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Könnte die Kaiserschnittrate
gesenkt werden?
CL AUDIA KÖTTER,                    Im Jahr 1990 wurde in Deutschland jedes sechste
ELKE MASSING                        Kind per Kaiserschnitt geboren; 2010 war es bereits
Claudia Kötter und Elke             jedes dritte Kind. Die Kaiserschnittrate übersteigt
Maßing sind Mitarbeiterin-          inzwischen mit rund 32 Prozent (2010) die von der
nen in der Abteilung Ambu-
lante Versorgung beim GKV-          Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1985 postulierte
Spitzenverband in Berlin            Obergrenze um das Doppelte. Daher werden selbst
                                    vereinzelte Stimmen mit Interesse registriert, nach
                                    denen sich die hohe Kaiserschnittrate auch durch
                                    mehr außerklinische Entbindungen reduzieren
                                    ließe. Derzeit werden weniger als zwei Prozent aller
                                    Kinder außerklinisch (zu Hause oder im Geburtshaus)
                                    geboren. Der Beitrag diskutiert Vorschläge, die die
                                    Rate reduzieren sollen. Der zweite Teil beschäftigt
                                    sich mit der Frage, ob mehr außerklinische Geburten
                                    die Kaiserschnittrate insgesamt senken könnten.

                                    A. Kaiserschnittrate: Höhe,
                                                                                                    gebrachtes Argument, dass die saarlän-
                                    Gründe, Konsequenzen,                                           dischen Frauen im Durchschnitt bei der
                                    Verbesserungsvorschläge                                         Entbindung älter sind, trifft nicht zu.
                                    Höhe der Kaiserschnittrate                                      Das Durchschnittsalter der saarländi-
                                                                                                    schen Frauen bei den Geburten betrug
                                    Landläufig wird der allgemeine Anstieg                          im Jahr 2009 unter 30 Jahre und lag
                                    der Kaiserschnittrate in den letzten Jah-                       somit unter dem Bundesdurchschnitt.
                                    ren/Jahrzehnten mit dem zunehmenden                                Zudem variiert die Kaiserschnittrate
                                    Durchschnittsalter der Frauen bei der                           zwischen den Kreisen und kreisfreien
                                    Geburt in Verbindung gebracht; die-                             Städten sehr stark zwischen 17 Prozent
                                    ses Durchschnittsalter hat sich aller-                          und 51 Prozent. Das ist eines von vielen
                                    dings vergleichsweise moderat erhöht.                           Ergebnissen der kürzlich erschienenen
                                    Es betrug bei der Erst-Entbindung in                            Studie zum Kaiserschnitt (Bertelsmann
                                    Deutschland im Jahr 2000 noch 29                                Stiftung vom Nov. 2012). Demzufolge
                                    Jahre, im Jahr 2009 30,2 Jahre; das                             liegen die Kreise mit einer sehr hohen
                                    Durchschnittsalter der Frauen - über                            Kaiserschnittrate überwiegend in Bay-
                                    alle Entbindungen gerechnet - betrug                            ern, Niedersachsen und Rheinland-
                                    bundesweit 30,4 Jahre. Bekannt ist, dass                        Pfalz. Die Kreise mit den niedrigsten
                                    die Anzahl der Kaiserschnittgeburten                            Kaiserschnittraten befinden sich fast
                                    stark nach Bundesländern variiert. Die                          ausschließlich in den neuen Bundes-
                                    niedrigste Rate verzeichnete dabei in                           ländern. Dass die in der Studie aufge-
                                    2009 nach Angaben des Statistischen                             zeigten regionalen Unterschiede über
                                    Bundesamtes Sachsen mit 22,6 Prozent;                           die Zeit stabil sind, zeigte eine weiter-
                                    die höchste das Saarland mit 38,4 Pro-                          gehende Untersuchung der kreisbezo-
                                    zent. Ein hierfür in den Medien häufig                          genen Kaiserschnittraten in den Jah-

