Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?

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Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
Monika Auweter-Kurtz

    Können wir dem Schicksal
    der Dinosaurier entgehen?
    Ein Beitrag der Raumfahrttechnik zu unserem Überleben

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Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
Erst seit wenigen Jahren ist bekannt, welches Ereignis zum Aussterben der Dinosaurier
geführt hat. Aufnahmen aus dem Weltall haben zur Klärung dieser Frage wesentlich
beigetragen. Zunehmend wird man sich der Bedrohung durch andere Himmelskörper
                                                                                         hinterlassen haben sollte [1]. Der Geolo-
bewusst, nicht nur unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Auch die poli-
                                                                                         ge Antonio Camargo, der diese Veröffent-
tisch Verantwortlichen in den USA und Europa reagieren, und die Wirtschaft horcht auf.   lichung damals nicht kannte, berichtete
Die Überwachung unserer Umgebung, die Erforschung erdnaher Objekte und die Ent-          1981 auf einer Tagung von einem
                                                                                         großen Krater, den er bei der Suche nach
wicklung effizienter Abwehrstrategien sollten in naher Zukunft zu wichtigen Gemein-      Öl in Yukatan entdeckte [2]. Ein Journa-
schaftsaufgaben aller Menschen werden. Die Raumfahrttechnik wird hierfür eine            list verknüpfte die beiden Veröffentlichun-
                                                                                         gen und brachte den Stein ins Rollen. Sa-
Schlüsseltechnologie sein.
                                                                                         tellitenaufnahmen von Yukatan wurden
                                                                                         ausgewertet (Abb. 1) und der Durchmes-
                                                                                         ser des Chicxulub-Kraters, wie man ihn
                                                                                         nannte, bestimmt – heute ca. 180 Kilo-
                                            Auslöser des Artensterbens                   meter. Ablagerungen aus der fraglichen
                                            gefunden                                     Zeit wurden in weiter Umgebung sowie
                                                                                         an den Küstenlinien eingehend unter-
                                            Was ist damals, als die Dinosaurier aus-     sucht. Diese Untersuchungen ergaben,
                                            starben, eigentlich geschehen?               dass die Schichtdicke der Ablagerungen,
                                            Auf diese Frage gab es bis vor kurzem        die weltweit ca. zwei Zentimeter beträgt,
                                            verschiedene Theorien, aber keine über-      um den Krater herum besonders dick und
                                            zeugende Antwort. Klarheit über den          Schockglas, das sich bei Einschlägen auf-
                                            Auslöser des großen Artensterbens am         grund von Hitze und hohem Druck bildet,
                                            Ende der Kreidezeit konnte erst vor weni-    häufig ist. Eine Bohrung, die im Meer in
                                            gen Jahren geschaffen werden.                2 600 Metern Tiefe 90 Meter tief in den
                                               1980 veröffentlichte der amerikani-       Meeresboden vorangetrieben wurde,
                                            sche Nobelpreisträger Luis W. Alvarez zu-    brachte Spuren eines Asteroiden und
                                            sammen mit seinem Sohn Walter und            fossile Überreste vieler Tiere zutage.
                                            mit F. Asaro und Helen Michel in Science
                                            einen Artikel, in dem sie aus der Iridium-                              Monika Auweter-Kurtz      y

                                            anreicherung in einer Sedimentschicht,          Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen? y

                                            die dem Ende der Kreidezeit zugeschrie-
                                            ben wird, auf den Einschlag eines Astero-
                                            iden schlossen. Iridium, ein auf der Erde
                                            eher seltenes Element, kommt in einigen
                                            Asteroiden in relativ hohem Anteil vor.
                                            Sie schätzten ab, dass der Durchmesser
                                            des Asteroiden sechs bis 14 Kilometer
                                            betragen haben müsste und einen Krater
                                            mit 150 bis 300 Kilometern Durchmesser

                                                                                                                                             3
Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
WechselWirkungen     y
                                                            Seit den 90er Jahren ist man sich nun           von 9,5 bis 14,5 Kilometer hatte, setzt
                                   Jahrbuch 2003 y       sicher, den Auslöser für das Aussterben            man voraus, dass er kugelförmig war. Er
                                                         der Dinosaurier zu kennen (Abb. 2). Vor            hat vor Yucatans Küste einen Krater hin-
                                                         rund 65 Millionen Jahren schlug ein                terlassen, der damals ca. 250 bis 290 Ki-
                                                         Asteroid auf der Erde ein und schuf den            lometer durchmaß. Die für das katastro-
                                                         Chicxulub-Krater in Mexiko. Modellrech-            phale Ausmaß verantwortlichen Folgen
                                                         nungen, basierend auf dem heutigen                 waren Flutwellen, die heute noch an der
                                                         Kenntnisstand über iridiumhaltige Astero-          karibischen Küstenlinie nachweisbar sind
                                                         iden und ihre Bahnen, ergaben, dass die-           und vor allem Staubwolken, die monate-
                                                         ser Himmelskörper einen Durchmesser                lang die Erde umkreisten und Verdunke-
                                                                                                            lung und Kälte bewirkten. Pflanzen und
                                                                                                            Plankton starben. Die Folge war die Aus-
                                                                                                            rottung eines beachtlichen Anteils aller
                                                                                                            damals lebenden Arten. Man schätzt,
                                                                                                            dass ca. 70 Prozent aller Lebewesen um-
                                                                                                            kamen und in etwa ebenso viele Arten
                                                                                                            ausstarben.

                                                                                                            Andere große Einschläge, von
                                                                                                            denen wir heute wissen
                                                                                                            In der Frühzeit der Erde waren Einschläge
                                                                                                            sehr großer Himmelskörper häufig. Auf-
                                                                                                            grund der Atmosphäre unserer Erde, ihrer
                                                                                                            tektonischen Aktivitäten, der ausgedehn-
                                                                                                            ten Meere und der Vegetation sind nur
                                                                                                            noch relativ junge Ereignisse anhand ih-
                                                                                                            rer Krater feststellbar. Durch den Ein-
                                                                                                            schlag werden Erdbeben und/oder große
                                                                                                            Flutwellen, so genannte Tsunamis, aus-
                                                                                                            gelöst. Geologen können anhand von
                                                                                                            Gesteinsablagerungen solche Ereignisse
                                                                                                            datieren und sogar auf die Größe der
                                                                                                            Himmelskörper schließen, da das beim
                                                                                                            Einschlag eines Meteoriten verdampfen-
                                                                                                            de Material zu kleinen sphärischen Kügel-
                                                                                                            chen, so genannten Sphärulen, konden-
                                                                                                            siert, die sich zu Schichten ablagern. So
                                                                                                            datiert man heute beispielsweise einen
                                                                                                            großen Einschlag auf 3,47 Milliarden Jah-
                                                                                                            re (Abb. 3). Die dazugehörige Sphärulen-
                                                                                                            schicht hat eine Dicke von 20-30 Zenti-
Abb. 1: Lage des Chicxulub-Kraters in Yukatan, Mexiko.                                                      metern. Hieraus kann dem Himmelskör-

Abb. 2: Künstlerische Impression des Einschlages des Chicxulub- Meteors.      Abb. 3: Künstlerische Impression eines Asteroidenabsturzes auf die noch junge Erde.

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Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
Abb. 4: Die Stadt Nördlingen wurde in den Riesenkrater hineingebaut.        Abb. 5: Das Steinheimer Becken in unmittelbarer Nähe des Nördlinger Rieses.

per ein Durchmesser von ca. 20 Kilome-                 15,1 +/- 0,1 Millionen Jahren, im Tertiär,       Stadt Nördlingen gegründet (Abb. 4).
tern zugeordnet werden. Als er auf der Er-             durch einen Meteoriten von ca. 1,3 Kilo-         Trotz Erosion liegt das Ries immer noch
de einschlug, gab es hier an Lebensfor-                metern Durchmesser verursacht. Er ist            um 150 Meter tiefer als die Umgebung.
men wahrscheinlich nur Bakterien, die                  der besterhaltene Riesenkrater der Erde.            In unmittelbarer Nähe liegt das Stein-
aufgrund ihrer Robustheit als Art ein sol-             Der Einschlag erfolgte mit einer Spreng-         heimer Becken, das in derselben Zeit ent-
ches Ereignis überleben konnten. Einige                kraft von ca. 141 000 Megatonnen (Mt)            stand (Abb. 5). Das kreisrunde Becken
große, heute bekannte Ereignisse sind in               TNT – das entspricht ca. 2 350 Wasser-           von Steinheim ist heute 3,8 Kilometer im
Tabelle 1 zusammengestellt.                            stoffbomben der 60 Mt-Klasse – und               Durchmesser und 120 Meter in die um-
   Erst kürzlich fand eine Forschergruppe              löschte im Umkreis von 100 Kilometern            gebende Albhochfläche eingetieft. In der
aus Marokko und den USA heraus, dass                   alles Leben aus (Der Energieinhalt wird          Mitte ragt der Klosterberg auf. Der Me-
es bereits vor rund 380 Millionen Jahren               üblicherweise in Sprengkraft, Tonnen (t)         teorit hatte einen Durchmesser von ca.
auf Grund eines Asteroiden oder Kome-                  TNT, angegeben, eine Kilotonne (kt) TNT          162 Metern, sein Einschlag erfolgte mit
teneinschlags in der heutigen marokkani-               entspricht 4,185 · 1012 J; zum Vergleich:        einer Sprengkraft von 270 Mt TNT (4,5
schen Wüste zu einer globalen Katastro-                die Hiroshima-Bombe hatte eine Spreng-           H-Bomben). Man vermutet heute, dass
phe kam, bei der ca. 40 Prozent aller da-              kraft von 13 Kilotonnen). Gesteins-              beide Krater auf denselben Asteroiden
maligen Meerestierarten ausstarben.                    brocken flogen 400 Kilometer bis nach            zurückzuführen sind, der beim Eintritt in
                                                       Böhmen. Aufgrund der hohen Tempera-              die Erdatmosphäre eventuell aufgrund
Nördlinger Ries und Steinheimer                        turen (bis 30 000°) und hohen Drücken            der Schwerkraft zerbrach.
Becken                                                 (einigen Millionen bar) wurden Hoch-
                                                       druckminerale, so genannte Tektide, ge-
Erst in den 60er Jahren des letzten Jahr-              bildet, man spricht von Böhmischem
hunderts wurde erkannt, dass das auf der               Glas. In den Krater hätte damals das Mat-
schwäbischen Alb gelegene Nördlinger                   terhorn gepasst. Zunächst entstand ein
Ries ein Krater ist. Dieser heute 24 Kilo-             See, der jedoch mit der Zeit verlandete.
meter durchmessende Krater wurde vor                   Vor 1 100 Jahren wurde im Krater die

