FAIRNESS BMF-Monatsbericht - März 2021 - Bundesfinanzministerium
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Editorial Editorial Monatsbericht des BMF März 2021 Um die gemeinsame Rückzahlung zu sichern, sollen ab Mitte des Jahres neue Einnahmemöglichkeiten ge- prüft und möglichst bis 2023 eingeführt werden. Am 17. März hat das Kabinett zudem ein Paket an Gesetz- entwürfen zur Stärkung des Europäischen Stabilitäts- mechanismus (ESM) eingebracht. Das Krisenmanage- ment dieses dauerhaften „Euro-Rettungsschirms“ wird dadurch entscheidend verbessert und die Steu- erzahlerinnen und Steuerzahler noch besser davor geschützt, für Probleme im Bankensektor einsprin- gen zu müssen. Der ESM wird zukünftig u. a. als letzte Sicherungslinie (Common Backstop) Kredite an den europäischen Bankenabwicklungsfonds bereitstellen können, um Banken in Schieflage abzuwickeln – ein Liebe Leserinnen, liebe Leser, entscheidender Beitrag zur Wahrung der Finanzsta- bilität in der Eurozone. Die Rückzahlung der Kredite die Corona-Pandemie ist eine globale Krise und kann wird durch Abgaben der Banken sichergestellt. daher auch nur durch internationale Kooperation überwunden werden. Diese Überzeugung stand im Auf nationaler Ebene hat Bundesfinanzminister Olaf Mittelpunkt des virtuellen Treffens der G20-Finanz- Scholz Anfang Februar einen Sieben-Punkte-Plan ministerinnen und -minister, das Ende Februar erst- zur Reform der Bundesanstalt für Finanzdienstleis- mals unter italienischem Vorsitz stattfand. Die G20 tungsaufsicht (BaFin) vorgestellt. Der Fall Wirecard betonten, dass es neben der Aufrechterhaltung der hat offenbart, dass die Finanzaufsicht mehr Kompe- stabilisierenden Maßnahmen nun auch darum gehen tenzen und Eingriffsmöglichkeiten bei der Bilanz- müsse, die wirtschaftliche Erholung mit Investitionen prüfung braucht. Künftig soll die BaFin gestärkte in nachhaltige Entwicklung und digitalen Fortschritt Zugriffsrechte und mehr kompetentes Personal er- zu unterstützen. Im Fokus standen auch die Verhand- halten, um Bilanzen besser prüfen und Bilanzbetrug lungen über die Besteuerung der digitalisierten Wirt- aufdecken zu können. Mit diesen und einer Reihe schaft, einschließlich der Einführung einer globalen weiterer Verbesserungen, auch bei der Leitungs- effektiven Mindestbesteuerung. Die Bundesregierung struktur der BaFin, soll die Aufsicht schlagkräftiger, ist zuversichtlich, dass die politische Einigung auf straffer und wirksamer aufgestellt werden. Einige Ele- ein konkretes Modell wie geplant bis Mitte 2021 er- mente des Sieben-Punkte-Plans finden bereits Ein- reicht werden kann, auch dank der positiven Signale gang in das Ende vergangenen Jahres im Kabinett be- der neuen US-Administration. Der Schlaglichtartikel schlossene Finanzmarktintegritätsgesetz (FISG), mit befasst sich ausführlich mit dem Thema Besteuerung dem die maßgeblichen Konsequenzen aus dem Fall der digitalisierten Wirtschaft. Wirecard gezogen werden sollen, u. a. durch die Be- seitigung zentraler Schwachstellen bei der Kontrolle Auch für die wirtschaftliche Erholung in Europa und der Unternehmensbilanzen. die Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion wurden wichtige Fortschritte erzielt. Um die Krise in Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und ganz Europa so schnell und gut wie möglich zu über- bleiben Sie gesund!. winden, nimmt die Europäische Union (EU) erstmals in großem Umfang gemeinsam Finanzmittel am Markt auf – und wird diese auch gemeinsam zurück- zahlen. Die Bundesregierung hat das Gesetz, das die Zustimmung Deutschlands zu dieser Neuerung er- Wolfgang Schmidt möglicht, Ende Februar in den Bundestag eingebracht. Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Internationale Unternehmensbesteuerung________________________7 Internationale Unternehmensbesteuerung________________________________________________________________ 8 Im Interview: Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger___________________________________________________________ 14 Analysen und Berichte___________________________________________19 Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern im Jahr 2020__________________________________________ 20 Briefmarken – Deutschlands kleinste Kulturbotschafter__________________________________________________ 27 Das Münz-Jahresprogramm 2021________________________________________________________________________ 35 Neue Standorte für die Aus- und Fortbildung des Zolls___________________________________________________ 39 Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________43 Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 44 Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 45 Steuereinnahmen im Februar 2021______________________________________________________________________ 52 Entwicklung des Bundeshaushalts im Februar 2021______________________________________________________ 57 Kreditaufnahme des Bundes und seiner Sondervermögen________________________________________________ 62 Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik_____________________________________________________________ 69 Aktuelles aus dem BMF__________________________________________75 Termine_________________________________________________________________________________________________ 76 Publikationen___________________________________________________________________________________________ 77 Statistiken und Dokumentationen_______________________________79 Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 80 Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 81 Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunkturkomponenten des Bundes________________ 81 Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 82
Schlaglicht: Internationale Internationale Unternehmensbesteuerung Unternehmens besteuerung Internationale Unternehmensbesteuerung 8 Im Interview: Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger 14