                                            https://doi.org/10.5771/1611-5821-2013-1-46
46      G+S    1/2013               Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.09.2021, 05:36:22.
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ren 2007-2010 durch die Bertelsmann           ■   Angst der Schwangeren vor Schmer-                           Kaiserschnittrate zu beachten. Nach dem
Stiftung.                                         zen                                                         bundesweiten Fallpauschalenkatalog
   Der Anteil von 15,4 Prozent sekun-         ■   Kontinenzprobleme nach vaginaler                            2012 kostet eine Geburt im Krankenhaus
därer Kaiserschnitte in 2010 (AQUA                Entbindung
Qualitätsreport 2010) an der o.g. rd.         ■   Höhere Vergütung in den Kliniken                            ■      bei vaginaler Entbindung im Durch-
32-prozentigen Gesamtkaiserschnitt-               für Kaiserschnitte als für vaginale                                schnitt aller hierfür möglichen DRGs
rate zeigt, dass es bei etwa jeder sechsten       Entbindungen                                                       (vaginale Entbindung mit/ohne Kom-
Entbindung zu nicht vorhergesehenen           ■   Mögliche fehlende Kenntnisse bei                                   plikation/OR-Prozeduren, bis/mehr
Komplikationen kommt, die statt einer             Ärzten insbesondere bei physiolo-                                  als 33 vollendete Wochen, ohne Be-
geplanten vaginalen Entbindung eine               gischen Geburtsverläufen und Heb-                                  rücksichtigung der tatsächlichen Fall-
Geburtsbeendigung per Kaiserschnitt               ammen, die unnötige Kaiserschnitte                                 zahl je DRG usw.) ca. 1.500 Euro,
erforderlich machen.                              verhindern können.                                          ■      bei Kaiserschnitt im Durchschnitt
                                                                                                                     aller möglichen DRGs (Sectio pri-
Gründe für die Entwicklung                    Der o.g. Bertelsmann-Studie zufolge zeigt                              mär/sekundär, ohne/mit einer oder
der Kaiserschnittrate                         sich, dass die Altersstruktur der Mütter,                              mehreren Diagnosen, bis/mehr als
                                              soziodemographische Faktoren oder der                                  33 vollendete Wochen, ohne Berück-
Das o.g. gestiegene Alter von Frauen          Versichertenstatus der Frau ebenso wie                                 sichtigung der tatsächlichen Fallzahl
bei der Entbindung kann nur ein mög-          eine unterschiedliche Verteilung von                                   je DRG usw.) ca. 3.000 Euro.
licher Begründungsansatz von vielen           Frühgeburten oder mütterlichen Er-
sein. Nachfolgend sind die von den me-        krankungen zumindest hinsichtlich der                           Eine fiktive Musterberechnung/Über-
dizinisch-wissenschaftlichen Experten         regionalen Unterschiede gerade keinen                           schlagsrechnung soll im Folgenden
zitierten Gründe, aber auch die vielfäl-      relevanten Einfluss auf die Höhe der                            aufzeigen, welches finanzielle Einspar-
tigen gesellschaftlichen, epidemiologi-       Kaiserschnittrate haben. So sei z.B. die                        potential realisierbar wäre, würde die
schen und psychosozialen Gründe für           Kaiserschnittrate gerade bei den Müttern                        bundesdeutsche Kaiserschnittrate auf die
diese Entwicklung einmal unkommen-            unter 25 Jahren stark angestiegen.                              von der WHO empfohlene Kaiserschnit-
tiert und ungewichtet aufgeführt.                Vielmehr seien die sog. relativen Indi-                      trate gesenkt werden könnte (Abb. 1).
                                              kationen (z. B. eine Beckenendlage, eine                           Demzufolge ließen sich die jährlichen
■   Höheres Geburtsgewicht von Säug-          vorangegangene Kaiserschnittgeburt) für                         GKV-Ausgaben für die Geburtshilfe in
    lingen                                    90 Prozent aller Kaiserschnittgeburten                          den Kliniken um rund 13 Prozent sen-
■   Wachsender Anteil an Zwillingsge-         ursächlich. Diese relativen Indikatoren                         ken. Wie sich die Einsparpotentiale in
    burten                                    - im Gegensatz zu den absoluten Indika-                         der Zukunft – und dabei mit Sicherheit
■   Persönliche Einstellung der Mutter/       tionen für Kaiserschnittentbindungen,                           nicht kurz- oder mittelfristig realisieren
    Eltern zur Geburt                         wie z.B. Fehllage der Plazenta oder de-                         ließen – wird nachfolgend beschrieben.
■   Niedrigschwelliger Zugang zu High-        ren Ablösung – würden nicht zwingend
    Tech-Geburten                             zur Entscheidung für einen Kaiserschnitt                        Verbesserungsvorschläge
■   Zunahme der Einleitung der Gebur-         führen. Sie erfordern vielmehr bei der
    ten und Frühgeburten                      Wahl des Geburtsweges eine sorgfältige                          Im Folgenden sollen mögliche Verbesse-
■   Präferenz von Kaiserschnitten bei         Bewertung der Risiken für Mutter und                            rungsvorschläge aufgezeigt und andisku-
    kleineren Kliniken wegen einge-           Kind. Bei einer relativen Indikation be-                        tiert werden: Relevant sind allein schon
    schränkter Dienstbereitschaft nachts      stünde also Entscheidungsspielraum, ob                          das Vorgehen und die Durchführung
    u. am Wochenende                          eine natürliche Geburt erfolgt oder ein                         des sog. Aufklärungsgesprächs mit der
■   Umfassendere Kontrollen in der            Kaiserschnitt durchgeführt wird. Diese                          Schwangeren über die möglichen Risi-
    Schwangerschaft                           Risikobewertung variiere und verursache                         ken und gesundheitlichen Konsequenzen,
■   Steigendes Wissen um spezielle Ge-        die oben genannten regional unterschied-                        Schmerzbehandlungen usw. bei einer
    burtsrisiken                              lichen Kaiserschnittraten.                                      vaginalen Entbindung und im Vergleich
■   Haftungsrisiko der Ärzte, Kranken-                                                                        dazu bei einem Kaiserschnitt. Dieses
    häuser und Hebammen/Geburtshäuser         Konsequenzen der stetig                                         Aufklärungsgespräch ist zwar bereits
■   Mehr Erkrankungen wie z.B.                steigenden Kaiserschnittrate                                    verbindlich von den Ärzten zu führen.
    Schwangerschafts-Diabetes                                                                                 Besonderen Einfluss auf ein „Umdenken“
■   Erstkaiserschnitt führt bei Nachfol-      Kaiserschnitte sind langfristig mit einer                       mit Präferenz für die vaginale Entbin-
    gegeburt eher wieder zu einem Kai-        erhöhten mütterlichen Mortalität bei                            dung, insbesondere wenn eher „weiche“,
    serschnitt                                weiteren Schwangerschaften verbun-                              also relative Indikationen oder sogar
■   Risiken bei den Kaiserschnitt-Opera-      den (vgl. ZGN, S. 10). Zudem ist belegt,                        der „Wunsch“ zu einem primären Kai-
    tionen sind weiter gesunken               dass Säuglinge nach Kaiserschnitten ver-                        serschnitt besteht (vgl. oben, nach der
■   Negatives erstes Geburtserlebnis          mehrt von längerfristigen Atemwegser-                           Studie der Bertelsmann Stiftung machen
■   Höhere Nachfrage von Schwangeren          krankungen betroffen sind.                                      die relativen Indikationen rd. 90 Prozent
    nach Kaiserschnittentbindungen we-           Neben den gesundheitlichen Kon-                              aus), hat jedoch die Motivation der Kli-
    gen Bagatellisierung des operativen       sequenzen für Mütter und Kinder sind                            nik. Sie stützt den nicht zu unterschätzen-
    Eingriffs durch die Medien                auch die finanziellen Konsequenzen in                           de Zuspruch des Personals zu Gunsten
■   Wunschgeburtstermin (z.B. 11.11.11)       Hinblick auf die Entwicklung der hohen                          einer natürlichen Geburt. Transparente

