Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH

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Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH
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Eine Verlagsbeilage der
                          Schule 21/22
                                  Mittwoch, 28. April 2021

        MEDIENKOMPETENZ
Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH
S2                 Plus                                                       Schule 21/22                                                                            Mittwoch, 28. April 2021

MEDIENKOMPETENZ                                                                                                                -
Kompass im Ozean der Unübersichtlichkeit
Ein Kommentar von Helge Fahrnberger

I
  n diesem Jahrtausend Geborene ver-       wird, jedenfalls aber keinen Stein auf

                                                                                                                                                                                           Foto: Lisa Lux
  sammeln sich nicht um 19:30 Uhr           dem anderen lässt. Und wir, die Groß-
   vor der „Zeit im Bild“, dem Lager-      eltern, live dabei, Revolutionärinnen
feuer der Nation, sie lesen kaum noch      und Revolutionäre wider Willen. Denn
Zeitung, und viele sind dennoch bes-       ob wir es mögen oder nicht – wir
ser informiert, als wir es jemals wa-      stecken mittendrin in dieser neuen
ren. Sie schauen die Welt ganz anders      Unübersichtlichkeit.
an, als wir das in unserer Jugend ge-
tan haben.                                     Was ist wahr? Wem glauben?
   Nachrichten erreichen sie oft in        In meiner Zeit als Teenager hatte ich
Messaging-Apps oder sozialen Medi-         Zugang zu vielen rechtsextremen
en, empfohlen und weitergeleitet von       und       verschwörungstheoretischen
ihren Freundinnen und Freunden.            Hetzschriften, die mein Großvater
Insta, TikTok, Snapchat – die Tools der    abonniert hatte. Wenn stimmte, was
Aufmerksamkeitsökonomie ändern             ich da las, dann wäre vieles von dem,
sich ständig, aber die Mechanik bleibt     was ich in der Schule und in Medien
die gleiche. Und die Inhalte reichen       hörte, schlicht falsch. So war ich früh
von der wissenschaftlichen Covid-          gezwungen, Stellung zu beziehen –
19-Studie, deren Tinte noch nicht ge-      und dabei spielten Diskussionen mit
trocknet ist, bis zur Schlangengrube       Lehrerinnen und Lehrern sowie
an Verschwörungstheorien auf You-          Gleichaltrigen in der Schule eine ent-
Tube. Als „persönliche Redaktion“          scheidende Rolle.
fungiert das eigene Umfeld, das Infor-       Jugend ist das Alter besonders vie-
mationen vorselektiert und empfiehlt.      ler Fragen. In Zeiten, in denen „Wahr-
Als die Kommunikationswissenschaft         heiten“ von Chemtrails, der Erde als
dieses Phänomen im Zuge des US-            Scheibe und Bill Gates, der uns alle
Wahlkampfs 2008 erstmals analy-            per Impfung verchippt, auf Whats-
sierte und junge Menschen gefragt          App und YouTube kursieren, gilt das
wurden, woher sie ihre Informationen       wohl besonders. Hier sollte die Schule
bezögen, ohne regelmäßig Medien zu         helfen. Nicht unbedingt indem sie Ju-
konsumieren, antwortete eine jun-          gendlichen die Antworten auf all diese
ge Frau mit dem seitdem geflügelten        Fragen liefert, sondern indem sie ih-
Satz: „If the news is important, it will   nen die nötigen Werkzeuge vermittelt,
find me.“                                  diese Antworten selbst zu finden.
   Während die Nachteile dieser Ent-         So können im Unterricht Fakten-
wicklung schmerzlich spürbar sind          checks geübt werden: Wie glaubwür-
– von Medien, die nicht mehr wissen,       dig ist die Quelle einer bestimmten                                                 Helge Fahrnberger
wie sie Qualitätsjournalismus finan-       Nachricht? Was ist ihr Ursprung? Was      warum muss ich mir selbst misstrau-       ist Technologie-        als Aufsatz, Blog-Artikel oder auf
zieren sollen, bis zu Familienmit-         sagen andere Quellen, insbesondere        en? Wie formuliere ich eine Hypothe-      unternehmer und         Facebook – wichtig ist hier, dass auch
gliedern, die in Parallelrealitäten ab-    Autoritäten, zum Thema der Nach-          se? Wie identifiziere ich Expertinnen     Lehrbeauftragter        Unbeteiligte nachvollziehen können,
driften –, wissen wir noch zu wenig,       richt? Wie verhält es sich mit meinem     und Experten, und wie kann ich diese      für Journalismus in     worum es geht, und dass man nicht
welche Vorteile sie bringen wird.          eigenen Weltbild, „will“ ich die Nach-    kontaktieren?                             Wien sowie Gründer      nur bereits Überzeugte anspricht,
   Als Anfang der Nullerjahre Web-         richt möglicherweise glauben?                Dabei lassen sich digitale Grund-      des preisgekrönten      sondern auch zur eigenen Position
sites online gestellt wurden, wo man         Solche Faktenchecks lassen sich         kenntnisse üben, die über eine simple     Medien-Watchblogs       kritisch Eingestellte.
anonym jede Seite bearbeiten konnte        thematisch angepasst mit vielen Fä-       Google-Suche hinausgehen: Wie su-         Kobuk.at. Er twittert     Mit dieser Medienkompetenz aus-
– sogenannte Wikis –, konnte ich mir       chern verbinden und müssen sich           che ich nach Bildern, wissenschaftli-     unter @helge.           gestattet, werden Jugendliche das
gleich vorstellen, dass hier Menschen      auch nicht auf Social Media oder Ver-     chen Publikationen und in Büchern?                                Selbstbewusstsein entwickeln, Aussa-
Lügen, Gerüchte und Bombenbau-             schwörungstheorien        beschränken:    Wie suche ich in Fremdsprachen, in-                               gen zu hinterfragen, um sich in einer
anleitungen veröffentlichen würden.        Gerade Berichte etablierter Medien        klusive jener, die ich selbst gar nicht                           unübersichtlichen Welt nicht den ma-
Dass genau damit das größte Wissens-       eignen sich dafür manchmal hervor-        beherrsche? Wie kann ich soziale Me-                              nipulativen Welterklärern ausliefern
projekt der Menschheitsgeschichte          ragend.                                   dien nutzen, um Unterstützung bei                                 zu müssen. Und diese Medienkompe-
entstehen würde, die Wikipedia, mit                                                  meiner Recherche zu bekommen? Wie                                 tenz überdauert auch das sich ständig
56 Millionen enzyklopädischen Arti-          Faktencheck als digitale Grund-         funktioniert die Wikipedia, und wie                               ändernde Angebot an digitalen Werk-
keln in 309 Sprachen, kam mir nicht           kompetenz im 21. Jahrhundert           kann ich sie als Recherche-Startpunkt                             zeugen und Applikationen.
in den Sinn. Negative Folgen von Ver-      In der Folge kann man Jugendliche al-     nützen? Kann ich alles glauben, was                                 Keine Generation von Lehrenden
änderung sind sehr viel schneller vor-     tersgerecht mit den Grundlagen kriti-     in der Wikipedia steht?                                           vor uns hatte diese Möglichkeiten:
stellbar als positive.                     schen Denkens vertraut machen: Was           Sobald Jugendliche gelernt haben,                              Wir sind die Ersten, die ein Gerät in
   Unsere Enkel werden uns dereinst        bedeutet „gesichertes Wissen“, und        sich der Frage zu nähern, was denn                                der Hosentasche stecken haben, mit
fragen, wie das damals war, während        wie finde ich es? Was ist eine echte      nun stimmt, sollten sie lernen, ihre                              dem man beinahe das gesamte Wis-
des großen kulturellen Umbruchs der        Quelle? Wie formuliere ich gute Fra-      Faktenchecks auch zu verteidigen,                                 sen der Menschheit jederzeit abrufen
Digitalisierung. Eine Revolution, die      gen? Wie funktioniert Wissenschaft?       also andere zu überzeugen. Ob münd-                               kann. Wir sind Revolutionärinnen
Schlechtes und Gutes gebracht haben        Was ist der „Bestätigungsfehler“, und     lich in einem Referat oder schriftlich                            und Revolutionäre.

                           IMPRESSUM:
                           Plus Schule 21/22 ist eine Verlagsbeilage der Wiener Zeitung.
                           Erscheinungstag: 28.04.2021
                           Herausgeber: Die Republik Österreich, Ballhausplatz 2, 1014 Wien
                           Medieninhaber, Redaktion (der Wiener Zeitung), Verlagsort, Redaktions- und Verwaltungsadresse: Wiener Zeitung GmbH,
                           Media Quarter Marx 3.3, Maria-Jacobi-Gasse 1, 1030 Wien
                           Realisierung: Abteilung Content Production
                           Leitung Corporate Publishing & Content Production: Nadja James Autorinnen und Autoren: Helge Fahrnberger,
                           Sabina König, Gerhard Mészáros, Katharina Schmidt, Clemens Stachel Lektorat: Oliver Poschner
                           Art Direction: Richard Kienzl Anzeigen: Ramona Hammermüller, Alexander Palaschke, Manfred Svec (Ltg.)
                           Geschäftsführer: Martin Fleischhacker Chief Commercial Officer: Markus Graf Produktion: Manfred Rohrbacher,
                           Christian Simulak Vertrieb: Alexandra Kauer Druck/Herstellungsort: Herold Druck & Verlag AG, Faradaygasse 6, 1030 Wien
                           Offenlegung gem. § 25 Abs. 2 & 3 Mediengesetz: www.wienerzeitung.at/unternehmen/impressum/95_Impressum.html
Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH
Mittwoch, 28. April 2021                                               Schule 21/22                                                                   Plus                         S3

                                                                                                                                                       Foto: stock.adobe.com/Thomas Reimer

                           WACHSAM
                           durch die MEDIENWELT
                            Medienkompetenz ist eine Schlüsselqualifikation, die im digitalen Zeitalter eine neue
                            Bedeutung erfährt. Eine Herausforderung für Lehrende: Für eine adäquate Vermittlung im
                            Unterricht brauchen sie Willen, Wissen und Weiterbildung. Von Sabina König

