HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG - AUF 2B USTG - KÜFFNER ...
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VORWORT EINE LICHTUNG IM STEUERDSCHUNGEL DIE UNKENNTNIS DER STEUERGESETZE BEFREIT NICHT VON DER PFLICHT ZUM STEUERNZAHLEN. DIE KENNTNIS ABER HÄUFIG. Amschel Meyer Rothschild (1744 – 1812) 70 % der Steuerliteratur weltweit sind in Belastungen der Bürger und der Ge- deutscher Sprache verfasst, so lautet zu- meinden führen wird, nicht zuletzt bei mindest ein bekanntes Bonmot zum der interkommunalen Zusammenarbeit. Deutschen Steuerrecht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll, Auch wenn dieser Ausblick wenig eupho- dass nun auch der Bayerische Gemeinde- risch stimmt, bringt es nichts, den Kopf tag einen Beitrag zu dieser Quote leistet. in den Sand zu stecken. Um die Gestal- Viele Gemeinden hätten vermutlich auf tungsmöglichkeiten, die das neue Recht die Reform des Umsatzsteuerrechts gut bietet, zu erkennen und zu nutzen, geht verzichten können. Bringt doch der neue kein Weg daran vorbei, sich gut mit der § 2b UStG für alle Körperschaften des Materie vertraut zu machen. Ich bin mir öffentlichen Rechts zunächst einmal vor sicher, dass die bayerischen Gemeinden allem eines: Viel Arbeit! Alle Einnahmen auch diese Herausforderung meistern wollen erfasst und analysiert werden; werden und das Umsatzsteuerrecht in sämtliche Verträge gehören auf den Prüf- 5 Jahren zur Normalität in den Rathäu- stand und müssen gegebenenfalls geän- sern gehören wird. Es würde mich freu- DR. UWE BRANDL dert werden und nicht zuletzt ist auch en, wenn die vorliegende Handreichung Präsident die Organisation der Verwaltung zu über- des Bayerischen Gemeindetags hierzu ei- des Bayerischen Gemeindetags denken. Sind die Zuständigkeiten im nen Beitrag leisten kann und für Sie eine Rathaus eindeutig geklärt und die Pro- Lichtung im Steuerdschungel schafft. zesse so aufgestellt, dass die Bürgermeis- terin oder der Bürgermeister die Steuer- Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. erklärungen mit ruhigem Gewissen un- Dr. Küffner und seinem Team. Er und terzeichnen kann? Oder müssen die Ver- seine Mitarbeiter haben mit hoher fachli- antwortlichen in Zukunft befürchten, cher Expertise und großem Engagement als Steuersünder auf der Anklagebank einen wichtigen Beitrag zum Gelingen zu sitzen? dieser Schrift geleistet. Lohnt sich dieser Aufwand für die Ge- Eine erkenntnisreiche Lektüre wünscht meinden wenigstens finanziell? Dies mag Ihnen bei einigen Kommunen der Fall sein, weil sie bei größeren Investitionen von den Ihr besseren Möglichkeiten zum Vorsteuer- abzug profitieren werden. Für den Groß- teil der Gemeinden bin ich allerdings Dr. Uwe Brandl skeptisch und fürchte eher, dass die Aus- weitung der Umsatzsteuer zu höheren Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG 3
VORWORT ENDSPURT § 2b UStG 2021 Vor über 20 Jahren habe ich ein steuer- Ein besonderer Dank gilt meiner Kolle- rechtliches Thema für meine Promotion gin Frau Stefanie Stern und meinem Kol- gesucht. Mein Vater, selbst Steuerberater, legen Niko Ferstl, die mich tatkräftig bei hat mich damals auf die ungeklärten Fra- der Erstellung dieser Handausgabe un- gen der Umsatzbesteuerung von Körper- terstützt haben. Ebenso möchte ich mich schaften des öffentlichen Rechts hinge- sehr herzlich bei Herrn Georg Große wiesen. Zu dieser Zeit hat das Thema nur Verspohl bedanken, der das Werk nicht die Wissenschaft interessiert. nur initiiert hat, sondern auch für den notwendigen Praxisbezug gesorgt hat. Heute bin ich meinem Vater dankbar, dass er mich auf das Thema aufmerksam Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lek- gemacht hat. Ich habe nicht nur erfolg- türe. Wir alle würden uns freuen, wenn reich meinen Doktortitel erhalten. Die wir Sie für die Umsatzbesteuerung der Besteuerung der öffentlichen Hand fas- öffentlichen Hand begeistern könnten. ziniert mich heute noch genauso wie vor 20 Jahren. Doch nicht nur mich allein. Ihr PROF. DR. THOMAS KÜFFNER Zusammen mit einem Dutzend anderer Rechtsanwalt, Steuerberater, Berufsträger beschäftigen wir uns heu- Wirtschaftsprüfer, te in unserer Kanzlei schwerpunktmäßig Prof. Dr. Thomas Küffner Fachanwalt für Steuerrecht mit Fragen der Besteuerung der öffent- lichen Hand – von kleinen kreisangehö- rigen Gemeinden bis hin zu großen öf- fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Und jeder Fall ist spannend wie am ers- ten Tag. Auch das Ziel ist gleich geblie- ben: Die beste praxisorientierte Lösung zu finden. Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG 5
INHALTSVERZEICHNIS Eine Lichtung im Steuerdschungel 3 5. Optionsregelung und Widerruf der Option 22 Endspurt § 2b UStG 2021 5 Neu im Blick: Die Gemeinde als Unternehmerin 8 6. Steuerbefreiungen 23 7. Kleinunternehmerregelung 24 TEIL 1 EINFÜHRUNG IN DAS UMSATZSTEUERRECHT 7.1 Grundregeln 24 7.2 Voraussetzungen 24 1. Funktionsweise der Umsatzsteuer 10 7.3 Rechtsfolgen 25 7.4 Verzicht auf die Anwendung 2. Leistungsaustausch 11 des § 19 Abs. 1 UStG 25 2.1 Mehrere Personen 11 2.2 Entgeltlichkeit der Leistung 12 8. Vorsteuerabzug 25 2.2.1 Unentgeltliche Leistungen 12 8.1 Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs 25 2.2.2 Abgrenzungsfragen beim Leistungsaustausch 13 8.2 Vorsteuerkorrektur 27 8.3 Vorsteuerkorrektur im Rahmen 3. Der Betrieb gewerblicher Art – „altes Recht“ 14 der Umstellung auf das neue Recht 28 3.1 Einrichtung 15 3.2 Wirtschaftliche Tätigkeit 15 3.3 Hoheitsbetrieb 15 3.4 Einnahmeerzielungsabsicht und Nachhaltigkeit 16 3.5 Wirtschaftliche Bedeutsamkeit 16 3.6 Beistandsleistungen 16 4. Das „neue Recht“ der Besteuerung der öffentlichen Hand 16 4.1 Grundsatz: Gemeinde ist Unternehmerin 17 4.2 Ausnahme: Hoheitliche Tätigkeit 18 4.3 Größere Wettbewerbsverzerrungen 19 4.4 Interkommunale Zusammenarbeit 20 4.4.1 Systematischer Zusammenhang 20 4.4.2 Leistungen im exklusiv hoheitlichen Bereich 20 4.4.3 Begünstigte Kooperation 21 4.4.3.1 Langfristige Vereinbarung 21 4.4.3.2 Erhalt der öffentlichen Infrastruktur 21 4.4.3.3 Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe 21 4.4.3.4 Lediglich Kostenerstattung 22 4.4.3.5 Erbringung im Wesentlichen an andere Körperschaften des öffentlichen Rechts 22 6 HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH
