ENERGIEWENDE im Kontext von Atom- und Kohleausstieg Perspektiven im Strommarkt bis 2040 - Bundesverband ...
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EuPD Research Sustainable Management GmbH Adenauerallee 134 53113 Bonn Germany Mai 2020 Dr. Martin Ammon Thorben Bruns Natalja Semerow
A Kapitel 2 VORWORT 2. PROGNOSE DER STROM NACHFRAGE Die Entwicklung der Stromnachfrage besitzt wesentlichen Einfluss auf den Umfang der 4 zukünftigen Stromerzeugung in Deutschland. In der Vergangenheit zeigt sich hier bis zur globalen Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 ein stetiger Anstieg des Stromver- brauches in Deutschland. Seit 2010 verharrt der deutsche Nettostromverbrauch bei einem Wert von etwa 530 TWh.
Die Energiewende in Deutschland beschreibt einen tung von heute ca. 202 GW auf 451 GW im Jahr umfassenden und langfristig angelegten Transforma- 2040 ansteigen muss. Zentrales Element dieses Zu- tionsprozess des Energiesystems von der Erzeugung baus ist die Photovoltaik, deren installierte Leistung über den Transport bis hin zum Verbrauch. Energie- sich ausgehend vom Jahr 2019 bis 2030 auf 170 politische Entscheidungen wie der Atom- und Koh- GW etwa verdreifachen und bis zum Jahr 2040 auf leausstieg wirken hierbei als Katalysatoren dieser 260 GW ansteigen muss. Es wird deutlich, dass bei Entwicklung. Diese politischen Zielstellungen gilt es einem weiterhin limitiertem Photovoltaik-Ausbau dabei im Kontext technologischer Entwicklungen von durchschnittlich 2,5 GW pro Jahr, der Verringe- mit der Maßgabe des energiepolitischen Zieldreiecks rung konventioneller Erzeugungskapazitäten sowie aus Ökologie, Ökonomie und Versorgungssicherheit der steigenden Stromnachfrage bereits ab 2022 eine in Einklang zu bringen. Vor diesem Hintergrund ana- Stromlücke entsteht, die bis zum Jahr 2030 auf 77 lysiert diese Studie die Entwicklung des deutschen TWh anwächst. Um dies zu vermeiden, ist ein Zubau Strommarkts bis zum Jahr 2040 und zeichnet ein an Photovoltaik-Erzeugungskapazitäten von 12 GW/ realistisches Zukunftsbild sowohl der Entwicklung Jahr bereits in den kommenden Jahren notwendig. der zukünftigen Stromerzeugung als auch des zu er- wartenden Stromverbrauchs. Der deutlich steigende Anteil fluktuierender Strom- erzeugungskapazitäten bedingt einen ebenso star- Die hier vorliegende Aktualisierung der Studie vom ken Ausbau an Speicherkapazitäten zur kurzfris- November 2019 ergänzt und erweitert die Ergebnis- tigen und saisonalen Stromspeicherung, um den se. Entsprechend sind in dieses Update die konkrete Ausgleich von Stromangebot und Stromnachfrage Darstellung des Kohleausstiegspfades, Anpassungen sicherzustellen. Dies gilt für die Kurzfristspeicher zur der Zubauziele für Wind offshore und weitere As- Gewährleistung der Systemstabilität auf Netzebene pekte eingeflossen. Ebenso hat die Wirtschaftskrise als auch für Heim- und Gewerbespeicher im Rahmen im Kontext der Corona-Pandemie ihre Spuren hin- eines Prosumer-Modells. Für die langfristige bzw. sai- terlassen und zeigt sich in kurzfristig veränderten sonale Speicherung von Solar- und Windstrom wer- Stromverbrauch. den zukünftig Power to Gas-Lösungen zur Wasser- Elektrolyse bzw. Herstellung „grünen“ Wasserstoffs Als Kernergebnis der in dieser Studie durchgeführ- und dessen spätere Rückverstromung eine essentiel- ten Analyse steht nach Überwindung der aktuellen le Rolle spielen. Wirtschaftskrise ein deutlicher Anstieg des Netto- stromverbrauchs in Deutschland von heute ca. 530 Des Weiteren sind mit dem in diesem Studienupdate TWh auf ca. 880 TWh im Jahr 2040. Die wesent- aufgezeigten Entwicklungspfad der Photovoltaik po- lichen Treiber dieses Zuwachses der Stromnachfrage sitive volkswirtschaftliche Effekte verbunden, welche 5 um 66% sind die Elektromobilität sowie der rasch sich insbesondere durch eine Erhöhung der direkten ansteigende Stromverbrauch der so genannten Po- Beschäftigung um 48.000 Beschäftigte bis 2040 äu- wer to X-Anwendungen. Dieses Studienergebnis ist ßern. In diesem Kontext ist ein Wachstum des Bran- konsistent mit aktuellen Energiesystemstudien zur chenumsatzes auf über 10 Mrd. Euro im Jahr 2040 zukünftigen Entwicklung des Stromverbrauchs. mit einer inländischen Bruttowertschöpfung von 6,2 Mrd. Euro verbunden. Diese Studie zeigt auf, dass zur Deckung des erwar- teten Stromverbrauchs die installierte Kraftwerksleis- © EuPD Research | 2020 Markus A.W. Hoehner Carsten Körnig Markus Elsässer Daniel Strowitzki CEO, EuPD Research Sustainable Hauptgeschäftsführer, CEO Solar Promotion GmbH, CEO, FWTM Freiburg, Management GmbH Bundesverband Solarwirtschaft The smarter E Europe The smarter E Europe
VORWORT Kapitel A 1. Strommarktprognose Deutschland 2040 5 CO2-Reduktionsziele 42 1.1 Modellansatz 8 5.1 Energiewirtschaft 43 5.2 Gebäude 44 2. Prognose der Stromnachfrage 5.3 Industrie 45 2.1 Private Haushalte 12 5.4 Landwirtschaft 46 2.1.1 Demographische Entwicklung 12 5.5 Verkehr 46 2.1.2 Stromverbrauch Haushalte 13 2.1.3 Prosumer 13 6 Modellrechnung Deutschland 2040 48 2.1.4 Photovoltaik und Elektromobilität 16 6.1 Entwicklung des Lastgangs 48 2.2 Wirtschaft 19 6.2 Stromangebot 51 2.3 Sektorenkopplung 19 6.2.1 Stromerzeugung in 2030 52 2.3.1 Elektromobilität 20 6.2.2 Speichereinsatz in 2030 56 2.3.2 Wärme 21 6.2.3 Szenarien im Strommarkt bis 2040 58 2.3.3 Power to X-Technologien 22 2.3.3.1 Power to Gas im Verkehr 23 7 Einordnung der Ergebnisse 59 2.3.3.2 Power to Gas in der industriellen Nutzung 24 7.1 Stromnachfrage 59 2.3.3.3 Power to Gas zur Wärmeerzeugung 24 7.2 Stromangebot 61 2.3.3.4 Rückverstromung 25 2.4 Energieeffizienz 25 2.5 Deutsche Stromnachfrage bis 2040 26 Kapitel B Volkswirtschaftliche Effekte 64 3 Prognose des Stromangebotes 28 3.1 Fossile Energieträger 28 1. Photovoltaik-Zubau in Deutschland 64 3.1.1 Kernenergie 28 2. Zubau an Batteriespeichern in Deutschland 67 3.1.2 Braun- und Steinkohle 29 3.1.3 Erdgas 30 Literaturverzeichnis 68 3.1.4 Mineralöl und sonstige Nicht-Erneuerbare 30 3.2 Erneuerbare Energien 31 Initiatoren 70 3.2.1 Windenergie (onshore & offshore) 31 3.2.2 Abfall, Bioenergie, Laufwasser 32 Sponsoren 76 3.2.3 Photovoltaik 32 6 3.3 Deutsches Stromangebot bis 2040 34 4 Stromspeicher 36 4.1 Status Quo 36 4.2 Bedeutung von Speichertechnologien im Rahmen der Energiewende 37 4.2.1 Heimspeicher 37 4.2.2 Gewerbe- und Industriespeicher 39 4.2.3 Netzspeicher 40 4.2.4 Prognose 2040 41 CONTENT