                            U
                                  nsicherheit, Wut und Zu-           schem zu unterscheiden – denn die       es einen bewussten und reflektier-
                                  kunftsangst bieten einen per-      Flut an Nachrichten steigt stän-        ten Umgang mit Medien und ihrem
                                  fekten Nährboden für Gerüchte.     dig, ebenso die Anzahl potenzieller     Angebot. Medienkompetenz ist also
                            Kein Wunder, dass sich Falschmeldun-     Informationsquellen. Gerade in diesen   eine Schlüsselqualifikation, die uns
                            gen über SARS-CoV-2 in der aktuellen     unsicheren Zeiten ist das Wissen um     im Alltag Orientierung gibt und uns
                            Pandemie so schnell verbreiten wie       den richtigen Umgang mit Medien und     hilft, bessere Entscheidungen zu tref-
                            das Virus selbst. Die Weltgesund-        Information also wichtiger denn je.     fen. Wir alle brauchen sie, wenn wir
                            heitsorganisation (WHO) hat für die                                              an der Informationsgesellschaft teil-
                            schnelle Ausbreitung von Falsch- und              Chancen nutzen,                nehmen wollen. Die Jugend für diese
                            Desinformation zum Virus über sozi-              Risiken minimieren              Herausforderungen fit zu machen, ist
                            ale Netzwerke sogar einen eigenen        Die moderne Medienlandschaft bietet     auch eine wesentliche Aufgabe unse-
                            Begriff gefunden: „Infodemie“. Diese     nie dagewesene Chancen, etwa was        res Bildungssystems.
                            stiftet Misstrauen in der Bevölkerung    den Zugang zu Informationen und
                            und macht damit die Bekämpfung           die Möglichkeit, frei seine Meinung             Unterrichtsprinzip
                            des Coronavirus noch schwieriger.        zu äußern, angeht – aber auch vie-                fester verankern
                            Tatsächlich fällt es selbst kritischen   le Risiken. Um die Vorteile optimal     Die Medienbildung zählt – ebenso
                            Betrachterinnen und Betrachtern          nutzen zu können und die Nachteile      wie etwa politische Bildung, Um-
                            nicht immer leicht, Wahres von Fal-      möglichst gering zu halten, braucht     welt- oder Finanzerziehung – zu den

                                                                                                              Für die Zukunft
                                                                                                              unserer Kinder und Jugendlichen

                                                                                                                                               www.goed.at

                                                                                                                                                       Gemeinsam jeden Tag
                                                                                                                                                        für Fairness
Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH
S4                Plus                                                  Schule 21/22                                                                           Mittwoch, 28. April 2021

                                                                                                                                                                                    Illustration: stock.adobe.com/L-TOP
                                                        Weißt du, was ich                   Echt?!
                                                           gelesen habe?                    Das muss ich
                                                       Knoblauch schützt                    gleich mit meiner
                                                                 vor dem                    Community teilen!
                                                             Coronavirus!

                                              Unterrichtsprinzipien. Das heißt, dass sie    vom Standort und vom persönlichen Ein-        müssten Lehrende offen begegnen: Wel-
                                              unabhängig vom Unterrichtsfach von allen      satz der Lehrkräfte ab, weiß Christian        che Medien nutzen die Schülerinnen und
                                              Pädagoginnen und Pädagogen berücksich-        Swertz, Professor für Medienpädagogik         Schüler? Welchen Zugang haben sie zu
                                              tigt werden soll. „Gerade bei der Medien-     am Institut für Bildungswissenschaft          unterschiedlichen Themen? Und wo fin-
                                              erziehung geht es ja darum, den Schülern      der Universität Wien. „Unsere Analysen        den sich Überschneidungen, die gemein-
                                              eine Multiperspektivität zu eröffnen. Sie     haben gezeigt: Wenn die Kolleginnen           sam betrachtet werden können? Fessl ist
                                              sollen verschiedene Aspekte des The-          und Kollegen sich entschließen, das Fach      überzeugt: „Wer das Interesse der Kinder
                                              mas aus unterschiedlichen Blickwinkeln        tatsächlich zu unterrichten, und sich die     wecken möchte, muss an deren Lebens-
                                              betrachten und kombinieren können“,           Zeit nehmen, sich abzusprechen, dann          welt andocken.“
                                              erklärt Iris Rauskala, Leiterin der Präsi-    funktioniert das gut. Gelegentlich fehlt
                                              dialsektion im Bundesministerium für Bil-     es aber an Ambitionen, neues Material                  Medien selbst gestalten
                                              dung, Wissenschaft und Forschung. Bisher      zu erarbeiten. Dann heißt es: ‚Du kennst      Derzeit beschäftigt sich Fessl mit seinen
                                              seien die Prinzipien je nach Neigung der      dich ein bisschen mit Computer aus,           Schülerinnen und Schülern zum Beispiel
                                              Lehrkraft mehr oder weniger berücksich-       übernimm du das mal.‘“ Mangels Ausbil-        viel mit Corona-Mythen und Verschwö-
                                              tigt worden. Das solle sich mit der Gene-     dung wissen die Lehrerinnen und Lehrer        rungstheorien. „Die Schüler dürfen er-
                                              ration der neuen Lehrpläne, die auf Kom-      laut Swertz oft selbst nicht genau, was       zählen, welche Informationen sie woher
                                              petenzen fokussieren, ändern: Da es nun       sie da eigentlich unterrichten sollen – ein   beziehen, und wir schauen uns gemein-
                                              konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, wie        ernsthaftes Problem. Zwar gibt es an al-      sam an, was davon stimmen kann. Dabei
                                              man die Unterrichtsprinzipien einbinden       len Hochschulen Medienzentren, die von        gilt es, weniger zu werten und mehr zu-
                                              kann, werden sie laut Rauskala verbind-       den angehenden Pädagoginnen und Pä-           zuhören“, erzählt Fessl. Er analysiert mit
                                              licher im Unterricht verankert. Seit dem      dagogen genutzt werden können. Doch           seinen Schülerinnen und Schülern Video-
 Medienkompetenz auf dem                      Schuljahr 2018/19 absolvieren die Schüle-     um das Thema fundiert aufbereiten zu          und Audiobeiträge in unterschiedlichen
 Prüfstand: Wie gut sind Sie im               rinnen und Schüler in der Sekundarstufe I     können, brauche es auch akademisches          Medien oder lässt sie selbst Verschwö-
 Umgang mit Nachrichten im Web?               außerdem die verbindliche Übung Digita-       Know-how, sagt Swertz. Solange es keine       rungstheorien basteln – eine lustige, aber
                                              le Grundbildung, die ihnen den Umgang         einschlägige Ausbildung gibt, ist Eigen-      auch lehrreiche Aufgabe. Das Interesse
 Die Stiftung Neue Verantwortung führte       mit Standardanwendungen, Coding und           initiative gefragt. Sein Tipp: Lehrende       der Schülerinnen und Schüler sei groß,
 im Herbst 2020 eine Studie zur Medien-       Algorithmen, digitalen Medien und Daten,      sollten Weiterbildungsangebote nutzen         besonders dann, wenn sie sich selbst ak-
 kompetenz der deutschen Bevölkerung          aber auch gesellschaftliche Aspekte von       und eine Einführung in die Medienkom-         tiv und kreativ mit dem Thema ausein-
 durch – mit ernüchternden Ergebnissen:       Medienwandel und Digitalisierung näher-       petenz lesen, um sich davon ausgehend         andersetzen dürfen. Gerade in sozial
 Nur 22 Prozent der Befragten erreichten      bringen soll. Vorgesehen sind zwei bis vier   Material für den Unterricht zu suchen.        durchmischten Klassen könnten die Schü-
 hohe Kompetenzwerte. Gut die Hälfte war      Wochenstunden innerhalb von vier Jah-         Und auch die Lektüre der von ihm ver-         lerinnen und Schüler dabei auch viel von-
 beispielsweise in der Lage zu erkennen,      ren. Die Schulen entscheiden selbst, ob sie   fassten Präambel des Lehrplans biete vie-     einander lernen. Swertz empfiehlt eine
 wenn eine Quelle nicht neutral oder nicht    Stunden widmen oder die Übung in ande-        le Anregungen, so Swertz.                     handlungsorientierte Medienpädagogik
 vertrauenswürdig war. Die gute Nachricht:    re Fächer integrieren.                                                                      und Medienproduktion im Unterricht: Sei
 Je jünger die Teilnehmerinnen und Teilneh-                                                    Persönlicher Umgang entscheidend           es bei der Herstellung einer Schulzeitung,
 mer waren, desto besser schnitten sie ab.                                                  Häufig fließt das Thema Medienkompe-          einer Website, eines Films, beim Program-
 Machen Sie den Test: Via Internet können              Medien kritisch nutzen               tenz in den Deutschunterricht ein. So etwa    mieren eines Computerspiels – oder bei
 auch Sie Ihre Kompetenzen auf die Probe                    und einsetzen                   bei Michael Fessl, Deutschlehrer am BRG       der Gestaltung einer Falschmeldung: „Wer
 stellen. Neben Fragen enthält der Test       Die Jugendlichen sollen in der Schule         Pichelmayergasse in Wien. Er sieht sich in    selbst Fake News machen kann, hat deren
 auch Nachrichten und Behauptungen,           lernen, wie sie unterschiedliche Medien       der Pflicht, die Schülerinnen und Schüler     Mechanismen durchschaut und geht auf-
 die Userinnen und User einschätzen oder      bedienen, und sich mit ihrer Hilfe kreativ    fit für den Umgang mit verschiedenen Me-      merksamer durch die Welt“, ist sich der
 bewerten müssen. So kann jeder und jede      ausdrücken können. Doch auch die kriti-       dien zu machen. Das Thema interessiere        Experte sicher.
 für sich prüfen, in welchen Bereichen er     sche Auseinandersetzung mit Medien und        ihn persönlich – eine wichtige Grundlage:
 oder sie noch Aufholbedarf hat.              ihren Mechanismen darf laut Rauskala          „Ich bin ein Mensch, der sich auch privat              Tipps und Tools im Web
 der-newstest.de                              nicht zu kurz kommen. „Der sichere Um-        viel mit Medien aller Art beschäftigt. Ich    Das Werkzeug dafür finden Lehrende im
                                              gang mit Medien ist wichtig für die heuti-    zähle aber auch zu den Jüngeren im Leh-       Internet: Auf der Website mediamanual.at
                                              ge Jugend, die mit Social Media und Influ-    rerzimmer. Für viele Kollegen spielen Me-     bietet das Bildungsministerium Anregun-
                                              encern aufwächst. Denn die beherrschen        dien im persönlichen Umfeld keine große       gen für den Unterricht und hält einen gro-
                                              ihr Handwerk perfekt und wissen, wie sie      Rolle, dann kommt Medienbildung meist         ßen Fundus an Materialien bereit. Auch
                                              junge Menschen beeinflussen können“,          auch im Unterricht zu kurz. Ein eigenes       darüber hinaus setzt das Bildungsminis-
                                              erklärt Rauskala. Schülerinnen und Schü-      Fach wäre wünschenswert, ebenso eine in-      terium Maßnahmen, um das Thema ins
                                              ler müssen sich zudem der Gefahren und        tensivere Abstimmung mit den Kollegen“,       öffentliche Bewusstsein zu rücken – etwa
                                              Mechanismen von Hatespeech und Cyber-         erzählt Fessl.                                mit dem „media literacy award“, der vor-
                                              mobbing bewusst sein, aber auch den                                                         bildliche Projekte vor den Vorhang holt,
                                              rechtlichen Rahmen kennen, wenn es etwa            Weniger werten, mehr zuhören             oder mit der „Woche der Medienkompe-
                                              um Persönlichkeitsrechte oder Urheber-        Wie Medienkompetenz Eingang in den            tenz“, die heuer von 18. bis 25. Oktober
                                              rechte geht. So können sie Fallen aus dem     Unterricht findet, hängt seiner Meinung       über die Bühne geht. „Das Thema Digitali-
                                              Weg gehen, aber auch eigene Grenzüber-        nach aber auch von der Berufsauffassung       sierung nimmt gerade erst so richtig Fahrt
                                              schreitungen vermeiden. Außerdem muss         ab. Fessl: „Die moderne Pädagogik sieht       auf, im Bereich der Tools wird sich in den
                                              die breite Medienvielfalt im Rahmen einer     den Lehrer nicht mehr als reinen Vermitt-     nächsten Jahren viel bewegen“, kündigt
                                              zeitgemäßen Didaktik Einsatz finden. An       ler. Vielmehr sind wir auch Lernende und      Iris Rauskala an. Jedenfalls wird ein ver-
                                              den Pädagogischen Hochschulen ist daher       können daran wachsen, wenn wir uns auf        sierter, reflektierter Umgang mit Medien
                                              laut Rauskala vieles in Bewegung.             die Perspektive der Schüler einlassen.“       im nächsten Jahr, wenn die Sekundar-
                                                Ob und wie stark Schülerinnen und           Der Medienkonsum von Jugendlichen             stufe I mit digitalen Endgeräten ausgestattet
                                              Schüler im Unterricht tatsächlich eine        unterscheide sich wesentlich von jenem        wird, noch wesentlicher sein.
                                              Medienbildung erhalten, hängt enorm           der Erwachsenen. Diesen Differenzen
Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH
Mittwoch, 28. April 2021                 Schule 21/22                                                                                   Plus                       S5

