Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen?
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Monika Auweter-Kurtz Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen? Ein Beitrag der Raumfahrttechnik zu unserem Überleben 2
Erst seit wenigen Jahren ist bekannt, welches Ereignis zum Aussterben der Dinosaurier geführt hat. Aufnahmen aus dem Weltall haben zur Klärung dieser Frage wesentlich beigetragen. Zunehmend wird man sich der Bedrohung durch andere Himmelskörper hinterlassen haben sollte [1]. Der Geolo- bewusst, nicht nur unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Auch die poli- ge Antonio Camargo, der diese Veröffent- tisch Verantwortlichen in den USA und Europa reagieren, und die Wirtschaft horcht auf. lichung damals nicht kannte, berichtete Die Überwachung unserer Umgebung, die Erforschung erdnaher Objekte und die Ent- 1981 auf einer Tagung von einem großen Krater, den er bei der Suche nach wicklung effizienter Abwehrstrategien sollten in naher Zukunft zu wichtigen Gemein- Öl in Yukatan entdeckte [2]. Ein Journa- schaftsaufgaben aller Menschen werden. Die Raumfahrttechnik wird hierfür eine list verknüpfte die beiden Veröffentlichun- gen und brachte den Stein ins Rollen. Sa- Schlüsseltechnologie sein. tellitenaufnahmen von Yukatan wurden ausgewertet (Abb. 1) und der Durchmes- ser des Chicxulub-Kraters, wie man ihn nannte, bestimmt – heute ca. 180 Kilo- Auslöser des Artensterbens meter. Ablagerungen aus der fraglichen gefunden Zeit wurden in weiter Umgebung sowie an den Küstenlinien eingehend unter- Was ist damals, als die Dinosaurier aus- sucht. Diese Untersuchungen ergaben, starben, eigentlich geschehen? dass die Schichtdicke der Ablagerungen, Auf diese Frage gab es bis vor kurzem die weltweit ca. zwei Zentimeter beträgt, verschiedene Theorien, aber keine über- um den Krater herum besonders dick und zeugende Antwort. Klarheit über den Schockglas, das sich bei Einschlägen auf- Auslöser des großen Artensterbens am grund von Hitze und hohem Druck bildet, Ende der Kreidezeit konnte erst vor weni- häufig ist. Eine Bohrung, die im Meer in gen Jahren geschaffen werden. 2 600 Metern Tiefe 90 Meter tief in den 1980 veröffentlichte der amerikani- Meeresboden vorangetrieben wurde, sche Nobelpreisträger Luis W. Alvarez zu- brachte Spuren eines Asteroiden und sammen mit seinem Sohn Walter und fossile Überreste vieler Tiere zutage. mit F. Asaro und Helen Michel in Science einen Artikel, in dem sie aus der Iridium- Monika Auweter-Kurtz y anreicherung in einer Sedimentschicht, Können wir dem Schicksal der Dinosaurier entgehen? y die dem Ende der Kreidezeit zugeschrie- ben wird, auf den Einschlag eines Astero- iden schlossen. Iridium, ein auf der Erde eher seltenes Element, kommt in einigen Asteroiden in relativ hohem Anteil vor. Sie schätzten ab, dass der Durchmesser des Asteroiden sechs bis 14 Kilometer betragen haben müsste und einen Krater mit 150 bis 300 Kilometern Durchmesser 3
WechselWirkungen y Seit den 90er Jahren ist man sich nun von 9,5 bis 14,5 Kilometer hatte, setzt Jahrbuch 2003 y sicher, den Auslöser für das Aussterben man voraus, dass er kugelförmig war. Er der Dinosaurier zu kennen (Abb. 2). Vor hat vor Yucatans Küste einen Krater hin- rund 65 Millionen Jahren schlug ein terlassen, der damals ca. 250 bis 290 Ki- Asteroid auf der Erde ein und schuf den lometer durchmaß. Die für das katastro- Chicxulub-Krater in Mexiko. Modellrech- phale Ausmaß verantwortlichen Folgen nungen, basierend auf dem heutigen waren Flutwellen, die heute noch an der Kenntnisstand über iridiumhaltige Astero- karibischen Küstenlinie nachweisbar sind iden und ihre Bahnen, ergaben, dass die- und vor allem Staubwolken, die monate- ser Himmelskörper einen Durchmesser lang die Erde umkreisten und Verdunke- lung und Kälte bewirkten. Pflanzen und Plankton starben. Die Folge war die Aus- rottung eines beachtlichen Anteils aller damals lebenden Arten. Man schätzt, dass ca. 70 Prozent aller Lebewesen um- kamen und in etwa ebenso viele Arten ausstarben. Andere große Einschläge, von denen wir heute wissen In der Frühzeit der Erde waren Einschläge sehr großer Himmelskörper häufig. Auf- grund der Atmosphäre unserer Erde, ihrer tektonischen Aktivitäten, der ausgedehn- ten Meere und der Vegetation sind nur noch relativ junge Ereignisse anhand ih- rer Krater feststellbar. Durch den Ein- schlag werden Erdbeben und/oder große Flutwellen, so genannte Tsunamis, aus- gelöst. Geologen können anhand von Gesteinsablagerungen solche Ereignisse datieren und sogar auf die Größe der Himmelskörper schließen, da das beim Einschlag eines Meteoriten verdampfen- de Material zu kleinen sphärischen Kügel- chen, so genannten Sphärulen, konden- siert, die sich zu Schichten ablagern. So datiert man heute beispielsweise einen großen Einschlag auf 3,47 Milliarden Jah- re (Abb. 3). Die dazugehörige Sphärulen- schicht hat eine Dicke von 20-30 Zenti- Abb. 1: Lage des Chicxulub-Kraters in Yukatan, Mexiko. metern. Hieraus kann dem Himmelskör- Abb. 2: Künstlerische Impression des Einschlages des Chicxulub- Meteors. Abb. 3: Künstlerische Impression eines Asteroidenabsturzes auf die noch junge Erde. 4
Abb. 4: Die Stadt Nördlingen wurde in den Riesenkrater hineingebaut. Abb. 5: Das Steinheimer Becken in unmittelbarer Nähe des Nördlinger Rieses. per ein Durchmesser von ca. 20 Kilome- 15,1 +/- 0,1 Millionen Jahren, im Tertiär, Stadt Nördlingen gegründet (Abb. 4). tern zugeordnet werden. Als er auf der Er- durch einen Meteoriten von ca. 1,3 Kilo- Trotz Erosion liegt das Ries immer noch de einschlug, gab es hier an Lebensfor- metern Durchmesser verursacht. Er ist um 150 Meter tiefer als die Umgebung. men wahrscheinlich nur Bakterien, die der besterhaltene Riesenkrater der Erde. In unmittelbarer Nähe liegt das Stein- aufgrund ihrer Robustheit als Art ein sol- Der Einschlag erfolgte mit einer Spreng- heimer Becken, das in derselben Zeit ent- ches Ereignis überleben konnten. Einige kraft von ca. 141 000 Megatonnen (Mt) stand (Abb. 5). Das kreisrunde Becken große, heute bekannte Ereignisse sind in TNT – das entspricht ca. 2 350 Wasser- von Steinheim ist heute 3,8 Kilometer im Tabelle 1 zusammengestellt. stoffbomben der 60 Mt-Klasse – und Durchmesser und 120 Meter in die um- Erst kürzlich fand eine Forschergruppe löschte im Umkreis von 100 Kilometern gebende Albhochfläche eingetieft. In der aus Marokko und den USA heraus, dass alles Leben aus (Der Energieinhalt wird Mitte ragt der Klosterberg auf. Der Me- es bereits vor rund 380 Millionen Jahren üblicherweise in Sprengkraft, Tonnen (t) teorit hatte einen Durchmesser von ca. auf Grund eines Asteroiden oder Kome- TNT, angegeben, eine Kilotonne (kt) TNT 162 Metern, sein Einschlag erfolgte mit teneinschlags in der heutigen marokkani- entspricht 4,185 · 