Internationale Unternehmensbesteuerung BMF-Monatsbericht März 2021 Internationale Unternehmensbesteuerung ● Die Steuereinnahmen des Staates finanzieren unser Gemeinwesen, z. B. moderne Straßen, gute Schulen und ein stabiles soziales Sicherungssystem. Auch die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass der Staat finanziell handlungsfähig ist. Nur so kann er auf Krisensituationen kraftvoll reagieren, Betroffene finanziell unterstützen und sich gegen einen drohenden Wirt- schaftsabschwung stemmen. ● Zur Finanzierung des Gemeinwesens soll jeder und jede einen angemessenen und fairen Beitrag leisten. Es ist unfair und gefährdet die Akzeptanz unseres Gemeinwesens, wenn einige wenige sich ihrem Beitrag für die Solidargemeinschaft entziehen. Das gilt für Privatpersonen wie für Unter- nehmen gleichermaßen. Wenn etwa international tätige Konzerne versuchen, ihre Steuerschuld zu verringern, indem sie Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern, widerspricht das dem Ge- rechtigkeitsempfinden vieler Bürgerinnen und Bürger. Denn auf diese Weise werden Gelder auf Kosten der Allgemeinheit am Fiskus vorbeigeschleust – Gelder, die dem Staat zur Finanzierung des Gemeinwesens fehlen. ● Dieser aggressiven Steuergestaltung internationaler Unternehmen durch Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerung gilt es entschieden entgegenzutreten. Auf der Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der G20 wurde deshalb vor knapp zehn Jahren ein Prozess etabliert, der diese Herausforderungen international koordiniert angeht. In diesem Rahmen wird aktuell auch an konkreten Modellen für die Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft und an einer globalen effektiven Mindestbesteuerung gearbeitet. Dies sind zwei ganz wesentliche Vorhaben im Kampf gegen internationale Steuervermeidung. Dieser Schlaglichtarti- kel soll einen knappen Überblick über dieses politisch bedeutende Vorhaben geben. Für eine gerechte Problem darstellt, kann es nur international ge- internationale Besteuerung meinsam angegangen werden. grenzüberschreitend tätiger Der Bundesregierung ist deshalb ein multinatio- Unternehmen nales Vorgehen sehr wichtig. Einseitig umgesetzte Maßnahmen führen zu einer Zersplitterung der Es ist ein weltweites Problem, wenn Unternehmen internationalen Steuerlandschaft. Dies kann nie- ihre Steuerzahlungen durch unerwünschte Strate- mand wollen. Denn eine Fragmentierung des in- gien zur Steuervermeidung minimieren. Sie rech- ternationalen Steuerrechts bringt nicht nur höhere nen ihre Gewinne herunter oder verschieben große bürokratische Belastungen für die Unternehmen, Teile der Gewinne an Tochterunternehmen in Staa- sondern schafft wiederum fast zwangsläufig wei- ten und Gebiete mit niedrigen Steuersätzen. Teil- tere Steuerschlupflöcher. Zudem können unein- weise führen solche aggressiven Steuergestaltun- heitliche Lösungen rasch zu einem schädlichen gen so weit, dass große Konzerne in den Sitzstaaten Steuerwettbewerb führen, in dem Staaten und Ge- ihres Mutterunterunternehmens keine oder nur biete mit niedrigen Steuersätzen um die sehr mobi- minimale Steuern zahlen, obwohl die Unterneh- len steuerpflichtigen Gewinne konkurrieren. men höchst profitabel sind. Da dies ein globales 8
Internationale Unternehmensbesteuerung BMF-Monatsbericht Internationale Unternehmensbesteuerung März 2021 Um Steuervermeidung international bekämpfen Steuerverwaltungen ausgetauscht. Die Eu- zu können, haben sich 2012 alle Staaten der Orga- ropäische Kommission hat Anfang 2016 vor- nisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und geschlagen, diese Berichte innerhalb Euro- Entwicklung (OECD) und der G20 sowie außer- pas auch der Öffentlichkeit zugänglich zu dem eine Reihe von Entwicklungs- und Schwellen- machen. Das BMF unterstützt diesen Vor- Schlaglicht länder dem BEPS-Projekt (Base Erosion and Profit schlag. Wegen einer fehlenden Einigung im Shifting) angeschlossen. Dieses entwickelt Antwor- Ressortkreis hat sich die Bundesregierung in ten auf Steuervermeidung durch Gewinnverkür- dieser Frage bislang zwar enthalten. Die nö- zung und Gewinnverlagerung. 15 konkrete Akti- tige Mehrheit der EU-Staaten hat sich am onspunkte wurden in dem Projekt erarbeitet und 25. Februar 2021 aber für ein öffentliches zum großen Teil schon umgesetzt. So wurden z. B. Country-by-Country Reporting ausgespro- Regeln für einen besseren internationalen Infor- chen; nun beginnen die Beratungen mit dem mationsaustausch zu Gewinnverlagerungen einge- Europäischen Parlament und der Europä führt sowie die Zusammenarbeit nationaler Steu- ischen Kommission, um dieses Gesetzesvor- erbehörden deutlich verbessert. Ein konkretes haben zu einem Abschluss zu bringen. Instrument ist der zwischenstaatliche Informati- onsaustausch über die sogenannten länderbezo- genen Berichte (Country-by-Country Reports). Das Überwacht wird die Umsetzung der BEPS-Empfeh- Country-by-Country Reporting liefert den Finanz- lungen durch das „Inclusive Framework on BEPS“, behörden wichtige Informationen hinsichtlich der dem sich mittlerweile 139 Staaten angeschlossen grenzüberschreitenden Konzernstruktur und Ge- haben, darunter zahlreiche Schwellen- und Ent- schäftstätigkeiten der Unternehmen. Darüber hi- wicklungsländer, die gleichberechtigt mitarbeiten. naus wurden beispielsweise Regelungen erarbeitet, Die Bundesrepublik Deutschland ist aktives Mit- mit denen Gewinnkürzungen begrenzt und unge- glied des Inclusive Framework und führt derzeit rechtfertigte Zinsabzüge beendet wurden. Auch das den Vorsitz dieses Gremiums.1 Problem der sogenannten doppelten Nichtbesteu- erung und die Hinzurechnungsbesteuerung wur- Die Ergebnisse des BEPS-Projekts sind ein echter den wirksam angegangen. Meilenstein der internationalen Steuerpolitik. Mit der Umsetzung der vereinbarten Aktionspunkte in den einzelnen Staaten entstehen neue Standards Country-by-Country Reporting und konkrete Regeln, die Lücken in der interna- Inländische Unternehmen, deren im Kon- tionalen Besteuerung und Schlupflöcher für Un- zernabschluss ausgewiesene konsolidier- ternehmen schließen. Gleichwohl hat sich gezeigt, te Umsatzerlöse im vorangegangenen Wirt- dass bestimmte BEPS-Probleme noch nicht gelöst schaftsjahr mindestens 750 Mio. Euro sind, sodass es immer noch Spielräume für aggres- betragen haben und mindestens ein auslän- sive Steuergestaltungen gibt. disches Unternehmen oder eine ausländi- sche Betriebsstätte umfassen, sind verpflich- tet, bestimmte Unternehmenskennziffern 1 Nähere Informationen zu den Details in einem Bericht zusammenzufassen. Die- des BEPS-Projekts finden sich unter se Berichte werden seit 2017 zwischen den http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20210301 9