               RICHTIG umgehen mit
                   FALSCHEN Infos
                           Die Autorin und Journalistin Ingrid Brodnig verrät, worauf es bei
                           Medienkompetenz ankommt, was eine glaubwürdige Quelle ausmacht
                           und warum unseriöse Akteure besonders im Web leichtes Spiel haben.

                                                                        Was bedeutet Medienkompetenz?                     Warum können sich Falschnachrichten im Web
                                                                           Ingrid Brodnig: Ich sehe zwei Ebenen:          so gut verbreiten?
                                                                        Zum einen die klassische Quellenkompe-              Das hängt eigentlich mit einer positiven
                                                                        tenz, die auch vor dem Internet schon wich-       Eigenschaft des Internets zusammen: Es
                                                                        tig war. Wenn die Menschen mit einer Infor-       gibt kaum Zugangsbarrieren, jeder kann sei-
                                                                        mation konfrontiert werden, denken sie oft        ne eigene Meinung präsentieren. Die über-
                                                                        lange über die Aussage nach, aber das kostet      wiegende Mehrzahl der Menschen geht ver-
                                                                        Zeit und verwirrt womöglich. Medienkompe-         antwortungsvoll mit dieser Möglichkeit um,
                                                                        tenz kann auch bedeuten, zuerst den Blick         aber eben nicht alle. Die Vielzahl der Infor-
                                                                        auf den Absender zu richten und dessen            mationen erschwert die Übersicht. Anders,
                                                                        Seriosität einzuschätzen, ehe man sich die        wenn ich in die Trafik gehe: Wir kennen die
                                                                        Inhalte länger durchliest. Dazu kommt die         Tageszeitungen, wissen ungefähr, wie sie
                                                                        digitale Kompetenz: Hier geht es darum, die       ausgerichtet sind. Dieser Radar erleichtert
                                                                        Mechanismen der digitalen Informations-           die Orientierung. Dazu kommt, dass Des-
                                                                        verbreitung zu verstehen. Dazu können             information oft kurz, knackig und emotio-
                                                                        sich Lehrerinnen und Lehrer zum Beispiel          nalisierend ist – so kann sie noch leichter
                                                                        die Funktionsweise der Google-Suche näher         verstanden und verbreitet werden. Eine
                                                                        anschauen. Wenn ich nach dem Schlagwort           Nachricht, die wütend macht oder Angst
                                                                        „Klimakrise“ suche, erhalte ich ganz andere       auslöst, hat eine größere Chance, weiter-
                                                                        Ergebnisse als bei „Klimalüge“. Das kann          geleitet zu werden. Die Realität ist meistens
                                                                        man mit den Schülerinnen und Schülern             komplizierter.
                                                                        durchspielen. Wenn ich den Wahrheits-
                                                                        gehalt einer Aussage infrage stelle, kann         Wie schätzen Sie den Status quo in Sachen Me-
                                                                        ich bei Google einfach „Faktencheck“ dazu         dienkompetenz an den heimischen Schulen ein?
                                                                        eingeben. So lande ich eher auf Seiten, die         Das Wissen um die Bedeutung von Medi-
                                                                        Fakten prüfen. Das sind kleine Tricks, die        enkompetenz ist in der Lehrerschaft groß,
                                                                        den Weg abkürzen. Auch ein elementares            wie ich bei Seminaren immer wieder fest-
                                                                        Know-how über Psychologie und die Irratio-        stelle. Oft setzen die Lehrenden aber zu
                                                                        nalität der Menschen kann hilfreich sein.         hohe Ansprüche an sich selbst und haben
                                                                        Wenn wir etwa Informationen erhalten, die         das Gefühl, jedes Portal kennen zu müssen.
                                                                        uns ins Weltbild passen, nehmen wir sie oft       Das ist natürlich nicht möglich. Vielmehr
                                                                        unhinterfragt auf und erinnern uns eher           müssen sie den Mut haben, zu sagen: Diese
                                                                        an sie – der sogenannte Bestätigungsfehler        Plattform kenne ich nicht so gut, aber schau-
                                                                        oder Confirmation Bias.                           en wir sie uns gemeinsam an. Die Schülerin-
                                                                                                                          nen und Schüler sind weniger auf Facebook
                                                                        Welche Rolle spielt die Schule bei der Vermitt-   und Instagram, dafür mehr auf Kanälen wie
                                                                        lung von Medienkompetenz?                         TikTok unterwegs, die Erwachsenen oft we-
                                                                          Mein Eindruck ist: Viele Jugendliche sind       nig vertraut sind. Es ist sinnvoll zu fragen,
                                                                        sich darüber im Klaren, dass es im Internet       welche Influencer und Kanäle die Schüle-
                                                                        reichlich Falschinfos gibt. Doch abseits die-     rinnen und Schüler mögen, sich diese selbst
                                                                        ses Bewusstseins braucht es auch konkrete         anzuschauen und sie eventuell auch im Un-
                                                                        technische Fähigkeiten, um die Seriosität ei-     terricht als Beispiele zu behandeln. In digi-
                                                                        ner Information zu prüfen. Die Schule spielt      talen Zeiten kann ich als Lehrerin oder Leh-
                                                                        eine zentrale Rolle, wenn es darum geht,          rer nicht auf alles eine Antwort haben, aber
                                                                        dieses Know-how zu vermitteln. Manche             ich muss über Grundkompetenzen verfügen
                                                                        Schülerinnen und Schüler erhalten dieses          und diese auf unterschiedliche Plattformen
                                                                        Wissen zu Hause nicht, weil auch die Eltern       anwenden können. Es ist bestimmt nicht
                                                                        sich beim Bewerten der Glaubwürdigkeit ei-        davon auszugehen, dass alle Schülerinnen
                                                                        ner Nachricht schwertun.                          und Schüler hier ausreichende Einblicke be-
                                                                                                                          kommen. Die Frage ist, ob Lehrerinnen und
                                                                        Woran erkenne ich eine seriöse Quelle?            Lehrer überhaupt genug Möglichkeiten und
                                                                          In erster Linie muss sich die Quelle jour-      Zeit haben, sich dem Thema im Unterricht
                                                                        nalistischen oder wissenschaftlichen Krite-       zu widmen. Letztlich ist es sicher auch eine
                                                                        rien verpflichtet haben. Dazu zählt zum Bei-      Glücksfrage, ob ich als Schülerin oder Schü-
                                                                        spiel, dass man eine Behauptung überprüft,        ler eine Lehrkraft habe, die das Thema ernst
                                                                        ehe man sie wiedergibt. Im Internet finden        nimmt.
                                                                        sich viele Seiten, die komplett einseitig
                                                                        ausgerichtet sind, oft einen rechtspopulisti-     Wie können Lehrkräfte damit umgehen, wenn
                                                                        schen Drall haben, oder Fake-Seiten, die ein-     Schülerinnen und Schüler oder Eltern Falsch-
                                                                        fach nur darauf abzielen, Leute in die Falle      informationen verbreiten?
                                                                        zu locken. Auch klassische Medien machen             Es kommt oft vor, dass Jugendliche Falsch-
                                                                        Fehler oder haben blinde Flecken, nicht alles     informationen in der Schule verbreiten, die
                                                                        im Journalismus ist top. Aber es gibt einige      sie von den Eltern gehört haben. Als Lehr-
                                                                        Warnsignale: Sind die Quellen transparent         kraft damit umzugehen, ist sicher schwie-
                                                                        ausgewiesen? Gibt es ein Impressum? Wie           rig. Ich würde zumindest versuchen, im
                                                                        umfassend erfolgte die Recherche? Werden          Unterricht möglichst einfühlsam zu zeigen,
                                                                        Errata richtiggestellt? Auch abseits des In-      warum etwas nicht logisch ist, und erklä-
                                                                        ternets, in Boulevardmedien zum Beispiel,         ren, wo man seriöse Informationen findet.
                                                                        erscheinen oft Headlines, die den Inhalt des      Die Schülerinnen und Schüler werden sich
                                                                        Artikels nicht korrekt wiedergeben. Solche        dann nicht einfach belehren lassen, aber
                                                                        Beispiele kann man im Unterricht mit den          kommen zumindest auch mit anderen Ar-
                                                                        Schülerinnen und Schülern analysieren.            gumenten in Kontakt. So kann man als Leh-
                                                                        Auch auf den Websites mimikama.at oder            rerin oder Lehrer wenigstens dafür sorgen,
                                                 Foto: Gianmaria Gava