1012 J; zum Vergleich: einer Sprengkraft von 270 Mt TNT (4,5 schen Wüste zu einer globalen Katastro- die Hiroshima-Bombe hatte eine Spreng- H-Bomben). Man vermutet heute, dass phe kam, bei der ca. 40 Prozent aller da- kraft von 13 Kilotonnen). Gesteins- beide Krater auf denselben Asteroiden maligen Meerestierarten ausstarben. brocken flogen 400 Kilometer bis nach zurückzuführen sind, der beim Eintritt in Böhmen. Aufgrund der hohen Tempera- die Erdatmosphäre eventuell aufgrund Nördlinger Ries und Steinheimer turen (bis 30 000°) und hohen Drücken der Schwerkraft zerbrach. Becken (einigen Millionen bar) wurden Hoch- druckminerale, so genannte Tektide, ge- Erst in den 60er Jahren des letzten Jahr- bildet, man spricht von Böhmischem hunderts wurde erkannt, dass das auf der Glas. In den Krater hätte damals das Mat- schwäbischen Alb gelegene Nördlinger terhorn gepasst. Zunächst entstand ein Ries ein Krater ist. Dieser heute 24 Kilo- See, der jedoch mit der Zeit verlandete. meter durchmessende Krater wurde vor Vor 1 100 Jahren wurde im Krater die Tabelle 1: Beispiele bekannter großer Ereignisse WechselWirkungen y Jahrbuch 2003 y 5
WechselWirkungen y Jahrbuch 2003 y Barringer-Krater in Arizona Unschwer auch heute noch als Einschlag- krater zu erkennen ist der Barringer-Krater in Arizona mit einem Durchmesser von 1,3 Kilometern und einer Tiefe von 174 Metern, der vor 50 000 Jahren im Cany- on Diabolo durch den Einschlag eines 30 Meter durchmessenden Eisenmeteoriten mit einer Sprengkraft von ca. zwei Mt Abb. 7: 19 Jahre nach dem Einschlag wurde das Gebiet um Tunguska erkundet und dieses Bild aufgenommen. TNT entstand (Abb. 6). Man erkennt deutlich die durch die Druckwelle verursachte Ausrichtung der Stämme. Tunguska in Sibirien Im Jahr 1908 trat ein Himmelskörper mit 1 000 Jahre auftreten. Sollte uns in den einem Durchmesser von ca. 60 -100 Me- nächsten Jahren ein solcher Himmelskör- tern mit ca. 15 Kilometern pro Sekunde per treffen, wird es mit großer Sicherheit über Tunguska in Sibirien in die Atmo- keine Vorwarnzeit geben, da es noch sphäre der Erde ein und explodierte in mehrere Jahrzehnte dauern wird, bis man fünf bis neun Kilometern Höhe (Abb. 7). alle gefährlichen Objekte dieser Größen- Die Sprengkraft betrug ca. 10 -15 Mega- ordnung kennen wird. Ähnliche Ereignis- tonnen (1000 Hiroshima-Bomben). Der se, jedoch wahrscheinlich etwas kleinerer Donner war bis nach London zu hören, Dimension, wurden 1930 im brasiliani- die Druckwelle wurde weltweit registriert schen Urwald und 1935 in Britisch Guya- und lief mehrmals um die Erde. Es wur- na beobachtet. den ca. 2 200 Quadratkilometer verwüs- tet. Wäre der Himmelskörper nur wenige Asteroidenschauer Minuten später in die Atmosphäre einge- treten, wäre Europa betroffen gewesen. Zu Asteroidenschauern kam es 1947 in Über einem dicht besiedelten Gebiet hät- Sikote-Alin in der Nähe von Wladiwostok te dies den Tod von Millionen Menschen und 1868 in Polen. Asteroiden explodier- bedeutet. Da man bislang keine Meteori- ten einige Kilometer über der Erde, und ten gefunden hat, wird vermutet, dass es es ging ein Meteoritenschauer innerhalb sich um einen Kometen gehandelt hat, al- einer Streuellipse nieder. Vereinzelt kam lerdings kann auch nicht ausgeschlossen es hierbei zu Sachschäden (Abb. 8). werden, dass es ein Steinasteroid war. Die genaue Untersuchung von Satelliten- Abb. 8: Vor wenigen Jahren wurde in New York ein aufnahmen förderte in den letzten Jahr- Asteroideneinschlag beobachtet, der diesen Schaden Man geht heute davon aus, dass Ereignis- verursachte. se dieser Größenordnung im Mittel alle zehnten fast 100 Krater mit Durchmes- sern größer als einen Kilometer zutage. zwischen den Bahnen von Jupiter und Mars umkreisen. Vergleichsweise wenige Die erdnahen Asteroiden und Planetoiden sind jenseits der Neptunbahn Kometen beziehungsweise in Erdnähe anzutreffen. Man schätzt die Gesamtzahl der Planetoi- Was sind das für Himmelskörper? den mit einem Durchmesser von mehr Woher kommen sie? als einem Kilometer auf ca. eine Million. Was wissen wir über sie? Der Übergang zu den Meteoriden ist Asteroiden fließend, ihre Anzahl steigt mit kleiner werdendem Durchmesser steil an (Abb. 9). Asteroiden beziehungsweise Planetoiden Die Kleinplaneten konnten sich aufgrund Abb. 6: Ein junger Krater, der Barringer-Krater in Arizona. sind Kleinplaneten, die die Sonne zumeist der großen Anziehungskraft des Jupiters 6
Abb. 10: Betrachtet man ein System aus zwei großen und einem kleinen dritten Körper, so kann man zeigen, dass es fünf Punkte, die so genannten Lagrange- oder Librationpunkte, gibt, an denen eine geschlossene Lösung der Bewegungsglei- chungen existiert. In diesen Punkten bewegen sich die kleinen Körper derart, dass ihre Entfernungsrelationen zu den großen Körpern konstant bleibt. Die Punkte L1, L2, L3 liegen auf der Verbindungslinie der beiden Körper, L4 beziehungsweise L5 spannen gleichseitige Dreiecke mit ihnen auf. An den Punkten L1, L2, und L3 rei- chen kleine Störungen zum Beispiel durch andere Planeten aus, um Asteroiden ent- weichen zu lassen, an den Punkten L4 und L5 sind ihre Lagen jedoch stabil. Abb. 9: Anzahl der Körper im interplanetaren Raum in Abhängigkeit ihrer Durch- messer [3]. Abb. 11: „Möchtegern in der Entstehungszeit des Sonnensys- Monde“ sind Asteroiden, tems nicht zu einem Planeten zusammen- die sich mit der Erde in finden. Immer wieder wurden im Laufe Resonanz befinden und uns scheinbar wie der der Zeit Planetoiden aus ihrer Bahn in Ju- Mond umkreisen. piternähe geworfen, einige davon in Rich- tung Erde; sie werden als erdnahe Astero- iden bezeichnet. Die meisten von ihnen umkreisen die Sonne in derselben Bahne- Erdnahe Asteroiden in Resonanz mit artiger Körper müssen nicht elliptisch bene und in derselben Richtung wie die der Erde sein, sie sind in der Regel kompliziert. Sie Planeten. Sie werden in drei Gruppen ein- umkreisen scheinbar unsere Erde und be- geteilt: Die Apollo-Asteroiden umkreisen Einige Asteroiden umkreisen die Sonne wegen sich zusätzlich zum Sonnenum- die Sonne auf stark exzentrischen Bah- wie die Erde mit einer Umlaufzeit von ei- lauf auf so genannten Hufeisenbahnen nen und kreuzen dabei die Erdbahn. Die nem Jahr. Man spricht dann von einer 1:1 (Abb. 11). Inzwischen sind bereits mehre- Aten-Asteroiden befinden sich im We- Resonanz ihrer Hauptbewegung. Vom re solcher „Möchtegern-Monde“ bekannt. sentlichen innerhalb der Erdbahn, kom- Jupiter ist bekannt, dass eine Gruppe von Sie sind für uns nicht gefährlich, sondern men ihr aber sehr nahe und können ca. 400 Asteroiden, die Trojaner, mit der- ideale Studienobjekte, da der Antriebsbe- durch Bahnstörungen die Erdbahn kreu- selben Geschwindigkeit auf derselben darf für eine Sonde zur Erkundung dieser zen. Die Amor-Asteroiden kreuzen die Bahn die Sonne umkreisen. Sie halten Objekte relativ gering ist. Darüber hinaus Marsbahn, können jedoch durch Bahn- sich an den so genannten stabilen Lag- wären sie auch als Rohstofflieferant für störungen ebenfalls in Erdnähe gelangen. range-Punkten auf (Abb. 10). die weitere Erkundung des Sonnensys- Zu dieser Gruppe gehört auch der mit 40 Seit einigen Jahren sucht man nach tems sehr interessant. Kilometern Durchmesser größte erdnahe Lagrange-Punkt-Asteroiden der Erde, bis- Asteroid Ganymed. Man schätzt die Zahl lang ohne Erfolg. 1997 entdeckte man der erdnahen Asteroiden mit einem jedoch den ersten Kleinplaneten, Cruith- Durchmesser größer als einen Kilometer ne, der dieselbe Umlauffrequenz um die WechselWirkungen y heute auf über 1 300. Sonne wie die Erde hat. Die Bahnen der- Jahrbuch 2003 y 7