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Modellansatz 10 Abbildung 2: Nettostromverbrauch in Deutschland 1991 bis 2018 12 Abbildung 3: Beispiel für ein Tageslastprofil eines Haushalts mit PV-Anlage, Wärmepumpe und Elektroauto 14 Abbildung 4: Veränderung des Lastprofils bzw. Netzbezug eines Haushalts mit PV-Anlage und Stromspeicher 15 Abbildung 5: Ökostrom 17 Abbildung 6: Tabelle PV E-Auto 18 Abbildung 7: Prognose Elektrofahrzeuge 20 Abbildung 8: Prognose Heizungssysteme 21 Abbildung 9: Prognose Nettostromverbrauch Deutschland 2040 26 Abbildung 10: Ausstiegspfad Kern- und Kohlekraftwerke 30 Abbildung 11: Neuinstallationen an Photovoltaik-Anlagen bis 2040 33 Abbildung 12: Kumulierte Photovoltaik-Leistung bis 2040 33 Abbildung 13: Prognose der installierten Nettoleistung Deutschland 2040 34 Abbildung 14: Nettostromerzeugung im deutschen Kraftwerkspark (EuPD Szenario) bis 2040 35 Abbildung 15: Prognose der installierten Batteriespeicher-Kapazität 41 Abbildung 16: CO2-Emissionen in der Energiewirtschaft 43 Abbildung 17: Lastgang in Kalenderwoche 6 im Jahr 2018 49 Abbildung 18: Lastgang in Kalenderwoche 6 im Jahr 2040 50 Abbildung 19: Lastgang in Kalenderwoche 6 im Jahr 2030 50 Abbildung 20: Stromproduktion in Kalenderwoche 6 im Jahr 2018 51 Abbildung 21: Kurzdarstellung des Modellablaufes 52 Abbildung 22: Residuallast im Jahr 2030 53 Abbildung 23: Strommarkt-Gleichgewicht ohne Speicher 2030 54 Abbildung 24: Strommarktgleichgewicht mit Speichern in 2030 (120 GW Photovoltaik) 55 Abbildung 25: Strommarktgleichgewicht mit Speichern in 2030 (162 GW Photovoltaik) 55 Abbildung 26: Stromproduktion in Kalenderwoche 6 im Jahr 2030 56 Abbildung 27: Stromerzeugung, Lastgang undSpeichernutzung in KW 6 im Jahr 2030 57 Abbildung 28: Stromproduktion in KW 32 im Jahr 2040 57 Abbildung 29: Nettostromerzeugung und -verbrauch bis 2040 im Szenariovergleich 58 Abbildung 30: Vergleich der Prognose zum Nettostromverbrauch im Kontext aktueller wissenschaftlicher Studien 60 Abbildung 31: Prognose der Beschäftigungsentwicklung in der Photovoltaikbranche 65 Abbildung 32: Entwicklung von Umsatz und Bruttowertschöpfung in der Photovoltaikbranche 66 Abbildung 33: Volkswirtschaftliche Effekte der Branche Batteriespeicher 67 7 Bildverzeichnis © shutterstock.com: 1151788877, Uwe Aranas Cover, links © fotolia.de: 14949518, froxx Cover, rechts © fotolia.de: 112186753, mimacz 4 © shutterstock.com: 1469753174, immodium 8 © shutterstock.com: 708360469, Von Wang An Qi 11 © shutterstock.com: 545497120, Eviart 28 © shutterstock.com: 1075034975, petrmalinak 36 © shutterstock.com: 1501743056, Kletr 42 © EuPD Research | 2020 © shutterstock.com: 440065846, SFIO CRACHO 48 © shutterstock.com: 713811001, NicoElNino 59 © shutterstock.com: 1231372969, MiniStocker 64
A KAPITEL 1 1. STROMMARKTPROGNOSE DEUTSCHLAND 2040 1. Modellansatz 8 Die Modellierung der zukünftigen Entwicklung des deutschen Strommarktes basiert im Kern auf der Darstellung der Veränderung der gesamtdeutschen Stromnachfrage und dem daraus resultierenden notwendigen Stromangebot. Als Darstellungsebene fungieren Lastgänge und Erzeugungsprofile auf 15-Minutenbasis. Der Modellansatz folgt dem soge- nannten Zieldreieck der Energiepolitik aus Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit.
Im Rahmen dieser Studie wird unter Wirtschaftlich- Im zweiten Arbeitsschritt wird als energiepolitische keit die Kosteneffizienz des Strommix verstanden. Zielvariable zunächst die Umweltverträglichkeit der Folglich wird im Modellrahmen unterstellt, dass die- Stromerzeugung herangezogen. Entsprechend wird jenigen Kraftwerkstechnologien mit den geringsten hier der politische Zielwert des Anteils erneuerbarer Stromgestehungskosten vorrangig zugebaut wer- Energien am Stromverbrauch angesetzt und die den. Neben dem Zubau an neuen Kraftwerken be- erforderliche Strommenge aus erneuerbaren Ener- trifft die Zielvariable der Wirtschaftlichkeit auch den gien bestimmt, jedoch ohne dies zunächst auf ein- Rückbau bestehender bzw. entsprechend weniger zelne Technologien aufzuschlüsseln. Basierend auf kosteneffizienter Kraftwerke. den aktuellen energiepolitischen und sozioökono- mischen Rahmenbedingungen werden die aus den Mit Umweltverträglichkeit werden die politischen erneuerbaren Energien benötigten Strommengen Zielmarken zum Anteil erneuerbarer Energien am abgeleitet. Dafür werden die notwendigen Strom- Bruttostromverbrauch beschrieben. Hierbei werden mengen der fluktuierenden erneuerbaren Energien die politischen Vorgaben als Minimalziel definiert. Wind und Photovoltaik im dritten Arbeitsschritt be- Konkret wird unterstellt, dass das Ziel von 65% er- stimmt. Aus der Differenz des gesamtdeutschen neuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch im Lastprofils und den Erzeugungsprofilen der fluktu- Jahr 2030 erreicht wird und sich gleichermaßen der ierenden Erzeuger Wind und Photovoltaik wird als Ausbaupfad mit Blick auf mindestens 80% in 2050 vierter Schritt die Residuallast kalkuliert. kontinuierlich fortsetzt. Die energiepolitischen Zielstellungen Wirtschaft- Als Versorgungssicherheit wird die Zielstellung be- lichkeit und Versorgungssicherheit beziehen sich in schrieben, im Simulationsrahmen jederzeit mit dem großen Teilen auf die gleichen Arbeitsschritte. Im vorliegenden Kraftwerkspark die Stromnachfrage Modellrahmen folgt dem Ziel der Umweltverträg- decken zu können. Neben dem inländischen Kraft- lichkeit die Berechnung der Kosten des Energie- werkspark wird die Annahme getroffen, dass in mixes als Maß für die Wirtschaftlichkeit. Diese Be- einem definierten Rahmen der Import und Export rechnungsergebnisse werden separat in Kapitel C von Strom aus dem europäischen Ausland möglich „Strompreisanalyse“ dargestellt. ist. Basierend auf dem Kraftwerkspark und der Strom- Den Ausgangspunkt des nachfolgend beschriebe- erzeugung des Basisjahres 2018 werden die bereits nen Strommarktmodells bildet der gesamtdeutsche feststehenden Veränderungen im Kraftwerkspark, Bruttostromverbrauch des Jahres 2018. Im ersten wie die endgültige Stilllegung der verbleibenden 9 Arbeitsschritt gilt es, die Einflussfaktoren auf den Kernkraftwerke, ermittelt. Das Ergebnis des Arbeits- Stromverbrauch der Zukunft zu identifizieren und schrittes 5 ist die Ermittlung des zukünftigen steuer- dessen Entwicklung für den gesamten Betrach- baren Stromangebotes. Dies führt die Erzeugung tungszeitraum bis 2040 zu prognostizieren. Zu den der steuerbaren erneuerbaren Energien mit den Einflussfaktoren zählen beispielsweise die demo- Veränderungen im konventionellen Kraftwerkspark grafische Entwicklung Deutschlands, technologi- zusammen. sche Trends wie die Elektrifizierung von Mobilität und der Wärmeerzeugung oder die Veränderung © EuPD Research | 2020 der Energieeffizienz. Auf Basis dieser vielfälti- gen Faktoren wird der zukünftige Strombedarf in Deutschland prognostiziert.
