Klimaschutz in Zahlen - Fakten, Trends und Impulse deutscher Klimapolitik Ausgabe 2021 - Bundesministerium für Umwelt ...
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| KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN Klimaschutz in Zahlen Fakten, Trends und Impulse deutscher Klimapolitik Ausgabe 2021
2 KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN | Impressum Impressum Herausgeber Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) Referat Öffentlichkeitsarbeit, Online-Kommunikation, Social Media · 11055 Berlin E-Mail: buergerinfo@bmu.bund.de · Internet: www.bmu.de Redaktion BMU, Referat IK III 1, Jörg Rüger, Andrea Buchheim Text Guidehouse, Thobias Sach, Linda Beyschlag, Arnold Bruhin, Pia Kerres, Bastian Lotz, Larissa Oppermann, Berlin Gestaltung www.digitale-gestaltung.de, Holger Ebeling, Berlin Druck Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main Bildnachweise Titelseite: Shutterstock.com/Jacob Lund Seite 6: picture-alliance/dpa/ZB/Jan Woitas · Seite 16: picture-alliance/dpa/Philipp von Ditfurth Seite 26: Adobe Stock/Zacharias · Seite 48: imago images/Hoch Zwei Stock/Angerer Stand Juni 2021 1. Auflage 3.000 Exemplare (gedruckt auf Recyclingpapier) Bestellung dieser Publikation Publikationsversand der Bundesregierung Postfach 48 10 09 · 18132 Rostock Telefon: 030 / 18 272 272 1 · Fax: 030 / 1818 10 272 272 1 E-Mail: publikationen@bundesregierung.de Internet: www.bmu.de/publikationen Hinweis Diese Publikation wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit kostenlos herausgegeben. Sie ist nicht zum Verkauf bestimmt und darf nicht zur Wahlwerbung politischer Parteien oder Gruppen eingesetzt werden. Mehr Informationen unter: www.bmu.de/publikationen
Inhalt | KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN 3 Inhalt Klimaschutz in Zahlen – kompakt ....................................................................................................................... 4 1. Warum setzt sich Deutschland für eine aktive Klimapolitik ein? ................................................ 6 1.1 Ursachen und Folgen des Klimawandels ...................................................................................................................................................7 1.2 Klimawandelfolgen und Anpassung in Deutschland ....................................................................................................................... 10 1.3 Globale Verantwortung und Engagement für eine nachhaltige Zukunft ............................................................................... 14 2. Klimaschutzziele und Instrumente ..........................................................................................................16 2.1 Deutsche Klimaschutzpolitik ....................................................................................................................................................................... 17 2.2 Europäische Klimaschutzpolitik ................................................................................................................................................................. 20 SCHLAGLICHT 2021: Der Europäische Grüne Deal .......................................................................................................................... 23 2.3 Internationale Klimaschutzpolitik ............................................................................................................................................................ 24 3. Emissionstrends und Handlungsfelder in den Sektoren ...............................................................26 3.1 Emissionen in Deutschland – gestern, heute und morgen ............................................................................................................ 27 3.2 Energiewirtschaft ............................................................................................................................................................................................... 29 3.3 Industrie ................................................................................................................................................................................................................. 33 3.4 Verkehr .................................................................................................................................................................................................................... 36 3.5 Gebäude .................................................................................................................................................................................................................. 40 3.6 Landwirtschaft ..................................................................................................................................................................................................... 42 3.7 Abfall- und Kreislaufwirtschaft ................................................................................................................................................................... 44 3.8 Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) .................................................................................. 46 4. Auf dem Weg in die treibhausgasneutrale Wirtschaft und Gesellschaft .................................48 4.1 Wirtschaft und Innovation ............................................................................................................................................................................ 49 4.2 Arbeitsplätze und Strukturwandel ............................................................................................................................................................ 51 4.3 Schaffung nachhaltiger Infrastrukturen ................................................................................................................................................. 53 4.4 Nachhaltiger Konsum ...................................................................................................................................................................................... 54 4.5 Nachhaltige Investitionen .............................................................................................................................................................................. 55 5. Glossar ....................................................................................................................................................................57 6. Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................................................59 7. Endnoten ...............................................................................................................................................................60 8. Literaturverzeichnis .........................................................................................................................................62 9. Datenanhang .......................................................................................................................................................65
4 KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN Klimaschutz in Zahlen – kompakt Ursachen des Klimawandels 412 ppm Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung: CO2-Konzentration +1 °C +45 % Globaler Temperaturanstieg +0,5 °C im Jahr 2020 gegenüber dem 284 ppm Zeitraum 1850 bis 1900: +0,0 °C +1,2 °C Temperaturänderungen 1850 1900 1950 2020 Verantwortung für den Klimawandel Pro-Kopf-CO2-Emissionen in Tonnen 2019 Deutschlands Anteil an den USA & Kanada 15,6 Deutschlands Pro-Kopf-CO2- historischen globalen Treib- Russland 12,4 Emissionen lagen 2019 bei hausgasemissionen seit 1850 8,5 Tonnen und damit beträgt: Deutschland 8,5 China 8,1 3,6 Tonnen 4,6 % über dem globalen EU-28 7,4 Durchschnitt. Globaler Durchschnitt 4,9 Subsahara-Afrika 1,0 Klimawandelfolgen Klimawandelfolgen sind schon heute in Deutschland zu beobachten und werden in den kommenden Jahrzehnten stark zunehmen. Dazu zählen auch extreme Wetterereignisse wie Starkniederschläge und Hitzewellen. Meeresspiegelanstieg Starkregen Sonnenscheindauer Pegel Cuxhaven Anzahl Tage ≥ 20 mm -11 % 1951 bis 1980 +9 % +42 cm seit 1843 +5 % seit 1951 +17 % seit 1981 Schneetage Kälte Hitze Anzahl Tage mit 24 h Anzahl Eistage (< 0 °C) Anzahl heißer Tage (≥ 30 °C) ausschließlich Schneefall -49 % seit 1951 +196 % seit 1951 -49 % seit 1951
KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN 5 Internationaler Klimaschutz Die internationale Staatengemeinschaft muss ihre Anstrengungen deutlich verstärken, um das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen, die globale Erwärmung auf 1,5 bis 2 °C zu begrenzen. 200 Treibhausgasemissionen in Gt CO2-Äquivalente/Jahr +4,1 bis 4,8 °C Erwartete globale Erwärmung ohne Maßnahmen 100 +1,9 bis 3,0 °C Erwartete globale Erwärmung bei Umsetzung der bisherigen politischen Zusagen, Ziele und national festgelegten Beiträge 0 +1,5 bis 2 °C Zielkorridor des Pariser Abkommens 1990 2020 2100 Emissionstrends und -ziele in Deutschland Deutsche Treibhausgasemissionen nach Sektoren: Stand 2020 221 178 146 120 66 9 1990: 1.249 Ziel 2030 108 118 85 67 56 4 2005: 993 2020: 739 Energiewirtschaft Industrie Verkehr Millionen Tonnen Gebäude Landwirtschaft Abfallwirtschaft und Sonstige CO2-Äquivalente Wandel ist machbar Im Jahr 2020 lieferten die erneuerbaren Energien erstmals mehr Strom als die fossilen Energieträger (Kohle, Öl, Erdgas). Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch 1990 3,4 % | 19 von 551 TWh 2005 10,3 % | 63 von 618 TWh Bruttoinlandsprodukt: 2020 45,4 % | 251 von 552 TWh +48 % Eine wachsende Wirtschaft und sinkende Treibhausgasemissionen sind kein Treibhausgasemissionen: Widerspruch. 1990 -41 % 2020
6 KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN | 1. Warum setzt sich Deutschland für eine aktive Klimapolitik ein? Königsteich in Bennewitz, Sachsen, im Juli 2020 1. Warum setzt sich Deutschland für eine aktive Klimapolitik ein? Zusammenfassung Ursachen: Seit der Industrialisierung werden durch menschliche Aktivitäten in zunehmendem Maße Treibhausgase freigesetzt. Diese reichern sich in der Atmosphäre an und verstärken den Treibhaus- effekt. Die globale Durchschnittstemperatur steigt dadurch an. Kohlendioxid, das den bedeutendsten Teil des vom Menschen zusätzlich verursachten Treibhauseffekts ausmacht, wird nur sehr langsam abgebaut. Nach 1.000 Jahren sind davon noch etwa 15 bis 40 Prozent in der Atmosphäre übrig. Folgen: Der Anstieg des Meeresspiegels sowie das vermehrte Auftreten von Extremwetterereignissen wie Starkniederschläge und Hitzewellen sind Beispiele für Klimawandelfolgen, die bereits heute spür- bar sind. Mit zunehmender globaler Erwärmung werden Klimawandelfolgen künftig stärker und eine noch akutere Bedrohung für Artenvielfalt und menschliche Existenzgrundlagen. Verantwortung: Deutschland hat mit 4,6 Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen seit 1850 beigetragen und seine Pro-Kopf-CO2-Emissionen liegen deutlich über dem weltweiten Durchschnitt. Es trägt somit eine besondere Verantwortung bei der Bekämpfung des Klimawandels. Die Bundesregierung verfolgt deshalb das Ziel, bis 2045 treibhausgasneutral zu werden. Erst wenn die Menschheit treibhausgas- neutral lebt und wirtschaftet, wird sich die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre stabilisieren.