WechselWirkungen y Als großer Schritt bei der Erforschung nannte Oortsche Wolke, die die Grenze Jahrbuch 2003 y der erdnahen Asteroiden kann die Near- unseres Planetensystems markiert. Ihr Shoemaker- Mission der NASA bezeich- Abstand zur Sonne beträgt ca. 50 000 net werden. Erstmals gelang ein Vorbei- AE, sie reicht jedoch bis ca. 30 000 AE flug an einem C - Asteroiden, Mathilde. an die Sonne heran und erstreckt sich bis Im Januar 2001 erreichte die Sonde dann 100 000 AE ins Weltall hinaus. (Den Ab- ihr Zielobjekt, den Asteroiden Eros. Be- stand zwischen Erde und Sonne bezeich- reits beim ersten Überflug am 28. Januar net man als Astronomische Einheit (AE), 2001 gelangen hochaufgelöste Bilder 1 AE = 149,6 Millionen Kilometer). Ihre Erste Erkundungen der Asteroiden (Auflösung 0,3m/Pixel). Aus geologi- Zahl wird auf mindestens einige hundert scher Sicht ist Eros äußerst interessant. Milliarden geschätzt, ihr Durchmesser Die Weltraumsonde Galileo bescherte Seine Oberfläche ist noch weitgehend in kann bis zu 100 Kilometer betragen. Ko- uns 1991 im Vorbeiflug auf ihrem Weg dem Zustand wie vor 4,5 Milliarden Jah- meten bestehen zumeist aus Eis und zum Jupiter die ersten Nahaufnahmen ren, als das Planetensystem entstand. Die Staub, einige auch aus CO2-Eis, man be- von Asteroiden, Gaspra und Ida (Abb. 12). Sonde umkreiste Eros etwa ein Jahr lang. zeichnet sie daher oft als schmutzige Eis- Asteroiden sind unregelmäßige Himmels- Letztendlich gelang bei dieser Mission so- klumpen. Sie konservieren die Überreste körper, dies führt aufgrund ihrer Rotation gar die erste Landung auf einem Astero- des praesolaren Nebels. Beträgt ihre Um- zu deutlichen Lichtschwankungen bei ih- iden, und zwar in einem Krater. Eine Lan- laufzeit mehr als 200 Jahre, das ist bei rer Beobachtung und ermöglicht die Be- dung auf einem relativ kleinen Himmels- 84 Prozent der Fall, werden sie als lang- stimmung ihrer Rotationsfrequenzen und körper stellt aus technologischer Sicht ei- periodisch bezeichnet. Wenn ihre Bahnen der Lage ihrer Rotationsachsen. Viele ne große Herausforderung dar, da die An- gestört werden, können sie ins Innere des Asteroiden rotieren verglichen mit den ziehungskraft so gering ist, dass die Auf- Sonnensystems und in Erdnähe gelan- meisten Planeten sehr schnell, sie drehen schlaggeschwindigkeit sehr klein sein gen. Erreichen diese „Wanderer zwischen sich in drei bis 17 Stunden einmal um ihre muss, um ein Zurückprallen zu vermei- den Welten“ den Jupiter, ist die Sonnen- Achse mit einer Häufung zwischen fünf den. Kurz vor der Landung wurden Bilder strahlung so hoch, dass das Eis sublimiert und zehn Stunden. Bei einigen sind die hoher Auflösung zur Erde gesendet. Die und sich ein Schweif ausbildet. Nun kann auftretenden Fliehkräfte schon so groß, Sonde überlebte den kontrollierten Ab- man sie von der Erde aus entdecken. Sie dass sie nahe am Zerreißen sind. Durch sturz mit einer Aufschlaggeschwindigkeit befinden sich auf elliptischen Bahnen oh- Strahlungsmessungen im visuellen und von ca. 1,5 - 1,8 Metern pro Sekunde ne Bevorzugung einer bestimmten Bahn- infraroten Bereich lässt sich die Albedo, und hat noch zehn Tage Daten zur Erde ebene oder Umlaufrichtung. Diese Ellip- also die Reflexivität der Oberfläche, be- gesendet. Erstmals gelangen bei dieser sen sind zumeist sehr lang gestreckt und stimmen, die unter anderem hilft, ihre Mission die Untersuchung der geologi- reichen weit bis in die äußere Region des Größe abzuschätzen. Heute weiß man, schen Zusammensetzung, die Bestim- Sonnensystems hinaus. Die Sonne befin- dass etwa drei Viertel aller Planetoiden mung der Masse, des Magnetfeldes, der det sich in einem ihrer Brennpunkte (Abb. ein flaches Spektrum mit schwacher Schwerkraftverteilung und der Schwer- 13). Vom Jupiter aus sind Erdbahnkreu- Struktur und eine geringe Albedo (0,03 punktlage in erstaunlicher Güte. zer noch ca. drei bis vier Jahre zu uns un- bis 0,08) aufweisen. Durch eine genaue terwegs. Untersuchung der Spektren von Vorbei- Kometen Eine kleine Gruppe der Kometen wur- flügen kann man Aufschlüsse über die de durch die Schwerefelder der großen Zusammensetzung der Oberfläche ge- Die Kometen entstanden weit draußen, Planeten eingefangen, sie verlassen das winnen. Aufgrund dieser Untersuchun- am Rand des Planetensystems. Dort bil- Innere des Sonnensystems nicht mehr. gen und der Analyse von auf der Erde ge- den sie die kugelschalenförmige so ge- Ihre Umlaufzeiten liegen zwischen drei fundenen Meteoriten wurden die Astero- iden in drei Gruppen eingeteilt: die aus dunklem kohlenstoffhaltigen Material bestehenden C-Asteroiden, die hellen steinigen silikathaltigen S- Asteroiden, die hauptsächlich aus Eisen und Nickel bestehenden, also metallhaltigen, M-Asteroiden. Darüber hinaus hat man auf einigen Asteroiden auch andere zum Teil wertvol- Abb. 12: Asteroid Ida mit le Rohstoffe entdeckt, beispielsweise Eis seinem Mond Dactylus, auf dem mit 1 023 Kilometern Durch- NASA, Galileo Mission 1991. messer größten Asteroiden Ceres, der zu den C - Asteroiden gerechnet wird. Die verschiedenen Asteroiden-Typen unter- scheiden sich ganz wesentlich in ihrer Dichte, die für C - haltige Objekte bei ca. 3 400 kg/m3 und für den M-Typ bei ca. 7 800 kg/m3 liegt. 8