INHALTSVERZEICHNIS TEIL 2 UMSTELLUNG AUF § 2B UStG ANLAGEN 1. Entwicklung eines Umstellungskonzeptes 30 1 Überblick über die wichtigsten umsatzsteuer- 1.1 Projektplan 30 rechtlichen Tätigkeiten einer kreisangehörigen 1.2 Arbeitsaufteilung und Ressourcenplanung 31 Gemeinde in Bayern 46 1.2.1 Wer macht die Arbeit im Rathaus? 31 2 Projektplan 54 1.2.2 Bildung von Arbeitsgemeinschaften – 3 Erfassung steuerrelevanter Tätigkeiten – interkommunale Zusammenarbeit 31 Übersicht erforderlicher Unterlagen 55 1.2.3 Einbindung von Steuerberatern 32 4 Tabelle Einnahmenanalyse 56 5 Leitfaden zur Tabelle Einnahmenanalyse 57 2. Erfassung des umsatzsteuerlichen 6 Tabelle Vertragsscreening 60 Istzustands32 7 Leitfaden zur Tabelle Vertragsscreening 61 8 Musterrechnung nach § 14 UStG 63 3. Einnahmenanalyse 33 9 Checkliste Eingangsrechnung 64 10 Funktionsabgrenzung 65 4. Vertragsscreening 34 11 Musterdienstanweisung zur Besteuerung 4.1 Erfassung 34 der Gemeinde Musterhausen 68 4.2 Bewertung 35 12 Hinweise zur Musterdienstanweisung 4.3 Überlegungen zur Vertragsgestaltung zur Besteuerung der Gemeinde Musterhausen 70 (insb. Steuerklausel) 36 4.4 Preisanpassung 36 IMPRESSUM71 5. A uswertung und Zusammenfassung der Ergebnisse 37 6. Vorsteuer und Vorsteuerabzugspotential 37 7. Steuerliche Gestaltung 38 8. Umstellung der IT 40 8.1 Finanzsoftware 40 8.2 Faktura-Programm 41 9. Organisation des Steuerbereichs 41 9.1 Zuständigkeiten 42 9.2 Prozesse 42 9.2.1 Ausgangsumsätze 42 9.2.2 Eingangsumsätze 44 9.3 Dezentrale Organisation 44 9.4 Dienstanweisung 45 Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG 7
EINLEITUNG NEU IM BLICK: DIE GEMEINDE ALS UNTERNEHMERIN Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen der Umsatzsteuer, es sei denn in Ausnah- Als Hilfestellung soll die vorliegende Hand führte (nicht nur) im kommunalen mefällen, wie sie in § 2 Abs. 3 UStG a. F. Handreichung dienen. Sie wendet sich Bereich jahrzehntelang ein Schattenda- geregelt sind. Nach neuem Recht unter- vor allem an kleinere kreisangehörige sein. Zwar unterlagen auch in der Ver- fallen dem Grundsatz nach alle Umsät- Gemeinden, kann aber entsprechend ins- gangenheit einige Umsätze der Gemein- ze der öffentlichen Hand der Umsatz- besondere auch von Verwaltungsgemein- den – z. B. im Bereich der Wasserversor- besteuerung. Um allerdings den Beson- schaften und Zweckverbänden angewen- gung – der Besteuerung. Warum dies derheiten des hoheitlichen Handelns det werden. Die Handreichung besteht der Fall war, die rechtlichen Hintergrün- gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber aus zwei Teilen. Im ersten Teil wird ein de, Risiken und Gestaltungsmöglichkei- mit dem § 2b UStG eine wichtige Aus- Überblick über das materielle Umsatz- ten waren jedoch in den meisten Rathäu- nahme vom Grundsatz der Besteuerung steuerrecht gegeben. Hierbei wird zu- sern nicht präsent. geschaffen. nächst die Wirkungsweise der Umsatz- steuer und des Vorsteuerabzugs verdeut- Zunächst durch die geänderte Rechtspre- Nachdem fast alle Gemeinden durch Ab- licht. Einen nicht nur untergeordneten chung des Bundesfinanzhofs und schließ- gabe der Optionserklärung im Jahr 2016 Platz hat auch das „alte Recht“ gefun- lich vor allem durch die Änderung des den Übergangszeitraum bis Ende des den. Die Umstellung auf § 2b UStG soll- Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist die Jahres 2020 hinausgeschoben haben, ist te auch zur „Vergangenheitsbewältigung“ Thematik auf die Agenda der Führungs- es an der Zeit, den Übergang in das neue genutzt werden. Nicht selten stellt sich kräfte in den Kommunalverwaltungen System der Umsatzsteuer erfolgreich zu bei näherer Beschäftigung mit der Um- gelangt. Die Streichung des § 2 Abs. 3 gestalten. Ab 1. Januar 2021 greift für satzsteuer heraus, dass in einer Kommu- UStG und die Einfügung des § 2b Um- alle Umsätze der Gemeinden das neue ne bereits bislang nicht erkannte Betriebe satzsteuergesetz (UStG) zum 1. Januar Recht. Einen weiteren Aufschub wird gewerblicher Art bestehen. Solche Fälle 2016 führen zu einem vollständigen Pa- es nicht geben. sollten unter Hinzuziehung steuerlicher radigmenwechsel: In der Vergangenheit Beratung gelöst werden. unterlagen juristische Personen des öf- fentlichen Rechts grundsätzlich nicht 8 HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH
EINLEITUNG Schließlich wird die Neuregelung des lung selbst gibt es nicht den einen, einzig Neben dieser Handreichung sollte sich § 2b UStG vorgestellt. Die Darstellung richtigen Weg. Den Gemeinden steht es jede Gemeinde die Schreiben des Bun- beschränkt sich auf die für die kommu- damit grundsätzlich frei, andere Lösun- desfinanzministeriums zu dieser Thema- nale Praxis wichtigsten Erkenntnisse. gen zu suchen. Nicht zu empfehlen ist tik beschaffen. Dies sind insbesondere Besondere Beachtung finden die in § 2b allerdings die Untätigkeit! Sich von der Abs. 3 UStG enthaltenen Regelungen, Entwicklung überrollen zu lassen oder zu · BMF-Schreiben vom 19.04.2016 – die für die Umsätze im Bereich der in- warten, bis eine Prüfung erfolgt, kann für III C 2 – S 7106/07/10012-06, terkommunalen Zusammenarbeit von er- die Verantwortlichen erhebliche, even- BStBl. I 2016 S. 481, heblicher Bedeutung sind. Sie wird abge- tuell sogar strafrechtliche Konsequenzen · BMF-Schreiben vom 16.12.2016 – rundet durch eine kurze Erläuterung der nach sich ziehen. III C 2 – S 7107/16/10001, wichtigsten Steuerbefreiungstatbestände. BStBl. I 2016 S. 1451, Der Rechts- und Erkenntnisstand dieser · BMF-Schreiben vom 27.07.2017 – Teil 2 der Handreichung soll den Ge- Handreichung entspricht dem des He- III C 2 – S 7106/0:002, meinden bei der konkreten Transforma- rausgabezeitpunkts. Es ist zu beachten, BStBl. I 2017 S. 1239. tion in das neue Recht helfen. Hier wird dass bislang praktisch keine Rechtspre- aufgezeigt, welche Fragen vor Ort ge- chung zum § 2b UStG existiert. Auch Unverzichtbar ist zudem der Umsatz- stellt werden sollten und welche Schrit- die Hinweise der Finanzverwaltung las- steueranwendungserlass (UStAE) in te sinnvoll sind, um den Umstieg erfolg- sen leider viele Fragen offen. Wir werden der aktuellen Fassung. Die Dokumente reich zu bewältigen. Ergänzt wird dieser versuchen, wichtige neue Erkenntnisse in finden sich im Internet Teil durch einige Anlagen, wie z. B. Ta- die Online-Version dieses Dokuments (www.bundesfinanzministerium.de). bellen oder Muster. Bitte beachten Sie, einfließen zu lassen. dass alle diese Handlungsempfehlungen nur Blaupausen sind, die an die örtli- chen Verhältnisse angepasst werden müs- sen. Auch für die erfolgreiche Umstel- Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG 9