                                                                        correctiv.org können sich Lehrende hilfrei-       dass Falschinfos nicht auf andere übersprin-
                                                                        che Beispiele holen: Die Redakteurinnen           gen. Grundsätzlich ist es wichtig, dem Ge-
                                                                        und Redakteure entlarven Falschmeldungen          genüber Wertschätzung zu zeigen. Das hilft
                                                                        und erklären auch, woran sie diese erkannt        oft zu deeskalieren, denn mit Konfrontation
                                                                        haben.                                            erreicht man häufig das Gegenteil.
Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH
S6                                              Plus                                                Schule 21/22                                                                     Mittwoch, 28. April 2021
Foto: funk / ARD und ZDF / Mai Thi Nguyen-Kim

                                                                                                                                       „MEDIENKO
                                                                                                                                   ist politische
                                                                                                                                                              Wie medienkompetent sind eige
                                                                                                                                                                        Woher bekommen sie
                                                                                                                                                                        Und lesen sie überha
                                                                                                                                                          Wir haben diese Fragen einigen Jour
                                                                                                                                                                                 Von Kathari
Die Modernisierung der Nachrichten: Heute erklärt uns Mai Thi Nguyen-Kim mit ihrem „maiLab“ die Welt ...

D                                                                                                        Andreas Sator
      ie Tageszeitung zu Hause auf
      dem Frühstückstisch. Die El-
      tern, die sich abwechselnd in                                                                      Der Wiener Journalist betreibt mit „Erklär mir die Welt“ einen der am meisten gehörten
den Politik- und den Wirtschaftsteil                                                                     Podcasts in Österreich. Er ist Autor des Buches „Alles gut?! Unangenehme Fragen & opti-
vertiefen. Die „ZiB“, die jeden Abend                                                                    mistische Antworten für eine gerechtere Welt“ (Verlag Kremayr & Scheriau).
um Punkt 19:30 Uhr über den Röh-
renfernseher flimmert. Was klingt
wie eine 60 Jahre alte Vorabendse-                                                                       Welche Medienkanäle schauen Sie sich in der        Wir hatten in der Handelsakademie in
rie, gehörte in vielen Haushalten                                                                        Früh als Erstes an?                              Steyr immer Zeitungen herumliegen. Das
bis vor einigen Jahren zum Alltag                                                                          Gar keine. Ich lese morgens nur Zeitung        war toll. Heute funktioniert es vor allem
– und in manchen tut es das noch                                                                         vom Wochenende, Magazine oder wirklich           über Persönlichkeiten, die auf Instagram,
heute. Doch die Zahl der Menschen,                                                                       alte Wochenend-Zeitungen. Seit ich nicht         in Podcasts, mit Newslettern oder Blogs
die sich noch über die traditionellen                                                                    mehr das Verlangen habe, immer sofort            beziehungsweise persönlichen Artikeln
Medien informieren, nimmt konti-                                                                         „alles“ zu wissen, weiß ich eigentlich mehr.     quasi wie Influencerinnen und Influencer
nuierlich ab.                                                                                            Klingt komisch, aber die Welt ist kompli-        Themen zugänglicher machen.
   Während die Nutzung des linearen                                                                      ziert und lässt sich hektisch nicht durchbli-
Fernsehens in den vergangenen fünf                                                                       cken. Lieber in Ruhe und zwei Tage später.       Wie können junge Menschen gegen Extremis-
Jahrzehnten auf hohem Niveau eini-                                                                                                                        men, Fake News und Verschwörungstheorien
                                                       Foto: Matthias Cremer

germaßen gleich geblieben ist, ha-                                                                       Welchen Accounts auf Social Media lohnt es       immunisiert werden?
ben gedruckte Zeitungen vor allem                                                                        sich zu folgen, wenn man sich ein möglichst         Wichtig ist Quellenkunde. Es gibt Leu-
in den letzten 15 Jahren einen mas-                                                                      umfassendes Bild vom Weltgeschehen ver-          te, deren Job es ist, zu recherchieren, was
siven Rückgang in der Reichweite                                                                         schaffen möchte?                                 stimmt oder nicht. Journalismus ist nicht
verzeichnet. Bei den 14- bis 29-Jähri-                                                                      @zeitimbild auf Instagram ist super           immer richtig und entsteht oft unter Zeit-
gen ist auch die Nutzung von Radio                                                                       für Nachrichten. Auf YouTube mag ich             druck, aber es gibt ein paar sehr gute Zei-
und Fernsehen stark rückläufig. Die-                                           andreas.sator             „maiLab“, „The School of Life“, „Wendover        tungen, etwa „Die Presse“, „Der Standard“
se Zahlen gehen aus einer Langzeit-                                                                      Productions“ und „Y-Kollektiv“. Unter den        oder „Die Zeit“. Wenn ich etwas höre und
studie zur Massenkommunikation                                                                           Podcasts finde ich „Frauenfragen“ von Mari       wissen möchte, ob das stimmt, google ich
von ARD und ZDF hervor und gelten                                              @a_sator                  Lang und „Die Lösung“, den Psychologie-          gerne zum Beispiel: „Impfung Thrombose
daher für Deutschland.                                                                                   Podcast von PULS, gut.                           site:zeit.de“. So bekomme ich nur Artikel
   Das Institut für empirische So-                                                                                                                        von einem mir vertrauten Medium. Im In-
zialforschung (IFES) hat 2020 im                                                                         Wie wurden Sie als Jugendlicher an Medien        ternet steht so viel Blödsinn, oft sind un-
                                                                               @a_sator
Auftrag der Stadt Wien eine Studie                                                                       herangeführt und wie kann das heute funktio-     kontrollierte Google-Recherchen nicht ziel-
zur Mediennutzung und zum Infor-                                                                         nieren?                                          führend.
mationsverhalten der Wienerinnen
und Wiener durchgeführt. Auch
hier zeigt sich deutlich: Während
nur 44 Prozent der Befragten unter                                                                       Johannes Huber
30 Jahren mehrmals wöchentlich
Tageszeitungen lesen, sind es bei                                                                        Johannes Huber ist Journalist, Autor und Blogger, unter anderem auch regelmäßig in den
den Menschen über 60 Jahren 80                                                                           „Vorarlberger Nachrichten“, auf vienna.at und in den „Salzburger Nachrichten“. Er hat das
Prozent. Noch deutlicher wird der                                                                        Nachrichtenportal dieSubstanz.at gegründet, auf dem er regelmäßig Politik-Analysen und
Kulturwandel mit Blick auf die Social-                                                                   Hintergrundinformationen veröffentlicht.
Media-Nutzung: 81 Prozent der
unter 30-jährigen Wienerinnen und
Wiener nutzen soziale Medien täg-                                                                        Welche Medienkanäle schauen Sie sich in der      Wie wurden Sie als Jugendlicher an Medien
lich oder mehrmals pro Woche, bei                                                                        Früh als Erstes an?                              herangeführt und wie kann das heute funktio-
den über 60-Jährigen sind es nur 35                                                                        In der Früh verschaffe ich mir einen           nieren?
Prozent.                                                                                                 Überblick. Zunächst über Newsletter, die            Ich bin durch die Zeitung sozialisiert
   Der Trend geht also eindeutig weg                                                                     ich von klassischen Zeitungen und Maga-          worden. Das ist meines Erachtens noch
von den traditionellen Medien hin                                                                        zinen beziehe („Presse“, „Kleine Zeitung“,       immer ein Klassiker, der gut und vernünf-
zu Newsfeeds auf Twitter, Instagram                                                                      „Vorarlberger      Nachrichten“,   „Profil“,     tig ist. Viele Tages- und Wochenzeitungen
und Co. Das macht es wesentlich                                                                          „Falter“, „NZZ“, „Spiegel“, „Economist“...).     oder Magazine haben Kinderseiten und
schwieriger als früher, Kinder und                                                                       Dann vertiefe ich die Lektüre über E-Paper-      Angebote (z.B. „Zeit Leo“) mit spannenden
Jugendliche an Medien heranzufüh-                                                                        Ausgaben und Websites. Außerdem immer            Inhalten.
ren. Welchen Kanälen lohnt es sich                                                                       auf dem Programm: Ein Blick auf Twitter,
zu folgen? Wie kann man sich ge-                                                                         um zu erfahren, was die Politikszene seit        Wie können junge Menschen gegen Extremis-
gen radikale Strömungen und Fake                                                                         dem Vorabend beschäftigt hat (abhängig           men, Fake News und Verschwörungstheorien
                                                       Foto: privat

