DAS PROGRAMM DER FASSADE DES PRIMATIALPALAIS IN PRESSBURG ( BRATISLAVA) - EIN KIRCHENPOLITISCHES MANIFEST AUS DER ZEIT DES JOSEPHINISMUS
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DAS PROGRAMM DER FASSADE DES PRIMATIALPALAIS IN PRESSBURG (BRATISLAVA) – EIN KIRCHENPOLITISCHES MANIFEST AUS DER ZEIT DES JOSEPHINISMUS MÁRIA PÖTZL-MALÍKOVÁ In der einschlägigen kunsthistorischen Li- um die Wahrung der Tradition zu integrie- teratur, die sich mit dem späten 18. Jahr- ren wussten. Sie waren sich der Krisensi- hundert befasst, überwiegt bis heute noch tuation in der Kirche wohl bewußt und be- eine Gleichsetzung der Begriffe Aufklärung mühten sich mit allen Mitteln, die ihnen zur und Klassizismus. Bei einer näheren Un- Verfügung standen, der äusseren Bedro- tersuchung geht diese eindeutig scheinen- hung und den inneren Auflösungstenden- de Vorstellung aber nicht immer auf, denn zen entgegenzusteuern. beide gehören in zwei unterschiedliche Ge- Der erste, der Erzbischof von Wien, Kar- biete: der eine fasst die geistige Entwick- dinal Christoph Migazzi3 ist vor allem als ein lung zusammen, der zweite die stilistische kompromißloser Gegner von einschneiden- Wende in der Kunst – die nicht unbedingt den kirchlichen Reformen Josephs II. be- korrelieren müssen.1 Ausserdem ist die gei- kannt, der selber zwar ein gläubiger Katho- stesgeschichtliche und kulturelle Entwick- lik war, aber ein Staatskirchentum anstrebte, lung dieser Zeit besonders kompliziert, alle in dem er – so wie auf allen anderen Gebie- Schichten der Gesellschaft, ja sogar auch ten – ohne Rücksicht und Rücksprache alles einzelne Persönlichkeiten subsummierten per Dekret bestimmen könnte. Weniger be- unter diese Begriffe unterschiedliche Inhal- kannt ist Migazzis früheres Bekenntnis zum te, die dann zu unterschiedlichen Resulta- sog. Reformkatholizismus, der vor allem ten führen.2 unter Papst Benedikt XIV. in den sechziger Einen Beweis für eine Inkongruenz von Jahren des 18. Jahrhunderts bemüht war, Klassizismus und Aufklärung bietet auch die die Kirche von innen heraus zu reformie- kulturpolitische Ausrichtung zweier hoher ren.4 Als sich sein späterer Nachfolger Pius kirchlicher Würdenträger, die an der Spit- VI., tief beunruhigt von den Reformen Jo- ze der katholischen Hierarchie im Habsbur- sephs II. entschlossen hat, im Frühjahr 1782 gerreich standen und sich in Opposition zu nach Wien zu reisen, um in einem persön- Joseph II. und zur Aufklärung allgemein als lichen Gespräch den Kaiser zum Einlenken kompromisslose Repräsentanten der tradi- zu bewegen,5 war es Kardinal Migazzi, der tionellen Position der Kirche verstanden hat- bei diesem zuletzt mißglückten Versuch sei- ten, dabei aber persönlich keineswegs von ne stärkste Stütze war. Andererseits ist ge- der allgemeinen kulturellen Entwicklung rade der ursprünglich reformfreudige, spä- unberührt blieben und sie sogar im Kampf ter aber ultramontane Migazzi der Bauherr 591 VII-Slavicek.indd 591 7.10.2009 18:27:25
MÁRIA PÖTZL-MALÍKOVÁ der ersten klassizistischen Bauwerke in Mit- Jahrhundert vertritt Batthyány noch immer teleuropa und zwar in Waitzen (Vác), die er den Typus eines spätbarocken Kirchenfür- anlässlich des Besuches der kaiserlichen Fa- sten, der viel Sinn für die schönen Dinge des milie im Jahre 1764 von Isidore Caneva- Lebens hat. Sein riesiges Vermögen erlaub- le, dem späteren bevorzugten Architekten te ihm ein Leben im großen Stil, er unter- Josephs II. entwerfen ließ.6 In dieser Bi- hielt einen eigenen „Hof “ und ein privates schofsstadt, die in seine Administration ge- 22-köpfiges Orchester,10 sammelte Kunst- hörte, ist er auch als großzügiger Förderer werke, gab viel Geld für Pretiosen aus und verschiedener städtebaulicher Maßnah- legte eine große Bücher- und Musikalien- men bekannt, die jedem aufgeklärten Geist sammlung an.11 Daneben aber unterstützte Ehre gemacht hätten. Sein privates Interes- Batthyány – von der zeitgenössischen Presse se galt den antiken Ausgrabungen, sowohl als ein „bekannter Menschenfreund“ und „belieb- auf dem Gebiet Mitteleuropas wie auch in ter und wohltätiger Fürst“ apostrophiert12 – mit Süditalien.7 viel Engagement und beträchtlichen Mitteln Der zweite – mit dem wir uns in diesem auch verschiedene kirchliche Einrichtungen Beitrag näher befassen wollen – ist der Erzbi- und baute Kirchen und Schulhäuser. Beson- schof von Gran (Esztergom) und Primas von ders lagen ihm die Piaristenschulen am Her- Ungarn, Kardinal Joseph Batthyány, der be- zen, die das Bildungsvakuum in den kirchli- deutendste Mitstreiter von Kardinal Migaz- chen Schulen nach dem Verbot der Jesuiten zi. Er führte beim Besuch Pius VI. in Wien ausfüllen sollten.13 Die von ihm ernst aufge- die Deputation der Kleriker aus Ungarn an fasste Pastoralpflicht in seiner großen Diö- und bemühte sich während des ganzen Wie- zese fand ihren Ausdruck in einer groß- ner Aufenthaltes mit dem Aufgebot aller sei- angelegten Visitatio canonica in den Jahren ner Kräfte und Möglichkeiten zwischen dem 1779–1782, bei der er oft auch persönlich an- Papst und dem Kaiser zu vermitteln. wesend war.14 Joseph Batthyány (1727–1799) stammte Seine kritische Haltung gegenüber aus dem gräflichen Zweig einer angesehenen der Kirchenpolitik Josephs II. publizierte ungarischen Magnatenfamilie8 [Abb. 1]. Sein Batthyány auch öffentlich, in einer Unterthä- Vater bekleidete in den Jahren 1751–1765 nigsten Vorstellung, die 1782 erschienen ist.15 das Amt des Palatins, des höchsten weltlichen Unter dem Motto „Gebt dem Kaiser was des Würdenträgers Ungarns, der auch Stellver- Kaisers ist und Gott was Gottes ist“, verwahrte treter des Herrschers war. Als zweitgeborener er sich, zwar sehr höflich, aber entschieden Sohn wurde er schon sehr früh für die geist- gegen die nach seiner Meinung unzulässige liche Laufbahn bestimmt und erhielt dazu Einmischung des Kaisers in innerkirchliche eine ausgezeichnete Ausbildung, für die der Angelegenheiten, die allein in die Kompe- Jesuitenpater Johann Príleský die Grundla- tenz der Bischöfe und Kirchenversamm- gen schuf9 Auf den Stufen der kirchlichen lungen gehörten. Im Konkreten reagier- Karriere schritt er dann sehr rasch und ohne te er auf die Bestimmung Josephs II. vom Probleme empor. Schon 1759 wurde er Bi- 24. März 1781, dass die einzelnen Ordens- schof von Siebenbürgen, 1760 Erzbischof gemeinschaften in Zukunft keine Kontak- von Kalocsa und 1776 wurde er nach elfjäh- te zu ihrer Obrigkeit oder Mitbrüdern im riger Sedisvakanz zum Erzbischof von Gran Ausland pflegen dürfen und auf sein Dekret (Esztergom) und damit auch zum Primas von vom 26. März 1781, dass die päpstlichen Ungarn bestimmt. Es folgte 1778 die Ernen- Bullen und andere kirchliche Vorschriften nung zum Kardinal. Im ausgehenden 18. aus Rom auf dem üblichen amtlichen Weg 592 VII-Slavicek.indd 592 7.10.2009 18:27:25