TEIL 1 EINFÜHRUNG IN DAS UMSATZSTEUERRECHT1 1. FUNKTIONSWEISE mit Wirkung vom 1. Januar 1968 das Sys- Der Hotelier schließlich schenkt DER UMSATZSTEUER tem der Allphasen-Netto-Umsatzsteuer die 100 Flaschen Wein im Rahmen mit Vorsteuerabzug in Kraft gesetzt, das einer Hochzeit aus und stellt dem Die Umsatzsteuer zählt neben der Ein- bis heute Gültigkeit besitzt. Hochzeitspaar hierfür 5.000,— € kommensteuer zu den bekanntesten und + 950,— € MwSt. in Rechnung. ertragreichsten Steuern Deutschlands. Das entscheidende Korrektiv ist hier Ein Vorsteuerabzug ist den Braut- Der Zusatz „MwSt. 19 %“ auf Rechnun- der Vorsteuerabzug. Er ermöglicht es leuten nicht möglich (s. Abb. 1). gen oder Kassenbons ist jedem Kind ge- einem Unternehmer, sich die von ihm läufig. Die Funktionsweise der Umsatz- für Lieferungen und Leistungen an sein steuer, die in Deutschland als Allpha- Unternehmen gezahlte Umsatzsteuer An diesem Beispiel lassen sich die wich- sen-Netto-Umsatzsteuer ausgestaltet ist, vom Finanzamt zurückzuholen. tigsten Grundsätze der Allphasen- ist allerdings nur wenigen bekannt. Netto-Umsatzsteuer leicht erläutern: Eine einfache Form der Umsatzsteuer, BEISPIEL • Wirtschaftlich belastet wird durch die die sogenannte Allphasen-Brutto-Um- Ein Weingut verkauft 100 Flaschen Umsatzsteuer allein der nichtunterneh- satzsteuer, galt in Deutschland bis Ende Wein an einen Getränkehändler merische Verbraucher, der am Ende der 1960er-Jahre. Bei dieser Steuer wurde zum Preis von 1.000,— € der Produktions- und Handelskette der Umsatz bei jeder Produktions- oder + 190,— € MwSt. Der Getränke- steht. Die in der Kette stehenden Handelsstufe mit einem bestimmten (re- händler zahlt damit 1.190,— €, Unternehmer werden aufgrund des lativ niedrigen) Steuersatz belastet. Dies von denen das Weingut 190,— € Vorsteuerabzugs nicht wirtschaftlich führte dazu, dass die Steuerbelastung an das Finanzamt als Umsatz- belastet. abhängig von der Länge der Lieferanten- steuer abführt. Der Getränke- • Die Zahllast liegt hingegen allein bei bzw. Händlerkette anstieg. Hierdurch händler hat aber im Wege des den Unternehmern. Nur sie sind ver- waren kleinere Unternehmen und Händ- Vorsteuerabzugs die Möglichkeit, pflichtet, die Umsatzsteuer an das ler gegenüber Unternehmen mit großer sich die gezahlten 190,— € Um- Finanzamt abzuführen. Der wirtschaft- Fertigungstiefe benachteiligt, weil bei satzsteuer vom Finanzamt erstat- lich belastete Endverbraucher hat keine den internen Produktionsschritten keine ten zu lassen. Der Weinhändler Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Umsatzsteuer anfiel. Eine solche Benach- verkauft den Wein für 2.000,— € Finanzamt. teiligung stößt nach der Rechtsprechung + 380,— € MwSt. an ein Hotel • Die saldierte Zahllast ist auf jeder Stu- des Bundesverfassungsgerichts auf ver- weiter. Hier greift der gleiche fe so hoch wie die hier generierte Wert- fassungsrechtliche Bedenken.2 Zur Um- Mechanismus: Der Weinhändler schöpfung. So hat das Weingut in dem setzung dieser Rechtsprechung und der führt die Umsatzsteuer an das Beispiel eine Zahllast von 190,— €, ersten Harmonisierungsbestrebungen der Finanzamt ab, das Hotel erhält weil hier eine Wertschöpfung von Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Wege des Vorsteuerabzugs die 1.000,— € geschaffen wurde. Das im Bereich der Mehrwertsteuer wurde 380,— € vom Finanzamt zurück. Hotel führt 950,— € Umsatzsteuer 1 Diese Abhandlung beruht auf der Kommentierung von Große Verspohl in Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht und wird dort fortlaufend aktualisiert. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH. 2 BVerfG, Urteil vom 20.12.1966 – 1 BvR 320/57, 1 BvR 70/63 – NJW 1967 S. 147. 10 HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH
TEIL 1 an das Finanzamt ab und bekommt im (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), nur dann hat sie 2.1 MEHRERE PERSONEN Wege des Vorsteuerabzugs 380,— € eine Steuererklärung abzugeben (§ 18 zurück, so dass eine Zahllast von Abs. 3 UStG). Zugleich ist aber nur dann Für einen Leistungsaustausch ist es erfor- 570,— € verbleibt. Dies sind genau der Vorsteuerabzug möglich, wenn Leis- derlich, dass ein Leistender und ein Leis- 19 % der vom Hotel erzielten Wert- tungen für den unternehmerischen tungsempfänger vorhanden sind. Steu- schöpfung von 3.000,— €. Bereich bezogen werden (§ 15 UStG). erbar können also nur solche Leistungen sein, die zwischen zwei unterschiedli- Für eine Gemeinde stellt sich damit, 2. LEISTUNGSAUSTAUSCH chen Steuersubjekten ausgetauscht wer- sobald sie Umsätze erlöst, die entschei- den. Ein steuerbarer Leistungsaustausch dende Frage: „An welcher Stelle der Die Umsatzsteuer besteuert Umsätze. innerhalb eines Unternehmens ist damit Kette stehen wir?“ Oder anders ausge- Darunter fallen insbesondere die Liefe- nicht möglich. Da eine Körperschaft des drückt: „Ist die Gemeinde als umsatz- rung und sonstige Leistungen, die ein öffentlichen Rechts umsatzsteuerrecht- steuerrechtliche Unternehmerin tätig?“ Unternehmer im Inland gegen Entgelt im lich ein Unternehmen darstellt, führt ein Nur wenn eine juristische Person des Rahmen seines Unternehmens ausführt Austausch von Waren und Dienstleistun- öffentlichen Rechts Unternehmerin ist, (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Die Besteu- gen innerhalb einer Gemeinde nicht zu unterliegen ihre Lieferungen und sons- erung setzt damit einen Leistungsaus- einem steuerbaren Leistungsaustausch. tigen Leistungen der Umsatzsteuer tausch voraus. Dies gilt selbst dann, wenn die Leistun- Abb. 1 Vorsteuerabzug 100 100 100 Flaschen Flaschen Flaschen Wein Wein Wein GETRÄNKE- WEINGUT HOTEL BRAUTPAAR HÄNDLER .000 € 1 .000 € 2 5.000 € +1 90 € USt + 380 € USt + 950 € USt 1.190 € 2.380 € 5.950 € 190 € 380 € 950 € Umsatzsteuer 190 € 380 € Vorsteuer - 190 € - 190 € - 570 € FINANZAMT Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG 11
TEIL 1 gen tatsächlich (intern) abgerechnet reich der Gemeinde an den nichtunter- nanziellen Eingliederung.4 Da es für das werden, beispielsweise zum Zwecke der nehmerischen Bereich erfolgte. Vorliegen der Organschaft nur auf die Kosten- und Leistungsrechnung oder objektiven Verhältnisse, nicht aber auf für die Gebührenkalkulation. Es handelt Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn den Willen oder die Entscheidungen der sich in solchen Fällen lediglich um ei- Waren und Dienstleistungen zwischen Beteiligten ankommt, sollten insbeson- nen sogenannten Innenumsatz, der nicht einer Gemeinde und einem gemeindli- dere Gemeinden mit privatrechtlichen steuerbar ist. Entsprechende Abrechnun- chen „Tochterunternehmen“ mit eigener Eigen- oder Beteiligungsgesellschaften gen sind keine Rechnungen im Sinne Rechtspersönlichkeit (z. B. Kommunal- das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer des Umsatzsteuerrechts.3 unternehmen oder GmbH) ausgetauscht Organschaft sorgfältig im Blick haben. werden. In