Kritische Zwischenfälle in der Anästhesie verhindern und erfolgreich managen: Konzepte für Heute und Morgen
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Kritische Zwischenfälle in der Anästhesie verhindern und erfolgreich managen: Konzepte für Heute und Morgen D-43556-2021 EINE EUROPÄISCHE PERSPEKTIVE: - Förderung einer „No Blame“-Kultur, um die Meldung und offene DIE HELSINKI DEKLARATION Diskussion von Gefährdungen für die Patientensicherheit zu Im Jahr 2010 wurde die Helsinki-Deklaration zur Patientensicher- fördern heit in der Anästhesie vom European Board of Anaesthesiologists - Stärkere Einbindung der Patienten (EBA) in enger Zusammenarbeit mit der European Society of - Wissenschaftliche, klinische, humanitäre und wirtschaftliche Anaesthesiology and Intensive Care (ESAIC, früher ESA) veröf- Argumente für eine gründliche präoperative Anamnese darlegen fentlicht. Die Helsinki-Deklaration ist eine gemeinsame europäi- - Aufbau und Pflege von regionalen Netzwerken innerhalb sche Stellungnahme zu den Maßnahmen, die zur Verbesserung Europas zum Austausch von Praktiken und Lösungen, die den der Patientensicherheit in der perioperativen Versorgung praktisch verfügbaren Ressourcen entsprechen und sinnvoll sind. Zum 10-jährigen Jubiläum der Deklaration im Jahr 2020 wurden einige Vorschläge veröffentlicht, wie die Patien- Insgesamt sind neue Ansätze notwendig, um die Patientensi- tensicherheit weiter verbessert werden kann:1, 13 cherheit in der anspruchsvollen Arbeitsumgebung der heutigen klinischen Akutversorgung zu verbessern. Ein Beispiel dafür ist die - Schaffung und Aufrechterhaltung von Strukturen für die Ausbil- Ergänzung des Safety-I Konzeptes durch Safety-II. dung mit Fokus auf die Sicherheit sowohl in den Ausbildungs- curricula als auch für Fachärzte der Anästhesie 1 © Drägerwerk AG & Co. KGaA
EINE EUROPÄISCHE PERSPEKTIVE: KRITISCHE ZWISCHENFÄLLE IN DER ANÄSTHESIE VERHINDERN UND ERFOLGREICH MANAGEN WAS IST DAS KONZEPT VON SAFETY-I UND SAFETY-II? „... unerwünschte Ereignisse treten in allen modernen Gesundheitssystemen bei bis zu 10 % der Akutaufnahmen auf, und diese Rate hat sich seit mehr als 50 Jahren nicht verändert.“ 14 DAS SAFETY-I KONZEPT DAS SAFETY-II KONZEPT Derzeitige Ansätze zur Patientensicherheit basieren auf Konzep- Wir bringen unseren Kindern das Laufen bei und nicht, ten und Methoden der 1960-80er Jahre wie der Root-Cause- wie man Stürze vermeidet Analyse, dem Berichtswesen für Zwischenfälle oder der Feh- Safety-II definiert Sicherheit als die Fähigkeit, Dinge richtig zu lerbewertung.14 Der Fokus liegt auf dem Finden und Beheben machen und nicht nur als die Abwesenheit von Fehlern oder nach- des Fehlers, also einem retrospektiven Ansatz. Der Mensch wird teiligen Ergebnissen.14 Wir können nicht nur aus Fehlern lernen, überwiegend als Gefahr gesehen, das Versagen steht im Mit- sondern auch aus Erfolgen. Safety-II bedeutet, darauf zu achten, telpunkt. Ziel dieses als Safety-I bezeichneten Konzepts ist es, wie Kliniker erfolgreich das, was sie tun, an die aktuellen Bedin- die Zahl der unerwünschten Ereignisse so gering wie möglich zu gungen anpassen. Anstatt blind den Regeln zu folgen, sorgt in halten. Doch trotz großer Anstrengungen gibt es kaum messbare manchen Szenarien eine achtsame Anpassung für mehr Patienten- Verbesserungen in der Patientensicherheit. Ein Grund für diese sicherheit. Diese erfolgreich adaptierten Handlungsweisen sollten Stagnation ist, dass das Safety-I-Konzept nicht mehr den Fein- ermutigt, ergänzt und unterstützt werden.14 heiten und der Komplexität des heutigen Gesundheitswesens Safety-I sollte nicht ersetzt, sondern durch Safety-II unterstützt gerecht wird.14 Die Patientensicherheit kann nicht durch noch werden. Natürlich sollten Misserfolge weiterhin untersucht werden, mehr Regulierung spürbar verbessert werden, sondern muss aber die Untersuchung von Erfolgen ist genauso relevant.3 