News wappnen? Wir haben das The-                                                                         davon schaue ich z. B. immer wieder Teile        immunisiert werden?
ma Medienkompetenz auf die Meta-                                                                         der „ZiB 2“ nach).                                  Zwei Dinge: Zum einen halte ich eine
ebene gehoben und einige Medien-                                                                                                                          Zeitung oder ein fixes und professionelles
menschen befragt, wie sie sich per-                                            @diesubstanz              Welchen Accounts auf Social Media lohnt es       Angebot (wie orf.at) für gut und vernünf-
sönlich informieren – und welche                                                                         sich zu folgen?                                  tig, weil die Erfahrung lehrt, dass Verlass
Tipps sie für die Jugend haben.                                                                             Für ein umfassendes Bild eignet sich          darauf ist. Inhalte entsprechen journalisti-
                                                                               @johannes_huber1          meines Erachtens orf.at. Das ist das über-       schen Kriterien (überprüft, relevant etc.).
                                                                                                         sichtlichste, vollständigste Angebot, das        Zum anderen ist ein kritisches Hinterfra-
                                                                                                         ich kenne. Persönlich schätze ich fürs           gen notwendig, das permanent trainiert
                                                                                                         Weltgeschehen beziehungsweise für ver-           werden will: Kann das stimmen? Wer sagt
                                                                               www.diesubstanz.at        tiefende, erhellende Inhalte den „Econo-         das? Wer bestätigt es? Lässt es sich über-
                                                                                                         mist“, der auch auf Twitter sehr fleißig ist.    prüfen?
Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH
Mittwoch, 28. April 2021                                              Schule 21/22                                                                          Plus                       S7

                                                                                                                                                                                           Foto: Cermak, Alfred / ÖNB-Bildarchiv / picturedesk.com
OMPETENZ
e BILDUNG“
entlich Medienmenschen selbst?
 e ihre Informationen?
aupt noch Zeitungen?
rnalistinnen und Journalisten gestellt.
 ina Schmidt
                                                                     ... früher war es Peter Fichna, Nachrichtensprecher bei der „Zeit im Bild“ (hier im Jahr 1965).

                                                Solmaz Khorsand
                                                Die Journalistin studierte an der Johns Hopkins University und arbeitete für zahlreiche Medien im deutsch-
                                                sprachigen Raum, darunter „Die Zeit“ und die „Wiener Zeitung“. Derzeit ist sie für das Schweizer Magazin
                                                „Republik“ tätig. Im Februar 2021 erschien ihr Buch „Pathos“ im Verlag Kremayr & Scheriau.

                                                Welche Medienkanäle schauen Sie sich in         Wie wurden Sie als Jugendliche an Medien          men, Fake News und Verschwörungstheorien
                                                der Früh als Erstes an?                         herangeführt und wie kann das heute funk-         immunisiert werden?
                                                  Ich fange den Tag meistens mit dem            tionieren?                                          Ich denke, dass es helfen würde, sie da-
                                                Ö1-Morgenjournal an, gehe dann über zu             Es wurde zu Hause viel Zeitung gele-           bei anzuleiten, wie sie gezielt nach Infor-
                                                derstandard.at und meinen Timelines auf         sen und Radio gehört, ebenso standen die          mationen suchen und welche Quellen sie
                                                diversen Social-Media-Kanälen.                  Fernsehnachrichten am Abend auf dem               als glaubwürdig einstufen können, damit
                                                                                                Programm. Es hängt mit einem gewissen             sie begreifen, dass es einen Unterschied
                                                Welchen Accounts auf Social Media lohnt es      Erziehungsauftrag zusammen, Medien-               macht, ob die Information auf Wikipedia
                                                sich zu folgen?                                 kompetenz als politische Bildung zu be-           steht, auf orf.at oder einem Blog. Ebenso
                                                   Auch wenn es langweilig klingt, aber         greifen. Wer Kinder und Jugendliche zu            sollten YouTube, Telegram-Kanäle und
                                                ich mag die großen Accounts etablier-           politisch mündigen Bürgerinnen und Bür-           Newsfeeds auf Instagram dabei mitein-
                                                ter Medien, ob „New York Times“, „Eco-          gern erziehen will, muss auch ihre Medi-          bezogen werden, sodass klar ist, dass die
                                                nomist“ oder „Die Zeit“, denen folge ich        enkompetenz fördern. Passiert das nicht           Jugendlichen durchaus ihre Informationen
       Foto: Luiza Puiu

                                                selbst gerne, ebenso den einzelnen Res-         zu Hause, muss es die Schule tun. Ich erin-       von dort beziehen können. Sie sollten da-
                                                sorts der jeweiligen Medienhäuser (wie          nere mich nicht, dass das in meinem Fall          bei nur immer wieder hinterfragen, wer
                                                etwa SZ Kultur, New York Times Maga-            im Gymnasium geschehen ist, obwohl ich            die Quelle der einzelnen Inhalte ist. Bei
                                                zine etc.). Für ausgewählte Themen folge        sehr interessiert war. Zu dem Zeitpunkt           politischem Extremismus würde ich tat-
                             solmaz.khorsand    ich auch vereinzelt Journalistinnen und         habe ich schon für den „Standard“ ge-             sächlich Aussteigerorganisationen für Be-
                                                Journalisten, Soziologinnen und Sozio-          schrieben und die Schülerzeitung gegrün-          gegnungen in Betracht ziehen, im Bereich
                                                logen, Politikwissenschafterinnen und           det. Ich denke, dass Partizipation ein gu-        des Rechtsextremismus würden sich auch
                             @solmazkhorsand    Politikwissenschaftern, wie etwa Michael        tes Mittel ist, Jugendlichen einerseits das       – noch – Zeitzeugengespräche anbieten.
                                                Bonvalot für Rechtsextremismus in Öster-        journalistische Handwerk näherzubrin-             Ich denke, dass Lehrerinnen und Lehrer
                                                reich, Franziska Schutzbach für Soziolo-        gen und sie andererseits auch generell            diesen Auftrag erfüllen und das Aufrecht-
                             @khorsand.solmaz   gie und Genderfragen, Abbas Milani für          für die Themen der Zeit zu interessieren.         erhalten der Erinnerung als ersten An-
                                                den Nahen Osten, Nikesh Shukla für bri-                                                           dockpunkt jedweder Immunisierung ge-
                                                tische Innenpolitik etc.                        Wie können junge Menschen gegen Extremis-         genüber Fanatismen begreifen sollten.

                                                Philipp Schild
                                                Philipp Schild ist seit November 2020 Programmgeschäftsführer von funk. Das Content-Netzwerk der
                                                deutschen Sender ARD und ZDF bietet Online-Inhalte für 14- bis 29-Jährige aus den Bereichen Information,
                                                Orientierung und Unterhaltung, darunter etwa das bekannte Wissenschaftsformat „maiLab“.

                                                Welche Medienkanäle schauen Sie sich in der     Perspektive wird die Welt wohl nirgendwo          Wie können junge Menschen gegen Extremis-
                                                Früh als Erstes an?                             so anschaulich erklärt wie auf „maiLab“.          men, Fake News und Verschwörungstheorien
                                                  Um mich über die wichtigsten Themen                                                             immunisiert werden?
                                                des Tages zu informieren, nutze ich vor         Wie wurden Sie als Jugendlicher an Medien           Ich glaube, es ist gar nicht möglich, sich
                                                allem Nachrichten-Apps, zum Beispiel            herangeführt und wie kann das heute funkti-       vollständig gegen Fake News oder Ver-
                                                von der „tagesschau“. In meiner Rolle als       onieren?                                          schwörungstheorien zu immunisieren.
                                                funk-Programmgeschäftsführer ist für              Ich bin in einer Zeit groß geworden,            Wichtig ist aber, Techniken zu erlernen,
                                                mich wichtig, mit den eigenen Inhalten in       in der die Medienlandschaft noch ganz             um Falschmeldungen zu erkennen, einzu-
                                                den Tag zu starten. Ansonsten bin ich ein       anders aussah und die Medienangebote              ordnen und mit ihnen umgehen zu kön-
                                                großer Freund des öffentlich-rechtlichen        viel weniger vielfältig waren, als sie es         nen. Hier spielt Medienkompetenz eine
                                                Info-Radios – sicher ein eher klassischer       heute sind. Ich denke, dass man gerade            wichtige Rolle, um die Glaubwürdigkeit
                                                Medienkanal, aber perfekt, um relevante         als junger Mensch ganz entscheidend               von journalistischen Informationen über-
       Foto: funk/Jana Kay