diesen Fällen liegen grund- sätzlich steuerbare Außenumsätze vor, 2.2 ENTGELTLICHKEIT BEISPIEL weil die Tochterunternehmen selbst ju- DER LEISTUNG Der gemeindliche Bauhof pflegt ristische Personen und damit eigenstän- die Außenanlagen des gemeind- dige Steuersubjekte sind (vgl. Art. 89 Voraussetzung für den Leistungsaus- lichen Kindergartens. Hierfür wird Abs. 1 GO; § 13 Abs. 1 GmbHG). Von tausch ist ferner, dass Leistung und eine Rechnung gestellt, um die dieser Regel gibt es allerdings eine wich- Gegenleistung in einem wechselseitigen5 Kosten intern dem Kindergarten tige Ausnahme: Besteht eine sogenann- Zusammenhang stehen und ein unmit- zuzuweisen. Es handelt sich hier- te umsatzsteuerrechtliche Organschaft telbarer6 Zusammenhang zwischen Leis- bei nicht um einen Leistungsaus- zwischen der Gemeinde und ihrer Eigen- tung und Entgelt besteht. Dies kann bei tausch, sondern um einen nicht oder Beteiligungsgesellschaft werden die Leistungen, zu deren Ausführung sich steuerbaren Innenumsatz. Umsätze der Gesellschaft der Gemeinde die Parteien in einem gegenseitigen Ver- als Organträgerin zugeordnet (§ 2 Abs. 2 trag verpflichtet haben, grundsätzlich Nr. 2 UStG). Die Umsätze zwischen angenommen werden.7 Es ist keine Ge- Ein Innenumsatz liegt auch bei einem Organträger und Organgesellschaft wer- winnerzielungsabsicht erforderlich. So „Leistungsaustausch“ zwischen einem den damit zu nicht steuerbaren Innen- kann z. B. auch eine Leistung steuerbar gemeindlichen Eigenbetrieb und der Ge- umsätzen. Die Organschaft entsteht, sein, für die nur ein Aufwendungsersatz meinde vor, weil der Eigenbetrieb keine wenn ein Tochterunternehmen nach dem gewährt wird. 8 eigene Rechtspersönlichkeit hat. Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnis- se finanziell, wirtschaftlich und organi- 2.2.1 UNENTGELTLICHE Ein Innenumsatz kann aber zu einer satorisch in die Gemeinde eingegliedert LEISTUNGEN steuerbaren unentgeltlichen Wertabga- ist. Bei Kommunalunternehmen als An- be (§ 3 Abs. 9a UStG) führen, wenn die stalten des öffentlichen Rechts scheitert Nach diesen Grundsätzen unterliegen Leistung vom unternehmerischen Be- die Organschaft regelmäßig an der fi- unentgeltliche Leistungen nicht der Um- 3 Abschn. 14.1. Abs. 4 UStAE. 4 Trost/Menebröcker, Umsatzsteuer in der öffentlichen Verwaltung, Rn. 430. 5 Abschn. 1.1 Abs. 1 Satz 2 UStAE. 6 BFH, Urteil vom 5.12.2007 – V R 60/05. 7 BFH, Urteil vom 8.11.2007 – V R 20/05. 8 BFH, Urteil vom 18.3.2004 – V R 101/01. 12 HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH
TEIL 1 satzsteuer, weil es an einem Leistungs- Herstellung des gemeindlichen Informa- tungsaustausch mangelt.10 Er- austausch fehlt. tionsblatts beauftragt und im Gegenzug folgt die Gewährung und Höhe des dafür dem Verlag das Recht überlässt, Zuschusses jedoch unabhängig hierin im eigenen Namen und auf eigene von der Miete der Sporthalle, z. B. BEISPIEL Rechnung Werbeanzeigen zu platzieren.9 anhand der Mitgliederzahlen, ist Eine Gemeinde überlässt einem eine Saldierung nicht angezeigt, Sportverein unentgeltlich einen Andererseits kann in bestimmten Kon- so dass ein Leistungsaustausch Lkw für Arbeiten am vereinseige- stellationen das Vorliegen eines Leis- anzunehmen ist. nen Sportgelände. Da hier keine tungsaustauschs fraglich sein, obwohl Gegenleistung durch den Verein auf den ersten Blick die Voraussetzun- erfolgt, liegt kein steuerbarer gen für einen Leistungsaustausch vor- 2.2.2 ABGRENZUNGSFRAGEN Leistungsaustausch vor. liegen. Im kommunalen Bereich ist dies BEIM LEISTUNGSAUSTAUSCH insbesondere bei solchen Fällen denkbar, in denen zwar einerseits ein Leistungs- Die Gemeinden haben einige Einnah- Die unentgeltliche Überlassung kann austausch zwischen der Gemeinde und men, bei denen fraglich ist, ob ein Leis- aber zu einer steuerbaren unentgeltlichen einem Dritten vorliegt, andererseits die tungsaustausch vorliegt. So kann sich Wertabgabe (§ 3 Abs. 9a UStG) führen, Gemeinde diesem Dritten Zuschüsse in beispielsweise auch hinter Bezeichnun- wenn der überlassene Gegenstand dem Höhe des vereinbarten Entgelts gewährt gen wie „Zuschuss“, „Zuwendung“, unternehmerischen Bereich zugeordnet und zwischen dem Entgelt und dem „Beihilfe“, „Prämie“ oder „Ausgleichs- worden ist und zum vollen oder teilwei- Zuschuss eine Verknüpfung besteht. betrag“ ein Leistungsaustausch verber- sen Vorsteuerabzug berechtigt hat. War gen. Bei Zuwendungen aus öffentlichen also der im Beispiel überlassene Lkw der Kassen handelt es sich in der Regel um Wasserversorgung zugeordnet, müsste BEISPIEL sogenannte „echte Zuschüsse“, die kei- die unentgeltliche Überlassung an den Eine Gemeinde vermietet ihre nen Leistungsaustausch begründen. Dies Sportverein als unentgeltliche Wertabga- Sporthalle an Sportvereine. Bei ist insbesondere dann der Fall, wenn die be der Steuer unterworfen werden. der alljährlichen Entscheidung Zuschüsse ausschließlich auf Grundla- des Gemeinderats über die Sport- ge des Haushaltsrechts und den dazu er- Ferner ist zu beachten, dass Entgeltlich- förderung wird für jeden Verein lassenen allgemeinen Nebenstimmungen keit nicht voraussetzt, dass es zu einer ein Zuschuss in Höhe der von ihm ergehen.11 Geldzahlung kommt. Auch der Tausch geleisteten Mietzahlung beschlos- oder tauschähnliche Umsätze können sen. Da hier zwischen Mietzahlung Denkbar sind aber auch sogenannte „un- eine entgeltliche Leistung begründen. So und Zuschuss eine Verknüpfung echte Zuschüsse“. Diese sind dann anzu- liegt beispielsweise ein tauschähnlicher besteht, kann eine Saldierung der nehmen, wenn der Zuschuss ein Entgelt Umsatz dann vor, wenn eine Gemeinde Zahlungen geboten sein, so dass für eine Leistung des Empfängers an den als Herausgeberin einen Verlag mit der es im Ergebnis an einem Leis- Zahlenden ist. Ob dies der Fall ist, ergibt 9 BFH, Urteil vom 11.07.2012 – XI R 11/11. 10 BFH, Urteil vom 15.12.2016 V R 44/15. 11 Abschn. 10.2. Abs. 8 Satz 1 UStAE. Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG 13