Wir soll- durch andere Ansätze ergänzt werden, die die Herausforderungen ten uns aber auch auf die Eigenschaften des Systems konzentrie- der modernen Arbeitswelt berücksichtigen. Deshalb wurde von ren, die normalerweise verhindern, dass kritische Vorfälle auftreten. Eric Hollnagel das neue Safety-II Konzept vorgeschlagen.14 Aber wie macht man das? In einem ersten Schritt könnten Inter- views mit dem Fokus auf Problemlösungen durchgeführt werden. Darüber hinaus kann die Suche nach Möglichkeiten, wie Menschen unterstützt werden können, helfen, das Konzept von Safety-II umzusetzen. Zweitens: Gehen Sie „vor Ort”: Sprechen Sie mit den Mitarbeitern, die täglich Patienten durch die Narkose begleiten, und versuchen Sie herauszufinden, mit welcher Art von Problemen sie konfrontiert sind und wie sie diese lösen. Die Wertschätzung guter Arbeit hat das Potenzial, dass sich die Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen und das Engagement weiter zunimmt, was das Grundprinzip der wachsenden Zahl von positiven Berichtssystemen wie „Learning from Excellence“ oder „Appreciative Inquiry“ ist.15 ! Während sich das Konzept von Safety-I auf das Finden und Beheben des Fehlers konzentriert, fokussiert das Konzept der Safety-II, wie Kliniker ihre Arbeit erfolgreich an die Bedingungen anpassen. 2 © Drägerwerk AG & Co. KGaA
EINE EUROPÄISCHE PERSPEKTIVE: KRITISCHE ZWISCHENFÄLLE IN DER ANÄSTHESIE VERHINDERN UND ERFOLGREICH MANAGEN „Die Art und Weise zu ändern, wie wir das Gesundheitswesen betrachten, die Komplexität zu umarmen, mit statt gegen die Leistungsvariabilität zu arbeiten, ... braucht Zeit und die Bereitschaft, das Paradigma zu wechseln. Aber wir müssen anfangen, die Dinge neu anzugehen.“ 14 Während Systemveränderungen wie ein Überdenken der „Schuld- es bereits viele hilfreiche Tools, um das klinische Personal in die- und Fehlerkultur“ oder die Schaffung eines weniger stressigen sem anspruchsvollen Umfeld zu unterstützen. Einige dieser Tools Arbeitsumfelds entscheidend sind, verläuft die Entwicklung solch sowie deren Vor- und Nachteile werden im Folgenden vorgestellt. grundlegender Veränderungen langsam. In der Zwischenzeit gibt Safety I Safety II Warum ist das Verfahren Wieso hat es vorher so oft funktioniert? fehlgeschlagen? Potenzielle Gefahr Ressource für Belast- oder Bürde barkeit und Flexibilität ANZAHL AKZEPTABLER Verwendet einen RESULTATE ERHÖHEN Nutzt den Großteil der Bruchteil der verfügbaren Daten verfügbaren Daten Reaktiv Proaktiv Regeln Antizipieren und befolgen kontrolliert anpassen ANZAHL UNERWÜNSCHTER EREIGNISSE REDUZIEREN ! In unserem Artikel zu kritischen Vorkommnissen in der Anästhesie haben wir relevante Literatur gesichtet und mit renommierten Experten diskutiert, um einen Überblick zu geben. Referenzen und Details finden Sie auf unserer Website: www.draeger.com/patientensicherheit 3 © Drägerwerk AG & Co. KGaA
EINE EUROPÄISCHE PERSPEKTIVE: KRITISCHE ZWISCHENFÄLLE IN DER ANÄSTHESIE VERHINDERN UND ERFOLGREICH MANAGEN REFERENZEN 1. Newport, M., Smith, A. F. & Lewis, S. R. An arrow pointing somewhere: 19. Schild, S. et al. A Digital Cognitive Aid for Anesthesia to Support Intraopera- Qualitative study of the Helsinki declaration on patient safety and its role in tive Crisis Management: Results of the User-Centered Design Process. JMIR European anaesthesiology. Eur J Anaesthesiol 37, 1–4 (2020). Mhealth Uhealth 7, e13226 (2019). 2. Bainbridge, D., Martin, J., Arango, M., Cheng, D., & Evidence-based Peri- 20. Staender, S., Davies, J., Helmreich, B., Sexton, B. & Kaufmann, M. The operative Clinical Outcomes Research (EPiCOR) Group. Perioperative and anaesthesia critical incident reporting system: an experience based database. anaesthetic-related mortality in developed and developing countries: a systema- Int J Med Inform 47, 87–90 (1997). tic review and meta-analysis. 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