Internationale Unternehmensbesteuerung BMF-Monatsbericht Internationale Unternehmensbesteuerung März 2021 Besteuerung der digitalisierten von digitalisierten Geschäftsmodellen ist, dass das Wirtschaft und globale Unternehmen in diesem Staat eine erhebliche wirt- Mindestbesteuerung schaftliche Tätigkeit entfalten kann, auch wenn keine oder nur eine geringfügige physische Präsenz Deshalb befindet sich derzeit ein weiteres Projekt in einem Staat vorhanden ist. Unternehmen kön- aus dem BEPS-Prozess im Fokus der internationa- nen so auch in einem anderen Staat tätig werden len Steuerpolitik. OECD- und G20-Staaten wollen und dort teilweise hohe Profite erzielen. bis Mitte 2021 Lösungen für zwei elementare Fra- gen erarbeiten: Da es sich bei der Verteilung von Besteuerungs- rechten um ein komplexes Problem von weltwei- 1. wie kann eine zeitgemäße Antwort auf die ter Bedeutung handelt, erfordert es eine globale zunehmende Digitalisierung der Geschäftsmodelle Lösung, auf die sich alle Staaten einigen können. gefunden werden und Entwickelte jeder Staat eine eigene Strategie zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft, ent- 2. wie lassen sich die verbliebenen BEPS-Risiken stünde ein Nebeneinander von unterschiedlichen nachhaltig und grundlegend adressieren, um mehr steuerlichen Maßnahmen mit unterschiedlichen Steuergerechtigkeit in der Welt herzustellen? Anwendungsbereichen. Neben der steigenden bü- rokratischen Belastung für Unternehmen und po- Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, hat tenziellen neuen Besteuerungslücken wäre dies auf die OECD das sogenannte Zwei-Säulen-Projekt europäischer Ebene kontraproduktiv für die Stär- ins Leben gerufen. Säule 1 betrifft die Neuvertei- kung des EU-Binnenmarkts. lung der zwischenstaatlichen Besteuerungsrechte. Säule 2 umfasst den deutsch-französischen Vor- Säule 2: Einführung einer globalen effektiven schlag für eine globale effektive Mindestbesteue- Mindestbesteuerung rung. Durch das Zusammenwirken dieser beiden Säulen soll die Besteuerung international agieren- Mit der Säule 2 soll ein weiterer Meilenstein der inter- der Konzerne fairer gestaltet werden, indem aus nationalen Steuerkooperation erreicht werden: eine steuerrechtlicher Sicht gleiche Wettbewerbsbedin- gemeinsame Festlegung auf eine weltweit geltende gungen für alle Unternehmen hergestellt werden funktionierende Mindestbesteuerung von multi- und der durch Verlagerung von Gewinnen getrie- national operierenden Unternehmen. Deutschland benen Steuerflucht ein Riegel vorgeschoben wird. und Frankreich haben im Jahr 2018 diese Initiative einer globalen effektiven Mindestbesteuerung in die Säule 1: Besteuerung der digitalisierten internationale Diskussion eingebracht. Damit sol- Wirtschaft len etwaige Lücken in der internationalen Besteue- rung von Unternehmen geschlossen werden. Denn Digitale Geschäftsmodelle erfordern eine Neuaus- auch wenn alle auf OECD-Ebene vereinbarten Re- richtung der internationalen Besteuerung. Bis- geln umgesetzt sind und wenn sich alle Staaten und lang gilt der Grundsatz, dass die Gewinnbesteue- Gebiete an die neuen Regeln halten, bleiben Risi- rung nur in den Staaten erfolgen kann, in denen ken der Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerun- das Unternehmen eine physische Präsenz hat. Im gen bestehen. Trotz des beschriebenen Erfolgs des 20. Jahrhundert war dieses Vorgehen auch sachge- BEPS-Prozesses verbleiben noch steuerliche Gestal- recht: Unternehmen mussten, um in einem Staat tungsspielräume, die zu unfairem Steuerwettbewerb ihre Produkte oder Dienstleistungen zu vermark- und aggressiven Steuergestaltungen führen können. ten, in der Regel über ein Mindestmaß an physi- Eine effektive Mindestbesteuerung würde die Mög- scher Präsenz verfügen. Diese etablierten Besteue- lichkeiten der unerwünschten Steuervermeidung rungsprinzipien werden durch die Digitalisierung internationaler Unternehmen grundlegend und vermehrt infrage gestellt. Denn Wesensmerkmal dauerhaft adressieren. 10
Internationale Unternehmensbesteuerung BMF-Monatsbericht Internationale Unternehmensbesteuerung März 2021 Die zugrundeliegende Idee ist einfach: Die Gewinn- Beispiel: Die A-GmbH zahlt für die Überlas- verlagerung in Staaten und Gebiete mit niedrigen sung eines Patents eine Lizenzgebühr an die Steuersätzen darf sich nicht mehr „lohnen“. Kon- B-Ltd., eine in einem anderen Staat gelegene kret bedeutet das: Wird ein Gewinn einer Tochter- Gesellschaft, die zum selben Konzern gehört. gesellschaft im Ausland unterhalb eines bestimm- Die Lizenzgebühr wird auf Ebene der B-Ltd. Schlaglicht ten Mindeststeuersatzes besteuert, darf der Staat, in nicht besteuert. Die Neureglung führt dazu, dem die Muttergesellschaft ihren Sitz hat, die Dif- dass die Betriebsausgaben im Zusammen- ferenz zwischen dem niedrigen Steuersatz im Aus- hang mit der Lizenzgebühr auf Ebene der land und dem global vereinbarten Mindeststeuer- A-GmbH vollumfänglich nicht mehr steuer- satz nachversteuern. lich abziehbar sind. Beispiel: Die in Staat A ansässige Mutter- Aktueller Stand der Umsetzung gesellschaft des A-Konzerns hat eine Toch- tergesellschaft in Staat B, welcher Unter- Bereits im Herbst 2020 hatte die OECD die soge- nehmensgewinne nur mit einem effektiven nannten Blaupausen („Blueprints“) vorgelegt, die Steuersatz in Höhe von 5 Prozent belastet. eine umfassende Darstellung der Ausgestaltungs- Der globale effektive Mindeststeuersatz liegt möglichkeiten für beide Säulen enthalten und auf annahmegemäß bei 15 Prozent. Durch die deren Grundlage nun an einer Einigung gearbeitet Neuregelung im Rahmen von Säule 2 würde wird. Beim virtuellen Treffen am 14. Oktober 2020 der niedrigbesteuerte Gewinn der Toch- haben die G20-Finanzministerinnen und -minister tergesellschaft auf Ebene der Muttergesell- diese Eckpunkte gebilligt. Dem schloss sich ein öf- schaft in Staat A in Höhe von 10 Prozent- fentlicher Konsultationsprozess an. Bei der OECD punkten nachversteuert werden. bestand für die Fachöffentlichkeit die Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14. Dezember 2020. Am 14. und 15. Januar 2021 fand außerdem eine öf- Darüber hinaus sollen Zahlungen nicht oder nur fentliche Anhörung statt. Insgesamt bestand gro- anteilig als Betriebsausgaben abziehbar sein, wenn ßes öffentliches Interesse an der Konsultation und die entsprechenden Erträge im Empfängerstaat ei- es wurden über 200 schriftliche Beiträge mit einem ner Besteuerung unterhalb des vereinbarten Min- Umfang von insgesamt mehr als 3.500 Seiten ein- deststeuerniveaus unterliegen. Dadurch wird ei- gereicht. Die öffentliche Anhörung konzentrierte nerseits die steuermotivierte Gewinnverlagerung sich auf die Schlüsselfragen, die in den schriftli- weniger attraktiv und andererseits wird das Steuer- chen Eingaben aufgeworfen worden waren. Bis aufkommen in den Quellenstaaten gesichert. Dies spätestens Mitte 2021 wollen sich die 139 Staa- gilt insbesondere für Zins- und Lizenzzahlungen an ten und Gebiete, die dem Inclusive Framework on verbundene Unternehmen. BEPS angehören, auf einen globalen Lösungsvor- schlag einigen. Am Rande der jüngsten Sitzung des Inclusive Framework on BEPS am 27. und 28. Januar 2021 fand eine vielbeachtete Panel-Diskussion statt, an der auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz teil- nahm. Er machte dabei erneut deutlich, wie wichtig eine internationale Einigung bis Mitte dieses Jah- res ist, und appellierte an die Kompromissbereit- schaft aller Beteiligten. Die Bundesregierung strebt mit Nachdruck eine internationale Lösung an. Und 11