TEIL 1 sich aus den Vereinbarungen der Par- BEISPIEL Auch Schenkungen oder Sponsoringleis- teien oder den Vergaberichtlinien.12 Ist Ein Bundesland gewährt zur Ent- tungen an Gemeinden können einen ver- die Zahlung des Zuschusses auf den Er- lastung der Eltern einen „Zuschuss“ steckten Leistungsaustausch beinhal- halt einer Gegenleistung gerichtet, liegt zu den Kindergartenbeiträgen. ten. Eine echte Schenkung oder ein echtes ein Leistungsaustausch vor. So kann bei- Aus Gründen der Verwaltungsver- Sponsoring begründet keinen Leistungs- spielsweise ein Zuschuss einer Gemeinde einfachung wird der „Zuschuss“ austausch. Dies gilt auch dann noch, wenn an einen Werbeverein e.V. zur vertrags- kindbezogen an die Träger der ohne besondere Hervorhebung auf die gemäßen Durchführung einer Werbever- Kindergärten ausgezahlt und von Unterstützung durch den Sponsor hinge- anstaltung in der Vorweihnachtszeit ein diesen auf die Elternbeiträge an- wiesen wird. Wird dem Sponsor allerdings unechter Zuschuss sein, der einen Leis- gerechnet. das Recht eingeräumt, die Sponsoring- tungsaustausch begründet. maßnahme im Rahmen eigener Werbung LÖSUNG zu vermarkten oder erfolgt eine besonde- Als „unechter Zuschuss“ sind regelmäßig Es handelt sich um einen „unech- re Hervorhebung des Sponsors oder Ver- auch solche Leistungen zu qualifizieren, ten“ Zuschuss, weil die Zahlung linkung zu seiner Internetseite, handelt es die ein zusätzliches Entgelt eines Dritten den Leistungsempfängern (Eltern) sich um unechtes Sponsoring, das einen darstellen (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG). zugutekommt, der Zuschuss für Leistungsaustausch begründet.15 Die Annahme eines Leistungsaustauschs eine bestimmte Leistung (Betreu- setzt nämlich nicht voraus, dass der Leis- ung eines Kindes) gezahlt wird In den Fällen, in denen kein Leistungs- tungsempfänger selbst die Gegenleis- und der Träger einen Anspruch auf austausch vorliegt, ist der Anwendungs- tung erbringt. Zahlungen, die von einem Auszahlung des Zuschusses hat, bereich des UStG schon gar nicht er- anderen als dem Leistungsempfänger wenn er die Leistung erbringt. öffnet. Es kommt dann auch nicht mehr für die Leistung des leistenden Unter- Der Zuschuss ist damit grundsätz- darauf an, ob die Gemeinden als Unter- nehmers gewährt werden, sind als Ent- lich steuerbar, allerdings nach nehmer handeln. Diese o. g. Abgrenzung gelt zu betrachten. Unabhängig von ihrer § 4 Nr. 25 UStG von der Umsatz- ist daher immer in einem ersten Schritt Bezeichnung als „Zuschuss“ gehören sie steuer befreit. vorzunehmen. zum Entgelt, wenn sie dem Leistungs- empfänger zugutekommen, der Zuschuss 3. DER BETRIEB GEWERB- für eine bestimmte Leistung gezahlt wird Nicht zum zusätzlichen Entgelt gehö- LICHER ART – „ALTES RECHT“ und mit der Verpflichtung der den Zu- ren hingegen Zahlungen eines Dritten schuss gewährenden Stelle zur Zuschuss- dann, wenn sie nicht überwiegend im Nach dem bis zum Ende des Jahres 2015 zahlung das Recht des Zahlungsempfän- Interesse des Leistungsempfängers, geltenden § 2 Abs. 3 UStG sind Körper- gers (Unternehmers) auf Auszahlung des sondern vornehmlich zur Förderung schaften des öffentlichen Rechts – au- Zuschusses einhergeht, wenn er einen des leistenden Unternehmens erbracht ßerhalb der Tätigkeiten in der Land- und steuerbaren Umsatz bewirkt hat. 13 werden.14 Forstwirtschaft – nur dann als Unter- 12 Vgl. Abschn. 10.2. Abs. 3 UStAE. 13 Vgl. BFH, Urteil vom 09.10.2003 – V R 51/02. 14 Vgl. Abschn. 10.2 Abs. 4 UStAE 15 Abschn. 1.1 Abs. 23 UStAE. 14 HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH
TEIL 1 nehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts 3.2 WIRTSCHAFTLICHE Frage, ob es sich um eine wirtschaft- zu betrachten, wenn sie einen Betrieb TÄTIGKEIT lich bedeutende Tätigkeit handelt (s. u. gewerblicher Art betreiben (§ 2 Abs. 3 Nr. 3.5), kommt es damit nicht auf die UStG a. F.). Für die Körperschaften, die Die wirtschaftliche Tätigkeit „gewerbli- Pachtzahlungen, sondern auf die Umsät- die Option nach § 27 Abs. 22 UStG ge- cher Art“ erfasst im Grundsatz alle Ein- ze des Pächters an.20 zogen haben, gilt diese Rechtslage für richtungen der öffentlichen Hand, die alle Umsätze bis zum 31.12.2020 fort. das äußere Bild eines Gewerbebetriebs 3.3 HOHEITSBETRIEB haben. Hieran sind zwar keine allzu gro- Ein Betrieb gewerblicher Art (BgA) ent- ßen Anforderungen zu stellen, nicht er- Ausgenommen sind solche Betriebe, die steht dann, wenn die folgenden Vor- fasst ist aber die reine Vermögensver- überwiegend der Ausübung öffentlicher aussetzungen des § 4 des Körperschaft- waltung der öffentlichen Hand.17 Hierzu Gewalt dienen, also hoheitliche Auf- steuergesetzes (KStG) erfüllt sind. zählt z. B. die bloße langfristige Vermie- gaben erfüllen. Dies ist allerdings aus- Die Steuerbarkeit ist damit nach alter tung und Verpachtung des Grundver- schließlich bei der Erfüllung solcher Rechtslage im Körperschaftsteuergesetz mögens oder die Einräumung von Nut- Aufgaben anzunehmen, die sich aus der und Umsatzsteuergesetz deckungsgleich: zungsrechten. Staatsgewalt ableiten, staatlichen Zwe- cken dienen und der öffentlichen Hand 3.1 EINRICHTUNG Eine Besonderheit besteht bei der Ver- eigentümlich und vorbehalten sind.21 Im pachtung eines Betriebs gewerblicher Ergebnis sind damit nur solche Tätigkei- Als Einrichtung ist jede nachhaltige und Art. Eine solche begründet bei der ver- ten als hoheitlich zu qualifizieren, die bei selbstständige Tätigkeit, die sich als pachtenden kommunalen Körperschaft bundesweiter Betrachtung ausschließlich wettbewerbsrelevante Tätigkeit von den einen eigenen Betrieb gewerblicher von der öffentlichen Hand wahrgenom- übrigen Aufgaben der juristischen Person Art. Die Verpachtung eines solchen Be- men werden können. So ist beispielswei- des öffentlichen Rechts abgrenzen lässt, triebs (z. B. einer Gaststätte mit Inven- se die Wasserversorgung nicht als ho- anzusehen.16 Das Bestehen einer Einrich- tar18 oder eines Campingplatzes mit den heitliche Tätigkeit zu qualifizieren, auch tung setzt jedoch keine organisatorische notwendigen Einrichtungen19) ist da- wenn sie öffentlich-rechtlich organi- Eigenständigkeit voraus. Es reicht aus, mit für die juristische Person keine nicht siert ist. Die Abwasserentsorgung hinge- wenn bestimmte Merkmale vorliegen, die steuerbare Vermögensverwaltung. Es gen ist als hoheitliche Aufgabe anerkannt für eine wirtschaftliche Selbstständigkeit kommt darauf an, ob die Tätigkeit, wenn und unterliegt damit nicht der Umsatz- sprechen, wie z. B. eine gesonderte Ge- sie vom Verpächter selbst durchgeführt steuer. schäftsleitung, getrennte Buchführung würde, bei ihm als Betrieb gewerblicher oder ein gesondert geführter Haushalt. Art zu behandeln wäre. Für die 16 Vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen, Merkblatt über die Grundsätze der Umsatzbesteuerung des Landes Hessen als juristische Person des öffentlichen Rechts (Stand Dezember 2016). 17 Vgl. Hessisches Ministerium der Finanzen, ebenda. 18 Vgl. BFH, Urteil vom 25.10.1989 – V R 111/85. 19 Vgl. BFH, Urteil vom 7.5.1969 – I R 106/66. 20 R 4.1 Abs. 5 Satz 6 f. KStR 2015. 21 Vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Besteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts – Arbeitshilfe – Stand 1.10.2014, S. 26. Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG 15
