Klinische Bedeutung der FFR - Ergebnisse einer prospektiven multizentrischen Registerstudie - Ergebnisse einer prospektiven ...
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Klinische Bedeutung der FFR - Ergebnisse einer prospektiven multizentrischen Registerstudie Medizinische Klinik 2 - Kardiologie und Angiologie Der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. med. vorgelegt von Jamal Benedikt Nazli
Als Dissertation genehmigt von der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Tag der mündlichen Prüfung: 01.06.2021 Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. med. Markus Neurath Gutachter: Prof. Dr. med. Stephan Achenbach PD Dr. med. Mohamed Marwan
Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 1 1.1. Hintergrund 1 1.2. Methoden 1 1.3. Ergebnisse 1 1.4. Praktische Schlussfolgerung 2 2. Summary 3 2.1. Background 3 2.2. Methods 3 2.3. Results 3 2.4. Conclusions 4 3. Einleitung 5 3.1. Fraktionelle Flussreserve (FFR) 5 3.2. Revaskularisationsentscheidung 6 3.3. Umsetzung der FFR-Messung im klinischen Alltag 9 3.4. Vorteile der FFR 9 3.5. Nachteile der FFR 10 4. Methodik 11 4.1. Patientenkollektiv 11 4.2. Statistische Auswertung 11 5. Ergebnisse 12 5.1. Patientencharakteristika 12 5.2. Einfluss prozeduraler Faktoren auf die Konsequenz der Druckdrahtmessung 16 5.3. Einfluss der Läsionslokalisation 18 5.4. Einfluss des Stenosegrades 20 5.5. Prädiktoren einer pathologischen FFR 23 5.6. Klinische Konsequenzen der Druckdrahtmessung 24 5.7. Komplikationen 25 6. Diskussion 26 6.1. Ergebnisse dieser Arbeit 26 6.2. Vergleich mit anderen Studien 26
6.3. Limitationen 29 6.4. Klinische Bedeutung 30 7. Literaturverzeichnis 32 8. Abkürzungsverzeichnis 39 9. Danksagung 41
1 1. Zusammenfassung 1.1 Hintergrund Bei der Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR) handelt es sich um eine invasive Methode, um den funktionellen Schweregrad einer Koronarstenose während einer Herz- katheteruntersuchung zu beurteilen [1]. Die Durchführung der FFR-Messung ist Teil der klinischen Routine. Große Studien untersuchten vor allem das klinische Outcome von Patienten nach FFR gesteuerter Revaskularisation. Das Ziel der hier vorliegenden Arbeit besteht darin, die klinische Bedeutung der FFR-Messung im klinischen Alltag zu unter- suchen. 1.2 Methoden Die Daten von 2000 konsekutiven Patienten, bei denen eine klinisch indizierte FFR-, in- stantaneous wave-free ratio- (iFR) oder Pd/Pa-Messung erfolgte, wurden in 8 interventi- onellen Zentren in Deutschland prospektiv und systematisch erhoben. Dokumentiert wur- den Indikation, Patientencharakteristika, prozedurale Parameter, visueller Stenosegrad, Messergebnisse, Komplikationen und Behandlungsentscheidungen. 1.3 Ergebnisse Die intrakoronare Druckmessung fand im klinischen Alltag insbesondere bei Stenosen von angiographisch intermediärem Schweregrad (Stenosegrad 50-90%) Anwendung. Auf die Durchführung einer Revaskularisation wurde auf Grundlage der FFR bei 78% der Läsionen verzichtet. Der FFR-Wert war signifikant häufiger pathologisch, wenn er bei Männern (p < 0,001), in Hauptästen im Vergleich zu Seitästen (p = 0,016), im Ramus interventricularis anterior (RIVA) im Vergleich mit anderen Koronargefäßen (p < 0,001) und in culprit lesions von Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) (p < 0,001) ge- messen wurde. Auch der Stenosegrad erwies sich als unabhängiger Prädiktor eines pa- thologischen FFR-Wertes (p < 0,001). Während die medianen FFR-Werte bei intrakoro- narer (i.c.) höher als bei intravenöser (i.v.) Adenosinverabreichung waren (0,88 vs. 0,84),
2 unterschieden sie sich nach Anpassung an den Stenosegrad nicht signifikant (p = 0,88). Eine Messung ohne Vasodilatator wurde in diesem Register selten (12,3%) durchgeführt. Die Komplikationsrate der FFR-Messung war mit 1,3% niedrig, aber nicht zu vernach- lässigen. 1.4 Praktische Schlussfolgerung In der klinischen Praxis wird die Mehrzahl der intrakoronaren Druckdrahtmessungen bei Stenosen von angiographisch intermediärem Schweregrad durchgeführt und auf eine Re- vaskularisation in 78% der Läsionen verzichtet. Unabhängige Prädiktoren eines patholo- gischen FFR-Wertes sind das männliche Geschlecht, der Stenosegrad, die Messung in einem Hauptast insbesondere im RIVA und in culprit lesions. Die Applikationsform des Adenosins zeigt keinen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse.
3 2. Summary 2.1 Background Fractional flow reserve (FFR) is an invasive method to evaluate the functional severity of a coronary artery stenosis [1]. Determination of the FFR measurement has become part of routine clinical practice. Contemporary clinical use, consequences as well as compli- cations in consecutive, large cohorts have not been thoroughly investigated. This paper analyzes the use of fractional flow reserve measurements in clinical practice in cardiac catheterization laboratories in Germany. 2.2 Methods Data of 2000 consecutive patients undergoing clinically indicated FFR, iFR or Pd/Pa measurements in 8 interventional centres in Germany were prospectively collected in a systematic fashion. Data included basic patient characteristics, procedural aspects of in- tracoronary pressure measurements, associated complications, visual stenosis degree, measurement results and treatment decisions. 2.3 Results Intracoronary pressure measurement was especially used for stenoses of angiographically intermediate severity (degree of stenosis: 50-90%) in everyday clinical practice. Based on FFR revascularization was avoided in 78% of the lesions. After adjustment for co- variates, the FFR value was significantly more often pathological when measured in men (p < 0.001), in main vessels as compared to side branches (p = 0.016), in the left anterior descending artery (LAD) as compared to other territories (p < 0.001), and in culprit le- sions of patients with ACS (p < 0.001). Stenosis degree was also an independent predictor of a pathological FFR value (p < 0.001). While the median FFR values were higher for i.c than i.v. adenosine administration (0.88 vs. 0.84), they did not differ significantly after adjustment for stenosis degree (p = 0.88). Vasodilatator free measurements were rarely
4 (12.3%) performed in this register. The complication rate of FFR measurements was low (1.3%), but not neglectable. 2.4 Conclusions In clinical practice, the majority of intracoronary pressure measurements are performed in stenoses of intermediate angiographic severity and revascularization is deferred in ap- proximately 78% of lesions. Independent predictors of a pathological FFR value are male gender, stenosis degree, measurement in a main vessel especially in the LAD, and meas- urement in an ACS culprit lesion. The route of adenosine administration has no signifi- cant effect on the results.