und 20 Jahren und die Neigung ihrer Bahnen zur Ekliptik beträgt maximal 20°. Für Kometen mit einem Durchmesser un- ter 100 Meter ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Erde überhaupt erreichen, gering, da sie meist der Sonne so nahe kommen, dass sie in Sonnennähe voll- ständig verdampfen. Die Sublimationsrate kann bis zu einer Million Tonnen Wasser am Tag erreichen, da der Kometenkern aufgrund von Kohlenstoffverbindungen viel Sonnenlicht absorbiert. Die Kometen- masse nimmt also bei jedem Umlauf in Sonnennähe ab und die Bahn ändert sich dabei. Abb. 14: Komet Borrelly mit seiner topographischen Karte, NASA Deep Space 1, September 2001. Abb. 13: Typische lang gezogene elliptische Bahn ei- nes die Erdbahn kreuzenden Kometen. Erkundungen von Kometen Abb. 15: Die Rückseiten- ansicht unseres Mondes Über Jahrtausende hat der Halleysche (Apollo 16, April 1972). Komet, der alle 76 Jahre wiederkehrt, die Menschen gleichermaßen fasziniert und verängstigt. Heute weiß man, dass sein dungen, bedeckt ist, die den Kern aus Eis Einschätzung der Gefahr kohlenstoffhaltiger annähernd tonnenför- schützt und zu einer sehr geringen Albe- miger Kern einen Durchmesser von acht do führt. Reißt solch eine Kruste in Son- Unsere Erde bewegt sich wie eine kosmi- und eine Länge von 16 Kilometern hat, nennähe durch den Druck des Wasser- sche Zielscheibe um die Sonne. Vegetati- dass er uns jedoch bis auf weiteres nicht dampfes auf, kommt es zu so genannten on, Wettergeschehen, Tektonik und nicht gefährlich wird. Als er im März 1986 das Jets, die einerseits den Kometenkopf und zuletzt unsere Atmosphäre wirken wie letzte Mal die Ekliptik kreuzte, hatte man -schweif speisen, andererseits nach dem Radiergummis und verwischen die Spu- ihm mehrere Raumsonden entgegen ge- Rückstoßprinzip eine Bahnänderung be- ren von Zusammenstößen. Um die Zahl schickt. Die Sonde Giotto der ESA kam dingen. Da diese Vorgänge exakt nicht der erdnahen Objekte, die uns gefährlich ihm am nächsten. Sie flog in weniger als vorhersehbar sind, sind Bahnvorhersagen werden können, abzuschätzen, können 600 Kilometern am Kern vorbei. Die che- für Kometen nur für kurze Zeiträume aus- wir jedoch unseren Trabanten betrachten mische Zusammensetzung des Gases im reichend genau. (Abb. 15). Kometenkopf, der so genannten Koma, Mit der Deep Space 1-Mission der und die Oberfläche des Kerns wurden un- NASA gelangen 2001 Nahaufnahmen tersucht. Man weiß nun, dass Halley von des Kometen Borelly, die erstmals die Er- einer sehr dunklen Kruste aus Mineralien, stellung einer topographischen Karte er- WechselWirkungen y Metallen, aber auch organischen Verbin- lauben (Abb. 14). Jahrbuch 2003 y 9
WechselWirkungen y Höhen, Steinasteroiden derselben Größe berechnen, dem ein Eisenasteroid mit ei- Jahrbuch 2003 y wesentlich weiter unten, sie zerbrechen ner Dichte von neun Kilogramm pro Liter auch oft. Eisen-Nickel-Asteroiden dage- und einer Geschwindigkeit von zehn Kilo- gen können schon mit geringem Durch- metern pro Sekunde zugrunde liegt. Zur messer die Erde erreichen. Alle diese Ob- Erweiterung der Skala in den Bereich klei- jekte zusammen erhöhen die Masse un- ner Objekte hinein wurden Aufnahmen seres Planeten um durchschnittlich 40 von militärischen geostationären Satelli- Tonnen am Tag. Jährlich gibt es in der ten, die ursprünglich für die Überwa- Atmosphäre der Erde 20 - 30 Explosio- chung und Untersuchung nuklearer Ereig- nen der Kilotonnen-Klasse. Bereits die nisse stationiert wurden, ausgewertet. Druckwellen können große Zerstörungen Mit ihnen werden seit Jahren zwischen hervorrufen wie beispielsweise in Tun- 60 und 80 Prozent der Erde beobachtet. guska. Kommt es zur Explosion über In der Zeit von Februar 1994 bis Sep- Was passiert eigentlich beim Eintritt in Wasser, so werden großer Wellen, so ge- tember 2002 wurden für 300 in die Erd- die Erdatmosphäre? nannte Tsunamis, ausgelöst. Größere Ob- atmosphäre eintretender Körper die aus- jekte – vorzugsweise bei hoher Dichte – gesandte Lichtintensität in Abhängigkeit Die Antwort auf diese Frage hängt von verdampfen nicht vollständig, sie kom- der Zeit aufgenommen. Zur Berechnung der Größe und der Zusammensetzung men als Meteorite am Boden an. Man der Durchmesser der Objekte müssten ei- des Eintrittskörpers, aber auch ganz we- schätzt ihre Zahl auf etwa 10 000 bis gentlich die spektrale Intensitätsvertei- sentlich von seiner Geschwindigkeit und 50 000 im Jahr. Der größte bisher ent- lung, die Eintrittsgeschwindigkeit und so- seinem Eintrittswinkel ab. Die typische deckte Meteorit, Hoba West, wurde in mit die kinetische Energie zu Beginn des Geschwindigkeit, mit der Asteroiden in Südafrika gefunden, er wiegt ca. 60 Ton- Eintritts sowie Masse, Zusammensetzung die Atmosphäre der Erde eintreten, liegt nen. Zusätzlich kommt für sehr große und Oberflächenbeschaffenheit der Ob- zwischen 15 und 25 Kilometern pro Se- Objekte hinzu, dass es bei Annäherung jekte bekannt sein. Alle diese Größen kunde (km/s). Bei Kometen kann die Ein- an die Erde aufgrund der Schwerkraft zu können jedoch nur abgeschätzt werden. trittsgeschwindigkeit bis zu 73 km/s be- großen inneren Kräften kommt. Große Daher kann man der Lichterscheinung tragen. Die Bewegungsenergie der Him- Körper (s) zerbrechen oder explodieren, letztendlich nur einen effektiven Durch- melskörper ist proportional zu ihrer Mas- wenn sie dem Zentralkörper (z) näher als messer zuordnen. Für die beobachteten se und steigt quadratisch mit ihrer Ge- die Roche-Grenze (R) kommen, die we- Körper ergaben sich effektive Durchmes- schwindigkeit an. Sie muss spätestens sentlich vom Dichte (r)-Verhältnis der ser zwischen einem und zehn Meter. beim Aufschlag auf der Erde vollständig Körper abhängt: R=2,44 (rs/rz)1/3. Für Mit dem amerikanischen Asteroiden- abgebaut werden. Zunächst wird der Kör- steinige Objekte ist dies bei ihrem Sturz suchprogramm LINEAR (Lincoln Near- per in der Atmosphäre abgebremst, da- auf die Erde bei einem Durchmesser Earth Asteroid Research) wurde der durch kommt es zu einer starken Erhit- größer als ca. einen Kilometer der Fall. Größenbereich 10 bis 100 Meter unter- zung der Luft in Oberflächennähe und zu Man vermutet daher, dass das Steinhei- sucht. Den Abbildungen 16 und 17 ist zu großen Wärmeflüssen und Kräften auf mer Becken und das Nördlinger Ries auf entnehmen, dass ein hundert Meter das Objekt. Dies kann zum Auseinander- einen einzigen Asteroiden zurückzufüh- Asteroid die Sprengkraft einer Wasser- brechen, zur Ablation und/oder zur Ex- ren sind, der aufgrund der Schwerkraft plosion führen. Der Rest der kinetischen stoffbombe hat, dass es ca. eine Million bei Annäherung an die Erde in zwei Teile Energie wird dann beim Einschlag auf die Objekte dieser Größe gibt und wir alle zerbrach. Erde freigesetzt und führt zu Erdbeben, 10 000 Jahre mit einem Einschlag die- Die meisten erdnahen Asteroiden sind Tsunamis und Kraterbildung sowie zum ses Ausmaßes rechnen müssen. Die für uns ungefährlich, wobei manche für Wahrscheinlichkeit eines Asteroidenein- Aufschmelzen und Verdampfen von uns sogar zur Erkundung und Eroberung schlages ist etwa 50 Mal höher als die Asteroiden- und Bodenmaterial. Wesentlich bestimmt jedoch auch der des Weltalls kostbare Bodenschätze lie- für einen Kometeneinschlag desselben Durchmesser der Objekte (d) das Gesche- fern könnten. Einige wenige erdnahe Durchmessers. hen mit, da die Schwerkraft mit d3, der Objekte können uns jedoch gefährlich Luftwiderstand nur mit d2 ansteigt. Daher werden. Welche Auswirkungen hat ein