DAS PROGRAMM DER FASSADE DES PRIMATIALPALAIS IN PRESSBURG (BRATISLAVA) gesetzt war und so viele Verluste hinnehmen mußte, sollte dieser prächtige Bau auch zum Ausdruck ihrer ungebrochenen Macht und Bedeutung werden. Batthyány war in die- ser Haltung nicht allein, gerade im späten 18. Jahrhundert kann man bei den Kirchen- fürsten Ungarns eine gesteigerter Bautätig- keit feststellen, in der sich derselbe Wille zur Wahrung der bis dahin dominierenden Po- sition der Kirche und ihrer Repräsentanten manifestiert.18 Der Primas berief für sein großes Baupro- jekt den Wiener Architekten Melchior Hefe- le,19 der in Wien bis dahin wenig in Erschei- nung trat, aber auswärts bereits wichtige Werke – den Hochaltar der Wallfahrtskirche in Sonntagberg und den Neubau der Fürst- bischöflichen Residenz in Passau realisieren konnte.20 Kurz vor seinem Eintritt in die Dienste von Batthyány war er im Auftrag von Bischof Franz Zichy mit dem Umbau des In- nenraums der Kathedrale in Raab (Györ) be- schaftigt.21 Durch diese Tätigkeit ist der Pri- mas wohl auf ihn aufmerksam geworden. Mit Abb. 1: Joseph Pitschmann – Joseph Kreuzer, dem Vertrag vom 24. Februar 1777 wurde Kardinal Joseph Batthyány, Primas von Ungarn, der Ingenieur und Baumeister Hefele für 800 fl. Mezzotinto, nach 1780, Galéria mesta Bratislavy. jährlich und 200 fl. anfänglicher Zulage für Foto: Ladislav Sternmüller. Kost und Logis Batthyánys Angestellter.22 In seine Kompetenz gehörten laut Vertrag alle ihm vorgelegt werden müssen um seine Be- Bauten des Primas, und das nicht nur die willigung zur öffentlichen Publizierung zu privaten, sondern z. B. auch Kirchen, Schul- erlangen.16 häuser u. a. auf dem Land,23 ferner die Ver- Schon bald nach seiner Ernennung zum messung der Grundstücke und Wälder des Primas von Ungarn entschloss sich Batthyá- Primas. Der Bau des Primatialpalais wird im ny eine neue erzbischöfliche Residenz inmit- Vertrag nicht konkret erwähnt. Hefele oblag ten der Stadt Preßburg zu errichten und das weiter der Abschluss von Kontrakten mit den an der Stelle eines alten, mehrmals umgebau- für die Bauvorhaben notwendigen Hand- ten Gebäudes, das den Erzbischöfen seit lan- werkern und Künstlern und ihre Kontrol- ger Zeit gehörte.17 Für seine Entscheidung le. Bei dieser Aufgabe sollte er mit den Be- waren außer dem privaten Wunsch, statt in amten Batthyánys zusammenarbeiten. Unter einem veralteten, nicht mehr zeitgemäßen diesen wird vor allem Stephan Ormosdy, der Domizil in einem neuen, repräsentativen Pa- Provisor (Verwalter) des Primas genannt, lais zu wohnen, wohl auch kirchenpolitische der auch regelmäßig hohe Summen aus der Überlegungen wichtig: in der Zeit in der die Zentralkassa erhielt und die Ausgaben dann katholische Kirche so vielen Angriffen aus- abrechnete.24 593 VII-Slavicek.indd 593 7.10.2009 18:27:26
MÁRIA PÖTZL-MALÍKOVÁ Das Aktenmaterial zum Bau des Prima- tialpalais, das sich im Primatialarchiv von Esztergom befindet, ist sehr reichhaltig, aber bisher wenig erschlossen.25 Unter vie- len Schriftstücken haben sich auch Kon- trakte und Abrechnugen mit den Künstlern und Handwerksmeistern erhalten, Entwür- fe und Zeichnungen sind dagegen verhält- nismäßig wenige vorhanden.26 Erwähnen müssen wir vor allem einen Vertrag mit dem Wiener Bildhauer Matthäus Kögler, über die Verfertigung von vier selbständigen Sta- tuen, dann zwei Zweier-Gruppen und des Abb. 2: Melchior Hefele, Primatialpalais in Batthyány-Wappens mit zwei Engeln (genii) Preßburg (Bratislava), 1778–1781. Foto: für die Attika der Fassade, den er auch im Ladislav Sternmüller. Namen seines Mitarbeiters, des Bildhauers Philipp Jakob Prokopp am 7. April 1779 un- gefunden wurde, ist ein Vertrag mit dem terschrieben hat.27 Wesentlichen Anteil an Maler Franz Anton Maulbertsch, über den der Errichtung des Palais hatten sonst die in wir aus anderen Quellen wissen, dass er im Pressburg ansässigen Künstler und Hand- Giebel der Fassade Figuren malte.29 werksmeister. So sollte die Fassung und die Am 6. Mai 1778 begann man mit dem Ab- teilweise Vergoldung dieser Statuen nach ei- riss des alten Gebäudes, das neue sollte im nem separaten Vertrag der Maler Johann November 1779 schon unter Dach sein. Erst Millitz durchführen. Die Bauarbeit über- im Mai 1780 wurde dann die an das alte Palais nahm der Maurermeister Matthias Höll- angrenzende, im Mittelalter erbaute Kapelle riegl, für die Steinmetzarbeit wurde der abgebrochen.30 Die neue Kapelle hat Hefele Steinmetzmeister Martin Rumpelmayer ver- in das neue Gebäude integriert. Das Altarblatt pflichtet. Die bildhauerischen Teile, wie die für den neuen Hochaltar sollte ursprüng- Kapitäle der Lisenen auf der Fassade, die lich der Pressburger Maler Anton Rosier ma- vier Vasen auf der Attika, und die Säulenka- len. Nachdem er aber wegen Krankheit ab- pitäle im Spiegelsaal sollte der in der Stadt sagen musste, wollte sich Stephan Ormosdy lebende Bildhauer Johann Messerschmidt, „mit Einverständnüs des Mahlers Maulpitsch an der jüngere Bruder von Franz Xaver Mes- einen andern in Wien verwenden“.31 Das Hoch- serschmidt, meist nach den Entwürfen He- altarbild mit der Darstellung des Hl. La- feles ausführen. Er war am Bau viel beschäf- dislaus malte dann der aus Wien stammen- tigt, erst 1783 wird seine Arbeit endgültig de Maler Andreas Zallinger, der sich danach abgerechnet. Im Jahre 1781 restaurierte er in Preßburg niederließ,32 die Seitenaltarbil- auch die ältere Statuengruppe des Hl. Jo- der stammen von den Wiener Malern Jakob hannes von Nepomuk aus der ersten Hälf- Kohl und Johann Maidinger,33 das Decken- te des 18. Jahrhunderts, die in der Nähe des fresko mit der Szene des Hl. Ladislaus schuf alten Gebäudes stand.28 Im Spiegelsaal wa- Franz Anton Maulbertsch.34 Aus einer priva- ren neben Johann Messerschmidt auch die ten Kapelle, die sich im alten Palais befand, Stukkateure Johann Michael Janisch aus wurde in diesen Raum eine Kalvariengruppe Wien und Karl Trattner aus Pressburg tätig. übertragen,35 deren bronzenes Kruzifix, das Das einzige was bisher in diesen Akten nicht man wohl in das 17. Jahrhundert datieren 594 VII-Slavicek.indd 594 7.10.2009 18:27:26