5 3. Einleitung 3.1 Fraktionelle Flussreserve Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen weltweit zu den häufigsten Todesursachen, weswe- gen Diagnostik und Therapie in diesem Bereich von enormer Bedeutung sind [2]. Die Koronarangiographie stellt nach wie vor den diagnostischen Standard dar, um bei Patien- ten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) die Notwendigkeit einer Revaskularisation zum Beispiel mittels einer perkutanen koronaren Intervention (PCI) oder operativer Myokar- drevaskularisation beurteilen zu können [3, 4]. Rezente Studien zeigten allerdings, dass es weiterer diagnostischer Informationen bedarf, um die ideale Therapie für Patienten zu ermitteln [5]. Von zunehmender klinischer Bedeutung ist hierbei die invasive Bestim- mung der fraktionellen Flussreserve. Die FFR dient dazu, die hämodynamische Relevanz von Stenosen objektiv zu evaluieren [6]. Man empfiehlt die Bestimmung der FFR für Stenosen > 50% und < 90% Diameterreduktion, sofern kein nichtinvasiver Ischämienach- weis vorliegt oder dieser nicht eindeutig ist [7, 8]. Die Messung der FFR erfolgt über einen Drucksensor, der mithilfe eines Drahts oder Mikrokatheters in die Koronargefäße eingeführt wird [8]. Man misst nun unter maximaler Hyperämie, das heißt bei maximaler Durchblutung, den Quotienten aus mittlerem Blutdruck distal der Stenose zum Mittel- druck in der Aorta. Nach aktuellen Leitlinien geht man bei Werten von ≤ 0,80 von einer hämodynamisch relevanten Stenose aus, die eine Revaskularisation indiziert [7]. In kli- nischen Studien zeigte sich, dass bei FFR Werten > 0,80 eine koronare Revaskularisation keinen Vorteil für den Patienten ergab [3, 9-11]. Wohingegen die Patienten bei einer FFR ≤ 0,80 von einer Revaskularisation im Vergleich zu einer alleinigen medikamentösen Therapie bezüglich des primären Endpunktes, definiert durch Tod, Myokardinfarkt oder dringende Revaskularisierung, profitierten [10]. Für eine FFR-Messung bedarf es einer maximalen Hyperämie, die in den meisten Fällen durch intravenöse oder intrakoronare Gabe von Adenosin herbeigeführt wird. Intrakoro- nar erfolgt eine Bolusgabe, wohingegen intravenös eine konstante Gabe notwendig ist [12]. Neben der klassischen FFR-Messung besteht auch die Möglichkeit, Druckdrahtmes- sungen ohne maximale Hyperämie durchzuführen. Einerseits kann die Ratio aus distalem
6 Koronarmitteldruck und mittlerem Aortendruck (Pd/Pa) bestimmt werden [13]. Dies er- folgt in der Regel über einen gesamten Herzzyklus. Andererseits kann mithilfe eines spe- ziellen Algorithmus die instantaneous wave-free ratio als Ratio von Pd/Pa in der mittleren bis späten Diastole ermittelt werden [8]. Die iFR gestützte Revaskularisierung zeigte sich in Studien im Vergleich zur FFR basierten als nicht unterlegen [14-17]. Letztlich korre- liert die iFR stark mit der FFR [18]. Eine weitere Möglichkeit der Druckmessung ohne maximale Hyperämie ist die resting full cycle ratio (RFR). Das Prinzip bei der RFR be- steht darin, dass innerhalb eines Herzzyklus die niedrigste Ratio von Pd/Pa ermittelt wird [19]. 3.2 Revaskularisationsentscheidung Der Vorteil einer primären PCI im Rahmen eines akuten Myokardinfarktes im Vergleich zu einer konservativen Therapie ist unbestritten und wird durch die europäischen Leitli- nien dementsprechend empfohlen [20, 21]. Das interventionelle Vorgehen senkt die Mor- talität als auch die Reinfarktrate [21]. Bei Patienten mit stabiler KHK bleibt der Nutzen einer PCI hingegen nach wie vor umstritten [22]. Die 2017 veröffentliche Orbita Studie demonstrierte, dass bei Patienten mit KHK durch eine PCI keine signifikante Verbesse- rung der Symptome im Vergleich zu einer Placebo-Gruppe erreicht wurde [23]. Andere Untersuchungen zeigten, dass das Ausmaß der kardialen Ischämie entscheidend ist. Falls keine oder nur eine geringe Ischämie vorliegt, ist die konservative Therapie überlegen, wohingegen sich die PCI mit zunehmender Ischämie als prognostisch günstiger erweist [24]. So besteht nach den europäischen Leitlinien bei Patienten mit stabiler KHK die prognostische Indikation einer Revaskularisierung bei einer Ischämielast > 10% [7]. Die rein angiographische Diagnostik der KHK weist Ungenauigkeiten in der Beurteilung von Koronarstenosen auf [4]. Diese werden sowohl unterschätzt als auch überschätzt, sodass es letztlich zu nicht idealen Therapieentscheidungen kommt. Ein großes französi- sches Register demonstrierte, dass die FFR-Messung verglichen mit einer rein angiogra- phischen Evaluation der Stenosen bei 43% aller Patienten die Therapieentscheidung mo- difizierte [5]. Aus dem Register folgerte man, dass eine sichere Revaskularisationsent-
7 scheidung abhängig von der FFR und entgegen der alleinigen angiographischen Beurtei- lung getroffen werden sollte. Entscheidend für diese Feststellung waren insbesondere drei weitere Studien: die DEFER-Studie, die FAME-Studie und die FAME-2-Studie. In der DEFER-Studie aus dem Jahr 2001 lag der Schwellenwert für eine Revaskularisie- rung bei 0,75, das heißt bei einem FFR-Wert von ≤ 0,75 wurde eine PCI durchgeführt [1]. Diese Patientengruppe wurde als "Reference"-Gruppe angeführt. Patienten mit einer FFR > 0,75 wurden randomisiert in zwei Gruppen aufgeteilt. In der einen Gruppe erfolgte eine konservative Therapie ("Defer"-Gruppe) und in der anderen Gruppe wurde eine PCI durchgeführt ("Perform"-Gruppe) [1]. Abbildung 1: Patienteneinteilung in der DEFER-Studie [1] Das ereignisfreie Überleben war in der Referenz-Gruppe trotz durchgeführter PCI signi- fikant niedriger als in den anderen beiden Gruppen mit hämodynamisch nicht relevanter Stenose (FFR > 0,75) und zwar unabhängig davon, ob hier eine PCI oder konservative Therapie erfolgte [25]. Das ereignisfreie Überleben nach 5 Jahren lag in der Defer- Gruppe bei 80% und in der Perform-Gruppe bei 73%, somit bestand kein signifikanter Unterschied (p = 0,52) [25]. Die Prognose bei einer funktionell nicht signifikanten Ste- nose war ausgezeichnet und mit medikamentöser Therapie lag die Mortalität oder Rate
8 an Myokardinfarkten in Bezug auf diese Stenose bei unter 1% pro Jahr und konnte durch eine PCI nicht gesenkt werden. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine konservative Be- handlung bei einer FFR > 0,75 und angiographisch intermediärer Stenose einer PCI nicht unterlegen ist [25]. Bei einer FFR > 0,75 ergaben sich für eine PCI weder symptomatisch noch prognostisch Vorteile. Darüber hinaus zeigte sich, dass Läsionen mit einer FFR < 0,75 mit dem größten Risiko eines akuten Myokardinfarktes und kardialen Todes assoziiert sind [25]. Allerdings schloss die DEFER-Studie überwiegend Patienten mit 1-Gefäß-Erkrankung ein. In der FAME-Studie aus dem Jahr 2009 wurden Patienten mit Zwei- oder Dreigefäßer- krankungen randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt [9]. In der einen Gruppe erfolgte eine FFR-gestützte Revaskularisation, wobei der Schwellenwert hier bei ≤ 0,80 lag. In der anderen Gruppe wurden die Stenosen angiographisch evaluiert und bei einer Lumen- reduktion ≥ 50% revaskularisiert. Die FFR-Messung konnte den primären Endpunkt (Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt und Revaskularisierung) signifikant reduzieren. So trat nach einem Jahr der primäre Endpunkt in 