1.1 Ursachen und Folgen des Klimawandels | KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN 7 schnelle Temperaturanstieg macht den Unterschied 1.1 Ursachen und Folgen zwischen dem menschengemachten Klimawandel des Klimawandels und vorherigen natürlichen Veränderungen wie den Eiszeit-Warmzeit-Zyklen deutlich.4 Der menschengemachte Klimawandel ist real. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass der globale Tempe- Die Folgen der globalen Erwärmung sind schon heute raturanstieg seit der Industrialisierung nicht mit spürbar. In den letzten Jahren häuften sich Wärme- natürlichen Ursachen zu erklären ist. Er ist auf die vom rekorde. 2020 war nach 2016 weltweit das zweitwärmste Menschen verursachte Verstärkung des Treibhaus- Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und mar- effekts zurückzuführen (siehe Infobox auf Seite 4). kierte das 44. Jahr in Folge, in dem die Mitteltemperatur Seit Mitte des 19. Jahrhunderts nimmt die Konzen- an der Erdoberfläche den Durchschnitt des 20. Jahrhun- tration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre derts überschritt.5 Die Auswirkungen der globalen Er- drastisch zu (Abbildung 01). Sie ist im Vergleich zu wärmung lassen sich beispielhaft an den gravierenden vorindustriellen Werten um 45 Prozent gestiegen (Ab- Veränderungen der Kryosphäre, also allen Formen von bildung 01). Mit 412 Anteilen pro Millionen Teilchen Eis und Schnee im Klimasystem, beschreiben: Seit Be- Luft (Englisch: parts per million; ppm) war der Wert ginn der Satellitenmessungen 1979 geht das Meereis in 2020 der höchste seit mindestens 800.000 Jahren.1, 2 der Nordpolregion um durchschnittlich mehr als zehn Die Hauptursachen für diesen Anstieg sind die Ver- Prozent pro Zehn-Jahres-Zeitraum zurück. Mit zuneh- brennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und mender Geschwindigkeit schmelzen auch das Festland- Erdgas, die Nutzung von Kalkstein für die Zement- eis Grönlands sowie Teile des antarktischen Eispanzers. herstellung sowie großflächige Entwaldung. Auch die Das trägt zu dem beschleunigten Anstieg des durch- Konzentration weiterer klimarelevanter Treibhausgase schnittlichen globalen Meeresspiegels bei. Seit 1900 ist (siehe auch Glossar) ist deutlich angestiegen. Hierzu dieser bereits um 16 Zentimeter gestiegen. Seit 2006 zählen Methan (CH4) und Lachgas (N2O), die vor allem beträgt der jährliche Anstieg 3,6 Millimeter.6 Auch wenn in der Landwirtschaft entstehen, sowie fluorierte es gelingen sollte, den Temperaturanstieg auf 1,5 °C Gase (HFKW, FKW, SF6 und NF3). Im Jahr 2020 lag die zu begrenzen, wird mit einem weiteren Anstieg des globale Durchschnittstemperatur rund 1,2 °C über Meeresspiegels über das Jahr 2100 hinaus gerechnet.7 dem vorindustriellen Niveau (1850 bis 1900).3 Der sehr Dies ist eine Bedrohung vor allem für die Menschen, die Abbildung 01: Atmosphärische Kohlendioxidkonzentration und globale Temperaturabweichung seit 1850 410 1,2 CO2-Konzentration in der Atmosphäre (ppm) Temperaturabweichung (°C) 390 1,0 370 0,8 CO2-Konzentration 350 0,6 330 0,4 310 0,2 290 0* Temperaturabweichung gegenüber dem 270 Temperaturdurchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 -0,2 1850 1880 1910 1940 1970 2000 2020 *Die Temperatur-Nulllinie stellt den Temperaturdurchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 dar. Quelle: Met Office (2021), Climate College (2016), NOAA (2020)
8 KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN | 1.1 Ursachen und Folgen des Klimawandels zur Ausbreitung schwerer Waldbrände bei. Diese verur- Abbildung 02: Temperaturänderung der sachten einen Ausstoß von 56 Megatonnen CO2, mehr Zehn-Jahres-Zeiträume in Deutschland in als der jährliche Ausstoß der Schweiz. Bezug auf die Jahre 1881 bis 1910 Temperaturänderung (°C) Auch in Deutschland steigt die Durchschnitts temperatur spürbar. Wird die Erwärmung pro Jahr- 0 +0,5 +1 +1,5 +2 zehnt betrachtet, wird deutlich, dass der letzte Zehn- 2011 bis 2020 +2,0 Jahres-Zeitraum sogar rund 2 °C wärmer war als der 2001 bis 2010 +1,4 Referenzzeitraum von 1881 bis 1910 (Abbildung 02). 1991 bis 2000 +1,1 Die Temperatur stieg in den vergangenen 50 Jahren deutlich schneller an als in den Jahrzehnten vor 1970. 1981 bis 1990 +0,7 Mit einer Durchschnittstemperatur von 10,4 °C war das 1971 bis 1980 +0,5 Jahr 2020 nach 2018 das bisher zweitwärmste Jahr in 1961 bis 1970 +0,2 Deutschland.10 1951 bis 1960 +0,4 1941 bis 1950 +0,6 Der Klimawandel verstärkt den Rückgang der 1931 bis 1940 +0,4 Artenvielfalt. Die höhere Kohlendioxidkonzentration 1921 bis 1930 +0,3 und die Folgen des Klimawandels haben direkte Aus- 1911 bis 1920 +0,4 wirkungen auf die Funktion von Ökosystemen und die 1901 bis 1910 +0,1 Biodiversität. Der beobachtete Populationsrückgang 1891 bis 1900 +0,1 und das Artensterben deuten darauf hin, dass viele Spe- 1881 bis 1890 -0,2 zies und Ökosysteme nicht mit dem schnellen Tempo des Klimawandels mithalten können. Der Rückgang Quelle: DWD (2021) der Artenvielfalt kann wiederum Kaskadeneffekte auf weitere Elemente der Biodiversität haben. Die kontinu- ierliche Erwärmung, der damit verbundene Rückgang des Sauerstoffgehalts sowie die Versauerung der Meere an niedrig gelegenen Küsten und in kleinen Inselstaaten durch die vermehrte CO2-Aufnahme bedrohen zum leben. Das weitere Abschmelzen der grönländischen Beispiel Korallen und andere kalkbildende Organismen. Eismassen könnte zudem zu einer Abschwächung Geografische Verschiebungen des Artenvorkommens des Golfstroms beitragen.8 Das hätte wiederum weit- und damit Veränderungen mariner Ökosysteme werden reichende Folgen für das Klimasystem als Ganzes. bereits heute beobachtet. Dies wird Auswirkungen auf die Verbreitung und den Bestand von Fischarten haben Auch die globale Gesamtmasse der Gebirgsgletscher und so die Existenzgrundlagen von Gemeinschaften be- geht seit 1980 deutlich zurück. Rekordtemperaturen drohen, die vom Meerestierfang abhängig sind.11 lassen Gletscher und Permafrost tauen. Hochgebirgs- hänge werden dadurch destabilisiert. Das kann künftig Selbst bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung zu gefährlichen