                                                         https://doi.org/10.5771/1611-5821-2013-1-46
                                                 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.09.2021, 05:36:22.                     G+S     1/2013          47
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Abb. 1: Berechnung des Einsparpotentials der GKV bei Reduzierung der Sectiorate auf die Obergrenze der WHO

                           Prozent                                              Ausgaben
Basis Klinikgeburten                  Klinikgeburten            Sectio-                                 Ausgaben für     Gesamtaus-        Einspar-
                          Sectio an                                           Geburten ohne
2010                                      gesamt                Anzahl                                   Sectio in €     gaben in €      potential in €
                       Klinikgeburten                                           Sectio in €
IST                         31,9 %          656.390            209.441           670.423.500             628.323.000    1.298.746.500
WHO (medizinisch
                            15 %            656.390             98.459           836.897.250             295.375.500     1.132.272.750    166.473.750
indizierte Rate)

Quelle: GKV-Spitzenverband, eigene Berechnungen nach Daten des Statistischen Bundesamtes, Klinikgeburten: Krankenhausstatistik
2010, Kaiserschnittrate IST: Gesundheitsberichterstattung 2011

verständliche Informationen sind dafür       ein erster Schritt zur Reduzierung der                          linien der AWMF (Arbeitsgemeinschaft
zwingend notwendig. Frauen-, Ärzte-          Kaiserschnittrate gemacht.                                      der Wissenschaftlichen Medizinischen
und Hebammenverbände sollten sich hier          Werden den Frauen zusätzlich – z.B.                          Fachgesellschaften) in Stufe S1 (Emp-
mit Unterstützung der Krankenkassen          in größeren Krankenhäusern – vermehrt                           fehlungen nach informellem Konsens
gemeinsam engagieren.                        hebammengeleitete Kreißsäle angebo-                             einer repräsentativ zusammengesetzten
   Um ein Umdenken zu erreichen, ist         ten (mehr als 15 sind bereits bundesweit                        Expertengruppe) bis S3 (evidenzba-
es ggf. sinnvoll, der Schwangeren vor        eingerichtet), die im Notfall auch eine                         siert). Die bestehenden Leitlinien wur-
der Entbindung die Räumlichkeiten und        schnellstmögliche ärztliche Behandlung                          den allesamt von Medizinern/Juristen
den Kaiserschnitt-OP zur Besichtigung        garantieren, wäre ebenfalls ein Schritt in                      der entsprechenden Fachgesellschaften
auch zugänglich zu machen. Eine „ver-        die richtige Richtung getan.                                    erarbeitet. Der Großteil aller Leitlinien
trauensvolle“ Umgebung im Kreißsaal             Ein weiterer Vorschlag ist die Ver-                          zum Thema Schwangerschaft, Geburt
zu schaffen durch Veränderung der Aus-       besserung der Ausbildung und des Trai-                          und Wochenbett sind Leitlinien nach
stattung des Kreißsaals und diese den        nings der Ärzte aber auch der Hebam-                            Stufe 1; Leitlinien nach Stufe 2 oder 3
Schwangeren zu präsentieren, könnte          men in der Geburtshilfe insbesondere                            sind kaum vorhanden sind. Die Beibe-
als „äußerer Zuspruch“ ein Umden-            der vaginalen Entbindungen bei Frauen,                          haltung der Stufe 1 der Leitlinien in
ken unterstützen. Mindestens genauso         die eine relative Indikation zum Kaiser-                        diesem Themenbereich nach Erstfassung
wichtig scheint auch eine Empathie der       schnitt mitbringen. Diese Maßnahmen                             über viele Jahre hinweg soll anhand der
Menschen zu sein, die die Schwangere         könnten die Indikationen zu vaginalen                           nachfolgend aufgeführten Leitlinien ver-
begleiten und der Frau im Vorfeld die        Entbindungen ggf. erleichtern oder gar                          deutlicht werden (Abb. 2).
Gewissheit geben, dass ihre „Wünsche“        Kaiserschnitte verhindern, die ggf. aus                            Evidenzbasierte Leitlinien in der
zu einer möglichst nicht invasiven Me-       der Angst und Unsicherheit des Perso-                           Geburtshilfe fehlen. Diese Lücke ist
dizin unter der Geburt weitestgehend         nals resultieren und sich diese auf die                         dringend zu schließen, wenn die über-
berücksichtigt werden. Dies sollte das       Entbindende schlechten Falls überträgt.                         höhte Sectiorate nach medizinischen
ethische Ziel des Handelns der Geburts-         Unumgänglich scheinen aber auch                              Kriterien zurückgeführt werden soll.
helfer sein. Das hat selbstverständlich      die Notwendigkeit der Überarbeitung/                            Mögliche ökonomische Anreize einiger
seine Grenzen immer dann, wenn doch          Weiterentwicklung der Leitlinien der                            Kliniken, die in Zielvereinbarungen mit
absolute Indikationen für einen Kaiser-      Fachgesellschaften und auch die Fokus-                          den geburtshilflich tätigen Ärzten ihren
schnitt zu Tage treten.                      sierung auf die physiologisch „normale“                         Ausdruck finden könnten, dürften nicht
   Das „Umdenken“ der Frauen wird zu-        Geburt unter Hinzuziehung von Heb-                              ohne evidenzbasierte medizinische An-
dem sicherlich auch durch den Blick auf      ammenexpertinnen-Wissen zu sein. Das                            forderungen wirksam bleiben.
den Umgang der Ärzte und Hebammen            vorhandene Stufenklassifikationssystem                             Ein weiterer Vorschlag geht dahin,
untereinander beeinflusst. Verfestigt        berücksichtigt eine Einteilung aller Leit-                      die Mutterschafts-Richtlinie des Ge-
sich bei der Schwangeren der Eindruck,
                                             Abb. 2: Übersicht der AWMF zu einigen medizinischen Leitlinien in der Geburtshilfe
dass in der Klinik eine respektvolle
Zusammenarbeit zwischen Ärzten und            Titel der Leitlinie                                  Entwicklungsstufe Erstfassung Letzte Fassung
Hebammen - mit dem Ziel einer „mi-
                                              Absolute und relative Indikationen
nimal-invasiven“ Geburtsbetreuung             zur Sectio caesarea und zur Frage der                              1           2001          07/2008
bei physiologisch normalen Schwan-            sogenannten Sectio auf Wunsch
gerschafts- und Geburtsverläufen, aber
                                              Empfehlung zum Vorgehen beim
auch bei weichen, relativen Indikationen,                                                                        1           2001          06/2006
                                              vorzeitigen Blasensprung
die die Option zu einem Kaiserschnitt
beinhalten würde – gepflegt wird, wird        Schwangerenbetreuung und
                                              Geburtsleitung bei Zustand nach                                    1           1998          11/2007
das Sicherheitsgefühl und das Vertrauen
                                              Kaiserschnitt
in sich selbst, sein Kind auf „normalen“
Wege zur Welt zu bringen, sicherlich ge-      Empfehlungen zur Zusammenar-
stärkt werden können. Wenn dann noch          beit von Arzt und Hebamme in der                                   1           1999          05/2008
                                              Geburtshilfe
eine intensive Hebammen-Betreuung un-
ter der Geburt gewährleistet wird, wäre      Quelle: Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachge-
                                             sellschaften - AWMF) http://www.awmf.org/leitlinien/leitlinien-suche.html#result-list).