Tabelle 1: Beispiele bekannter großer Ereignisse

                                                                                                                                      WechselWirkungen    y

                                                                                                                                           Jahrbuch 2003 y

                                                                                                                                                          5
Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
WechselWirkungen       y

                                       Jahrbuch 2003 y

Barringer-Krater in Arizona

Unschwer auch heute noch als Einschlag-
krater zu erkennen ist der Barringer-Krater
in Arizona mit einem Durchmesser von
1,3 Kilometern und einer Tiefe von 174
Metern, der vor 50 000 Jahren im Cany-
on Diabolo durch den Einschlag eines 30
Meter durchmessenden Eisenmeteoriten
mit einer Sprengkraft von ca. zwei Mt                         Abb. 7: 19 Jahre nach dem Einschlag wurde das Gebiet um Tunguska erkundet und dieses Bild aufgenommen.
TNT entstand (Abb. 6).                                        Man erkennt deutlich die durch die Druckwelle verursachte Ausrichtung der Stämme.

Tunguska in Sibirien

Im Jahr 1908 trat ein Himmelskörper mit                       1 000 Jahre auftreten. Sollte uns in den
einem Durchmesser von ca. 60 -100 Me-                         nächsten Jahren ein solcher Himmelskör-
tern mit ca. 15 Kilometern pro Sekunde                        per treffen, wird es mit großer Sicherheit
über Tunguska in Sibirien in die Atmo-                        keine Vorwarnzeit geben, da es noch
sphäre der Erde ein und explodierte in                        mehrere Jahrzehnte dauern wird, bis man
fünf bis neun Kilometern Höhe (Abb. 7).                       alle gefährlichen Objekte dieser Größen-
Die Sprengkraft betrug ca. 10 -15 Mega-                       ordnung kennen wird. Ähnliche Ereignis-
tonnen (1000 Hiroshima-Bomben). Der                           se, jedoch wahrscheinlich etwas kleinerer
Donner war bis nach London zu hören,                          Dimension, wurden 1930 im brasiliani-
die Druckwelle wurde weltweit registriert                     schen Urwald und 1935 in Britisch Guya-
und lief mehrmals um die Erde. Es wur-                        na beobachtet.
den ca. 2 200 Quadratkilometer verwüs-
tet. Wäre der Himmelskörper nur wenige                        Asteroidenschauer
Minuten später in die Atmosphäre einge-
treten, wäre Europa betroffen gewesen.                        Zu Asteroidenschauern kam es 1947 in
Über einem dicht besiedelten Gebiet hät-                      Sikote-Alin in der Nähe von Wladiwostok
te dies den Tod von Millionen Menschen                        und 1868 in Polen. Asteroiden explodier-
bedeutet. Da man bislang keine Meteori-                       ten einige Kilometer über der Erde, und
ten gefunden hat, wird vermutet, dass es                      es ging ein Meteoritenschauer innerhalb
sich um einen Kometen gehandelt hat, al-                      einer Streuellipse nieder. Vereinzelt kam
lerdings kann auch nicht ausgeschlossen                       es hierbei zu Sachschäden (Abb. 8).
werden, dass es ein Steinasteroid war.                        Die genaue Untersuchung von Satelliten-             Abb. 8: Vor wenigen Jahren wurde in New York ein
                                                              aufnahmen förderte in den letzten Jahr-             Asteroideneinschlag beobachtet, der diesen Schaden
Man geht heute davon aus, dass Ereignis-                                                                          verursachte.
se dieser Größenordnung im Mittel alle                        zehnten fast 100 Krater mit Durchmes-
                                                              sern größer als einen Kilometer zutage.
                                                                                                                  zwischen den Bahnen von Jupiter und
                                                                                                                  Mars umkreisen. Vergleichsweise wenige
                                                              Die erdnahen Asteroiden und                         Planetoiden sind jenseits der Neptunbahn
                                                              Kometen                                             beziehungsweise in Erdnähe anzutreffen.
                                                                                                                  Man schätzt die Gesamtzahl der Planetoi-
                                                              Was sind das für Himmelskörper?                     den mit einem Durchmesser von mehr
                                                              Woher kommen sie?                                   als einem Kilometer auf ca. eine Million.
                                                              Was wissen wir über sie?                            Der Übergang zu den Meteoriden ist
                                                              Asteroiden                                          fließend, ihre Anzahl steigt mit kleiner
                                                                                                                  werdendem Durchmesser steil an (Abb. 9).
                                                              Asteroiden beziehungsweise Planetoiden              Die Kleinplaneten konnten sich aufgrund
Abb. 6: Ein junger Krater, der Barringer-Krater in Arizona.   sind Kleinplaneten, die die Sonne zumeist           der großen Anziehungskraft des Jupiters

6
Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
Abb. 10: Betrachtet man ein System aus zwei großen und einem kleinen dritten
                                                                                   Körper, so kann man zeigen, dass es fünf Punkte, die so genannten Lagrange- oder
                                                                                   Librationpunkte, gibt, an denen eine geschlossene Lösung der Bewegungsglei-
                                                                                   chungen existiert. In diesen Punkten bewegen sich die kleinen Körper derart, dass
                                                                                   ihre Entfernungsrelationen zu den großen Körpern konstant bleibt. Die Punkte L1,
                                                                                   L2, L3 liegen auf der Verbindungslinie der beiden Körper, L4 beziehungsweise L5
                                                                                   spannen gleichseitige Dreiecke mit ihnen auf. An den Punkten L1, L2, und L3 rei-
                                                                                   chen kleine Störungen zum Beispiel durch andere Planeten aus, um Asteroiden ent-
                                                                                   weichen zu lassen, an den Punkten L4 und L5 sind ihre Lagen jedoch stabil.

Abb. 9: Anzahl der Körper im interplanetaren Raum in Abhängigkeit ihrer Durch-
messer [3].

                                                        Abb. 11: „Möchtegern
in der Entstehungszeit des Sonnensys-                   Monde“ sind Asteroiden,
tems nicht zu einem Planeten zusammen-                  die sich mit der Erde in
finden. Immer wieder wurden im Laufe                    Resonanz befinden und
                                                        uns scheinbar wie der
der Zeit Planetoiden aus ihrer Bahn in Ju-              Mond umkreisen.
piternähe geworfen, einige davon in Rich-
tung Erde; sie werden als erdnahe Astero-
iden bezeichnet. Die meisten von ihnen
umkreisen die Sonne in derselben Bahne-                 Erdnahe Asteroiden in Resonanz mit                     artiger Körper müssen nicht elliptisch
bene und in derselben Richtung wie die                  der Erde                                               sein, sie sind in der Regel kompliziert. Sie
Planeten. Sie werden in drei Gruppen ein-                                                                      umkreisen scheinbar unsere Erde und be-
geteilt: Die Apollo-Asteroiden umkreisen                Einige Asteroiden umkreisen die Sonne                  wegen sich zusätzlich zum Sonnenum-
die Sonne auf stark exzentrischen Bah-                  wie die Erde mit einer Umlaufzeit von ei-              lauf auf so genannten Hufeisenbahnen
nen und kreuzen dabei die Erdbahn. Die                  nem Jahr. Man spricht dann von einer 1:1               (Abb. 11). Inzwischen sind bereits mehre-
Aten-Asteroiden befinden sich im We-                    Resonanz ihrer Hauptbewegung. Vom                      re solcher „Möchtegern-Monde“ bekannt.
sentlichen innerhalb der Erdbahn, kom-                  Jupiter ist bekannt, dass eine Gruppe von              Sie sind für uns nicht gefährlich, sondern
men ihr aber sehr nahe und können                       ca. 400 Asteroiden, die Trojaner, mit der-             ideale Studienobjekte, da der Antriebsbe-
durch Bahnstörungen die Erdbahn kreu-                   selben Geschwindigkeit auf derselben                   darf für eine Sonde zur Erkundung dieser
zen. Die Amor-Asteroiden kreuzen die                    Bahn die Sonne umkreisen. Sie halten                   Objekte relativ gering ist. Darüber hinaus
Marsbahn, können jedoch durch Bahn-                     sich an den so genannten stabilen Lag-                 wären sie auch als Rohstofflieferant für
störungen ebenfalls in Erdnähe gelangen.                range-Punkten auf (Abb. 10).                           die weitere Erkundung des Sonnensys-
Zu dieser Gruppe gehört auch der mit 40                    Seit einigen Jahren sucht man nach                  tems sehr interessant.
Kilometern Durchmesser größte erdnahe                   Lagrange-Punkt-Asteroiden der Erde, bis-
Asteroid Ganymed. Man schätzt die Zahl                  lang ohne Erfolg. 1997 entdeckte man
der erdnahen Asteroiden mit einem                       jedoch den ersten Kleinplaneten, Cruith-
Durchmesser größer als einen Kilometer                  ne, der dieselbe Umlauffrequenz um die                                                WechselWirkungen     y