TEIL 1 3.4 EINNAHME- gen begründet. Beistandsleistungen sind nicht um Beistandsleistungen, ERZIELUNGSABSICHT Leistungen einer juristischen Person des weil die Wasserversorgung der öf- UND NACHHALTIGKEIT öffentlichen Rechts für eine andere juris- fentlichen Hand nicht vorbehalten tische Person des öffentlichen Rechts, die ist und damit nicht als hoheitlich Erforderlich ist ferner eine Einnahme- als hoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren zu qualifizieren wäre, wenn sie erzielungsabsicht, nicht aber eine Ge- sind. Es ist darauf abzustellen, ob die von der Gemeinde selbst erbracht winnerzielungsabsicht. Es kann also auch jeweilige Tätigkeit, wenn sie vom Leis- würde. Die Leistungen wären da- dann schon ein Betrieb gewerblicher Art tungsempfänger selbst ausgeübt würde, mit grundsätzlich steuerbar. vorliegen, wenn keine Kostendeckung als hoheitliche Tätigkeit oder zumindest beabsichtigt ist. Außerdem muss die als hoheitliche Teilaufgabe oder hoheit- Tätigkeit nachhaltig sein, also Wiederho- liches Hilfsgeschäft zu qualifizieren 4. DAS „NEUE RECHT“ lungsabsicht bestehen. wäre. Beistandsleistungen sind also ins- DER BESTEUERUNG besondere denkbar bei der interkom- DER ÖFFENTLICHEN HAND munalen Zusammenarbeit zwischen ein- 3.5 WIRTSCHAFTLICHE zelnen Gemeinden, aber auch bei der Die Regelungen zur Umsatzsteuerpflicht BEDEUTSAMKEIT Zusammenarbeit mit Schul- oder Zweck- der juristischen Personen des öffentlichen verbänden. Rechts standen seit Längerem in der Ein wichtiges Abgrenzungskriterium ist Kritik. Insbesondere wurde eingewandt, schließlich die wirtschaftliche Bedeut- dass sie nicht mit dem System des samkeit der Tätigkeit. Das heißt, dass BEISPIEL Art. 13 der Mehrwertsteuersystemricht- sich die Tätigkeit innerhalb der Gesamt- Der Abwasserzweckverband Z linie der EU zu vereinbaren wären. Der betätigung der juristischen Person des übernimmt die Betriebsführung BFH hat diesen Konflikt gelöst, indem öffentlichen Rechts wirtschaftlich her- und Verwaltung der Abwasserent- er bereits seit einigen Jahren eine Ausle- ausheben muss. Die Finanzverwaltung sorgung der Gemeinde G gegen gung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. im Lich- geht bei einem Jahresumsatz von bis zu Kostenerstattung. Hierbei handelt te des Art. 13 Mehrwertsteuersystem- 35.000,— € grundsätzlich davon aus, es sich um nicht steuerbare Bei- richtlinie vorgenommen hat. Im Rahmen dass die wirtschaftliche Bedeutsamkeit standsleistungen, weil die Tätig- dieser Rechtsprechung lehnte der BFH nicht gegeben ist (R 4.1 Abs. 5 KStR keiten als hoheitlich zu qualifizie- insbesondere das System der Beistands- 201522). Dies führt in der Praxis bisher ren wären, wenn sie von der Ge- leistung und die nicht steuerbare Ver- dazu, dass viele vermeintliche Betrie- meinde selbst erbracht würden. mögensverwaltung ab. Die Finanzver- be gewerblicher Art an diesem Kriterium waltung blieb – von der Rechtsprechung scheitern. ABWANDLUNG des BFH weitgehend unbeeindruckt – Der Wasserzweckverband Z über- bei ihrer hergebrachten Rechtsauffas- 3.6 BEISTANDSLEISTUNGEN nimmt die Betriebsführung und sung. Sie erkannte allerdings die Anwen- Verwaltung der Wasserversorgung dung der BFH-Rechtsprechung dann an, Kein Betrieb gewerblicher Art wird im der Gemeinde G gegen Kostener- wenn sich eine Körperschaft des öffentli- Übrigen durch sog. Beistandsleistun- stattung. Hierbei handelt es sich chen Rechts hierauf berief. In diesem Fall 22 Vgl. BT Drucks.76/16; für Umsätze vor dem 1. Januar 2015 gilt die alte Grenze von 30.678,— €. 16 HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH
TEIL 1 war jedoch die BFH-Rechtsprechung für orientiert. Die bisherige Systematik, die weiterhin Voraussetzung für die Steuer- das gesamte „Unternehmen“ anzuwen- auf das Vorliegen eines Betriebs gewerb- barkeit nach dem Körperschaftsteuerge- den; eine Beschränkung auf einzelne Be- licher Art abstellt, wird damit in Zukunft setz und dem Gewerbesteuergesetz. reiche wurde nicht zugelassen.23 umsatzsteuerrechtlich keine Rolle mehr spielen. Dies führt dazu, dass die bishe- 4.1 GRUNDSATZ: GEMEINDE Der Bundesgesetzgeber hat mit der rige Deckungsgleichheit zwischen dem IST UNTERNEHMERIN Streichung des § 2 Abs. 3 UStG und der Körperschaftsteuergesetz und dem Um- Aufnahme des neuen § 2b UStG eine satzsteuergesetz aufgegeben wird. Der Nach § 2b Abs. 1 UStG sind Körper- Neuregelung geschaffen, die sich an Betrieb gewerblicher Art ist damit jedoch schaften des öffentlichen Rechts grund- Art. 13 Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht Geschichte geworden, sondern sätzlich als Unternehmer zu behandeln. Abb. 2 Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand, neue Rechtslage GEMEINDE BETÄTIGUNGEN AUF BETÄTIGUNGEN AUF PRIVATRECHTLICHER ÖFFENTLICH-RECHTLICHER GRUNDLAGE GRUNDLAGE AUSNAHME: GRÖSSERE WETTBEWERBS- VERZERRUNGEN GRUNDSATZ: HOHEITSBETRIEB KEINE WETTBEWERBS- VERZERRUNG 1. Gleichartige Tätigkeiten < 17.500,— € 2. Steuerbefreiung bei Privatrecht 3. Gesetzlicher Vorbehalt 4. Begünstigte Kooperation UNTERNEHMER NICHTUNTERNEHMER 23 Vgl. OFD Niedersachsen vom 27.07.2012 – S 7106-283-St 171. Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG 17
TEIL 1 Dies ist im Vergleich zur alten Rechts- 4.2 AUSNAHME: gewesen, weil die Umsatzgrenze situation schon systematisch ein erheb- HOHEITLICHE TÄTIGKEIT von 35.000,— € nicht erreicht licher Unterschied. Während das alte wurde und es damit am Merkmal Recht davon ausging, dass Körperschaf- Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der „wirtschaftlichen Bedeutsam- ten des öffentlichen Rechts nicht Unter- die Körperschaft des öffentlichen Rechts keit“ gefehlt hat. Nach neuem nehmer waren und nur im Ausnahmefall eine Tätigkeit ausübt, die ihr im Rahmen Recht sind die Umsätze jedoch (Betrieb gewerblicher Art bzw. Land- der öffentlichen Gewalt obliegt (§ 2b steuerbar, weil auf zivilrechtlicher und Forstwirtschaft) die Unternehmer- Abs. 1 Satz 1 UStG) und ferner eine Be- Grundlage gehandelt wird. Auf eigenschaft vorlag, wird das Verhältnis handlung als Nichtunternehmer nicht zu Umsatzgrenzen kommt es nicht von Regel und Ausnahme nun umge- größeren Wettbewerbsverzerrungen füh- mehr an. kehrt: Eine Körperschaft des öffentlichen ren würde (§ 2b Abs. 1 Satz 2 UStG). Rechts wird grundsätzlich als Unterneh- Schematisch wird die neue Rechtslage in merin behandelt, es sei denn, es greift Abb. 2 dargestellt:25 Nicht steuerbar sind nach neuem Recht die im Gesetz geregelte Ausnahme. Eine also ausschließlich solche Umsätze, die Anknüpfung an den Betrieb