Der Arbeitsschritt 6 ist als zentral anzusehen, da Die nachfolgende Abbildung 1 fasst das vorstehend hier im Strommarktgleichgewicht die Lastkurve (des beschriebene Modell zusammen und zeigt den Zu- Stromverbrauchs) mit der Stromerzeugung, sowohl sammenhang der drei energiepolitischen Zielstel- aus steuerbaren Kraftwerken als auch aus der fluk- lungen auf. Hier wird ersichtlich, dass, nach der tuierenden Stromerzeugung, sowie der in Arbeits- Berechnung der notwendigen Strommengen und schritt 4 ermittelten Residuallast, zusammentrifft. der Ausgleichsenergien, der Kreislauf wieder mit Um jederzeit die Stromversorgung in Deutschland Arbeitsschritt 1 beginnt, da im Rahmen der Strom- gewährleisten zu können, werden im Strommarkt- speicherung bzw. der Nutzung von Ausgleichsener- gleichgewicht zudem der Stromexport und -import gien Effizienzverluste für das Laden und Entladen mit dem Ausland sowie die Bereitstellung von Aus- auftreten, die je nach Technologie unterschiedlich gleichsenergie über Speichereinheiten oder Power stark ausfallen können. Diese Effizienzverluste sind to X-Anwendungen einbezogen. Das Strommarkt- gleichbedeutend mit einem zusätzlichen Stromver- gleichgewicht symbolisiert zugleich das dritte ener- brauch. Dieser erhöhte Stromverbrauch muss dann giepolitische Ziel der Versorgungssicherheit. Unter wiederum hinsichtlich der Erfüllung der Zielsetzun- Einbindung des Austausches mit dem Ausland und gen der Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit Speichereinheiten bzw. Power to X-Anwendungen und Versorgungssicherheit geprüft werden. zur Rückverstromung, soll die Versorgungssicher- heit gewährleistet werden. Quelle: EuPD Research 2019 Stromnachfrage 2018 Einflussfaktoren Stromnachfrage 1 Umweltverträglichkeit Ziel 65% erneuerbare 2 3 Stromnachfrage Strommenge aus Strommenge Energien am 2030 Stromverbrauch erneuerbaren Energien Wind & PV Versorgungssicherheit 4 4 Residuallast 10 Steuerbare Stromerzeugung 2018 Stilllegungen und Einfluss- Neubau konv. faktoren Kraftwerke Stromangebot 6 5 Ausgleichsenergie Strommarktgleich- Steuerbare (Speicher, Power2X) gewicht 2030 Stromerzeugung 2030 Stromimport/ Export Wirtschaftlichkeit Abbildung 1: Modellansatz
A KAPITEL 2 2. PROGNOSE DER STROM- NACHFRAGE Die Entwicklung der Stromnachfrage besitzt einen wesentlichen Einfluss auf den Um- fang der zukünftigen Stromerzeugung in Deutschland. In der Vergangenheit zeigte sich 11 hier bis zur globalen Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 ein stetiger Anstieg des Stromverbrauches in Deutschland. Seit 2010 verharrt der deutsche Nettostromverbrauch bei einem Wert von etwa 530 TWh (vgl. Abb 2) und hat sich in 2019 leicht auf 512 TWh abgesenkt. Im aktuellen Jahr 2020 ist aufgrund der massiven Wirtschaftskrise im Kontext der globalen Corona-Virus Pandemie von einem deutlichen Rückgang des Stromverbrau- ches auszugehen. © EuPD Research | 2020
Abbildung 2: Nettostromverbrauch in Deutschland 1991 bis 2019 Im Rahmen dieser Studie wird eine Prognose des Analog zur Annahme des Statistischen Bundesamts deutschen Nettostromverbrauches bis zum Jahr werden die privaten Haushalte zukünftig immer 2040 in den drei Segmenten private Haushalte, kleiner – die aktuelle Anzahl von 1,98 Personen pro Wirtschaft und Sektorenkopplung dargestellt. Haushalt wird sich in 2030 auf 1,93 reduzieren.1 Unter Fortschreibung dieser Annahmen wird die Haushaltsgröße bis 2040 weiter auf 1,88 Personen sinken. 2.1 Private Haushalte Aus der sinkenden durchschnittlichen Haushalts- Um die zukünftige Stromnachfrage in den privaten größe ergibt sich in der Prognose ein Anstieg der Haushalten zu bestimmen, ist vor allem die Ent- Haushalte auf 42,9 Millionen im Jahr 2030 und auf wicklung von zwei Variablen von Bedeutung – die 43,4 Millionen im Jahr 2040. Dies bedeutet eine Anzahl an privaten Haushalten und der Stromver- Zunahme um 1,09 Millionen (bzw. 1,55 Millionen) brauch je Haushalt. privater Haushalte im Jahr 2030 (bzw. 2040). 12 2.1.1 Demographische Entwicklung Gemäß Angaben des Statistischen Bundesamts nimmt die Bevölkerungszahl bis 2025 bedingt durch einen positiven Zuwanderungssaldo stetig zu. Ab 2026 sinkt diese im Kontext einer modera- ten Zuwanderung aufgrund eines höheren Ge- burten- defizits. Trotz eines Bevölkerungsrückgangs ab 2025 nimmt jedoch die Zahl an privaten Haus- halten bis zum Prognosehorizont in 2040 stetig zu. 1 Statistisches Bundesamt (2017a)
2.1.2 Stromverbrauch Haushalte kann, wenn die eigene Produktion zur Deckung Die sinkende durchschnittliche Haushaltsgröße be- des eigenen Verbrauchs nicht ausreicht. Bei einem wirkt zwar einen Anstieg der Anzahl an privaten eigenen Stromüberangebot wird Strom ins Netz Haushalten, allerdings verringert sich durch die klei- eingespeist. Insgesamt besteht eine Form des bidi- neren Haushalte ebenso der Durchschnittsstromver- rektionalen Stromflusses. Ein Prosumer von selbst brauch je Haushalt. Ferner wirkt sich die angenom- erzeugtem Strom kann dabei im weiteren Sinne mene Energieeffizienzsteigerung von 0,5% pro Jahr 2 grundsätzlich ein privater Haushalt, ein Gewerbe- positiv auf die Reduzierung des Stromverbrauchs in betrieb oder Industrieunternehmen etc. sein. Als den privaten Haushalten aus. Demzufolge vermin- Stromquelle kommen grundsätzlich unterschied- dert sich der Stromverbrauch der privaten Haushalte liche Energieträger in Betracht: Photovoltaik (PV), von 129 TWh in 2017 auf rund 123 TWh in 2030 eine (Klein)-Windenergieanlage oder ein (Mini-) und 116 TWh in 2040. 3 Blockheizkraftwerk (BHKW). Im Sinne dieser Studie bezeichnet der Begriff Prosu- 2.1.3 Prosumer mer den Besitzer einer Photovoltaik-Anlage, der den Zukünftig ändert sich nicht einzig der Stromver- damit erzeugten Strom (sog. Eigenstrom) selbst ver- brauch und dessen Erzeugung in technologischer braucht. Je nach individueller Erzeugungs- und Ver- Hinsicht, es finden zudem starke Veränderungen brauchssituation kann der Prosumer diesen Strom in den Akteursstrukturen statt. Im traditionellen zusätzlich ins Netz einspeisen bzw. weiteren Strom System der zentralen Stromerzeugung waren Er- aus dem Netz beziehen. Als Eigenverbrauchsanteil zeuger und Verbraucher klar voneinander getrennt. wird die erzeugte Strommenge bezeichnet, die der Die dezentrale Stromproduktion der erneuerbaren Prosumer direkt selbst verbraucht. Als Eigenver- Energien hat dieses Verhältnis verändert, sodass im- sorgungsgrad wird der Anteil des Stromverbrauchs mer mehr Konsumenten auch als Produzenten von bezeichnet, den der Haushalt durch die erzeugte Strom agieren. Energie insgesamt decken kann.5 Der Begriff „Prosumer“ oder Prosument setzt sich Das Konzept des Prosumers im Kontext eines pri- aus den beiden Begriffen Producer/Produzent und vaten Haushalts ist aus unterschiedlichen Perspek- Consumer/Konsument zusammen und bezeichnet tiven ein wichtiges Element der Energiewende. Für Personen bzw. Kunden und Verbraucher, die neben Haushalte mit einer PV-Anlage ist vor dem Hinter- dem Konsum eines Gutes dieses gleichzeitig auch grund steigender Strompreise und sinkender Ein- produzieren können. Im Rahmen dieser Studie ist 4 speisevergütungen die Erhöhung des Verbrauchs 13 unter Produktion die Erzeugung und Bereitstellung des selbst erzeugten Eigenstroms ein zunehmender von Strom gemeint, der sowohl selbst verbraucht Rentabilitätsfaktor. Vor allem für Bestandsanlagen als auch in das öffentliche Netz eingespeist wird. mit absehbar ausIaufender Einspeisevergütung6 ist Durch den Anschluss an das öffentliche Stromnetz es in dieser Hinsicht besonders wirtschaftlich, einen ist gewährleistet, dass im Bedarfsfall entsprechend möglichst hohen Eigenstromanteil am Haushalts- Strom vom Energieversorger bezogen werden stromverbrauch zu erreichen. Angesichts der zu er- wartenden Preise von zwei bis fünf €cent/kWh für die Einspeisung von PV-Strom nach Ablaufen der © EuPD Research | 2020 2 Die Annahmen zur Energieeffizienz sind in Kapitel 2.4 be- schrieben. 3 In diesen Stromverbräuchen ist der zusätzliche Bedarf 5 Schopfer/Tiefenbeck/Staake (2016) durch die steigende Elektrifizierung von Wärme und 6 Photovoltaik-Anlagen, die nach dem Erneuerbare-Energien- Mobilität nicht inkludiert. Dieser zusätzliche Bedarf wird im Gesetz (EEG) installiert wurden, erhalten für den Zeitraum Kapitel Sektorenkopplung ausführlich behandelt. von 20 Jahren eine garantierte Vergütung für selbst erzeug- 4 Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (2017a) ten und ins Stromnetz einge-speisten Photovoltaik-Strom.