Internationale Unternehmensbesteuerung BMF-Monatsbericht Internationale Unternehmensbesteuerung März 2021 diese kann nur zum Erfolg führen, wenn zu beiden nationaler Ebene zahlreiche Maßnahmen vorange- Säulen konkrete Ergebnisse erzielt werden. Diesem bracht, mit denen für mehr Steuergerechtigkeit ge- Ziel ist die internationale Gemeinschaft kürzlich sorgt wird: ein großes Stück nähergekommen. Die Finanzmi- nisterinnen und -minister der G20-Staaten haben ● Beim Onlinehandel wird Umsatzsteuerbetrug bei ihrem virtuellen Treffen am 26. Februar 2021 nun wirksam bekämpft. Für Unternehmen au- die Notwendigkeit einer internationalen Einigung ßerhalb der EU wurde 2019 beim Handel auf bis Mitte 2021 betont. Zusätzliche Dynamik ent- elektronischen Plattformen der Umgehung der steht durch die Übereinkunft der G20-Staaten, dass Umsatzsteuer ein Riegel vorgeschoben. Seit Ja- die Überlegung, die neuen Regelungen bei Säule 1 nuar 2019 sind alle Betreiber elektronischer optional auszugestalten, nicht länger verfolgt wer- Marktplätze verpflichtet, bestimmte Daten der den soll. Dieser Ansatz hätte eine globale Konsens- Verkäufer zu erfassen, um eine Prüfung der findung bis Mitte 2021 erschwert; in den kommen- Steuerbehörden zu ermöglichen. Außerdem den Wochen sollen die internationalen Arbeiten können Betreiber für nicht entrichtete Umsatz- nun engagiert fortgesetzt werden, um die verblie- steuer aus dem Handel über ihre Plattform in benen offenen Punkte zügig zu lösen. Haftung genommen werden. Damit wird nicht nur die Steuergerechtigkeit in Deutschland ge- Umsetzung auf europäischer Ebene stärkt, sondern die Regeln schützen auch ehr- liche Unternehmen vor Wettbewerbsverzer- Nach der internationalen Einigung Mitte 2021 sol- rungen. Diese gesetzlichen Regelungen werden len die Ergebnisse des OECD-Prozesses in der Euro- aufgrund der nationalen Umsetzung des so- päischen Union (EU) umgesetzt werden. genannten Mehrwertsteuer-Digitalpakets mit Wirkung zum 1. Juli 2021 modifiziert. Die bis- Auf dem Weg dahin konnten unter deutscher herigen Grundsätze, dass Betreiber Daten der EU-Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr Verkäufer zu erfassen haben und unter be- wichtige Fortschritte erzielt werden. So ist es ge- stimmten Voraussetzungen in Haftung ge- lungen, auf EU-Ebene umfassende Ratsschlussfol- nommen werden können, haben jedoch wei- gerungen für die Architektur einer fairen und ef- terhin Bestand. fektiven Besteuerung zu verabschieden, u. a. auch zur internationalen Besteuerung. Die EU-Mitglied- ● Seit dem 1. Juli 2020 gilt eine Mitteilungs- staaten bekräftigen darin ihre Unterstützung des pflicht für grenzüberschreitende Steu- internationalen Prozesses und erklären sich grund- ergestaltungsmodelle. Damit sind u. a. sätzlich zur anschließenden Umsetzung der Ergeb- Kreditinstitute, Steuerberatungsbüros, Rechts- nisse in der EU bereit. Die Finanzministerinnen anwaltsbüros sowie Wirtschaftsprüferinnen und -minister der Europäischen Union haben dies und Wirtschaftsprüfer dazu verpflichtet, Steu- am 16. März 2021 noch einmal bekräftigt. Auch die ergestaltungsmodelle an das Bundeszentralamt Staats- und Regierungschefs und -chefinnen wer- für Steuern (BZSt) zu melden. Die eingehenden den beim Europäischen Rat am 25. März 2021 den Mitteilungen werden automatisch mit den an- aktuellen Stand bewerten. deren EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht. Mittei- lungspflichtig sind dabei insbesondere Gestal- tungsmodelle, welche hauptsächlich deshalb Weitere Maßnahmen der gewählt wurden, um Steuern zu sparen. Nur Bundesregierung für mehr bei schneller Kenntnis von Umgehungsmög- Steuergerechtigkeit lichkeiten kann der Gesetzgeber reagieren, um Steuerausfälle zu verhindern. Neben diesen Bemühungen auf europäischer und internationaler Ebene hat die Bundesregierung auf 12
Internationale Unternehmensbesteuerung BMF-Monatsbericht Internationale Unternehmensbesteuerung März 2021 ● Die Einrichtung einer neuen Sondereinheit ● Die Bundesregierung geht künftig noch zur Bekämpfung von kapitalmarktbezogenen stärker gegen Steueroasen vor. Das BMF hat Steuergestaltungen beim BZSt wurde zügig deshalb am 15. Februar 2021 die Ressortab- umgesetzt. Die Sondereinheit hat ihre Tätigkeit stimmung zum Entwurf des Steueroasen-Ab- bereits zum 1. März 2020 aufgenommen. Sie wehrgesetzes eingeleitet. Personen und Un- Schlaglicht übernimmt nun eine koordinierende und un- ternehmen sollen durch gezielte Maßnahmen terstützende Funktion bei der Aufklärung be- davon abgehalten werden, Geschäftsbezie- kannter Steuergestaltungen am Kapitalmarkt hungen zu nicht kooperativen Staaten und sowie eine koordinierende Funktion bei der Steuergebieten (Steueroasen) fortzusetzen oder Prävention von kapitalmarktbezogenen Steu- neu aufzunehmen. So sollen künftig Betriebs ergestaltungen. Hierzu gehören auch mögliche ausgaben und Werbungskosten, die in Zusam- Gestaltungen mit Investmentfonds. menhang mit Steueroasen stehen, nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden dürfen. ● Der Kampf gegen illegale Beschäftigung und Auch für Einkünfte von Zwischengesell- Sozialleistungsbetrug wurde gestärkt. Es ist schaften in Steueroasen sollen schärfere Regeln ein zentrales Anliegen der Bundesregierung, il- gelten und Steuerpflichtige, die Geschäftsbezie- legale Beschäftigung, Schwarzarbeit und Sozi- hungen mit Bezug zu Steueroasen unterhalten, alleistungsbetrug wirksam einzudämmen und müssen künftig strengere Auskunftspflichten die Einhaltung der zwingenden Mindestar- gegenüber dem Finanzamt erfüllen. beitsbedingungen zu sichern. Mit dem Ge- setz gegen illegale Beschäftigung und Sozial- ● Anti-Steuervermeidungsrichtlinie. Mit der leistungsmissbrauch vom 11. Juli 2019 werden Anti-Tax-Avoidance-Directive (ATAD) werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor wichtige BEPS-Empfehlungen in der EU um- Ausbeutung und Bezahlung unterhalb des gesetzt. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Mindestlohns geschützt sowie der Staat vor Union haben sich auf schärfere Regelungen hinterzogenen Steuern und Sozialleistungsbe- gegen aggressive Steuergestaltungen und Ge- trug. Dafür wurde der Zoll massiv gestärkt und winnverlagerungen von multinationalen Un- gleichzeitig seine Arbeit erleichtert. Konkret ternehmen verständigt. Die Umsetzung der wurde die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) ATAD ist mit dem ATAD-Umsetzungsgesetz der Zollverwaltung durch erweiterte Befug- vorgesehen. Der Gesetzentwurf enthält u. a. nisse und mehr Personal deutlich gestärkt. So Änderungen bei der Hinzurechnungsbesteu- kann die FKS nunmehr bereits bei der Anbah- erung von niedrigbesteuerten Einkünften, nung von Schwarzarbeit auf sogenannten Tage- den steuerlichen Konsequenzen der Verlage- löhnerbörsen, auf Onlinedienstleistungsplatt- rung von Betriebsvermögen ins Ausland (so- formen oder in Fällen tätig werden, in denen genannte Entstrickungsregeln) sowie der Be- ein Arbeitsverhältnis oder eine selbstständige steuerung bestimmter gestaltungsanfälliger Beschäftigung nur vorgetäuscht wird. Die FKS Finanzierungs- oder Gesellschaftskonstrukti- hat außerdem die notwendigen Kompetenzen onen. Damit werden Gestaltungsinstrumente erhalten, um gegen ausbeuterische Arbeitsbe- multinationaler Unternehmen eingeschränkt dingungen (insbesondere Menschenhandel, und das Unternehmensteuerrecht in der EU Zwangsarbeit und Ausbeutung der Arbeitskraft) wird weiter harmonisiert. vorgehen zu können. Darüber hinaus wurden auch Maßnahmen für die bessere Vernetzung der beteiligten Behörden und Regelungen zur Vermeidung der unangemessenen Inanspruch- nahme von Kindergeld geschaffen. 13
Internationale Unternehmensbesteuerung BMF-Monatsbericht März 2021 Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger (Archivbild) © Bundesministerium der Finanzen/photothek Im Interview: Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger Die Digitalisierung hat viele In meinem Arbeitsalltag wird der digitale Wandel Lebensbereiche rasant ver- besonders deutlich. Videokonferenzen sind bei in- ändert. In welchen Bereichen ternen Gesprächen, Veranstaltungen, Gesprächen mit Regierungen anderer Staaten oder Verhand- spüren Sie dies auch privat lungen auf OECD- und EU-Ebene mittlerweile ganz besonders deutlich? Wo Standard. Natürlich bietet das nicht immer einen fällt es Ihnen im Arbeitsleben gleichwertigen Ersatz zu den persönlichen Kontak- besonders auf? ten während einer kurzen Sitzungspause oder dem Smalltalk bei einem Kaffee. Aber: Zahlreiche Flug Die COVID-19-Krise hat die Digitalisierung im- reisen entfallen. Das spart Zeit und Reisekosten. mens beschleunigt. Sie ist zu einem Katalysator der Und es ist ein Beitrag zur Schonung der Umwelt. digitalen Gesellschaft geworden. Dadurch hat sie den Wandel in der Wirtschaft, in der Bildung und Allerdings freue auch ich mich schon darauf, wenn natürlich auch im Privatleben beschleunigt: On- ich meine Eltern und meinen Freundeskreis wie- lineshopping, Click and Collect, digitales Bezahlen, der unbeschwert persönlich treffen kann. Das fehlt. das Smartphone als alltäglicher Begleiter bis hin Videokonferenzen können nur ein besserer Ersatz zum digitalen Planen von Arztbesuchen. sein. 14
Internationale Unternehmensbesteuerung BMF-Monatsbericht Im Interview: Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger März 2021 Es gibt nicht die „digitale Dabei lässt man bei einer Vielzahl digitalisierter Wirtschaft“, sondern die Geschäftsmodelle außer Acht, dass die Wertschöp- Digitalisierung durchdringt alle fung in erster Linie unter Mitwirkung der Nutze- rinnen und Nutzer und deren Interaktion unter- Branchen, alle Wirtschafts einander entsteht. Wir stehen bei der Besteuerung Schlaglicht bereiche. Ganz neue Geschäfts der digitalisierten Wirtschaft vor der Herausforde- modelle sind entstanden, etwa rung, die Verteilung der Besteuerungsrechte so an- soziale Netzwerke, die sich zupassen, dass Unternehmen mit digitalisierten Geschäftsmodellen nicht nur in ihrem Ansässig- aus Werbeeinnahmen und keits-, sondern auch in ihren Marktstaaten ihren Datenverkäufen finanzieren. fairen Beitrag leisten und damit an der Finanzie- Welche steuerlichen rung staatlicher Leistungen mitwirken. Herausforderungen sind aus Es gibt noch einen weiteren Aspekt: Ein Merkmal Ihrer Sicht daraus erwachsen? digitalisierter Geschäftsmodelle ist, dass immate- rielle Werte häufig zu den wichtigsten Werttrei- Die Pandemie hat eines deutlich gezeigt: Unter- bern zählen. Der Erfolg einer Onlinesuchmaschine nehmen, die Prozesse aktiv und systematisch di- hängt zum Beispiel stark davon ab, wie leistungsfä- gitalisieren oder sogar auf ein rein digitales Ge- hig der zugrundeliegende Algorithmus ist. Bei sol- schäftsfeld setzen, kommen deutlich besser durch chen IP-basierten Geschäftsmodellen ist es leichter, diese schwierige Zeit. Wir müssen uns nur an- gezielte Steuerplanung zu betreiben. Immaterielle schauen, welche Gewinne digitale Unternehmen Werte sind weltweit mobil. Sie lassen sich einfa- wie Amazon, Microsoft oder Apple im vergangenen cher in andere niedrig besteuernde Staaten trans- Jahr erwirtschaftet haben. Das sind Rekordergeb- ferieren. Bei einem Maschinenpark geht das nicht. nisse. Und hier sind wir gleich bei der Herausforde- Wir wollen aber, dass digitale Unternehmen einen rung für die Steuerpolitik: Wie besteuere ich wo die angemessenen, fairen Beitrag in Form von Steuern Gewinne dieser Unternehmen? Bisher war das ein- leisten. fach. Besteuert wird dort, wo produziert wird. Der Ort der Wertschöpfung und der Ort der Produktion Deswegen hat der Minister den Vorschlag einer fallen hier zusammen. globalen Mindestbesteuerung eingebracht. Die globale Mindestbesteuerung soll einer aggressi- Durch die zunehmende Digitalisierung haben sich ven Verlagerung von Gewinnen multinationaler aber nicht nur bestehende Geschäftsmodelle ver- Unternehmen die Grundlage entziehen. Die glo- ändert. Es sind auch zahlreiche Geschäftsfelder völ- bale Mindestbesteuerung soll grundsätzlich für die lig neu entstanden. Wesensmerkmal von digitali- gesamte digitale Wirtschaft gelten, nicht nur für sierten Geschäftsmodellen ist, dass Unternehmen große IT-Konzerne. in dem Land, in dem sich die wirtschaftliche Tä- tigkeit entfaltet, häufig nicht oder nur geringfügig präsent sind. Sie zahlen daher wenig bis keine Steu- ern, nutzen aber Infrastrukturen oder andere Leis- tungen, die der Staat kostenlos zur Verfügung stellt. Eine bloße „Onlinepräsenz“ löst aber kein Besteue- rungsrecht in dem betreffenden Staat (Marktstaat) aus. 15