Einschlag? kommen Mikrometeorite, die kleiner als 100 Mikrometer sind, nicht einmal zum Wie viele gefährliche Objekte gibt es? Bereits relativ kleine in der Atmosphäre Glühen, sondern schweben langsam und explodierende Objekte können zu direk- unversehrt zu Boden. Ein Regen von sol- Untersuchungen der Mondoberfläche ten Zerstörungen durch die Druckwellen, chen kleinen Objekten, meist Bruch- von der Erde aus zusammen mit Analy- aber auch zu Feuersbrünsten führen. Bei stücke von Asteroiden oder seltener von sen der von den Apollo-Astronauten ge- größeren Objekten werden Erdbeben Kometen, gehen täglich auf die Erde nie- sammelten Proben erlauben heute eine oder Tsunamis ausgelöst. So kann ein Ei- der. Größere Objekte verglühen, explodie- Abschätzung der Trefferhäufigkeit für die senasteroid von 80 Metern Durchmesser, ren oder zerbrechen in der Atmosphäre. Erde. Aus einer Analyse der Krater kann der mit 30 km/s in die Atmosphäre ein- Abhängig von ihrer Masse, ihrer Zusam- die kinetische Energie der Objekte und tritt, ein Erdbeben der Stärke 7 auf der mensetzung und Dichte, ihrer Eintrittsge- unter Annahme einer Dichte und Ge- Richterskala oder eine Wellenfront von schwindigkeit und ihres Eintrittswinkels schwindigkeit auch ihr Durchmesser ab- 40 Metern Höhe an der Küste erzeugen. geschieht dies in unterschiedlicher Höhe. geschätzt werden. Es hat sich eingebür- Es kommt zu Kraterbildung, Aufschmel- Kometen explodieren meist in hohen gert, einen äquivalenten Durchmesser zu zung und Verdampfung. Staubwolken 10
umkreisen dann die Erde und reduzierte Sonneneinstrahlung und Kälte sind die Folgen. Bei 300 Metern Durchmesser können ganze Länder ausradiert werden. Wenn der Körper ins Meer fällt, können die Flutwellen noch Schlimmeres anrich- ten. Man geht heute davon aus, dass bei einem Durchmesser von 0,5 Kilometern bereits eine globale Katastrophe aus- Abb. 16: Zahl der Kollisionen gelöst wird. Bei einem Kilometer Durch- pro Jahr in Abhängigkeit des äquivalenten Objektdurch- messer muss mit der Auslöschung der messers beziehungsweise Menschheit gerechnet werden. seiner zugehörigen kineti- schen Energie [4]. Wie groß ist die Gefahr eigentlich? Die Zahl der nahen Objekte mit einem Durchmesser von mindestens 0,5 Kilo- metern wird auf mehrere Tausend ge- schätzt. Von der Größenordnung ein Kilo- meter sind heute 600 Objekte in Erd- nähe bekannt. In Tabelle 2 sind jeweils die zehn Asteroiden und Kometen aufge- führt, die uns zuletzt nahe kamen. Bei den Asteroiden muss man hierfür nicht weit in die Vergangenheit zurückblicken. Im Internet ist eine zwölfseitige Liste aller hinreichend gut bekannten Objekte veröf- fentlicht, die uns bis zum Jahr 2178 näher als 0,05 AE kommen: es sind ca. 350! Zum Vergleich: die Entfernung Erde-Mond beträgt 0,0026 AE. Die Wahrscheinlichkeit, dass nächstes Jahr ein großer Asteroid mit einem Durchmesser von mindestens einem Kilometer einschlägt, muss heute mit 1:100 000 angegeben werden. Geht man von einer Lebenserwartung von 100 Jahren aus, so ist die Wahrschein- lichkeit, einen Einschlag der 1km-Klasse zu erleben, drei mal größer als 6 Richtige im Lotto, wenn man 100 Jahre lang je- des Wochenende spielt. Vor diesem Hin- tergrund muss alles daran gesetzt wer- den, Strategien zu entwickeln, um globa- le Katastrophen abwenden zu können. Abb. 17: Zuordnung von kinetischer Energie und Objektdurchmesser für Steinasteroiden (ρ=9 kg/m3) und Ko- WechselWirkungen y meten (ρ=1 kg/m3) für zwei Geschwindigkeitsbeispiele mit Abschätzungen ihrer Anzahl und Einschlagwahr- scheinlichkeit [5]. Jahrbuch 2003 y 11
WechselWirkungen y Jahrbuch 2003 y Tabelle 2 12
Tabelle 3 Tabelle 4: Entdeckungen erdnaher Objekte in den letzten Jahren Aussterben der Dinosaurier ein Bewusst- sein für die Bedrohung aus dem Weltall geschaffen. Die Kollision des Kometen Shoemaker- Levy 9 mit Jupiter 1994 machte dann die Gefahr einer größeren Öffentlichkeit deutlich. Immer häufiger werden nun Vorbeiflüge von Himmelskörpern gemel- det, die uns zum Teil näher kamen als un- ser Mond (Tabelle 4). Einige der durch- aus großen Objekte wurden erst ent- deckt, als sie sich schon wieder von der Erde entfernten. Dies hatte nun in jüngs- ter Vergangenheit auch in Europa „politi- sche“ Folgen: 1996 kam es zu einer Re- solution des Europarates mit der Auffor- derung, sich der Abwehr von Asteroiden und Kometen anzunehmen. Im selben Initiativen zur Erfassung und Asteroid, 1932HA, wurde erst 1932 von Untersuchung gefährlicher dem Heidelberger Astronomen Dr. Karl Objekte Reinmuth entdeckt, der dann 1937 auch den Asteroiden Hermes entdeckte, der Sind alle gefährlichen Objekte bekannt? sich der Erde bis auf 770 000 Kilometer Wer kümmert sich um die Überwachung näherte (etwa die doppelte Mondentfer- unserer Nachbarschaft? nung). Das erste Asteroiden-Suchpro- Wer sorgt für unsere Sicherheit? gramm wurde 1973 in USA gestartet. Bis heute ist nur ein kleiner Teil der Him- Wie man der Tabelle 3 über die Suchpro- melskörper bekannt, die uns gefährlich gramme entnehmen kann, wurde erst WechselWirkungen y werden können. Der erste erdnahe mit der Aufklärung der Ursache für das Jahrbuch 2003 y 13
WechselWirkungen y Ferner ist auch eine Überwachung der Konzept zur Früherkennung Jahrbuch 2003 y Bahnen gefährlicher Objekte nötig, da gefährlicher Objekte diese sich aufgrund der relativ geringen Masse der Objekte leicht ändern können. In den USA wurde in den letzten Jahren Eine Bahnänderung kann durch die Be- eine Studie mit Namen CASP (Comet gegnung mit anderen Himmelskörpern /Asteroid Protection System) durchge- sowie durch Sublimation oder Jet-Bil- führt mit dem Ziel, aufzuzeigen, wie ein dung in Sonnennähe hervorgerufen wer- System zur Früherkennung und Abwehr den und ist selten im Voraus berechen- gefährlicher Objekte aussehen könnte Jahr wurde zur Koordinierung der Erfas- bar. Eine systematische Bahnüberwa- [8]. Diese Studie hat klar gezeigt, dass ei- sung und Untersuchung erdnaher Astero- chung aller bekannten Objekte wird je- ne Beobachtungsstation im Weltall unbe- iden auf private Initiative hin eine interna- doch derzeit nicht durchgeführt. Amateu- dingt erforderlich ist. Wichtigstes Ziel tionale Gesellschaft gegründet, die „ Spa- re haben diese Aufgabe teilweise über- muss die frühzeitige Erkennung erdnaher ce Guard Foundation“, sie wird nun von nommen. Asteroiden und Kometen mit kleinen Um- den Vereinten Nationen unterstützt, die Für die Erfassung kleiner Objekte und laufzeiten sein. Frühzeitig heißt, dass sie 1999 in der Wiener Deklaration auf die die Früherkennung von Kometen ist eine bereits einige Umläufe vor dem Erreichen Gefahr aus dem All hinwiesen. 2001 rea- Überwachungsstation im Weltraum – auf der Erde entdeckt werden müssen. Die gierte die „European Science Foundati- dem Mond oder an einem der Lagrange- Erkennung der Objekte muss die genaue on“ mit einem Positionspapier. 