18,3% der Fälle in der Angiographie- und in 13,2% der FFR-Gruppe auf (p = 0,02) [9]. Nach 2 Jahren konnte in der FFR-Gruppe eine signifikante Reduktion der Mortalität und Myokardinfarkte festgestellt werden [3]. Auch über einen längeren Beobachtungszeitraum von 5 Jahren bestätigte sich die Sicher- heit der FFR-basierten PCI bei Patienten mit Mehrgefäßerkrankung [26]. In der im Jahr 2012 publizierten FAME-2-Studie wurde untersucht, ob bei hämodyna- misch relevanten Stenosen, detektiert durch eine FFR ≤ 0,80, eine PCI und zusätzliche medikamentöse Therapie (PCI-Gruppe) einer alleinigen medikamentösen Therapie (me- dikamentöse-Gruppe) überlegen ist [10]. Patienten mit einer FFR ≤ 0,80 wurden rando- misiert in diese zwei Gruppen eingeteilt. Falls die FFR > 0,80 war, wurden sie in ein Register aufgenommen und erhielten die bestmögliche medikamentöse Therapie. Es wur- den sowohl Patienten mit Ein- als auch Mehrgefäßerkrankung eingeschlossen. Da der primäre Endpunkt (Kombination aus Tod, Myokardinfarkt und dringende Revaskulari- sierung) in der medikamentösen Gruppe signifikant häufiger auftrat (4,3% vs. 12,7%; Hazard Ratio mit PCI: 0,32, p < 0,001), wurde die FAME-2-Studie vorzeitig abgebrochen [10]. Der Unterschied war vor allem durch eine geringere Rate an dringlicher Revasku- larisierung in der PCI-Gruppe bedingt (1,6% vs. 11,1%). Daraus lässt sich schlussfolgern, dass bei einer hämodynamisch relevanten Stenose (FFR ≤ 0,80) eine PCI mit zusätzlicher
9 medikamentöser Therapie einer alleinigen medikamentösen Therapie hinsichtlich des Endpunktes einer dringlichen Revaskularisation überlegen ist. 3.3 Umsetzung der FFR-Messung im klinischen Alltag Die Evidenz der FFR als Standard für die Evaluation des Ischämie-Potentials von Koro- narstenosen und damit auch des möglichen Vorteils einer Revaskularisierung ist unbe- stritten [27]. Nichtsdestotrotz wird die FFR-Messung unter Berücksichtigung deren Re- levanz in Deutschland relativ selten eingesetzt [4]. Aus Daten des Koronarangiographie- und PCI-Registers der Arbeitsgemeinschaft Leitender Kardiologischer Krankenhausärzte (ALKK) lässt sich ableiten, dass in den Jahren 2010 bis 2013 nur bei 3,2% der Korona- rangiographien eine Messung der FFR durchgeführt wurde [4]. Allerdings wurden Kran- kenhäuser ohne Möglichkeit zur FFR-Messung nicht in die Statistik miteinbezogen. Der Einsatz unterschied sich von Krankenhaus zu Krankhaus erheblich, so betrug die Rate in einem ALKK Krankenhaus gerade mal 0,1%, wohingegen sie in einem anderen bei 8,8% lag [4]. In einer 2012 durchgeführten Umfrage gaben Interventionalisten als primäre Gründe für den geringen Einsatz die fehlende Verfügbarkeit und Probleme mit der Vergütung an [28]. Jedoch lässt sich ein Aufwärtstrend feststellen, so nahmen FFR-Messungen in Deutschland, Belgien und auch Dänemark zu [29, 30]. Aktuell wird die FFR in Deutsch- land nach der Diagnosis Related Group (DRG) in vielen Fällen vergütet, wodurch diese Entwicklung positiv begünstigt wird [22]. 3.4 Vorteile der FFR Durch den Einsatz der FFR-Messung können die Kosten im Gesundheitssystem reduziert werden [14, 28]. Mittels FFR kann insbesondere im intermediären Stenosebereich zwi- schen hämodynamisch relevanten und nicht relevanten Stenosen differenziert werden, sodass konsekutiv weniger PCI durchgeführt und Stents implantiert werden [4]. Indem man die hämodynamische Relevanz einer Koronarstenose ermittelt, kann die Anzahl an Koronarinterventionen reduziert werden, da sich in diesen Fällen eine medikamentöse Therapie auch langfristig als nicht unterlegen gezeigt hat [31].
10 Allerdings ergeben sich nicht nur in finanzieller, sondern auch in klinischer Hinsicht sig- nifikante Vorteile. Die Landmark-Studien demonstrierten, dass eine FFR basierte Revas- kularisierung das Outcome von Patienten signifikant verbessert [1, 9, 10]. Auch in den Follow-Up Untersuchungen bestätigte sich der Benefit hinsichtlich der Endpunkte Mor- talität und Myokardinfarkt [3, 26]. In einer 2017 publizierten Studie erwies sich die FFR darüber hinaus bei Patienten mit akutem ST-Hebungsinfarkt (STEMI) und Mehrgefäßer- krankung im Rahmen einer primären PCI zur vollständigen Revaskularisation nicht-In- farkt-assoziierter-Koronargefäße als vorteilhaft [32]. Das kardiovaskuläre Outcome war im Vergleich zu einer alleinigen Behandlung der Infarktgefäße günstiger, wobei sich dies insbesondere durch eine geringere Anzahl an anschließenden Revaskularisierungen er- klären lässt [32]. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Stenosen objektiv evaluiert wer- den können. Im Gegensatz dazu werden Läsionen angiographisch letztlich ungenau ein- geschätzt und können durch den Untersucher sowohl über- als auch unterschätzt werden [4]. 3.5 Nachteile der FFR Der optimale Schwellenwert der FFR-Messung für eine Revaskularisierung wird durch- aus noch kontrovers diskutiert. Insbesondere im Bereich von Werten zwischen 0,75 bis 0,80, der sogenannten Grauzone, besteht aufgrund unterschiedlicher Studienergebnisse noch Uneinigkeit, ob eine Revaskularisierung oder medikamentöse Therapie erfolgen sollte. Eine rezente Studie zeigte, dass in diesem Graubereich eine Revaskularisierung nicht mit einem besseren klinischen Outcome assoziiert ist [33]. Zudem ist die Messung der FFR eine invasive Methode, in deren Rahmen es zu Kompli- kationen kommen kann. So können im Rahmen der FFR periprozedurale Beschwerden wie beispielsweise Angina Pectoris, Dyspnoe, ventrikuläre Arrythmien oder Bronchos- pasmen auftreten [16]. Durch den Einsatz eines Führungskatheters und eines intrakoro- naren Drahtes besteht ein geringes Risiko für Gefäßdissektionen sowie -perforationen [22]. Ferner ist die FFR mit einem erhöhten Arbeitsaufwand für die Interventionalisten und mit einem erhöhtem Materialverbrauch verbunden. Im Rahmen der FFR-Messung kommt es zu zusätzlichen Kosten beispielsweise bedingt durch die Verwendung eines Führungskatheters, eines speziellen Drahtes und den Einsatz von Adenosin [34].
11 4. Methodik 4.1 Patientenkollektiv Zwischen Oktober 2014 und Dezember 2018 wurden Daten von insgesamt 2000 konse- kutiven Patienten aus acht interventionellen deutschen Zentren, die eine klinische indi- zierte Herzkatheteruntersuchung mit funktioneller Messung der FFR, iFR oder Pd/Pa er- hielten, ausgewertet. Die prospektiv erhobenen Daten umfassten Patientencharakteris- tika, Koronarangiographiebefunde inklusive der visuellen Stenosegrade, die Art der funk- tionellen Fluss-Messung, Messergebnisse, abgeleitete Konsequenzen und Komplikatio- nen. 4.2 Statistische Auswertung Die Angabe der kategorialen Variablen erfolgte als absolute Werte und Prozentangaben, die der kontinuierlichen Variablen als Mittelwert ± SD oder, wenn keine Normalvertei- lung vorlag, als Median (Interquartilbereich). Zur statistischen Analyse der Patientencha- rakteristika und prozeduralen Daten wurden folgende statistische Testverfahren einge- setzt: Kruskall-Wallis-Test, Fisher's-Exact-Test, Mann-Whitney-U-Test und Chi-Quad- rat-Test. Zur Untersuchung möglicher unabhängiger Prädiktoren einer pathologischen FFR wurde außerdem eine binäre logistische Regressionsanalyse durchgeführt. Die ge- samte statistische Auswertung erfolgte mit der Statistical Package for the Social Sciences (SPSS) Software.