                                                     https://doi.org/10.5771/1611-5821-2013-1-46
48        G+S      1/2013                    Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.09.2021, 05:36:22.
                                      Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
THEMA

meinsamen Bundesausschusses (G-BA)           Kinder (+ 0,7 Prozent) können die au-                              Vor diesem Hintergrund hat der
nach § 92 SGB V grundlegend zu überar-       ßerklinischen Einrichtungen zusammen                            GKV-Spitzenverband - aus weitergehen-
beiten. In der Richtlinie könnten Bedin-     verlassen, da eine Nachbehandlung von                           den QUAG-Auswertungen zu den HgE
gungen zur Hebammen- und ärztlichen          Kindern und/oder Müttern unnötig ist.                           und einer Zusatzauswertung der für
Hilfe – unabhängig wo diese stattfin-        Es werden bedeutend mehr Gebärpo-                               die Pilotstudie benutzten Klinikdaten
det - bei Schwangerschaft, Geburt und        sitionen genutzt (neben der klassischen                         der Geschäftsstelle Qualitätssicherung
Mutterschaft über den Gemeinsamen            horizontalen Lage auch die vertikale und                        Hessen - für die Fragestellung (wie hoch
Bundesausschuss z.B. über ein Mitbe-         die Wassergeburt). Deutlich öfter wird                          die Kaiserschnittrate von Müttern bei
ratungsrecht mit den Berufsverbänden         der Damm der Mutter bei der Geburt                              Verlegungen nach begonnenen außer-
der Hebammen festgelegt werden. Hier-        nicht verletzt (41,2 Prozent gegenüber                          klinischen Geburten aus den Geburts-
in sollte die Rolle der Hebammen auch        29,8 Prozent in der Klinik). Der allge-                         häusern in die Kliniken im Vergleich
bei der Geburtshilfe (außerklinisch und      meine Gesundheitszustand der Kinder                             zur Kaiserschnittrate, der primär in den
klinisch) für regelgerechte Geburten de-     weicht zehn Minuten nach der Geburt                             Kliniken begonnenen Geburten, ist) re-
finiert werden. Denn derzeit umfasst die     nicht von den Werten ab, die bei einer                          levante Daten der HgE in Deutschland
Richtlinie eine umfassende Auflistung        Krankenhausgeburt ermittelt werden.                             mit den (risikoadjustierten!) Daten der
der Tätigkeiten des Arztes im Rahmen         Für diese sogenannten Apgarwerte misst                          hessischen Kliniken verglichen.
der Schwangerenvorsorge. Einige Punk-        man z. B. Herzfrequenz, Atmung, Refle-
te hinsichtlich der Wochenbettbetreu-        xe, Farbe und Muskelspannung der Kin-                           Auswertungsergebnisse
ung lassen sich dort auch noch finden.       der. Schwangere, die zur Entbindung in
Ausführungen zu den Geburten fehlen          ein Geburtshaus, eine Hebammenpraxis                            Im Jahr 2010 wurden in den ca. 135
jedoch gänzlich.                             oder ein Entbindungsheim gehen, sind                            HgE in Deutschland 6.996 außerklini-
                                             im Schnitt etwas älter (31,6 Jahre zu                           sche Geburten durchgeführt. Hiervon
B. Vergleich der Kaiserschnittrate           30,5 Jahre in der Klinik). Die Neugebo-                         mussten 1.292 Frauen in eine Geburts-
nach begonnenen                              renen, die außerhalb der Klinik zur Welt                        klinik verlegt werden. Das entspricht
                                             kommen, sind eher etwas schwerer. In                            einem Prozentanteil von 18,5 Prozent.
außerklinischen Entbindungen
                                             beiden Vergleichsgruppen gibt es gleich                         Die Daten aus dem Jahr 2010 zu den
mit denen in den Kliniken                    viele Frauen, die zum ersten, zweiten                           Geburtsmodi, also die Angaben darüber
Hintergrund der Fragestellung                und dritten Mal ein Kind bekommen.                              wie viele der verlegten Frauen aus den
                                             Der Anteil Schwangerer, die ihr zweites                         HgE spontan vaginal, vaginal-operativ