DAS PROGRAMM DER FASSADE DES PRIMATIALPALAIS IN PRESSBURG (BRATISLAVA) muss, in späterer Literatur irrtümlich als ein hundert seine ganze Umgebung dominierte, Werk des Franz Xaver Messerschmidt publi- stellte ein bedeutendes Novum im Gesamt- ziert wurde.36 bild der Stadt dar, war es ja hier das erste Pa- Ende 1780 war das Palais soweit fertig, lais, das sich zum Klassizismus bekannte. Im dass es am 25. November das erste Mal seine Werk Hefeles ist dieses Palais sein wichtigstes Pforten öffnete.37 Der Anlass dazu war der weltliches Bauwerk überhaupt, das sogar das Namenstag der Erzherzogin Maria Christine Bischofspalais in Passau übertrifft. Mit seiner und der Geburtstag ihres Gemahls Herzog klaren und strengen Instrumentalisierung Albert von Sachsen-Teschen, des Statthalters der Fassade entsprach Hefele zwar den Vor- von Ungarn, die damals auf der Pressburger stellungen seiner Zeit, gleichzeitig aber setz- Burg residierten. Das Gebäude war zu die- te er in ihrer monumentalen Gliederung mit sem Fest feierlich illuminiert und im neu- Lisenen großer Ordnung, die Tradition der en Spiegelsaal spielte das erste Mal vor dem Wiener Paläste des 18. Jahrhunderts fort. zahlreich anwesenden Adel die erzbischöf- Aus dieser Tradition übernahm Hefele auch liche Hofkapelle. Auf der Galerie des Saa- die mit einer Balustrade versehene Attika, in les nahm dann „das übrige Publikum“ Platz. der die Podeste für den bekrönenden skulp- Am folgenden Tag, dem Fest der hl. Cäci- turalen Schmuck integriert sind und auch lia gab es in diesem Saal ein weiteres Kon- den Giebel, der den mittleren vorspringen- zert. Nach zeitgenössischen Berichten – in den Risalit abschliesst. Dessen prononcierte der Pressburger Zeitung vom 7. November Wirkung im Erscheinungsbild der Fassade 1781 und eine Woche später, am 14. Novem- war jedoch im Einklang mit den Vorstellun- ber, in der Wiener Zeitung38 wurde das Ge- gen des späten 18. Jahrhunderts. bäude aber erst am 30. September 1781 voll- Eine kunsthistorische Würdigung und ge- kommen fertiggestellt und der Primas bezog schichtliche Einordnung der Architektur sei- es einen Monat später, nach seiner Rückkehr ner „Schauseite“ hat dieses Palais, vor allem von einer Visitation. Am 4. November 1781 in letzter Zeit, in zufriedenstellendem Maße wurde auch die neue Kapelle feierlich kon- erhalten.41 In den bisherigen Untersuchun- sekriert. Der Architekt dieses prachtvollen gen wurden aber die Figuren in der Attika- Gebäudes, der mit ihm „in ganz Ungarn be- zone vollkommen ausgeklammert, obzwar rühmt gewordene Melchior Hefele“39 war damals sie als Kontrast zu der Fasade mehr in Er- aber schon in einer noch anspruchsvolleren scheinung treten, als es auf den Palästen im Aufgabe voll involviert – schon 1777 nahm 18. Jahrhundert meist üblich war. Ihre Wir- er Kontakt mit Johann Szily, den neuernann- kung war ursprünglich – durch ihre teilwei- ten Bischof in Steinamanger (Szombathely) se Vergoldung – sicher noch stärker hervor- auf, für den er nicht nur das Priesterseminar, gehoben.42 Den Auftrag, die Statuen aus das Bischofspalais und später die Kathedra- feinem Stein aus St. Margarethen zu errich- le erbaute, sondern im Laufe vieler Jahre die ten, bekam nicht der Bildhauer Franz Xaver Gelegenheit bekam, diese neue Bischofsstadt Messerschmidt, obwohl er schon seit 1777 weitgehend zu gestalten.40 Hier hatte er etwa in der Stadt lebte,43 sondern, wie bereits ge- fünfzehn Jahre lang seinen ständigen Wohn- sagt, die Wiener Bildhauer Matthäus Kög- sitz und hier verstarb er im Jahre 1794, be- ler und Philipp Jakob Prokopp,44 wobei der vor er seine vielen Aufgaben ganz abschlie- erste das zentrale Wappen Batthyánys und ßen konnte. vier Einzelfiguren schuf, der zweite die bei- Der imposante Bau des Preßburger Prima- den seitlichen Doppelgruppen. Sie wurden tialpalais [Abb. 2], der bis tief in das 19. Jahr- dem Primas vom Direktor der Akademie der 595 VII-Slavicek.indd 595 7.10.2009 18:27:26
MÁRIA PÖTZL-MALÍKOVÁ bildenden Künste in Wien, Jakob Schmutzer beiden Schriften ist dagegen das Programm empfohlen und laut Vertrag sollten sie diese für den Fronton im Giebel der Fassade. überlebensgroßen, über neun Schuh hohen Es ist anzunehmen, dass dieser anonyme Statuen unter dessen Aufsicht in Wien aus- Text der Beschreibung von Hefele vorausge- führen. Wir wissen nichts näheres über die gangen ist. Wie weit man in beiden Schrif- Entstehungsgeschichte dieser Figuren, vor ten wirkliche „Programme“ sehen kann, ist allem nicht, ob sie nach Entwürfen von He- fraglich. Wir können als ein solches vor al- fele oder vielleicht auch Schmutzers gestaltet lem die nicht realisierte, anonyme Beschrei- wurden. Sie entsprechen stilistisch der Archi- bung betrachten, während die von Hefele tektur des Gebäudes, man kann sie ebenfalls unterschriebene, möglicherweise erst nach in die Zeit des Frühklassizismus einordnen. der Entstehung der Werke entstanden ist Sie sind ähnlich jenen Statuen, die einige und als Erklärung für das Publikum diente. Jahre früher für den Schönbrunner Schloss- Als Unterlage für seine Schrift benützte He- park entstanden sind.45 fele aber sicherlich ein bisher nicht bekann- Während über die künstlerische Einord- tes ursprüngliches Programm. nung der Statuen bisher einiges gesagt wur- Die Statuen auf der Attika stellen laut der de46, fehlt bisher eine eingehendere Unter- Beschreibung von Hefele ein genau durch- suchung ihrer inhaltlichen Aussage. Nur dachtes Programm dar, in dem es zur einer beiläufig wurden ihre Themen in der Li- Symbiose von alt und neu gekommen ist. teratur erwähnt und auf ihre veränderte Ihr traditionellster Teil ist ein riesiges Wap- Thematik gegenüber den traditionellen Fi- pen des Erzbischofs Batthyány, das den Mit- guren der antiken Götter und Heroen hin- telpunkt bildet, mit Kardinalshut und weite- gewiesen, die früher solche Paläste in An- ren Isignien seiner Würde, gehalten von zwei spielung auf den Bauherren schmückten.47 großen Genii [Abb. 6]. Zu seinen beiden Sei- Dabei sind diese Figuren, die sich offenbar ten stehen aber zwei männliche Figuren, Per- eines großen Interesses der Zeitgenossen er- sonifikationen von Tugenden, die an einem freuten, schon bald nach ihrer Entstehung solchen Ort bis dahin nicht üblich waren. in Zeitungen ausführlich beschrieben wor- Die eine, jugendliche, stellt die Vaterlandslie- den.48 Der Text ist im Wortlaut fast iden- be dar, die andere, eine Person mittleren Al- tisch mit einer bisher unbekannten, von He- ters ist in den Quellen nicht genau benannt, fele unterschriebenen aber nicht datierten nach der Beschreibung müssen wir sie am Beschreibung, in der man das Programm des ehesten als eine Darstellung des Verdienstes ganzen figuralen Schmuckes der Fassade betrachten.52 des Primatialpalais lesen kann (siehe Beilage Die erste [Abb. 5] ist ohne Kopfbedec- II). Sie befindet sich in Abschrift unter dem kung, trägt eine kurze Tunika und am Rü- erwähnten, kaum publizierten Material im cken eine lange Draperie die wohl ein Palu- Primatialarchiv in Gran (Esztergom).49 Au- damentum sein soll.53 Sie hält vor ihrem ßerdem hat sich hier, ebenfalls in Abschrift, Körper zwei Metallkränze, von denen einer noch eine weitere, nicht datierte und anony- einen Kranz aus Gras, der andere einen aus me Beschreibung erhalten, die ebenfalls bis- Eichenlaub darstellt. Beide wurden bei den her nicht publiziert worden ist50 (siehe Bei- alten Römern als militärische Auszeichnun- lage I). In dieser fehlen zwei Statuen,51 die gen benützt.54 Im Program von Hefele ist anderen sind identisch mit den Figuren in diese Figur viel martialischer beschrieben. der Beschreibung von Hefele und sind auch Sie hätte wohl ursprünglich in voller Rüs- ähnlich charakterisiert. Ganz verschieden in tung gestaltet werden und mit ihren Füssen 596 VII-Slavicek.indd 596 7.10.2009 18:27:26