12 5. Ergebnisse 5.1 Patientencharakteristika Die Verteilung der Patienten auf die verschiedenen Zentren stellte sich wie folgt dar: 1052 (53%) der Patienten wurden im Universitätsklinikum Erlangen untersucht, 412 (20%) im Johanneshospital Dortmund, 286 (14%) im Universitätsklinikum Köln, 104 (5%) im Klinikum Traunstein, 59 (3%) im Klinikum Nürnberg Süd, 46 (2%) im Klinikum Wetz- lar, 32 (2%) im Herzzentrum Coswig und 9 (0,4%) im Klinikum Fürth. 1200 1000 Anzahl Patienten 800 600 400 200 0 n d rth en ll r ig g a un öl ha er sw zl ng Fü K tm en et nb Co la W ch ür or Er N D ei /R in te ns au Tr Interventionelle Zentren Abbildung 2: Anzahl der Patienten pro Zentrum Das mediane Patientenalter lag bei 69 Jahren (IQR: 60-76 Jahre), die Spannweite des Alters lag zwischen 21 und 92 Jahren. Der Anteil männlicher Patienten betrug 73%. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Alters zwischen Frauen und Männern. So waren die Frauen im Register signifikant älter (68 vs.73 Jahre, p < 0,001). Die Altersverteilung der Patienten wird im folgenden Diagramm abgebildet.
13 400 350 300 Anzahl Patienten 250 200 150 100 50 0 24 29 34 39 44 49 54 59 64 69 74 79 84 89 95 - - - - - - - - - - - - - - - 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 Alter in Jahren Abbildung 3: Altersverteilung der Patienten Insgesamt 322 (16%) der Patienten wurden im akutem Koronarsyndrom (ACS) unter- sucht und 1678 (84%) bei stabiler Symptomatik. Die folgende Tabelle gibt die entsprechenden Indikationen detaillierter wieder. Unter den Begriff “ACS” fallen ST- Hebungsinfarkt, Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI), instabile Angina Pectoris und sonstige ACS wie zum Beispiel "Ventrikuläre Tachykardie" oder "Ischämiezeichen im EKG". Zu "sonstig stabil" zählen zum Beispiel "Vitium" oder "Pulmonale Hypertonie".
14 Sympto- Indikatio- Anzahl Anzahl Alter Männlich Weiblich matik nen (Me- dian) ACS STEMI 9 322 67 Jahre 239 83 IQR 59- NSTEMI 94 76 iAP 197 Sonstig 12 ACS Stabil Stabile 1555 1678 69 Jahre 1218 460 KHK IQR 60- Sonstig 123 76 stabil Tabelle 1: Indikationen der Druckdrahtmessung Die Geschlechtsverteilung unterschied sich zwischen ACS und stabiler KHK nicht sig- nifikant (p = 0,584). Ebenso unterschied sich das Alter zwischen ACS und stabiler KHK nicht signifikant (p = 0,162). Eine frühere Revaskularisation war bei 994 (50%) Patienten erfolgt. Davon hatten 905 (95%) Patienten eine PCI (Z.n. PCI), 51 (3%) eine Aorto-koronare Bypass-Operation (Z.n. ACB) und 38 (2%) beide Revaskularisationsformen (Z.n. PCI und ACB) in der An- amnese. Bei Patienten mit Z.n. Revaskularisation fanden sich signifikant mehr Männer als bei Patienten ohne frühere Revaskularisation (76% Männer vs. 24% Frauen: p = 0,007). Es ergaben sich keine signifkanten Unterschiede bezüglich des Alters zwischen Patienten mit und ohne Revaskularisation (p = 0,878). Auch hinsichtlich der Prävalenz des akuten Koronarsyndroms zeigten sich keine signifkanten Differenzen (p = 0,181). Die Geschlechtsverteilung in den entsprechenden Zentren stellte sich wie folgt dar: Im Universitätsklinikum Erlangen wurden 790 (75%) Männer eingeschlossen, im Johan- neshospital 274 (66%) Männer, im Universitätsklinikum Köln 205 (72%) Männer, im Klinikum Traunstein 78 (75%) Männer, im Klinikum Nürnberg Süd 49 (83%) Männer,
15 im Klinikum Wetzlar 34 (74%) Männer, im Herzzentrum Coswig 20 (62%) Männer und im Klinikum Fürth 7 (78%) Männer. Geschlechtsspezifisch verteilten sich 2464 (73%) Messungen auf Männer und 913 (27%) der Messungen auf Frauen. Das Patientenkollektiv wies darüber hinaus Unterschiede auf, was die Verteilung der In- dikationen stabile KHK und akutes Koronarsyndrom in den verschiedenen Zentren an- geht. In den Zentren zeigte sich folgende Verteilung: im Universitätsklinikum Erlangen 902 (86%) Patienten mit stabiler KHK vs. akutes Koronarsyndrom in 150 (14%) der Fälle, im Johanneshospital Dortmund 379 (93%) vs. 30 (7%), im Universitätsklinikum Köln 188 (66%) vs. 98 (34%), im Klinikum Traunstein 91 (88%) vs. 13 (13%), im Klini- kum Nürnberg Süd 48 (81%) vs. 11 (19%), im Klinikum Wetzlar 29 (63%) vs. 17 (37%), im Herzzentrum Coswig 29 (91%) vs. 3 (9%) und im Klinikum Fürth 9 (100%) vs. 0 (0%). 40,00 36,96 34,27 % Akutes Koronarsyndrom 35,00 30,00 25,00 18,64 20,00 14,26 12,50 15,00 9,38 10,00 7,33 5,00 0,00 0,00 in ar n r th ig d en d öl un Sü te zl sw ng Fü K ns et tm g Co la W um er au um or Er nb m Tr lD m ik ik um tru ür u lin lin um ita ik N ik en ts k lin K sp ik um lin zz K itä ho lin sk er ik rs es K H ät lin ve nn sit K ni ha er U v Jo ni U Interventionelles Zentrum Abbildung 4: Prozentualer Anteil der Patienten mit Akutem Koronarsyndrom Weitere Unterschiede bestanden darin, ob bei den Patienten bereits eine vorherige Revas- kularisation in Form einer PCI oder eines Aorto-koronaren Bypass erfolgt war. So lag in Erlangen bei 549 (52%) eine Revaskularisation vor, im Johanneshospital Dortmund bei 193 (47%), im Universitätsklinikum Köln bei 136 (48%), im Klinikum Traunstein bei 33
16 (32%), im Klinikum Nürnberg Süd bei 39 (66%), im Klinikum Wetzlar bei 19 (41%), im Herzzentrum Coswig bei 18 (56%) und im Klinikum Fürth bei 7 (78%). 5.2 Einfluss prozeduraler Faktoren auf die Konsequenz der Druckdrahtmessung Insgesamt wurden 3377 intrakoronare Druckdrahtmessungen durchgeführt, wobei pro Patient zwischen 1 bis 6 Druckdrahtmessungen erfolgten. Dabei wurden 3237 (96%) Läsionen vor einer eventuellen PCI vermessen, 140 (4%) Läsionen während oder nach einer PCI Prozedur. Bei der Mehrzahl der Patienten (1082 Patienten, 54%) erfolgte al- lerdings nur eine Druckdrahtmessung. 1200 1000 800 Anzahl Patienten 600 400 200 0 1 2 3 4 5 6 Anzahl Druckdrahtmessungen Abbildung 5: Anzahl der Druckdrahtmessungen pro Patient Die Anzahl der Druckdrahtmessung pro Patient unterschied sich je nach durchführendem Zentrum. Im Universitätsklinikum Erlangen wurden durchschnittlich 1,5 Messungen pro Patient durchgeführt, im Universitätsklinikum Köln 1,2, im Klinikum Nürnberg Süd 3,1, im Klinikum Wetzlar 1,4, im Klinikum Traunstein 1,4, im Klinikum Fürth 3,0, im Johan- nes Hospital Dortmund 2,4 und im MediClin Herzzentrum Coswig 1,0. Es zeigte sich folglich eine sehr heterogene Verteilung (p < 0,001).