EEG-Vergütung und Strompreisen von 30 €cent/ Im gewählten Beispiel verfügt der Haushalt über kWh wird ein möglichst hoher Eigenverbrauch eine Wärmepumpe zur Wärmeerzeugung, sodass dazu beitragen, die Strombezugskosten für einen das Lastprofil (blau) je nach Tageszeit zwischen ca. Haushalt zu minimieren. 7 1,9-3,5 kW liegt. Zudem verfügt der Haushalt über ein Elektroauto, welches vom Nachmittag bis in Eine Erhöhung des Eigenverbrauchsanteils kann auf den frühen Abend hinein geladen wird. Das Last- verschiedenen Wegen erreicht werden. Die Anpas- profil des Elektroautos ist extra ausgewiesen und sung des Verbrauchsverhaltens bildet eine Option, erhöht während des Ladezeitraums das Gesamt- indem die typischen Verbrauchseinheiten (Herd, lastprofil (grün). Waschmaschine, etc.) in (Mittags-) Stunden mit einer hohen Eigenstromproduktion genutzt wer- Der Einsatz von Strom zur Wärmeerzeugung und den. In folgender Abbildung 3 wird dieser Zusam- im Bereich der Mobilität, d.h. die so genannte menhang deutlich, da die PV-Anlage (gelb) in der Sektorenkopplung, ermöglicht es dem Prosumer- Mittags- und Nachmittagszeit deutlich mehr Strom Haushalt, weitere Potenziale zur Maximierung des produziert als der Haushalt in dieser Zeit verbraucht Eigenverbrauchs zu realisieren. Allerdings wird hier und somit diesen überschüssigen Strom ins öffent- deutlich, dass die Stromerzeugung der PV-Anlage liche Netz einspeist. nur eingeschränkt die Nachfragespitzen mit erhöh- tem Strombedarf abdecken kann. Quelle: EuPD Research 2019 Tages-Lastprofil eines Haushalts mit Wärmepumpenheizung, PV-Anlage und Elektroauto 6 kW 5 kW 4 kW Erzeugung/Last 3 kW 14 2 kW 1 kW Abbildung 3: Beispiel für ein Tageslastprofil eines Haushalts mit PV-Anlage, Wärmepumpe und Elektroauto 0 kW 0:00 0:30 1:00 1:30 2:00 2:30 3:00 3:30 4:00 4:30 5:00 5:30 6:00 6:30 7:00 7:30 8:00 8:30 9:00 9:30 10:00 10:30 11:00 11:30 12:00 12:30 13:00 13:30 14:00 14:30 15:00 15:30 16:00 16:30 17:00 17:30 18:00 18:30 19:00 19:30 20:00 20:30 21:00 21:30 22:00 22:30 23:00 23:30 Erzeugung PV-Anlage Lastprofil Haushalt incl. Elektroauto Lastprofil Haushalt Abbildung 3: Beispiel für ein Tageslastprofil eines Haushalts mit PV-Anlage, Wärmepumpe und Elektroauto 7 Prognos AG (2016)
Mit dem zusätzlichen Einsatz eines Batteriespei- stellt. Allerdings muss zusätzlich Strom aus dem chers kann die Nutzung des PV-Eigenstroms flexibi- Netz bezogen werden, um das Elektroauto zu la- lisiert und der Eigenversorgungsgrad weiter erhöht den. Dennoch ist der Bezug aus dem öffentlichen werden. Auf diese Weise kann die abendliche Last- Netz geringer als ohne PV-Anlage. spitze reduziert werden, indem der Prosumer-Haus- halt zu dieser Zeit seinen Stromverbrauch durch den Im Fall C, der Haushalt verfügt neben der PV-Anla- eingespeicherten Eigenstrom mit abdecken kann. 8 ge auch über einen Stromspeicher, wird der in Fall B ins Netz eingespeiste PV-Strom im Batteriespeicher Die nachfolgende Abbildung 4 verdeutlicht für den des Haushalts zwischengespeichert, eine Einspei- (Prosumer-) Haushalt die unterschiedlichen Fälle sung ins Netz findet nicht mehr statt. Daher ist es des Strombezugs unter Verwendung der Lastpro- möglich, den Strombedarf des Prosumer-Haushalts file aus Abbildung 3. Fall A zeigt die Lastkurve des deutlich länger ohne Strombezug aus dem Netz ab- Haushalts ohne PV-Anlage mit der Lastspitze am zudecken. So werden im Beispiel die Grundlast des frühen Abend durch das Laden des Elektroautos. Haushaltes sowie der gesamte Ladevorgang des Im Fall B ist analog dem oben beschriebenen Bei- Elektroautos durch die eigene PV-Anlage und den spiel: mit Beginn der PV-Eigenstromproduktion Batteriespeicher abgedeckt. Insgesamt erhöht der sinkt der Netzbezug immer weiter ab. Ab dem Batteriespeicher den Anteil des verbrauchten Ei- Vormittag produziert die PV-Anlage mehr Strom genstroms deutlich und sorgt für eine Glättung der als der Haushalt verbraucht und speist diesen Lastkurve, sodass sich für den Prosumer-Haushalt Strom ins öffentliche Netz ein (hier negativer Be- die Strombezugsdauer und die Bezugsspitzen aus reich). Mit Beginn des Lagevorgangs des Elektro- dem öffentlichen Stromnetz deutlich reduzieren. autos wird der PV-Strom dafür zur Verfügung ge- Quelle: EuPD Research 2019 Beispiel: Auswirkungen von PV-Anlage und PV-Stromspeicher auf die Lastkurve bzw. Netzbezug/Netzeinspeisung eines Haushalts 6 kW 5 kW 4 kW 3 kW Netzeinspeisung/Netzbezug 2 kW 15 1 kW 0 kW -1 kW -2 kW -3 kW -4 kW 10:30 11:15 12:00 12:45 13:30 14:15 15:00 15:45 16:30 17:15 18:00 18:45 19:30 20:15 21:00 21:45 22:30 23:15 0:00 0:45 1:30 2:15 3:00 3:45 4:30 5:15 6:00 6:45 7:30 8:15 9:00 9:45 © EuPD Research | 2020 A: nur Netzbezug B: mit PV-Anlage C: mit PV-Anlage und Stromspeicher Abbildung 4: Veränderung des Lastprofils bzw. Netzbezug eines Haushalts mit PV-Anlage und Stromspeicher 8 energie-experten.org (2018)
Voraussetzung für die Umsetzung dieser Poten- systemdienlichen Verbrauchen bzw. Einspeisen tiale ist ein intelligentes Energiemanagementsys- leisten Prosumer einen wichtigen Beitrag zur Stabi- tem zur Steuerung der Verbrauchseinheiten und lisierung der Stromnetze. Im Idealfall geht mit einer der jeweiligen Ladeflüsse. Es ist zu erwarten, dass steigenden Anzahl an Prosumern ein sinkender durch die zunehmende Elektrifizierung der Sekto- Ausbaubedarf der Stromnetze einher.10 ren Wärme und Verkehr die Nutzung von PV-Anla- gen und Batteriespeichern im Bereich der privaten 2.1.4 Photovoltaik und Elektromobilität Haushalte weiter steigen wird. Aufgrund dieses zusätzlichen Strombedarfs für Mobilitäts- und Die Elektrifizierung der Mobilität ist ein wesent- Wärmelösungen wird die installierte Leistung der licher Pfad im Weg einer CO2-freien Gesellschaft. PV-Anlage bzw. die Kapazität des Batteriespei- Mit dem Einsatz von Strom anstelle von Energie- chers ebenfalls weiter anwachsen, sodass die Pro- trägern wie Diesel oder Benzin verändert sich sumer-Haushalte einen möglichst großen Anteil auch der Umgang mit Energie. Als Nutzer eines ihres zusätzlichen Strombedarfs durch die Erzeu- Verbrennungsmotors muss regelmäßig die Fahrt gung und Speicherung von PV-Eigenstrom abde- zur Tankstelle erfolgen, um den Fahrzeugtank cken können. Insgesamt bietet eine signifikante für die nächsten Fahrten wieder zu befüllen. Mit Zunahme an Prosumer-Haushalten langfristig ein einem Elektromobil kann nun Strom zuhause, am großes Potential die Endenergienachfrage bzw. Arbeitsplatz oder unterwegs an öffentlichen Lade- den Strombedarf aus dem Netz durch die privaten säulen geladen werden. Die Option zuhause und Haushalte nachhaltig zu verringern. 