Erdrutschen, Lawinen und Fluten auf 1,5 °C verstärken sich die Klimawandelfolgen mit verheerenden Folgen für in Hochgebirgsregionen deutlich. Der im Oktober 2018 erschienene Sonder- lebende Menschen führen.9 bericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) zu den Folgen der globalen Er- Weltweit ist die Zunahme bestimmter Extremwetter wärmung um 1,5 °C hat aufgezeigt, dass die Risiken für ereignisse zu beobachten. Hierzu zählen Hitzewellen Mensch und Natur noch größer sind als bisher ange- und Dürren mit steigender Häufigkeit, Intensität und nommen. Die bislang von der Staatengemeinschaft zu- Dauer. Ein aktuelles und dramatisches Beispiel hier- gesagten Anstrengungen zur Reduzierung ihres Treib- für ist die Hitzewelle in Sibirien im ersten Halbjahr hausgasausstoßes reichen jedoch bei Weitem nicht aus, 2020. Im Juni wurden in der Kleinstadt Werchojansk um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur Rekordtemperaturen von bis zu 38 °C gemessen. Hohe auf 1,5 °C zu begrenzen. Laut IPCC-Sonderbericht wird Temperaturen und Trockenheit trugen laut der im Juli dieser Wert bei gleichbleibendem Temperaturanstieg 2020 erschienenen World-Weather-Attribution-Studie bereits zwischen 2030 und 2052 überschritten.
1.1 Ursachen und Folgen des Klimawandels | KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN 9 i Störung des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs Die atmosphärische CO2-Konzentration ist zwischen 2010 und 2019 um durchschnittlich 5,1 Gigatonnen Durch die Verbrennung fossiler Energieträger und Kohlenstoff pro Jahr angestiegen. In den 1960er durch industrielle Prozesse (grauer Pfeil) sowie Jahren lag dieser Wert mit 1,8 Gigatonnen Kohlen- durch Landnutzung und Landnutzungsänderun- stoff pro Jahr noch auf einem deutlich niedrigeren gen (oranger Pfeil) verursachen Menschen Treib- Niveau.12 hausgasemissionen (Abbildung 03). Diese stören den natürlichen Kohlenstoffkreislauf, also die Die steigende atmosphärische CO2-Konzentration Zirkulation von großen Mengen an Kohlenstoff trägt zu einer Verstärkung des Treibhauseffekts bei. zwischen der Atmosphäre, dem Ozean und der Durch die menschlichen Mehremissionen wird ein terrestrischen Biosphäre. größerer Teil der Wärmeeinstrahlung auf die Erde absorbiert und nicht in Form von Infrarotstrahlung CO2-Emissionen werden zunächst vor allem von der ins All reflektiert. So kommt es zu einer globalen Atmosphäre, dem oberen Ozean und der Vegetation Erwärmung. aufgenommen. Über Zehn- bis Hunderttausende von Jahren führen geologische Prozesse zu einer Umver- Diese Erwärmung löst wiederum Rückkopplungen teilung zwischen den Speichern der Kohlenstoffvor- zwischen dem globalen Kohlenstoffkreislauf und räte (Kreise). Im Ozean wird Kohlenstoff vor allem in dem Klima aus. Ein Anstieg der Temperatur an gelöster anorganischer Form – als Hydrogencarbonat- Land führt zum Beispiel zu einer Intensivierung und Carbonat-Ionen – gebunden. Der menschlich der Bodenatmung und so zu mehr Kohlendioxid, verursachte Anstieg der CO2-Konzentration verändert das aus dem Boden in die Atmosphäre gerät. natürliche Kohlenstoffflüsse und lässt sie aus dem Gleichgewicht geraten. Abbildung 03: Störung des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs durch menschliche Aktivitäten Fossile Landnutzungs- Land- Ozean- Quellen: änderungen: senke: senke: +9,4* +1,6* -3,4* -2,5* Atmosphärisches CO2: 860 Jährlicher Anstieg: +5,1 120 Vegetation: Gelöster an- 450–650 organischer Gelöster 90 Kohlenstoff: 120 organischer 90 38.000 Gasreserven: Kohlenstoff: 700 385–1.135 Marine Böden: Ölreserven: Küsten: Lebewesen: 3 1.500–2.400 175–265 10–45 Oberflächen- sedimente: 1.750 Kohlereserven: Permafrost: 445–540 1.700 * Jährliche Kohlenstoffflüsse gemittelt über die Jahre 2010 bis 2019 in Gigatonnen Kohlenstoff (Gt C) pro Jahr Natürlicher Kohlenstoffkreislauf in Gt C pro Jahr Kohlenstoffvorräte in Gt C 1 Gt C entspricht 3,664 Gt CO2 Quelle: Friedlingstein Pierre et al. (2020) (Originaldarstellung leicht geändert)
10 KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN | 1.2 Klimawandelfolgen und Anpassung in Deutschland manchen Gemeinden geführt. In der Land- und Forst- 1.2 Klimawandelfolgen wirtschaft macht sich der Rückgang des verfügbaren und Anpassung in Deutschland Wassers über die letzten 50 Jahre ebenfalls deutlich bemerkbar. So verursachte allein die extreme Hitze und Deutschland ist zunehmend von den Folgen des Trockenheit im Jahr 2018 landwirtschaftliche Schäden Klimawandels betroffen. Seit 1881 ist die Jahres- in Höhe von 700 Millionen Euro. durchschnittstemperatur in Deutschland um 1,6 °C angestiegen.13 Auch die Anzahl an heißen Tagen mit Auch weitere Extremwetterereignisse wie Stürme, Temperaturen von über 30 °C hat deutlich zugenom- Starkregen und Überschwemmungen drohen sich men. Während im Jahr 1951 nur drei solcher Tage ver- infolge der Erwärmung zu häufen. Sie beschädigen zeichnet wurden, lag diese Zahl im Jahr 2020 bereits bei unter anderem Infrastrukturen wie Straßen, Häfen und elf.14 Der Anstieg der Hitzebelastung gilt in Deutsch- Wasserwege und stellen damit auch ein wirtschaft- land als das deutlichste und stärkste Klimasignal und liches Risiko dar. Zudem leidet der deutsche Wald zu- hat erhebliche Auswirkungen auf Gesundheit und nehmend unter den Folgen des Klimawandels. Stürme, Infrastrukturen, insbesondere in Ballungsräumen. lang anhaltende Dürre, überdurchschnittlich viele Hitzewellen sind besonders für die jüngsten und ältere Waldbrände und Borkenkäferbefall haben den Wäl- Bevölkerungsteile sowie für pflegebedürftige und vor- dern in Deutschland in den vergangenen Jahren stark erkrankte Menschen belastend und können zu zusätz- zugesetzt. Rund 285.000 Hektar Wald müssen infolge lichen Todesfällen führen. Im Jahr 2003 starben 7.500 von Schäden durch Klimawandelfolgen aufgeforstet Menschen mehr, als ohne Hitzeperiode zu erwarten ge- werden, besonders mit Blick auf ihre wichtige Rolle als wesen wäre. In den Jahren 2006 und 2015 gab es jeweils CO2-Senken und wichtiger Raum für die Vielfalt von 6.000 zusätzliche Todesfälle.15 Flora und Fauna. Die