heute auf über 1 300.                                   Sonne wie die Erde hat. Die Bahnen der-                                                   Jahrbuch 2003 y

                                                                                                                                                                  7
Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
WechselWirkungen   y
                                                  Als großer Schritt bei der Erforschung     nannte Oortsche Wolke, die die Grenze
                            Jahrbuch 2003 y    der erdnahen Asteroiden kann die Near-        unseres Planetensystems markiert. Ihr
                                               Shoemaker- Mission der NASA bezeich-          Abstand zur Sonne beträgt ca. 50 000
                                               net werden. Erstmals gelang ein Vorbei-       AE, sie reicht jedoch bis ca. 30 000 AE
                                               flug an einem C - Asteroiden, Mathilde.       an die Sonne heran und erstreckt sich bis
                                               Im Januar 2001 erreichte die Sonde dann       100 000 AE ins Weltall hinaus. (Den Ab-
                                               ihr Zielobjekt, den Asteroiden Eros. Be-      stand zwischen Erde und Sonne bezeich-
                                               reits beim ersten Überflug am 28. Januar      net man als Astronomische Einheit (AE),
                                               2001 gelangen hochaufgelöste Bilder           1 AE = 149,6 Millionen Kilometer). Ihre
Erste Erkundungen der Asteroiden               (Auflösung 0,3m/Pixel). Aus geologi-          Zahl wird auf mindestens einige hundert
                                               scher Sicht ist Eros äußerst interessant.     Milliarden geschätzt, ihr Durchmesser
Die Weltraumsonde Galileo bescherte            Seine Oberfläche ist noch weitgehend in       kann bis zu 100 Kilometer betragen. Ko-
uns 1991 im Vorbeiflug auf ihrem Weg           dem Zustand wie vor 4,5 Milliarden Jah-       meten bestehen zumeist aus Eis und
zum Jupiter die ersten Nahaufnahmen            ren, als das Planetensystem entstand. Die     Staub, einige auch aus CO2-Eis, man be-
von Asteroiden, Gaspra und Ida (Abb. 12).      Sonde umkreiste Eros etwa ein Jahr lang.      zeichnet sie daher oft als schmutzige Eis-
Asteroiden sind unregelmäßige Himmels-         Letztendlich gelang bei dieser Mission so-    klumpen. Sie konservieren die Überreste
körper, dies führt aufgrund ihrer Rotation     gar die erste Landung auf einem Astero-       des praesolaren Nebels. Beträgt ihre Um-
zu deutlichen Lichtschwankungen bei ih-        iden, und zwar in einem Krater. Eine Lan-     laufzeit mehr als 200 Jahre, das ist bei
rer Beobachtung und ermöglicht die Be-         dung auf einem relativ kleinen Himmels-       84 Prozent der Fall, werden sie als lang-
stimmung ihrer Rotationsfrequenzen und         körper stellt aus technologischer Sicht ei-   periodisch bezeichnet. Wenn ihre Bahnen
der Lage ihrer Rotationsachsen. Viele          ne große Herausforderung dar, da die An-      gestört werden, können sie ins Innere des
Asteroiden rotieren verglichen mit den         ziehungskraft so gering ist, dass die Auf-    Sonnensystems und in Erdnähe gelan-
meisten Planeten sehr schnell, sie drehen      schlaggeschwindigkeit sehr klein sein         gen. Erreichen diese „Wanderer zwischen
sich in drei bis 17 Stunden einmal um ihre     muss, um ein Zurückprallen zu vermei-         den Welten“ den Jupiter, ist die Sonnen-
Achse mit einer Häufung zwischen fünf          den. Kurz vor der Landung wurden Bilder       strahlung so hoch, dass das Eis sublimiert
und zehn Stunden. Bei einigen sind die         hoher Auflösung zur Erde gesendet. Die        und sich ein Schweif ausbildet. Nun kann
auftretenden Fliehkräfte schon so groß,        Sonde überlebte den kontrollierten Ab-        man sie von der Erde aus entdecken. Sie
dass sie nahe am Zerreißen sind. Durch         sturz mit einer Aufschlaggeschwindigkeit      befinden sich auf elliptischen Bahnen oh-
Strahlungsmessungen im visuellen und           von ca. 1,5 - 1,8 Metern pro Sekunde          ne Bevorzugung einer bestimmten Bahn-
infraroten Bereich lässt sich die Albedo,      und hat noch zehn Tage Daten zur Erde         ebene oder Umlaufrichtung. Diese Ellip-
also die Reflexivität der Oberfläche, be-      gesendet. Erstmals gelangen bei dieser        sen sind zumeist sehr lang gestreckt und
stimmen, die unter anderem hilft, ihre         Mission die Untersuchung der geologi-         reichen weit bis in die äußere Region des
Größe abzuschätzen. Heute weiß man,            schen Zusammensetzung, die Bestim-            Sonnensystems hinaus. Die Sonne befin-
dass etwa drei Viertel aller Planetoiden       mung der Masse, des Magnetfeldes, der         det sich in einem ihrer Brennpunkte (Abb.
ein flaches Spektrum mit schwacher             Schwerkraftverteilung und der Schwer-         13). Vom Jupiter aus sind Erdbahnkreu-
Struktur und eine geringe Albedo (0,03         punktlage in erstaunlicher Güte.              zer noch ca. drei bis vier Jahre zu uns un-
bis 0,08) aufweisen. Durch eine genaue                                                       terwegs.
Untersuchung der Spektren von Vorbei-          Kometen                                          Eine kleine Gruppe der Kometen wur-
flügen kann man Aufschlüsse über die                                                         de durch die Schwerefelder der großen
Zusammensetzung der Oberfläche ge-             Die Kometen entstanden weit draußen,          Planeten eingefangen, sie verlassen das
winnen. Aufgrund dieser Untersuchun-           am Rand des Planetensystems. Dort bil-        Innere des Sonnensystems nicht mehr.
gen und der Analyse von auf der Erde ge-       den sie die kugelschalenförmige so ge-        Ihre Umlaufzeiten liegen zwischen drei
fundenen Meteoriten wurden die Astero-
iden in drei Gruppen eingeteilt:
die aus dunklem kohlenstoffhaltigen
Material bestehenden C-Asteroiden,
die hellen steinigen silikathaltigen S-
Asteroiden,
die hauptsächlich aus Eisen und Nickel
bestehenden, also metallhaltigen,
M-Asteroiden.
   Darüber hinaus hat man auf einigen
Asteroiden auch andere zum Teil wertvol-       Abb. 12: Asteroid Ida mit
le Rohstoffe entdeckt, beispielsweise Eis      seinem Mond Dactylus,
auf dem mit 1 023 Kilometern Durch-            NASA, Galileo Mission
                                               1991.
messer größten Asteroiden Ceres, der zu
den C - Asteroiden gerechnet wird. Die
verschiedenen Asteroiden-Typen unter-
scheiden sich ganz wesentlich in ihrer
Dichte, die für C - haltige Objekte bei ca.
3 400 kg/m3 und für den M-Typ bei ca.
7 800 kg/m3 liegt.

8
Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
und 20 Jahren und die Neigung ihrer
Bahnen zur Ekliptik beträgt maximal 20°.
Für Kometen mit einem Durchmesser un-
ter 100 Meter ist die Wahrscheinlichkeit,
dass sie die Erde überhaupt erreichen,
gering, da sie meist der Sonne so nahe
kommen, dass sie in Sonnennähe voll-
ständig verdampfen. Die Sublimationsrate
kann bis zu einer Million Tonnen Wasser
am Tag erreichen, da der Kometenkern
aufgrund von Kohlenstoffverbindungen
viel Sonnenlicht absorbiert. Die Kometen-
masse nimmt also bei jedem Umlauf in
Sonnennähe ab und die Bahn ändert sich
dabei.