Internationale Unternehmensbesteuerung BMF-Monatsbericht Im Interview: Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger März 2021 Daher arbeiten Sie derzeit Können Sie uns einen kleinen zusammen mit Ihren Kollegen Einblick geben, wie wir uns und Kolleginnen aus den die Verhandlungen auf OECD- OECD-Mitgliedstaaten Ebene vorstellen dürfen? Ist intensiv an einem Projekt zur Ihnen eine besonders knifflige Besteuerung der digitalisierten Situation im Gedächtnis Wirtschaft. Warum ist es geblieben, die Sie gerne mit aus Ihrer Sicht so wichtig, uns teilen möchten? dass hier ein Konsens auf internationaler Ebene Bei dem Zwei-Säulen-Projekt ist Transparenz eine gefunden wird? der wesentlichen Voraussetzungen für eine globale Lösung. Da es sich um eine grundlegende weltweite Wie gesagt: Die zunehmende Digitalisierung stellt Reform handelt, müssen wir Wirtschaft, Wissen- die bestehende Steuerrechtsordnung in einer glo- schaft und Zivilgesellschaft einbinden. Daher hat balisierten Wirtschaft vor große Herausforderun- die OECD im Oktober 2020 den Stand ihrer Arbei- gen. Daher brauchen wir globale Lösungen. Natio- ten bekanntgemacht und die sogenannten Blau- nale Lösungen führen nicht weiter. pausen (Blueprints) zu beiden Säulen vorgelegt, welche die wesentlichen Elemente der neuen Re- Deshalb arbeitet die Organisation für wirtschaftli- gelungskonzepte enthalten. che Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisa- tion for Economic Co-operation and Development, Am 14. und 15. Januar 2021 fand dazu eine öffent- OECD) im Auftrag der G20 an einer umfassenden liche Anhörung statt. Das Interesse an der öffentli- Lösung, bei der 139 Staaten gleichberechtigt mit- chen Konsultation war groß: 200 schriftliche Bei- wirken. Wir sind uns einig: Wir müssen uns auf ein- träge auf mehr als 3.500 Seiten. Außerdem tagte das heitliche steuerliche Regelungen verständigen, die Inclusive Framework on BEPS am 27. und 28. Ja- für alle Staaten eine faire Lösung darstellen. nuar 2021 erstmalig weitgehend öffentlich (virtu- ell), um den Prozess sichtbarer und transparenter Das Projekt selber umfasst zwei Bereiche, die wir zu machen. als sogenanntes Zwei-Säulen-Projekt bezeich- nen. Säule 1 betrifft die Neuverteilung der zwi- Die Verhandlungen auf technischer Ebene werden schenstaatlichen Besteuerungsrechte. Hier geht es im Inclusive Framework on BEPS1 durchgeführt. um die Entwicklung einer gemeinsamen Bemes- Vorschläge werden dann in großer Runde disku- sungsgrundlage der globalen Mindestbesteuerung. tiert. Die politische Haltung der Staaten zu techni- Säule 2 umfasst den deutsch-französischen Vor- schen Ausgestaltungselementen wird zunächst in- schlag für eine globale effektive Mindestbesteue- tern evaluiert, bevor die Position gegenüber den rung. Sie baut auf Säule 1 auf: ohne Bemessungs- anderen Staaten vorgebracht wird. Kompromisse grundlage keine Besteuerung. Aus unserer Sicht ist werden dann ausgelotet. Deutschland hat hier den daher ein Konsens zur Säule 1 zwingend notwen- Vorsitz. Der Prozess wird von Martin Kreienbaum dig. Anderenfalls wäre mit einer Zunahme nicht moderiert und vorangetrieben. Er und sein Team abgestimmter nationaler Maßnahmen zu rechnen. haben hier bisher einen exzellenten Job gemacht. Diese würden zu mehr Rechtsunsicherheit führen und neue steuerliche Gestaltungsspielräume eröff- nen. Handelskonflikte zwischen Staaten wären die Folge. Aber genau das wollen wir mit einer globalen 1 Base Erosion and Profit Shifting (Gewinnkürzung und Mindestbesteuerung verhindern. Gewinnverlagerung). 16
Internationale Unternehmensbesteuerung BMF-Monatsbericht Im Interview: Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger März 2021 Knifflige Situationen können in internationalen Die Welt wird sich auch Verhandlungen dieser Dimension immer vorkom- weiterhin rasant verändern. men. Hinzu kommt, dass die Einschränkungen und Und der Wandel selbst Reiseverbote infolge der Corona-Pandemie dazu geführt haben, dass die internationalen Verhand- beschleunigt sich sogar. Schlaglicht lungen neu konzipiert werden mussten. Auch das Bleibt die Digitalisierung als musste sich auch erst einmal einspielen. Es ist ein großer Treiber? Was denken Marathon und kein Sprint. Aufgrund der positiven Sie, werden die kommenden Signale auch von der US-Seite in jüngster Zeit sind wir noch zuversichtlicher, dass eine Einigung bis großen Herausforderungen im Mitte 2021 gelingen kann. internationalen Steuerrecht sein? Kann sich das Steuerrecht genauso schnell wandeln wie die Welt? Ich glaube, dass wir durch das Zwei-Säulen-Pro- jekt eine solide Grundlage für die zukünftigen in- ternationalen Herausforderungen des Steuerrechts schaffen werden. Mit der globalen Mindestbesteue- rung entsteht ein völlig neuartiges Konzept der in- ternationalen Besteuerung. Wir sind damit bestens gewappnet, um auch künftigen Risiken durch ag- gressive Steuergestaltungen entgegenzutreten. Das Steuerrecht muss sich den globalen Herausfor- derungen stellen. Es muss sich dem Wandel stel- len. Nationale Antworten helfen hier nicht, son- dern globale, gemeinsame Entscheidungen. Auch im Bereich der grenzüberschreitenden Verwal- tungszusammenarbeit oder fortschreitenden Digi- talisierung: Wir bleiben engagiert und mit großem Einsatz dabei. Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger © Bundesministerium der Finanzen/photothek 17
Analysen und Berichte Analysen und Berichte Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern im Jahr 2020 20 Briefmarken – Deutschlands kleinste Kulturbotschafter 27 Das Münz-Jahresprogramm 2021 35 Neue Standorte für die Aus- und Fortbildung des Zolls 39
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF März 2021 Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern im Jahr 2020 ● Der bundesstaatliche Finanzausgleich, der im Jahr 2017 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 ge- ändert wurde, leistet einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der den Ländern gesetzlich zugewiesenen Aufgaben. ● Die Aufteilung der von den Ländern vereinnahmten Umsatzsteuer und der vom Bund verein- nahmten Einfuhrumsatzsteuer (im Weiteren: Umsatzsteuer) zwischen dem Bund einerseits und den Ländern und Gemeinden andererseits erfolgt durch die Anwendung prozentualer Quoten sowie durch die Zuweisung von Festbeträgen an Länder und Gemeinden. Der Bund erhielt im Ergebnis 43 Prozent des bundesweiten Aufkommens aus der Umsatzsteuer. ● Die Durchführung des horizontalen Finanzkraftausgleichs erfolgt seit 2020 durch die Zuweisung oder Erhebung eines Zu- oder Abschlags zum oder vom Anteil eines Landes an der Umsatz- steuer. Der Ausgleich beträgt jeweils 63 Prozent der Unter- beziehungsweise Überdeckung der Ausgleichsmesszahl eines Landes. Diese Umverteilung, die ausschließlich zwischen den Ländern erfolgt, wurde im Jahr 2020 in einem Volumen von 14,8 Mrd. € vorgenommen. ● Die nach dem Finanzkraftausgleich weiterhin leistungssschwache Länder im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 4 MaßstG i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz FAG erhielten über Bundesergänzungszuweisungen weitere 8 Mrd. €, was in einigen Fällen zu einer Überschreitung der Ausgleichsmesszahl und zu Änderun- gen in der Finanzkraftrangfolge der Länder führte. ● Zusätzlich