zunehmende Trockenheit hat im vergangenen Jahr- Die Erwärmung führt darüber hinaus zu einer Aus- zehnt häufiger zu niedrigen Grundwasserständen und breitung von Tier- und Pflanzenarten aus wärmeren damit zu Problemen bei der Trinkwasserversorgung in Regionen, wie zum Beispiel der Tigermücke, die bisher Abbildung 04: Ausgewählte Klimawandelfolgen in Deutschland Meeresspiegelanstieg Dürremagnitude** Pegel Cuxhaven +162 % seit 1952* +42 cm seit 1843 Starkregen Vegetationsperiode Anzahl Tage ≥ 20 mm Bis zu drei Wochen +5 % seit 1951* früher seit 1961 +1,6 °C Hitze Jahresniederschläge Temperatur- Anzahl heißer Tage (≥ 30 °C) +8 % seit 1881* anstieg +196 % seit 1951* seit 1881 Winterniederschläge Sonnenscheindauer +27 % seit 1881* -11 % 1951 bis 1980 +9 %* (einschließlich 2021) +17 % seit 1981 Schneetage Kälte Anzahl Tage mit 24 h Anzahl Eistage (< 0 °C) ausschließlich Schneefall -49 % seit 1951* -49 % seit 1951* *Verhältnis des linearen Trends von 1951 (oder 1881, 1952, 1981) bis 2020 zum Mittelwert der Referenzperiode 1961 bis 1990 **Die Dürremagnitude ist dimensionslos und wird berechnet aus Dürredauer, -fläche und täglicher Dürreintensität des Gesamtbodens (mittlere Tiefe über Deutschland etwa 180 cm) über die Vegetationsperiode April bis Oktober. Quellen: DWD (2021a), DWD (2021b), BSH (2021), Deutscher Dürremonitor Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) (2021)
1.2 Klimawandelfolgen und Anpassung in Deutschland | KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN 11 in Deutschland nicht auftretende Krankheiten wie „Angesichts des fortschreitenden Klima- Chikungunya- oder Denguefieber mit sich bringt. wandels müssen wir frühzeitig planen, Eine Untersuchung des Bundesamtes für Naturschutz langfristig handeln und strategisch stellte fest, dass der Klimawandel für 89 Prozent von koordinieren. Auf lokaler, regionaler und 500 ausgewählten heimischen Tierarten ein mittleres nationaler Ebene. Klimaanpassung ist oder hohes Risiko bedeutet. Schmetterlinge, Käfer und eine Querschnittsaufgabe und es ist eine Weichtiere zählen zu den am meisten bedrohten Arten Gemeinschaftsaufgabe.“ Svenja Schulze, hierzulande. Abbildung 04 gibt einen Überblick über Bundesumweltministerin zentrale in Deutschland beobachtbare Klimawandel- folgen. verhindern. Klimapolitik bedeutet daher neben der Regionen sind aufgrund ihrer geografischen und Vermeidung von Treibhausgasemissionen auch die strukturellen Gegebenheiten unterschiedlich vul Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Ziel ist nerabel. Die mit Blick auf den Klimawandel verwund- es hierbei, die durch den Klimawandel verursachten barsten Regionen Deutschlands sind Landkreise mit Auswirkungen auf den Menschen, insbesondere auf die strukturellem Defizit, die in Regionen mit warmem vulnerablen Bevölkerungsgruppen, und die Schäden an Klima liegen. Aufgrund des erwarteten Anstiegs der Infrastrukturen und in allen Bereichen der Wirtschaft sommerlichen Starkregen und der Winternieder- mithilfe angemessener Vor- und Nachsorge zu mindern schläge sind auch strukturschwache Ballungsräume oder wenn möglich zu vermeiden. Anpassungsmaßnah- mit hohem Anteil an überschwemmungsgefährdeten men haben zum Ziel, unsere von Klimawandelfolgen Gebieten vulnerable Regionen. Vor allem Arten und betroffene Gesellschaft in allen Bereichen widerstands- Lebensräume, die an besonders empfindliche Regionen und wandlungsfähiger, also resilienter, zu machen. gebunden sind, werden langfristig durch den Tempe- Der Fokus liegt auf vorbeugenden Maßnahmen und raturanstieg bedroht sein. Beispiele hierfür sind das umfassenden Informationssystemen wie beispielsweise Wattenmeer und das Hochgebirge. effektiven Warnsystemen vor Extremwetterereignissen. Im 2020 erschienenen Grünbuch zur öffentlichen Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klima Sicherheit beschreiben die Autor*innen angelehnt wandel (DAS) setzt den politischen Rahmen für an den Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungs- Klimawandelanpassung. Die DAS weist den möglichen schutz 2018 des Bundes, wie die zunehmenden Folgen Folgen des Klimawandels verschiedene Handlungs- des Klimawandels bereits im Jahr 2030 das alltägliche felder zu und stellt Handlungsoptionen vor. Damit Leben beeinflussen könnten: Eine sechsjährige Dürre- bildet sie die Basis dafür, wie Deutschland widerstands- periode und der Höhepunkt einer neuen Hitzewelle bei fähiger gegenüber den Auswirkungen des Klima- 45 °C im Schatten könnten die Trinkwasserversorgung wandels werden soll. Die DAS wird durch regelmäßig stark beeinträchtigen. Durch hitzebedingte Fahrbahn- veröffentlichte Aktionspläne und Fortschrittsberichte schäden könnte auch die Lebensmittelversorgung ins fortgeschrieben und mit konkreten Maßnahmen Stocken geraten. Schienen könnten sich verformen und unterlegt. Im November 2020 wurde der zweite Fort- damit den Bahnverkehr stark einschränken. Steigende schrittsbericht veröffentlicht, der den dritten Aktions- Zahlen von Hitzetoten könnten zu Ausgangssperren plan Anpassung (APA III) enthält. Der APA III be- führen. Auch öffentliche Einrichtungen wie Schulen schreibt mehr als 180 laufende und neue Maßnahmen und Kindergärten müssten schließen. Die Autor*innen aller Bundesressorts. Eine wichtige Grundlage für die plädieren unter anderem dafür, Klimawandel und Erstellung des APA III bildet die Vulnerabilitätsanalyse Klimaprojektionen in alle Bereiche der Katastrophen- des Bundes, die 2021 aktualisiert vorgelegt wird. Diese vorsorge mit einzubeziehen, um besser auf ein solches fasst Handlungsfelder mit ähnlichen Klimawirkungen Krisenszenario vorbereitet zu sein. in sechs Clustern zusammen: Wasser, Land, Infrastruk- turen, Wirtschaft, Gesundheit sowie Raumplanung Unvermeidbare Folgen des Klimawandels erfordern und Bevölkerungsschutz. Konkrete Maßnahmen effektive Anpassungsmaßnahmen. Klimaschutzmaß- und Instrumente reichen von der Renaturierung an nahmen zur Eindämmung des Klimawandels können Fließgewässern und Auen bis zur Schaffung grüner das Eintreten weitreichender Folgen nicht gänzlich Korridore in den Städten (Abbildung 05).