Der GKV-Spitzenverband hatte Ende            Kind normal entbinden konnten, obwohl                           (Zange, Saugglocke o. ä.) bzw. per sectio
2011 - mit Unterstützung des Medizi-         das erste Kind per Kaiserschnitt auf die                        in den Kliniken entbunden haben, ergibt
nischen Dienstes des Spitzenverbandes        Welt kam, war im Krankenhaus etwas                              sich aus nachfolgender Tabelle (Abb. 3):
Bund der Krankenkassen, der Gesell-          größer (3,1 Prozent im Vergleich zu 2,3                            Werden die Frauen aus der HgE in eine
schaft für Qualität in der außerklinischen   Prozent in der HgE).                                            Klinik verlegt, haben demzufolge ca.
Geburtshilfe e.V. (QUAG) - gemeinsam             Das Pilotprojekt wird abgerundet
mit den Verbänden der Hebammen, die          von einer detaillierten Auseinanderset-                         ■      46 Prozent der Frauen eine Spontan-
Ergebnisse aus dem „Pilotprojekt zum         zung mit nationalen sowie internationa-                                geburt,
Vergleich klinischer Geburten im Bun-        len Studienergebnissen über Vergleiche                          ■      15 Prozent eine vaginal-operative
desland Hessen mit außerklinischen           klinischer mit außerklinischen Gebur-                                  Geburt und
Geburten in von Hebammen geleiteten          ten und kommt zu folgendem Ergebnis:                            ■      40 Prozent einen Kaiserschnitt.
Einrichtungen bundesweit“ veröffentlicht     Erfolgsentscheidend für die deutsche
(Quelle: GKV-Spitzenverband). Das Pilot-     außerklinische Geburtshilfe ist im Ver-                         Bezogen auf das Gesamtkollektiv der
projekt hatte das Ziel, den zeitgleichen     gleich zu internationalen Ergebnissen                           6.996 aus HgE begonnenen Geburten
Vergleich der klinischen Datensätze der      offensichtlich der Einsatz qualifizierter                       im Jahr 2010 betrug die Rate der in der
Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hes-      Hebammen mit sorgfältiger Risikoselek-                          Klinik durchgeführten Kaiserschnitte
sen im Bundesland Hessen (Hessische          tion. Dies zeigt sich insbesondere bei der                      7,3 Prozent.
Perinatal Erhebung) mit den bundes-          perinatalen Mortalität in Deutschland im                           Die folgenden Daten zu den Geburts-
weiten Datensätzen der von Hebammen          Studienvergleich mit anderen Nationen.                          modi des risikoadjustierten Klientel in
geleiteten Einrichtungen (i. F. auch HgE                                                                     den hessischen Kliniken (somit mit dem
genannt) der Gesellschaft für Qualität       Untersuchungsgegenstand                                         Klientel der HgE vergleichbar) aus den
in der außerklinischen Geburtshilfe e.V.                                                                     Jahren 2005 bis 2009 zeigen hingegen
(QUAG) zu ermöglichen.                       In der Pilotstudie konnten aufgrund                             ein ganz anderes Bild (Abb. 4):
   Konkret stellte die Studie anhand von     fehlender Daten die Geburtsmodi in der                             Entbinden die Frauen in einer Klinik,
über 90.000 unkomplizierten Geburten         Klinik nach erfolgter Verlegung aus den                         haben demzufolge ca.
aus den Jahren 2005 bis 2009 fest: Bei       HgE leider nicht verglichen werden. Dies
den außerklinischen Geburten in den          ist jedoch von besonderem Interesse, da                         ■      69 Prozent der Frauen eine Spontan-
HgE müssen vergleichsweise weniger           aktuell Aussagen in Politik und Medien                                 geburt,
Medikamente eingesetzt werden (6,6           getroffen werden, wonach sich die hohe                          ■      6 Prozent eine vaginal-operative Ge-
Prozent gegenüber 19 Prozent in der          Kaiserschnittrate durch mehr außerkli-                                 burt (Zange, Saugglocke o. ä.) und
Klinik). Geringfügig mehr Mütter und         nische Entbindungen vermeiden ließe.                            ■      25 Prozent einen Kaiserschnitt.