                                                       Abb. 14: Komet Borrelly
                                                       mit seiner topographischen
                                                       Karte, NASA Deep Space 1,
                                                       September 2001.

Abb. 13: Typische lang gezogene elliptische Bahn ei-
nes die Erdbahn kreuzenden Kometen.

Erkundungen von Kometen
                                                          Abb. 15: Die Rückseiten-
                                                          ansicht unseres Mondes
Über Jahrtausende hat der Halleysche
                                                          (Apollo 16, April 1972).
Komet, der alle 76 Jahre wiederkehrt, die
Menschen gleichermaßen fasziniert und
verängstigt. Heute weiß man, dass sein                 dungen, bedeckt ist, die den Kern aus Eis   Einschätzung der Gefahr
kohlenstoffhaltiger annähernd tonnenför-               schützt und zu einer sehr geringen Albe-
miger Kern einen Durchmesser von acht                  do führt. Reißt solch eine Kruste in Son-   Unsere Erde bewegt sich wie eine kosmi-
und eine Länge von 16 Kilometern hat,                  nennähe durch den Druck des Wasser-         sche Zielscheibe um die Sonne. Vegetati-
dass er uns jedoch bis auf weiteres nicht              dampfes auf, kommt es zu so genannten       on, Wettergeschehen, Tektonik und nicht
gefährlich wird. Als er im März 1986 das               Jets, die einerseits den Kometenkopf und    zuletzt unsere Atmosphäre wirken wie
letzte Mal die Ekliptik kreuzte, hatte man             -schweif speisen, andererseits nach dem     Radiergummis und verwischen die Spu-
ihm mehrere Raumsonden entgegen ge-                    Rückstoßprinzip eine Bahnänderung be-       ren von Zusammenstößen. Um die Zahl
schickt. Die Sonde Giotto der ESA kam                  dingen. Da diese Vorgänge exakt nicht       der erdnahen Objekte, die uns gefährlich
ihm am nächsten. Sie flog in weniger als               vorhersehbar sind, sind Bahnvorhersagen     werden können, abzuschätzen, können
600 Kilometern am Kern vorbei. Die che-                für Kometen nur für kurze Zeiträume aus-    wir jedoch unseren Trabanten betrachten
mische Zusammensetzung des Gases im                    reichend genau.                             (Abb. 15).
Kometenkopf, der so genannten Koma,                       Mit der Deep Space 1-Mission der
und die Oberfläche des Kerns wurden un-                NASA gelangen 2001 Nahaufnahmen
tersucht. Man weiß nun, dass Halley von                des Kometen Borelly, die erstmals die Er-
einer sehr dunklen Kruste aus Mineralien,              stellung einer topographischen Karte er-                           WechselWirkungen   y

Metallen, aber auch organischen Verbin-                lauben (Abb. 14).                                                      Jahrbuch 2003 y

                                                                                                                                             9
Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
WechselWirkungen   y
                                               Höhen, Steinasteroiden derselben Größe      berechnen, dem ein Eisenasteroid mit ei-
                            Jahrbuch 2003 y    wesentlich weiter unten, sie zerbrechen     ner Dichte von neun Kilogramm pro Liter
                                               auch oft. Eisen-Nickel-Asteroiden dage-     und einer Geschwindigkeit von zehn Kilo-
                                               gen können schon mit geringem Durch-        metern pro Sekunde zugrunde liegt. Zur
                                               messer die Erde erreichen. Alle diese Ob-   Erweiterung der Skala in den Bereich klei-
                                               jekte zusammen erhöhen die Masse un-        ner Objekte hinein wurden Aufnahmen
                                               seres Planeten um durchschnittlich 40       von militärischen geostationären Satelli-
                                               Tonnen am Tag. Jährlich gibt es in der      ten, die ursprünglich für die Überwa-
                                               Atmosphäre der Erde 20 - 30 Explosio-       chung und Untersuchung nuklearer Ereig-
                                               nen der Kilotonnen-Klasse. Bereits die      nisse stationiert wurden, ausgewertet.
                                               Druckwellen können große Zerstörungen       Mit ihnen werden seit Jahren zwischen
                                               hervorrufen wie beispielsweise in Tun-      60 und 80 Prozent der Erde beobachtet.
                                               guska. Kommt es zur Explosion über          In der Zeit von Februar 1994 bis Sep-
Was passiert eigentlich beim Eintritt in       Wasser, so werden großer Wellen, so ge-     tember 2002 wurden für 300 in die Erd-
die Erdatmosphäre?                             nannte Tsunamis, ausgelöst. Größere Ob-     atmosphäre eintretender Körper die aus-
                                               jekte – vorzugsweise bei hoher Dichte –     gesandte Lichtintensität in Abhängigkeit
Die Antwort auf diese Frage hängt von          verdampfen nicht vollständig, sie kom-      der Zeit aufgenommen. Zur Berechnung
der Größe und der Zusammensetzung              men als Meteorite am Boden an. Man          der Durchmesser der Objekte müssten ei-
des Eintrittskörpers, aber auch ganz we-       schätzt ihre Zahl auf etwa 10 000 bis       gentlich die spektrale Intensitätsvertei-
sentlich von seiner Geschwindigkeit und        50 000 im Jahr. Der größte bisher ent-      lung, die Eintrittsgeschwindigkeit und so-
seinem Eintrittswinkel ab. Die typische        deckte Meteorit, Hoba West, wurde in        mit die kinetische Energie zu Beginn des
Geschwindigkeit, mit der Asteroiden in         Südafrika gefunden, er wiegt ca. 60 Ton-    Eintritts sowie Masse, Zusammensetzung
die Atmosphäre der Erde eintreten, liegt       nen. Zusätzlich kommt für sehr große        und Oberflächenbeschaffenheit der Ob-
zwischen 15 und 25 Kilometern pro Se-          Objekte hinzu, dass es bei Annäherung       jekte bekannt sein. Alle diese Größen
kunde (km/s). Bei Kometen kann die Ein-        an die Erde aufgrund der Schwerkraft zu     können jedoch nur abgeschätzt werden.
trittsgeschwindigkeit bis zu 73 km/s be-       großen inneren Kräften kommt. Große         Daher kann man der Lichterscheinung
tragen. Die Bewegungsenergie der Him-          Körper (s) zerbrechen oder explodieren,     letztendlich nur einen effektiven Durch-
melskörper ist proportional zu ihrer Mas-      wenn sie dem Zentralkörper (z) näher als    messer zuordnen. Für die beobachteten
se und steigt quadratisch mit ihrer Ge-        die Roche-Grenze (R) kommen, die we-        Körper ergaben sich effektive Durchmes-
schwindigkeit an. Sie muss spätestens          sentlich vom Dichte (r)-Verhältnis der      ser zwischen einem und zehn Meter.
beim Aufschlag auf der Erde vollständig        Körper abhängt: R=2,44 (rs/rz)1/3. Für         Mit dem amerikanischen Asteroiden-
abgebaut werden. Zunächst wird der Kör-        steinige Objekte ist dies bei ihrem Sturz   suchprogramm LINEAR (Lincoln Near-
per in der Atmosphäre abgebremst, da-          auf die Erde bei einem Durchmesser          Earth Asteroid Research) wurde der
durch kommt es zu einer starken Erhit-         größer als ca. einen Kilometer der Fall.    Größenbereich 10 bis 100 Meter unter-
zung der Luft in Oberflächennähe und zu        Man vermutet daher, dass das Steinhei-      sucht. Den Abbildungen 16 und 17 ist zu
großen Wärmeflüssen und Kräften auf            mer Becken und das Nördlinger Ries auf      entnehmen, dass ein hundert Meter
das Objekt. Dies kann zum Auseinander-         einen einzigen Asteroiden zurückzufüh-      Asteroid die Sprengkraft einer Wasser-
brechen, zur Ablation und/oder zur Ex-         ren sind, der aufgrund der Schwerkraft
plosion führen. Der Rest der kinetischen                                                   stoffbombe hat, dass es ca. eine Million
                                               bei Annäherung an die Erde in zwei Teile
Energie wird dann beim Einschlag auf die                                                   Objekte dieser Größe gibt und wir alle
                                               zerbrach.
Erde freigesetzt und führt zu Erdbeben,                                                    10 000 Jahre mit einem Einschlag die-
                                                  Die meisten erdnahen Asteroiden sind
Tsunamis und Kraterbildung sowie zum                                                       ses Ausmaßes rechnen müssen. Die
                                               für uns ungefährlich, wobei manche für      Wahrscheinlichkeit eines Asteroidenein-
Aufschmelzen und Verdampfen von
                                               uns sogar zur Erkundung und Eroberung       schlages ist etwa 50 Mal höher als die
Asteroiden- und Bodenmaterial.
    Wesentlich bestimmt jedoch auch der        des Weltalls kostbare Bodenschätze lie-     für einen Kometeneinschlag desselben
Durchmesser der Objekte (d) das Gesche-        fern könnten. Einige wenige erdnahe         Durchmessers.
hen mit, da die Schwerkraft mit d3, der        Objekte können uns jedoch gefährlich
Luftwiderstand nur mit d2 ansteigt. Daher      werden.                                     Welche Auswirkungen hat ein Einschlag?
kommen Mikrometeorite, die kleiner als
100 Mikrometer sind, nicht einmal zum          Wie viele gefährliche Objekte gibt es?      Bereits relativ kleine in der Atmosphäre
Glühen, sondern schweben langsam und                                                       explodierende Objekte können zu direk-
unversehrt zu Boden. Ein Regen von sol-        Untersuchungen der Mondoberfläche           ten Zerstörungen durch die Druckwellen,
chen kleinen Objekten, meist Bruch-            von der Erde aus zusammen mit Analy-        aber auch zu Feuersbrünsten führen. Bei
stücke von Asteroiden oder seltener von        sen der von den Apollo-Astronauten ge-      größeren Objekten werden Erdbeben
Kometen, gehen täglich auf die Erde nie-       sammelten Proben erlauben heute eine        oder Tsunamis ausgelöst. So kann ein Ei-
der. Größere Objekte verglühen, explodie-      Abschätzung der Trefferhäufigkeit für die   senasteroid von 80 Metern Durchmesser,
ren oder zerbrechen in der Atmosphäre.         Erde. Aus einer Analyse der Krater kann     der mit 30 km/s in die Atmosphäre ein-
Abhängig von ihrer Masse, ihrer Zusam-         die kinetische Energie der Objekte und      tritt, ein Erdbeben der Stärke 7 auf der
mensetzung und Dichte, ihrer Eintrittsge-      unter Annahme einer Dichte und Ge-          Richterskala oder eine Wellenfront von
schwindigkeit und ihres Eintrittswinkels       schwindigkeit auch ihr Durchmesser ab-      40 Metern Höhe an der Küste erzeugen.
geschieht dies in unterschiedlicher Höhe.      geschätzt werden. Es hat sich eingebür-     Es kommt zu Kraterbildung, Aufschmel-
Kometen explodieren meist in hohen             gert, einen äquivalenten Durchmesser zu     zung und Verdampfung. Staubwolken