9 damit auch selbst erzeugten Photovoltaik-Strom zu laden macht die Elektromobilität insbesondere Der Prosumer-Haushalt ist ein wichtiger Bestand- für Besitzer jüngerer PV-Anlagen äußerst attraktiv. teil einer dezentralen Energieerzeugungsstruktur Während ältere PV-Anlagen noch hohe Einspeise- und bietet zugleich die Möglichkeit, den erzeugten vergütungen erhalten, refinanziert sich der Betrieb Strom ortsnah zu speichern und zu verbrauchen. einer PV-Anlage bei Installationen der letzten 5 Dies bedeutet für den Haushalt eine Glättung der Jahre überwiegend durch den Eigenverbrauch des Lastkurve bzw. einen besseren Ausgleich zwischen Solarstroms. Ein durchschnittliches Elektrofahrzeug Stromangebot und -nachfrage, welcher sich positiv verbraucht pro Jahr etwa 2.500 kWh, womit sich auf den gesamten Strommarkt sowie die Anfor- je nach Dimensionierung der eigenen Solaranlage derungen und Leistungsfähigkeit der Stromnetze der selbst verbrauchte Strom deutlich steigern lässt. auswirkt. Durch die Möglichkeit, sowohl eigenen 16 PV-Strom zu erzeugen und bedarfsorientiert zu ver- Eine aktuelle Untersuchung aller in Deutschland an- brauchen als auch Strom aus dem Netz beziehen gebotenen Ladetarife an öffentlichen Ladesäulen bzw. einspeisen zu können, stellen Prosumer eine zeigt, dass sich die Durchschnittskosten pro gela- zusätzliche Flexibilitätsoption für den Strommarkt dene Kilowattstunde zwischen 30 und 35 Eurocent dar. Dies ist ein wichtiger Aspekt hinsichtlich des bewegen. Aufgrund der hohen Investitionskosten weiteren Ausbaus der fluktuierenden Energieerzeu- in die Ladeinfrastruktur ist zukünftig mit deutlich gungsleistung der Erneuerbaren Energien, um Er- steigenden Ladekosten zu rechnen wie bereits der zeugungs- und Verbrauchsspitzen auszugleichen. Vorjahresvergleich der deutschlandweiten Lade- Vor allem in Spitzenlastzeitfenstern können Prosu- tarife eindrucksvoll belegt.11 Eine im Jahr 2020 mer auf Eigenstrom zurückgreifen und damit die neu installierte private PV-Anlage weist Strom- Gesamtstromnachfrage verringern oder ggf. das Gesamtangebot erhöhen. Mit diesem netz- und 10 Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (2017b) 11 EUPD Research (2020): Vergleichsanalyse mobiler 9 Next Kraftwerke GmbH (2018) Ladestromtarife 2020
gestehungskosten von unter 10 Eurocent je kWh ventionell gewonnenen Strom auszugeben. In der auf. Hierin offenbart sich ein wesentlicher Vorteil Gesamtbevölkerung liegt diese Bereitschaft hin- des heimischen Stromladens, da somit zwei Drittel gegen lediglich bei der Hälfte der Befragten vor. und mehr der Stromkosten des Elektrofahrzeuges Regional erzeugter und vor Ort verbrauchter Öko- eingespart werden können. Gegenüber einem Ver- strom verdeutlicht nochmals stärker den dezentra- brennungsmotor mit Benzin oder Diesel zeigt sich len Gedanken der Energiewende. Das Verständnis ein noch größerer Vorteil in den Betriebskosten. Ein dieser Struktur und auch damit verbundener hö- Elektrofahrzeug verbraucht etwa 17 kWh je 100 herer Kosten lässt sich darin ablesen, dass Elekt- km, was bei der „Betankung“ mit eigenem Solar- rofahrzeugbesitzer und -planer knapp doppelt so strom zu 10 Eurocent folglich 1,70 Euro Stromkos- häufig angeben, eine höhere Zahlungsbereitschaft ten je 100 km entspricht. Ein konventioneller PkW für regional erzeugten Ökostrom zu besitzen. Bei mit 8 Liter Verbrauch an Superbenzin je 100 km den vorstehend beschriebenen Kostenvorteilen für tankt dank günstiger Ölpreise aktuell im Juni 2020 selbst erzeugten Solarstrom gegenüber öffentli- zu etwa 1,15 Euro je Liter. Dies summiert sich auf chen Ladestationen oder gar konventionellen Ver- 9,20 Euro Benzinkosten je 100 km und beträgt so- brennungsmotoren verwundert es kaum, dass sich mit das 5,4-fache der Stromladung vom eigenen Planer und Besitzer von Elektrofahrzeugen deutlich Solardach. stärker mit Energiethemen wie Photovoltaik, Spei- cher und Wallbox auseinandersetzen. Dies lässt sich Die Tatsache, dass sich Elektromobilisten anders überdeutlich am Besitz bzw. an der Kaufabsicht mit Energie auseinandersetzen lassen Ergebnisse erkennen. Entsprechend ist aus folgender Tabelle verschiedener Endkundenbefragungen erkennen. abzulesen, dass die Besitzer eines Elektromobils in Der typische Besitzer oder Planer eines Elektrofahr- 38% der Fälle auch eine eigene PV-Anlage besitzen zeuges ist eher ökologisch interessiert, aber auch und jeder Zweite über eine private Lademöglichkeit bereit, den Umweltschutz aktiv zu unterstützen. durch eine Wallbox verfügt. Bei den zukünftigen So beziehen Elektrofahrzeugbesitzer und -planer Besitzern von Elektrofahrzeugen bestätigt sich dies bspw. überdurchschnittlich häufig Ökostrom. Glei- eindeutig, so dass die Anschaffung einer Solaran- chermaßen zeigt sich, dass Besitzer und Planer von lage sehr häufig bereits geplant ist. Noch stärker Elektrofahrzeugen zu etwa 2 Dritteln bereit sind, zeigt sich die Kaufbereitschaft für eine Wallbox, um mehr Geld für erneuerbare Energien als für kon- zuhause laden zu können. 17 © EuPD Research | 2020 Abbildung 5: Ökostrom
Abbildung 6: Tabelle PV E-Auto Im Kontext der Elektromobilität besitzen Stromspei- cher verschiedene Funktionen. An prominentester Stelle steht der Einsatz im Elektrofahrzeug als mobi- ler Energiespeicher. Im Haus wird der Stromspeicher eingesetzt, um den Tag-Nacht-Ausgleich zu ermög- lichen und damit die Ladung des Elektrofahrzeuges auch in den Abend- und Nachtstunden noch mit selbst erzeugtem Solarstrom zu ermöglichen. Somit kann die solare Deckung des Stromtankens insbe- sondere im Sommerhalbjahr auf 100 Prozent ge- steigert werden wie Analysen belegen.12 Im Fall der öffentlichen Ladeinfrastruktur der Elektromobilität nimmt die Bedeutung von Speichern als Alternative zum Netzausbau deutlich zu. Aufgrund stark anstei- 18 gender Ladeleistungen der DC-Ladesäulen werden zunehmend Speicher in direkter Verbindung zu den Ladepunkten eingesetzt, um die hohen Leistungen abdecken zu können. Der Trend zu stark steigender Ladeleistung steht gegenwärtig noch am Anfang der Entwicklung. Um die Ladezeiten zu verringern, wird hier eine weitere Zunahme erwartet. 12 EUPD Research (2019): Der deutsche Photovoltaik-Markt als Triebfeder für Elektromobilität