                                                Informationen auch „nebenbei“ mitzube-          von der Mediennutzung des eigenen                 prüfen zu können. Nicht zuletzt aufgrund
                                                kommen.                                         Umfelds geprägt wird, da spielt Partizi-          unserer vergleichsweise jungen Zielgrup-
                                                                                                pation heute sicher eine sehr große Rol-          pe, die einen großen Teil ihrer Zeit online
                                                Welchen Accounts auf Social Media lohnt es      le. Die interaktive Kommunikation mit             verbringt, ist der Umgang mit Desinfor-
                                                sich zu folgen?                                 unseren Nutzerinnen und Nutzern und               mation für funk ein wichtiges Thema.
                             funk                  Um sich einen Überblick über das aktu-       Möglichkeiten der Partizipation ergeben           Wir beobachten die Entwicklungen in
                                                elle politische Geschehen zu verschaffen        sich für funk bereits aus dem staatsver-          unserer Gesellschaft bezüglich des Ver-
                                                und sich eine eigene Meinung zu bilden,         traglichen Auftrag und beeinflussen un-           trauens in „klassische“ Medien sowie das
                             @funk              empfehle ich die funk-Formate „DIE DA           sere Angebote sehr. Der Austausch mit             vermehrte Auftreten von „Empörungs-
                                                OBEN!“, „Deutschland3000“ und „MrWis-           unserer Zielgruppe prägt daher den Le-            wellen“ kritisch und setzen uns intensiv
                                                sen2Go“, die sich mit gesellschaftlichen        benszyklus von funk-Formaten von ihrer            mit dem Thema auseinander. Aber auch
                                                und politischen Themen befassen und             Entstehung bis hin zur kontinuierlichen           einzelne funk-Formate befassen sich mit
                             www.funk.net
                                                auf Facebook, YouTube und Instagram zu          Weiterentwicklung des Portfolios.                 diesen Fragen.
                                                finden sind. Aus einer wissenschaftlichen
Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH
S8                Plus                                                         Schule 21/22                                                                        Mittwoch, 28. April 2021

                                                                                                                                                                                       Foto: stock.adobe.com/Ingo Bartussek
       „Meine Schüler
         sind zu ZOMBIES
             geworden“
                                               Plötzlich Distance-Learning:
                                               Direktorinnen und Lehrer berichten
                                               von Chaos und Kreativität während
                                               der Lockdowns. Psychische Probleme
                                               verschärften sich ebenso wie soziale
                                               Unterschiede.
                                               Von Gerhard Mészáros

„I
      ch will endlich meinen Beruf       die Schülerinnen und Schüler war es         gestiegen. Um 8:30 Uhr sind alle vor                           Schule, auch weil sie die Mitschüler
      zurück“, rief ein Lehrer an der    nicht viel besser: „Wir können nicht        ihren Notebooks gesessen“, sagt Di-                            gerne wiedersehen würden. Für man-
      BHAK Wien 22, als im vergan-       mehr“, bekamen die Lehrkräfte oft           rektor Posad. Und die Lehrkräfte wur-                          che war die Belastung wirklich groß.“
genen Winter schon wieder ein Lock-      zu hören. Kein Wunder, gab es doch          den in der Gestaltung des Unterrichts                          Die Zahl der psychischen Erkrankun-
down verkündet wurde. Tatsächlich        plötzlich auch in Fächern wie Bildne-       immer kreativer: „In Geographie habe                           gen sei gestiegen, vor allem Depres-
sei seine Schule eine andere gewor-      rische Erziehung und Werkerziehung          ich viel mit Online-Zeitungsartikeln                           sionen und Belastungsstörungen kä-
den, sagt auch Direktor Christian        Hausaufgaben. In dem Chaos sei es           gearbeitet, aber auch Quiz oder ande-                          men häufiger vor. Das bestätigt auch
Posad. Der März 2020 hatte alles auf     besonders schwer gewesen, Routinen          re Spiele eingesetzt“, erzählt Laube.                          Fares Kayali, Professor an der Uni-
den Kopf gestellt: Innerhalb von zwei    zu entwickeln. „Meine Schüler sind          Vor allem der Sportunterricht hatte                            versität Wien: „Viele Studien zeigen,
Tagen wurden jahrzehntelange Ge-         zu Zombies geworden, sind zu Mittag         sich radikal gewandelt: Die Klassen                            dass psychische Probleme bei Kin-
wohnheiten pulverisiert, es musste       aufgestanden, haben um Mitternacht          erhielten Aufgaben wie zum Beispiel                            dern und Jugendlichen zugenommen
komplett auf Distance-Learning um-       Hausübungen abgegeben“, erzählt             „Schau dir dieses Yoga-Video an und                            haben. Das wird nach der Pandemie
gestellt werden – quasi von heute auf    Direktor Posad. „Es war wirklich eine       schreibe einen Kommentar dazu“,                                noch explodieren.“
morgen. „Der erste Lockdown hat uns      schwierige Zeit.“                           „Erstelle einen Trainingsplan“, „Pos-                            Wie sieht es mit dem viel beklagten
alle auf dem falschen Fuß erwischt“,                                                 te dein Krafttraining“. Auch Video-
                                                                                                                                      „Der erste    Bildungsverlust durch die Distance-
erzählt Posad.                                   Der zweite Lockdown:                unterricht gab es, mit der ganzen                Lockdown      Learning-Phasen aus? „Das ist schwer
  „Das war total chaotisch, weder                  Fast schon Routine                Klasse im Sportgewand vor der Web-              hat uns alle   abzuschätzen“, sagt Kayali. „Man
Lehrer noch Schüler haben sich aus-      Aus der man aber gelernt hat. Über          cam. Ein Wellnessurlaub war das frei-                          könnte durchaus die Meinung ver-
gekannt“, erinnert sich Georg Laube,     den Sommer wurden IT-Schulungs-             lich trotzdem nicht: Eine Befragung               auf dem      treten: Verpassen wir halt ein biss-
der am Gymnasium Parhamerplatz           offensiven durchgeführt. Jede Schule        der Universität Wien ergab, dass sich          falschen Fuß    chen was – dafür erwerben wir neue
in Wien Geographie und Sport unter-      legte sich auf eine Lernplattform fest,     im zweiten Lockdown 74 Prozent der                             Kompetenzen.“ Ein anderer Aspekt
richtet. Zu den „gewaltigen Anfangs-     um den Wildwuchs an Kommunika-              Lehrkräfte „stark“ oder „eher stark“             erwischt“     sei relevanter: „Wirklich dramatisch
schwierigkeiten“ gehörte vor allem,      tionstools einzuschränken. „In un-          durch die Situation belastet fühlten.                          ist die Verstärkung der Zweiklas-
dass jede Lehrkraft auf sich allein      serem Fall war das MS Teams“, sagt          Im Frühling waren es 61 Prozent ge-                            sengesellschaft. Das Schulwesen ist
gestellt war. Auch in Fächern wie        Reinhard Sepp, Direktor des BRG und         wesen.                                                         schon bisher nicht genug auf soziale
Geographie, die normalerweise ohne       BORG Dornbirn Schoren. „Außerdem                                                                           Unterschiede eingegangen. Mit dem
Hausübungen auskommen, galt es           habe ich den Lehrkräften nahegelegt,               „Psychische Probleme                                    Distance-Learning vergrößern sich
plötzlich Arbeitspakete zu erstellen,    im Unterricht auf einen Mix aus Me-                 werden explodieren“                                    die Unterschiede noch weiter.“ Durch
noch dazu digital. „Da wurde viel im-    thoden zu setzen, also sowohl Video-        Direktor Sepp aus Dornbirn hat im                              eine schlechtere technische Ausstat-
provisiert, und logischerweise hat es    unterricht als auch Arbeitsaufträge         Winter unter Schülerinnen und Schü-                            tung, Sprachprobleme sowie weniger
jeder Lehrer ein bisschen anders ge-     zu verwenden.“ Das verringerte die          lern sowie deren Eltern eine Umfrage                           ungestörte Arbeitsräume würden
macht.“ Das Arbeitspensum ist enorm      anfangs großen Unterschiede zwi-            zum Distance-Learning durchgeführt.                            sozial schwache Kinder weiter zu-
gestiegen. „Das Kontrollieren der Auf-   schen den individuellen Unterrichts-        „Das Feedback war recht positiv“,                              rückbleiben. Laut einer Studie der
gaben war ein Wahnsinn“, sagt Laube.     stilen. In der BHAK Wien 22 wurde           sagt er. Einzelne Schülerinnen und                             Uni Wien vom Herbst 2020 ist jeder
In einer digitalen Lernplattform zig     ab dem zweiten Lockdown auch im             Schüler meldeten, dass es ihnen im                             zehnte Schüler nach wie vor digital
Hausübungsdokumente öffnen und           Distance-Learning der Stundenplan           Fernunterricht sogar besser gehe.                              nicht erreichbar. Kayali: „Wollen wir
für jedes eine schriftliche Bewertung    strikt eingehalten: „Dadurch ist die        „Das war aber eine Minderheit.                                 diese ‚New Digital Divide‘ wirklich
verfassen – das kostet viel Zeit. Für    Pünktlichkeit der Schüler dramatisch        Die Mehrheit möchte wieder in die                              akzeptieren?“

                                                  Plattformen, Tools & Co
                                                  Zentrale Drehscheibe für Distance-Learning ist eine Lernplattform beziehungsweise ein
                                                  Lernmanagementsystem. An Österreichs Schulen werden vor allem Microsoft Teams, Ange-
                                                  bote von Google, das Moodle-basierte Eduvidual sowie LMS.at eingesetzt. Sie dienen der
                                                  Kommunikation zwischen Lehrkräften und Lernenden, dem Bereitstellen von Unterrichts-
                                                  materialien und dem Einsammeln von Hausübungen. Die Plattformen können auch
                                                  miteinander kombiniert werden. Für Videounterricht setzen manche zusätzlich auf Zoom.
                                                  Deutlich unübersichtlicher ist die Welt der digitalen Lehr- und Lernmaterialien, die im Unter-
                                                  richt eingesetzt werden können. YouTube hat sich auf jeden Fall bewährt. Das Bildungsminis-
                                                  terium hat mit Eduthek und Edutube eigene Portale lanciert. Kahoot! ist ein Klassiker unter
                                                  den Lernspiel-Plattformen. Herauszufinden, welche Programme und Apps sich für welche
                                                  Fächer und Schulstufen eignen, ist jedoch mühsame Kleinarbeit. Hinweise geben etwa Fach-
                                                  magazine wie das „journal für lehrerInnenbildung“.
                                                  Eine Fortbildung in Sachen digitales Lernen bietet seit August der Distance Learning MOOC.
                                                  Über 20.000 Lehrkräfte haben bereits an dem von der Virtuellen Pädagogischen Hochschule
                                                  koordinierten Projekt teilgenommen. Infos auf www.virtuelle-ph.at/dlm.
Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH
Mittwoch, 28. April 2021                                                      Schule 21/22                                                                                                 Plus                                     S9

Nach
20 Minuten
hört niemand mehr zu
                                                                                                                                                                                                                              tor
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                                                                                                                                                                                               tration
                                                                                                                                                                                          Illus

Von Gruppendynamik bis Zeitmanagement: Zwei Experten geben
Tipps, wie Lehrkräfte Distance-Learning optimal einsetzen können.