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Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
umkreisen dann die Erde und reduzierte
                                                                                                             Sonneneinstrahlung und Kälte sind die
                                                                                                             Folgen. Bei 300 Metern Durchmesser
                                                                                                             können ganze Länder ausradiert werden.
                                                                                                             Wenn der Körper ins Meer fällt, können
                                                                                                             die Flutwellen noch Schlimmeres anrich-
                                                                                                             ten. Man geht heute davon aus, dass bei
                                                                                                             einem Durchmesser von 0,5 Kilometern
                                                                                                             bereits eine globale Katastrophe aus-
                                                                             Abb. 16: Zahl der Kollisionen   gelöst wird. Bei einem Kilometer Durch-
                                                                             pro Jahr in Abhängigkeit des
                                                                             äquivalenten Objektdurch-
                                                                                                             messer muss mit der Auslöschung der
                                                                             messers beziehungsweise         Menschheit gerechnet werden.
                                                                             seiner zugehörigen kineti-
                                                                             schen Energie [4].
                                                                                                             Wie groß ist die Gefahr eigentlich?

                                                                                                             Die Zahl der nahen Objekte mit einem
                                                                                                             Durchmesser von mindestens 0,5 Kilo-
                                                                                                             metern wird auf mehrere Tausend ge-
                                                                                                             schätzt. Von der Größenordnung ein Kilo-
                                                                                                             meter sind heute 600 Objekte in Erd-
                                                                                                             nähe bekannt. In Tabelle 2 sind jeweils
                                                                                                             die zehn Asteroiden und Kometen aufge-
                                                                                                             führt, die uns zuletzt nahe kamen. Bei
                                                                                                             den Asteroiden muss man hierfür nicht
                                                                                                             weit in die Vergangenheit zurückblicken.
                                                                                                             Im Internet ist eine zwölfseitige Liste aller
                                                                                                             hinreichend gut bekannten Objekte veröf-
                                                                                                             fentlicht, die uns bis zum Jahr 2178
                                                                                                             näher als 0,05 AE kommen: es sind
                                                                                                             ca. 350! Zum Vergleich: die Entfernung
                                                                                                             Erde-Mond beträgt 0,0026 AE.
                                                                                                                Die Wahrscheinlichkeit, dass nächstes
                                                                                                             Jahr ein großer Asteroid mit einem
                                                                                                             Durchmesser von mindestens einem
                                                                                                             Kilometer einschlägt, muss heute mit
                                                                                                             1:100 000 angegeben werden. Geht
                                                                                                             man von einer Lebenserwartung von
                                                                                                             100 Jahren aus, so ist die Wahrschein-
                                                                                                             lichkeit, einen Einschlag der 1km-Klasse
                                                                                                             zu erleben, drei mal größer als 6 Richtige
                                                                                                             im Lotto, wenn man 100 Jahre lang je-
                                                                                                             des Wochenende spielt. Vor diesem Hin-
                                                                                                             tergrund muss alles daran gesetzt wer-
                                                                                                             den, Strategien zu entwickeln, um globa-
                                                                                                             le Katastrophen abwenden zu können.

Abb. 17: Zuordnung von kinetischer Energie und Objektdurchmesser für Steinasteroiden (ρ=9 kg/m3) und Ko-
                                                                                                                                       WechselWirkungen   y
meten (ρ=1 kg/m3) für zwei Geschwindigkeitsbeispiele mit Abschätzungen ihrer Anzahl und Einschlagwahr-
scheinlichkeit [5].                                                                                                                        Jahrbuch 2003 y

                                                                                                                                                       11
WechselWirkungen   y

                    Jahrbuch 2003 y

     Tabelle 2

12
Tabelle 3

Tabelle 4: Entdeckungen erdnaher Objekte in den letzten Jahren
                                                                                                Aussterben der Dinosaurier ein Bewusst-
                                                                                                sein für die Bedrohung aus dem Weltall
                                                                                                geschaffen.
                                                                                                   Die Kollision des Kometen Shoemaker-
                                                                                                Levy 9 mit Jupiter 1994 machte dann
                                                                                                die Gefahr einer größeren Öffentlichkeit
                                                                                                deutlich. Immer häufiger werden nun
                                                                                                Vorbeiflüge von Himmelskörpern gemel-
                                                                                                det, die uns zum Teil näher kamen als un-
                                                                                                ser Mond (Tabelle 4). Einige der durch-
                                                                                                aus großen Objekte wurden erst ent-
                                                                                                deckt, als sie sich schon wieder von der
                                                                                                Erde entfernten. Dies hatte nun in jüngs-
                                                                                                ter Vergangenheit auch in Europa „politi-
                                                                                                sche“ Folgen: 1996 kam es zu einer Re-
                                                                                                solution des Europarates mit der Auffor-
                                                                                                derung, sich der Abwehr von Asteroiden
                                                                                                und Kometen anzunehmen. Im selben
Initiativen zur Erfassung und                         Asteroid, 1932HA, wurde erst 1932 von
Untersuchung gefährlicher                             dem Heidelberger Astronomen Dr. Karl
Objekte                                               Reinmuth entdeckt, der dann 1937 auch
                                                      den Asteroiden Hermes entdeckte, der
Sind alle gefährlichen Objekte bekannt?               sich der Erde bis auf 770 000 Kilometer
Wer kümmert sich um die Überwachung                   näherte (etwa die doppelte Mondentfer-
unserer Nachbarschaft?                                nung). Das erste Asteroiden-Suchpro-
Wer sorgt für unsere Sicherheit?                      gramm wurde 1973 in USA gestartet.
Bis heute ist nur ein kleiner Teil der Him-           Wie man der Tabelle 3 über die Suchpro-
melskörper bekannt, die uns gefährlich                gramme entnehmen kann, wurde erst                                WechselWirkungen   y

werden können. Der erste erdnahe                      mit der Aufklärung der Ursache für das                               Jahrbuch 2003 y