                                                        https://doi.org/10.5771/1611-5821-2013-1-46
                                                Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.09.2021, 05:36:22.                    G+S     1/2013         49
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THEMA

Abb. 3:Geburtsmodi in der Klinik nach Verlegung aus Geburtshäusern bundesweit in 2010

Geburtsmodi in der Klinik nach                                                                        in Prozent am Gesamtkollektiv der in HgE
                                     Anzahl der Geburten                in Prozent
erfolgter Verlegung aus HgE                                                                           begonnenen Geburten (in Höhe von 6.996)
spontan (klinisch)                                589                              45,6 %                                  8,4 %
vaginal-operativ (klinisch)                        188                             14,6 %                                  2,7 %
Sectio (klinisch)                                  514                             39,8 %                                  7,3 %
keine Angaben bezüglich Zeilen                         1                             0,1 %                                 0,1 %
Gesamt                                           1.292                            100,0 %                                  18,5 %

Quelle: GKV-Spitzenverband nach Daten aus QUAG: unveröffentlichte Anlage zum Gesamtbericht über in Deutschland betreute
außerklinische Geburten in von Hebammen geleiteten Einrichtungen (HgE) im Jahr 2010

Bezogen auf das risikoadjustierte            ■   abzüglich der risikoadjustierten ver-                       der Klinik gegenüber dem Klientel aus
Kollektiv der 146.332 in den hessischen          gleichbaren Geburten in Höhe von                            den HgE.
Kliniken durchgeführten Geburten be-             146.332 (60 Prozent),                                          Die starken Abweichungen der Be-
trug die Rate der in der Klinik durch-       ■   98.998 Geburten mit bestimm-                                funde hinsichtlich der Sectioraten zwi-
geführten Kaiserschnitte 24,8 Prozent.           ten Risiken und entsprechenden                              schen der Entbindung in HgE und Kli-
In Hessen betrug die Kaiserschnittrate           Sectio-Indikationen (40 Prozent) wa-                        nik lassen vermuten, dass z. B. die
über alle Geburten (nicht risikoadjus-           ren.
tiert!) im Jahr 2009 insgesamt 34 Pro-                                                                       Frauen
zent.                                                                                                        ■ aus nicht medizinischen Gründen
                                                                                                               eine Wunschsectio durchzusetzen
Abb. 4: Geburtsmodi in den hessischen Kliniken 2005 bis 2009
                                                                                                               versuchen (z. B. ungünstiges Horo-
Geburtsmodi in der Klinik          Anzahl der Geburten                         in Prozent                      skop, Abwesenheit des Vaters zum
                                                                                                               errechneten Geburtstermin, Angst
spontan (klinisch)                         100.952                                69,0 %
                                                                                                               um die Figur, Auswahl des Geburts-
vaginal-operativ (klinisch)                   8.597                                  5,9 %                     datums usw.),
Sectio (klinisch)                            36.231                               24,8 %                     ■ über    die Konsequenzen eines
nicht zuordenbar                                 451                                0,3 %                      Kaiserschnittes (insbesondere bei
                                                                                                               primärer also geplanter Sectio) zu
Gesamt                                     146.332                               100,0 %
                                                                                                               wenig Informationen haben (einer
Quelle: GKV-Spitzenverband nach Daten der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen;                           Sectio folgt wesentlich häufiger eine
unveröffentlichte Zusatzauswertung aus dem im Dezember 2011 veröffentlichten „Pilot-                           weitere Sectio beim nächsten Kind,
projekt zum Vergleich klinischer Geburten im Bundesland Hessen mit außerklinischen                             längerfristige Atemwegserkrankun-
Geburten in von Hebammen geleiteten Einrichtungen bundesweit“)                                                 gen des Kindes usw.),
                                                                                                             ■ aus dem gesellschaftlichen Druck he-
                                                                                                               raus ein „hübsches“ und „gesundes“
Schlussfolgerung                             Das heißt, die Sectiorate für Geburten                            Kind entbinden zu müssen/wollen
An dieser Stelle sei der Vollständigkeit     mit bestimmten Risiken liegt bei fast 48                          und dies auf normalen Wege kaum
darauf hingewiesen, dass die Daten aus       Prozent. Im Gegensatz liegt die Sectio-                           möglich erscheint,
unterschiedlichen Jahren stammen und         rate bei den risikoadjustierten Geburten                        ■ der Meinung sind, dass die Hebam-
eine stark abweichende Anzahl von kli-       bei 24,8 Prozent.                                                 men ihre Entscheidungszuständig-
nischen und außerklinischen Geburten            Der Vergleich der beiden Tabellen                              keit als Mutter mehr respektieren
berücksichtigen. Zudem wurden die            zeigt insbesondere, dass die Befunde                              (hinsichtlich der freien Wahl des Ge-
bundesweiten HgE-Geburten mit den            hinsichtlich der durchgeführten Sectio                            burtsortes),
klinischen Geburten in Hessen ver-           von in der HgE begonnenen Geburten                              ■ im Rahmen der 1:1-Betreuung unter
glichen. Unter der Prämisse, dass die        in Höhe von 7,3 Prozent erheblich bes-                            einer außerklinischen Geburt eine
bundesweiten klinischen Daten nur ge-        ser war als das des risikoadjustierten                            stärkere Zuwendung von Seiten der
ringfügig abweichen (siehe bundesweite       vergleichbaren Kollektivs der Klinikge-                           Hebamme erhalten, was im klini-
Sectiorate in Höhe von rd. 32 Prozent),      burten; dort lag die Sectiorate bei 24,8                          schen Setting manchmal nicht gelin-
lässt sich nach Ansicht der Autorinnen       Prozent.                                                          gen kann.
folgendes Fazit ziehen:                         Das bedeutet, dass die Befunde hin-
   Die o. g. Ergebnisse bedeuten, dass       sichtlich der Sectiorate der klinischen                         Hebammen
von den                                      Geburten im Vergleich zu der aus der                            ■ in den HgE eine qualitativ hochwer-
                                             HgE in die Klinik verlegten Geburten                              tige Geburtsversorgung mit einer
■    gesamten 245.330 zu Grunde geleg-       eindeutig sind: Mehr als dreimal so hoch                          insgesamt erheblich geringeren In-
     ten klinischen Geburten (100 Pro-       ist die Sectiorate bei dem risikoselek-                           terventionsrate als in den Kliniken
     zent),                                  tieren (also vergleichbaren) Klientel aus                         ermöglichen sowie

                                                     https://doi.org/10.5771/1611-5821-2013-1-46
50         G+S       1/2013                  Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.09.2021, 05:36:22.
                                      Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
THEMA