G
      anze Schulen, die sich zu           Lernen – mit Arbeitsaufgaben, Lesen        einem Live-Setting alle Teilnehmen-                                                            mit einem Screencast kombiniert wer-
      hundert Prozent im Distance-        von Texten oder Ansehen von Videos         den fragen, wie es ihnen gehe – und                                                            den, also einer Videoaufzeichnung
      Learning befinden – das hatte es    – den Schülerinnen und Schülern nur        sie mit einem Emoji antworten lassen.                                                          des Bildschirms, an dem die Lehrkraft
bisher nicht gegeben. Entsprechend        mit Einschränkungen zumutbar ist.          Oder man könne mit einem virtuel-                                                              eine Aufgabe korrigiert.
begrenzt waren die wissenschaftli-        Kayali: „Es ist wichtig, den Schülern      len Stift gemeinsam ein Whiteboard
chen Erkenntnisse darüber, sagt Fares     eine Struktur zu geben, die Abfolge        bemalen. „Das füllt natürlich nicht                                                                  Motivation: Ist da jemand?
Kayali, Professor für Digitalisierung     von Aufgaben genau zu erklären, auch       die ganze Lehreinheit aus, aber es                                                             Vor allem bei schwächeren Schülerin-
im Bildungsbereich am Zentrum für         anzugeben, wie viel Zeit man wofür ein-    sind gute Einstiegsmethoden“, er-                                                              nen und Schülern stellt sich das Pro-
Lehrer*innenbildung der Universität       planen sollte. Diese Struktur soll nicht   klärt Schallert. Außerdem ließen sich                                                          blem, dass manche nach einer länge-
Wien. „Es hat sich jedenfalls gezeigt:    einengen, sondern Sicherheit geben.“       auch im Live-Unterricht oder bei den                                                           ren Phase des Distance-Learning die
Der Frontalunterricht, der schon im                                                  Arbeitsaufgaben Gruppenarbeiten ein-                                                           Motivation verlieren. Schallert rät hier
Präsenzmodus nicht besonders gut                     Soziale Präsenz:                bauen.                                                                                         zu einer stärkeren Kontrolle der Leis-
funktioniert, funktioniert im digitalen       Icebreaker-Methoden helfen                                                                                                            tungen durch die Lehrkraft: „Wenn ich
Bereich überhaupt nicht mehr. Wenn        Eine Kernfrage sei, wie man im Dis-                   Arbeitspensum:                                                                      eine Aufgabe kontrolliere, dann zeige
der Vortrag länger als 20 Minuten         tance-Learning soziale Präsenz schaf-             Nicht zu viel schreiben                                                                 ich damit auch Wertschätzung. Ich
dauert, hört niemand mehr zu.“ Zu         fen könne, sagt Stefanie Schallert. Die    Wie kann man dafür sorgen, dass das                                                            zeige, dass ich da bin – und dass der
leicht werde man vor dem Computer         ehemalige HAK-Lehrerin leitet heute        Arbeitspensum nicht völlig aus dem                                                             Lernende nicht einfach untertauchen
abgelenkt, zu schwierig sei die Kon-      das Team der Virtuellen Pädagogi-          Ruder läuft? Es empfehle sich, Aufga-                                                          kann.“ Auch einzelne Feedback-Ge-
zentration ohne physische Präsenz.        schen Hochschule, die seit 2011 On-        ben nicht per E-Mail, sondern über                                                             spräche können helfen und das Gefühl
„Dinge persönlich zu erklären ist         line-Fortbildungsformate entwickelt.       eine Lernplattform abgeben zu lassen,                                                          vermitteln: Da ist jemand, der dir hel-
weiterhin notwendig, aber es sollte       „Ich empfehle Icebreaker-Methoden,         und besser nicht schriftlich zu reagie-                                                        fen möchte. Manche Lehrkräfte bieten
nicht zu lange dauern.“ Auch der Live-    die ein Gruppengefühl schaffen und         ren – denn das verursache in der Tat                                                           zudem virtuelle Sprechstunden an,
Unterricht sollte daher zum Teil inter-   zeigen: Ich bin nicht allein, es gibt      einen „wahnsinnigen Aufwand“. „Es                                                              in denen unter vier Augen Fragen ge-
aktiv gestaltet, etwa für Diskussionen    auch noch andere, die vor ihren Ge-        gibt Tools, mit denen man mündlich                                                             stellt werden können. Und Methoden,
genutzt werden. Auf der anderen Seite     räten sitzen. Wir sind schließlich alle    Feedback geben kann“, so Schallert.                                                            die die soziale Präsenz stärken, för-
zeigt sich, dass das selbstbestimmte      Menschen.“ So könne die Lehrkraft in       Diese Audio-Aufnahmen können auch                                                              dern tendenziell auch die Motivation.

                           Das KLASSENZIMMER steht kopf
                           Das Distance-Learning hat auch positive Seiten. Die vergangenen Monate brachten einen Digitalisierungsschub,
                                                       der die Zukunft der Schulen noch lange prägen wird.

 „I  n meinen Klassen sitzen jetzt viel mehr
     Schüler mit einem Laptop als früher“,
 erzählt Geographielehrer Georg Laube.
                                                war“, sagt Direktor Reinhard Sepp aus
                                                Vorarlberg. „Das kann eine Bereicherung
                                                für den Unterricht sein und auch die
                                                                                                vorbereitet und die Wortmeldungen sind
                                                                                                kürzer.“
                                                                                                                                                    Berufsleben.“ Die digitalen Lernplattfor-
                                                                                                                                                    men würden sich zudem hervorragend
                                                                                                                                                    für neue Formen des Unterrichtens nach
 Die meisten Verlage bieten ihre Schulbü-       Motivation erhöhen.“ Stefanie Schallert                 „Gezwungen, neue Dinge                      dem Flipped-Classroom-Prinzip eignen, bei
 cher mittlerweile digital an, da tragen die    von der Virtuellen PH betont die neuen                       auszuprobieren“                        dem die Lernenden eine aktivere Rolle ein-
 Schülerinnen und Schüler lieber einen          Möglichkeiten, die sich im Bereich der          Auch Nina Brenner, Lehrerin an der                  nehmen – und der herkömmliche Frontal-
 Computer statt fünf Bücher mit sich he-        Medienpädagogik eröffnen: „Lernende             BHAK Wien 22, findet manches an der                 unterricht quasi auf den Kopf gestellt wird.
 rum. „Man bemerkt schon einen großen           können selber Dinge produzieren, zum Bei-       Distance-Learning-Erfahrung erfreulich:             Fares Kayali von der Uni Wien: „Man hat
 Digitalisierungsschub“, so der Lehrer. Das     spiel ein Video oder einen Blog erstellen.      „Sowohl Lehrer als auch Schüler waren               schon vorher gewusst, dass neue, selbstbe-
 Arbeiten mit Lernplattformen wurde nach        Das gibt es in der analogen Welt in dieser      dazu gezwungen, neue Dinge auszupro-                stimmte Formen des Lernens besser funk-
 den Lockdowns ebenfalls beibehalten.           Form nicht.“ Und der Wiener HAK-Direktor        bieren. Die Schüler mussten digitale Kom-           tionieren als das simple Vortragen. Jetzt
 „Generell wird jetzt eine Fülle von E-Lear-    Christian Posad hat tolle Erfahrungen mit       petenzen erwerben. Außerdem mussten                 haben wir die Chance, diese neue Form des
 ning-Tools mit einer Selbstverständlich-       Online-Lehrerkonferenzen gemacht: „Das          sie lernen, sich selbst zu organisieren.            Unterrichtens stärker zu verankern.“
 keit eingesetzt, die vorher nicht gegeben      läuft viel effizienter ab, die Leute sind gut   Diese Fähigkeiten benötigen sie auch im
                                                                                                                                            Foto: stock.adobe.com/Volha Hlinskaya
Plus MEDIENKOMPETENZ Schule 21/22 - Mittwoch, 28. April 2021 - Virtuelle PH
S10                  Plus                                                         Schule 21/22                                                                                             Mittwoch, 28. April 2021

                              „Was ist so schlimm daran, dass Ihr
                                         KIND YOUTUBER
                                                                          werden will?“
                                      Wie navigieren Schülerinnen und Schüler zwischen Social Media, Handyverboten und
                                      dem Traumjob YouTuber? Der Unternehmer, Trendforscher und EU-Jugendbotschafter
                                     Ali Mahlodji erklärt im Interview mit Clemens Stachel, warum Schülerinnen und Schüler
                                          medienkompetenter sind, als wir glauben, was bei der Fake-News-Aufklärung
                                           im Unterricht falschläuft und woran es Kindern heute am meisten mangelt.
Herr Mahlodji, Sie sind erfolgreicher Unterneh-                                                                                                                     te, die in ihrer Jugend ihre Talente mit den