2.2 Wirtschaft Die Stromnachfrage im Industrie- und Gewerbebe- Ebenso wie im Industriesektor verändert sich der reich macht einen Großteil des inländischen Strom- Stromverbrauch im Gewerbesektor in Abhängig- verbrauchs aus. Basierend auf den Prognosen des keit von der Bruttowertschöpfung. Ferner wird hier Statistischen Bundesamts wird in dieser Studie da- ebenfalls die Energieeffizienzsteigerung von 0,5% von ausgegangen, dass die deutsche Wirtschaft bis pro Jahr durch den Anstieg der Bruttowertschöp- 2030 jährlich um 1,1% wächst. Weiterhin wird von fung überkompensiert. Entsprechend nimmt der einer Wirtschaftsleistung von rund 3.915 Milliarden Stromverbrauch im Gewerbesektor von 142 TWh Euro im Jahr 2030 ausgegangen. 13 in 2018 auf rund 158 TWh im Jahr 2030 zu. Für 2040 wird erwartet, dass sich der Stromverbrauch Zusätzlich besteht die Annahme einer leichten im Gewerbesektor analog zur steigenden Brutto- Strukturanpassung der Wirtschaft vom sekundären wertschöpfung auf 172 TWh erhöht. zum tertiären Sektor analog zur Energiereferenz- prognose der Prognos AG.14 So nimmt der Anteil Der Bereich Landwirtschaft besitzt einen vergleichs- des tertiären Sektors an der Bruttowertschöpfung weise geringen Anteil an der gesamten Stromnach- zu, während der Anteil des sekundären Sektors sich frage von rund zehn TWh im Jahr 2018.15 Es wird verringert. In absoluten Zahlen steigt die Brutto- angenommen, dass sich der Stromverbrauch in die- wertschöpfung in den beiden Bereichen aufgrund sem Sektor bis zum Jahr 2040 bei ca. neun TWh des Wirtschaftswachstums. stabilisiert. Der Industriesektor besitzt den höchsten Anteil Der Stromverbrauch im Schienenverkehr hat in der am Stromverbrauch in der Wirtschaft. Dieser lag Vergangenheit nur marginale Veränderungen zu im Jahr 2018 bei rund 237 TWh und steigt auf- verzeichnen und lag konstant bei zwölf TWh.16 Es grund der Zunahme der Bruttowertschöpfung so- wird angenommen, dass der Stromverbrauch in die- wie eines zunehmenden industriellen Einsatzes von sem Segment bis 2040 leicht auf elf TWh absinkt. Strom annahmegemäß auf rund 274 TWh im Jahr 2030 an. Zwar sinkt aufgrund der angenommenen Energieeffizienzsteigerung von 0,5% pro Jahr der Stromverbrauch je Milliarde Euro Umsatz, dies wird 2.3 Sektorenkopplung allerdings durch die Auswirkungen der steigenden Bruttowertschöpfung überkompensiert. Im Jahr Die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende be- 2040 wird für den Stromverbrauch im Industriesek- dingt neben dem Einsatz von erneuerbaren Energien 19 tor ein weiterer Anstieg auf 358 TWh erwartet. im Stromsektor ebenfalls grundlegende Anpassun- gen und Innovationen im Mobilitäts- und Wärme- sektor. Die Sektorenkopplung beschreibt in diesem Kontext die Verwendung von erneuerbar erzeug- tem Strom und Gas in sektorenübergreifenden An- wendungen, d.h. im Wärme- und Mobilitätssektor. © EuPD Research | 2020 13 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2019a)/ Statista (2019) 15 Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. (2016) 14 Prognos AG et. al. (2014) 16 Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. (2018)
2.3.1 Elektromobilität Ziel von 100.000 Ladepunkten erst in den darauf- Anfang 2020 liegt der Bestand an Elektrofahrzeu- folgenden Jahren erreichbar scheint. 20 gen bei knapp 240.000, wobei den größten An- teil dabei mit nahezu 137.000 Fahrzeugen die rein Trotz umfangreicher Bemühungen und Förderan- elektrisch betriebenen PKWs (BEV) einnehmen.15 gebote (z.B. Umweltbonus) wird das von der Bun- Der jährliche Stromverbrauch dieses Fahrzeugparks desregierung im Jahr 2010 festgesetzte Ziel, eine an Elektrofahrzeugen erreicht aktuell 1 TWh. Million E-Autos bis 2020 auf die deutschen Straßen zu bringen, laut der Nationalen Plattform für Elek- Aktuell ist der Bestand an öffentlichen Ladesäulen tromobilität (NPE) voraussichtlich erst im Jahr 2022 mit 13.000 bei der Bundesnetzagentur registrier- erreicht.21 ten Ladesäulen eher gering.17 Mit dem Bundespro- gramm Ladeinfrastruktur wird der flächendeckende Die NPE geht weiterhin davon aus, dass bis zum Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge Jahr 2030 rund 7 bis 10 Millionen PKWs mit einem in Deutschland gefördert. Dafür investiert die Bun- hybriden (PHEV) oder rein elektrischen Antrieb desregierung rund 300 Mio. Euro, um bis 2020 rund (BEV) zugelassen sein werden. 15.000 Ladesäulen in ganz Deutschland zu errich- ten. Förderanträge können von privaten Investoren, Angesichts des sich verzögernden Ausbaus der Städten und Gemeinden gestellt werden. Ebenso 18 Ladeinfrastruktur für Elektroautos wird in die- wurde im Koalitionsvertrag festgesetzt, die Elektro- ser Studie von dem minimalen Ziel von rund 7 mobilität mit 100.000 Ladepunkten bis zum Jahr Millionen PKW (BEV & PHEV) im Jahr 2030 aus- 2020 zu fördern. Laut BDEW gibt es in Deutsch- 19 gegangen. Unter Berücksichtigung der weiteren land aktuell rund 17.400 Ladepunkte, wodurch das E-Fahrzeuge wie Krafträder, leichte Nutzfahr- Quelle: EuPD Research 2019 Prognose der Bestandsentwicklung von Elektrofahrzeugen 25,0 Mio. 22,5 Mio. 1,2 Mio. 20,0 Mio. 9,2 Mio. 14,8 Mio. 15,0 Mio. 0,8 Mio. 20 5,9 Mio. 10,0 Mio. 7,9 Mio. 0,5 Mio. 3,1 Mio. 12,0 Mio. 5,0 Mio. 2,7 Mio. 7,9 Mio. 1,0 Mio. 4,2 Mio. 0,2 Mio. 0,4 Mio. 1,5 Mio. 0,0 Mio. 2018 2020e 2025e 2030e 2035e 2040e PKW (BEV) PKW (PHEV) leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 t (BEV & PHEV) Sonstige E-Fahrzeuge (BEV & PHEV) Abbildung 7: Prognose Elektrofahrzeuge 17 Bundesnetzagentur 2020 18 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2017) 20 Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2019) 19 Bundesregierung (2018) 21 Nationale Plattform Elektromobilität (2018)
