auf das einzelne im Bereich von 530 bis 1670 MJ/kWh pro Zelle hin30, was Produkt heruntergebrochen (z B. pro Kilowattstunde insgesamt die Wahl einer Top-down-Allokation stützt. Batteriekapazität). Das führt insgesamt zu relativ ho- hen Verbräuchen: 326–1060 MJ/kWh pro Zelle27. Zackrisson et al. (2010). 25 Siehe McKerracher (2017). 28 Dunn et al. (2012); Notter et al. (2010); US-EPA (2013). 26 Zum Beispiel veröffentlichungspflichtige Daten aus 29 Gemeint sind Industriedaten, die gezielt für entsprechende Geschäftsberichten. Studien erhoben wurden. 27 Bauer (2010); Majeau-Bettez et al. (2011); 30 Thomas et al. (2018). Vergleich der Treibhausgasemissionen aus der Batteriefertigung bezogen auf eine Kilowattstunde Batteriekapazität Abbildung 4 (teilw.) Primärdaten Sekundärdaten + Metastudien 300 250 200 [kg CO₂-Äq./ kWh] 150 100 50 0 6] 11] ] 2] 4] ] 0] 6] ] ] ] ] ] 7] ] ] ] 10 13 13 16 16 16 16 17 18 18 01 01 1 01 01 01 20 20 20 20 20 20 0 0 20 20 20 20 f2 .2 .2 .2 2 .2 .2 l., e PA . al al n al CT C l. al al al al al al lö ta ta gi DA un nd [IC et hl et -E et et et et et sa et e re [D [A Da Ke S n en es n ns z, s im rs on [U tte e m un te e [M & & gs gs ki [K iss el et et o [D aw e e llin llin [H [N [P kr ar os B [H u- ac [E [E om br ea [Z m [R [A aj [M Anmerkung: Der türkise Balken zeigt die Bandbreite der Ergebnisse innerhalb der Studie auf. Eigene Darstellung durch ifeu 22
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