DAS PROGRAMM DER FASSADE DES PRIMATIALPALAIS IN PRESSBURG (BRATISLAVA) Abb. 5: Matthäus Kögler, Vaterlandsliebe, Abb. 6: Matthäus Kögler, Wappen des Kardinals Sandstein, 1779–1780. Foto: F. Hideg. Batthyány, Sandstein, 1779–1780. Foto: F. Hideg. auf Waffen treten sollen.55 Eine solche Dar- zu finden, überrascht zwar, andererseits stellung wäre viel näher jenen gewesen, die aber ist diese Tugend gerade im späten 18. in den ikonographischen Publikationen des Jahrhundert sehr populär geworden, was 18. Jahrhunderts zu finden sind. Allen vor- wohl mit der Entwicklung des National- an in Hertels Ausgabe der Iconologia von Ce- bewustseins zusammenhing. Mit dem epi- sare Ripa aus den Jahren 1758–1760,56 da- teton „patriotisch“ wurden damals in der neben aber auch in der Iconologie von Jean Aufklärungsliteratur sehr oft verschiedene Baptiste Boudard, die 1766 in Wien erschie- Unternehmungen versehen und der füh- nen ist.57 Möglicherweise hat sich aber der rende Aufklärer Wiens Joseph von Sonnen- Bildhauer bei dieser Figur, die in den iko- fels schrieb 1771 sogar eine Abhandlung, die nographischen Büchern mit dem erfolgrei- Über die Liebe des Vaterlandes betitelt war.59 In chen Heerführer Marcus Furius Camillus in Ungarn wurde die Vaterlandsliebe schon Verbindung gebracht wird, von einer damals immer sehr hoch gehalten, am wenigsten sehr geschätzten antiken Statue eines Jüng- bekannten sich zu ihr gerade im 18. Jahr- lings beeinflussen lassen, die unter dem Na- hundert jene Mitglieder der hohen unga- men Camillus bekannt war.58 rischen Aristokratie, die Maria Theresia an Eine Personifizierung der Vaterlands- ihren ziemlich internationalen Wiener Hof liebe auf der Fassade eines Primatialpalais zu binden wußte. Es ist bemerkenswert, dass 597 VII-Slavicek.indd 597 7.10.2009 18:27:26
MÁRIA PÖTZL-MALÍKOVÁ diese Eigenschaft gerade Joseph Batthyány, ein Spross einer solchen Magnatenfamilie und noch dazu ein hoher Repräsentant der übernational ausgerichteten katholischen Kirche für so wesentlich hielt, dass er eine Personifikation von ihr neben seinem Wap- pen aufstellen ließ. Die zweite Figur [Abb. 7], die von der an- deren Seite neben dem Wappen steht und wohl das Verdienst personifizieren sollte, ist in den ikonographischen Büchern zwar zu finden, der Entwerfer der Statue ist von solchen Darstellungen aber merklich ab- gewichen. Hier ist es keine Figur in einem langen prachtvollen Gewand oder in einer Rüstung, die auf einem Hügel steht oder sitzt und in der einen Hand ein Buch in der anderen ein Szepter oder eine Turnierlanze hält.60 Den üblichen Darstellungen entspre- chend hat diese Figur nur einen Lorbeer- kranz auf dem Haupt. Sie trägt dagegen ein einfaches antikisierendes Gewand, eine Tu- nika mit einem langen Umhang. Aus der Turnierwaffe wird hier ein Degen, den die- se Gestalt bereit hält, um das Vaterland zu Abb. 7: Matthäus Kögler, Verdienst, Sandstein, verteidigen und nicht nur um persönlichen 1779–1780. Foto: F. Hideg. Sieg zu erringen. Eine Neuigkeit bei dieser Figur ist ein versiegelter Brief, den sie auf hat – eine Haltung die schon das 19. Jahr- der Brust hält – er soll die Verschwiegenheit hundert vorzeichnet. versinnbildlichen, eine im späten 18. Jahr- Seitlich von diesen zwei männlichen stehen hundert oft zitierte Eigenschaft, die wahr- zwei weibliche Figuren, die einen direkten scheinlich durch das Freimaurertum popu- Bezug zu den äusseren Doppelfiguren haben. lär geworden ist.61 Der Sinn dieser Gestalt, Ganz links befindet sich eine Gruppe [Abb. 3], die als Belohnung außer mit einem Lor- in der man Pallas Athene mit allen ihren übli- beerkranz auch mit einem Ordensband de- chen Attributen stehen sieht. Zu ihren Füssen koriert ist, ist eindeutig aus dem Gedanken- sitzt ein Jüngling in antikisierendem Gewand gut der Aufklärung entlehnt: sie soll laut und schaut zu ihr empor. Sie zeigt ihm auf Programm ausdrücken, dass man nur durch ein offenes Buch, das neben ihm aufgerichtet Verdienst zu einer so hohen Position kom- ist. Nach den Inschriften auf und in diesem men kann, wie sie das Wappen mit seinen Buch62 ist es die Naturwissenschaft, in die sie Insignien versinnbildlicht. In diesem Falle ihn einführt. Obzwar diese Gruppe ein schon pocht also der Kirchenfürst nicht auf seine lange verbreitetes Thema darstellt, findet man erlauchte Herkunft, sondern betont, dass er für sie in den ikonographischen Kompendien sich seine hohe Stelle vor allem durch sein kein entsprechendes Vorbild. Nach dem wie großes persönliches Engagement verdient sie gestaltet ist, müssen wir als wahrscheinlich 598 VII-Slavicek.indd 598 7.10.2009 18:27:27
DAS PROGRAMM DER FASSADE DES PRIMATIALPALAIS IN PRESSBURG (BRATISLAVA) Abb. 3: Philipp Jakob Prokopp, Gruppe der Abb. 4: Matthäus Kögler, Weisheit, Sandstein, Naturwissenschaft, Sandstein, 1779–1780. 1779–1780. Foto: F. Hideg. Foto: F. Hideg. annehmen, dass sich Philipp Jakob Prokopp, Büchern genügend Vorbilder unterschiedli- der Bildhauer dieser Gruppe, nicht aus der cher Art,63 doch hielt sich der Künstler, dies- Antike, sondern eher aus der Kunst des 16.– mal Matthäus Kögler, an keines von ihnen. 17. Jahrhunderts inspiriert hat. Er inspirierte sich offensichtlich von Cesa- Eine einzelne antike weibliche Gestalt re Ripa, der erwähnt, dass es in der Antike [Abb. 4], die der Pallas Athene ähnlich ist – üblich war, die Weisheit ähnlich wie Pallas in langem anliegendem Gewand, mit einem Athene darzustellen.64 Diadem in den Haaren (und nicht mit ei- Diese linke Seite ist aber nur ein Teil der nem Lorbeerkranz wie es in beiden Beschrei- Aussage. Ergänzt wird sie auf der rechten mit bungen zu lesen ist), einer Lanze in der rech- einer anderen äußeren Gruppe einer stehen- ten Hand und einem geschlossenen Buch den und sitzenden Figur [Abb. 9] und einer unter dem linken Arm – steht zwischen die- weiteren selbständigen Statue, die neben der ser Gruppe und der Figur der Vaterlands- Figur des Verdienstes aufgestellt ist. In der liebe. Sie soll die Weisheit darstellen, die Gruppe ist die stehende weibliche Figur auch man nach einem intensiven Studium er- ohne schriftliches Programm verhältnismäßig reicht. Zur Darstellung dieser Figur findet leicht zu erkennen. Sie ist in ein glattes, leicht man in verschiedenen ikonographischen gefältetes Gewand gehüllt und lehnt sich mit 599 VII-Slavicek.indd 599 7.10.2009 18:27:27