wurden Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen an leistungsschwache Länder zum Ausgleich bestimmter Sonderbedarfe geleistet. Diese Sonderzuweisungen betrugen insge- samt noch einmal rund 0,9 Mrd. €. ● Aufgrund der im Jahr 2020 geänderten Berechnungen sind direkte Vergleiche mit den Ergeb- nissen des Ausgleichsjahres 2019 im Sinne einer Interpretation hinsichtlich einer Angleichung der Finanzkraftverhältnisse nur eingeschränkt sinnvoll. Die Betrachtung der rein fiskalischen Wirkungen ist jedoch von den konkreten Berechnungsmethoden nicht berührt und erlaubt wei- terhin eine auch im Vorjahresvergleich aussagekräftige Darstellung vertikaler und horizontaler Verteilungs- und Umverteilungsleistungen. Bundesstaatlicher Grundgesetzes (GG) für die örtliche und sachliche Finanzausgleich Zuordnung des Steueraufkommens und seiner Ver- teilung. Neben der Auflistung der Steuerarten, die Der bundesstaatliche Finanzausgleich1 be- jeweils dem Bund, den Ländern und den Gemein- ruht auf den Vorgaben der Art. 106 und 107 des den ausschließlich zustehen, werden Bund und Län- dern gemeinsam Einkommensteuer, Körperschaft- 1 Betrags- und Prozentangaben in diesem Aufsatz sind gerundet. steuer und Umsatzsteuer (Gemeinschaftsteuern) 20
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern im Jahr 2020 März 2021 zugewiesen, die diese untereinander aufzuteilen Der Finanzkraftausgleich unter den haben. Grundsatz der Aufteilung ist die gleich- Ländern mäßige Deckung der notwendigen Ausgaben, die Analysen und Berichte dem Bund und den Ländern entstehen, im Rah- Der Ausgleich der Finanzkraft unter den Ländern men einer mehrjährigen Finanzplanung. Dabei ha- wird als horizontaler Umverteilungsmechanismus ben der Bund und die Länder ihre jeweiligen De- weitgehend analog zu dem bis 2019 gültigen Län- ckungsbedürfnisse so aufeinander abzustimmen, derfinanzausgleich durch den Vergleich landesin- dass ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelas- dividueller Finanzkraft- und Ausgleichsmesszah- tung der Steuerpflichtigen vermieden und die Ein- len berechnet. heitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesge- biet gewahrt werden (Art. 106 Abs. 3 GG). Nähere Durch Summierung der in § 7 FAG aufgezählten Ausgestaltung erhält das System durch das Zerle- ausgleichsrelevanten Einnahmen eines Landes gungsgesetz, das Maßstäbegesetz und das Finanz- und eines Anteils der in § 8 FAG aufgezählten aus- ausgleichsgesetz (FAG). gleichsrelevanten Einnahmen seiner Gemeinden ergibt sich seine Finanzkraftmesszahl. Der Anteil, Seit dem 1. Januar 2020 ist für den Finanzkraftaus- mit dem die Gemeindeeinnahmen eines Landes in gleich der staatlichen Ebenen das FAG in seiner seiner Finanzkraft berücksichtigt werden, beträgt durch das „Gesetz zur Neuregelung des bundes- mit der Rechtsumstellung nunmehr 75 Prozent staatlichen Ausgleichssystems ab dem Jahr 2020 statt des bis 2019 gültigen Anteils von 64 Prozent.2 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschrif- ten“ vom 14. August 2017 geänderten Fassung Zur Ermittlung der landesbezogenen Ausgleichs- anzuwenden. messzahl werden zunächst die Einwohnerzahlen der Stadtstaaten sowie anschließend die Einwoh- Die neue Fassung des FAG wurde an zahlreichen nerzahlen Sachsen-Anhalts, Brandenburgs und Stellen geändert, behält dabei jedoch wesentliche Mecklenburg-Vorpommerns mit sogenannten Ein- Grundlagen der Finanzausgleichsberechnung bei. wohnergewichten versehen, die deren Einwohner- Materiell entfallen ist durch die Gesetzesänderung zahlen rechnerisch vergrößern. Die Einwohnerwer- der Umsatzsteuervorwegausgleich in seiner al- tungen gemäß § 9 FAG sind im Vergleich zu dem ten Form. Ebenfalls entfallen ist der Länderfinanz bis 2020 geltenden Rechtsrahmen unverändert ge- ausgleich („Finanzausgleich im engeren Sinn“), blieben: 135 Prozent für Berlin, Hamburg und Bre- welcher zum Ausweis von Zahlungen der „Geber- men, 105 Prozent für Mecklenburg-Vorpommern, länder“ sowie von Einnahmen der „Empfängerlän- 103 Prozent für Brandenburg und 102 Prozent für der“ in den jeweiligen Landeshaushalten führte. Sachsen-Anhalt. Sodann wird für jedes Land ein Der seit Jahresbeginn 2020 durchzuführende Fi- Anteil an der Summe der ausgleichsrelevanten nanzkraftausgleich ersetzt den Länderfinanzaus- Einnahmen aller Länder entsprechend dem An- gleich. Seine Berechnung entspricht im Wesent- teil dieses Landes an der Summe der gewichteten lichen der des Länderfinanzausgleichs, sodass es sich bei dem „Wegfall“ des Länderfinanzausgleichs in der Sache darum handelt, dass seine Ergebnisse 2 Die bergrechtliche Förderabgabe, die bis 2019 vollständig in den Messzahlen zu berücksichtigen war, wird durch die nunmehr formalrechtlich in die Umsatzsteuerver- Rechtsänderung nur noch zu 33 Prozent berücksichtigt. Für teilung einbezogen werden. Diese Umdeklarierung diese Änderung, welche die Finanzkraftsumme im Jahr 2020 um 73 Mio. € herabgesetzt hat, war eine Verfassungsänderung hat zur Folge, dass die Ergebnisse dieser nunmehr erforderlich (Ergänzung in Art. 107 Abs. 2 GG). Die Finanzkraft als „Finanzkraftausgleich“ zu bezeichnenden Um- eines Landes ist weiterhin gemäß § 7 Abs. 3 FAG um verteilungsstufe nicht mehr in den Landeshaushal- einen Betrag zu vermindern, der von der im Vergleich zum Durchschnitt aller Länder erzielten Steigerungsrate seiner ten ausgewiesen werden. Einnahmen abhängt. Die Regelung ist unverändert. 21
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern im Jahr 2020 März 2021 Einwohnerzahlen errechnet. Ebenso wird mit den Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bun- Einnahmen der Gemeinden jedes Landes verfah- desgebiet zusätzlich. ren, wobei hier, wie oben beschrieben, nur 75 Pro- zent der Summe angesetzt werden. Die Summe die- Allgemeine Bundesergänzungszuweisungen (BEZ) ser beiden für das Land und für seine Gemeinden unterstützen leistungsschwache Länder im Sinne ermittelten Werte ergibt die Ausgleichsmesszahl von § 9 Abs. 1 Satz 4 MaßstG i. V. m. § 11 Abs. 2 dieses Landes. Satz FAG, bei denen der Zuschlag in Höhe von 63 Prozent der Unterdeckung ihrer Ausgleichsmes- Zur Berechnung des Umsatzsteueranteils eines szahl nicht ausreicht, um ihre Finanzkraftmesszahl Landes sowie des von dem jeweiligen Land erhobe- bis auf 99,75 Prozent an ihre Ausgleichsmesszahl nen Abschlags beziehungsweise des ihm zu gewäh- anzunähern. Gemäß § 11 Abs. 2 FAG erhalten sie renden Zuschlags wird zunächst der Anteil dieses 80 Prozent der zu 99,75 Prozent verbliebenen Dif- Landes an der Umsatzsteuer berechnet, der seinem ferenz vom Bund. Anteil an der bundesweiten Einwohnerzahl ent- spricht. Die Finanzkraftmesszahl des Landes wird Darüber hinaus erhalten