17 3,5 Anzahl Druckdrahtmessungen pro Patient 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 d r l ig n rth en g al a un öl er w zl ng nh Fü K tm s et nb Co la e W ch ür or Er N D ei /R in te ns au Tr Interventionelles Zentrum Abbildung 6: Anzahl Druckdrahtmessungen pro Patient in den Zentren Bei den intrakoronaren Druckdrahtmessungen kamen Drähte unterschiedlicher Hersteller zum Einsatz. So wurden bei 444 Patienten Drähte des Herstellers Philips/Vulcano einge- setzt (ein oder mehrere, insgesamt 455 Drähte). Drähte des Herstellers Abbott/St. Jude fanden bei 1541 Patienten Verwendung (ein oder mehrere, insgesamt 1558 Drähte). Bei 23 Patienten wurden Mikrokatheter des Herstellers ACIST eingesetzt (jeweils einer). Drähte unterschiedlicher Hersteller kamen bei 8 Patienten zum Einsatz. Pro Patient wur- den zwischen 1 und 3 Drähte eingesetzt, im Mittel waren es 1,02 Drähte pro Patient. Mehr als 1 Draht war bei 35 Patienten erforderlich. Bei 15 dieser Patienten war der Einsatz eines weiteren Drahtes notwendig, obwohl nur eine Läsion vermessen wurde. Ein mögli- cher Zusammenhang zwischen der Anzahl der notwendigen Druckdrähte und ob die Mes- sungen vor oder nach der Revaskularisation erfolgte, zeigte sich nicht signifikant (p = 0,44). Im Kontext der Druckdrahtmessung wurden unterschiedliche Medikamente appliziert. So wurde bei 98,7% (1974) aller Patienten Heparin intravenös appliziert. Bei 79,8% (1595) der Patienten wurden intraprozedural Nitrate intrakoronar verabreicht. Acetylsalicylsäure (i.v.) wurde hingegen nur bei 27% (523) aller Patienten verabreicht.
18 Die Anzahl an durchgeführten FFR-Messungen lag bei 2959 (87,6%). Adenosin wurde hierbei in 2557 (86,4%) der Fälle intrakoronar und in 393 (13,3%) der Fälle intravenös appliziert. Die adenosinfreien Alternativen wurden in insgesamt 419 (12,3%) Messungen angewandt, wobei 349 (10,3%) Messungen auf die iFR und 69 (2,0%) Messungen auf Pd/Pa entfallen. 5.3 Einfluss der Läsionslokalisation Von den insgesamt 3377 intrakoronaren Druckdrahtmessungen entfielen 1966 (58,2%) Messungen auf den Ramus interventricularis anterior (RIVA), 743 (22%) Messungen auf den Ramus circumflexus (LCX), 597 (17,7%) Messungen auf die rechte Koronararterie (RCA) und 71 (2,1%) Messungen auf den linken Hauptstamm (LM). Das Gefäß, in wel- chem die Druckdrahtmessung vorgenommen wurde, hatte einen signifkanten Einfluss da- rauf, ob auf die Messung eine Revaskularisation folgte oder nicht (p < 0,001). Bei einer Messung im RIVA schloss sich in 28,8% (567/1966) der Fälle eine Revaskularisation an, bei Messungen im LCX hingegen nur in 9,4% (70/743). 100 90 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 LM RIVA LCX RCA Revaskularisation Keine Revaskularisation Abbildung 7: Läsionsort und Konsequenz der Druckdrahtmessung
19 In den Hauptästen der jeweiligen Gefäße erfolgten 2953 (87,4%) Messungen, in den Seit- ästen 413 (12,2%) Messungen und 10 (0,3%) Messungen in aortokoronaren Bypässen. Dabei wurden in den Hauptästen 2583 (87%) der Messungen mithilfe der FFR und 370 (13%) adenosinfrei durchgeführt. In den Seitästen entfielen 366 (89%) Fälle auf die FFR und 47 (11%) auf die adenosinfreien Verfahren. Folglich unterschied sich die Häufigkeit von FFR- bzw adenosinfreien Messungen zwischen Hauptästen und Seitästen nicht sig- nifikant (p = 0,604). Ob die Messung in einem Hauptast oder Seitast erfolgte, beeinflusste aber die Konsequenz der Druckdrahtmessung. So war die Druckdrahtmessung in Seitäs- ten signifikant seltener von einer Revaskularisation gefolgt als Druckdrahtmessungen in Hauptästen (16% vs. 22,6%, p = 0,002). Messungen in Bypassgefäßen blieben aufgrund der geringen Anzahl unberücksichtigt, wobei sich hier immerhin in 40% der Fälle eine Revaskularisation anschloss. 100 90 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 Messung in Hauptast Messung in Seitast Revaskularisation Keine Revaskularisation Abbildung 8: Konsequenz der Druckdrahtmessung in Haupt- und Seitast
20 5.4 Einfluss des Stenosegrades Der Schweregrad der Läsionen wurde durch die Untersucher angiographisch evaluiert und konnte in 5%-Schritten in die Datenbank eingegeben werden. Allerdings fiel auf, dass die Unterscheidung in 5%-Schritten nicht realistisch war, weil viele Untersucher Läsionen offensichtlich in 10%-Schritten visuell beurteilen. Deswegen wurde der Steno- segrad in 10%-Intervallen kategorisiert. Der Median des Stenosegrades betrug 60%. Die Hälfte der visuell evaluierten Stenosegrade lag zwischen 50% bis 70% (IQR 50-70%). Die FFR wurde folglich insbesondere im als intermediär beurteilten Stenosebereich ein- gesetzt. Im niedriggradigen Stenosebereich wurde die FFR selten eingesetzt, sodass sich hier recht geringe Fallzahlen ergaben. Visueller Stenose- Anzahl absolut Anzahl % grad 0% 21 0,6 10% 9 0,2 20% 17 0,5 30% 41 1,2 40% 235 6,9 50% 944 27,9 60% 926 27,4 70% 714 21,1 80% 353 10,4 90% 117 3,4 100% 0 0 Tabelle 2: Stenosegrad der Läsionen
21 100 90 80 70 60 50 % 40 30 20 10 0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% Stenosegrad Revaskularisation Keine Revaskularisation Abbildung 9: Konsequenz der Druckdrahtmessung in Abhängigkeit des Stenosegrads Darüber hinaus wurde der Einfluss des Stenosegrades auf die Konsequenz der Druck- drahtmessung untersucht. Im niedriggradigen Stenosebereich schloss sich selten eine Re- vaskularisation an. Mit zunehmendem visuellen Stenosegrad bestand die Konsequenz der Druckdrahtmessung häufiger in einer Revaskularisation. Der Stenosegrad beeinflusste dementsprechend die Ergebnisse der FFR-Messung und damit verbunden das indizierte therapeutische Prozedere. In einem weiteren Schritt wurde der Zusammenhang zwischen visuell geschätztem Ste- nosegrad und Ergebnis der FFR-Messung betrachtet. Für diese Analyse wurden nur FFR- Messungen mit Adenosingabe berücksichtigt, alle adenosinfreien Messungen wurden eli- miniert. Es verblieben 2598 Läsionen. Der FFR-Median lag hier bei 0,87 und der IQR bei 0,82-0,92. Die folgende Grafik zeigt den Zusammenhang zwischen FFR und visuell ge- schätztem Stenosegrad, wobei dem Stenosegrad Zufallszahlen von -5 bis +6% hinzuge- fügt wurden, um Punküberlappungen zu vermeiden.