MÁRIA PÖTZL-MALÍKOVÁ Abb. 8: Matthäus Kögler, Reinheit des Herzens, Abb. 9: Philipp Jakob Prokopp, Gruppe der Sandstein, 1779–1780. Foto: F. Hideg. Theologie, Sandstein, 1779–1780. Foto: F. Hideg. beiden Armen auf eine Säule. Damit ist sie die Die Statue, die inhaltlich zu dieser Grup- Personifikation der Standhaftigkeit, so wie sie pe gehört und zwischen ihr und der Figur üblicherweise dargestellt wird.65 Nicht üblich des Verdienstes steht [Abb. 8], personifiziert ist dagegen ihre Verbindung mit der zweiten die Reinheit des Herzens. Ihre Haltung ist ähnlich gestalteten weiblichen Figur, die zu demütig und sie drückt mit beiden Händen ihren Füßen sitzt. Sie ist nämlich die Gottes- ein Herz auf ihre Brust. Sie stellt die fünfte gelehrtheit, d. h. die Theologie. Diese hat zwar Seligkeit aus der Bergpredigt Christi dar,68 ihre aus Cesare Ripa bekannten Attribute, ei- wobei ihre Gestaltung den ikonographi- nen Sternglobus und ein Rad,66 nimmt aber schen Vorlagen entspricht.69 Sie soll im Zu- keine dominierende Position mehr ein.67 Sie sammenhang mit der äusseren Gruppe auf richtet ihr Gesicht auch nicht zum Himmel, das Ergebnis hinweisen, zu dem das Studium so wie es bei dieser Gestalt sonst üblich war, der Theologie führen kann, nämlich die Tu- sondern zu der erwähnten, über ihr stehen- gendhaftigkeit, mit der man die Gnade Got- den Figur der Standhaftigkeit, die ihr in die- tes erwirbt. ser aktuellen, der damaligen Situation ent- Beide Seiten der Attikazone sind als zwei sprechenden Interpretation den verdienten gegenseitig sich ergänzende Aspekte der Bil- Halt gibt. dung – ihres profanen und ihres religiösen – 600 VII-Slavicek.indd 600 7.10.2009 18:27:28
DAS PROGRAMM DER FASSADE DES PRIMATIALPALAIS IN PRESSBURG (BRATISLAVA) zu verstehen.70 In der Zeit, als der Staat das Entwurf eine weibliche Personifikation des ganze Bildungswesen für sich beansprucht göttlichen Rechts thronen, mit strahlender hat und die Theologie mit vielen Schwie- Krone auf dem Haupt. In der rechten hätte rigkeiten zu kämpfen hatte, betont hier ein sie eine Waage halten sollen, wobei in einer hoher Kirchenvertreter ihre Beständigkeit Waagschale ein Kelch, in der anderen eine und ihre Bedeutung. Die Naturwissenschaft Krone zu sehen gewesen wären. Die ande- ist in diesem Programm zwar nicht mehr, so re Hand sollte eine Bibel mit einer darauf wie in der Barockzeit, der Theologie unter- gestellten Bischofsmitra halten. Eine solche geordnet, sondern ihr gleichgestellt, aber Darstellung der höchsten, alle Gesetze be- sie allein ist nach der Auffassung des Primas stimmenden göttlichen Potenz geht zurück zu einseitig. Der Weg zur höherer geisti- auf Cesare Ripa,74 ungewohnt sind aber eini- ger Bildung und vor allem christlicher Mo- ge ihrer Attribute, die auf die aktuelle Situa- ral wird nach ihm nur durch den religiösen tion reagieren. Die Waage (zusammen mit Unterricht gewährleistet, der daher ein un- dem hier fehlenden Schwert) symbolisiert bedingter Bestandteil der Allgemeinbildung in den ikonographischen Vorlagebüchern sein muss. noch die höchste richterliche Gewalt,75 hier Heute sind von dem ursprünglichen Fas- drückt sie – durch die Krone in einer Waag- sadenschmuck nur die besprochenen Sta- schale und der Kelch in der anderen – die tuen übrig geblieben, völlig verschwunden Gleichwertigkeit der weltlichen und kirchli- ist im Laufe der Zeit die bereits erwähnte Be- chen Macht aus, die sich gegenseitig ergän- malung der Giebelfläche von Franz Anton zen sollten. Auch die sonst bei dieser Gestalt Maulbertsch.71 Seit 1959 befindet sich auf nicht übliche Bibel mit einer Bischofsmitra diesem Platz ein Mosaik von Ernest Zmeták, kann man nur aus der aktuellen Situation das an die ursprüngliche bildliche Konzep- verstehen, sie gibt Antwort auf das damalige tion des Gemäldes anknüpft.72 Diese war Bestreben, den Laien die Bibel in die Hand längst bekannt, denn schon bald nach der zu geben. Mit dieser Darstellung wird hier Entstehung des Freskos ist sie vom Preßbur- unmissverständlich darauf hingewiesen, das ger Publizisten und bekannten Aufklärer Jo- die Exegese der Heiligen Schrift allein den hann Matthias Korabinsky veröffentlicht Bischöfen zusteht. worden.73 Offenbar stand ihm die von He- Die Rechtgläubigkeit sollte durch eine fele unterschriebene Beschreibung zur Verfü- weitere Gestalt, die den Katholischen Glau- gung, denn er übernimmt daraus fast wört- ben personifizierte, noch mehr betont wer- lich seine Formulierungen. den. Sie sollte neben dem Göttlichen Recht Nicht bekannt ist bisher, dass für die fi- stehen und wäre, wie üblich, wie eine halb gurale Gestaltung des Giebels offenbar ur- verschleierte Matrone mit dem Kreuz in der sprünglich ein ganz anderes Konzept vor- einen und einer Feuerflamme in der ande- lag. Nach der, in Beilage I. publizierten ren Hand dargestellt worden.76 In einer Zeit anonymen Beschreibung, welche, wie bereits also, in der die Toleranz schon als eine Tu- gesagt, dem von Hefele unterschriebenen gend verstanden und sogar in Kunstwer- Text wohl vorausgegangen war, hätte das ken verherrlicht wurde,77 wird hier eindeu- Junere des Giebels keine gemalten Figuren tig proklamiert, dass es nur einen, alleinigen schmücken sollen, sondern es war ihre Aus- orthodoxen Glauben gibt, der von der höch- führung in „halbrunder Arbeit“, das heißt im sten Macht akzeptiert wird und daher eine Relief vorgesehen. Auch ihr Inhalt wäre an- Bereitschaft, andere Glaubensbekenntnisse ders gewesen. In der Mitte sollte in diesem zu dulden, ausgeschlossen sei. 601 VII-Slavicek.indd 601 7.10.2009 18:27:29
MÁRIA PÖTZL-MALÍKOVÁ Diesen Hauptgedanken sollten an bei- heber haben, oder sie von zwei unterschied- den Seiten der mittleren Gruppe noch zwei lichen Autoren abgefasst wurden. andere Personifikationen weiter ausführen. Das oberste göttliche Gesetz ist auch Neben dem Glauben ist es die kniende Figur in dem realisierten Entwurf [Abb. 10] der der Redlichkeit, die in ihrer Hand ein Licht Hauptgedanke der Komposition. Es fehlt hält, das durch den wahren Glauben entzün- aber eine direkte Personifikation – durch det wurde. Sie wirft eine Maske, das Symbol eine weibliche Gestalt ist nur die Verehrung der Lüge von sich weg78 – diese Handlung und Liebe zu ihm ausgedrückt. Diese, in soll den abgelehnten Irrglauben vorstel- ein langes Gewand gehüllt, steht neben ei- len.79 Auf der anderen Seite ist es die Figur nem in der Mitte aufgestellten antikisieren- der Billigkeit, eine Gestalt, die die mensch- den Altar, hält auf ihm die Tafeln mit den liche Gerechtigkeit symbolisieren soll.80 Sie zehn Geboten und mit der anderen Hand unterstützt die Hand der Hauptfigur, wel- verrichtet sie ein Rauch-Opfer. Gewählt wird che die Waage hält81 und hat bei sich ein hier also eine Darstellung, die in den tradi- Senkblei (Lot), als Symbol ihrer Genauigkeit tionellen Ikonographien nicht zu finden,82 und Geradlinigkeit. Im Auftrag der Göttli- aber in der Kunst des späten 18. Jahrhun- chen Gerechtigkeit belohnt sie und straft – derts in Anknüpfung an die antiken Opfer- auf diese ihre Eigenschaften weist hinter ihr darstellungen schon sehr beliebt war. Sie ist die Darstellung eines Füllhorns und eines jedoch kaum in einem christlichen Zusam- Beils hin. Zur Ausfüllung der schmalen Ek- menhang verwendet worden.83 ken hätte hier noch je ein Putto angebracht An der anderen Seite des Altars stand werden sollen, über deren Bedeutung ist in die Gerechtigkeit,84 symbolisiert von ei- der anonymen Beschreibung aber keine Er- ner männlichen Figur mit erhobenem flam- klärung zu finden. menden Schwert. Nach einer alten Photo- Der polemische, geradezu „gegenrefor- aufnahme, auf der die Reste des Gemäldes matorische“ Tenor dieses Programms war noch