zeuge bis 3,5 t sowie Busse, LKWs bis 12 t, 2.3.2 Wärme Zugmaschinen und sonstige KfZ erhöht sich der Be- Im Wärmebereich stehen heute unterschiedliche stand an E-Fahrzeugen bis 2030 auf ca. 8 Millionen Technologien am Markt zur Verfügung, die primär (vgl. Abb. 7). Unter Berücksichtigung der jeweiligen Strom zur Wärmeerzeugung verwenden. Dazu Stromverbräuche der verschiedenen E-Fahrzeuge zählen klassische Elektroheizungen wie Nacht- wird ein zusätzlicher Strombedarf von ca. 26 TWh speicherheizungen, aber auch innovative Power to im Jahr 2030 prognostiziert. Es wird die Annahme Heat-Lösungen wie bspw. Direktheizungssysteme getroffen, dass sich die Fahrleistung und der Ver- (Infrarotheizungen, Wandheizungen etc.). Wärme- brauch je Kilometer im Zeitverlauf nicht wesentlich pumpen stellen heute eine der wichtigsten Hei- ändern. In 2040 wird sich die Zahl der Elektrofahr- zungstechnologien, insbesondere im Wohnungs- zeuge auf rund 22,5 Millionen erhöhen, der Strom- neubau, dar. verbrauch wird mit rund 70 TWh erwartet. Aufgrund der technischen Rahmenbedingungen ergibt sich ein Fokus der Wärmepumpeninstalla- tionen im Neubau. Diese Restriktion wird zukünftig aufweichen, aber nicht grundsätzlich verschwin- den, wodurch sich eine Limitierung des jährlichen Zubaus an Wärmepumpen abzeichnet. Im Rahmen dieser Studie wird die Annahme getroffen, dass sich der Bestand an Wärmepumpen in privaten Haus- halten bis 2030 auf mehr als 1,8 Millionen Anlagen verdoppeln bzw. bis 2040 auf ca. 3,1 Millionen An- lagen erhöhen wird (vgl. Abb. 8). Quelle: EuPD Research 2019 Prognose der Bestandsentwicklung verschiedener Heizungssysteme 4,5 Mio. 4,03 Mio. 4,0 Mio. 0,71 Mio. 21 3,5 Mio. 3,28 Mio. 0,21 Mio. 3,0 Mio. 0,72 Mio. 2,64 Mio. 2,5 Mio. 0,13 Mio. 2,10 Mio. 0,72 Mio. 2,0 Mio. 1,66 Mio. 0,08 Mio. 1,51 Mio. 0,73 Mio. 1,5 Mio. 3,11 Mio. 0,05 Mio. 0,73 Mio. 2,43 Mio. 0,74 Mio. 1,0 Mio. 0,03 Mio. 1,83 Mio. 0,02 Mio. 1,32 Mio. © EuPD Research | 2020 0,5 Mio. 0,89 Mio. 0,75 Mio. 0,0 Mio. 2018 2020e 2025e 2030e 2035e 2040e Wärmepumpen (Haushalte) Wärmepumpen (Industrie, Nah-Fernwärme) Elektroheizungen (Nachtspeicher) Abbildung 8: Prognose Heizungssysteme
Der Bestand an klassischen Elektroheizungen wird 2.3.3 Power to X-Technologien sich langfristig (2040) auf ca. 700.000 Anlagen re- Mit Power to X wird die Umwandlung von Strom duzieren bzw. durch innovative Direktheizungssys- in die Energieträger Gas (Power to Gas), Wärme teme teilweise ersetzt werden. Es wird unterstellt, (Power to Heat) und Treibstoff (Power to Liquids) dass sich deren Anzahl von heute ca. 120.000 auf beschrieben. Insbesondere die flexible Sektoren- mehr als 160.000 Anlagen im Jahr 2030 erhöhen kopplung mit den erneuerbaren Technologien und sich auf ca. 380.000 Systeme im Jahr 2040 Photovoltaik und Windenergie bietet die Möglich- mehr als verdreifachen wird. Der damit verbunde- keit, erneuerbare Stromüberschussproduktion zur ne Stromverbrauch wird von heute ca. 2,9 TWh auf Wasserstoff-Elektrolyse zu verwenden und somit 6,4 TWh im Jahr 2030 und 10,8 TWh im Jahr 2040 Strom aus erneuerbaren Energiequellen saisonal zu ansteigen. Gegenüber heute (Vergleichsjahr 2019) speichern.24 ergibt sich daraus ein Mehrbedarf an Strom von ca. 3,5 TWh in Jahr 2030 und ca. 8 TWh im Jahr 2040.22 Power to Gas bezeichnet die Umwandlung von Strom in den Energieträger Gas, insbesondere Hinsichtlich des Einsatzes von Wärmepumpen in durch die Wasserelektrolyse bzw. Wasserstoff-Met- der gewerblichen und industriellen Prozesswär- hanisierung. Die Gase Wasserstoff und Methan me geht diese Studie von einem bereits heute be- finden bereits heutzutage vielseitige Verwendung stehenden Stromverbrauch von ca. 12,5 TWh aus. in den Bereichen Wärme und Industrie – allerdings Durch den erwarteten zunehmenden Einsatz von werden diese Gase aktuell nahezu vollständig aus (Groß-) Wärmepumpen unterstellt diese Studie für nicht-erneuerbaren Quellen erzeugt. Aktuelle Hin- das Jahr 2030 einen Stromverbrauch von 41,9 TWh dernisse eines vielfachen Einsatzes von Wasserstoff in diesem Segment, der bis zum Jahr 2040 auf so- und Methan sind hohe Elektrolysekosten und noch gar 107,9 TWh steigen wird. Der Strommehrbedarf vergleichsweise geringe Wirkungsgrade, die zu ho- gegenüber dem heutigen Stand liegt damit bei ca. hen Energieverlusten in der Umwandlung führen. 30 TWh im Jahr 2030 und schätzungsweise 100 TWh im Jahr 2040.23 Ein großes Potential dagegen bietet der kontinuier- liche Ausbau von Wind- und Photovoltaikanlagen Für den gesamten Wärmebereich wird der Strom- für den Aufbau entsprechender Elektrolysekapazi- verbrauch von heute ca. 20,3 TWh auf 53,5 TWh täten. Deren volatile Stromerzeugung kann ent- im Jahr 2030 und 124,8 TWh im Jahr 2040 anstei- sprechend bei Stromüberschüssen zur Wasserstoff- gen. Damit ist ein entsprechender Mehrbedarf von elektrolyse verwendet werden. Dieser Wasserstoff 22 33 TWh bis 2030 bzw. ca. 105 TWh in 2040 ver- steht zur späteren Verwendung in den Sektoren bunden. Verkehr, Wärme und Industrie zur Verfügung. Die- se Erzeugung von Wasserstoff aus regenerativem 22 Diese Hochrechnung je Technologie fußt auf folgenden Strom liefert einen wichtigen Beitrag zur Senkung mittleren Stromverbräuche pro Anlage und Jahr: Wärme- der CO2-Emissionen auch in den Sektoren Verkehr, pumpen: 3.500 kWh, klassische Elektroheizung: 6.000 kWh, neue Direktheizungssysteme: 4.800 kWh. Die Wärme und Industrie. berechneten Werte zum jeweiligen Anlagenbestand und des kumulierten Strommehrverbrauchs beziehen sich ausschließlich auf Primärheizungssysteme für Wohnungen In einem weiteren Schritt kann unter Zufuhr von bzw. Wohngebäude. Bei Wärmepumpen werden Ein- und Kohlenstoffdioxid Methan bzw. synthetisches Me- Zweifamilienhäuser berücksichtigt, bei Elektroheizungen und Direkthei-zungssystemen erfolgt die Berechnung exem- thangas hergestellt werden. Dieses „grüne“ Gas plarisch für eine 50 qm-Wohnung. kann in die Gasnetzinfrastruktur eingespeist und 23 Die Hochrechnung basiert auf den Annahmen, dass die industriell genutzten Wärmepumpen einen Betrieb von 1.700 Volllaststunden aufweisen, die mittlere Anlagenleis- tung bei 300 MW liegt und pro Jahr um 0,5% zunimmt. 24 Energieagentur.NRW (o.J.)