2002 riet Punkte des Systems Erde-Sonne – erfor- Bestimmung ihrer Bahn und ihre physika- die Münchner Rück, eine der weltweit derlich, da die Atmosphäre der Erde die lische Charakterisierung beinhalten, um größten Assekuranzen, ihren Versiche- Lichtausbeute deutlich reduziert (Abb. die Objekte mindestens klassifizieren zu rungsunternehmen, sich auf einen 18). Einige Wellenlängen-Bereiche wer- können. Bei kleinen Objekten sollte die Asteroideneinschlag einzustellen. den sogar ganz ausgeblendet. Dies ist vor Vorwarnzeit wenigstens für eine Evaku- In den USA überlegt man derzeit beim allem für die Ermittlung der Zusammen- ierung des voraussichtlichen Einschlagge- militärischen Weltraumüberwachungs- setzung der Objekte von Bedeutung. bietes ausreichen. Ferne Kometen sollten kommando „US Space Command“, eine Durch eine Station im Weltraum würde bereits weit von der Erde entfernt erkannt zentrale Stelle zu schaffen, bei der alle daher die Bestimmung der Zusammen- werden, jedoch leuchten sie erst in Son- Daten über Asteroiden und Kometen ge- setzung des Objekts deutlich erleichtert nennähe. Eine exakte Bestimmung ihrer sammelt werden sollen, die der Erde ge- und selbst schwach leuchtende Objekte Bahn ist erst sehr spät möglich, da die fährlich werden können. Die Initiative hat sowie Objekte in Sonnennähe könnten Ausbildung des Schweifes zu einer er- den Namen „Natural Warning Impact entdeckt werden. Darüber hinaus wäre heblichen Bahnänderung führen kann. Clearing House Concept of Operations“. man unabhängig von der Tageszeit, der Auslegungskriterien für ein Beobach- NASA und nun auch ESA haben zur Atmosphäre und dem Wetter. tungssystem in der CAPS-Studie waren, Technologieentwicklung für eine effizien- te Abwehr bedrohlicher Himmelskörper Studien anfertigen lasen. Notwendige Voraussetzungen einer erfolgreichen Ab- wehr aber sind die Früherkennung der gefährlichen Objekte und ihre Erfor- schung. Wie sieht es mit der Früherkennung aus? Man darf sich durch die Vielzahl der Suchprogramme nicht täuschen lassen, ihre finanzielle Ausstattung ist sehr ge- ring. Zudem gibt es seit 1996 für die südliche Erdhalbkugel kein Suchpro- gramm mehr. Ziel derzeitiger Suchpro- gramme ist lediglich, bis 2008 90 Pro- zent aller Asteroiden, die einen Durch- messer von 300 Meter oder größer ha- ben, zu erfassen. Nicht eingeschlossen in derzeitige Suchprogramme sind Kometen sowie kleinere Objekte, die jedoch lokal und zum Teil auch global durchaus zu großen Zerstörungen führen können. Nicht einmal nach großen Kometen mit Abb. 18: Die Emission eines Himmelskörpers hängt wesentlich von seiner Temperatur ab. Das Emissionsmaxi- langen Umlaufperioden wird derzeit ge- mum der Sonne mit einer Temperatur von ca. 5700 °C liegt im sichtbaren Bereich, während die wesentlich sucht. Wenn sie von der Erde aus ent- kältere Erde bei höheren Wellenlängen abstrahlt. Die Atmosphäre der Erde lässt nur einen Teil der Sonnen- strahlung durch, ganze Wellenlängenbereiche werden vollständig herausgefiltert. Dies behindert oder verhin- deckt werden, ist es für Abwehrmaßnah- dert sogar die Ermittlung der Zusammensetzung strahlender Objekte, wie anhand der Emissionen der Wasser- men allerdings ohnehin viel zu spät. und Kohlendioxidmoleküle verdeutlicht wird. 14
Abb. 20: Zerstörung eines Asteroiden durch eine Explosion, künstlerische Impression. Abb. 19: Früherkennungssystem auf dem Mond [8]. dass ein 1 km-Objekt mindestens in einer seine Zerstörung. Im Folgenden werden noch zur Verfügung steht. Die erforderli- Entfernung von fünf AE und Objekte von für beide Abwehrstrategien in der Diskus- che Geschwindigkeitsänderung hängt je- 50 Metern Durchmesser in 0,2 AE er- sion befindliche Szenarien vorgestellt. doch auch von der Bahn und der Ge- kannt werden müssen. Das System sollte schwindigkeit des Objektes ab. Eine ver- einmal im Monat den gesamten Himmel Zerstörung des Objektes gleichsweise kleine Geschwindigkeitsän- absuchen, um Vorwarnzeiten von ca. ei- derung reicht aus, wenn es gelingt, das nem Jahr für ein großes Objekt und von Eine Zerstörung des Objektes kann je Manöver in großer Entfernung durchzu- ca. einem Monat für kleine zu erreichen. nach Größe und Zusammensetzung führen (Abb. 21). Die für die Bahnablen- Ein Früherkennungssystem, das diesen durch den Aufprall eines Geschosses kung erforderliche Kraft steigt mit der Anforderungen gerecht werden soll, oder durch eine Detonation zum Beispiel Masse des Objektes, mit seiner Ge- braucht als Herzstück ein hoch auflösen- einer Wasserstoffbombe in Objektnähe schwindigkeit und der Kürze der noch des Teleskop mit großer Apertur, ausge- oder auf dessen Oberfläche hervorgeru- verfügbaren Zeit. Wichtig ist, dass die stattet mit sehr schnellen und empfindli- fen werden (Abb. 20). Nachteil beider Kraft im Schwerpunkt ansetzt, damit man chen Detektoren zur Untersuchung eines Methoden ist, dass eine Vielzahl von nicht durch Veränderung der Rotation großen Spektralbereichs (UV-IR). Die er- Bruchstücken entsteht. Allein die zuver- unnötig Energie und Impuls vergeudet. forderliche hohe Auflösung kann nur er- lässige Vorhersage der Anzahl großer Die Kraft sollte ferner auf eine möglichst reicht werden, wenn man eine interfero- Bruchstücke und ihrer Massen ist sehr große Fläche verteilt angreifen, um ein metrische Anlage aufbaut, bei der die De- schwierig und erfordert detaillierte Kennt- Zerbrechen des Objektes zu verhindern. tektoren mehrere 100 Meter voneinan- nisse über den inneren Aufbau des Plane- Bei den Ablenkungsverfahren versucht der entfernt sind (Abb. 19). Zur genauen toiden. Aufgrund der hohen Geschwin- man einerseits den Impulssatz auszunut- Bahnbestimmung sind Laserentfernungs- digkeiten der Objekte kann man jedoch zen, der besagt, dass in einem abge- messer erforderlich. Der Stand der Tech- davon ausgehen, dass auch die Bruch- schlossenen System die Summe aller Im- nik ist für den Aufbau einer solchen Anla- stücke größtenteils die Erde treffen wer- pulse erhalten bleibt. Andererseits soll ge heute noch nicht ausreichend, der Ent- den. Daher kommt diese Methode nur für möglichst viel der eingesetzten Energie in wicklungsaufwand ist jedoch überschau- kleine Objekte infrage, bei denen man si- gerichtete Bewegungsenergie für die bar. Sie könnte entweder auf eine helio- cherstellen kann, dass alle Bruchstücke Bahnänderung verwandelt werden. Es zentrische Bahn gebracht werden, zum kleiner als 50 Meter sind und sie somit gibt grundsätzlich viele Möglichkeiten, ei- Beispiel in einen Librationspunkt Erde- keinen nennenswerten Schaden anrich- ne Bahnänderung zu erreichen. Die aus- Sonne, oder in eine Planeten- oder Mond- ten können. Bei großen Objekten wird sichtsreichsten, aber auch einige ausge- umlaufbahn. Eine weitere Möglichkeit ist man eine Sprengung vermeiden und fallene, jedoch interessante, Varianten die Stationierung auf dem Mond an ei- stattdessen versuchen, sie aus ihrer Bahn werden im Folgenden beleuchtet. nem der Pole oder auf der der Erde abge- abzulenken. Für eine Bahnablenkung ist wandten Seite. zudem wesentlich weniger Energie erfor- derlich und die Vorausberechnung der neuen Bahn weitaus sicherer. Möglichkeiten zur Abwehr von Katastrophen Ablenkung des Objektes Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Generell kann man sagen, dass eine Ab- Möglichkeiten der Abwehr einer Katastro- lenkung umso einfacher ist, je kleiner die WechselWirkungen y phe: die Ablenkung des Objektes oder Masse des Objektes ist und je mehr Zeit Jahrbuch 2003 y 15