                                                                                                                                      13
WechselWirkungen   y
                                                    Ferner ist auch eine Überwachung der                 Konzept zur Früherkennung
                              Jahrbuch 2003 y    Bahnen gefährlicher Objekte nötig, da                   gefährlicher Objekte
                                                 diese sich aufgrund der relativ geringen
                                                 Masse der Objekte leicht ändern können.                 In den USA wurde in den letzten Jahren
                                                 Eine Bahnänderung kann durch die Be-                    eine Studie mit Namen CASP (Comet
                                                 gegnung mit anderen Himmelskörpern                      /Asteroid Protection System) durchge-
                                                 sowie durch Sublimation oder Jet-Bil-                   führt mit dem Ziel, aufzuzeigen, wie ein
                                                 dung in Sonnennähe hervorgerufen wer-                   System zur Früherkennung und Abwehr
                                                 den und ist selten im Voraus berechen-                  gefährlicher Objekte aussehen könnte
Jahr wurde zur Koordinierung der Erfas-          bar. Eine systematische Bahnüberwa-                     [8]. Diese Studie hat klar gezeigt, dass ei-
sung und Untersuchung erdnaher Astero-           chung aller bekannten Objekte wird je-                  ne Beobachtungsstation im Weltall unbe-
iden auf private Initiative hin eine interna-    doch derzeit nicht durchgeführt. Amateu-                dingt erforderlich ist. Wichtigstes Ziel
tionale Gesellschaft gegründet, die „ Spa-       re haben diese Aufgabe teilweise über-                  muss die frühzeitige Erkennung erdnaher
ce Guard Foundation“, sie wird nun von           nommen.                                                 Asteroiden und Kometen mit kleinen Um-
den Vereinten Nationen unterstützt, die             Für die Erfassung kleiner Objekte und                laufzeiten sein. Frühzeitig heißt, dass sie
1999 in der Wiener Deklaration auf die           die Früherkennung von Kometen ist eine                  bereits einige Umläufe vor dem Erreichen
Gefahr aus dem All hinwiesen. 2001 rea-          Überwachungsstation im Weltraum – auf                   der Erde entdeckt werden müssen. Die
gierte die „European Science Foundati-           dem Mond oder an einem der Lagrange-                    Erkennung der Objekte muss die genaue
on“ mit einem Positionspapier. 2002 riet         Punkte des Systems Erde-Sonne – erfor-                  Bestimmung ihrer Bahn und ihre physika-
die Münchner Rück, eine der weltweit             derlich, da die Atmosphäre der Erde die                 lische Charakterisierung beinhalten, um
größten Assekuranzen, ihren Versiche-            Lichtausbeute deutlich reduziert (Abb.                  die Objekte mindestens klassifizieren zu
rungsunternehmen, sich auf einen                 18). Einige Wellenlängen-Bereiche wer-                  können. Bei kleinen Objekten sollte die
Asteroideneinschlag einzustellen.                den sogar ganz ausgeblendet. Dies ist vor               Vorwarnzeit wenigstens für eine Evaku-
   In den USA überlegt man derzeit beim          allem für die Ermittlung der Zusammen-                  ierung des voraussichtlichen Einschlagge-
militärischen Weltraumüberwachungs-              setzung der Objekte von Bedeutung.                      bietes ausreichen. Ferne Kometen sollten
kommando „US Space Command“, eine                Durch eine Station im Weltraum würde                    bereits weit von der Erde entfernt erkannt
zentrale Stelle zu schaffen, bei der alle        daher die Bestimmung der Zusammen-                      werden, jedoch leuchten sie erst in Son-
Daten über Asteroiden und Kometen ge-            setzung des Objekts deutlich erleichtert                nennähe. Eine exakte Bestimmung ihrer
sammelt werden sollen, die der Erde ge-          und selbst schwach leuchtende Objekte                   Bahn ist erst sehr spät möglich, da die
fährlich werden können. Die Initiative hat       sowie Objekte in Sonnennähe könnten                     Ausbildung des Schweifes zu einer er-
den Namen „Natural Warning Impact                entdeckt werden. Darüber hinaus wäre                    heblichen Bahnänderung führen kann.
Clearing House Concept of Operations“.           man unabhängig von der Tageszeit, der                       Auslegungskriterien für ein Beobach-
NASA und nun auch ESA haben zur                  Atmosphäre und dem Wetter.                              tungssystem in der CAPS-Studie waren,
Technologieentwicklung für eine effizien-
te Abwehr bedrohlicher Himmelskörper
Studien anfertigen lasen. Notwendige
Voraussetzungen einer erfolgreichen Ab-
wehr aber sind die Früherkennung der
gefährlichen Objekte und ihre Erfor-
schung.

Wie sieht es mit der Früherkennung aus?

Man darf sich durch die Vielzahl der
Suchprogramme nicht täuschen lassen,
ihre finanzielle Ausstattung ist sehr ge-
ring. Zudem gibt es seit 1996 für die
südliche Erdhalbkugel kein Suchpro-
gramm mehr. Ziel derzeitiger Suchpro-
gramme ist lediglich, bis 2008 90 Pro-
zent aller Asteroiden, die einen Durch-
messer von 300 Meter oder größer ha-
ben, zu erfassen. Nicht eingeschlossen in
derzeitige Suchprogramme sind Kometen
sowie kleinere Objekte, die jedoch lokal
und zum Teil auch global durchaus zu
großen Zerstörungen führen können.
Nicht einmal nach großen Kometen mit             Abb. 18: Die Emission eines Himmelskörpers hängt wesentlich von seiner Temperatur ab. Das Emissionsmaxi-
langen Umlaufperioden wird derzeit ge-           mum der Sonne mit einer Temperatur von ca. 5700 °C liegt im sichtbaren Bereich, während die wesentlich
sucht. Wenn sie von der Erde aus ent-            kältere Erde bei höheren Wellenlängen abstrahlt. Die Atmosphäre der Erde lässt nur einen Teil der Sonnen-
                                                 strahlung durch, ganze Wellenlängenbereiche werden vollständig herausgefiltert. Dies behindert oder verhin-
deckt werden, ist es für Abwehrmaßnah-           dert sogar die Ermittlung der Zusammensetzung strahlender Objekte, wie anhand der Emissionen der Wasser-
men allerdings ohnehin viel zu spät.             und Kohlendioxidmoleküle verdeutlicht wird.

14
Abb. 20: Zerstörung eines Asteroiden durch eine Explosion, künstlerische Impression.

                                                                  Abb. 19: Früherkennungssystem auf dem Mond [8].

dass ein 1 km-Objekt mindestens in einer     seine Zerstörung. Im Folgenden werden               noch zur Verfügung steht. Die erforderli-
Entfernung von fünf AE und Objekte von       für beide Abwehrstrategien in der Diskus-           che Geschwindigkeitsänderung hängt je-
50 Metern Durchmesser in 0,2 AE er-          sion befindliche Szenarien vorgestellt.             doch auch von der Bahn und der Ge-
kannt werden müssen. Das System sollte                                                           schwindigkeit des Objektes ab. Eine ver-
einmal im Monat den gesamten Himmel          Zerstörung des Objektes                             gleichsweise kleine Geschwindigkeitsän-
absuchen, um Vorwarnzeiten von ca. ei-                                                           derung reicht aus, wenn es gelingt, das
nem Jahr für ein großes Objekt und von       Eine Zerstörung des Objektes kann je                Manöver in großer Entfernung durchzu-
ca. einem Monat für kleine zu erreichen.     nach Größe und Zusammensetzung                      führen (Abb. 21). Die für die Bahnablen-
   Ein Früherkennungssystem, das diesen      durch den Aufprall eines Geschosses                 kung erforderliche Kraft steigt mit der
Anforderungen gerecht werden soll,           oder durch eine Detonation zum Beispiel             Masse des Objektes, mit seiner Ge-
braucht als Herzstück ein hoch auflösen-     einer Wasserstoffbombe in Objektnähe                schwindigkeit und der Kürze der noch
des Teleskop mit großer Apertur, ausge-      oder auf dessen Oberfläche hervorgeru-              verfügbaren Zeit. Wichtig ist, dass die
stattet mit sehr schnellen und empfindli-    fen werden (Abb. 20). Nachteil beider               Kraft im Schwerpunkt ansetzt, damit man
chen Detektoren zur Untersuchung eines       Methoden ist, dass eine Vielzahl von                nicht durch Veränderung der Rotation
großen Spektralbereichs (UV-IR). Die er-     Bruchstücken entsteht. Allein die zuver-            unnötig Energie und Impuls vergeudet.
forderliche hohe Auflösung kann nur er-      lässige Vorhersage der Anzahl großer                Die Kraft sollte ferner auf eine möglichst
reicht werden, wenn man eine interfero-      Bruchstücke und ihrer Massen ist sehr               große Fläche verteilt angreifen, um ein
metrische Anlage aufbaut, bei der die De-    schwierig und erfordert detaillierte Kennt-         Zerbrechen des Objektes zu verhindern.
tektoren mehrere 100 Meter voneinan-         nisse über den inneren Aufbau des Plane-                Bei den Ablenkungsverfahren versucht
der entfernt sind (Abb. 19). Zur genauen     toiden. Aufgrund der hohen Geschwin-                man einerseits den Impulssatz auszunut-
Bahnbestimmung sind Laserentfernungs-        digkeiten der Objekte kann man jedoch               zen, der besagt, dass in einem abge-
messer erforderlich. Der Stand der Tech-     davon ausgehen, dass auch die Bruch-                schlossenen System die Summe aller Im-
nik ist für den Aufbau einer solchen Anla-   stücke größtenteils die Erde treffen wer-           pulse erhalten bleibt. Andererseits soll
ge heute noch nicht ausreichend, der Ent-    den. Daher kommt diese Methode nur für              möglichst viel der eingesetzten Energie in
wicklungsaufwand ist jedoch überschau-       kleine Objekte infrage, bei denen man si-           gerichtete Bewegungsenergie für die
bar. Sie könnte entweder auf eine helio-     cherstellen kann, dass alle Bruchstücke             Bahnänderung verwandelt werden. Es
zentrische Bahn gebracht werden, zum         kleiner als 50 Meter sind und sie somit             gibt grundsätzlich viele Möglichkeiten, ei-
Beispiel in einen Librationspunkt Erde-      keinen nennenswerten Schaden anrich-                ne Bahnänderung zu erreichen. Die aus-
Sonne, oder in eine Planeten- oder Mond-     ten können. Bei großen Objekten wird                sichtsreichsten, aber auch einige ausge-
umlaufbahn. Eine weitere Möglichkeit ist     man eine Sprengung vermeiden und                    fallene, jedoch interessante, Varianten
die Stationierung auf dem Mond an ei-        stattdessen versuchen, sie aus ihrer Bahn           werden im Folgenden beleuchtet.
nem der Pole oder auf der der Erde abge-     abzulenken. Für eine Bahnablenkung ist
wandten Seite.                               zudem wesentlich weniger Energie erfor-
                                             derlich und die Vorausberechnung der
                                             neuen Bahn weitaus sicherer.
Möglichkeiten zur Abwehr von
Katastrophen                                 Ablenkung des Objektes

Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene      Generell kann man sagen, dass eine Ab-
Möglichkeiten der Abwehr einer Katastro-     lenkung umso einfacher ist, je kleiner die                                         WechselWirkungen      y

phe: die Ablenkung des Objektes oder         Masse des Objektes ist und je mehr Zeit                                                 Jahrbuch 2003 y

                                                                                                                                                   15
WechselWirkungen   y   Gerichteter Ausstoß von Asteroiden- oder                onsrate ist die Kenntnis der Oberflächen-
                            Jahrbuch 2003 y    Kometenmaterial                                         schichten des Objektes erforderlich. Es
                                                                                                       gibt wieder verschiedene Möglichkeiten,
                                               Wesentlich geringer ist der Transportbe-                ans Ziel zu kommen: man kann ein Ge-
                                               darf, wenn man Material des Objektes                    schoss einsetzen, eine Detonation her-
                                               selbst gerichtet abstößt, um den zur                    beiführen, das Sonnenlicht ausnutzen
                                               Bahnänderung nötigen Impuls zu erzeu-                   oder einen Laser zum Einsatz bringen.
                                               gen. Hierzu ist zu allererst Energie erfor-
                                               derlich. Aufgrund des niedrigen Druckes                 Einsatz eines Geschosses
                                               kommt es in der Regel nicht zur Verflüssi-
                                               gung und Verdampfung, sondern das                       Lässt man ein Geschoss mit hoher Ge-
                                               Material geht direkt vom festen in den                  schwindigkeit auf das abzulenkende Ob-
Erzeugung eines Rückstoßes durch den           gasförmigen Agregatszustand über, es                    jekt treffen, sollte es Ziel sein, dass es sei-
Ausstoß von Materie                            sublimiert. Zur Berechnung der Sublimati-               nen Impuls und seine Energie möglichst

Die Idee ist hierbei, Material (mM) mit
möglichst hoher Geschwindigkeit (vM) ge-
richtet auszustoßen und so eine Ge-
schwindigkeitsänderung (VvO) des Objek-
tes (mO) zu erzeugen (Abb. 22). Man kann
dazu einen Raketenantrieb einsetzen, bei
dem Treibstoff ausgestoßen wird oder
man sorgt für einen gerichteten Ausstoß
von Material des Objektes selbst.

Einsatz eines Raketenantriebes

Will man eine Rakete zur Bahnablenkung
einsetzen, muss man bedenken, dass sie
samt Treibstoff zum Asteroiden befördert,
dort gelandet und verankert werden
muss (Abb. 22). Der Transportbedarf ist
hoch, insbesondere, wenn der Treibstoff
von der Erde aus mitgenommen wird. Ra-
kete, Treibstoff und Transferfahrzeug
müssen mit mehreren Großraketen in ei-
ne Erdumlaufbahn gebracht, dort zusam-
mengebaut und betankt werden. Zur Be-          Abb. 21: Geschwindigkeitsbedarf zur Bahnänderung.
reitstellung einer ARIANE-V-Rakete in ei-
ner erdnahen Umlaufbahn wären mehr
als 17 Starts einer Saturn-V-Rakete erfor-
derlich (Abb. 39). Dann muss die Rakete
mit einem Minimum an Treibstoff zu
ihrem Zielobjekt transportiert werden.
Hierfür ist ein schubstarkes Transferfahr-
zeug erforderlich. Eine Landung ist auf-
grund der geringen Schwerkraftwirkung
kleiner Objekte nicht einfach und muss
vollautomatisch erfolgen. Zur sicheren
Verankerung ist zudem die Kenntnis der
Beschaffenheit des Objektes in Ober-
flächennähe nötig. Für kleine Asteroiden
bis zur 100m-Klasse ist es durchaus
denkbar, eine Rakete einzusetzen, wenn
genügend Vorlaufzeit zur Verfügung
steht. Gerade bei kleinen Objekten ist die
Vorwarnzeit jedoch oft sehr kurz, vor al-
lem bei Beobachtung von der Erde aus.
Daher müsste die Rakete bereits trans-
portbereit im Weltraum stationiert sein
und das Manöver in Erdnähe durchge-
führt werden.                                  Abb. 22: Einsatz einer Rakete zur Abwehr eines Asteroiden, künstlerische Impression.

16
Abb. 23: Abwehr durch Beschuss.

vollständig überträgt (Abb. 23). Man                                                            abgelenkt werden. Es wäre wie bei einem
möchte nicht mit dem Objekt Billard spie-                                                       Faustschlag in einen Sandsack: der Hau-
len, obwohl man dann eine höhere direk-                                                         fen wird deformiert und ein Großteil der
te Impulsübertragung erzielen könnte.                                                           Energie nicht als kinetische Energie über-
Ziel ist, dass das Geschoss stecken bleibt                                                      tragen. Der Bedarf an Startkapazität ist
und so seine ganze Bewegungsenergie                                                             auch für diesen Fall hoch. Die Positionie-
zur Sublimation von Objektmaterial ab-                                                          rung solcher Waffen in Erdnähe wirft je-
gibt. Dadurch kommt es zu einem zusätz-                                                         doch darüber hinaus politische Probleme
lichen Rückstoßeffekt. Schon bei einer                                                          auf.
Aufprallgeschwindigkeit von zehn Kilo-
metern pro Sekunde ist die Energie pro                                                          Ausnutzung des Sonnenlichtes
Masse um den Faktor 4 größer als der
Energieinhalt des Treibstoffes einer che-                                                       Die Idee, das Sonnenlicht mit einem
mischen Rakete. Zur Auslegung des Ge-                                                           Spiegelsystem einzufangen, wurde erst-
schosses hinsichtlich erforderlicher Mas-                                                       mals 1993 von Melosh und Nemchinov
se und Geschwindigkeit und zur Auswahl                                                          publiziert [9]. Das Sonnenlicht wird mit
des Zielgebietes, insbesondere im Hin-                                                          einem Spiegel gesammelt, umgelenkt
blick auf die Vermeidung einer Spren-                                                           und auf den Planetoiden konzentriert, so
                                              Abb. 24: Mission „Deep Impact“ zur Untersuchung   dass lokal eine hohe Wärmestromdichte
gung, muss man für den Einsatz eines          des Inneren des Kometen Temple 1.
Geschosses vor allem die mechanischen                                                           erreicht wird und Asteroidenmaterial sub-
Eigenschaften und die Masse des Objek-                                                          limiert (Abb. 25). Das heiße Gas wird in
tes, seine Zusammensetzung und Dichte         Kupfer hat man sich entschieden, da es            den Weltraum expandiert. Dabei kommt
sowie die Dichteverteilung kennen.            eine hohe Dichte aufweist und seine ei-           es zu relativ hohen Gasgeschwindigkei-
   Erste Erfahrungen mit dem Beschuss         genen Emissionslinien und die seiner Re-          ten (ca. 1km/s) und es kann somit ein
eines Kometen wird man bei der Mission        aktionsprodukte bei der Untersuchung              Schub erzeugt werden. Nennenswerte
„Deep Impact“ sammeln können. Eine            des ausgestoßenen Materials relativ we-           Sublimation erfordert Temperaturen von
amerikanische Kometensonde mit einem          nig stören. Neben der Bestimmung der              mindestens 2000°C. Die Sublimations-
Geschoss an Bord wird voraussichtlich im      Zusammensetzung im Inneren wird man               wärme von steinigen Asteroiden (Silika-
Juli 2005 gestartet. Hauptziel dieser Mis-    auch auf die mechanischen Eigenschaf-             ten) liegt bei ca. 15 MJ/kg, für Kometen
sion ist die Erforschung des Inneren des      ten zurück schließen können (Abb. 24).            (Eis) bei ca. drei MJ/kg (Megajoule pro
Kometen Temple 1. Dieser Komet rotiert                                                          Kilogramm). Bei der Auslegung des Sys-
relativ langsam und ist auf einer Bahn, die   Erzeugung einer Detonation                        tems müssen Rotation des Objektes und
eine hohe Einschlaggeschwindigkeit des                                                          Wärmeleitung in der Oberfläche mit
500 kg Kupfergeschosses verspricht. Ob-       Verursacht man eine Detonation einer              berücksichtigt werden. Daher sind Wär-
wohl die kürzeste Entfernung seiner Bahn      Nuklearbombe auf der Oberfläche oder in
von der Erde immer noch 0,5 AE - also         Oberflächennähe des bedrohlichen Ob-
die halbe Entfernung zur Sonne –              jektes, so kann man im Vergleich mit der
beträgt, wird man den Einschlag nicht         chemischen Rakete einen um mehrere
nur von der Muttersonde aus, sondern          Größenordnungen höheren Impuls über-
auch von der Erde aus beobachten kön-         tragen. Aber Vorsicht ist geboten! Ein
nen. Das Geschoss wird ein Loch der           monolithischer Körper könnte zerbrechen                                   WechselWirkungen   y