                                                                                                                                               Foto: Diva Shukoor
mer und Gründer der Berufsorientierungsplatt-                                                                                                                       digitalen Technologien verknüpft haben –
form whatchado. Seit einigen Jahren halten Sie                                                                                                                      aber nicht etwa in der Schule, sondern in
stark nachgefragte Vorträge an Schulen, arbei-                                                                                                                      ihrer Freizeit!
ten in Workshops mit Schülerinnen und Schü-                                                                                                                           Was ich damit sagen will: 65 Prozent der
lern, aber auch mit Lehrkräften und Eltern. Nach-                                                                                                                   Berufe, die wir in zehn Jahren haben wer-
dem Sie Tausende Schülerinnen und Schüler in                                                                                                                        den, gibt es noch nicht. Wenn also ein Kind
ganz Österreich kennengelernt haben – wie steht                                                                                                                     heute sagt, „Ich will YouTuber werden“, und
es um ihre Medienkompetenz?                                                                                                                                         daraufhin von Eltern und Lehrkräften nicht
   Ali Mahlodji: Es tut mir leid, dass ich                                                                                                                          Ablehnung, sondern Unterstützung erfährt,
das Gespräch mit einer Gegenfrage begin-                                                                                                                            dann ist die Chance groß, dass dieses Kind
nen muss: Wie steht es denn um die Me-                                                                                                                              in 15 Jahren kein YouTuber ist, aber dafür
dienkompetenz der Erwachsenen? Es gibt                                                                                                                              seinen Traumjob landet – von dem wir heute
erschreckende Studien darüber, wie vie-                                                                                                                             noch nicht einmal den Namen kennen.
le Menschen Fake News nicht von echten
News unterscheiden können. Und auch die                                                                                                                             Bleiben wir bei YouTube und den digitalen Medi-
echten Nachrichten können viele nicht rich-                                                                                                                         en. Das Smartphone ist im Klassenzimmer nicht
tig einordnen. Anders gesagt: Es sind nicht                                                                                                                         gern gesehen, es raubt Schülerinnen und Schü-
die Kinder, die zu Tausenden auf die Straße                                                                                                                         lern die Konzentration. Gleichzeitig spielt sich
gehen, um gegen die Corona-Maßnahmen                                                                                                                                aber auf diesen Geräten fast der gesamte Medien-
zu „demonstrieren“, und den schlimmsten                                                                                                                             konsum der Kinder und Jugendlichen ab. Wie
Verschwörungstheorien anhängen. Es sind                                                                                                                             könnte also ein Unterricht über die Smartphone-
Erwachsene.                                                                                                                                                         Medien aussehen?
                                                                                                                                                                       Wichtig wäre zunächst, dass die Lehrerin-
Muss man sich dann um die heranwachsende                                                                                                                            nen und Lehrer nicht den Fehler machen,
Generation nicht umso mehr Sorgen machen?                                                                                                                           das Internet als die große Gefahr darzustel-
   Ja und nein. Es gibt hier zwei Aspekte,                                                                                                                          len, vor der die Kinder „geschützt“ werden
die mir aus Sicht der Erwachsenen wichtig                                                                                                                           müssen. Zurzeit ist an Schulen beispiels-
erscheinen. Erstens, wie wir Eltern wissen,                                                                                                                         weise die Aufklärung über Fake News weit
sind Kinder Kopiermaschinen. Sie tun, was                                                                                                                           verbreitet. Das ist sicher gut gemeint, aber
man ihnen vormacht und vorlebt. Und wenn                                                                                                                            ich beobachte es kritisch. Es etabliert eine
es in unserer Gesellschaft für Erwachsene                                                                                                                           schiefe Ebene, wo Erwachsene Kindern er-
normal ist, in der U-Bahn-Station nach den                                                                                                                          klären, was „richtig“ und was „falsch“ ist.
Gratiszeitungen mit den Mega-Schlagzeilen                                                                                                                           Die Botschaft wird dann oft verkürzt: Man
zu greifen, dann tun die Kinder und Jugend-                                                                                                                         könne nur mehr den großen, staatlichen Me-
lichen das auch. Wie sollen Kinder Kom-                                                                                                                             dien vertrauen, alle anderen seien potenziell
petenz im Umgang mit Medien erlernen,                                                                                                                               gefährlich oder „fake“. Ich habe den Ein-
wenn das die Normalität ist, die sie von den                                                                                                                        druck, dass die Schülerinnen und Schüler
Erwachsenen in ihrem Umfeld vorgelebt                                                                                                                               sofort merken, dass das so nicht stimmt. Es
bekommen? Und der zweite Aspekt, der da-                                                                                                                            hat auch nichts mit ihrer Lebensrealität zu
mit zusammenhängt: Wir unterschätzen die                                                                                                                            tun, weil sie wissen: Auch auf YouTube oder
Selbständigkeit der Kinder. Wir trauen ih-                                                                                                                          Instagram kann man sich seriöse, professio-
nen zu wenig zu. Das gilt dann vor allem in                                                                                                                         nell aufbereitete Information holen. Außer-
dem sozialen Umfeld der „Helikoptereltern“,                                                                                                                         dem ist es nicht ratsam, Menschen vorzu-
wo die Kinder den ganzen Tag umsorgt wer-                                                                                                                           werfen, sie konsumierten Fake News, ohne
den. Dieses Nicht-Zutrauen hemmt die Kin-                                                                                                                           sich mit den Gründen dafür zu beschäftigen.
der stark in der Entwicklung eigener Kom-                                                                                                                           Das führt erst recht zu einer Abwehrreakti-
petenzen.                                                                                                                                                           on und zu einem Gefühl der Abwertung, nie-
                                                                                                                                                                    mals zur großen Erkenntnis.
Sie meinen, wir haben es mit einer Selffulfilling
Prophecy zu tun: Wir trauen den Kindern nicht                                                                                                                       Wie also sollen Lehrkräfte den Umgang mit digi-
zu, dass sie die komplexe Medienwelt begreifen                                                                                                                      talen Medien im Unterricht thematisieren?
können, was dazu führt, dass wir sie erst recht                                                      Ali Mahlodji, der selbst die Schule ab-                           Ich würde alle Schülerinnen und Schüler
damit allein lassen?                                  Genau da liegt das Missverständnis. Viele      gebrochen und die Matura nachgeholt                            bitten, je ein kurzes Referat zu halten: Er-
Ich treffe an Schulen so viele Eltern, die mir      Eltern denken so: Mein Kind sollte alles ge-     hat, gilt als Wiener Prototyp des digi-                        zähl, was du im Netz am liebsten machst.
vorjammern: Hilfe, mein Kind will YouTuber          nauso machen, wie ich es vor 30 Jahren ge-       talen Entrepreneurs. 2012 gründete er                          Welche Apps verwendest du? Welche Social-
werden! Das scheint zurzeit eine der größ-          macht habe, nur um eine Stufe erfolgreicher.     whatchado, eine Berufsorientierungs-                           Media-Accounts benutzt du? Was sind deine
ten Sorgen von Eltern in Österreich zu sein.        Denn es soll es einmal „besser haben als         plattform für junge Menschen. Er hält                          Lieblingschannels auf YouTube? Welche sind
Dann erwarten sie, dass ich ihnen Tipps             ich“. Ein Aufstiegsglaube, der für die Nach-     Vorträge und veranstaltet Workshops                            zurzeit deine aktivsten Chats auf Whats-
gebe, wie sie ihrem Kind diesen dummen              kriegsgenerationen sinnvoll war, aber heute      an Schulen, ist EU-Jugendbotschafter,                          App? Hast du schon einmal ein TikTok-Video
Berufswunsch wieder austreiben können.              völlig verfehlt ist. Wie wir glauben, dass die   Autor des „Work Report 2019“ des                               gepostet? Wie funktioniert das? Was findest
Aber ich sage ihnen dann: Was ist denn so           Welt funktioniert, hat immer weniger damit       Zukunftsinstituts und berät staatliche                         du cool? Was ärgert dich? Die Schülerin-
schlimm daran, dass Ihr Kind YouTuber wer-          zu tun, wie die Welt wirklich funktioniert –     und private Bildungsinitiativen.                               nen und Schüler müssen begreifen, dass
den möchte? Erstens, vielleicht schafft er          und erst die Welt in zehn Jahren! Stellen Sie                                                                   sie bereits etwas können, und dass ich als
oder sie es ja! Zweitens, das ist ein respekta-     sich vor, vor zehn Jahren hätte eine Jugendli-                                                                  Lehrerin oder als Lehrer gewillt bin, auch
bler Medienberuf wie jeder andere auch. Und         che zu ihren Eltern gesagt: „Ich möchte ein-                                                                    von ihnen zu lernen. Sie müssen verstehen,
drittens, was würde denn schlimmstenfalls           mal selbständige Social-Media-Managerin                                                                         dass ihr Umgang mit der für uns Erwachse-
passieren, wenn Ihr Kind es nicht schafft           werden, da kann ich mein Wissen, wie man                                                                        nen so verwirrenden Welt der Social-Media-
oder auf halbem Weg die Lust verliert? Dann         auf Facebook kommuniziert, einsetzen und                                                                        Plattformen bereits eine Kompetenz dar-
hätte es Erfahrung, Wissen und Kompeten-            obendrein viel Geld verdienen.“ Was hätten                                                                      stellt, und dass sie sich durch ihr tägliches
zen gesammelt, die ihm auf seinem weiteren          die Eltern geantwortet? Ich vermute, so et-                                                                     Hantieren mit dem Smartphone bereits
Lebensweg von Nutzen sein können.                   was wie: „Was redest du für Schwachsinn?“                                                                       großes Wissen über Medien aneignen – sie
                                                    Heute suchen die größten internationalen                                                                        müssen nur den Blick dafür schärfen. Dann
Diese Eltern wünschen sich wohl, dass das Kind      Unternehmen händeringend nach guten                                                                             geht es darum, gemeinsam über Inhalte und
einen „richtigen“ Job anstrebt – einen, der es      Social-Media-Beraterinnen und -Beratern.                                                                        Formate zu reden, und darum, hinter die Ku-
absichert.                                          Und wer kriegt diese Jobs? Jene jungen Leu-                                                                     lissen dieser Medien zu schauen.
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