gemeinsam mit Erdgas zur Wärmeerzeugung ver- Die niedrigen Absatzzahlen von Wasserstofffahr- wendet werden. Damit ist ein deutliches Potential zeugen sind vor allem auf die hohen Kaufpreise zu- zur Senkung der CO2-Emissionen im Wärmebe- rückzuführen, daher wird bis 2025 von einem eher reich verbunden. Es wird erwartet, dass der Anstieg langsamen Wachstum ausgegangen. Aufgrund des Zubaus der erneuerbaren Energien zu einem technologischer Innovationen, sinkender Preise Wachstum der installierten Elektrolyseleistung und sowie des Ausbaus der Ladeinfrastruktur, wird ab somit zu einer Vergünstigung der Produktionskos- dem Jahr 2025 ein stärkeres Wachstum unterstellt. ten von Wasserstoff und Methan führen wird. 25 Im Studienrahmen wird von einem Bestand von 10.000 Wasserstoffautos zum Jahr 2030 ausge- Power to Liquid beschreibt den Prozess, aus Was- gangen. Dies ergibt, unter Berücksichtigung eines serstoff unter Zufuhr von CO2 ein Synthesegas durchschnittlichen Verbrauchs von 0,24 kWh/km herzustellen, welches zu flüssigem Kraftstoff (E- und einer jährlichen Fahrleistung von 14.000 km29 , Fuels) weiterverarbeitet werden kann. Diese Kraft- einen zusätzlichen Strombedarf von 33,6 GWh. stoffe bieten im Verkehrssektor vor allem im Flug-, Unter der Annahme technologischen Fortschritts Schiff- und Güterverkehr großes Potential, da hier und weiterhin sinkender Kosten auf dem Gebiet eine hohe Energiedichte benötigt wird und gerin- der Wasserstoffmobilität, wird für das Jahr 2040 ge Anpassungen an aktuelle Verbrennungsmoto- ein zusätzlicher Strombedarf von rund 6,7 TWh für ren und Betankungsinfrastrukturen nötig sind. In zwei Millionen Wasserstofffahrzeuge im Personen- diesen Aspekten verfügen die E-Fuels über einen verkehr antizipiert. Wettbewerbsvorteil gegenüber der Elektromobili- tät. Allerdings sind diese Kraftstoffe derzeit noch In der Luft- und Schifffahrt bietet Wasserstoff eben- verhältnismäßig teuer, da zur Produktion ein hoher falls die Möglichkeit als alternative Antriebsform für Energie- und Ressourcenaufwand nötig ist. 26 erheblich CO2-ärmere Mobilitätsoptionen verwen- det zu werden. Aktuell befindet sich die Nutzung von Power to Gas/Liquids in der Luft- und Schiff- 2.3.3.1 Power to Gas im Verkehr fahrt jedoch noch im Forschungsstadium und ist Im Vergleich der Wasserstoff- mit der Elektro- bisher noch nicht über die Entwicklung von Proto- mobilität im Bereich des Personenverkehrs ist die typen hinaus gekommen. Ein großes Potential bie- Elektromobilität in der aktuellen Diskussion zu tet zudem die Option, den mit erneuerbarem Strom klimafreundlichen Mobilitätsangeboten erheblich hergestellten Wasserstoff als Basis zur Herstellung präsenter als die Wasserstoffmobilität. Derzeit ist von Synthesegasen bzw. synthetischen Kraftstof- eine geringe Anzahl von 386 Wasserstofffahrzeu- fen, sogenannten E-Fuels, zu verwenden. Diese 23 gen beim Kraftfahrtbundesamt registriert. Ebenso benötigen kaum Anpassungen der bestehenden kommt die Ladeinfrastruktur für Wasserstofffahr- Verbrennungsmotorentechnologien oder Betan- zeuge eher langsam voran – hier spielen ebenfalls kungsinfrastruktur und haben eine hohe Energie- die hohen Kosten eine wesentliche Rolle. Ende dichte, sodass sie sich gut für lange Strecken und 2018 waren deutschlandweit rund 70 Wasserstoff- schwere Verkehrsmittel eignen. Aktuell sind die tankstellen in Betrieb, weitere 25 Tankstellen sind Umwandlungskosten von Wasserstoff zu E-Fuels in Realisierung . Bis 2023 ist der Bau von rund 400 27 relativ hoch. Es wird angenommen, dass diese dank Wasserstofftankstellen deutschlandweit geplant. 28 weiterer technologischer Forschung und des steti- © EuPD Research | 2020 gen Ausbaus von erneuerbaren Energien günstiger werden.30 25 Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellen- technologie/ Smolinka et.al. (2018) 26 Deutsche Energieagentur (o.J.) 27 H2 Mobility Deutschland GmbH (2019) 28 Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellen- 29 ADAC Stiftung (2018) technologie (2017) 30 dena (2017)
Daher wird davon ausgegangen, dass im Bereich Wasserstoffbedarf aus erneuerbaren Quellen auf Luft- und Schifffahrt im Jahr 2030 bereits ein zu- 15 TWh in 2030 und auf 26,6 TWh in 2040 be- sätzlicher Strombedarf zum Betrieb der erforderli- laufen. chen Elektrolysekapazitäten von 7,5 TWh in 2030 und in 2040 von 53 TWh entsteht. 2.3.3.2 Power to Gas in der industriellen 2.3.3.3 Power to Gas zur Wärmeerzeu- Nutzung gung In der Industrie wird Wasserstoff bereits vielfältig Im Heizungs- und Wärmemarkt im Sektor der pri- genutzt – beispielsweise bei der Herstellung von vaten Haushalte bestehen erhebliche Potentiale für Ammoniak und Methanol sowie bei der Stahl- den Einsatz von Wasserstoff und synthetischem Me- produktion. Zudem wird Wasserstoff auch in Raf- thangas („grünes Gas“) in Brennstoffzellenheizun- finerien benötigt. Aktuell wird dieser Wasserstoff gen oder als Zusatz zum Erdgas bei bestehenden hauptsächlich durch Dampfreformierung mithilfe Gasheizungen (insb. moderne Brennwertkessel). von Erdgas erzeugt. Hier bietet der aus Erneuer- Gegenwärtig ist der Bestand an Wasserstoff-basier- baren-Energien-Anlagen erzeugte und gespeicher- ten Heizungssystemen jedoch noch ein Nischen- te Wasserstoff ein enormes Potential, da er den markt. Hingegen wird bei der Einspeisung von konventionellen Wasserstoff aus nicht-erneuerba- synthetischem Methangas ins Gasnetz in einzelnen ren Quellen komplett ersetzen kann. Der gesamte Netzgebieten bereits ein Anteil von 20% Wasser- Wasserstoffbedarf in der Industrie lag in 2015 bei stoff bzw. Methangas erreicht.33 71 TWh31. Dabei entfiel der größte Bedarf mit 24,8 TWh auf die Raffinerien. Die restlichen 46,2 TWh Im Rahmen der vorliegenden Analyse wird die An- verteilen sich auf die Herstellung von Ammoniak nahme getroffen, dass die Einspeisung von Wasser- sowie Methanol und den sonstigen Anwendungen stoff bzw. synthetischem Methangas ins Gasnetz inklusive der Stahlherstellung. sukzessive zunimmt und im Jahr 2040 ein Anteil von 20% des zur Wärmeerzeugung verwendeten In dieser Studie wird analog zur Prognose der For- Gasverbrauchs erreicht wird. Des Weiteren wird schungsstelle für Energiewirtschaft davon ausge- eine Zunahme des gesamten jährlichen Erdgasver- gangen, dass der Wasserstoffbedarf in der indus- brauchs von 0,5% pro Jahr unterstellt, sodass der triellen Prozesswärme bis 2030 konstant bleibt, Bedarf an synthetischem Methangas, entsprechend 24 während der Bedarf in Raffinerien zurückgeht. des jährlichen prozentualen Anteils, auf 70,5 PJ im Dieser Rückgang wird auf einen zurückgehenden Jahr 2030 und 248,9 PJ im Jahr 2040 ansteigen Mineralölbedarf durch die zunehmende Bedeutung wird. Zudem wird im Elektrolyseprozess eine steti- des Stroms in den Sektoren Mobilität und Wärme ge Verringerung der Umwandlungsverluste unter- zurückgeführt. 32 Somit wird ein Wasserstoffbedarf stellt34, sodass der Mehrbedarf an erneuerbarem zur industriellen Nutzung von 60,1 TWh in 2030 Strom zur Erzeugung von Wasserstoff und „grü- und 53,1 TWh in 2040 angenommen. Es wird die nem Gas“ bei 31,4 TWh im Jahr 2030 und ca. 83,3 Annahme getroffen, dass im Jahr 2030 rund 25% TWh im Jahr 2040 liegen wird. des Wasserstoffbedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt wird – im Jahr 2040 wird die Erreichung von rund 50% unterstellt. Demnach würde sich der 31 Forschungsstelle für Energiewirtschaft (2017) 33 industr.com (2019) 32 Forschungsstelle für Energiewirtschaft (2017) 34 Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V.(2017)
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