Größe eines Fußballfeldes erzeugen. Für       und ein loser Steinhaufen würde kaum                                          Jahrbuch 2003 y

                                                                                                                                       17
WechselWirkungen     y

                                  Jahrbuch 2003 y

meflüsse von einigen zehn, besser eini-
gen hundert Megawatt pro Quadratmeter
(MW/m2) nötig. Grundsätzlich kann man
für kleine Asteroiden eine ausreichende
Ablenkung erzielen, wenn das System
mehrere Jahre in Betrieb ist. Große Spie-
gel werden für große Teleskope ent-
wickelt. Eine Antennenstruktur mit 14
Metern Durchmesser wurde von der
NASA bereits 1996 erfolgreich erprobt.                 Abb. 26: Hochleistungslaser zur Objektabwehr, künstlerische Impression.

                                                                                                               Abb. 27: Wirkkoeffizient als Funktion der Leistungs-
Abb. 25: Spiegelsystem zur Asteroidenablenkung, künstlerische Impression.                                      dichte für einen fünf Nanosekunden–Laserpuls [5].

   An der TU Dresden wurde von Völker                  der Verdampfung mit erheblicher Ver-                    CAPS-Studie [8]. In dieser Studie wurde
in seiner Diplomarbeit unter sehr optimis-             schmutzung des Spiegels gerechnet wer-                  zur Ablenkung ein gepulstes Lasersystem
tischen Annahmen die spezifische Spie-                 den muss und dass Abschattungseffekte                   vorgeschlagen, mit dem Asteroidenmate-
gelmasse betreffend abgeschätzt, dass                  nicht zu vermeiden sind. Diesen Proble-                 rial von der Oberfläche ablatiert wird
man einen typischen Steinasteroiden mit                men könnte man jedoch mit einem Sys-                    (Abb. 26). Das abgetragene Material ex-
einem Kilometer Durchmesser mit einem                  tem von vielen Spiegeln begegnen.                       pandiert ins Vakuum und ruft als Reaktion
1,5 km-Spiegel pro Jahr Betriebszeit um                   Insgesamt erscheint dieser Ansatz sehr               eine Schubkraft hervor. Da dieser Vor-
zehn Erdradien ablenken könnte, sofern                 komplex. Zudem ist eine genaue Kennt-                   schlag besonders aussichtsreich er-
dieser sich in einer Entfernung von einer              nis der Bewegung des Objektes und ins-                  scheint, wird er nun näher betrachtet.
                                                       besondere eine Abstimmung mit seiner
AE zur Sonne befindet [10]. Hierzu wäre                                                                           Abhängig von Pulsdauer und Material
                                                       Rotation erforderlich, also eine maßge-
eine Systemmasse von 50 Tonnen erfor-                  schneiderte Lösung, für die man meist                   des Objektes gibt es eine optimale Leis-
derlich. Diese Masse hätte fast eine einzi-            keine Zeit haben wird.                                  tungsdichte, bei der man mit dem Laser-
ge Saturn-Rakete in einen erdnahen Orbit                                                                       puls den höchsten Schub erzeugen kann.
befördern können (Abb. 39). Außer Acht                 Einsatz eines Hochleistungslasers                       Das Verhältnis von erreichtem Schub zu
gelassen wurde bei dieser Abschätzung                                                                          aufgewendeter Laserleistung ist ein Maß
jedoch, dass sich der Verdampfungs-                    Ersetzt man Sonnenlicht und Spiegel                     für die Effizienz der Maßnahme und wird
punkt zum Beispiel durch die Rotation                  durch ein Lasersystem, so ist man im Prin-              als Wirkkoeffizient bezeichnet. In Abbil-
des Asteroiden bewegt, dass aufgrund                   zip beim Vorschlag der amerikanischen                   dung 27 ist dieser Wirkkoeffizient für

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zwei Fälle dargestellt. Ist die Strahlungs-
dichte an der Oberfläche zu gering, wird
nicht ablatiert, der Wirkkoeffizient ist null.
Ist die Wärmeleitung im Material bei-
spielsweise bei großem metallischem An-
teil im Material hoch, so ist die erforderli-
che Leistungsdichte groß. Wählt man je-
doch die Leistungsdichte zu hoch, wird
das Material ionisiert. Das kostet Energie,
die nicht in Schubstrahlenergie verwan-
delt werden kann, der Wirkkoeffizient
nimmt erheblich ab. Die Höhe des Maxi-
mums des Wirkkoeffizienten hängt bei
genauerer Betrachtung darüber hinaus
vom sublimierenden Material ab. Ande-
rerseits steigt die optimale Leistungsdich-
te bei Verkleinerung der Pulsdauer mit
1/(Pulsdauer)2 an. Die erforderliche Laser-
energie, um ein bestimmtes Objekt, das
sich auf Kollisionskurs befindet, um einen
Erdradius abzulenken, hängt im Wesentli-
chen von der Bahn des Körpers, seiner            Abb. 28: Zur Ablenkung um einen Erdradius erforderliche Energie in Abhängigkeit vom Objektdurchmesser
Entfernung beim Eingriff, von seiner Zu-         und des Beginns der Maßnahme [8].
sammensetzung und Dichte ab. Die erfor-
derliche Geschwindigkeitsänderung
nimmt mit abnehmendem Abstand zu.
Zugleich muss die Laserleistung noch zu-
sätzlich erhöht werden, da weniger Zeit
zur Ablenkung zur Verfügung steht. Ins-
gesamt steigt die erforderliche Laserleis-
tung daher nahezu mit 1/(Abstand)2. Für
einen steinigen Asteroiden (ρ=3000
kg/m3) und einen typischen Kometen mit
langer Umlaufzeit (ρ=200 kg/m3) wur-
den für einige Beispiele die erforderlichen
Energien abgeschätzt. Sie sind in Abbil-
dung 28 in Abhängigkeit des Objekt-
durchmessers aufgetragen. Zieht man
noch zusätzlich Abbildung 29 heran, in
der für verschiedene Laserleistungen
die an das Objekt übertragbare Energie
über der Laserbetriebsdauer aufgetragen
ist, kann ein Abwehrsystem ausgelegt
werden. Für einen 200 Meter-Asteroiden
(A1) ist bei einer Vorwarnzeit von sechs
                                                 Abb. 29: Übertragbare Energie in Abhängigkeit von der Laserbetriebsdauer [8].
Monaten schon ein zehn MW-Laser aus-
reichend, für einen 1 km-Asteroiden (A2)
hingegen müssen es schon einige Giga-
                                                 mensioniert werden und über eine adap-                 system, das derzeit entwickelt wird, ist
watt (GW) mittlere Laserleistung sein.
                                                 tive Optik verfügen.                                   ein chemischer MW-Laser für den Einsatz
Will man dagegen einen 200 km-Kome-
                                                    Berechnungen der NASA ergaben,                      in Kampfflugzeugen. Diese von der US-
ten (K) weit genug ablenken, kann man
                                                 dass bei einer Laserpulslänge von fünf                 Airforce in Auftrag gegebene Entwick-
dies schon mit einem Megawatt erreichen.
                                                 Nanosekunden (ns) ein Wirkkoeffizient                  lung eines so genannten ABL-Systems
    Die Vorwarnzeiten werden nicht aus-
                                                 von ca. 50 Newton (N)/MW erzielt wer-                  (Air Born Laser) lässt für die Abwehr ei-
reichen für Entwicklung, Bau, Qualifikati-
                                                 den kann. Eine ausreichend sichere Ab-
on und Positionierung eines Lasersys-
                                                 lenkung eines 1 km-Eisenasteroiden
tems, das an ein bestimmtes Objekt opti-         könnte dann mit einer mittleren Laserleis-
mal angepasst ist. Daher muss man mit            tung von 200 GW über 40 Tage hinweg
einem einzigen Lasersystem für verschie-         erreicht werden. Diese Laserleistung liegt
denartige Objekte in unterschiedlicher           jedoch um mehr als fünf Größenordnun-
Entfernung gerüstet sein. Das Lasersys-          gen über der heute verfügbaren Laser-                                              WechselWirkungen      y

tem muss hierfür ausreichend groß di-            technologie. Das leistungsstärkste Laser-                                               Jahrbuch 2003 y

                                                                                                                                                         19
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