■   die in den Kliniken angestellten Heb-    Die Frauen                                                         Einen routinemäßigen Vergleich im
    ammen weisungsgebunden sind (Vor-        ■ suchen aus Angst vor Schmerzen eher                           o. g. Sinne kann es unter den jetzigen
    gabe des Arztes).                          eine Klinik auf (kaum Schmerzbe-                              gesetzlichen Rahmenbedingungen leider
                                               handlung in den HgE),                                         nicht geben. Eine Änderung hinsichtlich
Wäre eine Übertragbarkeit der guten          ■ haben keine Instrumente an der                                der Datenzusammenführung bei der sek-
Ergebnisse hinsichtlich der Sectiorate         Hand, die klinische mit der außer-                            torenübergreifenden Qualitätssicherung
vom außerklinischen in den klinischen          klinischen Entbindung zu vergleichen                          wäre notwendig, um die Ergebnisquali-
Bereich möglich, würde die Sectiorate          (vorher keine „Probegeburten“ mög-                            tät sämtlicher außerklinischer Geburten
rechnerisch insgesamt wesentlich gerin-        lich) und                                                     (also auch die der Hausgeburten usw.)
ger ausfallen. Denn die Übertragbarkeit      ■ gehen aus dem Sicherheitsbedürfnis                            mit den Klinikgeburten künftig verglei-
der 7,3 %-igen Sectiorate der von außer-       für sich und das Kind heraus (OP-                             chen zu können. Änderungen hinsicht-
klinisch verlegten Frauen (s. o.) auf die      Saal und Kinderabteilung schnellst-                           lich der Aufnahme von Hebammen und
„risikoadjustierten“ klinischen Entbin-        möglich erreichbar) eher in eine Ge-                          deren Einrichtungen in den Regelungen
dungen in Höhe von 60 Prozent führt            burtsklinik.                                                  zu § 137 Abs. 1, 2 ff. i. V. m. § 135a SGB
– bei einer festen konstanten Sectiorate                                                                     V wären hierfür erforderlich.
in Höhe von 48 Prozent der verbleiben-      Das mögen auch die Gründe dafür                                     Zudem wäre es sinnvoll, die Ergeb-
den klinischen Geburten mit bestimm-        sein, dass die Anzahl der außerklini-                            nisse hinsichtlich des Outcomes der
ten Risiken (für 40 Prozent, s. o.) – zu    schen Geburten in den HgE insgesamt                              Mütter inkl. deren Kinder, die bei „ri-
einer rechnerisch ermittelte Sectiorate     im Zeitablauf nicht in dem Maße ge-                              sikoarmer Geburt“ außerklinisch in die
für das gesamte Klientel in Höhe von        stiegen ist, wie es nach dem Inkraft-                            Klinik verlegt werden mussten, zu dem
23,7 Prozent. Eine Reduzierung der Sec-     treten des Ergänzungsvertrages über                              risikoadjustierten Krankenhausklientel
tiorate in dieser Größenordnung wird        Betriebskostenpauschalen in von Heb-                             zu vergleichen.
grundsätzlich dadurch erschwert, dass       ammen geleiteten Einrichtungen
insbesondere in den kommenden Jahren        nach § 134a SGB V im Juli 2008           Es ist viel zu tun für
wesentlich häufiger eine Sectio aufgrund    und damit verbundenen Siche-
einer vorangegangenen Sectio notwen-        rung der Finanzierung dieser
                                                                                     eine Verbesserung der
dig werden wird.                            Geburten auch über die Kran-             geburtshilflichen Versorgung
   Die o.g. Ergebnisse können darü-         kenkassen zu erwarten gewesen
ber hinaus auch nicht zu dem Schluss        wäre. Es ist aber auch bekannt,
                                                                                     im Sinne der Frauen.
führen, dass bei einer Verlagerung der      dass sich wesentlich mehr Frauen
Anzahl der Entbindungen weg von den         in den HgE anmelden und es im Ver-              Würde sich nach der Auswertung der
Kliniken hin zu den HgE die o.g. gerin-     lauf der letzten Schwangerschaftswo- Autorinnen die Ergebnisse der außerkli-
ge Sectiorate in Höhe von 7,3 Prozent       chen aus den verschiedensten persön- nischen auf die klinische Klientel über-
dort weiterhin zu Stande kommen wür-        lichen oder medizinischen Gründen tragen lassen, wäre eine Reduzierung
de. Hintergrund hierfür ist, dass sich      (z.B. Entwicklung von Befunden am der Kaiserschnittrate in Deutschland
nur eine bestimmte Klientel bewusst         Ende der Schwangerschaft; eine grö- von derzeit rd. 32 Prozent auf unter 24
und individuell für eine außerklinische     ßere Terminüberschreitung) zu einer Prozent realisierbar und der Abstand
Entbindungsform entscheidet und diese       Umentscheidung und Geburt in einer zur WHO-Empfehlung in Höhe von 15
unbedingt gewollt sein muss (bestimmte      Klinik kommt.                                Prozent wäre deutlich geringer. Umso
Einflussfaktoren hierfür notwendig:                                                      notwendiger wird die zügige Umsetzung
gut vorbereitete Frauen aus intakten        Fazit                                        der o.g. Vorschläge, um die abschlie-
Familien, gut eingestellt auf die Geburt                                                 ßend präsentierten Einsparpotentiale
usw.).                                      Die Auswertungsergebnisse hinsichtlich zu realisieren (Abb. 5).
   Dass Frauen zu über 98 Prozent der       der Kaiserschnittrate von außerklinisch         Es ist viel zu tun für eine Verbesserung
Fälle eine klinische Entbindung einer       begonnenen Geburten zeigen auf, dass der geburtshilflichen Versorgung im
außerklinischen vorziehen, scheint wie      diese um ein mehrfaches besser sind als Sinne der Frauen. Strukturelle Änderun-
folgt begründet zu sein:                    die des vergleichbaren Klinikklientel.       gen, wie Änderungen der gesetzlichen
                                                                                         Regelungen oder die Überarbeitung der
                                                                                         Leitlinien der Fachgesellschaften alleine
Abb. 5: Berechnung des Einsparpotentials der GKV bei Reduzierung der Sectiorate
                                                                                         scheinen die Kaiserschnittrate nicht zu
                                              Prozent Sectio an                          reduzieren. Einheitliche Vorgaben über
 Basis Klinik-geburten 2010
                                               Klinikgeburten       Einsparpotential     den G-BA sowie evidenzbasierte Leitli-
 IST                                                31,9 %                               nien, z.B. zur Risikobewertung, würden
                                                                                         zumindest die Varianz in den regionalen
 WHO (medizinisch indizierte Rate)                    15 %            166.473.750 €
                                                                                         Kaiserschnittraten reduzieren können.
 Mögliche Klinik-Rate nach Übertragbarkeit                                               Ein Umdenken des Personals, die die
                                                     24 %             89.860.200 €
 der Ergebnisse der außerklinischen Rate                                                 Schwangere betreuen, und ein Umden-
Quelle: GKV-Spitzenverband, eigene Berechnungen nach Daten des Statistischen             ken der Frauen/Eltern selbst erscheint
Bundesamtes, Klinikgeburten: Krankenhausstatistik 2010, Kaiserschnittrate IST:           zudem notwendig. Somit ließen sich
Gesundheitsberichterstattung 2011                                                        auch Einsparpotentiale realisieren, die