gewerblicher Aus Absatz 1 des § 2b UStG lassen sich im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Art gibt es aus umsatzsteuerrechtlicher bereits im Vergleich zum bisherigen Sys- Tätigwerdens ausgeführt werden. Hier- Sicht nicht mehr. Die Prüfung, ob eine tem drei wichtige Erkenntnisse ableiten: an anknüpfend lässt sich die in Zukunft unternehmerische Tätigkeit vorliegt, er- wichtigste umsatzsteuerrechtliche Ge- folgt autonom nach § 2 und § 2b UStG. • Privatrechtliches Tätigwerden einer staltungsmöglichkeit identifizieren: Für bestimmte Katalogtätigkeiten hat Gemeinde ist in Zukunft ab dem Will eine Gemeinde einen Tätigkeitsbe- der Gesetzgeber den Weg zur Ausnah- 1. EURO umsatzsteuerbar! reich im Hinblick auf den Vorsteuerab- me durch § 2b Abs. 4 UStG kategorisch • Die Vermögensverwaltung schließt zug der Umsatzsteuer unterwerfen, kann versperrt. Hierunter fällt beispielswei- die Steuerbarkeit nicht mehr aus!26 sie diese Wirkung durch Handeln in pri- se der für die Gemeinde wichtige Be- • Die bisherige Umsatzgrenze von vatrechtlicher Form herbeiführen. Möch- reich „Lieferung von Wasser, Gas, Elekt- 35.000,— € ist nicht mehr relevant! te sie die Umsatzsteuer vermeiden, muss rizität und thermischer Energie“. Dieser sie zwingend öffentlich-rechtlich han- ist nach § 2b Abs. 4 i. V. m. Anhang 1 zur deln. Hinzukommen muss, dass größere Mehrwertsteuersystemrichtlinie stets der BEISPIEL Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlos- unternehmerischen Tätigkeit zuzuord- Eine Gemeinde verkauft in ihrem sen sind. Gerade bei der Regelung der nen, sofern sein Umfang nicht unbedeu- Bürgerbüro Zierteller mit Gemein- Benutzungsverhältnisse ihrer öffentli- tend ist. Dies ist der Fall, wenn die da- dewappen. Der Jahresumsatz chen Einrichtungen haben die Gemein- mit erzielten Umsätze einen Betrag von hieraus beträgt 850,— €. Nach den grundsätzlich Formenwahlfreiheit. 17.500,— € jährlich überschreiten.24 altem Recht wäre diese Tätig- Sie können diese privatrechtlich – also keit nicht als BgA zu qualifizieren durch privatrechtliche Vertrags- und 24 Vgl. BMF-Schreiben vom 16.12.2016 – II C 2 – S 7107/10001, Rn. 57. 25 Für ein ausführliches Schema vgl. Kronawitter, Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand nach § 2b UStG – Auswirkungen in der Praxis dargestellt an Beispielen, Versorgungswirtschaft 2016, S. 5, 6. 26 Häufig dürften aber Steuerbefreiungsnormen (insb. § 4 Nr. 12 UStG) greifen. 18 HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH
TEIL 1 Entgeltregelungen – ausgestalten, wenn BEISPIEL Abwasserbeseitigung oder die Straßen- dies nicht durch rechtliche Vorschriften Ein Abwasserzweckverband ver- reinigung. ausdrücklich ausgeschlossen ist.27 Sie kauft eine ausgemusterte Pumpe haben jedoch auch die Möglichkeit, auf auf dem freien Markt. Lösung: Daneben nennt das Gesetz in § 2b Abs. 2 öffentlich-rechtliche Handlungsformen Es liegt zwar privatrechtliches UStG zwei weitere Fallgruppen, in denen zurückzugreifen, etwa durch den Erlass Handeln vor, gleichwohl handelt größere Wettbewerbsverzerrungen un- von Benutzungssatzungen und die Fest- der Abwasserzweckverband nicht widerlegbar nicht vorliegen. Dies ist zum setzung von Benutzungsgebühren. Ent- als Unternehmer, weil lediglich einen der Fall, wenn der aus gleicharti- scheidet sich die Gemeinde für privat- ein Hilfsgeschäft vorliegt. gen Tätigkeiten erzielte Umsatz voraus- rechtliches Tätigwerden, sind die damit sichtlich 17.500,— € im Jahr nicht über- erlösten Umsätze in Zukunft automatisch steigen wird: steuerbar. 4.3 GRÖSSERE WETT- BEWERBSVERZERRUNGEN Es gibt allerdings eine Ausnahme vom BEISPIEL Grundsatz, dass privatrechtliches Han- Bei der Entscheidung für eine öffent- Eine Gemeinde überlässt Veran- deln stets zu unternehmerischer Tätigkeit lich-rechtliche Handlungsform wird zu- staltungsräume auf öffentlich- führt: Im Falle von sogenannten Hilfsge- nächst der Weg offengehalten, nicht der rechtlicher Grundlage an Dritte schäften liegt zwar keine Ausnahme nach Umsatzsteuer zu unterfallen. Allerdings und erhebt hierfür Benutzungs- § 2b UStG vor. Das privatrechtliche Tä- ist nach § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG zu- gebühren. Das jährliche Gebühren- tigwerden der juristischen Person des öf- dem erforderlich, dass eine Behandlung aufkommen beträgt 9.000,— €. fentlichen Rechts führt aber gleichwohl als Nichtunternehmer nicht zu größeren Die Umsätze sind nach § 2b nicht zur Unternehmereigenschaft nach Wettbewerbsverzerrungen führt. Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht steuer- § 2 Abs. 1 UStG, da eine solche Tätigkeit bar. Das gilt selbst dann, wenn nicht selbstständig und nachhaltig zur Nicht steuerbar bleiben damit weiterhin die Gemeinde hierdurch tatsäch- Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird. insbesondere solche Umsätze, bei denen lich einen Wettbewerbsvorteil, aus rechtlichen Gründen kein Wettbe- z. B. gegenüber einem Gastwirt, Hilfsgeschäfte sind solche Geschäfte, werb mit Privaten denkbar ist. Dies erhält. die der nichtunternehmerische Bereich ist bei der klassischen hoheitlichen Ver- der Körperschaft mit sich bringt. Hierzu waltung, wie etwa im Bereich des Stan- zählt insbesondere die Veräußerung desamtes, des Einwohnermeldeamtes Zu beachten ist, dass eine Körperschaft von Gegenständen, die im nichtunter- oder des Pass- und Personalausweiswe- des öffentlichen Rechts kein Wahlrecht nehmerischen Bereich eingesetzt wurden, sens der Fall. Es gilt aber auch für sons- hat. Bei voraussichtlichen Jahresum- sowie die Überlassung von Gegenstän- tige Tätigkeiten, die aus rechtlichen sätzen unter 17.500,— Euro und Han- den (z. B. Telefon oder Kraftfahrzeug) an Gründen der öffentlichen Hand exklusiv deln auf öffentlich-rechtlicher Grund- Arbeitnehmer zur privaten Nutzung.28 vorbehalten sind, wie beispielsweise die lage besteht keine Aussicht als Unterneh- 27 BVerwG, Urteil vom 6.4.2005 – 8 CN 1/04. 28 Vgl. BMF-Schreiben vom 16.12.2016 – II C 2 – S 7107/10001 Rn. 20. Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG 19