12 KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN | 1.2 Klimawandelfolgen und Anpassung in Deutschland Maßnahmen wie die Bereitstellung von Daten- und liegen. Beispiele sind die Trinkwasserversorgung und Informationsdiensten oder Förderaktivitäten wer- Verkehrsinfrastruktur. den in dem Cluster „Übergreifend“ erfasst. Der APA III sieht beispielsweise vor, das Deutsche Klimavor- Um Klimaanpassung regional und kommunal zu sorgeportal (KliVO-Portal) weiterzuentwickeln. Dort unterstützen, hat das Bundesministerium für Umwelt, werden meteorologische und klimatologische Daten Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) Förder- gesammelt und zur Verfügung gestellt. Zudem erhal- programme geschaffen. Im Rahmen des Förderpro- ten Bundesländer, Landkreise und Kommunen, aber gramms „Maßnahmen zur Anpassung an den Klima- auch die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft mithilfe wandel“ wurden seit 2011 rund 280 Einzelvorhaben von Anpassungsdiensten Unterstützung im Umgang unter drei Förderschwerpunkten mit einem Gesamt- mit Klimawandelfolgen. Der zweite Fortschrittsbericht fördervolumen in Höhe von 37,3 Millionen Euro be- strebt auch ein bundesweites Klimaschadenkataster an. willigt. Das 2020 neu eingeführte Programm „Klimaan- Dort sollen künftig alle Daten zu klimatischen Schäden passung in sozialen Einrichtungen“ unterstützt unter und Schadenskosten registriert werden, um eine bes- anderem kommunale und sonstige Träger von sozialen sere kurz- und mittelfristige Planung benötigter Mittel Einrichtungen wie Krankenhäusern, Pflege- und Alten- auf nationaler Ebene zu ermöglichen. heimen sowie Kindertagesstätten dabei, sich gegen die zunehmenden Belastungen durch Klimawandel- Für Kommunen ist Anpassung besonders wichtig, folgen zu wappnen. Dafür stehen 150 Millionen Euro denn Klimawandelfolgen treten lokal auf. Viele An- aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung bis passungsmaßnahmen setzen auf kommunaler Ebene 2023 zur Verfügung. Des Weiteren sind Klimaschutz- an, um auf die lokalen Auswirkungen zu reagieren. und Klimaanpassungsmaßnahmen Voraussetzung für Klimawandelfolgen wie häufigere Fälle von Hochwas- die Städtebauförderung der Bundesregierung. Allein ser, Überflutungen, Hitzewellen und Dürreperioden im Jahr 2020 lag die hierfür vorgesehene Summe bei bedrohen nicht nur die menschliche Gesundheit, 790 Millionen Euro.16 sondern auch zentrale Bestandteile der Infrastruktur und Daseinsvorsorge, die oftmals in kommunaler Hand Abbildung 05: Klimawandelfolgen und Anpassungsmaßnahmen Erhöhte Hitzebelastung Dürreperioden Betroffene Cluster: Vor allem Gesundheit und Infrastruktur. Betroffene Cluster: Vor allem Wasser, Land, Wirtschaft. Anpassungsmaßnahmen: Schaffung grüner Korridore in Anpassungsmaßnahmen: Angepasste landwirtschaftliche Städten, Hitzewarnsystem für vulnerable Gruppen, Verbesse- Bewirtschaftungsweisen, die Humus- und Wasservorrat im rung des Trinkwasserangebots in Hitzeperioden. Boden fördern. Räumlicher Schwerpunkt: Ballungsgebiete in den wärmeren Räumlicher Schwerpunkt: Regionen mit warmem und Regionen Deutschlands, die sich in Zukunft noch ausdehnen trockenem Klima, landwirtschaftlich geprägte Regionen. werden. Beeinträchtigung der Wassernutzung durch Erhöhtes Waldbrandrisiko zunehmende Erwärmung Betroffene Cluster: Vor allem Wasser, Land, Infrastrukturen. Betroffene Cluster: Vor allem Land. Anpassungsmaßnahmen: Reduzierte Wasserentnahme Anpassungsmaßnahmen: Schaffung standortgerechter durch Energiewirtschaft und Industrie. Mischwälder, Waldbrandprävention, effektive Waldbrand- bekämpfung. Räumlicher Schwerpunkt: Regionen mit warmem und trockenerem Klima in Ostdeutschland und dem Rhein- Räumlicher Schwerpunkt: Regionen mit intensiver Wald- einzugsgebiet. und Forstwirtschaft in Ostdeutschland und in Mittelgebir- gen. Quellen: BMU (2015a), BMU (2020a), UBA (2019b)
1.2 Klimawandelfolgen und Anpassung in Deutschland | KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN 13 Klimaanpassung bedeutet eine gemeinschaftliche An der Strategie. Klimaanpassung ist zudem ein Bestand- strengung auf allen staatlichen Ebenen in Deutsch teil des Vorschlags der EU-Kommission für ein Euro- land und koordiniertes Handeln auch international päisches Klimagesetz, der EU-Forschungsrahmen- und auf der Ebene der Europäischen Union (EU). Im programme und des Finanzpakets InvestEU. Pariser Klimaabkommen werden Klimaanpassung und Klimaschutz als gleichwertige Säulen der inter- nationalen Klimapolitik betrachtet. Die Vertragsstaaten „Die COVID-19-Pandemie hat stark daran haben sich erstmals auf das globale Ziel geeinigt, die erinnert, dass eine unzureichende Vor- Anpassungsfähigkeit zu verbessern, die Widerstands- bereitung schwerwiegende Folgen haben fähigkeit zu stärken und die Anfälligkeit gegenüber kann. Es gibt keinen Impfstoff gegen die Klimaänderungen zu verringern. Außerdem wurde Klimakrise, aber wir können sie trotzdem der Umgang mit Verlusten und Schäden in einem bekämpfen und uns auf ihre unvermeid- eigenständigen Artikel verankert. Auf europäischer lichen Auswirkungen vorbereiten. Die Aus- Ebene wurde im Jahr 2020 vor allem im Rahmen des wirkungen des Klimawandels sind sowohl Europäischen Grünen Deals eine Reihe von Gesetzes- innerhalb als auch außerhalb der Euro- vorhaben und Initiativen auf den Weg gebracht, die päischen Union bereits zu spüren. Die neue das Thema Klimaanpassung unmittelbar in den Blick Strategie zur Klimaanpassung versetzt uns nehmen. So verabschiedete die EU-Kommission im in die Lage, die Vorbereitungen zu be- Februar 2021 bereits die neue Anpassungsstrategie an schleunigen und zu vertiefen. Wenn wir uns den Klimawandel. Sie soll Anpassung intelligenter, heute bereit machen, können wir noch ein schneller und systemischer machen. Wissen über klimaresilientes Morgen aufbauen.