zu sehen sind,85 war sie wie ein antiker wohl der Grund dafür, dass man ihn als nicht Krieger dargestellt und hielt in der ande- opportun verworfen, und an seiner statt eine ren Hand einen großen Schild. Ihre Stärke allgemeiner aufgefasste Darstellung dessel- wird noch durch die Darstellung eines Lö- ben Grundgedanken gewählt hat. Wie es zu wen betont. Sie sollte als Gegenpol zur Lie- dieser Veränderung gekommen ist, wissen be die Verteidigung des obersten Gesetzes wir nicht, sicherlich lag aber die letzte Ent- personifizieren. scheidung beim Primas. Er musste auch zu- Hinter der Geistlichen Liebe kniet eine stimmen, dass das neue ikonographische weitere Figur, die den Gehorsam darstellen Konzept nicht im Relief, sondern von Maul- soll. Sonst findet man in der Beschreibung bertsch als Gemälde ausgeführt wurde. Wir Hefeles keine weiteren Angaben zu dieser wissen auch nicht, wer für den Inhalt beider Gestalt. Unter den verschiedenen Personi- Darstellungen verantwortlich war. Der Pri- fikationen dieser Tugend,86 beschreibt Ce- mas hat sicher keines von beiden erhaltenen sare Ripa auch eine Darstellung des Gehor- Programmen selbst formuliert und auch He- sams gegenüber Gott (Obedienza verso Dio), fele war bestimmt nicht der Autor der von auf die diese Figur offenbar zurückgeht, ihm unterschriebenen Beschreibung. Wir müs- denn in ihr soll die demütige Bereitschaft sen ihn in einem Geistlichen aus der näch- zur Ausführung des heiligen Kultes ausge- sten Umgebung des Primas vermuten, wobei drückt werden.87 Heute sieht man auf dem nicht klar ist, ob beide Programme einen Ur- neuen Mosaik diese Gestalt nur als eine 602 VII-Slavicek.indd 602 7.10.2009 18:27:29
DAS PROGRAMM DER FASSADE DES PRIMATIALPALAIS IN PRESSBURG (BRATISLAVA) graphisches Programm in der Zeitspan- ne von Anfang 1779 bis Mitte 1780 festge- legt worden sein musste,89 war gerade am Beginn der neuen Ära fertiggestellt. Flüch- tig gesehen entsprach ihre Thematik dem Sitz eines Kirchenfürsten, dem aufmerksa- meren Betrachter konnte aber nicht entge- hen, dass sie in ihrer Gesamtheit gerade- zu wie eine Proklamation der ablehnenden Haltung des höchsten kirchlichen Wür- denträgers Ungarns gegenüber den ersten aufsehenerregenden Dekreten des neuen Herrschers erscheinen musste, wobei hier Abb. 10: Franz Anton Maulbertsch, Gruppe des einige besondere Anliegen des Primas the- Göttlichen Rechts im Giebel des Palais, Fresko, matisiert wurden. Hervorgehoben wurde 1780, Zustand im späten 19. Jahrhundert. vor allem die Zeitlosigkeit und damit Un- Alte Photoaufnahme. antastbarkeit des einzig heilbringenden ka- tholischen Glaubens und die ausschlies- kniende weibliche Figur mit dem Ausdruck sliche Berechtigung der Bischöfe, die der Hingabe, die einen nichtssagenden Belange der Kirche zu vertreten. Als ein Stab hält. Auf der bereits erwähnten Photo- weiteres wichtiges Thema wurde hier die aufnahme kann man aber eindeutig erken- angemessene kirchliche Bildung des Vol- nen, dass diese Gestalt eine Bischofsmitra kes angesprochen, die dem Primas offen- auf dem Haupt trug und einen Bischofsstab sichtlich sehr am Herzen lag.90 In seiner in der Hand hielt.88 Damit ist hier auf das Selbstdarstellung präsentierte er sich dage- katholische Priestertum als das einzig recht- gen betont zeitkonform: vor allem als ein mäßige, zum Dienst vor Gott zugelassene guter Patriot und verlässlicher Staatsdiener hingewiesen worden, dessen Haupteigen- und das trotzdem (oder gerade darum?) er schaften die Liebe zum obersten göttlichen in Opposition zum Herrscher und seinem Gesetz und seine Verteidigung sind – oder Staatsapparat stand. als erstrebenswert empfunden werden. Zwei Bei der Untersuchung der Beziehung der Gestalten, die an beiden Enden der Kom- einzelnen Figuren zu ihrer ikonographischen position die Hauptflüsse Ungarns, die Do- Tradition konnte man feststellen, dass diese nau und die Theiss (Tisza) personifizieren, nur teilweise von ihnen respektiert wurde. haben auch hier die übliche geographische Auch bewegte sich die Thematik der Darstel- Bedeutung, sie sollen das Gebiet symboli- lungen nicht immer in gewohnten Bahnen, sieren, das unter die kirchliche Oberhoheit sondern verhältnismäßig viele von ihnen des Primas von Ungarn gehört. wurden abweichend oder auch neu formu- Der Bau des neuen Primatialpalais ist liert. Die freie Art, wie man hier bei der Ge- zwar noch am Ende der Regierungszeit staltung des ikonographischen Programms Maria Theresias begonnen worden, zum die bewährten oder neuaufgelegten Vorla- Sitz des Primas von Ungarn ist dieses Ge- gebücher zu Rate zog, steht im Einklang mit bäude aber erst am Beginn der Alleinherr- dem Ruf der klassizistischen Ästhetik nach ei- schaft Josephs II. geworden. Die figurale ner neuen, den Anforderungen der Zeit an- Ausstattung seiner Fassade, deren ikono- gemesseneren Ikonographie.91 Nur wurde 603 VII-Slavicek.indd 603 7.10.2009 18:27:29
MÁRIA PÖTZL-MALÍKOVÁ in diesem Fall das Winckelmannsche Postu- BEILAGE I. lat in einem antiaufklärerischen Programm berücksichtigt. Erklärung der Figuren auf den Prospekt der Resi- Wie bereits gesagt wurde, hat sich Joseph denz Seiner Fürstl. Eminenz Batthyány als Primas von Ungarn sein reprä- sentatives Palais in einem Stil erbauen lassen, Die erste Groppe stellet vor: wie die Göttin Miner- der den künstlerischen Vorstellungen der va als eine Einsichts volle Beschützerin der Kün- damaligen Zeit voll entsprochen hat. Auch sten einen Lehrbegierigen Jüngling durch die Geo- die Statuen auf der Fassade sind im Stil des metrie in die Wissenschaften einleitet. frühen Klassizismus gestaltet worden. Es ist Worauf aber interessant, dass sie nicht nur mit jenen Die einzelne Figur folget. Sie hat wegen gu- des Schönbrunner Schlossparkes nahe ver- ten Fortgang in Studiis das Buch nicht mehr of- wandt sind, die ja unter der Ägide des Staats- fen nöhtig, weill sie durch fleissiges Forschen der kanzlers Kaunitz, eines Gegenspielers der Natur, gleichsam selbst zu einen Buch geworden, kirchlichen Kreise entstanden sind, sondern darum hat Sie der Tugend ihre Signa, nemlich: dass gerade einer von dessen bevorzugten auf dem Haupt einen Lorbeer-Kranz Feuerflam- Mitarbeitern, Jakob Schmutzer, dem Primas me, und die Lanze. die Bildhauer für die Statuen an der Atti- Mitten ka des Primatialpalais empfohlen und ihre Auf den Fronton halten zwei gewachsene Ge- Arbeit beaufsichtigt hatte. Wie Franz An- nii das Adeliche Wappen mit Geistlich, und Welt- ton Maulbertsch zu seinem Auftrag gekom- lichen Zirath: men ist, wissen wir nicht, er war aber bei Weill aber den kirchlichen Auftraggebern bestens ein- Niemand ohne Verdienst zu solch Adelichen geführt. Nach der erwähnten alten Aufnah- Wappen und Ordens Kleinoden kommt, so stehet me zu schliessen, hat er diesen im Geiste der die erste darauffolgende Statue eine Männliche Fi- neuen Ästhetik – als einzeln stehende, sta- gur vor, welche mit ihrer rechten Hand einen Versie- tische Gestalten, mit verschiedenen