WechselWirkungen y Gerichteter Ausstoß von Asteroiden- oder onsrate ist die Kenntnis der Oberflächen- Jahrbuch 2003 y Kometenmaterial schichten des Objektes erforderlich. Es gibt wieder verschiedene Möglichkeiten, Wesentlich geringer ist der Transportbe- ans Ziel zu kommen: man kann ein Ge- darf, wenn man Material des Objektes schoss einsetzen, eine Detonation her- selbst gerichtet abstößt, um den zur beiführen, das Sonnenlicht ausnutzen Bahnänderung nötigen Impuls zu erzeu- oder einen Laser zum Einsatz bringen. gen. Hierzu ist zu allererst Energie erfor- derlich. Aufgrund des niedrigen Druckes Einsatz eines Geschosses kommt es in der Regel nicht zur Verflüssi- gung und Verdampfung, sondern das Lässt man ein Geschoss mit hoher Ge- Material geht direkt vom festen in den schwindigkeit auf das abzulenkende Ob- Erzeugung eines Rückstoßes durch den gasförmigen Agregatszustand über, es jekt treffen, sollte es Ziel sein, dass es sei- Ausstoß von Materie sublimiert. Zur Berechnung der Sublimati- nen Impuls und seine Energie möglichst Die Idee ist hierbei, Material (mM) mit möglichst hoher Geschwindigkeit (vM) ge- richtet auszustoßen und so eine Ge- schwindigkeitsänderung (VvO) des Objek- tes (mO) zu erzeugen (Abb. 22). Man kann dazu einen Raketenantrieb einsetzen, bei dem Treibstoff ausgestoßen wird oder man sorgt für einen gerichteten Ausstoß von Material des Objektes selbst. Einsatz eines Raketenantriebes Will man eine Rakete zur Bahnablenkung einsetzen, muss man bedenken, dass sie samt Treibstoff zum Asteroiden befördert, dort gelandet und verankert werden muss (Abb. 22). Der Transportbedarf ist hoch, insbesondere, wenn der Treibstoff von der Erde aus mitgenommen wird. Ra- kete, Treibstoff und Transferfahrzeug müssen mit mehreren Großraketen in ei- ne Erdumlaufbahn gebracht, dort zusam- mengebaut und betankt werden. Zur Be- Abb. 21: Geschwindigkeitsbedarf zur Bahnänderung. reitstellung einer ARIANE-V-Rakete in ei- ner erdnahen Umlaufbahn wären mehr als 17 Starts einer Saturn-V-Rakete erfor- derlich (Abb. 39). Dann muss die Rakete mit einem Minimum an Treibstoff zu ihrem Zielobjekt transportiert werden. Hierfür ist ein schubstarkes Transferfahr- zeug erforderlich. Eine Landung ist auf- grund der geringen Schwerkraftwirkung kleiner Objekte nicht einfach und muss vollautomatisch erfolgen. Zur sicheren Verankerung ist zudem die Kenntnis der Beschaffenheit des Objektes in Ober- flächennähe nötig. Für kleine Asteroiden bis zur 100m-Klasse ist es durchaus denkbar, eine Rakete einzusetzen, wenn genügend Vorlaufzeit zur Verfügung steht. Gerade bei kleinen Objekten ist die Vorwarnzeit jedoch oft sehr kurz, vor al- lem bei Beobachtung von der Erde aus. Daher müsste die Rakete bereits trans- portbereit im Weltraum stationiert sein und das Manöver in Erdnähe durchge- führt werden. Abb. 22: Einsatz einer Rakete zur Abwehr eines Asteroiden, künstlerische Impression. 16
Abb. 23: Abwehr durch Beschuss. vollständig überträgt (Abb. 23). Man abgelenkt werden. Es wäre wie bei einem möchte nicht mit dem Objekt Billard spie- Faustschlag in einen Sandsack: der Hau- len, obwohl man dann eine höhere direk- fen wird deformiert und ein Großteil der te Impulsübertragung erzielen könnte. Energie nicht als kinetische Energie über- Ziel ist, dass das Geschoss stecken bleibt tragen. Der Bedarf an Startkapazität ist und so seine ganze Bewegungsenergie auch für diesen Fall hoch. Die Positionie- zur Sublimation von Objektmaterial ab- rung solcher Waffen in Erdnähe wirft je- gibt. Dadurch kommt es zu einem zusätz- doch darüber hinaus politische Probleme lichen Rückstoßeffekt. Schon bei einer auf. Aufprallgeschwindigkeit von zehn Kilo- metern pro Sekunde ist die Energie pro Ausnutzung des Sonnenlichtes Masse um den Faktor 4 größer als der Energieinhalt des Treibstoffes einer che- Die Idee, das Sonnenlicht mit einem mischen Rakete. Zur Auslegung des Ge- Spiegelsystem einzufangen, wurde erst- schosses hinsichtlich erforderlicher Mas- mals 1993 von Melosh und Nemchinov se und Geschwindigkeit und zur Auswahl publiziert [9]. Das Sonnenlicht wird mit des Zielgebietes, insbesondere im Hin- einem Spiegel gesammelt, umgelenkt blick auf die Vermeidung einer Spren- und auf den Planetoiden konzentriert, so Abb. 24: Mission „Deep Impact“ zur Untersuchung dass lokal eine hohe Wärmestromdichte gung, muss man für den Einsatz eines des Inneren des Kometen Temple 1. Geschosses vor allem die mechanischen erreicht wird und Asteroidenmaterial sub- Eigenschaften und die Masse des Objek- limiert (Abb. 25). Das heiße Gas wird in tes, seine Zusammensetzung und Dichte Kupfer hat man sich entschieden, da es den Weltraum expandiert. Dabei kommt sowie die Dichteverteilung kennen. eine hohe Dichte aufweist und seine ei- es zu relativ hohen Gasgeschwindigkei- Erste Erfahrungen mit dem Beschuss genen Emissionslinien und die seiner Re- ten (ca. 1km/s) und es kann somit ein eines Kometen wird man bei der Mission aktionsprodukte bei der Untersuchung Schub erzeugt werden. Nennenswerte „Deep Impact“ sammeln können. Eine des ausgestoßenen Materials relativ we- Sublimation erfordert Temperaturen von amerikanische Kometensonde mit einem nig stören. Neben der Bestimmung der mindestens 2000°C. Die Sublimations- Geschoss an Bord wird voraussichtlich im Zusammensetzung im Inneren wird man wärme von steinigen Asteroiden (Silika- Juli 2005 gestartet. Hauptziel dieser Mis- auch auf die mechanischen Eigenschaf- ten) liegt bei ca. 15 MJ/kg, für Kometen sion ist die Erforschung des Inneren des ten zurück schließen können (Abb. 24). (Eis) bei ca. drei MJ/kg (Megajoule pro Kometen Temple 1. Dieser Komet rotiert Kilogramm). Bei der Auslegung des Sys- relativ langsam und ist auf einer Bahn, die Erzeugung einer Detonation tems müssen Rotation des Objektes und eine hohe Einschlaggeschwindigkeit des Wärmeleitung in der Oberfläche mit 500 kg Kupfergeschosses verspricht. Ob- Verursacht man eine Detonation einer berücksichtigt werden. Daher sind Wär- wohl die kürzeste Entfernung seiner Bahn Nuklearbombe auf der Oberfläche oder in von der Erde immer noch 0,5 AE - also Oberflächennähe des bedrohlichen Ob- die halbe Entfernung zur Sonne – jektes, so kann man im Vergleich mit der beträgt, wird man den Einschlag nicht chemischen Rakete einen um mehrere nur von der Muttersonde aus, sondern Größenordnungen höheren Impuls über- auch von der Erde aus beobachten kön- tragen. Aber Vorsicht ist geboten! Ein nen. Das Geschoss wird ein Loch der monolithischer Körper könnte zerbrechen WechselWirkungen y Größe eines Fußballfeldes erzeugen. Für und ein loser Steinhaufen würde kaum Jahrbuch 2003 y 17