TEIL 1 mer behandelt zu werden, um etwa einen der Gemeinden allein durch die Um- gen. Nach dem Willen des Gesetzgebers Vorsteuerabzug zu ermöglichen.29 satzbesteuerung so verteuert, dass es sich soll Absatz 3 die Möglichkeiten, bei der nicht mehr rechnet. Diese Risiken hat interkommunalen Zusammenarbeit nicht Als zweite Fallgruppe nennt der Gesetz- auch der Gesetzgeber gesehen und aner- mit der Umsatzsteuer belastet zu wer- geber die Fälle, in denen vergleichba- kannt, dass die interkommunale Zusam- den, erweitern und nicht beschränken. re, auf privatrechtlicher Grundlage er- menarbeit gerade nicht marktorientiert, brachte Leistungen einer Steuerbefreiung sondern allein im öffentlichen Interesse (§ 4 UStG) ohne Recht auf Verzicht (§ 9 bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben BEISPIEL UStG) unterliegen. In diesen Fällen kann bzw. Leistungen der Daseinsvorsorge er- Gemeinde A übernimmt im Wege eine Wettbewerbsverzerrung nicht ent- folgt.30 Er hat deshalb in das Gesetz mit einer Zweckvereinbarung den Win- stehen, weil durch die Steuerbefreiung § 2b Abs. 3 UStG einen eigenen Absatz terdienst auf der Gemeindever- auch Private keine Belastung durch die aufgenommen, der regelt, unter welchen bindungsstraße der Gemeinde B. Umsatzsteuer erfahren. Voraussetzungen die Zusammenarbeit Weitere vergleichbare Leistungen von juristischen Personen des öffentli- erbringt A nicht. Hierfür wird eine chen Rechts nicht mit der Umsatzsteuer jährliche Zahlung von pauschal BEISPIEL belastet wird. 15.000,— € vereinbArt. Der Um- Eine Gemeinde betreibt einen satz ist schon gemäß § 2b Abs. 2 öffentlich-rechtlich organisierten 4.4.1 SYSTEMATISCHER Nr. 1 UStG nicht steuerbar, so Kindergarten. Die dort erhobenen ZUSAMMENHANG dass es nicht mehr darauf an- Kindergartengebühren sind in Zu- kommt, ob die Voraussetzungen kunft nach § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG Vorausgeschickt sei, dass § 2b Abs. 3 des § 2b Abs. 3 UStG vorliegen. nicht steuerbar, da die Leistungen UStG im systematischen Gesamtzusam- der Kinderbetreuung gemäß § 4 menhang des § 2b UStG zu sehen ist. Nr. 25 UStG von der Umsatzsteuer Dies bedeutet zum einen, dass zivilrecht- § 2b Abs. 3 UStG enthält also in Ergän- befreit sind. liche Regelungen zwischen Gemeinden zung von § 2b Abs. 2 UStG eine weite- automatisch zur Unternehmereigenschaft re nicht widerlegbare gesetzliche Ver- und damit zur Umsatzsteuer führen. mutung, dass in zwei Konstellationen 4.4 INTERKOMMUNALE Nur die öffentlich-rechtliche Zusam- größere Wettbewerbsverzerrungen nicht ZUSAMMENARBEIT menarbeit – in der Regel mit den Mit- vorliegen: teln des KommZG – bietet überhaupt Besonders praxisrelevant ist die Umsatz- die Möglichkeit, die Steuerbarkeit zu 4.4.2 LEISTUNGEN steuerpflicht im Rahmen der interkom- vermeiden. Zum anderen sind die Vor- IM EXKLUSIV HOHEITLICHEN munalen Zusammenarbeit. Hier besteht aussetzungen des § 2b Abs. 3 UStG dann BEREICH die Gefahr, dass sich das politisch ge- nicht mehr zu prüfen, wenn schon auf- wünschte und zur Steigerung der Effizi- grund des § 2b Abs. 2 UStG keine grö- Die erste Fallgruppe betrifft die Leistun- enz vielfach sinnvolle Zusammenwirken ßeren Wettbewerbsverzerrungen vorlie- gen, die aufgrund gesetzlicher Bestim- 29 Vgl. BMF-Schreiben vom 16.12.2016 – II C 2 – S 7107/10001 Rn. 33. 30 Vgl. BT Drs. 18/6094, S. 74. 20 HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH
TEIL 1 mungen nur von juristischen Personen 4.4.3.1 LANGFRISTIGE sorgung und die Nutzung eines be- des öffentlichen Rechts erbracht werden VEREINBARUNG stimmten Gebiets, für die gesamte Wirt- dürfen (§ 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG). Hier schaft eines Landes.32 Der Begriff der sind Wettbewerbsverzerrungen Die Leistungen müssen auf langfristigen Infrastruktur darf damit nicht zu eng per se ausgeschlossen, weil ein privater öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen rein technisch (z. B. Straßen, Wasserver- Dritter die Aufgabe gar nicht überneh- beruhen. Was unter „langfristig“ zu ver- sorgung, Abwasserentsorgung) verstan- men könnte. stehen ist, wird im Gesetz nicht geregelt. den werden. Zur Infrastruktur zählen Es kann aber zumindest davon ausge- vielmehr auch andere Einrichtungen der gangen werden, dass die nur punktuel- Daseinsvorsorge, wie etwa Kindergärten BEISPIEL le Zusammenarbeit hiervon nicht erfasst oder Krankenhäuser, und Einrichtungen Eine Gemeinde überträgt ihr ist. Gerade in diesen Fällen dürften aber der Verwaltung (z. B. die IT-Infrastruk- Standesamtswesen gegen Kos- häufig die Umsätze unter 17.500,— € tur, vgl. Art. 9 BayEGovG). Damit kann tenerstattung auf eine Nachbar- liegen. Damit wären größere Wettbe- beispielsweise auch die Zusammenarbeit gemeinde. werbsverzerrungen schon durch § 2b im Bereich der IT-Dienstleistungen un- Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Lang- ter diese Aufgaben fallen.33 fristigkeit kann ferner grundsätzlich an- 4.4.3 BEGÜNSTIGTE genommen werden, wenn unbefristete Der Begriff „Erhalt“ der Infrastruktur ist KOOPERATION Vereinbarungen abgeschlossen werden. weit zu verstehen. Hierunter fällt nicht Liegen Befristungen vor, dürfte in das Bewahren der bestehenden Infra- Die zweite Fallgruppe verneint das Vor- der Regel bei Zeiträumen ab 5 Jahren struktur, sondern auch deren Förderung, liegen größerer Wettbewerbsverzerrun- die Langfristigkeit zu bejahen sein.31 Ausbau und Errichtung. gen, wenn die Durchführung der Zusam- menarbeit durch spezifische öffentliche 4.4.3.2 ERHALT 4.4.3.3 WAHRNEHMUNG Interessen bestimmt wird (§ 2b Abs. 3 DER ÖFFENTLICHEN EINER ÖFFENTLICHEN Nr. 2 UStG). Es ist allerdings zu be- INFRASTRUKTUR AUFGABE achten, dass die Finanzämter diese Vor- schrift aufgrund der möglicherweise be- Die Leistungen müssen dem Erhalt der Die Leistungen müssen ferner der Wahr- stehenden Unionsrechtswidrigkeit sehr öffentlichen Infrastruktur und der Wahr- nehmung einer öffentlichen Aufgabe eng auslegen werden. Verbindliche Aus- nehmung einer allen Beteiligten oblie- dienen, die allen Beteiligten obliegt. künfte sind daher zu empfehlen. Nach genden Aufgabe dienen. Interessant ist Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass dem Wortlaut des Gesetzes wird die hier, was mit „Erhalt der öffentlichen die Aufgabe auch noch nach Durchfüh- Durchführung der Zusammenarbeit re- Infrastruktur“ gemeint ist. Infrastruk- rung der Vereinbarung beim Leistungs- gelmäßig dann durch öffentliche Inter- tur bedeutet laut Duden der notwendige empfänger verbleiben muss. Erfasst ist essen bestimmt, wenn sämtliche der fol- wirtschaftliche und organisatorische vielmehr auch gerade die Konstellation, genden Voraussetzungen erfüllt sind: Unterbau als Voraussetzung für die Ver- bei der beispielsweise eine Gemeinde ei- 31 Vgl. BMF-Schreiben vom 16.12.2016 – II C 2 – S 7107/10001 Rn. 47. 32 http://www.duden.de/rechtschreibung/Infrastruktur. 33 Vgl. Trost, Neue Voraussetzungen für die Unternehmereigenschaft der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Der Gemeindehaushalt 2016, S. 89, 92. Bayerischer Gemeindetag · Dr. Küffner & Partner GmbH HANDREICHUNG ZUR UMSTELLUNG AUF § 2b UStG 21
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