leistungsschwache Län- sodann mit der landesindividuell berechneten der, in denen die kommunalen Steuereinnahmen Ausgleichsmesszahl verglichen. Die Differenz zwi- pro Einwohner weniger als 80 Prozent des bun- schen Finanzkraft- und Ausgleichsmesszahl wird desweiten Durchschnitts aller Gemeinden betra- zu konstant 63 Prozent durch Zuschläge zu bezie- gen, weitere Ergänzungszuweisungen in Höhe von hungsweise Abschläge von dem sich aus der reinen 53,5 Prozent des Fehlbetrags, der zu 80 Prozent des Einwohnerzahl des Landes ergebenden Umsatz- bundesweiten Durchschnitts besteht. Diese Er- steueranteil ausgeglichen. Aus dem Einwohneran- gänzungszuweisungen wurden im Rahmen der teil und dem Zu- beziehungsweise Abschlag des Neuregelung des Finanzausgleichs als neuer § 11 Landes zu beziehungsweise von diesem Anteil er- Abs. 5 FAG (sogenannte Gemeindesteuerkraft-Bun- gibt sich der Umsatzsteueranteil einschließlich des desergänzungszuweisungen, GStK-BEZ) eingeführt. Finanzkraftausgleichs. Ebenfalls neu eingeführt wurden Bundesergän- Die Ergebnisse dieser Berechnung für das Jahr 2020 zungszuweisungen zum durchschnittsorientier- sind in Tabelle 1 dargestellt. In der dritten Zeile ten Forschungsförderungsausgleich (doF-BEZ) der Tabelle würde die Quote aus Finanzkraft- und in einem neuen § 11 Abs. 6 FAG. Durch sie erhal- Ausgleichsmesszahl 100 Prozent betragen, wenn ten leistungsschwache Länder, die bei der Vergabe die Finanzkraftmesszahl eines Landes exakt sei- der Forschungsförderungsmittel nach Art. 91b GG ner Ausgleichsmesszahl entspräche. Übersteigt sie nur unterdurchschnittlich berücksichtigt wer- 100 Prozent, wird von dem betreffenden Land ein den konnten, zusätzliche Mittel. Diese unterliegen Abschlag von seinem Umsatzsteueranteil erhoben, ebenso wie alle anderen BEZ keiner Zweckbindung. liegt sie darunter, erhält das betreffende Land einen Zuschlag. Weitere Zuweisungen gewährt der Bund in einer betraglich vordefinierten Höhe. Ergänzungszuweisungen des So erhalten die ostdeutschen Flächenländer zum Bundes an die Länder Ausgleich von Sonderlasten durch strukturelle Arbeitslosigkeit jährlich zwischen 34 Mio. € und Durch die Zuweisung ergänzender Mittel an die 85 Mio. € gemäß § 11 Abs. 3 FAG. Die Höhe dieser Haushalte leistungsschwacher Länder verbessert Sonderzuweisungen wird jeweils im Abstand von der Bund die Einnahmesituation dieser Länder drei Jahren überprüft und für das dann folgende im Rahmen seiner Gesamtverantwortung für die Jahr angepasst. 22
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern im Jahr 2020 März 2021 Schließlich erhalten die Länder Berlin, Branden- zwischen den Ländern im Vergleich zu einer reinen burg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rhein- Pro-Kopf-Verteilung der Umsatzsteuer betrug im land-Pfalz, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Jahr 2020 rund 14,8 Mrd. € (2019: 18,7 Mrd. €). Ins- Analysen und Berichte Schleswig-Holstein und Thüringen wegen über- besondere die Länder, die 2019 von dem nunmehr durchschnittlich hoher Kosten politischer Füh- entfallenen Umsatzsteuervorwegausgleich belastet rung dieser Länder gemäß § 11 Abs. 4 FAG zwischen worden waren (Nordrhein-Westfalen, Bayern, Ba- 47 Mio. € und 81 Mio. € im Jahr. Die Vergabe ist in den-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Berlin einem Abstand von fünf Jahren durch Bund und und Hamburg), erhielten – mit Ausnahme Berlins – Länder im Hinblick auf die Vergabe im dann über- im Jahr 2020 höhere Umsatzsteuereinnahmen (in nächsten Jahr zu überprüfen. Die Werte wurden im Mio. €: Nordrhein-Westfalen +832, Bayern +1.418, Rahmen der jüngsten Überprüfung im Jahr 2020 Baden-Württemberg +857, Hessen +567, Rhein- angepasst und um insgesamt 114 Mio. € zugunsten land-Pfalz +167 und Hamburg +296), während die der Länder erhöht. Einnahmen aus der Umsatzsteuer in den anderen Ländern zum Teil deutlich zurückgingen (in Mio. €: Niedersachsen -82, Sachsen -1.111, Sachsen-An- Ergebnisse 2020 halt -736, Schleswig-Holstein -102, Thüringen -680, Brandenburg -420, Mecklenburg-Vorpommern Im Vergleich zum Jahr 2019 sank das Aufkommen -511, Saarland 187, Berlin -178 und Bremen -147). aus der Umsatzsteuer um -23,8 Mrd. € beziehungs- weise -9,8 Prozent und betrug 219,4 Mrd. €. Hier- Abschläge waren 2020 von den Ländern Bay- von erhielten der Bund 43 Prozent (2019: 48,9 Pro- ern (-7,8 Mrd. €; 2019: -9,2 Mrd. €), Baden-Würt- zent), die Länder 52,9 Prozent (2019: 47,7 Prozent) temberg (-3,7 Mrd. €; 2019: -4,5 Mrd. €), Hessen und die Gemeinden 4,1 Prozent (2019: 3,4 Prozent). (-2,5 Mrd. €; 2019: -3,1 Mrd. €), Nordrhein-Westfa- len (-0,6 Mrd. €; 2019: -1,5 Mrd. €) und von Ham- Die den Ländern direkt zufließenden Steuern san- burg (-0,2 Mrd. €; 2019: -0,5 Mrd. €) zu erhe- ken 2020 durchschnittlich um -4,9 Prozent. Den ben. Zuschläge erhielten demgegenüber Berlin stärksten Rückgang verzeichneten Hamburg mit (3,5 Mrd. €; 2019: 3,6 Mrd. €), Sachsen (2,7 Mrd. €; -9,4 Prozent und Hessen mit -7,1 Prozent im Ver- 2019: 3,8 Mrd. €), Sachsen-Anhalt (1,6 Mrd. €; 2019: gleich zum Vorjahr, am wenigsten betroffen waren 2,3 Mrd. €), Thüringen (1,6 Mrd. €; 2019: 2,2 Mrd. €), Mecklenburg-Vorpommern mit -0,6 Prozent und Niedersachsen (1,5 Mrd. €; 2019: 1,6 Mrd. €), Meck- das Saarland mit -1,1 Prozent. lenburg-Vorpommern (1,2 Mrd. €; 2019: 1,7 Mrd. €), Brandenburg (1,1 Mrd. €; 2019: 1,6 Mrd. €), Bre- Im Vergleich der Pro-Kopf-Steuereinnahmen men (0,7 Mrd. €; 2019: 0,9 Mrd. €), das Saarland der Länder untereinander lagen Hamburg, Bay- (0,4 Mrd. €; 2019: 0,6 Mrd. €), Rheinland-Pfalz ern, Hessen, Baden-Württemberg und Berlin über, (0,3 Mrd. €; 2019: 0,2 Mrd. €) und Schleswig-Hol- Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schles- stein (0,2 Mrd. €; 2019: 0,3 Mrd. €). wig-Holstein, Niedersachsen, das Saarland und Bremen sowie alle ostdeutschen Flächenländer un- Die ostdeutschen Flächenländer erhielten zusam- ter dem Durchschnitt. men 8,2 Mrd. € (2019: 11,6 Mrd. €). Nach der Ver- teilung der Umsatzsteuer überstieg die Finanzkraft Im Vergleich mit den Ausgleichsergebnissen des jedes Landes 90 Prozent seiner Ausgleichsmesszahl Jahres 2019, dem Jahr vor der Berechnungsumstel- (vergleiche Tabelle 1). lung, ergaben sich im Hinblick auf die Einnahmen aus der Umsatzsteuer zwischen den Ländern zum Die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen, Teil erhebliche Unterschiede. Das der Angleichung die alle zuschlagsberechtigen Länder vom Bund der Finanzkraft der Länder im Rahmen der Umsatz- erhielten, betrugen in der Summe 6,6 Mrd. € und steuerverteilung dienende Umverteilungsvolumen führten zugunsten dieser Länder zu einer weiteren 23
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