22 1 0,9 0,8 0,7 FFR-Werte 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 20 30 40 50 60 70 80 90 100 % Stenosegrade Abbildung 10: Zusammenhang zwischen FFR und Stenosegrad Die visuell geschätzten Stenosegrade variierten sehr deutlich im Zusammenhang mit den Ergebnissen der FFR-Messung. Somit waren die visuell geschätzten Stenosegrade letzt- lich als ungenau einzustufen hinsichtlich der hämodynamischen Evaluation von Steno- sen. So waren auf der einen Seite teilweise hochgradige Stenosen hämodynamisch nicht relevant. Auf der anderen Seite wiesen gelegentlich niedriggradige Stenosen ein hohes Ischämie-Potential auf. Der Zusammenhang zwischen Stenosegrad und Druckdrahtmessung bei iFR (n=349) wurde ebenfalls untersucht, wobei sich auch hier entstprechende Variationen zeigten wie in der Abbildung ersichtlich.
23 1,1 1 0,9 0,8 iFR-Werte 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 20 30 40 50 60 70 80 90 100 % Stenosegrade Abbildung 11: Zusammenhang zwischen iFR und Stenosegrad 5.5 Prädiktoren einer pathologischen FFR Weiterhin wurde untersucht, welche Parameter unabhängige Prädiktoren einer patholo- gischen FFR sind. Insbesondere ein möglicher Einfluss der Applikationsform des Ade- nosins auf die FFR-Ergebnisse wurde betrachtet, also inwieweit die intrakoronare oder intravenöse Gabe zu signifikant unterschiedlichen Ergebnissen führte. Für diese Analyse wurden nur Messungen mit i.c. oder i.v. Adenosin-Gabe vor einer eventuellen PCI in Nativgefäßen betrachtet. Die Ergebnisse der FFR-Messungen unterschieden sich hier sig- nifikant bei i.c. und i.v. Gabe (p < 0,001). Allerdings mussten aufgrund möglicher Ab- hängigkeiten weitere Parameter der Messungen wie das durchführende Zentrum, das Ge- schlecht, die verwendeten Drähte, der Stenosegrad, die Gefäße, die Gabe von Nitro, die Indikation und die Frage, ob es sich um eine culprit lesion handelt, mitbetrachtet werden. In der binären logistischen Regressionsanalyse zeigte sich, dass keine signifikanten Un- terschiede bei i.c. oder i.v. Gabe hinsichtlich einer pathologischen FFR bestanden (p = 0,88). Somit hatte die Applikationsform des Adenosins keinen signifikanten Einfluss auf
24 die FFR-Ergebnisse. Jedoch musste berücksichtigt werden, dass die verschiedenen Zen- tren eine der beiden Applikationsformen bevorzugt anwendeten, was die Ergebnisse ent- sprechend beeinflusste. Die Zentren stellten einen unabhängigen Prädiktor einer patholo- gischen FFR dar (p < 0,001). Dieser Zusammenhang konnte in der binären logistischen Regressionsanalyse bestätigt werden (p < 0,001). Da in den Zentren die Stenosegrade visuell letztlich untersucherabhängig unterschiedlich eingestuft wurden und abhängig da- von eine FFR-Messung erfolgte, erschien dies durchaus stringent. In der binären logisti- schen Regressionsanalyse zeigten sich außerdem das Geschlecht (p < 0,001), der verwen- dete Draht (p = 0,043), der Stenosegrad (p < 0,001), culprit lesions (p < 0,001) und das untersuchte Gefäß (p < 0,001) als unabhängige Prädiktoren einer pathologischen FFR. So waren die FFR-Werte auch nach Bereinigung der Kovariaten bei Männern, in culprit le- sions, im RIVA im Vergleich zu den anderen Koronargefäßen und in Hauptästen im Ver- gleich zu Seitästen signifikant häufiger pathologisch. 5.6 Klinische Konsequenzen der Druckdrahtmessung Von den 3377 Druckdrahtmessungen wurden 2879 bei Patienten mit stabiler KHK durch- geführt und 498 bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom. Lediglich 125 Mes- sungen wurden bei einer angenommenen culprit lesion vorgenommen. Bei einer stabilen KHK wurde in 2534 (88,1%) der Messungen die FFR eingesetzt, eine adenosinfreie Messung in 345 (11,9%) der Messungen. Falls ein ACS die Indikation war, wurde 425 (85,3%) mal eine FFR-Messung durchgeführt und 73 (14,7%) mal adenosin- freie Alternativen. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Häufigkeit von FFR-Messung und adenosinfreier Messung zwischen stabiler KHK und ACS (p = 0,09). In 738 (21,9%) der Fälle war die Konsequenz der Druckdrahtmessung eine Revaskulari- sation. Diese erfolgte überwiegend katheterinterventionell mittels PCI (20,7%) und sel- tener durch eine ACB-OP (1,2%). In 2639 (78,1%) der Fälle konnte eine Revaskularisa- tion vermieden werden.
25 5.7. Komplikationen Bei 26 (1,3%) aller Patienten traten im Rahmen der intrakoronaren Druckdrahtmessung Komplikationen auf, die nach Schweregrad in "Minor Complications" sowie "Severe Complications" weiter unterteilt wurden. Zu "Minor Complications" kam es bei 21/2000 (1,05%) Patienten. Diese umfassten in 18 Fällen einen prolongierten AV-Block III, 2 Fälle anhaltender Angina Pectoris > 15 Minuten und einen Fall von Kammerflimmern. Unter den "Severe Complications" wurden Dissektion oder Verschluss eines Gefäßes zu- sammengefasst. "Severe Complications" traten bei 5/2000 (0,25%) Patienten auf, wobei eine Patientin im Rahmen einer Dissektion des linken Hauptstammes verstarb. Insofern erwies sich die FFR insgesamt als sicheres interventionelles Verfahren, allerdings kam es, wenn auch sehr selten, zu schwerwiegenden Komplikationen.