“ Frans Klimaauswirkungen und Lösungsansätze soll ver- Timmermans, geschäftsführender Vizepräsident bessert werden. Gleichzeitig werden die Planung und der EU-Kommission Bewertung von Klimarisiken intensiviert und An- passungsmaßnahmen beschleunigt. Auch der Aufbau von Klimaresilienz auf globaler Ebene ist Bestandteil Fortsetzung Abbildung 05: Klimawandelfolgen und Anpassungsmaßnahmen Beschleunigter Meeresspiegelanstieg, erhöhter Starkregen und Sturzfluten Seegang, steigende Sturmflutgefahr Betroffene Cluster: Vor allem Wasser, Infrastrukturen, Betroffene Cluster: Vor allem Wasser, Infrastrukturen, Wirtschaft. Wirtschaft. Anpassungsmaßnahmen: Weiterentwicklung von Klima-, Anpassungsmaßnahmen: Klimawandelrobuste Infrastruktur, Extremwetter- und Gewässervorhersagen, Erhöhung von Optimierung von Talsperren, Speichern und Rückhaltebecken. Deichen, Errichtung von Sperrwerken, hochwassersicheres Räumlicher Schwerpunkt: Ballungszentren im Nordwest- Bauen, Landgewinnung, Sandvorspülungen, Schaffung von deutschen Tiefland, in Mittelgebirgen und im südwest- Küstenräumen zur Überflutung. deutschen Raum. Räumlicher Schwerpunkt: Küstengebiete. Veränderung der Artenzusammensetzung und Hochwasser und Flussüberschwemmungen der natürlichen Entwicklungsphasen Betroffene Cluster: Vor allem Wasser, Infrastrukturen, Betroffene Cluster: Vor allem Gesundheit, Land, Wasser. Wirtschaft. Anpassungsmaßnahmen: Lebensraumoptimierung für Anpassungsmaßnahmen: Renaturierung von Fließgewäs- gefährdete Arten, Aufforstung, systematische Beachtung sern und Auen, Einrichtung von Wasserrückhaltebecken der Klimaschutzfunktionen des Bodens. und Versickerungsflächen. Räumlicher Schwerpunkt: Meere und ländliche Räume. Räumlicher Schwerpunkt: Ballungsräume in Flusstälern des Norddeutschen Tieflandes, aber auch Einzugsgebiete des Rheins und der Donau.
14 KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN | 1.3 Globale Verantwortung und Engagement für eine nachhaltige Zukunft gasemissionen zu beobachten. Ähnlich wie in den 1.3 Globale Verantwortung und Vorjahren zählten zu den größten Emittent*innen im Jahr 2018 China, die USA, die EU, Indien und Russland Engagement für eine nachhaltige (Abbildung 06). Zukunft Die Pro-Kopf-Emissionen sind in wohlhabenden Gemeinsam mit den anderen Industrieländern trägt Ländern wie Deutschland nach wie vor höher als in den Deutschland eine besondere Verantwortung für den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern. Im Jahr Klimawandel. Seit Beginn der Industrialisierung wur- 2019 wurden in Deutschland 8,5 Tonnen CO2 pro Kopf den global insgesamt 2.482 Gigatonnen CO2-Äquiva- und damit deutlich mehr als im globalen Durchschnitt lente an Treibhausgasemissionen ausgestoßen.17 Knapp emittiert (Abbildung 07). Unter Einbeziehung aller Treib- die Hälfte dieser historischen Emissionen wurde von hausgase lag der Pro-Kopf-Ausstoß Deutschlands 2018 den Vereinigten Staaten von Amerika (United States of bei 10,4 Tonnen CO2-Äquivalente. Zum Vergleich betrug America, USA), Russland und der Europäischen Union dieser Wert in der EU im Durchschnitt 8,4 Tonnen CO2 verursacht. Dies spiegelt allerdings nicht ihren Anteil pro Kopf.18 Nicht berücksichtigt wird hierbei der Import an der Weltbevölkerung wider, der deutlich niedriger und Export von Emissionen. Werden die Emissionen mit liegt. Der Anteil Deutschlands an den Gesamtemissio- eingerechnet, die Deutsche durch den Konsum von im nen von 1850 bis 2018 liegt bei 4,6 Prozent. Der Prozess Ausland produzierten Produkten verursachen, liegt der der Industrialisierung setzte in Schwellenländern wie Wert höher (siehe Kapitel 4.4). Die Pro-Kopf-Emissionen China und Indien später ein. Dort ist besonders in den von Ländern wie China, wo viele Güter für den Export letzten Jahrzehnten ein starker Anstieg der Treibhaus- produziert werden, wären entsprechend niedriger. Abbildung 06: Globale jährliche Treibhausgasemissionen Anteile an historischen Anteile an Treibhaus- Gesamtemissionen 1850 bis 2018 gasemissionen 2018 1,8 % Deutschland 45 4,8 % Russland Gigatonnen CO2-Äquivalente 4,6 % Deutschland 6,4 % Indien 6,4 % Russland 4,3 % Indien 40 7,0 % EU-28 33,1 % (ohne Deutschland) Restliche 35 12,6 % China Welt 13,9 % USA 30 14,9 % EU-28 (ohne Deutschland) 25 27,5 % China 24,1 % USA 20 15 10 38,6 % Restliche Welt 5 0 1850 1875 1900 1925 1950 1975 2000 2025 Quelle: PIK (2021)
1.3 Globale Verantwortung und Engagement für eine nachhaltige Zukunft | KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN 15 Die Bundesregierung erkennt ihre Verantwortung Abbildung 07: Pro-Kopf-CO2-Emissionen in an. Neben der Verringerung der eigenen Emissionen ausgewählten Regionen (2019) unterstützt Deutschland auch andere Länder bei der Bekämpfung der Belastungen für Mensch und Umwelt Pro-Kopf-CO2-Emissionen durch den Klimawandel. In Einklang mit dem Ziel des in Tonnen Pariser Abkommens, in der zweiten Hälfte des Jahrhun- Saudi- derts weltweit einen Zustand der Treibhausgasneutrali- 17,9 Arabien tät zu erreichen, hat sich die deutsche Regierung auch USA & 15,6 national zu diesem Langfristziel bekannt. Mit dem 2016 Kanada beschlossenen Klimaschutzplan 2050 hat Deutschland Australien und 13,4 als eines der ersten Länder eine Klimaschutz-Lang- Ozeanien friststrategie vorgelegt. Auch im Kontext zentraler Russland 12,4 internationaler Foren trägt Deutschland zum Klima- schutz bei. So hat sich Deutschland beispielsweise zum Japan 9,1 Nachhaltigkeitsziel (Sustainable Development Goal) 13 Deutschland 8,5 der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und damit zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkun- China 8,1 gen bekannt. EU-28** 7,4 Die nötige globale Transformation hin zu Klima neutralität kann nur gelingen, wenn alle Länder Naher Osten* 6,8 handeln. Die erfolgreiche Umsetzung der deutschen Restliches 5,9 Klimaschutzziele kann eine wichtige Signalfunktion Europa