                                                        https://doi.org/10.5771/1611-5821-2013-1-46
                                                Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.09.2021, 05:36:22.                 G+S     1/2013           51
                                         Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
THEMA

nicht zu Lasten der qualitativen Versor-                  Dank an UnterstützerInnen:
gung der Versicherten gehen.                              Herr Dr. B. Misselwitz (MPH, Leiter der Ge-
   Ärzteschaft und Hebammenverbände                       schäftsstelle Qualitätssicherung Hessen)
sollten sich gemeinsam über eine bessere                  Frau Dr. S. Bauer (M. San., Frauenärztin,
Zusammenarbeit der Berufsgruppen                          Sozialmedizin, Fachgebietsleiterin „klinische
untereinander bemühen, damit die Ver-                     Anwendung“ im Fachbereich Evidenzba-
                                                          sierte Medizin, Medizinischer Dienst des
sorgungsqualität nicht wegen etwaiger                     Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen
                                                                                                                               Bassarak | Heister | Leitner | Mroß |
                                                                                                                               Schneider | Schubert | Wendt [Hrsg.]

fehlender professioneller Zusammenar-                     e.V. (MDS)
beit zum Nachteil der Mütter und Kin-                                                                                          Kölner Journal
                                                          Frau A. Wiemer (Hebamme, Leiterin der                                Wissenschaftliches Forum für
der in Deutschland leidet und künftig                     Geschäftsstelle QUAG e. V. - Gesellschaft für                        Sozialwirtschaft und Sozialmanagement
                                                                                                                               1/2013

den Blick verstärkt auf das Ziel richten,                 Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe
                                                          e. V.)
physiologisch „normale“ Geburten zu
fördern.                                ■
                                                                                                                                      Nomos

                                                                                                                            Wissenschaftliches
                                                                                                                            Forum für Sozialwirt-
     Literatur                                                                                                              schaft und Sozial-
                                                                                                                            management 1/2013
 Arabin, B., Chervenak, F.A., McCullough,                                                                                   Herausgegeben von
 L.B. Die geplante Hausgeburt in industria-                                                                                 Herbert Bassarak, Werner
 lisierten Ländern: Bürokratische Traumvor-                                                                                 Heister, Sigrid Leitner,
 stellung vs. Professionelle Verantwortlich-
 keit, in: ZGN – Zeitschrift für Geburtshilfe &                                                                             Michael Mroß, Armin
 Neonatologie 1/2013, Georg Thieme Verlag                                                                                   Schneider, Herbert
 KG Stuttgart, (S. 3-13)                                                                                                    Schubert und Wolf Rainer
 AQUA – Institut für angewandte Quali-                                                                                      Wendt
 tätsförderung und Forschung im Gesund-
                                                                                                                            2013, 154 S., brosch., 29,– €
 heitswesen GmbH. Qualitätsreport 2011
 (Auftraggeber Gemeinsamer Bundesaus-                                                                                       ISBN 978-3-8487-0447-7
 schuss) 2012, S. 122-127                                                                                                   (Kölner Journal, Bd. 1/2013)
 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaft-
 lichen Medizinischen Fachgesellschaften                                                                                    Die Autoren widmen sich
 - AWMF). Leitlinien (http://www.awmf.org/                                                                                  grundlegenden Fragen des
 leitlinien/leitlinien-suche.html#result-list)
                                                                                                                            Theoriediskurses, besonders
 Bauer, S., Kötter, C. Geburtshäuser: Ver-                                                                                  dem wissenschaftlichen Be-
 sorgungsalternative zur Klinikentbindung?,
 in: ZGN – Zeitschrift für Geburtshilfe &                                                                                   griff und dem Gegenstands-
 Neonatologie 1/2013, Georg Thieme Verlag                                                                                   bereich Sozialwirtschaft. Die
 KG Stuttgart (S. 14-23),                                                                                                   grundlegenden Begrifflich-
 Bertelsmann Stiftung. Faktencheck Gesund-                                                                                  keiten sowie deren Einord-
 heit Kaiserschnitt (https://kaiserschnitt.                                                                                 nung, die Ökonomisierung
 faktencheck-gesundheit.de/), Gütersloh 2012
                                                                                                                            der Sozialen Arbeit, Alterna-
 Bertelsmann Stiftung. Gesundheitsmonitor
 3/12; Newsletter der Bertelsmann Stiftung
                                                                                                                            tiven für die Wirtschaft, So-
 und der BARMER GEK                                                                                                         cial Entrepreneurship und
 GKV-Spitzenverband. Pilotprojekt zum                                                                                       Nachhaltigkeit stehen dabei
 Vergleich klinischer Geburten im Bundes-                                                                                   im Vordergrund.
 land Hessen mit außerklinischen Geburten
 in von Hebammen geleiteten Einrichtungen
 bundesweit (Initiatoren: GKV-Spitzenver-
 band mit Unterstützung des Medizinischen
 Dienstes des Spitzenverbandes Bund der
 Krankenkassen e.V. und Verbände der Heb-
 ammen mit Unterstützung von QUAG-Ge-                                                                                       www.nomos-shop.de/20845
 sellschaft für Qualität in der außerklinischen
 Geburtshilfe), Berlin 21. November 2011
 Widmann-Mauz, A. Antwort der Bun-
 desregierung auf die Kleine Anfrage der
                                                                                                                                                     Nomos
 Abgeordneten der BÜNDNIS 90/DIE
 GRÜNEN betreffend „Steigende Rate an Kai-
 serschnittentbindungen“. BT-Drs. 17/8862.
 Berlin 20.3.2012

                                                                https://doi.org/10.5771/1611-5821-2013-1-46
52          G+S       1/2013                            Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.09.2021, 05:36:22.
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