antiki- gelten Brief als die Verschwiegenheit in Rahts-Sa- sierenden Details – ausgeführt. Er gestalte- chen auf ihrer Brust bewahret, mit der linken aber te aber ein streng klerikales Thema und die den Degen bereit haltet, so es die Umstände des ge- Frage ob er, der sich bemüht hat, mit dem meinen Besten erforderen, mit selben das Vatterland Zeitgeist im Einklang zu sein,92 sich des- zu vertheitigen, darüber hänget zur Belohnung ein sen ausreichend bewußt und es ihm zuletzt Ordens Band, und das Haupt zieren Lorbeer. gleichgültig war, bleibt wohl unbeantwortet. Darauf folget Uns bleibt nur die Feststellung, dass in sei- die zweite Groppe: Sie stellet die Gottes Gelert- ner schwierigen Situation, am Beginn der heit vor, sitzet auf einen Stern Globo, und lehnet josephinischen Ära ein Kirchenfürst es als sich mit ihrer rechten hand auf ein Rad, der ge- wichtig empfand, auf seinem Palais öffent- danke ziellet ab, daß solche Persohnen /: gleich wie lich und unmissverständlich seinen konser- das Rad oder der Globus :/ allezeit den wenigsten vativen Standpunkt zu verkünden und dies Theill des Irrdischen berühren sollen, ihr Ange- mit den modernsten künstlerischen Mitteln, sicht ist gerichtet auf die nebenstehende Figur, wel- die ihm in dieser Zeit zur Verfügung stan- che sich auf eine Saule stützet, und die Stärk und den. Als Gesamtwerk kann man diese klas- Beständigkeit vorstellet. sizistischen Werke also keinesfalls als ein Mitten Produkt des aufgeklärten 18. Jahrhunderts im fronton ist in Halbrunder Arbeit angebracht: betrachten. das Göttliche Recht welches auf einem durch Staf- 604 VII-Slavicek.indd 604 7.10.2009 18:27:29
DAS PROGRAMM DER FASSADE DES PRIMATIALPALAIS IN PRESSBURG (BRATISLAVA) fel erhöhtem Stuhl sitzet. Ihr haupt ist mit einer Wehr, und Waffen ohne Scheu, übersichet, und Kron von Glanz oder Schein geziert, ihre rechte achtet keine Gefahr nebensich mit Feuer, und Hand haltet eine Waage, als das Bild der Gerech- Dampf aufsteigen, und ist nur auf Rettung der tigkeit in einer Waagschale ist ein Kölch, in der an- Ehre ihres Vatterlands beeifert, als auch demsel- deren eine Krone, in der linken hand hält Sie die ben Ruhe, Ruhm und Vergnügen zu verschafen, Bibl, als das Hl. Gesätz Buch, darauf ist eine Bi- sorgfältigst bedacht, in der rechten Hand hält sie schofs Mitzen: neben dieser stehet der Catholische einen Kranz von Gras, in der lincken einen von Glauben als eine matron mit halb verschleyertem Eichen-Laub. Gesicht, in ihrer rechten hält sie das Hl Kreuz, und Mitten auf dem Fronton halten zwei erwachse- in der linken eine Feuerflamme, wogegen von un- ne Geni das adeliche Wappen mit Geistlich, und tenher die Redlichkeit kniend kommt, sie hat das, Weltlichen Zirath. Weill aber durch den wahren Glauben entzündte Licht, und Niemand ohne Verdienst zu solch- Adelichen wirft die alte Larve von sich, auf der rechten un- Wappen, und Ordens Kleinodien kommt, so stel- terstützet die Billigkeit die Hand mit der Waag, in let der erste darauf folgende Statue in nemlicher der anderen aber hält sie einen Bleysenkel, weil sie Bildung vor, die mit ihrer rechten hand einen ver- nichts ungerades dulten kann, hinter ihr ist auf sigelten Brief /: als die verschwiegenheit in Raths Wolken ein Vielhorn das Gute zu belohnen; aber Sachen :/ auf ihrer Brust bewahret; mit der lin- auch gleich daneben das Peill als strafendes Instru- ken aber den Degen bereit haltet, so es die Umstän- ment der Gerechtigkeit. Die Kindln haben ohnhin den des Gemeinen besten erforderen, mit selben das ihre sichtbare Bedeutung. Vatterland zu vertheitigen, darüber hänget zur Be- lohnung ein Ordens Band, und das Haupt zieren BEILAGE II. Lorbeer. Die neben der verschwiegenheit nächst folgende Erklärung der Figuren auf der Facidia der Fürstl. Figur stellet vor die reinigkeit des Herzens als eine Residenz Alterthümlich gekleidete Frauens Person, welche mit beeden Händen ein Herz an sich drücket, dann Die erste Groupe stellet vor, wie die Göttin Miner- die Reinigkeit des Herzens bedeutet auch die Rei- va als eine weisheits volle beschützerin der Künsten nigkeit der Seele. einen Lehrbegierigen Jüngling durch die Aritme- Darauf folget die zweite Grouppe, sie stellet die tia, und Geometrie in die Wissenschaften einleitet Gottes Gelehrtheit vor, sitzet auf einen Stern-Glo- nach den Weeg der Natur; derowegen stehet auf bo, und lehnet sich mit ihrer rechten Hand auf ein dem Buch woraus der Unterricht geschieht, aus- Rad, dadurch anzudeuten, daß solche Persohnen, sen: Zahl, Maas und Gewicht; und in den Ofenen gleichwie wie das Rad, und der Globus allezeit den Blättern: alles komt von der Einheit und alles keh- wenigsten Theill des Irdischen berühren sollen, ret wieder in die Einheit. dahero ist ihr Angesicht gerichtet auf die neben- Darauf folget die einzelne Figur, sie hat we- stehende Figur, welche sich schon ruhend auf eine gen guten fortgang in Erlehrnung das Buch nicht Saule stützet, und die Stärke und beständigkeit mehr offen nöhtig, weillen sie durch fleissiges For- vorstellet. schen der Natur-Erkäntnus gleichsam selbst zu ei- In dem Fronton zeiget sich gemahlter mitten nem Buch geworden, und darum hat sie der Tu- Rechts eine weibliche Figur, die Geistische Liebe zu gend ihre Signa, nemlich auf den Haupt einen dem Göttlichen Gesätz, welches Sie mit einer Hand Lorber Kranz, feuerflammen und die Lanze. auf den Opfer Altar, und 10 Gebothen aufrechthal- Die darauf folgende Figur stellet vor, die Lie- tet, mit der rechten Hand verrichtet sie zugleich ein be zum Vatter-Land, diese wird Gebildt jung, brimstiges Rauch-Opfer, hinter ihr ist kniend der stark und in voller Entristung: untertrit zugleich Gehorsam zu diesen Gott geheiligten Dienst. Lin- 605 VII-Slavicek.indd 605 7.10.2009 18:27:29
MÁRIA PÖTZL-MALÍKOVÁ ker Seits Opfer Altars stehet die Gerechtigkeit durch Durch Unterricht, durch stetten Fleiss, der eine mit Schild und geflamten Schwerdt bewafne- Weg zur Wissenschaft, zur Tugend wird gebah- te Mans Figur, das Göttliche Gesatz zu beschützen, net, wo lieb und Gerechtigkeit den Schweiß mit diese Stärke bestättiget ein neben ihm wachender Ehr’, und Ruhe hier und dort, Welt und Gott Löw: nebst bey sind in den Ecken die zwei Haupt belohnet. flüsse des König-Reichs Ungarn angebracht. Welche Worte in Latainischen Nervos Ausge- Die Inschrift dieser samentlichen Figuren könn- drückt den bestimten Platz erfülleten te im Kurzen Worten also lauten: Heffelle mp. PROGRAM PRŮČELÍ PRIMACIÁLNÍHO PALÁCE V BRATISLAVĚ – CÍRKEVNĚ-POLITICKÝ MANIFEST Z DOBY JOSEFINISMU (MÁRIA PÖTZL-MALÍKOVÁ) – RESUMÉ Mezi významné stavební památky Bratislavy patří tzv. Primaciální palác z let 1778–1781. Jako svoje nové sídlo si ho dal postavit hrabě Josef Batthyány (1727–1799), který se stal v roce 1776 ostřihomským arcibiskupem a primasem Uher a roku 1778 získal rovněž hodnost kardinála. Stavbu navrhl a vedl vídeňský architekt Melchior Hefele (1716–1794). Na výzdobě průčelí pa- láce se vedle bratislavského městského