einnehmen. Gelingt es Deutschland als wirtschafts- Asien*** 2,8 starkes und wohlhabendes Land, Klimaschutz weiterhin mit ökonomischen Chancen zu verknüpfen, kann es Lateinamerika 2,7 als Vorbild für andere Länder dienen. Die Bundes- und Karibik regierung bemüht sich bereits, wichtige Erfahrungen 2,4 Nordafrika mit anderen Ländern zu teilen. So tauscht sie sich im Rahmen von Energiepartnerschaften und -dialogen mit Indien 1,9 über 20 Partnerländern zu Energiewendestrategien aus. Subsahara- 1,0 Neben Deutschland kommt auch anderen Ländern der Afrika Globaler Durch- EU eine Vorbildfunktion zu. Schweden gilt aufgrund schnitt: 4,9 seiner niedrigen Treibhausgasemissionen als Vorreiter- *Ohne Saudi-Arabien nation und hat sich zum Ziel gesetzt, der erste fossilfreie **Inklusive Monaco, San Marino, Andorra, Sozialstaat zu werden. Treibhausgasneutralität soll bis ohne Deutschland ***Ohne China, Indien, Japan spätestens 2045 erreicht werden. Dargestellt sind die CO2-Emissionen innerhalb der Landes- Auch die Bewältigung der globalen CoronaPandemie grenzen, geteilt durch die Anzahl der Einwohner*innen. verknüpft die Bundesregierung mit internationaler Unterstützung für den Klimaschutz. Im Rahmen der Quellen: EDGAR (2020), Weltbank (2021) Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) fördert das „Corona-Response-Paket“ ausgewählte laufende Projek- te und Initiativen in Entwicklungs- und Schwellenlän- dern. Der Fokus des Maßnahmenpakets im Umfang von 68 Millionen Euro liegt dabei auf der Verbindung eines grünen wirtschaftlichen Neustarts mit der Prävention von Pandemien.19 Mehr Informationen zu Deutschlands Rolle im Rahmen der internationalen Klimafinan- zierung finden sich in Kapitel 2.3.
16 KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN | 2. Klimaschutzziele und Instrumente 2. Klimaschutzziele und Instrumente Zusammenfassung Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz (im Folgenden Europäischen Grünen Deal zeigt sie auf, dass Klimaschutz Klimaschutzgesetz) hat sich Deutschland verpflichtet, auch eine Zukunftsstrategie für die Wirtschaft sein kann. bis 2045 treibhausgasneutral zu werden. Nach dem Jahr 2050 sollen negative Treibhausgasemissionen erreicht Im Dezember 2015 beschloss die internationale werden. Für die einzelnen Sektoren sind Minderungs- Staatengemeinschaft mit dem Pariser Abkommen, die pfade bis 2030 vorgegeben, die 2024 für die Folgejahre Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C und möglichst fortgeschrieben werden. auf 1,5 °C zu begrenzen. Die derzeit angekündigten Maßnahmen reichen jedoch nicht aus, um dieses Ziel Die EU will ihren Treibhausgasausstoß bis 2030 um zu erreichen. Die Staatengemeinschaft muss deshalb mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 senken. Mit dem ihre Anstrengungen deutlich verstärken. Klimaschutzziele Zentrale Strategien und Instrumente 2030: mindestens -65 % Klimaschutzgesetz, Deutschland 2040: mindestens -88 % Klimaschutzplan 2050, 2045: Treibhausgasneutralität Klimaschutzprogramm 2030 2030: mindestens -55 % Europäisches Klimagesetz, Europäischer Grüner Deal, Europa 2050: Klimaneutralität EU-Emissionshandel, Effort Sharing Regulation Globale Erwärmung auf deutlich unter Pariser Klimaabkommen, national festgelegte Beiträge International 2 °C, möglichst auf 1,5 °C begrenzen (NDCs), Grüner Klimafonds
2.1 Deutsche Klimaschutzpolitik | KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN 17 2.1 Deutsche Klimaschutzpolitik die Prüfung der Emissionsdaten durch einen unabhän- gigen Expertenrat für Klimafragen (siehe auch Glossar). Um seiner globalen Verantwortung nachzukommen, Überschreitet ein Sektor die jährlich zulässige Emis- verfolgt Deutschland ambitionierte Klimaziele. Mit sionsmenge, muss das zuständige Bundesministerium der Novellierung des Klimaschutzgesetzes im Juni ein Sofortprogramm mit zusätzlichen Klimaschutz- 2021 hat sich Deutschland verpflichtet, bis 2045 treib- maßnahmen erstellen und der Bundesregierung vorle- hausgasneutral zu werden. Dann dürfen nicht mehr gen. Auch diese werden durch den Expertenrat auf ihre klimaschädliche Emissionen ausgestoßen werden, als Wirksamkeit geprüft. Eine Umverteilung von Emissions- etwa durch Kohlenstoffsenken wie Wälder und Moore mengen zwischen Sektoren ist im Falle einer Zielver- absorbiert werden können. Bis zum Jahr 2030 soll der fehlung nur dann möglich, wenn die Änderung im Ausstoß an Treibhausgasen um mindestens 65 Prozent Einklang mit der Erreichung der Klimaschutzziele des gegenüber dem Niveau von 1990 gesenkt werden. Für Klimaschutzgesetzes und mit den unionsrechtlichen das Jahr 2040 gilt ein neues nationales Klimaschutzziel Anforderungen – also insbesondere den verbindlichen von mindestens 88 Prozent Reduktion. Abbildung 08 Emissionsreduktionszielen im Rahmen der Effort liefert einen Überblick über die klima- und energie- Sharing Regulation (siehe Kapitel 2.2) – steht. Die politischen Ziele Deutschlands sowie den Stand der Rolle des Expertenrats für Klimafragen wurde mit der Zielerreichung. Novellierung des Klimaschutzgesetzes weiter gestärkt. Erstmals im Jahr 2022 und dann alle zwei Jahre wird er Die Novelle des Klimaschutzgesetzes gibt auch für dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung die einzelnen Sektoren höhere, rechtsverbindliche ein Gutachten vorlegen, das die bisherigen Entwick- Minderungsziele bis 2030 vor. Über die Definition lungen der Treibhausgasemissionen, Trends bezüglich von Jahresemissionsmengen, die die Sektoren nicht der Jahresemissionsmengen und die Wirksamkeit von überschreiten dürfen, ist im Klimaschutzgesetz fest- Maßnahmen mit Blick auf die Zielerreichung evaluiert. gelegt, welche Emissionsminderungen die einzelnen Wirtschaftsbereiche jährlich beitragen müssen (siehe Mit dem Klimaschutzprogramm 2030 hat die Bundes dazu auch Abbildung 15 in Kapitel 3.1). Bis 2030 soll regierung Maßnahmen