WechselWirkungen y Jahrbuch 2003 y meflüsse von einigen zehn, besser eini- gen hundert Megawatt pro Quadratmeter (MW/m2) nötig. Grundsätzlich kann man für kleine Asteroiden eine ausreichende Ablenkung erzielen, wenn das System mehrere Jahre in Betrieb ist. Große Spie- gel werden für große Teleskope ent- wickelt. Eine Antennenstruktur mit 14 Metern Durchmesser wurde von der NASA bereits 1996 erfolgreich erprobt. Abb. 26: Hochleistungslaser zur Objektabwehr, künstlerische Impression. Abb. 27: Wirkkoeffizient als Funktion der Leistungs- Abb. 25: Spiegelsystem zur Asteroidenablenkung, künstlerische Impression. dichte für einen fünf Nanosekunden–Laserpuls [5]. An der TU Dresden wurde von Völker der Verdampfung mit erheblicher Ver- CAPS-Studie [8]. In dieser Studie wurde in seiner Diplomarbeit unter sehr optimis- schmutzung des Spiegels gerechnet wer- zur Ablenkung ein gepulstes Lasersystem tischen Annahmen die spezifische Spie- den muss und dass Abschattungseffekte vorgeschlagen, mit dem Asteroidenmate- gelmasse betreffend abgeschätzt, dass nicht zu vermeiden sind. Diesen Proble- rial von der Oberfläche ablatiert wird man einen typischen Steinasteroiden mit men könnte man jedoch mit einem Sys- (Abb. 26). Das abgetragene Material ex- einem Kilometer Durchmesser mit einem tem von vielen Spiegeln begegnen. pandiert ins Vakuum und ruft als Reaktion 1,5 km-Spiegel pro Jahr Betriebszeit um Insgesamt erscheint dieser Ansatz sehr eine Schubkraft hervor. Da dieser Vor- zehn Erdradien ablenken könnte, sofern komplex. Zudem ist eine genaue Kennt- schlag besonders aussichtsreich er- dieser sich in einer Entfernung von einer nis der Bewegung des Objektes und ins- scheint, wird er nun näher betrachtet. besondere eine Abstimmung mit seiner AE zur Sonne befindet [10]. Hierzu wäre Abhängig von Pulsdauer und Material Rotation erforderlich, also eine maßge- eine Systemmasse von 50 Tonnen erfor- schneiderte Lösung, für die man meist des Objektes gibt es eine optimale Leis- derlich. Diese Masse hätte fast eine einzi- keine Zeit haben wird. tungsdichte, bei der man mit dem Laser- ge Saturn-Rakete in einen erdnahen Orbit puls den höchsten Schub erzeugen kann. befördern können (Abb. 39). Außer Acht Einsatz eines Hochleistungslasers Das Verhältnis von erreichtem Schub zu gelassen wurde bei dieser Abschätzung aufgewendeter Laserleistung ist ein Maß jedoch, dass sich der Verdampfungs- Ersetzt man Sonnenlicht und Spiegel für die Effizienz der Maßnahme und wird punkt zum Beispiel durch die Rotation durch ein Lasersystem, so ist man im Prin- als Wirkkoeffizient bezeichnet. In Abbil- des Asteroiden bewegt, dass aufgrund zip beim Vorschlag der amerikanischen dung 27 ist dieser Wirkkoeffizient für 18
zwei Fälle dargestellt. Ist die Strahlungs- dichte an der Oberfläche zu gering, wird nicht ablatiert, der Wirkkoeffizient ist null. Ist die Wärmeleitung im Material bei- spielsweise bei großem metallischem An- teil im Material hoch, so ist die erforderli- che Leistungsdichte groß. Wählt man je- doch die Leistungsdichte zu hoch, wird das Material ionisiert. Das kostet Energie, die nicht in Schubstrahlenergie verwan- delt werden kann, der Wirkkoeffizient nimmt erheblich ab. Die Höhe des Maxi- mums des Wirkkoeffizienten hängt bei genauerer Betrachtung darüber hinaus vom sublimierenden Material ab. Ande- rerseits steigt die optimale Leistungsdich- te bei Verkleinerung der Pulsdauer mit 1/(Pulsdauer)2 an. Die erforderliche Laser- energie, um ein bestimmtes Objekt, das sich auf Kollisionskurs befindet, um einen Erdradius abzulenken, hängt im Wesentli- chen von der Bahn des Körpers, seiner Abb. 28: Zur Ablenkung um einen Erdradius erforderliche Energie in Abhängigkeit vom Objektdurchmesser Entfernung beim Eingriff, von seiner Zu- und des Beginns der Maßnahme [8]. sammensetzung und Dichte ab. Die erfor- derliche Geschwindigkeitsänderung nimmt mit abnehmendem Abstand zu. Zugleich muss die Laserleistung noch zu- sätzlich erhöht werden, da weniger Zeit zur Ablenkung zur Verfügung steht. Ins- gesamt steigt die erforderliche Laserleis- tung daher nahezu mit 1/(Abstand)2. Für einen steinigen Asteroiden (ρ=3000 kg/m3) und einen typischen Kometen mit langer Umlaufzeit (ρ=200 kg/m3) wur- den für einige Beispiele die erforderlichen Energien abgeschätzt. Sie sind in Abbil- dung 28 in Abhängigkeit des Objekt- durchmessers aufgetragen. Zieht man noch zusätzlich Abbildung 29 heran, in der für verschiedene Laserleistungen die an das Objekt übertragbare Energie über der Laserbetriebsdauer aufgetragen ist, kann ein Abwehrsystem ausgelegt werden. Für einen 200 Meter-Asteroiden (A1) ist bei einer Vorwarnzeit von sechs Abb. 29: Übertragbare Energie in Abhängigkeit von der Laserbetriebsdauer [8]. Monaten schon ein zehn MW-Laser aus- reichend, für einen 1 km-Asteroiden (A2) hingegen müssen es schon einige Giga- mensioniert werden und über eine adap- system, das derzeit entwickelt wird, ist watt (GW) mittlere Laserleistung sein. tive Optik verfügen. ein chemischer MW-Laser für den Einsatz Will man dagegen einen 200 km-Kome- Berechnungen der NASA ergaben, in Kampfflugzeugen. Diese von der US- ten (K) weit genug ablenken, kann man dass bei einer Laserpulslänge von fünf Airforce in Auftrag gegebene Entwick- dies schon mit einem Megawatt erreichen. Nanosekunden (ns) ein Wirkkoeffizient lung eines so genannten ABL-Systems Die Vorwarnzeiten werden nicht aus- von ca. 50 Newton (N)/MW erzielt wer- (Air Born Laser) lässt für die Abwehr ei- reichen für Entwicklung, Bau, Qualifikati- den kann. Eine ausreichend sichere Ab- on und Positionierung eines Lasersys- lenkung eines 1 km-Eisenasteroiden tems, das an ein bestimmtes Objekt opti- könnte dann mit einer mittleren Laserleis- mal angepasst ist. Daher muss man mit tung von 200 GW über 40 Tage hinweg einem einzigen Lasersystem für verschie- erreicht werden. Diese Laserleistung liegt denartige Objekte in unterschiedlicher jedoch um mehr als fünf Größenordnun- Entfernung gerüstet sein. Das Lasersys- gen über der heute verfügbaren Laser- WechselWirkungen y tem muss hierfür ausreichend groß di- technologie. Das leistungsstärkste Laser- Jahrbuch 2003 y 19
Sie können auch lesen