26 6. Diskussion 6.1 Ergebnisse dieser Arbeit Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Daten von 2000 konsekutiven Patienten, bei denen eine klinisch indizierte FFR-, iFR- oder pd/pa-Messung durchgeführt wurde, in mehreren interventionellen Zentren Deutschlands prospektiv und systematisch erhoben. Das Ziel bestand darin, die klinische Bedeutung der FFR in einer großen, konsekutiven Patienten- kohorte zu untersuchen. Es zeigte sich, dass im klinischen Alltag die intrakoronare Druck- messung insbesondere bei Stenosen von angiographisch intermediärem Schweregrad (50- 90%) Anwendung findet. Auf die Durchführung einer Revaskularisation wurde auf Grundlage der FFR bei 78% der Läsionen verzichtet. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Applikationsform des Adenosins, also i.c. oder i.v., keinen Einfluss auf die Ergebnisse der FFR-Messung hat. Unabhängige Prädiktoren einer pathologischen FFR waren das durchführende Zentrum, das Geschlecht, der verwendete Draht, der Stenosegrad, culprit lesions und das untersuchte Gefäß. Eine Messung ohne Einsatz vasodilatierender Medi- kamente erfolgte in diesem Register selten. Zudem konnten wir mit Hilfe dieser Arbeit zeigen, dass auch im multizentrischen Einsatz an einer großen Patientenkohorte die in- trakoronare Druckmessung eine sichere Untersuchung mit einer geringen, aber nicht zu vernachlässigenden Komplikationsrate darstellt. 6.2 Vergleich mit anderen Studien In unserer Studie wurde auf Grundlage der FFR in 78% der Koronarläsionen auf eine Revaskularisation verzichtet. Dies ist in Einklang mit bereits veröffentlichten Arbeiten, die zeigen konnten, dass Druckdrahtmessungen die Anzahl der perkutanen Koronarinter- ventionen senken und damit auch Kosten reduzieren können [35]. Zudem demonstrieren die Ergebnisse der DEFER-, FAME- und FAME-2-Studie, dass der Verzicht auf eine PCI basierend auf Messungen der FFR auch über einen Beobach- tungszeitraum von einem bis zu fünf Jahren nicht nachteilig für die Patienten war [1, 3, 9, 10, 22, 26]. Das ereignisfreie Überleben nach 5 Jahren lag in der DEFER-Studie bei 80% in der Gruppe mit konservativem und bei 73% in der Gruppe mit interventionellem
27 Vorgehen bei einer FFR > 0,75 und unterschied sich somit nicht signifikant (p = 0,52) [3]. In der FAME-Studie konnte der primäre Endpunkt, welcher durch Tod, Myokardinfarkt und Revaskularisation definiert wurde, durch eine FFR-gestützte Revaskularisation sig- nifikant reduziert werden. So wurde der primäre Endpunkt in 18,3% der Fälle in der An- giographie- und in 13,2% der FFR-Gruppe in einem Jahr verzeichnet (p = 0,02) [9]. Die FAME-2-Studie verdeutlichte schließlich, dass Patienten bei einem FFR-Wert ≤ 0,80 von einem interventionellen Vorgehen im Vergleich zu einem rein konservativen Vorgehen profitieren. Bedingt durch eine signifikant höhere Inzidenz des primären Endpunktes (Tod, Myokardinfarkt und dringende Revaskularisierung) in der medikamentösen Gruppe im Vergleich zur PCI-Gruppe wurde die FAME-2-Studie vorzeitig beendet (12,7% vs. 4,3%; p < 0,001) [10]. Im großen französischen R3F-Register führte die Messung der FFR bei 43% der 1075 Patienten zu einer Änderung der Revaskularisationsentscheidung, die zuvor auf Grundlage der Angiographie getroffen wurde [5]. Damit übereinstimmend zeigen auch die Ergebnisse dieser Arbeit, dass der visuell geschätzte Stenosegrad und die FFR unzu- reichend miteinander korrelieren. Allerdings wurden im franzözischen Register nur Pati- enten mit angiographisch intermediären Stenosen im Bereich zwischen 35%-65% inklu- diert [5]. In einer prospektiven multizentrischen Studie aus Südkorea, dem IRIS-FFR Register, er- folgte aufgrund der intrakoronaren Druckmessung in 25% der Fälle eine Revaskularisa- tion [36]. Das IRIS-FFR Register wies zwar eine hohe Fallzahl auf, jedoch wurden auch hier gewisse Ausschlusskriterien wie beispielsweise Transplantatgefäße definiert [36]. In unserer Studie wurden keine Ausschlusskriterien definiert, sodass alle Patienten mit in- trakoronarer Druckmessung einbezogen wurden. FFR-Messungen wurden folglich in sämtlichen klinischen Konstellationen berücksichtigt. In diesem Kontext gilt es zu be- denken, dass ein Einfluss des entsprechenden Zentrums auf die Ergebnisse der FFR be- steht und somit auf die Therapieentscheidung. Sowohl in unserem Register als auch im französischen sowie südkoreanischen wurden die Daten multizentrisch erhoben, wodurch Unterschiede in der Revaskularisationsstrategie bedingt sein können. Die europäischen Leitlinien sehen den Einsatz der FFR vor allem im Bereich intermedi- ärer Stenosen vor, sofern kein nichtinvasiver Ischämienachweis vorliegt [7]. Im IRIS-
28 FFR Register wurden 77,7% der FFR Messungen in einem angiographisch evaluierten Stenosebereich zwischen 30-69% durchgeführt [36]. In diesem Intervall wurden 63,4% der intrakoronaren Druckdrahtmessungen der vorliegenden Studie durchgeführt. Der Me- dian des Stenosegrades betrug 60%. Die im Vergleich geringere Anzahl an Messungen in diesem Bereich könnte durch die subjektive Evaluation von Stenosen bedingt sein. Interventionalisten beurteilen Stenosegrade individuell unterschiedlich, weswegen sich eine Vergleichbarkeit als schwierig erweist. Jedoch lässt sich konstatieren, dass auf die FFR leitliniengerecht insbesondere im intermediären Bereich zurückgegriffen wird. Die Lokalisation der Läsionen im Koronarsystem beeinflusste signifkant, ob sich an die Messung eine Revaskularisation anschloss. Bei einer Messung im RIVA folgte in 28,8% der Fälle eine Revaskularisation, bei Messungen im LCX hingegen nur in 9,4%. Im ALKK-Register resultierten ebenfalls aus Messungen im RIVA erheblich mehr interven- tionelle Behandlungen als im LCX (62,4% vs. 18,5%) [4]. In Übereinstimmung mit die- sen Daten zeigt die vorliegende Arbeit, dass die Stenoselokalisation einen unabhängigen Prädiktor einer pathologischen FFR darstellt (p < 0.001). FFR-Messungen waren im RIVA sowie in Hauptästen der Koronargefäße signifikant häufiger pathologisch und kon- sekutiv von einer Revaskularisierung gefolgt. In Konklusion sollte insbesondere bei Lä- sionen im RIVA und in Hauptästen, die angiographisch als intermediär evaluiert werden, häufiger eine Druckdrahtmessung durchgeführt werden. Bereits in anderen Studien wurde untersucht, inwiefern die Applikationsart von Adenosin die FFR-Ergebnisse beeinflusst. Schlundt et al. konnten demonstrieren, dass die intrako- ronare der intravenösen Adenosin-Verabreichung nicht unterlegen ist, so zeigte sich kein signifikanter Unterschied der FFR-Werte (p = 0.62) [12]. In ihrer Studie wurde Adenosin bei jedem Patienten sowohl intrakoronar als auch intravenös verabreicht, wobei die Rei- henfolge der Applikationsarten randomisiert wurde. Die Autoren konnten die beiden Ver- abreichungsformen dadurch direkt vergleichen. Sie schlussfolgerten, dass die intrakoro- nare Gabe eine schnellere Messung erlaube und zu weniger Unannehmlichkeiten führe [12]. In einer 2019 publizierten Metaanalyse konnte bestätigt werden, dass die diagnosti- sche Präzision der beiden Applikationsformen vergleichbar ist [37]. In unserem Register konnten die Interventionalisten die Druckdrahtmessungen nach ihrer Präferenz sowohl mit als auch ohne Vasodilatatoren durchführen. Es konnte kein signifikanter Einfluss der
29 Applikationsform des Adenosins festgestellt werden unter Berücksichtigung der Ver- knüpfung mit anderen Parametern (p = 0,88). Adenosinfreie Möglichkeiten der Druck- drahtmessung wie die iFR zeigten bereits in mehreren Studien eine hohe Übereinstim- mung mit der FFR [16, 17]. Durch den Verzicht auf Adenosin können außerdem uner- wünschte Wirkungen vermieden und Kosten gespart werden [38]. Nichtsdestotrotz wur- den adenosinfreie Alternativen in unserem Register selten durchgeführt (12,3%), wobei man berücksichtigen muss, dass es sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung um eine relativ neue Methode handelte. Die FFR erwies sich in unserer Studie als sicheres interventionelles Verfahren, wobei es in nur 0,25% der Fälle zu schwerwiegenden Komplikationen kam. Im IRIS-Register ga- ben die Autoren an, dass es bei 0,1% der Messungen zu gravierenden Komplikationen gekommen sei [36]. Eine mögliche Erklärung für die höhere Komplikationsrate in unserer Studie besteht darin, dass keine Ausschlusskriterien definiert und somit auch klinisch kri- tische Patienten inkludiert wurden. Außerdem könnte die Rate an Komplikationen durch die unterschiedliche Expertise der Untersucher beeinflusst worden seien. Die Autoren des ALKK-Registers stellten prinzipiell keine Zunahme der periprozeduralen Komplikatio- nen im Vergleich zu einer ad hoc PCI fest [4]. Da es sich um eine katheterinterventionelle Methode handelt, können jedoch schwerwiegende Komplikationen wie Gefäßdissektio- nen auftreten. 6.3 Limitationen Die vorliegende Studie ist eine prospektive multizentrische Registerstudie, wobei sie ei- nige Limitationen aufweist. Die Koronarangiographien und FFR-Messungen wurden in mehreren Zentren durch eine Vielzahl an Untersuchern mit unterschiedlicher Expertise durchgeführt. Infolge des Aufbaus des Registers handelt es sich um keine randomisierte Studie. Im Bereich niedriggradiger Stenosen war die Anzahl an Druckdrahtmessungen sehr gering. So waren einzelne Messungen in diesem Bereich prozentual sehr ausschlag- gebend. Bedingt durch die Datenbankstruktur kann bei mehr als einer Druckdrahtmes- sung pro Patient nicht angegeben werden, bei wie vielen Patienten es Messungen vor bzw. nach Revaskularisation waren. Auch darin ist eine Limitation der Arbeit zu sehen.