auf den Weg gebracht, die – im der Treibhausgasausstoß in der Energiewirtschaft um Rahmen des Klimaschutzgesetzes – dazu beitragen, 77 Prozent, im Gebäudesektor um 68 Prozent, in der In- dass die deutschen Klimaschutzziele in jedem Sektor dustrie um 58 Prozent, im Verkehrssektor um 48 Prozent bis 2030 erreicht werden. Das Klimaschutzprogramm und in der Landwirtschaft um 36 Prozent gegenüber umfasst Maßnahmen für alle Wirtschaftszweige, 1990 gesenkt werden. Für die Jahre 2031 bis 2040 darunter die Einführung einer CO2-Bepreisung in den sind sektorübergreifende jährliche Minderungsziele Sektoren Wärme und Verkehr sowie eine Vielzahl an vorgegeben, auf deren Grundlage 2024 die jährlich weiteren Klimaschutzmaßnahmen für die Sektoren zulässigen Jahresemissionsmengen für die einzelnen Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Land- Sektoren in diesem Zeitraum festgelegt werden. Damit und Forstwirtschaft sowie Abfallwirtschaft. Dazu reagiert die Bundesregierung auf das Urteil des Bundes- gehören unter anderem der beschleunigte Ausbau verfassungsgerichts vom März 2021. Zudem wurden erneuerbarer Energien, Investitionen in den öffentli- erstmals auch für den Sektor Landnutzung, Land- chen Nahverkehr sowie die Förderung nachhaltiger nutzungsänderung und Forstwirtschaft konkrete Ziele Landwirtschaft und energieeffizienter Gebäude. Zentrale festgelegt. In den Jahren 2030, 2040 und 2045 soll dieser Vorhaben des Klimaschutzprogramms wurden bereits Sektor eine Emissionsbilanz von minus 25, minus 35 be- umgesetzt. So wurde beispielsweise im Jahr 2020 das ziehungsweise minus 40 Millionen Tonnen CO2-Äquiva- lente erreichen. Im Jahr 2045 trägt der Sektor damit zur Netto-Treibhausgasneutralität bei (siehe Kapitel 3.8). „Mit dem novellierten Klimaschutzgesetz schaffen wir mehr Generationengerechtig- Das Klimaschutzgesetz stellt sicher, dass Deutschland keit, mehr Planungssicherheit und einen seine Klimaziele erreicht. Grundlage ist ein kon- entschlossenen Klimaschutz, der die Wirt- tinuierliches Monitoring, aufbauend auf den jährlichen schaft nicht abwürgt, sondern umbaut und Emissionsdaten des Umweltbundesamtes (UBA) zum modernisiert.“ Svenja Schulze, Bundesumwelt- Treibhausgasausstoß des Vorjahres. Neu hinzu kommt ministerin
18 KLIMASCHUTZ IN ZAHLEN | 2.1 Deutsche Klimaschutzpolitik Kohleausstiegsgesetz verabschiedet, das die schrittweise Abbildung 08: Energie- und Klimaziele der Beendigung der Kohleverstromung bis spätestens 2038 Bundesregierung regelt. Dadurch frei werdende Emissionszertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandels werden gelöscht. Zum Minderung von Treibhausgasemissionen Kohleausstiegsgesetz gehört auch die Weiterentwick- Gesamtemissionen gegenüber 1990 lung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, das Anreize schafft, um Kohlekraftwerke zügig klimafreundlich Status quo (2020) -40,8 % 2020 min. -40 % umzurüsten. Dabei steht der Umstieg auf Energieträger 2030 min. -65 % mit einer besseren Klimabilanz wie Biomasse, Abfälle oder Erdgas im Vordergrund. Anlagen mit Kraft-Wärme- 2040 min. -88 % Kopplung erzeugen gleichzeitig Strom oder mecha- 2045 Netto-Treibhausgasneutralität nische Energie und nutzbare Wärme. Dadurch sind sie Nach 2050 Negative Treibhausgasemissionen effizienter und stoßen weniger Treibhausgase aus. Erneuerbare Energien* Ein ergänzendes Sofortprogramm 2022 wird mit sek- Anteil am Bruttoendenergieverbrauch torspezifischen und sektorübergreifenden Maßnahmen zusätzliche Klimaschutzbeiträge leisten. Diese sollen Status quo (2020) 19,6 % 2020 18 % mit bis zu acht Milliarden Euro in den Jahren 2022 bis 2025 finanziert werden. Ein großer Anteil der zusätz- 2030 30 % lichen Mittel ist für die „Bundesförderung für effiziente 2040 45 % Gebäude“ vorgesehen. 2050 60 % Das nationale Emissionshandelssystem bietet einen Anteil am Bruttostromverbrauch Anreiz für den Umstieg auf klimafreundliche Alter nativen in den Sektoren Verkehr und Wärme. Im Status quo (2020) 45,4 % Rahmen dieses Brennstoffemissionshandels, der An- 2020 35 % fang 2021 gestartet ist, werden Treibhausgasemissio- 2030 65 % nen aus der Verbrennung von Heizöl, Erdgas, Benzin Vor 2050 Treibhausgasneutralität und Diesel mit einer jährlich ansteigenden CO2-Ab- gabe versehen. Der Preis für ein Emissionszertifikat, Effizienz und Verbrauch* das zu der Emission von einer Tonne Treibhausgase Primärenergieverbrauch gegenüber 2008 berechtigt, beträgt zunächst 25 Euro und wird bis 2025 auf 55 Euro angehoben. Dadurch entsteht ein verläss- Status quo (2020) -18,1 %* licher Preispfad, der es Bürger*innen sowie Unterneh- 2020 -20 % men ermöglicht, sich auf die Entwicklung einzustellen 2030 -30 % und den CO2-Fußabdruck bei Kauf- und Investitions- 2050 -50 % entscheidungen zu berücksichtigen. Im Gegenzug wurden neben vielfältigen Förderprogrammen meh- 0 25 50 75 100 rere Maßnahmen zur Entlastung der Bürger*innen Prozent Steigerung der Endenergieproduktivität* verabschiedet. Beispielsweise wird die im Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) festgeschriebene EEG-Umlage Status quo Ziel beim Strompreis schrittweise gesenkt. Ab dem Jahr (2008 bis 2019) (2008 bis 2050) 2026 erfolgt die Ausgabe der Emissionszertifikate im +1,4 % pro Jahr +2,1 % pro Jahr Brennstoffemissionshandel nicht mehr nach einem Festpreis; stattdessen werden die Zertifikate innerhalb *Vor dem Hintergrund des geänderten Klimaschutz- eines Preiskorridors von 55 bis 65 Euro versteigert.20 gesetzes müssen die Ziele in diesen Bereichen noch Als Zertifikatehandel funktioniert das System dann angepasst werden. nach den gleichen Grundprinzipien, wie sie im Zu- Quellen: Bundesregierung (2021), Bundesregierung (2019), sammenhang mit dem Emissionshandel auf EU-Ebene Bundesregierung (2020a), BMWi (2010), BMWi (2019a) in Kapitel 2.2 näher beschrieben werden.
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