sochaře Johanna Messerschmidta, který vytvořil její de- korativní prvky, podílelo několik vídeňských umělců: malíř Franz Anton Maulbertsch (malba výplně středního štítu) a sochaři Matthäus Kögler a Philipp Jakob Prokopp (nadživotní alego- rické sochy na atice budovy). Historikové umění se dodnes věnovali jen stylovému hodnocení těchto figurálních děl, které jsou, stejně jako budova sama, dílem raného klasicismu vídeňské provenience, ale ne jejich ikonografickému rozboru. Tematika soch a malířské výzdoby je známá už z popisů paláce, publikovaných nedlouho po jeho dokončení. Doplňují je dva nedatované rukopisné „popisy“, jeden anonymní, dru- hý podepsaný Melchiorem Hefelem, nacházející se v opise v Primaciálním archivu v Ostři- homi (jsou přetištěny v příloze I a II). Můžeme je považovat za „programy“ této výzdoby, i když jejich vznik a úloha nejsou zcela jasné. Anonymní rukopis vznikl zřejmě dříve, protože není identický s realizovanou výzdobou, zatímco Hefeleho odpovídá – až na některé detai- ly – provedeným dílům. Dnes se nám tato figurální výzdoba představuje především ve své sochařské části. Původní fresková výzdoba štítu byla zničena a nahrazena novodobou mozai- kou. Kromě zmíněných popisů ji můžeme rekonstruovat jen na základě nezřetelné fotogra- fie z konce 19. století. Při dnešním zběžném pohledu odpovídají zobrazení jednotlivých ctností na průčelí paláce sídlu vysokého církevního hodnostáře, na soudobého pozorovatele, který měl možnost vidět celou figurální výzdobu, včetně její hlavní, malířské části, musela však působit přímo jako proklamace konzervativního postoje a jako odmítnutí radikálních reforem josefínské doby. V ústředním štítě byla – v předvečer vydání tolerančního patentu – zdůrazněna jedinečnost Bohem vyvolené ortodoxní katolické církve, včetně výsostného práva jejích biskupů ji repre- zentovat. V dodnes zachované sochařské výzdobě atiky se tu v době velkých změn v oblasti vzdělávání akcentoval význam náboženské výchovy jako garanta morálního života společnosti 606 VII-Slavicek.indd 606 7.10.2009 18:27:29
DAS PROGRAMM DER FASSADE DES PRIMATIALPALAIS IN PRESSBURG (BRATISLAVA) a vyzdvihovala se primasova služba státu a národu, přestože byl jednou z vedoucích osobností opozice vůči panovníkovi a jeho státnímu aparátu. Předložený příspěvek analyzuje obsah jednotlivých zobrazení, jejich vztah k barokní iko- nografické tradici a k soudobým osvícenským představám a na základě tehdejší kulturně- politické situace rekonstruuje jejich ikonologický význam. Současně poukazuje na rozdílnost pojmů klasicismus a osvícenství, které zřejmě nejsou vždy v tak úzkém kauzálním vztahu, jak se obvykle tvrdí. 1 Vgl. dazu: Hermann Bauer, Kunst der Aufklärung, 7 Enikö D. Buzási, Maulbertschs ungarische Auftrag- in: Venanz Schubert (ed.), Rationalität und Sentiment, geber in Bildnissen, in: Eduard Hindelang (ed.), St. Ottilien 1987 (= Wissenschaft und Philosophie, Franz Anton Maulbertsch und sein Kreis in Ungarn, Aus- Interdisziplinäre Studien, Bd. 5), S. 297. stellungskatalog, Sigmaringen 1984, S. 98–100. 2 Zu den unterschiedlichen künstlerischen Antwor- 8 Constantin von Wurzbach, Biographisches Lexikon des ten auf die Problematik dieser Zeit siehe u. a. Wer- Kaiserthums Oesterreich, Bd. 1, Wien 1856, S. 177– ner Hofman, Das entzweite Jahrhundert. Kunst zwischen 178. Eine neuere, ausführliche Biographie Joseph 1750 und 1830, München 1995 (= Universum der Batthyánys ist mir nicht bekannt. Kunst, Bd. 40). 9 Pater Johann Baptist Príleský, S. J., (1709–1790) 3 Cölestin Wolfsgruber, Christoph Anton Kardinal Mi- aus Príles bei Trenčín war ein bedeutendes Mit- gazzi, Saulgau 18902. Das einseitige Bild Migazzis glied des Jesuitenordens, Autor einer Reihe von in dieser grundlegenden Monographie ist später in theologischen Schriften. Noch in den Leichenpre- mehreren Arbeiten korrigiert worden. Siehe beson- digten nach dem Tode von Primas Batthyány im Ja- ders: Grete Klingenstein, Staatsverwaltung und kirch- hre 1799 wird er als sein Lehrer gewürdigt. Aloys liche Autorität im 18. Jahrhundert, München 1970. – de Backer – Carlos Sommervogel, Bibliothèque de la Dieter Breuer, Kardinal Migazzi, Förderer und Compagnie de Jésus, I. Bibliographie, Tome VI., Bru- Gegner des kulturellen Wandels im theresianischen xelles – Paris 1895, Sp. 1726. Zeitalter, in: Franz M. Eybl (ed.), Strukturwandel kul- 10 Aus dem erhaltenen Archivmaterial sind wir über tureller Praxis, Wien 2002 (= Jahrbuch der Öster- die Namen und Gehälter der ständigen 22 Mitarbei- reichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. ter des Primas und der 22 Mitglieder seines Orches- Jahrhunderts, Bd. 17), S. 219–231. ters im Jahre 1781 genau informiert. Die jährlichen 4 Grete Klingenstein, Bemerkungen zum Problem Ausgaben für die Beamten betrugen 6.025 fl., für „Katholische Kirche und Aufklärung in Öster- die Musiker 9.865 fl. Für alle seine Angestellten, reich“, in: Roman Elze – Heinrich Schmidinger – inklusive der Diener, Hausknechte usw. gab Batthy- Hendrik Schulte Nordholt (eds.), Rom in der Neuzeit, ány jährlich 20.850 fl. aus. Ein Jahr später waren Wien – Rom 1976, S. 168–178. – Elisabeth Kovács es 23.893 fl. (Budapest, Magyar Országos Levél- (ed.), Katholische Aufklärung und Josephinismus, Mün- tár /Ungarisches Landesarchiv/, P 1318, Batthyány chen 1979. Im Gegensatz zu diesen Publikationen, család, Karton 10, Nr. 14, 15). Die „Kapelle“ führte die den Reformkatholizismus als eine Reformbe- nicht nur kirchliche Musik auf, sondern – wie ver- wegung innerhalb der Kirche verstehen, identifi- schiedene zeitgenössische Quellen berichten – gab ziert ihn Eduard Winter (Eduard Winter, Der Jose- auch viele Konzerte in den beiden Preßburger Resi- phinismus. Der Reformkatholizismus 1740–1848, Berlin denzen des Primas, seinem Winterpalais in der Stadt 1962) mit den vom Herrscher gelenkten kirchlichen und im Sommerpalais. Veränderungen. Zur katholischen Aufklärung und 11 Über den Ankauf der Pretiosen, wertvoller Bücher, ihrem Einfluß auf den Inhalt traditioneller künstle- Manuskripte und Musikalien im Jahre 1782 sind wir rischer Aufträge siehe: Karl Möseneder, Franz Anton aus dem oben zitierten Archivnachlass des Primas Maulbertsch, Aufklärung in der barocken Deckenmalerei, Batthyány ebenfalls genau informiert. Die Summen, Wien – Köln – Weimar 1993 (= Ars viva, Bd. 2). die er in diesem Jahr für Gemälde ausgab, waren 5 Wolfsgruber (Anm. 3), S. 669–679. im Vergleich dazu wesentlich geringer. Die Behaup- 6 István Bibó, Ein französischer Architekt in Mitteleu- tung von Buzási (Anm. 7), S. 98: „Es scheint, dass er ropa: Isidore Ganneval (Canevale), Mitteilungen der die Malerei von den Künsten am meisten geliebt und ge- Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung 49, 1997, sammelt hat“ muss noch überprüft werden, denn da- Nr. 3, S. 1–7. gegen spricht z. B. auch die verhältnismäßig niedri- 607 VII-Slavicek.indd 607 7.10.2009 18:27:30
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