30 Außerdem fehlt ein Follow-up, sodass unklar bleibt, in wie vielen Fällen bei einem FFR basierten konservativen Vorgehen im Verlauf noch eine interventionelle oder operative Revaskularisierung der entsprechenden Läsionen erfolgte. 6.4 Klinische Bedeutung Die Ergebnisse dieser Arbeit verdeutlichen, dass die klinische Anwendung der intrakoro- naren Druckdrahtmessung ihren Stellenwert vor allem bei als intermediär klassifizierten Stenosen (Stenosegrad 50-90%) hat. In diesem Bereich erfolgten in unserem Register die meisten Messungen und folglich wurde auch die Revaskularisationsentscheidung in die- sem Bereich auf Grundlage der gewonnenen FFR getroffen. An eine intrakoronare Druckdrahtmessung schloss sich in circa 20% der Fälle eine koronare Revaskularisation an, wobei angiographisch höhergradige Stenosen häufiger mit einer pathologischen FFR und einer Revaskularisation verbunden waren. Jedoch zeigte sich teilweise auch bei hö- hergradigen Stenosen durch die FFR-Messung, dass diese keine signifikante Ischämie aufweisen und somit ein konservatives Vorgehen indiziert ist. Andererseits waren nied- riggradige und mittelgradige Stenosen teilweise hämodynamisch relevant und sollten konsekutiv interventionell oder operativ versorgt werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit unterstreichen, dass eine rein angiographische Beurteilung von intermediären Stenosen alleine nicht ausreichend ist, um die hämodynamische Relevanz von Koronarstenosen zu beurteilen. Das wird auch dadurch deutlich, dass das durchführende Zentrum einen Prä- diktor für eine pathologische FFR darstellt. Dies ist am wahrscheinlichsten auf eine un- terschiedliche Beurteilung der visuellen Stenosegrade zurückzuführen und akzentuiert umsomehr den klinischen Nutzen der FFR-Messung gerade im intermediären Stenosebe- reich. Im Vergleich der einzelnen Gefäßgebiete waren angiographisch intermediär beurteilte Läsionen im RIVA signifikant häufiger mit pathologischen FFR-Werten verbunden und hämodynamisch relevant. Daraus kann man ableiten, dass insbesondere im RIVA auch bei angiographisch visuell nicht so hochgradig erscheinenden Stenosen eine Druckdraht- messung durchgeführt werden sollte.
31 Weiterhin zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit, dass die Applikationsart des Adenosins hierbei keinen Einfluss auf die Ergebnisse hat. Somit kann je nach Präferenz des Inter- ventionalisten eine i.c. oder i.v. Gabe erfolgen, ohne dass dadurch die Revaskularisati- onsentscheidung beeinflusst wird. Adenosinfreie Alternativen wie die iFR- oder Pd/Pa- Messung wurden in unserem Register selten durchgeführt, obwohl die Ergebnisse ver- gleichbar sind [18]. Die FFR-Messung ist eine komplikationsarme Untersuchung, allerdings traten in unse- rem Register in 0,25% der Fälle schwere Komplikationen auf. Eine intrakoronare Druck- drahtmessung sollte daher nur erfolgen, falls eine Revaskularisation in Form einer PCI oder eines Bypasses erwogen wird [8]. Aufgrund der niedrigen Komplikationsrate ist je- doch ein standardmäßiger Einsatz unter den genannten Bedingungen zu empfehlen.
32 7. Literaturverzeichnis 1. Bech GJ, De Bruyne B, Pijls NH, de Muinck ED, Hoorntje JC, Escaned J, Stella PR, Boersma E, Bartunek J, Koolen JJ, Wijns W. Fractional flow reserve to determine the appropriateness of angioplasty in moderate coronary stenosis: a randomized trial. Circulation. 2001;103(24):2928-34. doi: 10.1161/01.cir.103.24.2928. 2. Berry C, Corcoran D, Hennigan B, Watkins S, Layland J, Oldroyd KG. Fractional flow reserve-guided management in stable coronary disease and acute myocardial infarction: recent developments. Eur Heart J. 2015;36(45):3155-64. doi: 10.1093/eurheartj/ehv206. 3. Pijls NH, Fearon WF, Tonino PA, Siebert U, Ikeno F, Bornschein B, van't Veer M, Klauss V, Manoharan G, Engstrøm T, Oldroyd KG, Ver Lee PN, MacCarthy PA, De Bruyne B. Fractional flow reserve versus angiography for guiding percutaneous coronary intervention in patients with multivessel coronary artery disease: 2-year follow-up of the FAME (Fractional Flow Reserve Versus Angiography for Multivessel Evaluation) study. J Am Coll Cardiol. 2010;56(3):177-84. doi: 10.1016/j.jacc.2010.04.012. 4. Härle T, Zeymer U, Hochadel M, Zahn R, Kerber S, Zrenner B, Schächinger V, Lauer B, Runde T, Elsässer A. Real-world use of fractional flow reserve in Germany: results of the prospective ALKK coronary angiography and PCI registry. Clin Res Cardiol. 2017;106(2):140-50. doi: 10.1007/s00392-016-1034-5. 5. Van Belle E, Rioufol G, Pouillot C, Cuisset T, Bougrini K, Teiger E, Champagne S, Belle L, Barreau D, Hanssen M, Besnard C, Dauphin R, Dallongeville J, El Hahi Y, Sideris G, Bretelle C, Lhoest N, Barnay P, Leborgne L, Dupouy P. Outcome impact of coronary revascularization strategy reclassification with fractional flow reserve at time of diagnostic angiography: insights from a large French multicenter fractional flow reserve registry. Circulation. 2014;129(2):173-85. doi: 10.1161/circulationaha.113.006646. 6. Adiputra Y, Chen SL. Clinical Relevance of Coronary Fractional Flow Reserve: Art-of-state. Chin Med J (Engl). 2015;128(10):1399-406. doi: 10.4103/0366- 6999.156805.
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